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{"created":"2022-01-31T16:45:53.592417+00:00","id":"lit36024","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"M\u00fcller, Georg Elias","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 62: 53-109, 167-202, 261-308, 309-314","fulltext":[{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"53\nKleine Beitr\u00e4ge\nzur Psvchophysik der Farbenempfindungen\nVon\nGeorg Elias M\u00fcller (G\u00f6ttingen)\nInhalt\nI.\tDie nutritive Minderstellung der Ppp Substanz.....\nII.\tZur Frage des fovealen Purkinje sch en Ph\u00e4nomens..\nIII.\tDas D\u00e4mmerungsblau................................\nI. Die nutritive Minderstellung der Pm-Substanz\nNach der Theorie der Farbenempfindungen, die ich in meiner Schrift \u201eDarstellung und Erkl\u00e4rung der verschiedenen Typen der Farbenblindheit\u201c (G\u00f6ttingen, 1924) und in meinem Werke \u201e\u00dcber die Farbenempfindungen\u201c (Leipzig, 1930) \u2014 beide Werke sind im folgenden kurz als \u201eTypen\u201c und als \u201eFarbenempfindungen\u201c zitiert \u2014 entwickelt habe, befinden sich in den Zapfenau\u00dfengliedern 3 lichtempfindliche Substanzen, die ich kurz als die Pr, Pn- und Pm-Substanzen bezeichnet habe. Die Intensit\u00e4ten der in diesen Substanzen vom Liebte erweckten chemischen Prozesse, des Pi-, Pn-, Pm-Prozesses, bestimmen sich in \u00e4hnlicher Weise wie die 3 peripheren Komponenten der YouNG-HELMHOLTzschen Theorie nach den Wellenl\u00e4ngen der Lichter. Jeder der 3 P-Prozesse besitzt einen unmittelbaren Wei\u00dfwert, d. h. wirkt unmittelbar auf die nerv\u00f6se Wei\u00dfschwarzsubstanz im Sinne der Entstehung von Wei\u00dferregung ein. Au\u00dferdem macht sich jeder dieser 3 Prozesse auf indirektem Wege 1 im Sinne der Erweckung\n1 N\u00e4mlich dadurch, da\u00df er direkt auf eine oder beide chromatische Schaltsubstanzen der Retina einwirkt, deren Erregungen dazu dienen, die chromatischen Sehnervenerregungen hervorzurufen. Funktionell betrachtet sind also bei der Erweckung der chromatischen Sehnervenerregungen drei Zonen im Spiele, die Zone der P-Prozesse (P-Zone), die Zone der chromatischen Spaltprozesse und die Zone der Sehnerven-Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 62\t5\nSeite\n53\n67\n89","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nGeorg Elias M\u00fcller\nchromatischer Sehnervenerregungen geltend. Der PrProze\u00df erweckt, allein gegeben, Rot- und Gelberregung, der Pn-Proze\u00df Gelbund Gr\u00fcnerregung, der Pm-Proze\u00df Blau- und (schw\u00e4cher) Roterregung. Wenn die 3 P-Prozesse, mit bestimmten Intensit\u00e4ts-Verh\u00e4ltnissen hervorgerufen, die reine Wei\u00dfempfindung zur Folge haben, so beruht dies darauf, da\u00df sich bei diesen Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnissen der 3 Prozesse die chromatischen Wirkungen derselben infolge eines hier nicht n\u00e4her zu besprechenden, zwischen ihnen bestehenden Antagonismus gegenseitig aufheben. Wird bei Gegebensein eines wei\u00dfen Lichtes die St\u00e4rke des Pm-Prozesses herabgesetzt, so m\u00fcssen die chromatischen Valanzen des Pfund des Pn-Prozesses, soweit sie bisher dazu dienten, den chromatischen Einflu\u00df des Pm-Prozesses zu kompensieren, zu freier Wirksamkeit gelangen, so da\u00df die Empfindung einen Stich ins Gr\u00fcnlichgelbe erh\u00e4lt. Wird bei Vorhandensein einer reinen Wei\u00dfempfindung die St\u00e4rke des Pni-Prozesses erh\u00f6ht, so nimmt die Wei\u00dfempfindung selbstverst\u00e4ndlich eine violette F\u00e4rbung an. Diese einleitenden Bemerkungen werden f\u00fcr das Folgende gen\u00fcgen.\nEs besteht nun die schon fr\u00fcher (Farbenempfindungen, S. 276 ff.) von mir kurz ber\u00fchrte und hier n\u00e4her durch Tatsachen zu erweisende und hinsichtlich ihrer Bedeutung zu besprechende Eigent\u00fcmlichkeit der Pni-Substanz, da\u00df sie in nutritiver Hinsicht schlechter gestellt ist als die beiden anderen P-Substanzen, da\u00df der Ersatz des bei einer Erregung verbrauchten Materiales, abgesehen etwa von den F\u00e4llen nur schwacher Reiz ein Wirkung, unter sonst gleichen Bedingungen f\u00fcr die PppSubstanz weniger lebhaft stattfindet als f\u00fcr die Pr und Pn-Substanz. Aus diesem Verhalten lassen sich, wenn wir uns behufs Ausschlusses der durch die Mitwirkung des St\u00e4bchenapparates gegebenen Komplikation auf die Betrachtung der st\u00e4bchenfreien Netzhautpartie beschr\u00e4nken, folgende Schlu\u00dffolgerungen ziehen.\na) Wird ein Licht, das bei geringer Lichtst\u00e4rke eine reine Wei\u00dfempfindung bewirkt, mit immer h\u00f6herwerdenden St\u00e4rkegraden genommen, so wird sich die nutritive Minderstellung der Pm-iSubstanz um so mehr geltend machen, je gr\u00f6\u00dfer die vor-\nerregungen (N-Zone). Yom anatomischen Standpunkte aus kann von einer besonderen Zone der Schaltsubstanzen nicht gesprochen werden, da ja die Bestandteile derselben sich ebenso wie diejenigen der P-Substanzen innerhalb der Zapfenau\u00dfenglieder befinden. In dieser Abhandlung konnte im allgemeinen von einer n\u00e4heren Ber\u00fccksichtigung der Funktionsweisen der Schaltsubstanzen abgesehen werden.","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n55\nhandene St\u00e4rke des Lichtes ist, je h\u00f6her also die bei der Erregung an die Nutrition gestellten Anforderungen sind. Es wird daher der Pm-Proze\u00df zu den beiden anderen P-Prozessen in einem um so geringeren St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis stehen, je h\u00f6her die Lichtst\u00e4rke ist, d. h. die Empfindung wird bei wachsender Lichtst\u00e4rke in zunehmendem Ma\u00dfe eine gelbliche F\u00e4rbung annehmen.\nb)\tStellen wir umgekehrt mit hoher Lichtst\u00e4rke eine reine Wei\u00dfempfindung her und nehmen dann die Lichtst\u00e4rke immer geringer, so wird bei dieser Lichtherabsetzung die nutritive Unterst\u00fctzung des Pm-Prozesses im Verh\u00e4ltnis zu derjenigen der beiden anderen P-Prozesse immer gr\u00f6\u00dfer, so da\u00df das St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis zwischen dem Pm-Prozesse und den beiden anderen P-Prozessen zunimmt und die Empfindung immer mehr einen Stich ins Bl\u00e4uliche (R\u00f6tlichbl\u00e4uliche) bekommt.\nc)\tBefindet sich eine st\u00e4bchenfreie Netzhautstelle das eine Mal im v\u00f6llig ausgeruhten Zustande, das andere Mal in einem gut helladaptierten Zustande, der durch starke und langandauernde Einwirkung wei\u00dfen Lichtes bewirkt ist, so wird im letzteren Falle wegen der nutritiven Minderstellung der Pin-Substanz die Pm-Er-regbarkeit zu den beiden anderen P-Erregbarkeiten in einem erheblich geringeren St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis stehen als im ersteren Fall. Die Folge hiervon mu\u00df sein, da\u00df ein Licht, das f\u00fcr die v\u00f6llig ausgeruhte Netzhautpartie rein wei\u00df ist, f\u00fcr die helladaptierte sich gelblichwei\u00df darstellt, und da\u00df ein Licht, das der letzteren wei\u00df erscheint, von der ersteren als bl\u00e4ulich empfunden wird.\nd)\tWird endlich f\u00fcr die st\u00e4bchenfreie Fovea bei Helladaptiertsein derselben eine Helligkeitsgleichung zwischen einem Rot und einem Blau hergestellt, dann durch Dunkeladaption der Zustand v\u00f6lligen Ausgeruhtseins hergestellt, so wird die Pm-Erregbarkeit, die durch die Helladaption erheblich mehr herabgesetzt wurde als die Pi und die Pn-Erregbarkeit, beim \u00dcbergang zum Zustand v\u00f6lligen Erholtseins entsprechend mehr gewinnen als jene, so da\u00df die Helligkeitsgleichheit zwischen dem Rot und dem Blau bei diesem Zustande nicht mehr besteht und einem \u00dcberwiegen der Helligkeit des Blau Platz gemacht hat. Das soeben Bemerkte gilt nat\u00fcrlich nur unter der Voraussetzung, da\u00df bei der Dunkeladaptation sich hinter der P-Zone keinerlei Vorg\u00e4nge abspielen, die einem Auftreten des PuaKiNJEschen Ph\u00e4nomens 1 entgegen wirken.\n1 Von einem Auftreten des Purkinje sch en Ph\u00e4nomens (abgek\u00fcrzt:\nP-Ph.) sprach man fr\u00fcher, wenn die Helligkeitsgleichheit zwischen einem\n5*","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nGeorg Elias M\u00fcller\nWir gehen nun zur Anf\u00fchrung der Tatsachen \u00fcber, welche die Annahme einer nutritiven Minderstellung der Pm-Sub-stanz beweisen.\n1. Bekanntlich hat schon Helmholtz 1 behauptet, da\u00df der Eindruck starken Sonnenlichtes gelblich sei. \u201eIn Gem\u00e4lden wird der Eindruck grellen Sonnenscheins immer durch \u00fcberwiegend gelben Farbenton, Mondschein oder Sternenlicht durch blauen Ton ausgedr\u00fcckt. Der Maler, welcher nicht \u00fcber Abstufungen von Lichtst\u00e4rken verf\u00fcgen kann wie die Natur, welcher er nachahmt, sucht durch Nachahmung des ver\u00e4nderten Farbentones den Eindruck der Lichtst\u00e4rke zu erg\u00e4nzen. Ebenso geh\u00f6rt hierher, da\u00df uns Landschaften bei tr\u00fcbem Wetter, durch ein gelbes Glas gesehen, den Eindruck einer grellen Sonnenbeleuchtung machen.\u201c Man kann die bei hoher Lichtst\u00e4rke auftretende Gelblichkeit des wei\u00dfen Lichtes nicht in der Weise erkl\u00e4ren, da\u00df man sagt, das betreffende wei\u00dfe Licht besitze bereits bei geringerer Intensit\u00e4t eine Gelbvalanz, und die Steigerung der Lichtst\u00e4rke habe nur die Wirkung, die Gelblichkeit mehr vor der Weiblichkeit hervortreten zu lassen. Denn wird ein Licht, das eine Wei\u00df- und eine Gelbvalanz besitzt, auf h\u00f6here St\u00e4rkegrade gebracht, so verringert sich\nnicht die Weiblichkeit, sondern die Gelblichkeit. Es ist bekannt,\n\u2022 \u2022 ________________\nda\u00df spektrales Gelb beim \u00dcberg\u00e4nge zu hohen Lichtst\u00e4rken immer wei\u00dflicher wird. Es l\u00e4\u00dft sich die hier in Rede stehende Ver-gelblichung des Wei\u00df nur dadurch erkl\u00e4ren, da\u00df bei der Erh\u00f6hung der Lichtst\u00e4rke das Ansteigen des Pin-Prozesses hinter demjenigen der beiden anderen P-Prozesse zur\u00fcckbleibt.\n2. Ist wei\u00dfes Licht bei hoher St\u00e4rke tats\u00e4chlich etwas gelblich, so mu\u00df es ein bl\u00e4uliches negatives Nachbild hinterlassen. An Beobachtungen, welche diese Schlu\u00dffolgerung best\u00e4tigen, fehlt\nlangwelligen und einem kurzwelligen Lichte bei einer im gleichen Verh\u00e4ltnisse stattfindenden Schw\u00e4chung beider Lichter einem Lberwiegen der Helligkeit des letzteren Lichtes Platz machte. Seitdem aber Hering gezeigt hat, da\u00df in derartigen F\u00e4llen nicht die Schw\u00e4chung der beiderseitigen Lichtintensit\u00e4ten, sondern die \u00c4nderung des Adaptationszustandes der wesentliche Punkt ist, verstehen wir unter dem P-Ph. kurzweg die Erscheinung, da\u00df eine bei helladaptiertem Auge vorhandene Helligkeitsgleichheit zwischen einem langwelligen und einem kurzwelligen Lichte bei Dunkeladaptation einem \u00dcberwiegen der Helligkeit des letzteren Lichtes Platz macht.\n1 H. v. Helmholtz, Physiol. Optik, 3. Aufl., Bd. 2, S. 154.","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\nhl\nes nicht. Schon Helmholtz1 2 selbst bemerkt folgendes: \u201eIst das eine Auge z. \u00df. geschlossen gewesen und hat das andere w\u00e4hrend der Zeit helle wei\u00dfe Fl\u00e4chen angesehen, so erscheint unmittelbar hinterher von den (bei entsprechender Augenstellung ein tretenden) zwei Doppelbildern eines wei\u00dfen Streifens auf schwarzem Grunde dasjenige, welches dem erm\u00fcdeten Auge angeh\u00f6rt, dunkler und auch violetter als das andere, welches dem ausgeruhten Auge angeh\u00f6rt.\u201c v. Haueb 2 berichtet \u00fcber folgenden Versuch. Belichtet man ein gr\u00f6\u00dferes Feld der Netzhaut mit starkem Wei\u00df und setzt dann die Lichtst\u00e4rke pl\u00f6tzlich herab, so ben\u00f6tigt man \u201ef\u00fcr den ersten Moment nach der Verdunkelung\u201c zur Erzielung einer Farbengleichung mit einem benachbarten, nicht vorbelichteten Felde auf diesem nicht nur, wie selbstverst\u00e4ndlich, weniger Wei\u00df, sondern man mu\u00df diesem Wei\u00df auch etwas Blau zusetzen.3 Auch Keoh4 erhielt bei gewissen Versuchen f\u00fcr in hellem Lichte \u201egut grau\u201c erscheinende Scheiben bl\u00e4uliche Nachwirkungen.\n3. Roon 5 verglich direkt ein helles und ein dunkleres Wei\u00df hinsichtlich des Farbentones miteinander. Er befestigte eine kleine Scheibe, die 180\u00b0 Wei\u00df und 180\u00b0 Schwarz umfa\u00dfte und bei schneller Rotation rein grau erschien, am Achsenstifte einer gr\u00f6\u00dferen wei\u00dfen Scheibe. Beim gemeinsamen schnellen Rotieren beider Scheiben erschien die kleinere Scheibe im Vergleich zu dem sie umgebenden ringf\u00f6rmigen Teile der gro\u00dfen Scheibe bl\u00e4ulich, und es mu\u00dfte der letzteren ein erhebliches Quantum eines etwas dunklen Indigoblau zugesetzt werden, damit sie vom gleichen Farbenton erschien wie die kleine Scheibe. Dieser Versuch steht mit der Annahme, da\u00df ein Licht, das bei gewisser geringerer Intensit\u00e4t eine farblose Empfindung erwecke, bei h\u00f6herer St\u00e4rke\n1\tH. v. Helmholtz, Physiol. Optik, Bd. 3, S. 400.\n2\tF. v. Hauer, Ber. d. Wien. Akad. d. Wissensch. 123, Abt. 2 a, I, S. 647 f. 1914.\n3\tF. v. Hauer hat die sonderbare Ansicht, das dieses Blau, das ungef\u00e4hr den Farbenton von 460 gg besa\u00df, das St\u00e4bchenblau. sei. Beim Fixieren des hellen wei\u00dfen Feldes sei das Auge jedenfalls helladaptiert, daher w\u00fcrden die St\u00e4bchen so gut wie gar nicht erm\u00fcdet (!). \u201eTritt jetzt momentan Dunkeladaptation ein, so ist das Verh\u00e4ltnis zwischen St\u00e4bcherregbarkeit und Zapfenerregbarkeit f\u00fcr die erm\u00fcdete Stelle sehr zugunsten der St\u00e4bchen verschieden im Gegens\u00e4tze zur Nachbarstelle, deren Zapfen nicht erm\u00fcdet sind.\u201c Eine Kritik dieser Auslassung ist \u00fcberfl\u00fcssig.\n4\tO. Kroh, Z. Sinnesphysiol. 53, S. 194 f. (1922).\n5\tO. Boon, Die moderne Farbenlehre, Leipzig 1880, S. 201 f.","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nGeorg Elias M\u00fcller\neine etwas gelbliche Wei\u00dfempfindung hervorrufe, in gutem Einklang, l\u00e4\u00dft sich aber auch durch die Annahme erkl\u00e4ren, da\u00df das wei\u00dfe Licht durchgehends eine schwache, selbstverst\u00e4ndlich mit der Lichtst\u00e4rke wachsende, wenn auch nicht direkt konstatierbare, Gelbvalanz besessen habe, und ist deshalb f\u00fcr uns hier nicht voll beweiskr\u00e4ftig.\n4.\tDittlee und Satake 1 stellten Versuche an, bei denen es sich darum handelte, Paare von Komplement\u00e4rfarben genau zu ermitteln. Bei der Pr\u00fcfung, ob die durch Mischung zweier anscheinender Komplement\u00e4rfarben hergestellten Wei\u00dfempfindungen auch wirklich ganz farblos seien, bedienten sie sich der Heeing-schen Sukzessivkontrastmethode, d. h. sie untersuchten betreffs jeder eine anscheinend reine Wei\u00dfempfindung ergebenden Mischung zweier Farben, ob sie ihre Farblosigkeit auch bei einer ausgiebigen Herabsetzung der Lichtst\u00e4rken behalte. Sie bemerken nun, da\u00df der Ermittelung der gegenfarbig wirkenden Lichter nach dieser Sukzessivkontrastmethode eine Schwierigkeit daraus erwachsen sei, \u201eda\u00df auch bei der g\u00fcnstigsten Auswahl der beiden Lichter im Kontrast \u00f6fters eine schwache Bl\u00e4ulichkeit \u00fcbrigblieb\u201c. Die beiden Forscher f\u00fcgen hinzu, es sei ihnen nicht gelungen, festzustellen, wreshalb es ihnen in den fraglichen F\u00e4llen unm\u00f6glich gewesen sei, die bl\u00e4uliche F\u00e4rbung des Lichtfeldes ganz zu vermeiden. Es ist klar, da\u00df es sich hier um eine Erscheinung handelt, die im Sinne des oben (auf S. 55) unter b) aufgestellten Satzes zu deuten ist.\n5.\tEbbecke 2 teilt folgendes mit. \u201eHat man ein l\u00e4nger anhaltendes unbuntes Nachbild, das sich auf einem Grund von mittlerer Helligkeit stark und ausgesprochen abhebt, und projiziert man es gegen eine erheblich hellere Fl\u00e4che, so bekommt es, w\u00e4hrend es im ganzen heller wird, zugleich einen bunten Farbenton, je nach dem Stadium eine hellbr\u00e4unliche, r\u00f6tliche oder gr\u00fcnliche F\u00e4rbung, die hauchartig, durchsichtig erscheint.\u201c Bei diesem Versuche bringt die durch das Vorbild erm\u00fcdete Netzhautstelle der Einwirkung der helleren Fl\u00e4che eine Pm-Erregbarkeit entgegen, die infolge der nutritiven Minderstellung der Pm-Substanz nicht auf derselben H\u00f6he steht wie die Pj- und die Pn-Erregbar-keit, so da\u00df die Stelle des Nachbildes Farbent\u00f6ne annimmt, die auf ein Uberwiegen der beiden letzteren Erregbarkeiten hinweisen.\n1\tR. Dittler u. Y. Satake, Z. Sinnesphysiol. 48, S. 245 (1914).\n2\tU. Ebbecke, Pfl\u00fcgers Arch. 185, S. 168 (1920).","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n59\nW\u00e4re bei diesem Versuche eine Gelblichkeit der Tagesbeleuchtung im Spiele, so m\u00fc\u00dfte das Vorbild ein bl\u00e4uliches Nachbild hinterlassen, und die Bl\u00e4ulichkeit dieses Nachbildes m\u00fc\u00dfte bei der Projektion desselben auf die hellere Fl\u00e4che durch die Kontrastwirkung, welche die dem Nachbilde entsprechende Netzhautpartie seitens ihrer weniger gelberm\u00fcdeten Umgebung erf\u00e4hrt, noch eine Steigerung erfahren.