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{"created":"2022-01-31T13:46:05.536438+00:00","id":"lit36022","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Gross, Kurt","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 62: 49-51","fulltext":[{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"49\n(Aus dem physiologischen Institut der Universit\u00e4t Erlangen)\n\u2022 \u2022\nUber Akkommodation im Alter\nVon\nKuet Geoss (Erlangen)\nDie Akkommodationsbreite ist bekanntlich in den ersten Lebensjahren am gr\u00f6\u00dften (15 bis 20 Dioptrien) und nimmt dann im Laufe des Lebens ganz allm\u00e4hlich immer mehr ab, um schlie\u00dflich den Wert 0 zu erreichen.\nDondees (1) hat erstmals die Beziehungen zwischen Lebensalter und Akkommodation zahlenm\u00e4\u00dfig genau bestimmt und seine Feststellungen haben sich im allgemeinen immer wieder best\u00e4tigt. Als jene Altersstufe, in der die Akkommodation vollst\u00e4ndig erloschen ist, hat Dondees etwa das 70. Lebensjahr angegeben. Wenn wir neuere Angaben daraufhin pr\u00fcfen, so finden wir teils etwas fr\u00fchere, teils etwas sp\u00e4tere Werte. So steht Hegnee (2) nicht zu Unrecht auf Grund der DoNDEESschen Tabehe fest, da\u00df schon in einem Alter von ungef\u00e4hr 60 Jahren eine Akkommodation praktisch nicht mehr vorhanden ist. Die gleiche Angabe macht Heine (3). Bei von Rohe (4) wird das 75. Lebensjahr als jene Grenze angegeben. Das gleiche sagen Geoethuysen (5), ebenso von Hess (6) und viele andere.\nWie aus allen diesen Angaben hervorgeht, sind die vorhandenen Differenzen nur relativ klein und zeigen jedenfalls \u00fcbereinstimmend, da\u00df in einem Alter von 75 Jahren keinerlei Akkommodation mehr vorhanden sein soll; und ungeachtet der Tatsache, da\u00df es sich in den aufgestellten Tabehen nur mehr um Mittelwerte handelt, besteht die allgemeine Auffassung, da\u00df Abweichungen von den gegebenen Werten im weiteren Sinne nicht Vorkommen. So schreibt z. B. Heine (7): \u201eDie allm\u00e4hliche Verh\u00e4rtung der Linse geht mit einer beachtenswerten Regelm\u00e4\u00dfigkeit vor sich, so da\u00df Abweichungen von den oben gegebenen Regeln kaum Vorkommen\u201c.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 62\n4","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"50\nKurt Gross\nDiese Auffassung veranla\u00dft mich, auf einen Ausnahmefall hinzuweisen, den ich seit Jahren zu beobachten und selbst zu pr\u00fcfen Gelegenheit hatte, der weitgehend von der DoNDEasschen Regel ah weicht. Es handelt sich um eine 86 j\u00e4hrige Emmetrope, die im Leben immer gesund, auch jetzt noch eine f\u00fcr ihr Alter erstaunliche R\u00fcstigkeit besitzt. Sie hat immer sehr gut gesehen, und niemals im Leben ein Glas getragen. Die Untersuchung ergab f\u00fcr die Ferne f\u00fcr jedes Auge ohne Glas eine Sehsch\u00e4rfe von 0,8\u20140,9, also eine nahezu normale. (Beide Augen wurden nat\u00fcrlich einzeln gepr\u00fcft.) Weiter wurde in der N\u00e4he gew\u00f6hnliche Zeitungsdruckschrift ohne Glas aus 35 bis 40 cm Abstand ohne Schwierigkeit gelesen, und t\u00e4glich liest die 86 j\u00e4hrige ohne Brille normalen Druck. Beim Ann\u00e4hern gew\u00f6hnlicher Zeitungsschrift kann dieselbe noch bis zu 15 cm Abstand vom Auge eben erkannt werden. Die Leseproben f\u00fcr die N\u00e4he von Birkh\u00e4user werden aus 30 cm Distanz noch bis V =- 0,5 richtig gelesen. Dabei sind die Augenlider gut ge\u00f6ffnet und die Pupillenweite betr\u00e4gt bei mittlerer Beleuchtung etwa 2,7 mm Durchmesser, so da\u00df von stenop\u00e4ischem Sehen nicht die Rede sein kann. Auch von einer Starbildung oder irgendwelcher sonstigen pathologischen Ver\u00e4nderung ist auf beiden Augen nichts wahrzunehmen und diese