\n6.\tSehr deutlich geht die Tatsache, da\u00df die Pm-Erregbarkeit im helladaptierten Auge in einem geringeren St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis zu den beiden anderen P-Erregbarkeiten steht als im dunkeladaptierten Auge, aus den Resultaten der Versuche hervor, die W. A. Naoel 1 \u00fcber die F\u00e4rbung des Druckphosphens anstellte. Er stellte fest, da\u00df dieses bei dunkeladaptiertem Auge wei\u00df oder bl\u00e4ulichwei\u00df, bei helladaptiertem Auge dagegen gelblich erschien1 2 3.\n7.\tAn das Vorstehende schlie\u00dft sich passend ein Hinweis auf die Versuche von Inotjye und Oinuma 3 an, bei denen zu einer auf das eine dunkeladaptierte Auge wirkenden wei\u00dfen Lichtfl\u00e4che diejenige lichtst\u00e4rkere wei\u00dfe Fl\u00e4che von gleicher Gestalt ermittelt wurde, die ihr bei Einwirkung auf das helladaptierte andere Auge helligkeitsgleich erschien. Es zeigte sich, da\u00df das Bild des Dunkelauges bl\u00e4ulich, das gleichhelle Bild des Hellauges dagegen gelblich war. Wenn dieser Farbenunterschied beim Simultanvergleich beider Bilder deutlicher war als beim Sukzessivvergleich, so kann dies zu einem Teile darauf beruht haben, da\u00df\n1\tW. A. Nagel, Z. Psychol. 34, S. 287 (1904).\n2\tDas Druckphosphen erschien beim Dnnkeladaptiertsein nur wenig intensiver als beim Helladaptiertsein, so da\u00df die Annahme ausgeschlossen ist, da\u00df der Druck auf den Augapfel Sehpurpurzersetzung bewirke. Schon K\u00fchne (Hermanns Handb. d. Physiol., Ill, Bd. 1, S. 292) hat festgestellt, da\u00df alle mechanischen Einwirkungen am Auge lebender Tiere ohne jeden Einflu\u00df auf den Sehpurpur sind. Die P Substanzen dagegen werden, wie die oben erw\u00e4hnte Abh\u00e4ngigkeit der F\u00e4rbung des Druckphosphens von dem Adaptationszustande zeigt, durch den Druckreiz in Erregung versetzt. Die .Reizbarkeit des Sehorganes gegen\u00fcber den verschiedenen Reizarten verh\u00e4lt sich also folgenderma\u00dfen. Das Licht wirkt zersetzend sowohl auf den Sehpurpur als auch auf die P-Substanzen, der Druckreiz dagegen nur auf die letzteren; und der elektrische Strom hat, wie ich fr\u00fcher (Farbenempfindungen, S. 126 ff. u. 632 f.) n\u00e4her besprochen habe, weder auf den Sehpurpur noch auf die P-Substanzen eine merkbare erregende Wirkung, sondern greift die erregbaren Materialien der hinter der P-Zone befindlichen Zonen (der Zone der chromatischen Schaltprozesse und der Zone der Sehnervenerregungen) direkt an.\n3 N. Inouye u. S. Oinuma, A.rch. Ophthalm. 79, S. 145 ff. (9 ).","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nGeorg Elias M\u00fcller\ndas blaue Bild des Dunkelauges und das gelbliche Feld des Hellauges binokulare Kontrastwirkungen aufeinander aus\u00fcbten.\nVon der Verursachung der Bl\u00e4ulichkeit des Bildes des Dunkelauges wird weiterhin n\u00e4her gehandelt werden. \u00c4hnliche Versuche wie Inouye und Oinuma hat auch Naoel angestellt. Ich habe diese Versuche von Naoel, bei denen sich gleichfalls der obige Farbenunterschied zwischen den Bildern des Dunkelauges und des Hellauges zeigt, fr\u00fcher 1 2 n\u00e4her besprochen.\n8.\tIn Beziehung auf die Behauptung, da\u00df die Pm-Erregbar-keit sich bei ausgiebiger Dunkeladaptation mehr erh\u00f6he als die beiden anderen P-Erregbarkeiten, sind vor allem auch die Versuche von VooELSANGr u. Fr\u00f6hlich 2 anzuf\u00fchren, welche feststellen, da\u00df auch bei v\u00f6llig oder wenigstens ann\u00e4hernd nur fovealer Reizung3 die Reizschwelle durch Dunkeladaptation f\u00fcr blaues Licht mehr verringert wird als f\u00fcr wei\u00dfes und noch mehr als f\u00fcr rotes Licht, und da\u00df dementsprechend die durch die foveale Dunkeladaptation bewirkte Helligkeitszunahme f\u00fcr das Blau gr\u00f6\u00dfer ist als f\u00fcr die beiden anderen Farben. Zu diesen Feststellungen steht es in Einklang, da\u00df auch die von Fr\u00f6hlich irrt\u00fcmlich als Empfindungszeit bezeichnete Zeit, die ja eine bei zunehmender Erregungsst\u00e4rke sich verringernde Gr\u00f6\u00dfe ist, nach den Versuchsresultaten von Fr\u00f6hlich durch die foveale Dunkeladaptation f\u00fcr Blau mehr verk\u00fcrzt wird als f\u00fcr Wei\u00df und Rot.\n9.\tFerner sind hier noch folgende, schon fr\u00fcher von mir angef\u00fchrte Beobachtungstatsachen zu erw\u00e4hnen. W. Sch\u00f6n4 untersuchte f\u00fcr eine rote, eine gr\u00fcne und eine blaue Spektralfarbe, in welchem Ma\u00dfe bei ihm eine erm\u00fcdende Far benein Wirkung von bestimmter Dauer die Empfindlichkeit f\u00fcr dieselbe Farbe schw\u00e4che.. Er stellte fest, da\u00df das blaue Licht an erm\u00fcdender Wirkung das gr\u00fcne und noch mehr das rote Licht \u00fcbertraf. S. W. Kravkov5 fand, da\u00df bei gleicher Helligkeit der violette Reiz (451 juju) mehr erm\u00fcdend wirke als der rote (656 juju), am wenigsten erm\u00fcde der gr\u00fcne Reiz (550 ^i). Nach Angabe von Kravkov bestimmte\n1\tZ. Sinnesphysiol. 54, S. 124 ff. (1923).\n2\tF. W. Fr\u00f6hlich, Die Empfindungszeit, Jena 1929, S. 118 ff.\n3\tDer gr\u00f6\u00dfte Durchmesser des Reizfeldes betrug bei diesen Versuchen nur 1 Winkelgrad. Auf die Gr\u00f6\u00dfe der st\u00e4bebenfreien Partie der Fovea komme ich weiterhin (S. 69 ff.) zu sprechen.\n4\tW. Sch\u00f6n, Arch. Ophthalm. 20, II, S. 278ff. (1874).\n5\tS. W. Kravkov, J. Psychol, u. Neur. 86, S. 87 ff. (1928).","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Bsychophysik der Farbenempfindungen\n61\nFe. Allen \u201eDie Verschmelzungskurve der intermittierenden Lichter verschiedener Wellenl\u00e4ngen und deren Ver\u00e4nderungen, welche unter dem Einflu\u00df vorangehender Erm\u00fcdung eintreten. Nach Fe. Allens Versuchsergebnissen ruft die Erm\u00fcdung durch violette Strahlen von 410\u2014450 [Jifi die gr\u00f6\u00dfte Abweichung von der normalen Verschmelzungsfrequenz hervor, die Erm\u00fcdung durch Gr\u00fcn von 540 fifx die geringste, die Erm\u00fcdung durch Rot von 650 fifi nimmt bei ihm die mittlere Stelle ein\u201c. Auch die Tatsache, da\u00df bei den von mir fr\u00fcher (Farbenempfindungen, S. 316 ff.) n\u00e4her besprochenen Versuchen, die Buech \u00fcber k\u00fcnstliche tempor\u00e4re Farbenblindheit anstellte, die Erholung von der Blaublindheit sich langsamer vollzog als diejenige von der Gr\u00fcnoder Rotblindheit und noch langsamer als die Blaublindheit die Violettblindheit schwand, d\u00fcrfte mit der nutritiven Minderstellung der Pni-Substanz Zusammenh\u00e4ngen.\nDie fr\u00fcher (Farbenempfindungen, S. 561) von mir besprochene Tatsache, da\u00df bei Verst\u00e4rkung eines Lichtes, das eine rot blaue oder gr\u00fcnblaue Empfindung erweckt, sich die Bl\u00e4ulichkeit gegen\u00fcber der Rotlichkeit oder Gr\u00fcnlichkeit nicht in demselben Ma\u00dfe steigert, in dem bei Verst\u00e4rkung eines rotgelben oder gr\u00fcn gelben Lichtes die Gelblichkeit gegen\u00fcber der Rotlichkeit oder Gr\u00fcnlichkeit an Deutlichkeit gewinnt, beruht zu einem Teile gleichfalls auf der nutritWen Minderstellung der Pm-Substanz\n10. Ich habe Versuche angestellt, die ausdr\u00fccklich zur Feststellung de\u00ab Aussehens dienen sollten, das ein kleines und sich wesentlich nur auf der Fovea abbildendes, wei\u00dfes Feld, das merkbaren Kontrastwirkungen seitens seiner Umgebung nicht ausgesetzt ist, bei gut dunkeladaptiertem Auge besitzt. Die Vp. sah durch eine 38 cm lange, innen geschw\u00e4rzte R\u00f6hre, indem ihr Gesicht und der ihr zugewendete Teil der R\u00f6hre von einem dicken schwarzen Tuche fest umh\u00fcllt waren. Die R\u00f6hre war durch Blenden so eingerichtet, da\u00df kein von ihrer Innenwand reflektiertes Licht das Auge traf. Hierdurch wurde verhindert, da\u00df das durch die R\u00f6hre sichtbare kleine, helle Feld von einem Lichtschimmer umgeben war, der, auf extrafoveale Netzhautteile wirkend, diesem Feldchen eine d\u00e4mmerungsblaue Umgebung gab, die durch Kontrastwirkung den Farbenton des Feld-chens beeinflussen konnte. Die kreisf\u00f6rmige Durchsicht, welche die Blenden der R\u00f6hre freilie\u00dfen, wrar so eng, da\u00df von einer in einer Entfernung von 50 cm vor dem Auge befindlichen Licht-","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nGeorg Elias M\u00fcller\nfl\u00e4che nur ein kreisf\u00f6rmiges Feld, dessen Durchmesser knapp 0,5 cm betrug, sichtbar war. Als Objekte der Betrachtung dienten bei m\u00e4\u00dfiger Beleuchtung ein wei\u00dfes, ein hellgraues, ein dunkelgraues und ein schwarzes Papier quadrat von 1,2 cm Seitenl\u00e4nge, die in einer Entfernung von ca. 50 cm auf schwarzem Sammet ausgebreitet waren. Bei helladaptiertem Auge erschien keines der 4 Quadrate bl\u00e4ulich. Nach einer Dunkeladaptation von 17 Min. erkl\u00e4rte die eine \"Vp. (K.) alle Quadrate au\u00dfer dem schwarzen f\u00fcr bl\u00e4ulich, der anderen Vp. (W.) erschienen das schwarze und das dunkelgraue Quadrat grau, das hellgraue und das wei\u00dfe Quadrat bl\u00e4ulich. Ob das beobachtete Blau ein reines, r\u00f6tliches oder gr\u00fcnliches sei, vermochten die Vpn. bei der Kleinheit des Objektes nicht anzugeben.\n\u00c4hnliche Resultate wurden auch von anderen Untersuchern erhalten. So gab bei W\u00f6leelins Versuchen \u00fcber foveale Dunkeladaptation 1 eine Vp. nach 17 Minuten langer Dunkeiadaptation an, da\u00df das foveal wahrgenommene Lichtfeld, dessen Winkelgr\u00f6\u00dfe 1I2\u00b0 betrug, hellbl\u00e4ulich erscheine, \u201enach der Peripherie hin dagegen hellgrau\u201c.\nVor allem aber ist hier auf die weiterhin (S. 99 ff.) n\u00e4her zu besprechenden Versuche von Sche\u00f6dingee zu verweisen, bei denen 4 normale Trichromaten die Farbe einer kleinen wei\u00dfen Scheibe, die sie mit dunkeladaptiertem Auge foveal wahrnahmen, \u00fcbereinstimmend als bl\u00e4ulich bezeichneten, und zwar charakterisierten sie dieses Blau als ein r\u00f6tliches und fanden seinen Farbenton gleich demjenigen des violetten Endteiles des Spektrums.\nWir wollen das Blau, das bei diesen Versuchen an den mit dunkeladaptierter Fovea betrachteten wei\u00dfen Feldern aufgetreten ist, kurz als das Verdunkelungsblau bezeichnen. Dasselbe beruht den bisherigen Ausf\u00fchrungen gem\u00e4\u00df darauf, da\u00df die Pm-Erregbarkeit infolge der f\u00fcr die Pm-Substanz bestehenden geringeren Geschwindigkeit der nutritiven Restitution durch eine Helladaptation st\u00e4rker von ihrem bei v\u00f6llig ausgeruhtem Auge vorhandenen Maximalwerte herabgedr\u00fcckt wird, als die Pr und die Pii-Erregbarkeit, so da\u00df beim \u00dcbergange von einem bestimmten helladaptierten Zustande zum Zustande v\u00f6lligen Erholtseins die Pm-Erregbarkeit mit dem Erfolge einer Verbl\u00e4ulichung der Empfindung einen st\u00e4rkeren Zuwachs erf\u00e4hrt als die beiden\n1 E. W\u00f6lfflin, Arch. Ophthalm. 7(5, S. 475 (1910).","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n63\nanderen P-Erregbarkeiten. Da bei jenem \u00dcbergange die beiden letzteren Erregbarkeiten von einem weniger tiefen Stande ansgehen und auch durch lebhaftere Restitutionsprozesse gef\u00f6rdert werden als die Pm-Erregbarkeit, so ist anzunehmen, da\u00df die Zur\u00fcckf\u00fchrung auf den bei v\u00f6llig ausgeruhtem Auge vorhandenen Maximalwert bei der Pm-Erregbarkeit eine l\u00e4ngere Zeit in Anspruch nimmt, als bei den beiden anderen P-Erregbarkeiten. Man darf nicht meinen, da\u00df der Umstand, da\u00df die Restitutionsprozesse f\u00fcr die Pm-Erregbarkeit weniger lebhaft vor sich gehen als f\u00fcr die beiden anderen P-Erregbarkeiten, schlie\u00dfe ein, da\u00df auch der bei v\u00f6llig ausgeruhtem Zustande vorhandene Maximalwert f\u00fcr die erstere Erregbarkeit entsprechend kleiner sei als f\u00fcr die letzteren. Nur die Geschwindigkeit, mit der dieser Maximalwert erreicht wird, nicht aber die Gr\u00f6\u00dfe desselben mu\u00df unter sonst gleichen Umst\u00e4nden um so geringer ausfallen^ je weniger lebhaft die Restitutionsprozesse vor sich gehen. Es sei ein Objekt gegeben, das eine Empfindung erweckt, deren R\u00f6tlichkeit ungef\u00e4hr eben so gro\u00df ist wie ihre Wei\u00dflichkeit. Wird das Objekt audauernd fixiert, so kann die R\u00f6tlichkeit schlie\u00dflich ganz unmerkbar werden. Soll nach diesem dem Rot ung\u00fcnstigen Verhalten der nutritiven Prozesse das St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis bemessen werden, in dem bei dem anf\u00e4nglichen, ganz erholten Zustande des Sehorganes die Empf\u00e4nglichkeit f\u00fcr Rot zu derjenigen f\u00fcr Wei\u00df stand?\nWas den genaueren Farbenton des Verdunkelungsblau be-\n\u2022 \u2022\ntrifft, so mu\u00df dasselbe, da es auf einem \u00dcbersch\u00fcsse von Pm-Proze\u00df beruht, seinem Farbtone nach derjenigen Spektralfarbe am \u00e4hnlichsten sein, deren .Empfindung ausschlie\u00dflich oder am ausschlie\u00dflichsten auf dem Pm-Prozesse beruht, d. h. es mu\u00df genau oder fast genau den Farbenton des violetten Endteiles, des Spektrums besitzen. Diese Schlu\u00dffolgerung wird durch die oben erw\u00e4hnten Angaben der vier normalen Vpn. von Sche\u00f6dingee vollauf best\u00e4tigt.\nDie Voraussetzung daf\u00fcr, da\u00df das Verdunkelungsblau eine r\u00f6tliche Beimischung enthalte, besteht bemerkterma\u00dfen darin, da\u00df die Pm-Substanz in nutritiver Hinsicht erheblich schlechter gestellt sei, als die beiden anderen P-Substanzen. Setzen wir den Fall, es sei bei einem Individuum infolge seiner Zugeh\u00f6rigkeit zu einem seltneren, besonderen Typus die Pn-Substanz in ungef\u00e4hr gleichem Ma\u00dfe wie die Pm-Substanz nutritiv schlechter gestellt als die PrSubstanz, so wird, da dem Zusammenwirken von ungef\u00e4hr","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nGeorg Elias M\u00fcller\ngleich starkem Pn- und Pra-Proze\u00df eine gr\u00fcnblaue Empfindung entspricht, das Verdunkelungsblau eine gewisse Gr\u00fcnlichkeit besitzen. Wir werden weiterhin (S. 102 f.) einen Ausnahmefall dieser Art kennen lernen. Es ist \u00fcberhaupt klar, da\u00df das Eintreten und die F\u00e4rbung des Verdunkelungsblau ganz wesentlich von der Individuali\u00e4t abh\u00e4ngen mu\u00df.\nWie wir fr\u00fcher gesehen haben und durch die Versuche von Dittleb und Satake best\u00e4tigt worden ist, kann ein helles Wei\u00df durch eine starke Herabsetzung seiner Intensit\u00e4t auch ohne Einf\u00fcgung einer besonderen Dunkeladaptation einen merkbar bl\u00e4ulichen Schein erhalten. Da diese F\u00e4lle, die gewisserma\u00dfen eine Umkehrung der F\u00e4lle sind, wo eine bei geringer Lichtst\u00e4rke rein wei\u00df erscheinende Farbe bei Verst\u00e4rkung einen Stich ins Gelbliche erh\u00e4lt, ebenso wie die im vorstehenden besprochenen F\u00e4lle auf der nutritiven Minderstellung der Pm-Substanz beruhen, so soll das in ihnen auftretende Blau, das gleichfalls etwas r\u00f6tlich sein mu\u00df, auch als ein Verdunkelungsblau bezeichnet werden.\nAuf den Unterschied zwischen dem Verdunkelungsblau und dem D\u00e4mmerungsblau komme ich in der Abhandlung III zu sprechen.\nEs mag hier noch an die Tatsache erinnert werden, da\u00df bei Einwirkung wei\u00dfen Lichtes dem Pm-Prozesse eine l\u00e4ngere metaphotische Nachdauer zukommt als den beiden anderen P-Prozessen, so da\u00df das positive Nachbild oft eine violette F\u00e4rbung erkennen l\u00e4\u00dft (Farbenempfindungen, S. 200 f. u. 391). Wird also ein helles wei\u00dfes Licht stark herabgesetzt, so kann das positive Nachbild desselben dazu dienen, dem nachfolgenden Grau f\u00fcr kurze Zeit eine violette F\u00e4rbung zu geben. Durch die k\u00fcrzere Dauer der violetten F\u00e4rbung d\u00fcrfte sich dieser Fall von dem anderen Falle unterscheiden, wo der an dem Grau beobachtete bl\u00e4uliche Schein ein \\ erdunkelungsblau im oben angegebenen Sinne ist. Selbstverst\u00e4ndlich kann es Vorkommen, da\u00df bei der Bl\u00e4ulichkeit des Grau beide hier angegebenen Ursachen gleichzeitig im Spiele sind.\n11. Endlich ist hier noch folgendes zu bemerken. Wenn eine Funktion in nutritiver Hinsicht schlechter gesteht ist als eine andere Funktion gleicher Art, so pflegt sie zugleich auch diejenige der beiden Funktionen zu sein, die leichter und h\u00e4ufiger pathologische Beeintr\u00e4chtigungen erf\u00e4hrt oder gar sich ganz vermissen l\u00e4\u00dft. So finden wir, wie ich fr\u00fcher (Farbenemphnd\u00fcngen, S. 266 ff.) n\u00e4her besprochen habe, bei einem Vergleiche der Funktionen der hinter der P-Zone gelegenen Zonen der Sehbahn, da\u00df f\u00fcr die Erregungen des Rotgr\u00fcnsinnes die Nutrition weniger g\u00fcnstig ist als f\u00fcr die Erregungen des Gelbblausinnes, und da\u00df zugleich auch die Erregungen des ersteren Spezialsinnes h\u00e4ufiger","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n65\nin pathologischen F\u00e4llen in Mitleidenschaft gezogen werden oder ganz fehlen (die Protanopie viel h\u00e4ufiger als die Tritanopie, die Deutoranopie viel h\u00e4ufiger als die Tetratanopie). Hiernach haben wir zu erwarten, da\u00df auch die Pm-Substanz entsprechend ihrer nutritiven Minderstellung in pathologischen F\u00e4llen leichter und h\u00e4ufiger eine Unzul\u00e4nglichkeit ihres Bestandes erkennen lasse als die beiden anderen P-Substanzen. Diese Erwartung wird durch die bei der Hemeralopie auftretenden St\u00f6rungen des Farbensinnes, welche das Blau und das Violett weit st\u00e4rker als die \u00fcbrigen Farben zu betreffen pflegen \\ vollauf erf\u00fcllt.\nDa die Tritanopie h\u00e4ufig mit anderen St\u00f6rungen der Netzhautt\u00e4tigkeit, z. B. Hemeralopie, verbunden ist, so ist zu erwarten, da\u00df auch bei ihr ein Fehlen oder wenigstens ein minderwertiger Bestand der Pin-Substanz sich mitunter vorfinde. Dies ist in der Tat der Fall. Den blauen und violetten T\u00f6nen des Spektrums liegen nach unserer Theorie Pu- und Pm-Prozesse zu Grunde. Dem Zusammenwirken dieser beiden Prozesse entspricht in der (funktionellen) Zone der chromatischen Schaltsubstanzen das Stattfinden von Gr\u00fcnproze\u00df und Blauproze\u00df. Der Gr\u00fcnproze\u00df hat einen G-Wert und einen B-Wert (d. h. wirkt im Sinne der Erweckung von Gr\u00fcnerregung und Blauerregung im Sehnerven), der Blauproze\u00df einen B-Wert und einen B-Wert. Die B-Werte des Gr\u00fcn- und desBlauprozesses verst\u00e4rken sich gegenseitig, der G-Wert des ersteren und der R-Wert des letzteren Prozesses wirken sich entgegen. Je kurzwelliger das Licht ist, desto gr\u00f6\u00dfer ist das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnis zwischen dem Pur und dem Pn-Prozesse,\n1 Man vergleiche hier\u00fcber v. Hess im Arch. Augenheilk. 62, 1908, S. 58 ff. und 69, 1911, S. 208 f., sowie H. K\u00f6llner, Die St\u00f6rungen des Farbensinnes, Berlin 1912, S. 247 f. Wenn ein Hemeraloper blaue und violette Lichter gr\u00fcn sieht, so steht dies ganz in Einklang zu unserer Theorie, nach welcher die blauen und die violetten Lichter im allgemeinen mindestens bis 415 np neben Pm-Proze\u00df auch noch Pn-Proze\u00df erwecken. Auf einen Minderbestand oder Ausfall der Pm-Substanz darf aber aus einem Herabgesetztsein oder Fehlen der Blau- und Violettempfindlichkeit nur dann geschlossen werden, wenn nicht gleichzeitig eine entsprechende Sch\u00e4digung der Gelbempfindlichkeit vorliegt. Ist dies der Fall, so ist die Ursache der\nSt\u00f6rung hinter der P-Zone zu suchen.\nDie hier erw\u00e4hnten, bei der Hemeralopie gemachten Erfahrungen lassen die Frage aufwerfen, ob nicht gelegentlich ein Farbensystem vorkomme, das als ein durch das Fehlen des Pm-Prozesses charakterisiertes Ausfallsystem zu bezeichnen sei.","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nGeorg Elias M\u00fcller\nzwischen dem Blan- und dem Gr\u00fcnprozesse, dem R-Werte des ersteren und dem G-Werte des letzteren. Vom Punkte des Urblau ab \u00fcberwiegt der R-Wert des Blauprozesses \u00fcber den G-Wert des Gr\u00fcnprozesses, so da\u00df die Empfindung r\u00f6tlich wird. Die Tritanopie ist nun dadurch charakterisiert, da\u00df bei ihr in der Zone der chromatischen Schaltsubstanzen der Gelbproze\u00df und der Blauproze\u00df nicht hervorgerufen werden k\u00f6nnen. Die kurzwelligen Lichter kommen daher, was ihre chromatische Wirksamkeit betrifft, nur mit dem G- und dem B-Werte des Gr\u00fcnprozesses zur Geltung. Das Spektrum erscheint rechts von der neutralen Stelle in einem im allgemeinen gr\u00fcnlichen und zugleich mehr oder weniger bl\u00e4ulichen Farbentone. Der Ausfall des Blauprozesses schlie\u00dft aber keineswegs zugleich den Ausfall des Pm-Prozesses ein. Soweit also die Tritenopie wirklich nur einen Ausfall des Gelb- und des Blauprozesses aufweist, mu\u00df sich am kurzwelligen Ende des Spektrums, wo der Gr\u00fcnproze\u00df nicht mehr merkbar erweckt wird, auch beim Helladaptiertsein doch noch eine (lichtschwache) wei\u00dfe Endstrecke zeigen, die auf dem unmittelbaren Wei\u00df werte des Pm-Prozesses beruht. Diese wei\u00dfe Endstrecke ist aber nur in Ausnahmef\u00e4llen beobachtet worden, in der gro\u00dfen Mehrzahl der F\u00e4lle ist das Spektrum rechts wesentlich verk\u00fcrzt und endet mit einer gr\u00fcnlichen oder bl\u00e4ulich-gr\u00fcnlichen Farbe (Typen, S. 53f. und 61 f.). Hieraus folgt, da\u00df in den meisten F\u00e4llen von Tritanopie die Pm-Substanz fehlt oder wenigstens nur in unzureichendem Ma\u00dfe vorhanden ist.\nMan wird vielleicht im Anschlu\u00df an das Vorstehende die Frage stellen, wie es komme, da\u00df die Tritanomalie, die doch auch eine Mindererregbarkeit der dritten peripheren Erregungskomponente einschlie\u00dfe, bisher in so wenigen F\u00e4llen konstatiert worden sei. Man sollte erwarten, da\u00df bei ihr ebenso wie bei der Hemeralopie sich eine Farbenschw\u00e4che f\u00fcr Blau und Violett h\u00e4ufiger und st\u00e4rker entwickelt zeige als f\u00fcr die \u00fcbrigen Farben, auch das in Beziehung auf die kurzwelligen Lichter sich regelwidrig verhaltende tritanomale Farbensystem sich h\u00e4ufiger antreffen lasse als das protanomale und das deuteranomale System. Hierzu ist zweierlei zu bemerken. Erstens ist auf die von Engelking 1 hervorgehobene Tatsache zu verweisen, \u201eda\u00df wir ja kein klinisches Mittel besitzen, um ein solches (d. h. tritanomales) Farbensystem auch nur mit leidlicher Sicherheit festzustellen. Hie von verschiedenen Seiten vorgelegten und im Gebrauch befindlichen Tafeln zur Untersuchung des Blau- und Gelbsinnes sind \u2014 das darf man wohl aussprechen \u2014 g\u00e4nzlich unzul\u00e4nglich.\u201c Zweitens ist daran zu erinnern, da\u00df das tritanomale Farbensystem als ein Alterationssystem nicht\n1 E. Engelhing, Arch. Ophthalm. 116, 1925, S. 199.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\t67\neinfach ein solches ist, bei dem eine der lichtempfindlichen Substanzen in geringerer Menge gebildet wird, wie beim normalen Farbensystem, sondern ein solches, bei dem eine der 3 lichtempfindlichen Substanzen nicht ganz die normale chemische Beschaffenheit besitzt und sich zu der ihr entsprechenden normalen Substanz etwa \u00e4hnlich verh\u00e4lt, wie sich der Sehpurpur der Fische zu demjenigen der S\u00e4uger, V\u00f6gel und Amphibien verh\u00e4lt, oder ein solches, bei dem eine normale lichtempfindliche Substanz durch eine ihr anomalerweise beigemischte chemische Substanz in ihrem Verhalten so beeinflu\u00dft wird, da\u00df ihre Reaktionen von den Wellenl\u00e4ngen und den Intensit\u00e4ten der Lichtstrahlen in anderer Weise abh\u00e4ngen, als normalerweise der Fall ist. Aus der nutritiven Minderstellung der Piii-Substanz folgt nun aber keineswegs, da\u00df eine solche chemisch oder chemisch-physikalisch bedingte Alteration der Lichtempfindlichkeit die P ln-Substanz h\u00e4ufiger betreffen m\u00fcsse als die beiden anderen P-Substanzen.\nII. Zur Frage des fovealen Purkinj eschen Ph\u00e4nomens\nI. Einleitung. Wie auf S. 55 unter d) gezeigt, l\u00e4\u00dft die durch die nutritive Minderstellung der Pm-Substanz bedingte Eigent\u00fcmlichkeit dieser Substanz, sich nach Helladaptation durch Dunkeladaptation in ausgiebigerem Ma\u00dfe wieder zu erholen als die beiden anderen P-Substanzen, an und f\u00fcr sich vermuten, da\u00df f\u00fcr das st\u00e4bebenfreie Netzbautzentrum das PuRKiNjEsche Ph\u00e4nomen (P-Ph.) gilt, wobei allerdings eine solche Deutlichkeit dieses Ph\u00e4nomens, wie sich bei Benutzung einer sowohl Zapfen als auch St\u00e4bchen enthaltenden Netzhautstelle zeigt, nicht im Entferntesten zu erwarten ist. Hat man es mit einer Netzhautstelle letzterer Art zu tun, so beruht der Vorrang, den das Blau beim Dunkeladaptiertsein vor dem Rot besitzt, wesentlich auf der durch das Hinzutreten einer erheblichen St\u00e4bchent\u00e4tigkeit bedingten Zunahme der Wei\u00dflichkeit.1 Im anderen Falle dagegen ist der Vorgang beim \u00dcbergange vom Dunkeladaptiertsein zum Helladaptiertsein nicht wesentlich anders wie in dem Falle, wo man zun\u00e4chst ein rotes und ein blaues Licht helligkeitsgleich hergestellt hat und dann die beiden Lichter verst\u00e4rkt und zwar in der Weise, da\u00df das Blau heller erscheint als das Rot. Hier ist das \u00dcberwiegen des Blau nicht in gleichem Ma\u00dfe wie bei Benutzung einer st\u00e4bchenhaltigen Netzhautstelle mit einer Abnahme seiner S\u00e4tti-\n1 Die Abnahme an S\u00e4ttigung, die ein Blan bei der Dunkeiadaptation erleidet, beruht nicht blo\u00df darauf, da\u00df die Wei\u00dferregung immer h\u00f6her anw\u00e4chst, sondern gem\u00e4\u00df meinen fr\u00fcheren Darlegungen (Typen, S. 141 ff.) auch darauf, da\u00df die Zapfent\u00e4tigkeit durch die anwachsende St\u00e4bchent\u00e4tigkeit\nimmer mehr gehemmt wird.","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nGeorg Elias M\u00fcller\ngung verbunden b Ferner ist klar, da\u00df das P-Ph. der st\u00e4bchenfreien Fovea mit der oberen Helligkeitsgrenze, bis zu welcher das P-Ph. einer st\u00e4bchenhaltigen Netzhautstelle gilt, nichts zu tun hat. Denn dieser Grenzwert ist davon abh\u00e4ngig, bei welchen Helligkeiten eine Mitwirkung des St\u00e4bchenapparates noch stattfindet.1 2 Endlich ist noch darauf hinzuweisen, da\u00df die nutritive Minderstellung der Pin-Substanz zwar (mit dem fr\u00fcher [S. 55] angegebenen Vorbehalte) eine gewisse G\u00fcltigkeit des P-Ph. erwarten l\u00e4\u00dft, wenn ein blaues oder violettes Licht im Vergleich zu einem wesentlich auf die beiden anderen P-Substanzen oder die eine derselben wirkenden, langwelligeren Licht gesetzt wird, dagegen nichts dar\u00fcber ergibt, ob sich ein foveales P-Ph. auch dann zeigt, wenn man ein rotes Licht mit einem gr\u00fcnen vergleichen l\u00e4\u00dft. Wir haben eben zur Zeit noch keine hinl\u00e4nglich sichere Kenntnis dar\u00fcber, wie sich bei den Normalen die Pn-Substanz in nutritiver Hinsicht zu der PrSubstanz verh\u00e4lt. Die oben (S. 60 f.) angef\u00fchrten Angaben von Sch\u00f6n, Keavkov und Allen sind in dieser Beziehung unzureichend und einander teilweise widersprechend. Wenn also, wie Rosenbeeg gefunden haben will, bei Benutzung eines gelblichwei\u00dfen und eines sattgr\u00fcnen Lichtes sich das P-Ph. f\u00fcr die Fovea nicht nach weisen l\u00e4\u00dft, so w\u00fcrde daraus nicht geschlossen werden k\u00f6nnen, da\u00df auch bei Benutzung eines roten und eines blauen Lichtes sich ein foveales P-Ph. vermissen lasse.\nII. \u00dcber die Versuche, die f\u00fcr die Annahme eines fovealen PijekinjEschen Ph\u00e4nomens angef\u00fchrt worden sind. Die vorstehende Betrachtung hat mich dazu veranla\u00dft, mich etwas n\u00e4her mit der Frage zu besch\u00e4ftigen, welches das Endergebnis aller der Versuche sei, die zur Entscheidung der Frage, ob es ein foveales P-Ph.3 gebe, dienen sollten. Die Resultate dieser Versuche zeigen leider nichts weniger als eine\n1\tDie Vorg\u00e4nge, welche einem etwaigen P-Ph. einer st\u00e4bchenfreien Netzhautstelle zugrunde liegen, linden nat\u00fcrlich auch dann statt, wenn es sich um das P-Ph. einer st\u00e4bchenhaltigen Stelle handelt, treten aber gegen\u00fcber dem im Sinne dieses Ph\u00e4nomens wirkenden Einfl\u00fcsse des Funktionsunterschiedes der beiden Sehapparate ganz zur\u00fcck.\n2\tN\u00e4here Aufkl\u00e4rungen \u00fcber die Grenzen des P-Ph. der st\u00e4bchenhaltigen Netzhautstellen haben die Versuche von Rosenberg (Z. Sinnesphysiol. 59, 1923, S. 103 ff.) gebracht.\n3\tDer Ausdruck \u201efoveales P-Ph.\u201c ist ungenau, da es sich hier ja darum handelt, ob das P-Ph. auch f\u00fcr den st\u00e4bchenfreien Teil der Fovea gelte. Da er kurz und traditionell ist, wird er hier beibehalten.","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"69\nKleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\nbefriedigende \u00dcbereinstimmung. W\u00e4hrend Parinaud, y. Kries, Nagel, A. Kohlkausch, W. Dietee, Rosenberg, Troland, H. Lau-kens und K. Geoos 1 das Auftreten des P-Ph. bei ausschlie\u00dflich fovealer Einwirkung der beiden zu vergleichenden Lichter auf Grund ihrer Beobachtungen bestreiten, besteht nach den Beobachtungen von Heeing, Tschekmak, M. H. Fischee, Kostee, Sherman, Edridge-Green und Vogelsang das P-Ph. auch f\u00fcr die Fovea, allerdings in bedeutend geringerer Ausgepr\u00e4gtheit wie f\u00fcr die extrafovealen Teile, Auch L. L. Sloan 2 hat bei nur fovealer Beobachtung das P-Ph. erhalten. Ferner mag hier noch darauf hingewiesen werden, da\u00df v. Hess8 angibt, da\u00df das P-Ph. auch\nf\u00fcr die St\u00e4bchen- und sehpurpurfreie Netzhaut der Schildkr\u00f6te gelte.\nGegen\u00fcber den Versuchen, welche das Bestehen eines fove-alen P-Ph. anscheinend ergeben haben, hat man eingewandt, da\u00df die benutzten farbigen Fl\u00e4chen zu gro\u00df gewesen seien, so da\u00df ihre Bilder sich, wenigstens bei gelegentlich eintretenden kleinen Blickschwankungen, auf st\u00e4bchenhaltigen Netzhautstellen h\u00e4tten abbilden m\u00fcssen. Obwohl Kostee* 2 3 4 auf Grund seiner Messungen \u201ef\u00fcr die Stelle, wo nur die Funktion der Zapfen eine Rolle spielt\u201c, eine Breite von 0,5 mm angesetzt hatte, lie\u00df Heeing bei seinen Versuchen die zu vergleichenden beiden Farben sich auf einem Netzhautbezirke von 0,60 mm Durchmesser abbilden; bei den Versuchen von Sherman betrug der Durchmesser des Netzhautbildes sogar 0,635 mm. Nach einer Mitteilung von W. Dieter5 hat Wolfbum an seinen Netzhautpr\u00e4paraten den gr\u00f6\u00dften Durchmesser des vollkommen st\u00e4bchenfreien Bezirkes gleich 0,44 mm gefunden. Prof. Peitsch fand nach einer Mitteilung von v. Kries 6 an einem seiner vorz\u00fcglichen Foveapr\u00e4parate (von einem Neger)\nTroland in den Investigations at the Heia Research Laboratories 1915, 16, 8. 403 ff. ; H. Laurens in The American J. of Physiol., 67, 1924 S. 318ft; K. Gross in 2. Sinnesphysiol. 59, 1928, S. 215ff. Letzterer gibt am Schl\u00fcsse seiner Abhandlung ein ausf\u00fchrliches Verzeichnis der hierher geh\u00f6rigen Ver\u00f6ffentlichungen der im obigem und im nachstehenden ge-nannten Untersucher, auf das ich hiermit verweise.\n2\tL. L. Sloan, ZU. Ophthalm. 20, S. 237 (1928).\n3\tC. V. Hess, Vergleichende Physiologie des Gesichtssinnes, Jena 1912, S. 25.\n4\tW. Koster, Arch. Ophthalm. 41, IV, S. 5 (1895).\n5\tW. Dieter, Arch. Ophthalm. 113, S. 141 ff. (1924).\n6\tJ. v. Kries, Nagels Handb. d. Physiol., Bd. 3, S. 188.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 62\n6","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nGeorg Elias J^\u00fcller\neinen ganz st\u00e4bchenfreien Bezirk von nur 0,2 mm, was weniger als 1\u00b0 entsprechen w\u00fcrde\u201c. Nach den Untersuchungen von Rochon-Duvigneaud besitzt, wie ich einer Mitteilung von E. Holm1 2 3 entnehme, das Gebiet, in dem die St\u00e4bchen vollst\u00e4ndig fehlen,\neinen Durchmesser von 0,15\u20140,2 mm.\nF. W. Fr\u00f6hlich 2 hat die Ausdehnung des fovealen Gebietes mit\nHilfe der bekannten Deformation (Ausbuchtung nach hinten) bestimmt, welche bei dunkeladaptiertem Auge ein \u00fcber den fixierten Punkt mit gleichm\u00e4\u00dfiger Geschwindigkeit hinweggleitender Lichtstreifen erleidet. Er meint, es liege nahe, \u201ejene Zone, innerhalb welcher die adaptativen Ver\u00e4nderungen der prim\u00e4ren Empfindung in so auffallender Weise Zur\u00fcckbleiben, mit dem von den Histo-logen als st\u00e4bchenfrei angenommenen Gebiet zu identifizieren und zur Ausmessung des fovealen Gebietes zu verwenden\u201c. Fr\u00f6hlich kam auf diesem Wege zu dem Ergebnisse, da\u00df bei ihm selbst das foveale (und nach seiner Ansicht st\u00e4bchenfreie) Gebiet einen horizontalen Durchmesser von 2\u00b0 25' (= 0,63 mm) und einen vertikalen Durchmesser von 10 55' (=0,51 mm) besitze ; bei Vogelsang waren die entsprechenden Zahlen 2 0 10 ' (= 0,56 mm) und io 45 (\u2014 0,45 mm). Schon v. Hess 3 hat derartige Messungen des Durchmessers j ener Ausbuchtung vorgenommen. Seine Angaben ergeben Werte von \u201evielleicht ein wenig mehr\u201c als 0,53 mm bis h\u00f6chstens 0,68 mm. Die von Fr\u00f6hlich und v. Hess erhaltenen Durchmesserwerte sind ungef\u00e4hr dreimal so hoch wie die oben angef\u00fchrten, von Fritsch und Rochon-Duvigneaud erhaltenen Durchmesser des st\u00e4bchenfreien Netzhautzentrums. Es erhebt sich daher die Frage, ob der Durchmesser jener Ausbuchtung des Lichtstreifens wirklich einen Schlu\u00df auf die Gr\u00f6\u00dfe der st\u00e4bchenfreien Netzhautpartie zulasse.\nDie Ausbuchtung des Lichtstreifens ist dadurch bedingt, da\u00df die um das Netzhaut Zentrum gelegenen Netzhautpartien bis zu einer gewissen Grenze eine bei zunehmendem Abstande vom Zentrum sich verringernde nutritive Minderstellung gegen\u00fcber den jenseits dieser Grenze befindlichen Netzhautteilen besitzen. Diese nutritive Minderstellung ist eine leicht verst\u00e4ndliche Folge des Umstandes, da\u00df das Kapillargef\u00e4\u00dfnetz der Retina die Fovea freil\u00e4\u00dft. Die hierdurch erm\u00f6glichte h\u00f6here Sehsch\u00e4rfe des Netz-\n1\tE. Holm, Arch. Ophthalm. 