Sehleistung besteht seit fr\u00fcherer Zeit bis jetzt unver\u00e4ndert fort. Wir haben hier also die sehr bemerkenswerte Tatsache, da\u00df eine 86 j\u00e4hrige Emmetrope noch imstande ist, gew\u00f6hnliche Druckschrift in normalem Leseabstand ohne Brille zu lesen, und ich glaube, da\u00df wir zur Erkl\u00e4rung dieser Tatsache das Vorhandensein einer entsprechenden Akkommodation noch in diesem Alter annehmen m\u00fcssen. Dazu ist aber eine Akkommodationsbreite von 2\u20143 Dioptrien erforderlich, also eine Akkommodationskraft, wie sie im allgemeinen besten Falls noch dem 50 j\u00e4hrigen zukommt. F\u00fcr eine andere Erkl\u00e4rung, etwa derart, da\u00df durch Linsenver\u00e4nderung verschiedene Stellen f\u00fcr Nah- und Fernsehen ben\u00fctzt w\u00fcrden, resp. da\u00df in der Linse durch Speichenbildung eine Art stenop\u00e4ische L\u00fccke vorhanden w\u00e4re, fehlen ebenfalls alle Anhaltspunkte.\nIch habe im Anschlu\u00df an diese interessante Feststellung begreiflicherweise nach weiteren derartigen F\u00e4llen gefahndet und in der Tat auch F\u00e4lle mit kleineren Abweichungen von dieser Regel gefunden, aber bis jetzt nicht mehr in solchem Ausma\u00dfe. Da\u00df es sich dabei vornehmlich um Personen handelt, die v\u00f6llig augengesund sind und gerade deshalb dem Ophthalmologen","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"Akkommodation im Alter\n51\nweniger leicht zu Gesicht kommen, ist ohne weiteres einleuchtend. Um so wichtiger ist es, von physiologischer Seite derartige F\u00e4lle festzulegen und ich beabsichtige die Frage weiter zu verfolgen.\nZusammenfassung\nBei einer 86 j\u00e4hrigen Emmetropen wird festgestellt, da\u00df sie sowohl \u00fcber ein scharfes Fernsehen als auch \u00fcber ein scharfes Nahsehen noch in betr\u00e4chtlichem Umfange verf\u00fcgt. Die Sehsch\u00e4rfe beiderseits f\u00fcr die Ferne betr\u00e4gt 0,8\u20140,9, ist also nahezu normal. Die Leseproben f\u00fcr die N\u00e4he von Birkh\u00e4user werden aus 30 cm Distanz noch bis V = 0,5 richtig gelesen. Da keinerlei pathologische Ver\u00e4nderungen nachweisbar sind, wird entgegen der DoNDEESschen Regel aus dieser Tatsache geschlossen, da\u00df bei der 86 j\u00e4hrigen noch eine Akkommodationsbreite von 2\u20143 Dioptrien vorhanden ist, wie sie normalerweise bestenfalls dem 50 j\u00e4hrigen zur Verf\u00fcgung steht.\nLiteratur\n1)\tF. C. Donders, Die Anomalien der Refraktion und Akkommodation des Auges. S. 17B\u2014175. Wien 1866.\n2)\tC. A. Hegner, Refraktion, Sehsch\u00e4rfe, Akkommodation und Refraktionsanomalien des Auges. Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden. Herausgegeben von E. Abderhalden. Abt. 5. Teil 6. Heft 4. Lieferung 138. S. 514. 1924.\n3)\tL. Heine, Lehrbuch der Augenheilkunde. Herausgegeben von Th. Axen-\neeld, Funktionspr\u00fcfung. S. 97.\t1910.\n4)\tM. von Rohr, Der Strahlengang im Auge und in medizinisch-optischen Instrumenten. Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden. Herausgegeben von E. Abderhalden. Abt. 5. Teil 6. Heft 4. Lieferung 138. S. 642. 1924.\n5)\tG. Groethuysen, Dioptrik des Auges. Refraktionsanomalien, etc. Hand-\nbuch der normalen und pathologischen Physiologie. Band 12. Teil 1. Rezeptionsorgane II 1. S. 97.\t1929.\n6)\tC. von Hess, Die Refraktion und Akkommodation des menschlichen Auges und ihre Anomalien. Graefe-Saemisch Handbuch der gesammten Augenheilkunde. 3. Auflage, Kapitel 12. S. 286. 1910.\n7)\tL. Heine, siehe oben. S. 98.","page":51}],"identifier":"lit36022","issued":"1932","language":"de","pages":"49-51","startpages":"49","title":"\u00dcber Akkommodation im Alter","type":"Journal Article","volume":"62"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:46:05.536444+00:00"}