108, S. 46 (1922).\n2\tF. W. Fr\u00f6hlich, Die Empfindungszeit, S. 113 f.\n3\tC. y. Hess, Pfl\u00fcgers Arch. 101, S. 229 (1904).","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\t71\nhaut Zentrums erschien der Natur wichtiger als eine Einrichtung, die in ihm die gleiche Nutrition und Erregbarkeit bestehen l\u00e4\u00dft wie in den angrenzenden extrafovealen Teilen.\nLegen wir die vorstehende Deutung der Ausbuchtung zugrunde, so lassen sich unschwer alle dieselbe betreffenden Einzelheiten verstehen. Da\u00df es der Dunkeladaptation bedarf, damit die Ausbuchtung auftrete, und da\u00df diese bei fortgesetzter Dunkeladaptation an Deutlichkeit gewinnt, erkl\u00e4rt sich folgenderma\u00dfen. Bei ausgepr\u00e4gtem Helladaptiertsein ist auch die Erregbarkeit der extrafovealen Teile stark herabgesetzt, so da\u00df die noch vorhandene Differenz der in der Fovea und der in ihrer Umgebung bestehenden Erregbarkeiten keine f\u00fcr uns merkbaren Wirkungen hat. Werden nun aber die Augen dem Dunkel ausgesetzt, so dient die lebhaftere Nutrition der extrafovealen Teile dazu, jene Differenz immer mehr zu vergr\u00f6\u00dfern, so da\u00df von einem bestimmten Zeitpunkte ab die von dem Lichtstreifen getroffenen fovealen Teile infolge ihrer erheblich geringeren Erregbarkeit deutlich sp\u00e4ter eine uns merkbare Erregung entstehen lassen als die extrafovealen Teile, und zwar mu\u00df ein fovealer Teil mit seiner Erregung um so mehr Zur\u00fcckbleiben, je schlechter er hinsichtlich der Nutrition gestellt ist, d. h. je n\u00e4her er dem Zentrum der Fovea liegt. So entwickelt sich im Verlaufe der Dunkeladaptation die Ausbuchtung.\nVon einem bestimmten Zeitpunkte der Dunkeladaptation ab verringert sich der Durchmesser der Ausbuchtung.1 Dies beruht darauf, da\u00df der Zuwuchs, den die Erregbarkeit des sich dunkeladaptierenden Auges nach Ablauf einer bestimmten Adaptationszeit im Zeitelement erf\u00e4hrt, unter sonst gleichen Umst\u00e4nden um so geringer ist, je h\u00f6her bei Beginn des Zeitelementes die Erregbarkeit bereits ist. Dies hat zur Folge, da\u00df die Differenz zwischen der Erregbarkeit der extrafovealen Teile und derjenigen der den extrafovealen Teilen n\u00e4chstbenachbarten und in nutritiver Hinsicht denselben nur wenig nachstehenden fovealen Partien von einem bestimmten Zeitpunkte ab sich immer mehr verringert, so da\u00df schlie\u00dflich der Zustand erreicht wird, wo aus dieser Differenz ein merkbar sp\u00e4teres Erregtwerden der fovealen Grenzpartien nicht mehr entspringt und mithin eine Verringerung des Durchmessers der Ausbuchtung zu konstatieren ist.\n1 F. W. Fr\u00f6hlich, Die Empfindungszeit, S. 77.\n6*","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nGeorg Elias M\u00fcller\nVerhalten sich die fovealen Teile zn den extrafovealen wie minder erregbare, wie weniger dnnkeladaptierte Teile, so liegt es nahe zu erwarten, da\u00df die die Ausbuchtung bildenden Teile des Lichtstreifens weniger hell erscheinen als die \u00fcbrigen Teile. Dies konnte v. Hess 1 aber nur bei Lichtstreifen von sehr geringer Helligkeit konstatieren. Auch haben z. B. die Versuche von Vaughan und Boltunow1 2 deutlich gezeigt, da\u00df bei helladaptiertem Auge die Farbenschwelle in der Fovea ihr Minimum besitzt und bei zunehmender Exzentrizit\u00e4t der gereizten Netzhautstelle sich stark erh\u00f6ht. Es kommt hier eben noch die Tatsache in Betracht, da\u00df das gleiche Netzhautbild in der Fovea zweckm\u00e4\u00dfigerweise eine gr\u00f6\u00dfere oder sogar viel gr\u00f6\u00dfere Zahl an Zapfen trifft als au\u00dferhalb derselben. Hierdurch wird f\u00fcr Sch wellen bestimmungen und Helligkeitsvergleichungen der Einflu\u00df der nutritiven Minderstellung der einzelnen Zapfenorgane der Fovea verdeckt, so da\u00df derselbe nur in dem zeitlichen Verlaufe der Erregungen zutage tritt.\nWas die Breite des Lichtstreifens anbelangt, so erscheint nach den Angaben von v. Hess die mittlere, hellste Zone desselben im fovealen Gebiete meistens etwas schm\u00e4ler als im extrafovealen Gebiete. Zieht man aber die dieser Zone vorgelagerte und die derselben n\u00e4chstfolgende verwaschene Zone mit in Betracht, so stellt sich der foveale Streifenteil eher etwas breiter dar als die extrafovealen. \u201eEs hat den Anschein, als ob foveal die Erregung etwas langsamer ansteige, sp\u00e4ter ihren H\u00f6hepunkt erreiche und langsamer wieder sinke als extrafoveal.\u201c Diese Angaben stehen in vollem Einkl\u00e4nge zu unserer Annahme einer nutritiven Minderstellung der Fovea.3\nDie Erscheinungen des \u00fcber die Fovea hinweggef\u00fchrten Lichtstreifens erkl\u00e4ren sich also vollst\u00e4ndig durch die soeben erw\u00e4hnte Annahme ohne alle Bezugnahme auf die Frage, wie gro\u00df der st\u00e4bchenfreie Bezirk des Netzhautzentrums sei. W\u00fcrde man\n1\tC. v. Hess, a. a. O., S. 228.\n2\tC. L. Vaughan u. A. Boltunow, Z. Sinnesphysiol. 42, S. 11 (1908).\n3\tDurch diese Annahme erkl\u00e4rt sich auch die yon Boswell (Z. Sinnesphysiologie 42, S. 308 [1908]) festgestellte Tatsache, da\u00df f\u00fcr die Sichtbarkeit bei Dauerexposition im Falle fovealer Beizeinwirkung etwa den 16 bis 20 fachen Betrag der f\u00fcr k\u00fcrzeste Expositionszeit erforderlichen Energiemenge als Zuf\u00fchrung pro Sekunde n\u00f6tig ist, w\u00e4hrend nach den mit beliebig wanderndem Blick ausgef\u00fchrten Versuchen von Eystek nur der etwa 2,5 fache Betrag ben\u00f6tigt wird.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n73\neinwenden, die besprochenen Besonderheiten der auf der Fovea sich abbildenden Streifenteile lie\u00dfen sich wohl auch daraus erkl\u00e4ren, da\u00df in der Fovea den erweckten Zapfenerregungen die au\u00dferhalb der Fovea vorhandene Unterst\u00fctzung durch entsprechende Erregungen des St\u00e4bchenapparates in herabgesetztem Ma\u00dfe oder gar nicht zuteil werde, so w\u00fcrde zu erwidern sein, da\u00df nach dieser Ansicht jene Besonderheiten bei Einwirkung eines kurzwelligen Lichtes von hoher St\u00e4bchenvalenz mehr ausgepr\u00e4gt sein m\u00fc\u00dften als bei Einwirkung eines mit schwacher St\u00e4bchenvalenz begabten, langwelligen Lichtes. Aber das Gegenteil ist der Fall. Fr\u00f6hlich und Vogelsang1 bemerken ausdr\u00fccklich, da\u00df die Ausbuchtung des Lichtstreifens bei Benutzung eines roten Lichtes besonders sch\u00f6n zu sehen sei.\nWir haben es hier also mit 3 wohl voneinander zu unter scheidenden zentralen Bezirken der Retina zu tun, erstens mit der anatomisch definierten Netzhautgrube, die, wie Helmholtz angibt, nach Koellikers Feststellungen einen Durchmesser von 0,18\u20140,225 mm besitzt, zweitens mit dem durch seine nutritive Minderstellung und Mindererregbarkeit charakterisierten zentralen Bezirk, dessen Umfang sich nach der Gr\u00f6\u00dfe der zentralen gef\u00e4\u00dflosen Stelle bestimmen d\u00fcrfte, die nach Dimmer2 je nach dem Grade ihrer Ausbildung einen horizontalen Durchmesser von 0,36 bis 0,8 mm besitzt, und drittens mit dem st\u00e4bchenfreien zentralen Netzhautbezirke. Es ist in keiner Weise zu rechtfertigen, wenn man die Ausdehnung dieses letzteren Bezirkes durch Methoden bestimmen will, welche tats\u00e4chlich nur \u00fcber die Gr\u00f6\u00dfe der hier an zweiter Stelle genannten Zone Auskunft geben. Dieser Fehlgriff liegt vor, wenn die zur Bestimmung des st\u00e4bchenfreien Bezirkes dienenden Messungen die oben besprochene Ausbuchtung des bewegten Lichtstreifens oder die Gr\u00f6\u00dfe des zentralen Bezirkes, in dem unter geeigneten Versuchsbedingungen das P\u00fcRKiNJEsche Nachbild ausf\u00e4llt, betreffen.\nMan hat die Gr\u00f6\u00dfe des st\u00e4bchenfreien Bezirkes auch in der Weise zu bestimmen gesucht, da\u00df man die Voraussetzung zugrunde legte, dieser Bezirk sei durch das Fehlen des P.-Ph. charakterisiert. Selbstverst\u00e4ndlich geht es nicht gut an, hier, wo die\n1\tF. W. Fr\u00f6hlich u. K. Vogelsang, Pfl\u00fcgers Arch. 207, S. 112 (1925).\n2\tF. Dimmer, Beitr\u00e4ge zur Anatomie und Physiologie der Macula lutea des Menschen, Leipzig und Wien, 1894, S. 60.","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nGeorg Elias M\u00fcller\nG\u00fcltigkeit dieser Voraussetzung in Frage steht, sich auf Ergebnisse zu beziehen, die auf eben dieser Voraussetzung beruhen.\nWir sind also darauf angewiesen, uns ausschlie\u00dflich an die oben angef\u00fchrten histologischen Bestimmungen des st\u00e4bchenfreien Bezirkes zu halten. Nach den Feststellungen von Fritsch und Rochon-Duvioneaud ist die \u00fcbliche Annahme, da\u00df ein farbiges Feld von 1\u00b0 (etwa 3 mm) Durchmesser sich auf einer ganz st\u00e4bchenfreien Netzhautstelle abbilden k\u00f6nne, nicht haltbar, und sogar jede hierher geh\u00f6rige Untersuchung, bei welcher der Durchmesser des Netzhautbildes mehr als 0,2 mm betrug, unterliegt dem Verdachte, da\u00df bei ihr mit einem zu gro\u00dfen Netzhautbilde operiert worden sei. Hiernach sind also auch die oben erw\u00e4hnten Versuche von Tschermak, Fischer und Vooelsano, bei denen allen der Durchmesser des Netzha\u00fctbildes mehr als 0,2 mm betrug, nicht recht beweiskr\u00e4ftig \\ Selbstverst\u00e4ndlich ist es bei den individuellen Verschiedenheiten der Gr\u00f6\u00dfe des st\u00e4bchenfreien Netzhautbezirkes sehr wohl m\u00f6glich, da\u00df die Messungen von Fritsch und Rochon-Duvioneaud gerade Netzh\u00e4ute mit besonders kleinem st\u00e4bchenfreien Bezirke betrafen, und da\u00df bei dem einen oder anderen jener Untersucher der Durchmesser des st\u00e4bchenfreien Netzhautbezirkes bedeutend gr\u00f6\u00dfer als 0,2 mm, sowie auch gr\u00f6\u00dfer als der Durchmesser des Netzhautbildes des benutzten farbigen Feldes war. Aber auf diese blo\u00dfe M\u00f6glichkeit hin k\u00f6nnen wir doch nicht die Behauptung aufstellen, es sei sicher erwiesen worden, da\u00df das P.-Ph. sich auch dann zeige, wenn die beiden farbigen Halbfelder auf eine v\u00f6llig st\u00e4bchenfreie Netzhautregion einwirken.\nEs ist hervorzuheben, da\u00df die Variabilit\u00e4t, die hinsichtlich der Gr\u00f6\u00dfe des st\u00e4bchenfreien Netzhautzentrums besteht, auch F\u00e4lle einschlie\u00dft, wo man nicht mehr berechtigt ist von einem st\u00e4bchenfreien Netzhautbezirk zu reden. Von verschiedenen Forschern ist das Fehlen einer Fovea centralis im albinotischen\n1 Edridge-Green (J. of Physiol. 45, S. 73 ff. [1912] macht \u00fcber die Gr\u00f6\u00dfe des Netzhautbildes \u00fcberhaupt keine Angaben. Wie gro\u00df bei den Versuchen von Koster das Netzhautbild war, vermag ich seinen Mitteilungen nicht mit Sicherheit zu entnehmen. Es mu\u00df aber \u00e4u\u00dferst stutzig machen, da\u00df er sagt, es habe sich f\u00fcr das kleine, nur auf st\u00e4bchenloser Netzhautstelle sich abbildende Feld das P.-Ph. genau so sch\u00f6n wie f\u00fcr gro\u00dfe Felder gezeigt. Oder geh\u00f6rte Koster etwa dem auf S. 75 ff. n\u00e4her zu besprechenden anomalen fovealen Typus an?","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n75\nAuge festgestellt worden. Kkoh 1 konnte bei einem Protanopen von nicht ganz regul\u00e4rem Verhalten f\u00fcr ein fixiertes Feld von etwa 1\u00b0 eine deutliche Mitwirkung von St\u00e4bchen nachweisen. Vor allem aber ist hier der Untersuchung von Abney und Watson1 2 zu gedenken, welche feststellten, da\u00df man in den menschlichen Augen zwei Typen des fovealen Aufbaues verwirklicht findet, einen normalen und einen anomalen 1 oveatypus. Bei ersterem Typus ist die das Netzhautzentrum umgebende Region bis zu gewisser Grenze st\u00e4bchenfrei, bei dem letzteren Typus enth\u00e4lt sie neben Zapfen in wohl in Betracht kommender Menge auch St\u00e4bchen. Es wurde f\u00fcr die verschiedenen Spektralfarben die generelle Schwelle bestimmt, indem das die Farbe zeigende Scheibchen (34' Winkelgr\u00f6\u00dfe) nach mehr als halbst\u00fcndiger Dunkeladaption teils direkt fixiert, teils bei einem Abstande des Fixationspunktes von 1,25, 2,5, 5 und 10\u00b0 beobachtet wurde. W\u00e4hrend nun bei einem Vertreter W des normalen Typus die Schwelle, abgesehen vom Rot, bei allen Farben f\u00fcr die Fovea bei weitem den h\u00f6chsten Wert besa\u00df, um beim \u00dcbergange zur parafovealen Zone bis zu 5\u00b0 schnell abzunehmen und dann bei 10\u00b0 wieder eine leichte Zunahme zu zeigen, war bei einem Vertreter B des anomalen Typus die Schwelle bei direkter Fixation des Scheibchens etwas niedriger als bei den \u00fcbrigen Distanzen zwischen Fixationspunkt und Scheibe, f\u00fcr welche die Schwelle sehr nahezu den gleichen Wert besa\u00df. Die zwischen W und B hinsichtlich der Empfindlichkeit der Fovea bestehende Differenz hatte zur Folge, da\u00df B bei der Aufrechterhaltung zentraler Fixation keinerlei Schwierigkeit empfand und bei Helligkeitsmessungen auch mit sehr geringen Intensit\u00e4ten ganz \u00fcbereinstimmende Resultate erhielt, w\u00e4hrend f\u00fcr W zentrale Fixation bei schwachen Lichtern schwierig war und Helligkeitsbestimmungen bei niedrigen Intensit\u00e4ten infolge der Tendenz, die der Fovea an Empfindlichkeit \u00fcberlegenen parafovealen Regionen zu benutzen, sehr unregelm\u00e4\u00dfige Resultate ergaben. \u00c4hnlich wie B verhielten sich\n1\tO. Kroh, Z. Sinnesphysiol. 54, S. 38 f. (1923).\n2\tW. Abney and W. Watson. The Threshold of Vision for different\ncoloured Lights, in Philos. Transactions of the Royal Society of London A, Bd. 216.\t1916. So viel ich gesehen habe, hat diese wertvolle Unter-\nsuchung, weil w\u00e4hrend des Krieges ver\u00f6ffentlicht, in Deutschland bisher noch keine Beachtung gefunden. Ich berichte daher etwas eingehender\n\u00fcber ihre Resultate.","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nGeorg Elias M\u00fcller\nnoch zwei andere Vpn. Auch bei ihnen besa\u00df die Schwelle bei\ndirekter Fixation des farbigen Scheibchens einen Wert, der auf\neine erhebliche Mitwirkung von St\u00e4bchen hinwies. Doch bildeten\n\u2022 \u2022\nsie insofern einen \u00dcbergang zu den 5 Vpn. vom normalen Typus, als bei ihnen der Schwellenwert bei fovealer Beobachtung h\u00f6her war als bei den \u00fcbrigen Lagen des Fixationspunktes.\nDer Unterschied der beiden Typen trat auch dadurch deutlich hervor, da\u00df das (nach dem Energiewerte bestimmte) Minimum der fovealen Schwelle bei den Vpn. vom normalen Typus in der Gegend von 566 fifx, dagegen bei den Vpn. vom anomalen Typus in der Gegend von 513 //// lag. Bei den extrafovealen Lagen des Netzhautbildvs des farbigen Scheibchens stimmten die beiden Typen hinsichtlich des spektralen Ortes des Schwellenminimums miteinander \u00fcberein.\nEin weiterer Unterschied der beiden Typen trat darin hervor, da\u00df es bei den Vpn. vom anomalen Typus f\u00fcr alle Spektralfarben au\u00dfer dem Rot ein gut ausgepr\u00e4gtes farbloses Intervall gab, w\u00e4hrend f\u00fcr die Vpn. vom normalen Typus alle Farben, falls sie \u00fcberhaupt wahrgenommen wurden, sich farbig darstellten.\nDie beiden Forscher stellten eine Versuchsanordnung her, welche eine schnelle Entscheidung dar\u00fcber erm\u00f6glichen sollte, welchem der beiden Typen eine gegebene Vp. angeh\u00f6re. Die Benutzung dieser Versuchsanordnung kam auf Folgendes hinaus. Auf einem wei\u00dfen Schirm sind zwei mit einem Abstand von 1 Zoll \u00fcbereinander stehende, rote Punkte sichtbar. Die Vp. fixiert aus einer Entfernung von 1 m die Mitte zwischen beiden Punkten. Senkrecht zu der durch die beiden Punkte markierten Richtung und durch den zwischen ihnen befindlichen Teil des Schirmes bewegt sich ein gr\u00fcner Fleck (527 juju) \u00fcber den Schirm. Ist die Vp. vom normalen fovealen Typus, so sieht sie, falls die Farbe eine h\u00f6here Intensit\u00e4t besitzt, ein sich \u00fcber den Schirm bewegendes farbiges Band, dessen Mitte (entsprechend der Fovea) dunkelgr\u00fcn ist, w\u00e4hrend an den Seiten ein viel lichteres Gr\u00fcn besteht. Wird die St\u00e4rke des gr\u00fcnen Lichtes verringert, so wird das Gr\u00fcn der Mitte immer dunkler, w\u00e4hrend die seitlichen Partien (wegen der merkbar werdenden Mitwirkung der St\u00e4bchen) hell bleiben, aber ihre Farbe verlieren. Schlie\u00dflich wird eine Lichtst\u00e4rke erreicht, bei welcher in der Mitte \u00fcberhaupt kein Licht wahrgenommen wird, w\u00e4hrend die seitlichen Partien noch ganz hell erscheinen. Geh\u00f6rt die Vp. dem anomalen Typus an, so","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n77\nbesteht bei hoher Intensit\u00e4t des Gr\u00fcn nur ein geringer Unterschied des farbigen Aussehens zwischen der mittleren und den seitlichen Partien des farbigen Bandes; im allgemeinen erscheint die Mitte eine Kleinigkeit weniger hell. Ist das gr\u00fcne Licht so weit abgeschw\u00e4cht, da\u00df eine Vp. vom normalen Typus in der Mitte \u00fcberhaupt gar kein Licht wahrnimmt, so erblickt ein Beobachter vom anomalen Typus einen kontinuierlichen Lichstreifen, dessen Helligkeit in der Mitte nur um ein geringes schw\u00e4cher ist als an den Seiten.\nMittels der hier angedeuteten Versuchsanordnung wurden 10 Personen gepr\u00fcft und festgestellt, da\u00df 8 von ihnen dem normalen und 2 dem anomalen Typus angeh\u00f6rten.\nDer Typusunterschied zwischen den beiden obenerw\u00e4hnten Vpn. W und B trat auch darin hervor, da\u00df das einem bewegten Lichtstreifen folgende PuEKiNJEsche Nachbild unter gleichen Versuchsbedingungen bei der ersteren (dem normalen Typus ange-h\u00f6rigen) Vp. das bekannte \u00dcberspringen des fovealen Gebietes zeigte, f\u00fcr die letztere Vp. dagegen auch in diesem Gebiete sichtbar war.\nEndlich wmrden mit den beiden soeben erw\u00e4hnten Vpn. auch noch Versuche angestellt, bei denen f\u00fcr 17 verschiedene Spektral-farben das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnis bestimmt wurde, in dem ein auf die Fovea wirkendes Lichtfeld (Winkelgr\u00f6\u00dfe 43') zu einem parafoveal (Exzentrizit\u00e4t 2,50 \u00b0) ein wirkenden Lichtfelde stehen mu\u00dfte, damit beide Felder gleichhell erschienen. Bei W wuchs dieses Verh\u00e4ltnis bei abnehmender Wellenl\u00e4nge des Lichtes von dem bei 658 fifi erhaltenen Werte 1,14 bis auf den bei 403 juju sich herausstellenden Wert 27,0 an, entsprechend der Tatsache, da\u00df die f\u00fcr die parafoveale, nicht aber auch f\u00fcr die foveale Stelle\nwesentlich in Betracht kommende St\u00e4bchenvalenz des Lichtes beim\n\u2022 \u2022\n\u00dcberg\u00e4nge vom langwelligen zum kurzwelligen Ende des Spektrums sich bedeutend erh\u00f6ht. Bei B dagegen, bei dem die Fovea gleichfalls st\u00e4bchenhaltig war, erh\u00f6hte sich jenes Verh\u00e4ltnis bei der gleichen Wellenl\u00e4ngen\u00e4nderung von 1,05 auf nur 1,94.\nAbney und Watson haben also den Nachweis erbracht, da\u00df es neben den Personen, die \u00fcber eine wenigstens z. T. st\u00e4bchenfreie Fovea verf\u00fcgen, auch noch eine nicht zu vernachl\u00e4ssigende Minderzahl solcher gibt, deren Fovea ungef\u00e4hr in gleichem Ma\u00dfe St\u00e4bchen-haltig ist wie die parafoveale Region.","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nGeorg Elias M\u00fcller\nFalls also ein Untersucher bei Benutzung eines halb roten halb blauen Feldes, dessen Netzhautbild hinter der geringsten der bisher seitens der Histologen angegebenen Gr\u00f6\u00dfen des st\u00e4bchen-freien Gebietes erheblich zur\u00fccksteht, an einem Beobachter feststellen sollte, da\u00df f\u00fcr dieses Feld das foveale P-Ph. besteht, so w\u00fcrde hierin ein Beweis daf\u00fcr, da\u00df dieses Ph\u00e4nomen auch bei blo\u00dfer Inanspruchnahme des Zapfenapparates auftreten kann, so lange nicht zu erblicken sein, als der Nachweis fehlt, da\u00df der Beobachter nicht dem anomalen fovealen Typus angeh\u00f6rt. Und andererseits d\u00fcrfte es nicht angehen, einen Beobachter, der angibt auch bei rein fovealer Wahrnehmung des P-Ph. zu konstatieren, ohne weiteres als ein Individuum zu verd\u00e4chtigen, das nicht ordentlich fixiert habe. Die St\u00e4bchenhaltigkeit der Fovea braucht nicht in allen F\u00e4llen so ausgepr\u00e4gt zu sein, wie bei derVp. B von Abney und Watson.\nNach den vorstehenden Ausf\u00fchrungen ist zu sagen, da\u00df ein ganz einwandfreier Nachweis daf\u00fcr, da\u00df das P-Ph. auch f\u00fcr einen ganz st\u00e4bchenfreien Netzhautbezirk gilt, zur Zeit nicht vorliegt. Ein solcher Nachweis w\u00fcrde gegeben sein, wenn sich die Angabe von v. Hess, da\u00df sich das P-Ph. auch f\u00fcr die st\u00e4bchenlosen Schildkr\u00f6ten nachweisen lasse, bewahrheiten sollte. N\u00e4here Mitteilungen \u00fcber die dieser Angabe von v. Hess zugrunde liegenden Versuche habe ich in seinen Ver\u00f6ffentlichungen nirgends finden k\u00f6nnen. Und mehr wie diese nicht n\u00e4her belegte Angabe von v. Hess d\u00fcrfte die Feststellung von Dieter1 ins Gewicht fallen, da\u00df bei der angeborenen station\u00e4ren totalen Homeralogie, wo sich der D\u00e4mmerungsapparat v\u00f6llig vermissen l\u00e4\u00dft, auch das P-Ph., selbst bei gro\u00dfem Felde, v\u00f6llig fehlt.\nIII. \u00dcber die Versuche, welche der Annahme eines fovealen P\u00fcEKiNJEschen Ph\u00e4nomens ung\u00fcnstig sind.\nWenden wir uns nun zu den Versuchen, deren Resultate anscheinend die Annahme eines fovealen P-Ph. ausschlie\u00dfen, so ist in Beziehung auf dieselben zweierlei zu bemerken. Erstens dies, da\u00df hier nicht die Frage war, ob das P-Ph. sich foveal ebenso leicht erzeugen lasse wie extrafoveal, sondern es sich darum handelte, ob das P-Ph. mit dem st\u00e4bchenfreien Netzhautbezirke sich \u00fcberhaupt, wenn auch nur mit minimaler Deutlichkeit, erhalten lasse. Man mu\u00dfte also bei anf\u00e4nglich negativen Resultaten\n1 W. Dieter, Pfl\u00fcgers Arch. 222, S. 581 ff. (1929).","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n79\nZusehen, ob sich nicht doch durch eine dem Auftreten dieses Ph\u00e4nomens g\u00fcnstigere Umgestaltung der Versuchsbedingungen, vor allem durch eine Versch\u00e4rfung des Unterschiedes der beiden Adaptationszust\u00e4nde, eine Merkbarkeit dieses Ph\u00e4nomens auch bei ausschlie\u00dflich st\u00e4bchenfreier Beobachtung erzielen lasse. Dieser Anforderung entsprach es z. B. nicht, wenn Nagel 1 in folgender Weise verfuhr. Er lie\u00df den \u201ein hinreichendem Ma\u00dfe dunkeladaptierten\u201c (!) Beobachter zwei hinsichtlich ihrer Helligkeiten passend gew\u00e4hlte und unmittelbar aneinander sto\u00dfende, von einer hellen Gaslampe beleuchtete Fl\u00e4chen, von denen die eine rot und die andere blau war, miteinander vergleichen. Waren die beiden Fl\u00e4chen von gro\u00dfer Ausdehnung, so hatte eine Herabsetzung der Beleuchtung zur Folge, da\u00df die blaue Fl\u00e4che gegen\u00fcber der roten an Helligkeit gewann. Wurden dagegen die beiden Farbfl\u00e4chen so weit verkleinert, da\u00df das halb rote halb blaue Ganzfeld unter einem Winkel von etwa 10 erschien, so war das P-Ph. nicht zu konstatieren. Hier war der Unterschied der beiden Adaptationszust\u00e4nde nichts weniger als der f\u00fcr die Beobachtung des P-Ph. g\u00fcnstigste.\nWeit wichtiger und alle bisher \u00fcber das foveale P-Ph. an-gestellten Versuche treffend ist die zweite hier zu machende Bemerkung, da\u00df man sich gar nicht darum gek\u00fcmmert hat, inwie weit die Helladaptation infolge gewisser Farbigkeit des Adaptationslichtes zugleich eine chromatische Verstimmung des Auges einschlo\u00df, die nicht ohne Einflu\u00df auf den Ausfall des Versuches sein k\u00f6nnte. Es sei ein rotes und ein blaues Feld gegeben, die bei Betrachtung mit v\u00f6llig ausgeruhten Augen gleich hell erscheinen. Werden nun die Augen durch lange Einwirkung eines roten Lichtes f\u00fcr diese Farbe erm\u00fcdet und dann wiederum jene beiden Felder betrachtet und hinsichtlich ihrer Helligkeiten miteinander verglichen, wird dann die Roterm\u00fcdung sich f\u00fcr die Helligkeit des blauen Feldes in gleicher Weise geltend machen wie f\u00fcr die Helligkeit des roten Feldes, so da\u00df beide Felder auch noch nach der Roterm\u00fcdung gleichhell erscheinen? Sollen wir ohne weiteres den Satz zugrunde legen, da\u00df zwei verschiedenfarbige Felder, die dem ausgeruhten Auge gleichhell erscheinen, auch f\u00fcr das durch irgendeine Buntfarbe erm\u00fcdete Auge gleiche Helligkeit besitzen ? Vermutlich wird man auch ohne tiefergehende\n1 H. y. Helmholtz, Physiol. Optik, 3. Auf!., Bd. 2, S. 306.","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nGeorg Elias M\u00fcller\ntheoretische \u00dcberlegung geneigt sein diesen Satz abzulehnen und anzunehmen, da\u00df, wenn dem unerm\u00fcdeten Auge z. B. ein Rot und ein Blau gleichhell erscheinen, dann das HelligkeitsVerh\u00e4ltnis beider Farben durch Roterm\u00fcdung zugunsten des Blau und durch Blauerm\u00fcdung zugunsten des Rot ver\u00e4ndert werde. Durch Versuche mit 3 Vpn. habe ich mich \u00fcberzeugt, da\u00df diese Annahme zutreffend ist. Erscheint ein rotes Feld bei unerm\u00fcdetem Auge etwas heller als ein ihm anliegendes blaues Feld, so stellt es sich nach l\u00e4nger (z. B. 1 Min.) andauernder Roterm\u00fcdung als dunkler und nach Blauerm\u00fcdung als viel heller dar als das blaue Feld. Entsprechendes zeigte sich bei Benutzung eines roten und eines gr\u00fcnen Feldes. Auf die theoretische Erkl\u00e4rung dieses Verhaltens gehen wir, um hier den Gedankengang nicht zu sehr zu unterbrechen, erst sp\u00e4ter ein.\nNach Vorstehendem l\u00e4\u00dft sich Folgendes behaupten. Wird das Auge durch ein r\u00f6tlichwei\u00dfes Licht helladaptiert, dann in der \u00fcblichen Weise sofort eine Helligkeitsgleichung zwischen einem roten und einem blauen Felde hergestellt und hierauf das Auge durch Dunkelaufenthalt in den Zustand des v\u00f6lligen Ausgeruhtseins \u00fcbergef\u00fchrt, so wirkt diese \u00dcberf\u00fchrung, soweit sie eine Erholung von der durch das Adaptationslicht bewirkten R o t -erm\u00fcdung ist, im Sinne einer st\u00e4rkeren Helligkeitszunahme des roten Feldes. Hierdurch kann ein irgendwie bedingtes, schwaches Auftreten des P-Ph. verhindert werden.\nWir k\u00f6nnen das hier Bemerkte in folgender Weise verallgemeinern : Wird das Auge durch ein etwas gef\u00e4rbtes wei\u00dfes Licht gut helladaptiert und dann sofort eine Helligkeitsgleichung zwischen einem langwelligen (roten oder gelben) und einem kurzwelligen Lichte hergestellt, so mu\u00df eine hierauf hinl\u00e4nglich lang stattfindende Dunkeladaptation um so mehr dahin wirken, da\u00df das dem kurzwelligen Lichte urspr\u00fcnglich helligkeitsgleich erschienene langwellige Licht sich heller als jenes darstelle, je st\u00e4rker die chromatischen Valenzen des langwelligen Lichtes als freie Valenzen in dem Valenzgemische des Adaptationslichtes vertreten sind. Entsprechendes gilt f\u00fcr den in praxi weniger in Betracht kommenden Fall, da\u00df die Valenzen des kurzwelligen Lichtes in dem Valenzgemische des Adaptationslichtes enthalten sind.","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n81\nSehen wir nun zu, inwieweit die hier angestellten Betrachtungen Anwendung auf die Untersuchungen finden, die zur Zeit \u00fcber das foveale P-Ph. vorliegen, so finden wir, da\u00df, wie schon bemerkt, die M\u00f6glichkeit einer in Betracht kommenden Beeinflussung der Versuchsresultate durch eine chromatische Valenz des Adaptationslichtes \u00fcberhaupt nie in Betracht gezogen wrorden ist. Die Vp. hatte sich z. B., um sich in erforderlicher Weise hell zu adaptieren, zur Mittagszeit eine halbe Stunde lang bei klarem Wetter \u201eoder bei Sonnenschein\u201c im Freien aufzuhalten und dann sich rasch in das verdunkelte Versuchszimmer behufs Herstellung der Helligkeitsgleichung zwischen dem roten und dem blauen Felde zu begeben.\nEs ist klar, da\u00df bei solchem Vorgehen die Herstellung der Helligkeitsgleichung unter dem Einfl\u00fcsse der von dem Tageslichte hinterlassenen chromatischen Verstimmung stehen mu\u00dfte. Die aus den freien farbigen Valenzen des Tageslichtes und der selektiven Lichtabsorption der Wandung und Schichten des Augapfels resultierende Farbigkeit des Tageslichtes ist nach \u00d6rtlichkeit, Tageszeit und anderen Faktoren verschieden (Farbenempfindungen, S. 578 ft.).1 F\u00fcr Prag wurde in Tschermaks Institut festgestellt, da\u00df beim Adaptiertsein an das Tageslicht im Falle tr\u00fcben Wetters und des Morgens eine farbige Umstimmung durch Bl\u00e4ulichrot, im Falle klaren Wetters und des Mittags dagegen eine solche durch Gelbrot besteht. Dittler und Satake stellten f\u00fcr Leipzig fest, da\u00df das Licht des S\u00fcdwesthimmels eine mehr oder weniger starke Gelbvalenz besa\u00df, die h\u00e4ufig mit einer schwachen Gr\u00fcnvalenz verbunden war. Verf\u00e4hrt man also ohne weitere Vorsichtsma\u00dfregeln einfach in der Weise, da\u00df man die Vp. sich in einer mitt\u00e4glichen Stunde bei klarem Wetter oder bei Sonnenschein im Freien helladaptieren l\u00e4\u00dft, so besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit daf\u00fcr, da\u00df die Helladaptation durch Bewirkung einer Gelbroterm\u00fcdung das Sehorgan der Vp. in einen Zustand versetzt, der gem\u00e4\u00df dem oben Dargelegten dazu dient, einem irgendwie bedingten Auftreten des P-Ph. entgegenzuwirken. Soweit bei den Versuchen die Helladaptation mit Hilfe einer Lichtquelle vollzogen\n1 Die Farbigkeit des Tageslichtes ist in subjektiver Hinsicht insofern etwas Relatives, als sie nicht blo\u00df von der objektiven Qualit\u00e4t, sondern auch von der Intensit\u00e4t des Tageslichtes abh\u00e4ngt. Wir wissen z. B., da\u00df ein bei geringer St\u00e4rke rein wei\u00dfes Tageslicht bei h\u00f6herer Intensit\u00e4t\nschwache Gelblichkeit besitzt.","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nGeorg Elias M\u00fcller\nwurde, die (wie z. B. die Gaslampe) ganz offenkundig ein gelblichr\u00f6tliches Licht aussendet, bestand nicht blo\u00df die M\u00f6glichkeit, sondern war es eine ohne weiteres klar zutage hegende Tatsache, da\u00df die Helladaptation einen Zustand bewirkte, der dem Auftreten des P-Ph. bei Benutzung eines roten und eines blauen Halbfeldes ung\u00fcnstig war. Bei Benutzung zweier so gef\u00e4rbter Halbfelder mu\u00dfte auch schon die Helladaptation durch ein gr\u00fcn-lichgelbliches Tageslicht dem Eintreten des P-Ph. ung\u00fcnstig sein, da ja ein derartiges Licht neben Pn-Proze\u00df noch Pj-Proze\u00df erweckt, also eine der Wirksamkeit des roten Lichtes nachteilige PrErm\u00fcdung hinterl\u00e4\u00dft.\nAus Vorstehendem ergibt sich, da\u00df auch die Versuche, nach deren Resultaten ein foveales P-Ph. anscheinend nicht besteht, nicht ganz einwandfrei sind.\nDem oben Bemerkten gem\u00e4\u00df soll hier noch eine theoretische Erkl\u00e4rung des oben1 (S. 80) aufgestellten Satzes, nach welchem z. B. ein rotes Halbfeld, das bei unerm\u00fcdetem Auge gleichhell wie ein gegebenes blaues Halbfeld erscheint, nach bewirkter Roterm\u00fcdung sich dunkler wie dieses darstellt. Wir legen unserer Erkl\u00e4rung sogleieh dieses Beispiel zugrunde, indem wir der Einfachheit halber annehmen, da\u00df sowohl das Erm\u00fcdungsrot als auch die Farbe des roten Halbfeldes ein nur Pi-Proze\u00df erweckendes langwelliges Rot sei.\nSoweit das Erm\u00fcdungsrot gem\u00e4\u00df seiner Wei\u00dfvalenz ein achromatisches Nachbild hinterl\u00e4\u00dft, trifft seine Nachwirkung das rote und das blaue Halbfeld in ganz gleicher Weise. Was seine Nachwirkung in der P-Zone, die Verringerung der Pi-Erregbarkeit anbelangt, so mu\u00df dieselbe die Helligkeit des roten Halbfeldes stark beeintr\u00e4chtigen, da ja der Pi-Proze\u00df die Grundlage auch der Wei\u00dfvalenz des roten Lichtes ist.1 Dagegen werden der Pn- und der Pm-Proze\u00df, welche die Grundlagen der Wei\u00dfvalenz des blauen Lichtes sind, durch die vom Erm\u00fcdungslicht bewirkte Verringerung der Pl_Erregbarkeit in keiner Weise ber\u00fchrt. Ist das Erm\u00fcdungslicht ein blaues, so wird umgekehrt durch die von ihm bewirkte Herabsetzung der Pn- und Pni-Erregbarkeit der Pi_Proze\u00df nicht ber\u00fchrt.\nMan kann die hier erw\u00e4hnten Wirkungen einer Roterm\u00fcdung und Blauerm\u00fcdung direkt als einen Beweis daf\u00fcr ansehen, da\u00df die chromatische Wirksamkeit und der Wei\u00df wert des Rot (Blau) von einem und demselben rezeptorischen Vorg\u00e4nge ausgehen. Sie treten in dieser Hinsicht be-\n1 Da der in der Zone der Schaltsubstanzen von dem roten Erm\u00fcdungs-licht hervorgerufene Rotproze\u00df neben seinem R-Werte auch noch einen W-Wert besitzt, so mu\u00df genau genommen auch die von diesem Lichte in jener Zone bewirkte Herabsetzung der Roterregbarkeit mit als eine der Helligkeit des roten Halbfeldes nachteilige Wirkung des roten Erm\u00fcdungslichtes angef\u00fchrt werden.","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\t83\nst\u00e4tigend zu den Ergebnissen hinzu, welche Burch bei seinen Versuchen \u00fcber tempor\u00e4re k\u00fcnstliche Farbenblindheit erhielt.1 Er stellte test, da\u00df \u00dcbererm\u00fcdung durch rotes Spektrallicht nicht blo\u00df die chromatischen Wirkungen, sondern auch die Wei\u00dfwirkungen einer nachfolgenden Rotreizung ganz ausfallen l\u00e4\u00dft, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen Spektralfarben wesentlich noch in gleichem Ma\u00dfe wie bei neutraler Stimmung des Sehorganes Wei\u00dferregungen hervorrufen. Das Entsprechende ergab sich bei den \u00dcberm\u00fcdungen durch die anderen Spektralfarben sowie durch pulpurfarbiger\nLicht.\nIV. Der Einflu\u00df der Helladaptation auf die fovealen P-Erregbarkeiten. Die Versuche von Dieter und Kohlrausch. Es werde das st\u00e4bchenfreie Netzhautzentrum im Zustande v\u00f6lliger Ausgeruhtheit durch l\u00e4ngere Einwirkung eines rein wei\u00dfen Lichtes erm\u00fcdet, hierauf sofort mit dieser Netzhautstelle eine Helligkeitsgleichung zwischen einem roten Licht, das nur PrProze\u00df erweckt, und einem violetten Lichte, das wesentlich nur Pm-Proze\u00df hervorrufen m\u00f6ge, hergestellt. Nach einer lange dauernden Dunkeladaptation, welche ausreicht, den anf\u00e4nglichen Zustand des v\u00f6lligen Ausgeruhtseins wieder herzustellen, werde gepr\u00fcft, ob die fr\u00fcher hergestellte Helligkeitsgleichung noch g\u00fcltig sei. Es ist klar, da\u00df ein f\u00fcr das Resultat dieser Pr\u00fcfung ma\u00dfgebender Faktor das St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis der Schw\u00e4chungen ist, welcher einerseits die PrErregbarkeit und andererseits die Pnr Erregbarkeit durch die Helladaptation erfahren. Ist die Schw\u00e4chung der letzteren Erregbarkeit die st\u00e4rkere, wie in Hinblick darauf zu erwarten ist, da\u00df gem\u00e4\u00df der nutritiven Mmderstellung der Pm-Substanz w\u00e4hrend des Pm-Prozesses der Ersatz des in Verbrauch kommenden Materiales ein minder lebhafter ist, so mu\u00df sich dies dahin geltend machen, da\u00df die Pm-Erregbarkeit nach Herstellung der Helligkeitsgleichung bei der Wiederherstellung des urspr\u00fcnglichen Zustandes der retinalen Ausgeruhtheit eine st\u00e4rkere Erh\u00f6hung erfahre und mithin bei der sp\u00e4teren Nachpr\u00fcfung der Helligkeitsgleichung das Violett heller erscheine als das Rot. Mit dieser Annahme einer st\u00e4rkeren Beeintr\u00e4chtigung der Pm-Erregbarkeit durch die Helladaptation steht die fr\u00fcher (S. 60) erw\u00e4hnte Feststellung von Vogelsang, da\u00df nach Tageshelladaptation die foveale Reizschwelle durch Dunkeladaptation f\u00fcr Blau mehr verringert wird als f\u00fcr Rot, in vollem\nEinkl\u00e4nge.\ni Man vergleiche meine Besprechung dieser Versuche (Farben-empfindungen, S. 316 ff.).","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nGeorg Elias M\u00fcller\nA. Kohlrausch und W. Dieter1 2 haben Versuchsresultate ver\u00f6ffentlicht, welche zu dieser Annahme anscheinend nicht in Einklang stehen. Bei den Versuchen wurde ein Feld von 1\u00b0 Durchmesser direkt fixiert, die Wahrnehmung war also eine foveale. \u201eEs zeigte sich bei dem Normalen in h\u00e4ufig wiederholten Adaptationsversuchen, da\u00df die Werte der generellen Schwellen f\u00fcr die verschiedenen Lichter x/2 Minute nach Beginn der Dunkeladaptation noch auf flimmer\u00e4quivalenten Werten zusammenlagen (85000 juLx \u00b1 3%). Nach 1 Minute war bereits ein Divergieren der Kurven bemerklich, das bei weiterem Dunkelaufenthalt zunahm, so da\u00df nach 72 Stunde Dunkelaufenthalt die Kurven z. T. betr\u00e4chtlich auseinanderfielen. Bemerkenswert ist dabei das schlie\u00dfliche Lageverh\u00e4ltnis der Schwellenwerte, es lagen die Schwellenwerte der drei roten Lichter am niedrigsten (7000 bis 8000 /uLx), wenig hoher \u201eOrange\u201c und \u201eBlau\u201c (8000 bis 9000 /wLx), erheblich h\u00f6her \u201eGr\u00fcn\u201c (16000 //Lx) und am h\u00f6chsten \u201eWei\u00df\u201c (19000 /dLx).\u201c Kohlrausch 2 deutet dieses Versuchsresultate sp\u00e4terhin dahin, da\u00df sie zeigten, \u201eda\u00df die Empfindlichkeit der Fovea w\u00e4hrend der Dunkeladaptation tats\u00e4chlich verschieden stark f\u00fcr verschiedene Wellenl\u00e4ngen zunimmt, aber gerade umgekehrt, wie es dem P-Ph. entsprechen w\u00fcrde. Unter vollkommen gleichen Versuchsbedingungen stieg die Empfindlichkeit f\u00fcr Wei\u00df auf das 4x/2 fache, Gr\u00fcn 5V2fache, Orange und Blau 10fache und Rot 12fache; also die foveale Empfindlichkeit stieg f\u00fcr Rot st\u00e4rker als f\u00fcr s\u00e4mtliche \u00fcbrigen Wellenl\u00e4ngen.\u201c Diese Deutung der oben angef\u00fchrten Versuchsresultate erscheint mir nicht einwandfrei. Es wird uns mitgeteilt, da\u00df x/2 Minute nach Beginn der Dunkeladaptation die generellen Schwellen der buntfarbigen Lichter den gleichen Flimmerwert besa\u00dfen wie die Schwelle des wei\u00dfen Lichtes. Wie war dies m\u00f6glich? Der Flimmerwert gibt doch wesentlich nur \u00fcber die achromatische Reizwirkung des untersuchten Lichtes Auskunft, indem der zeitliche Verlauf der chromatischen Erregung, die durch die starke Wei\u00dfbeimischung nicht nur hinsichtlich ihres psychophysischen Gewichtes, sondern gem\u00e4\u00df dem antichromatischen Einfl\u00fcsse des wei\u00dfen Lichtes auch ihrem absoluten Werte nach stark herabgesetzt ist, auf die Flimmergrenze der \u201ezwTar nicht ganz farblos, aber doch sehr stark wei\u00dflich\u201c erscheinenden Emp-\n1\tA. Kohlkausch u. W. Dieter, Pfl\u00fcgers Arch. 196, S. 119 ff (1922).\n2\tKohlrausch, Handb. d. norm. u. pathol. Physiol. 12, S. 1527.","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n85\nfindung kaum einen merklichen Einflu\u00df aus\u00fcbt. Hiermit steht die Feststellung von Polimenti 1 in Einklang, da\u00df die Flimmer-werte der Spektralfarben jedenfalls ann\u00e4hernd dieselbe Funktion der Wellenl\u00e4nge sind wie die Peripheriewerte. Nun h\u00e4ngt aber der Schwellenwert eines Lichtes nicht blo\u00df von seiner achromatischen Wirksamkeit, sondern auch von seiner chromatischen Valenz ab. Es ist ganz ausgeschlossen, anzunehmen, da\u00df z. B. der Schwellenwert des der langwelligen Endstrecke angeh\u00f6rigen Lichtes \u201eRot I\u201c lediglich von der durch den Flimmerwert gemessenen Wei\u00df Wirkung dieses Lichtes und nicht auch von dem chromatischen Erfolge desselben abhing. Auch Dieter und Kohlrausch selbst bemerken in ihrer Mitteilung, es d\u00fcrfte auch auf ihre Beocachtungen die von Boswell auf Grund seiner Versuche ausgesprochene Ansicht zutreffen, \u201eda\u00df f\u00fcr die foveale schwellenm\u00e4\u00dfige Sichtbarkeit der farbige Reizerfolg der Lichter \u2014 die farbigen Valenzen \u2014 au\u00dfer ihrer farblosen Helligkeit mit in Betracht kommt.\u201c Ist dem aber so, so konnten die generellen Schwellen der Buntfarben nach einem Dunkelaufenthalt von x/2 Minute nicht denselben Flimmerwert besitzen wie die generelle Schwelle des wei\u00dfen Lichtes. Denn da bei den Buntfarben auf die Merkbarkeit des Eindruckes au\u00dfer der Wei\u00df Wirkung auch noch die chromatische Wirkung des Lichtes von Einflu\u00df war, so mu\u00dfte f\u00fcr ihre Schwellenwerte die Wei\u00dfwirkung und der Flimmerwert notwendig geringer sein als f\u00fcr das Wei\u00df, dessen Merkbarkeit eben nur von der Wei\u00dfwirkung abhing. Reichte eine bestimmte Wei\u00dferregung und Flimmerhelligkeit bei einem wei\u00dfen Lichte eben aus, um ihm die Ebenmerkbarkeit zu sichern, so mu\u00dfte ein farbiges Licht von demselben Flimmerwerte notwendig \u00fcberschwellig sein, weil bei ihm neben seiner Wei\u00df Wirkung sich auch noch seine farbige Valenz im Sinne einer Merkbarkeit des Eindruckes geltend machte. Die Angaben \u00fcber die nach einem Dunkelaufenthalte von 1/2 Minute vorhandenen Flimmerwerte der Farben geben also ein falsches und unvollst\u00e4ndiges Bild, da in ihnen die Wirksamkeit der chromatischen Valenzen der Farben nicht hervortritt. Es ist unter diesen Umst\u00e4nden ganz unm\u00f6glich, aus den oben angef\u00fchrten Versuchsergebnissen von Dieter und Kohlrausch sichere Schl\u00fcsse dar\u00fcber abzuleiten, wie sich die verschiedenen chromatischen Erregbarkeiten der Fovea im Verlaufe der Dunkeladaptation verhalten.\n\u00f6 O. Polimanti, Z. Psychol. 19, S. 270ff. (1899).\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 62\t^","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nGeorg Elias M\u00fcller\nV. P-Ph\u00e4nomen und spezifische Helligkeit. Der zweite Hauptfaktor, der daf\u00fcr mit ma\u00dfgebend ist, wie sich eine mit helladaptiertem Auge foveal hergestellte Helligkeitsgleichung zwischen einem langwelligen und einem kurzwelligen ^Lichte bei l\u00e4nger dauernder Dunkeladaptation verh\u00e4lt, ist der Einflu\u00df der Eigenhelligkeiten der Farben, deren Existenz sich, wie ich (1 arben-empfindungen, S. 541 ft.) n\u00e4her gezeigt habe, aus verschiedenen Tatsachenkreisen ableiten l\u00e4\u00dft. Bekanntlich hat Hebixu das P-Ph. mit Hilfe der Lehre von den spezifischen Helligkeiten der Farben folgenderma\u00dfen erkl\u00e4rt. Erscheinen das rote und das blaue Halbfeld bei helladaptiertem Auge gleichhell, so mu\u00df das letztere Feld, da das Blau verdunkelnd, das Rot dagegen aufhellend wirkt1, eine st\u00e4rkere Wei\u00dfvalenz besitzen als das rote Feld. Wird nun durch Dunkeladaptation die Wei\u00df erre gbarkeit erh\u00f6ht, so mu\u00df selbstverst\u00e4ndlich die Helligkeit des mit der st\u00e4rkeren Wei\u00dfvalenz begabten blauen Halbfeldes das \u00dcbergewicht erhalten.\nIst dieser Gedankengang Hebinos unanfechtbar, so w\u00fcrde aus einem Nachweise, da\u00df das P-Ph. f\u00fcr die lovea nicht besteht, zu schlie\u00dfen sein, da\u00df die Lehre von den Eigenhelligkeiten der Farben unhaltbar ist. Jener Gedankengang ist aber nicht ganz in der Ordnung. Er setzt voraus, da\u00df die Helladaptation und die Dunkeladaptation nur die Wei\u00dferregbarkeit betreffen, nicht aber auch die chromatischen Erregbarkeiten. Aber auch dann, wenn das Adaptationslicht ein reine Wei\u00dfempfindungen hervorrufendes Licht ist, mu\u00df die Helladaptation eine Herabsetzung der chromatischen Erregbarkeiten einschlie\u00dfen (entsprechend der Bewirkung der Wei\u00dferregung durch eine Einwirkung auf alle 3 P-Substanzen). Ich habe fr\u00fcher (Farbenempfindungen, S. 497 ff.) die Tatsachen besprochen, welche dartun, da\u00df die Erm\u00fcdung' durch wei\u00dfes Licht auch die Wirksamkeit der chromatischen Valenzen der Lichter herabsetzt. Ich begn\u00fcge mich hier damit, die folgende Versuchstatsache anzuf\u00fchren. Hat man ein auf schwarzem Grunde befindliches, kleines 4 eld hinreichend lange Zeit hindurch fixiert und projiziert dann das Nachbild des leides auf eine buntfarbige Fl\u00e4che, so stellt sich dasselbe in der Gegenfarbe der Farbe der Projektionsfl\u00e4che dar. Dieser Tatbestand erkl\u00e4rt sich daraus, da\u00df durch die Einwirkung des fixierten\n1 Nach unserer Auffassung ist zu sagen: \u201eDa das Blau eine geringere Eigenhelligkeit besitzt als das Bot.\u201c","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n87\nwei\u00dfen Feldes auch die chromatischen Erregbarkeiten der betroffenen Netzhautstelle herabgesetzt worden sind, so da\u00df die auf diese Netzhautstelle ein wirkende Partie der farbigen Projektionsfl\u00e4che seitens ihrer auf weit farbenempfindlichere Netzhautstellen ein wirkenden Umgebung eine kontrastive Beeinflussung erf\u00e4hrt, die, falls die Fixation des kleinen wei\u00dfen Feldes lange genug w\u00e4hrte, stark genug ist, um an Stelle der objektiven Farbe der Nachbildstelle die Gegenfarbe auftreten zu lassen. Um darzutun, da\u00df die Helladaptation eine Schw\u00e4chung, die Dunkeladaptation eine Wiedererholung der chromatischen Erregbarkeiten einschlie\u00dft, kann man sich \u00fcbrigens auch auf dasjenige berufen, was Hering 1 selbst \u00fcber das Aussehen berichtet, welches bei seinen Versuchen \u00fcber das foveale P-Ph. das rote Halbfeld besessen habe. Er bemerkt, nach vollzogener Dunkeladaptation sehe man \u201edas rote Halbfeld viel sch\u00f6ner (freier) und heller, als man es vor der Dunkeladaptation gesehen hatte\u201c. Wie konnte das rote Halbfeld nach der Dunkeladaptation des Netzhautzentrums freier (ges\u00e4ttigter) erscheinen, wenn diese nur die Wei\u00dferregbarkeit, nicht aber auch die Roterregbarkeit f\u00f6rderte?\nWenn nun aber bei den Versuchen \u00fcber das Bestehen oder Nichtbestehen des fovealen P-Ph. die Dunkeladaptation ebenso wie die Wei\u00dferregbarkeit auch die Rot- und die Blauerregbarkeit f\u00f6rdert, so steht die Sachlage bei einem Versuche \u00fcber das foveale P-Ph. nach Herings Auffassung der spezifischen Helligkeiten der Farben folgenderma\u00dfen. Durch die Dunkeladaptation wird die Wirkung der Wei\u00dfvalenz f\u00fcr das blaue Licht (absolut genommen) mehr erh\u00f6ht als f\u00fcr das rote Licht, w\u00e4hrend zugleich f\u00fcr das erstere Licht ein verdunkelnd wirkendes, f\u00fcr das rote Licht dagegen ein aufhellend wirkendes chromatisches Moment verst\u00e4rkt wird. Von welcher Art und Gr\u00f6\u00dfe das St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis dieser beiden das HelligkeitsVerh\u00e4ltnis der beiden Lichter in entgegengesetzter Weise beeinflussenden Vorg\u00e4nge ist, w\u00fcrde sich von vornherein nicht sagen lassen. Man w\u00fcrde glauben k\u00f6nnen, auf erhebliche individuelle Differenzen hinsichtlich dieses Punktes gefa\u00dft sein zu m\u00fcssen. Und davon, da\u00df durch ein etwaiges Nichtbestehen des fovealen P-Ph. die Unhaltbarkeit der Lehre von den Eigenhelligkeiten der Farben erwiesen werde, kann keine Rede sein. Ebenso l\u00e4\u00dft sich durch Versuche \u00fcber das foveale P-Ph.\n\n1 E. Hering, Arch. f. Ophth. 90, S. 6 (1915).","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nGeorg Elias M\u00fcller\nkein sicheres Urteil \u00fcber die Gr\u00f6\u00dfenordnung des Einflusses gewinnen, den in der fr\u00fcher angedeuteten Weise das besondere Verhalten der Pm-Substanz im Sinne des Bestehens des fovealen P-Ph. aus\u00fcbt. Denn dieser Einflu\u00df kann durch die Mitwirkung der Eigenhelligkeiten der Farben gesteigert oder auch vermindert oder ganz aufgehoben werden.\nEicht wesentlich anders wie bei Zugrundelegung der Hering-schen Auffassung der Eigenhelligkeiten der \u00cf arben steht es, wenn man die von mir vertretene Auffassung zugrunde legt, nach welcher alle Buntfarben positive Eigenhelligkeiten besitzen, aber die Eigenhelligkeit des Rot bedeutend gr\u00f6\u00dfer ist als diejenige des Blau. Auch nach dieser Ansicht steigert die Dunkeladaptation die Wirkung der Wei\u00dfvalenz f\u00fcr das blaue Feld mehr als f\u00fcr das rote Feld, andererseits aber ist die Empfindung deren physiologische Grundlage durch die Dunkeladaptation verst\u00e4rkt wird, auf Seiten des roten Feldes eine Empfindung von bedeutend h\u00f6herer Eigenhelligkeit als auf seiten des blauen Feldes.\nVI. Schlu\u00dfwort. Wie wir gesehen haben, sind der Frage, ob das P-Ph. auch f\u00fcr die Fovea gelte, zahlreiche experimentelle Untersuchungen gewidmet worden, die, wie beil\u00e4ufig anerkannt werden mag, zum Teil mit n\u00fctzlichen kritischen Bemerkungen in versuchstechnischer Hinsicht verbunden sind. Es war eben die Beantwortung dieser Frage zum Streitpunkte zweier Schulen geworden. W\u00e4hrend v. Kries, Nagel u. a. das P-Ph. durch den Unterschied der Funktionsweisen der beiden Sehapparate erkl\u00e4rten und daher ein foveales Fehlen dieses Ph\u00e4nomens als eine Konsequenz ihrer Theorie ansahen, erkl\u00e4rte Hering dieses Ph\u00e4nomen mit Hilfe der Eigenhelligkeiten der Farben, die sich nat\u00fcrlich auch bei fovealer Wahrnehmung geltend machen m\u00fcssen. Tats\u00e4chlich wird aber die Duplizit\u00e4tstheorie keineswegs dadurch widerlegt, da\u00df sich zeigt, das P-Ph. gelte aus irgendeinem Grunde, etwa wegen des besonderen Verhaltens der Pm-Substanz oder wegen des Miteinflusses der Eigenhelligkeiten der Farben, in gewissem Grade auch f\u00fcr die Fovea. Und andererseits w\u00fcrde, wie wir gesehen haben, auch die Lehre von den Eigenhelligkeiten\n1 Zu beachten ist, da\u00df, wie Fr\u00f6hlich (Die Empfindungszeit, S. 95) fest-gestellt hat, die Dunkeladaptation dazu dient, ein gegebenes Rot immer gelblicher werden zu lassen, was wesentlich zur Erh\u00f6hung der Eigenhelligkeit desselben beitr\u00e4gt.","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n89\nder Farben durch den Nachweis, ein merkbares Bestehen des P-Ph. f\u00fcr die Fovea sei nicht zu konstatieren, keineswegs als unrichtig dargetan werden.\nUnter solchen Umst\u00e4nden fragt es sich, ob es sich \u00fcberhaupt lohnen w\u00fcrde, in n\u00e4chster Zeit der Frage des fovealen P-Ph. noch weitere zeitraubende Versuchsreihen zu widmen, und ob es nicht f\u00f6rderlicher sein w\u00fcrde, zun\u00e4chst sich zu bem\u00fchen, sichere und ersch\u00f6pfende Resultate \u00fcber die einfachere Frage zu gewinnen, wie sich nach einer Helladaptation durch wei\u00dfes Licht die verschiedenen fovealen Farbenerregbarkeiten im Verlaufe der Dunkeladaptation verhalten. Auch eine umfassende Untersuchung dar\u00fcber, in welchem Ma\u00dfe wir in Deutschland mit dem Vorkommen des von Abney und Watson nachgewiesenen anomalen fovealen Typus zu rechnen haben, scheint mir angezeigt zu sein.\nIII. Das D\u00e4mmerungsblau\n\u00dcber das D\u00e4mmerungsblau (St\u00e4bchenblau) habe ich schon fr\u00fcher1 n\u00e4her gehandelt. Neuerliche empirische Feststellungen und theoretische Erw\u00e4gungen von Belang lassen indessen eine nochmalige Behandlung dieses Gegenstandes lohnend erscheinen.\n1. Verdunklungsblau und D\u00e4mmerungsblau. Wenn in der D\u00e4mmerung oder auch bei Mondschein viele bei Tageslicht nicht bl\u00e4uliche Gegenst\u00e4nde einen bl\u00e4ulichen Schimmer besitzen, so liegt die Frage nahe, ob wir es in diesen F\u00e4llen nicht einfach mit einem Auftreten des fr\u00fcher (S. 62 f.) n\u00e4her besprochenen Verdunklungsblau zu tun haben. Lie\u00dfe sich nach-weisen, da\u00df in allen F\u00e4llen, wo man bisher von einem Auftreten des St\u00e4bchenblau gesprochen hat, tats\u00e4chlich nur das auf der Zapfent\u00e4tigkeit beruhende Verdunklungsblau Vorgelegen habe, so w\u00fcrde sich f\u00fcr uns der das D\u00e4mmerungblau betreffende Fragenkomplex sehr vereinfachen, insbesondere die Frage ganz wegfallen, wie eine anscheinend an den St\u00e4bchenapparat gebundene F\u00e4higkeit, Blauerregung zu erwecken, zu deuten sei. Tats\u00e4chlich ist aber nicht daran zu denken, die Erscheinungen des D\u00e4mmerungsblau s\u00e4mtlich auf das Verdunklungsblau zur\u00fcckzuf\u00fchren. Denn letzteres kann \u00fcberhaupt nur auf Objekten auftreten, die wei\u00dfes oder mit wei\u00dfem Lichte vermischtes Licht ausstrahlen. Das D\u00e4mmerungsblau dagegen wird auch von den reinen Spektral -\n1 Z. Sinnesphysiol. 54, S. 122 ff. (1923) und Typen, S. 129 ff.","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nGeorg Elias M\u00fcller\nf\u00e4rben erweckt. Dem stark dunkeladaptierten Auge stellt sich das sehr lichtschwache Spektrum, soweit es sichtbar ist, in seiner ganzen Ausdehnung als bl\u00e4ulich dar. Ich erinnere hier ferner an Kbohs Fundamentalversuch \u00fcber das D\u00e4mmerungsblau.1 Er stellte fest, da\u00df eine nur rotes Spektrallicht aussendende kleine Lichtfl\u00e4che von gewisser Lichtst\u00e4rke dem dunkeladaptierten Auge bei fovealer Betrachtung dem sogenannten farblosen Intervalle entsprechend grauwei\u00df, dagegen bei Betrachtung mit einer parazentralen oder peripheren Netzhautpartie bl\u00e4ulichwei\u00df erschien. Dieser Versuch zeigt auf das Deutlichste, da\u00df das D\u00e4mmerungsblau in einer n\u00e4heren Beziehung znm Funktionieren des St\u00e4bchenapparates steht. Auf dieselbe weist auch die Tatsache hin, da\u00df das D\u00e4mmerungsblau durch Lichtintensit\u00e4ten erweckt werden kann, die unterhalb der fovealen Schwelle liegen. F\u00fcr lichtschwache wei\u00dfe oder wei\u00dfliche Objekte werden sich bei dunkeladaptiertem Auge nat\u00fcrlich die Ursachen des D\u00e4mmerungsblau und des Verdunklungsblau nebeneinander geltend machen.\nII. Der dem D\u00e4mmerungsblau zugrunde liegende Vorgang. Zwei Annahmen bieten sich hinsichtlich der Art dieses Vorganges dar. Erstens die Annahme, da\u00df die Sehpurpurzersetzung in der nerv\u00f6sen Substanz des St\u00e4bchenapparates neben einer Wei\u00dferregung noch eine schwache Gr\u00fcn- und Blauerregung2 hervorrufe. Zweitens die Annahme, da\u00df der St\u00e4bchenapparat der chromatischen Erregbarkeiten ganz entbehre, aber der Sehpurpur in geringer, mit den heutigen Methoden im allgemeinen nicht nachweisbarer Menge auch in die Zapfenau\u00dfenglieder der st\u00e4bchenhaltigen Netzhautpartien eindringe und dort durch seine Zersetzung den Anla\u00df zur Entstehung einer schwachen Gr\u00fcn-und Blauerregung (und wenig intensiver Wei\u00dferregung) gebe.\nDie erstere dieser beiden Annahmen erweckt schon an sich betrachtet einige Bedenken. Denn man mu\u00df fragen, was f\u00fcr einen Zweck die chromatischen Erregbarkeiten eines Sehapparates bes\u00e4\u00dfen, die wesentlich nur bei schwachen Helligkeiten in T\u00e4tigkeit tr\u00e4ten und zwar auf alle Lichtarten unterschiedslos mit einer\nGr\u00fcn- und Blauerregung reagierten.\nW\u00e4re der St\u00e4bchenapparat mit chromatischen Erregbarkeiten begabt, so sollte man erwarten, da\u00df wenigstens manche der nur\n1\tO. Kroh, Z. Sinnesphysiol. 53, S. 190 f. (1922).\n2\tAuf den Farbenton des D\u00e4mmerungsblau komme ich weiterhin n\u00e4her zu sprechen.","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n91\n\u00fcber diesen Sehapparat verf\u00fcgenden Zapfenblinden 1 sich dessen bewu\u00dft seien, da\u00df unter den Eigenschaften ihrer Gesichtsempfindungen neben Schwarz und Wei\u00df auch noch bunte Farben Vorkommen. Es sei z. B. einem solchen Achromaten einerseits ein auf schwarzem Grunde befindliches, kleines, graues Feld und andererseits ein auf hellerem wei\u00dfen Grunde befindliches objektiv farbloses Feld dargeboten, das objektiv viel heller ist, aber infolge der Kontrastwirkung seiner wei\u00dfen Umgebung gleich hell erscheint wie das erstere Feld. Ist der St\u00e4bchenapparat des Achromaten chromatisch erregbar, so werden die beiden Felder demselben zwar hinsichtlich der Weiblichkeit und Schw\u00e4rzlichkeit einander gleich erscheinen, aber einen Farbenunterschied darbieten. Die Farbe des ersteren Feldes wird den Farbenton des D\u00e4mmerungsblau besitzen, das zweite Feld dagegen wird infolge der ihm zuteil werdenden chromatischen Kontrastwirkung bei geeigneter Wahl der Helligkeit seiner Umgebung farblos erscheinen oder die Kontrastfarbe des D\u00e4mmerungsblau zeigen. Selbst wenn wir zugeben, da\u00df die Annahme einer chromatischen Erregbarkeit des St\u00e4bchenapparates das Vorkommen von Zapfenblinden, deren St\u00e4bchenapparat ausnahmsweise chromatisch nicht erregbar sei, nicht ausschlie\u00dft, m\u00fc\u00dfte es doch ganz unwahrscheinlich erscheinen, da\u00df von den mehr als 150 bisher beobachteten, sich zum Teil sehr wesentlich f\u00fcr die Beschaffenheit ihrer Gesichtsempfindungen interessierenden Zapfenblinden keiner sich der chromatischen T\u00f6nungen seiner Gesichtsempfindungen bewu\u00dft geworden w\u00e4re.\nEndlich ist hier noch folgendes geltend zu machen. Wir haben Anla\u00df zu der Annahme, da\u00df die Erregungen der mit dem St\u00e4bchenapparate (Zapfenapparate) zusammenh\u00e4ngenden Nervenbahnen ihre Kontrastwirkungen nur auf solche Nervenbahnen sich erstrecken lassen, die dem St\u00e4bchenapparate (Zapfenapparate) zugeordnet sind, und nicht auch auf solche, die dem Zapfenapparate (St\u00e4bchenapparate) dienen. F\u00fcr diese Annahme spricht bereits die \u00dcberlegung, da\u00df, wenn die Kontrastwirkungen der Sehnerven-\n1 Von dem Verhalten der bei manchen von diesen Achromaten noch funktionierenden Fovea kann hier abgesehen werden.\nMan pflegt diese Achromaten als solche mit angeborener totaler Farbenblindheit zu bezeichnen. Diese Bezeichnung ist aber nicht sachgem\u00e4\u00df, da auch angeborene innere totale Farbenblindheit, bei welcher die spektrale Helligkeitsverteilung mit der normalen wesentlich \u00fcbereinstimmt, vorkommt (Typen, S. 96).","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nGeorg Elias M\u00fcller\nerregungen des Zapfenapparates auch auf die Nervenbahnen des St\u00e4bchenapparates \u00dcbergriffen, dann im Falle der Einwirkung einer gleichf\u00f6rmig wei\u00dfen Fl\u00e4che auf das helladaptierte Auge die Wei\u00dferregungen des Zapfenapparates auf die sehr schwach erregten Nervenbahnen des St\u00e4bchenapparates sehr starke S-Induktionen aus\u00fcben m\u00fc\u00dften, die zur Folge h\u00e4tten, da\u00df die Lichtfl\u00e4che mit den peripheren Netzhautteilen als eine viel dunklere wahrgenommen w\u00fcrde als mit den zentralen Netzhautpartien. Vor allem aber ist hier auf einen von Hebing 1 mitgeteilten, von mir durchaus best\u00e4tigt gefundenen und schon fr\u00fcher (Farbenempfindungen, S. 135ff.) n\u00e4her besprochenen Versuch zu verweisen, dessen Ergebnis sich nur mit Hilfe der hier in Rede stehenden Annahme \u00fcber die Kontrastwirkungen der beiden Sehapparate erkl\u00e4ren l\u00e4\u00dft. Man stellt bei herabgesetzter, zum Lesen oder dgl. nur eben noch ausreichender, die St\u00e4bchent\u00e4tigkeit stark mit ins Spiel ziehender Beleuchtung ein schw\u00e4rzlich erscheinendes rotes und ein gleichfalls schw\u00e4rzlich erscheinendes gr\u00fcnes Feld, die beide von einem wei\u00dfen Grunde umgeben sind, so her, da\u00df sie gleich hell (gleich dunkel) erscheinen. Wird dann der wei\u00dfe Grund der [beiden farbigen Felder schnell durch einen schwarzen ersetzt, ohne da\u00df die Beleuchtung des Raumes ge\u00e4ndert wird, so erscheint nun das gr\u00fcne Feld heller als das rote. Dies erkl\u00e4rt sich folgenderma\u00dfen. Die stark herabgesetzte Helligkeit des die beiden farbigen Felder umgebenden wei\u00dfen Grundes beruht ganz wesentlich mit auf der St\u00e4bchent\u00e4tigkeit. Und was die beiden lichtschwachen Farben anbelangt, so ist die St\u00e4bchent\u00e4tigkeit an der Helligkeit des Gr\u00fcn vielmehr beteiligt als an derjenigen des Rot. Demgem\u00e4\u00df wird die Helligkeit des gr\u00fcnen Feldes von der S-Induktion, die von dem wei\u00dfen Grunde ausgeht und zwar in erster Linie eine von St\u00e4bchent\u00e4tigkeit herr\u00fchrende S-Induktion ist, st\u00e4rker betroffen als die Helligkeit des roten Feldes, f\u00fcr welches wesentlich nur die schwache S-Induktion in Betracht kommt, die von den durch den wTei\u00dfen Grund erweckten Erregungen des Zapfenapparates herr\u00fchrt. Dementsprechend hat die bei Ersetzung des wei\u00dfen Grundes durch einen schwarzen eintretende Beseitigung der von dem wei\u00dfem Grunde ausgehenden S-Induktionen f\u00fcr das gr\u00fcne Feld eine st\u00e4rkere aufhellende Wirkung als f\u00fcr das rote Feld. Wollte man annehmen, da\u00df die von dem wei\u00dfen Grunde im St\u00e4bchen- und im Zapfen-\n1 E. Hering, Pfl\u00fcgers Arch. 60, S. 524 ff. (1895).","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Bsychophysik der Farbenempfindungen\n93\napparate hervorgerufenen Sehnervenerregungen ihre Kontrastwirkungen in gleichm\u00e4\u00dfiger Weise \u00fcber das rote und \u00fcber das gr\u00fcne Feld sich erstrecken, so w\u00fcrde nicht zu verstehen sein, wie das gr\u00fcne Feld bei Aufhebung dieser Kontrastwirkungen sich mehr aufhellen kann als das rote. Gilt nun aber wirklich der Satz, da\u00df eine Kontrastwirkung, die Zapfenerregungen (St\u00e4bchenerregungen) trifft, auch nur von Zapfenerregungen (St\u00e4bchenerregungen) ausgehen kann, so m\u00fcssen auch die weiterhin n\u00e4her zu besprechenden chromatischen Kontrastwirkungen, welche die Zapfenerregungen des st\u00e4bchenfreien Netzhautzentrums seitens der das D\u00e4mmerungsblau bedingenden Erregungen erfahren, Kontrastwirkungen sein, die von Zapfenerregungen ausgehen, d. h. das D\u00e4mmerungsblau mu\u00df darauf beruhen, da\u00df Sehpurpur in die Zapfenau\u00dfenglieder eindringt und daselbst erregend wirkt.\nDem Vorstehenden mag noch die Bemerkung hinzugef\u00fcgt werden, da\u00df, wie ich einer Mitteilung von Tschermak 1 entnehme, von Edridge-Green und Devereux Marshall f\u00fcr Affen geradezu ein sinnf\u00e4lliges Vorkommen von Sehpurpur auch in der Fovea angegeben worden ist.\nIII. Die P-Valenzen und die S -Valenzen der Lichter und ihr Zusammenwirken. Wir haben also im Grunde zwei Arten der Zapfenvalenzen der Lichter zu unterscheiden, n\u00e4mlich P-Valenzen, welche auf Erregung von P-Substanz beruhen, und S-Valenzen, die durch die Einwirkung des Lichtes auf den in die Zapfenau\u00dfenglieder eingedrungenen Sehpurpur zustande kommen. Auf letzteren, nur bei dunkeladaptiertem Auge in Betracht kommenden Valenzen beruht das D\u00e4mmerungsblau. Betreffs dieses und der S-Valenzen gelten folgende S\u00e4tze.\nEntsprechend der Tatsache, da\u00df der Sehpurpurgehalt der Netzhaut bei fortschreitender Dunkeladaptation zunimmt, f\u00e4llt das D\u00e4mmerungsblau bis zu gewisser Grenze um so deutlicher aus, je l\u00e4nger die Dunkeladaptation w\u00e4hrt, wie dies z. B. Jnouye und Oinuma 2 ausdr\u00fccklich hervorheben.\nDas D\u00e4mmerungsblau ist um so weniger deutlich, je geringer die in der \u00fcblichen Weise gemessene Farbenempfindlichkeit des Individuums f\u00fcr die blauen und gr\u00fcnen Strahlen ist. So habe ich\n1\tA. Tschermak, Ilandb. der normalen u. pathol. Physiol., Bd. 12, I, S. 576. 1929.\n2\tN. Inouye u. S. Oinuma, Arch. Ophthalm. 79, S. 151 (1911).","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nGeorg Elias M\u00fcller\nselbst gem\u00e4\u00df meiner mit Deuter anomalie verbundenen Farbenschw\u00e4che mich niemals durch eigene Wahrnehmung von dem Bestehen des D\u00e4mmerungsblau \u00fcberzeugen k\u00f6nnen.\nDie S-Valenzen wirken mit den gleichzeitig vorhandenen P-Valenzen in der zu erwartenden Weise zusammen. So erschien z. B. dem von Kkoh 1 n\u00e4her untersuchten Protonopen E., bei welchem der St\u00e4bchenapparat und die Sehpurpurbildung eine abnorm gro\u00dfe Rolle spielten, ein bei helladaptiertem Auge dargebotenes, sehr schwaches, gelbes Spektrallicht zun\u00e4chst gelb, wurde nach 5 Sek. infolge der sich schnell entwickelnden Dunkeladaptation grau, um dann nach weiteren 5 Sek. bl\u00e4ulich zu wTerden. Die Bl\u00e4ulichkeit stieg bei verl\u00e4ngerter Betrachtungszeit bis auf einen Maximalwert. Die graue Phase kam in diesem und anderen \u00e4hnlichen F\u00e4llen dadurch zustande, da\u00df die Gelbwdrkung des gegebenen Lichtes durch die dem D\u00e4mmerungsblau zugrundeliegende S-Valenz gerade kompensiert wurde. Bei den sp\u00e4teren Phasen besa\u00df die letztere die Oberhand.\nEin eigent\u00fcmliches Ergebnis hatte das gleichzeitige Vorhandensein der P- und der S-Valenzen bei Versuchen von Kroh1 2, bei denen die Vpn. mit dunkeladaptierten Augen und fixiertem Blicke ein auf der Netzhautperipherie sich abbildendes, auf dunklem Grunde befindliches, kleines, rundes Feld von geringer Lichtst\u00e4rke, das bei gew\u00f6hnlicher Betrachtung sich schwach gelblich darstellte, zu beobachten hatten. Dieses Feld erschien ihnen nicht einfach gelblich, sondern au\u00dfer dem Gelb wurde auch das D\u00e4mmerungsblau wahrgenommen, indem sich ein blauer Schimmer oder Nebel vor dem Gelb zu befinden schien. Es kam auch vor, da\u00df das periphere Feld abwechselnd gelb oder blau oder wenigstens abwechselnd vorherrschend gelb oder vorherrschend blau aussah. Die Erkl\u00e4rung dieser Beobachtungen hat davon auszugehen, da\u00df ein indirekt gesehenes Feld der angegebenen Art einerseits nach hinl\u00e4nglicher Herabsetzung seiner Lichtst\u00e4rke den Vpn. in seiner Totalit\u00e4t bl\u00e4ulich erschien und anderseits bei hinl\u00e4nglich erh\u00f6hter Lichtst\u00e4rke in seiner Totalit\u00e4t einfach gelblich sich darstellen mu\u00dfte. Die Erscheinung eines blauen Nebels vor gelbem Hintergr\u00fcnde wurde also offenbar bei einer Lichtst\u00e4rke des Feldes beobachtet, bei der die im Sinne des Auftretens des D\u00e4mmerungs-\n1\tO. Kroh, Z. Sinnesphysiol. 53, S. 202 (1922)\n2\tO. Kroh, a. a. 0., S. 189 ff","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n95\nblau wirksamen S-Valenzen des gelben Lichtes an manchen Stellen noch die Oberhand \u00fcber die P-Valenzen desselben besa\u00dfen, an anderen Stellen dagegen durch diese \u00fcberkompensiert wurden.1 Da nun eine Netzhautpartie, von deren Elementen in stark untermischter Weise zwei verschiedene chromatische Erregungsantriebe ausgehen, unter gewissen Bedingungen den Eindruck erweckt, da\u00df man ein die eine Farbe besitzendes Feld durch eine die andere Farbe zeigende Nebelschicht oder dergl. hindurch sehe, so ent steht unter den hier angegebenen Bedingungen der Eindruck eines hinter einem bl\u00e4ulichen Nebel sich darbietenden gelblichen Feldes.\nHinsichtlich der Art und Weise, wie die S-Valenzen die ihnen entsprechenden Sehnervenerregungen hervorrufen, sind zwei Annahmen m\u00f6glich. Erstens die Annahme, da\u00df die S-Valenzen zun\u00e4chst in der (funktionellen) Zone der chromatischen Schaltsubstanzen Gr\u00fcnproze\u00df und Blauproze\u00df bewirken, aus deren Zusammenwirken dann im Sehnerven Gr\u00fcnerregung und Blauerregung entspringen. Zweitens die Annahme, da\u00df die S-Valenzen direkt auf die nerv\u00f6se Sehsubstanz ein wirken und in ihr Gr\u00fcnerregung und Blauerregung hervorrufen. Zur Zeit liegen Tatsachen, welche eine Entscheidung zwischen diesen beiden Annahmen an die Hand geben, nicht vor. Es gibt F\u00e4lle von Tritanopie, in denen zwar in der Zone der chromatischen Schaltsubstanzen der Blauproze\u00df nicht erweckt werden kann, aber doch der Sehnerv mit Blauerregung zu reagieren vermag, so da\u00df der rechts von der neutralen Stelle befindliche Teil des Spektrums eine mehr oder weniger ausgepr\u00e4gte Bl\u00e4ulichkeit besitzt. Zeigt sich in einem solchen Falle das D\u00e4mmerungsblau, so ist die zweite der obigen Annahmen erwiesen. Wie wir weiterhin sehen werden, legen vorliegende Versuchsresultate die Frage nahe, ob betreffs der F\u00e4rbung des D\u00e4mmerungsblau nicht insofern individuelle Unterschiede bestehen, als dasselbe bei vielen Individuen gr\u00fcnlichblau, bei anderen aber r\u00f6tlich blau sei. Angenommen, es stelle sich heraus, da\u00df in der Tat die Farbe des D\u00e4mmerungsblau die hier angegebenen individuellen Schwankungen zeigt, so w\u00fcrde\n1 Von einem Vorg\u00e4nge, der sozusagen nur ein zweckloses Nebenprodukt eines anderen zweckm\u00e4\u00dfigen Vorganges ist, wie dies von dem Auftreten von Sehpurpur in den Zapfenau\u00dfengliedern gilt, ist viel eher ein nach Ort und Zeit schwankendes, unregelm\u00e4\u00dfiges Verhalten zu erwarten, wie von einem Vorg\u00e4nge, der bestimmten notwendigen Verrichtungen im Organismus dient.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nGeorg Elias M\u00fcller\nman darin eine Empfehlung der ersten der beiden obigen Annahmen zu erblicken haben. Denn werden durch die S-Valenzen zun\u00e4chst in der Zone der chromatischen Schaltsubstanzen ein Gr\u00fcnproze\u00df, der einen G-Wert und B-Wert besitzt, und ein Blau proze\u00df, dem ein B-Wert und ein R-Wert zukommt, erweckt, so h\u00e4ngt es nur von dem Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse dieser beiden chromatischen Schaltprozesse ab, ob der G-Wert des einen \u00fcber den R-Wert des anderen \u00fcberwiegt oder das Gegenteil stattfindet, d. h. ob das D\u00e4mmerungsblau gr\u00fcnlicbblau oder r\u00f6tlichblau ist. Die oben erw\u00e4hnten individuellen Verschiedenheiten w\u00fcrden also dann auf Verschiedenheiten nur quantitativer Art beruhen. Hingegen w\u00fcrde die Annahme, da\u00df die S-Valenzen, auf die nerv\u00f6se Sehsubstanz direkt einwirkend, in den einen F\u00e4llen B-Erregung und G-Erregung, in den anderen F\u00e4llen dagegen B-Erregung und R-Erregung hervorrufen, weit tiefer gehende und von vornherein weniger wahrscheinliche individuelle Unterschiede statuieren.\nIV. Die hemmende und die kontrastive Einwirkung der St\u00e4bchent\u00e4tigkeit auf die T\u00e4tigkeit des st\u00e4bchenfreien Netzhautzentrums. Wird dem dunkeladaptierten Auge ein kleines farbloses Feld (z. B. ein kreisf\u00f6rmiges Feld, dessen Durchmesser eine Winkelgr\u00f6\u00dfe von nur 1j2 0 besitzt) auf dunkelgrauem Grunde dargeboten, und zwar das kleine Feld fixiert, so sind betreffs des Aussehens des letzteren zwei Hauptf\u00e4lle m\u00f6glich. Erstens kann, gem\u00e4\u00df dem Bestehen der v. Lieber-MANNschen Hemmung (Typen, S. 141 ff.) die von dem kleinen Felde im Zapfenapparate bewirkte Sehnervenerregung an einer, zur Zeit noch nicht n\u00e4her bestimmbaren Stelle der von ihr zu durchlaufenden Bahn ganz gehemmt werden, so da\u00df die dem kleinen Felde entsprechende Sehfeldstelle die d\u00e4mmerungsblaue Farbe seiner Umgebung zeigt, gleichwie auch die dem blinden Flecke entsprechende Sehfeldstelle unter gew\u00f6hnlichen Bedingungen von der Farbe ihrer Umgebung ausgef\u00fcllt wird. Dieser Fall tritt ein, wenn die in den Zapfen des Netzhautzentrums hervorgerufene Erregung keine h\u00f6here Intensit\u00e4t besitzt. Ist diese Erregung eine intensivere, so kann sie durch die v. LiEBERMANNsche Hemmung nicht \u00fcberwunden werden und bestimmt, durch die Kontrastwirkung der d\u00e4mmerungsblauen Umgebung des kleinen Feldes mehr oder weniger modifiziert, das Aussehen des letzteren. Ich bot zwei dunkeladaptierten farbent\u00fcchtigen Vpn. ein zu fixierendes mittelgraues kleines Feld auf dunkelgrauem Grunde dar. Es erschien","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n97\nin der gr\u00fcnlich blauen D\u00e4mmerungsfarbe seiner Umgebung. Als ich aber das mittelgraue Feld durch ein bellwei\u00dfes ersetzte, erschien dieses gelblichwei\u00df. Ob die schwache Gelblichkeit eine reine, r\u00f6tliche oder gr\u00fcnliche war, vermochten die Vpn. nicht zu entscheiden. Neben den beiden hier erw\u00e4hnten Hauptf\u00e4llen kommt noch der dritte Fall vor, da\u00df der Eindruck des fixierten kleinen Feldes durch den hemmenden Einflu\u00df der St\u00e4bchent\u00e4tigkeit zw^ar nicht ganz beseitigt, aber doch immerhin so weit beeintr\u00e4chtigt wird, da\u00df an seiner Stelle nur etw^as Nebelartiges zu sehen ist.\nEine sorgf\u00e4ltige Untersuchung \u00fcber die v. LiEBERMANNsche Hemmung hat R\u00e9v\u00e9sz angestellt. Die von mir fr\u00fcher (Typen, S. 142 ff.) mitgeteilten Resultate dieser Untersuchung n\u00e4her zu besprechen, geh\u00f6rt nicht zu der mir hier gestellten Aufgabe. Ich m\u00f6chte betreffs jener Hemmung hier nur auf einen Punkt aufmerksam machen, n\u00e4mlich darauf, da\u00df dieselbe bei Zapfenblinden, deren Fovea mit lichtempfindlichen Elementen besetzt ist, unter Umst\u00e4nden ein Skotom Vort\u00e4uschen kann. So untersuchte F. Best 1 einen Fall von Zapfenblindheit, in dem das zentrale Skotom f\u00fcr das Dunkelauge angegeben, f\u00fcr das Hellauge verneint wurde. Im dunkeladaptierten Auge war eben die St\u00e4bchent\u00e4tigkeit und die von ihr ausgehende v. LiEBERMANNsche Hemmung st\u00e4rker als im Hellauge.\nFr\u00f6hlich, der die von v. Liebermann angegebenen Versuchsresultate durchaus best\u00e4tigt fand, hat sich in seiner Schrift \u00fcber die Empfindungszeit auf S. 125 ff. u. 156 f. auch mit der Annahme der v. LiEBERMANNSchen Hemmung besch\u00e4ftigt. Was er dort vorbringt, dient keineswegs zu einer Widerlegung dieser Annahme, sondern nur zu einer Widerlegung meines Versuches, mit Hilfe dieser Annahme das kritische Stadium zu erkl\u00e4ren.\nDie kontrastive Wirksamkeit des D\u00e4mmerungsblau spielt bei einem eigent\u00fcmlichen Verhalten, das die Farbenempfindungen des oben erw\u00e4hnten, von Kroh untersuchten Protanopen E. unter gewissen Bedingungen zeigten, eine wesentliche Rolle. Bei dieser Vp. lie\u00df sich n\u00e4mlich im Falle des Dunkeladaptiertseins f\u00fcr jedes (auch das blaue) Spektrallicht ein Bereich sehr schwacher Lichtst\u00e4rken feststellen, dem eine bl\u00e4uliche Empfindung entsprach, ferner ein Bereich etwas h\u00f6herer Lichtst\u00e4rken, dem die Wahrnehmung eines vor gelblichem Grunde befindlichen blauen Schimmers zugeh\u00f6rte. Bei weiter fortgesetzter Steigerung der Lichtst\u00e4rke stellte sich dann die dem Helladaptiertsein\n1 F. Best, Z. Biol. 68, S. 129 ff. (1918).","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nGeorg Elias M\u00fcller\nentsprechende Gelb- oder Blanempfindung ein. Hier machen sich wiederum die oben (S. 95) erw\u00e4hnten Ungleichm\u00e4\u00dfigkeiten der S-Valenzen der verschiedenen von dem farbigen Felde erregten Zapfen geltend. Die Erregungen, die von den durch diese Valenzen st\u00e4rker gereizten Zapfen ausgehen, \u00fcben auf die Erregungen, die den durch dieselben weniger gereizten Zapfen zugeh\u00f6ren, Kontrastwirkungen aus. Diese sind nicht merkbar, so lange die Lichtst\u00e4rke nur sehr gering ist, so da\u00df in diesem Falle nur ein blauer Schimmer gesehen wird. Besitzt die Lichtst\u00e4rke aber einen etwas h\u00f6heren Grad, so da\u00df die S-Valenzen des Lichtes st\u00e4rker sind und etwa auch die P-Valenzen sich im Sinne der Erweckung von Wei\u00dferregung geltend machen (das farblose Intervall), so werden in manchen der zentralen Nervenbahnen, die zu weniger mit Sehpurpur beschickten Zapfen geh\u00f6ren, eventuell unter dem Miteinflusse der die Entstehung der Kontrastfarben f\u00f6rdernden Wei\u00dferregung, merkbare Gelberregungen induziert, und die so zum einen Teile in Blauerregungen, zum anderen Teile in Gelberregungen versetzten Bahnen des Zapfenapparates rufen dem oben Bemerkten gem\u00e4\u00df die Wahrnehmungen eines vor gelblichem Grunde befindlichen blauen Schimmers hervor.\nV. Der Farbenton des D\u00e4mmerungsblau. Die Versuche von Schr\u00f6dingek. Zun\u00e4chst mag hier kurz darauf hingewiesen werden, da\u00df das D\u00e4mmerungsblau durchaus die r\u00e4umliche Erscheinungsweise einer Fl\u00e4chenfarbe besitzt, mitunter sich sogar dem Baumhaften ann\u00e4hert. Alle Vpn. von Kroh betonten \u201edie aufgelockerte Struktur, den nebelartigen Charakter, den scheinbaren Tiefeneindruck und die Unbestimmtheit der Lokalisation\u201c des D\u00e4mmerungsblau. Was den Farbenton desselben anbelangt, so stellte v. Kries1 2 durch Versuche an dem Deuteranopen Nagel fest, da\u00df die Wellenl\u00e4nge desjenigen Spektrallichtes, das auf den Zapfenapparat des Deuteranopen wirkend eine qualitativ gleiche Empfindung erweckt, wie im Falle einer Erregung des St\u00e4bchenapparates entsteht, zwischen den Grenzen 485 und 480 /uju und zwar vermutlich der oberen Grenze dieses Intervalles n\u00e4her liegt als der unteren. A. K\u00f6nig 2 berichtet \u00fcber Versuche gleicher Art, nach denen die Wellenl\u00e4nge des hier erw\u00e4hnten Lichtes zwischen 483 und 479 ja/x liegt. Die mit dunkel-\n1\tJ. v. Kries, Z. Psychol. 12, S. 27ff. (1896).\n2\tA. K\u00f6nig, Gesammelte Abhandlungen zur Pbysiol. Optik. Leipzig 1903. S. 417 f.","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Bsychophysik der Farbenempfindungen\n99\nadaptierten normalen Vpn. angestellten Versuche von Dreher1 ergaben, da\u00df der mittlere der drei bei \u00c4nderung der Lichtst\u00e4rke hinsichtlich des Farbentones invariablen Punkte des Spektrums f\u00fcr den einen Beobachter bei 483 /u/j,, f\u00fcr den anderen bei 481,4 jli(jl lag. Seine Versuche ergaben also, da\u00df auch f\u00fcr den Normalen ein Licht von ca. 482 fx/a dadurch ausgezeichnet ist, da\u00df seine Empfindung den Farbenton nicht merkbar \u00e4ndert, wenn durch Eierabsetzung der Lichtst\u00e4rke der St\u00e4bchenapparat st\u00e4rker mit ins Spiel gezogen wird. Abney2 erkl\u00e4rt gelegentlich ganz allgemein: White light becomes greenish-blue as it diminishes in intensity. Von den Vpn. vonKROH hat sich nur eine einzige \u00fcber den Farbenton des D\u00e4mmerungsblau n\u00e4her ge\u00e4u\u00dfert. Sie \u201esprach gelegentlich von einem deutlichen Blaugr\u00fcn\u201c.3 4 Ich bot zwei stark dunkeladaptierten farbent\u00fcchtigen und erprobten Vpn. bei schwacher Beleuchtung graue Lichtfl\u00e4chen mit der Frage dar, welche Farbe sie bes\u00e4\u00dfen. Sie gaben die blaue Farbe an. Auf die Frage, ob es ein reines, r\u00f6tliches oder gr\u00fcnliches Blau sei, erwiderte die eine Vp., sicherlich sei es kein r\u00f6tliches Blau. Die andere erkl\u00e4rte es direkt f\u00fcr Gr\u00fcnblau und bemerkte nach kurzer Zeit, jetzt erscheine es sogar mehr gr\u00fcnlich als bl\u00e4ulich.\nMit den vorstehend mitgeteilten Feststellungen, nach denen das D\u00e4mmerungsblau einen gr\u00fcnblauen Farbenton besitzt, stehen gewisse Ausf\u00fchrungen von M. Tscherning 4 und E. Schr\u00f6dinger 5 nicht in Einklang. Betreffs des ersteren Forschers k\u00f6nnen wir uns kurz fassen. Er ist der Ansicht, da\u00df der das D\u00e4mmerungssehen vermittelnde Sehstoff, den er mit dem dritten Reizempf\u00e4nger der YouNG-ElELMHOLTzschen Theorie identifiziert (!), die Violettempfindung entstehen lasse. Er konstatierte, da\u00df das r\u00f6tliche Licht einer Kerze in einem um den Fixationspunkt herum liegenden kleinen Umkreise rot, in den \u00fcbrigen Teilen des Sehfeldes dagegen violett erschien. Da\u00df die gr\u00fcnlichblaue D\u00e4mmerungsfarbe bei gleichzeitiger Einwirkung roten Lichtes eine Violettempfindung ergab, ist leicht verst\u00e4ndlich.\nEine eingehende Er\u00f6rterung erfordern die Ausf\u00fchrungen von Schr\u00f6dinger, Er bedient sich zur Bestimmung des Farbentones\n1\tE. Dreher, Z. Sinnesphysiol. 46, S. 60ff. (1912).\n2\tW. Abney, Colour vision, London 1895, S. 104.\n3\tO. Kroh, Z. Sinnesphysiol. 58, S. 192 (1922).\n4\tM. Tscherning, Archives n\u00e9erlandaises de Physiol. 7, S. 450 ff. 1922.\n5\tE. Schr\u00f4dinger, Naturw. 18, S. 373 ff. (1925).","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nGeorg Elias M\u00fcller\nder D\u00e4mmerungsfarbe \u201ezweier rechtwinklig aneinander gesetzter Messingr\u00f6hren von etwa 2 cm Durchmesser und je 20 cm L\u00e4nge, die an der Knickstelle unter 45\u00b0 eine wei\u00dfe Fl\u00e4che enthalten, im \u00fcbrigen aber mit schwarzem Sammet ausgekleidet und mit zahlreichen Blenden versehen sind. An das eine offene Ende des R\u00f6hrensystems wird das Auge mittels einer durchlochten steifen Augenbinde und eines Cameraauszuges aus schwarzem Papier vollkommen lichtdicht angesetzt, das andere Ende dient zur regulierbaren Beleuchtung der wei\u00dfen Sichtfl\u00e4che mit geschw\u00e4chtem Tageslichte. Dieses Ende wird durch eine zweite wei\u00dfe Fl\u00e4che unter 45\u00b0 abgeschlossen, der gegen\u00fcber das Rohr ein kleines regulierbares Loch hat. Setzt man nun das eine Auge an diese Vorrichtung an, so sieht man nach einigen Minuten Dunkeladaptation beige\u00f6ffneten beiden Augen inmitten des von dem Hellauge gelieferten Gesichtsfeldes, z. B. des Zimmers, ein D\u00e4mmerungsfeldchen schweben, das man am besten in eine dunkle Zimmerecke projiziert und dann bequem mit jeder beliebigen Tagesfarbe vergleichen kann. Um den Farbton quantitativ festzulegen, wurde das D\u00e4mmerungsrohr zur binokularen Durchsicht neben ein Spektrometerfernrohr montiert, das statt des Okulares einen Okularspalt mit Vorgesetztem Nikol trug. Das Hellauge konnte auf der Stirnfl\u00e4che eines zwischen Kollimator und Prisma eingebauten zweiten Nikols eine beliebige Spektralfarbe mit seitlich in den Apparat reflektiertem Tageslicht in variablem Verh\u00e4ltnis und variabler Gesamtintensit\u00e4t mischen und so die Farbe des D\u00e4mmerungsfeldes \u2014 vorausgesetzt, da\u00df sie nicht in die spektrale \u201eL\u00fccke\u201c fiel \u2014 kopieren\u201c.\nVier normale Trichomaten, die SchbooinGtEE als Vpn. benutzte, bezeichneten die Farbe des D\u00e4mmerungsfeldchens als ein mattes r\u00f6tliches Blau, etwa wie blasser Flieder, und stellten an dem beschriebenen Apparate als Spektralfarbe gleichen Farbentones eine Farbe ein, deren Wellenl\u00e4nge meist kleiner war als 430 ii[x und niemals \u00fcber 445 pp hinausging. Schb\u00f6dinoeb selbst dagegen, ein Deuteranomaler, fand das D\u00e4mmerungsfeld gr\u00fcnblau, und dementsprechend lagen auch seine Einstellungen an jenem Apparate im Cyan, nahe der FBAUENHOEEEschen Linie F.\nWenn wir nun dazu \u00fcbergehen, zu diesen Versuchsresultaten Stellung zu nehmen, so haben wir uns zun\u00e4chst zu fragen, ob das beobachtete D\u00e4mmerungsfeld wesentlich auf Zapfen- oder auf St\u00e4bchenerregung beruhte. Die Antwort kann nicht zweifelhaft","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Bsychophysik der Karbenempfindungen\n101\nsein. Die Vpn. 6rblickt6n die dargebotene wei\u00dfe Fl\u00e4che dureb GinG GngG Durchsicht, die sich in einer mit zahlreichen Blenden versehenen R\u00f6hre befand. Es ist nirgends davon die Rede, da\u00df sie die Instruktion erhalten h\u00e4tten, den Blick seitw\u00e4rts zu wenden, damit das sichtbare wei\u00dfe Feld sich auf einer extrafovealen Netzhautstelle abbilde.\nBeim Fehlen einer solchen Instruktion haben die Vpn. selbstverst\u00e4ndlich ihren Blick direkt auf das zu beurteilende kleine Feld gerichtet. Es wird ihnen nicht eingefallen sein, den Vergleich der Farbe dieses Feldes mit der dem anderen Auge dargebotenen Spektralfarbe in der Weise durchzuf\u00fchren, da\u00df sie jede Farbe mit unter einem bestimmten Winkel abgelenktem Blicke indirekt betrachteten. Diese Art des Vergleiches w\u00fcrde nichts weniger als \u201ebequem\u201c gewesen sein.\nKurz, es unterliegt keinem Zweifel, da\u00df bei diesen Versuchen der Blick normaler Weise direkt auf das sichtbare, kleine wei\u00dfe Feld gerichtet war und ein Seitw\u00e4rtswenden des Blickes nur ausnahmsweise vorkam. Das D\u00e4mmerungsfeld beruhte also wesentlich auf einer Reizung der Zapfen der Fovea1. Und es ist schwer zu verstehen, da\u00df Sch. die beobachtete Farbe des D\u00e4mmerungsfeldes als die Farbe des sogenannten St\u00e4bchen-blau ansieht, und man fragt sich, welche Mangelhaftigkeit der Versuchsbedingungen (einschlie\u00dflich der Farbenempfindlichkeit des Beobachters) im Spiele sei, wenn Sch. angibt, es sei leicht gewesen, die totale Farbenblindheit der St\u00e4bchen durch Vorhalten farbiger Gl\u00e4ser vor das Beleuchtungsfenster zu demonstrieren. Von einer Farbenblindheit der Fovea kann doch f\u00fcglich nicht gesprochen werden.\nWie die von vier normalen Vpn. beobachtete r\u00f6tlichblaue Farbe des D\u00e4mmerungsbildes zu deuten sei, ist nach Vorstehendem klar. Wir haben es, wie schon fr\u00fcher (S. 62) bemerkt, einfach mit dem durch die Zapfen vermittelten Verdunklungsblau zu tun, das eine schwach oder m\u00e4\u00dfig beleuchtete wei\u00dfe Fl\u00e4che dem dunkeladaptierten Auge zeigt, und dessen Farbenton, wie wir fr\u00fcher (S. 63) gesehen haben, bei den Normalen mit\n1 Eine diese Behauptung best\u00e4tigende Auslassung von Sch. werden wir auf S. 104 kennen lernen. Leider hat Sch. keinerlei Daten mitgeteilt, aus denen man den Durchmesser des von dem wei\u00dfen Feldchen entworfenen Netzhautbildes berechnen k\u00f6nnte.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 62\n8","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nGr cor g Elias M\u00fcller\ndem Farbentone des violetten Endteiles des Spektrums \u00fcberein-\nstimmen mu\u00df.\nWas nun die Tatsache anbelangt, da\u00df Sch. selbst als Deuteranomaler, anders wie die normalen Trichomaten, den Farbenton des D\u00e4mmerungsbildes gleich demjenigen einer zyanblauen Spektralfarbe fand, so glaubt Sch., die hiermit zutage getretene Verschiedenheit der D\u00e4mmerungsfarbe f\u00fcr normale und anomale Trichomaten lasse sich \u201eaus der Verschiedenheit des Tagesapparates allein erkl\u00e4ren, w\u00e4hrend die St\u00e4bchenfarbe selbst in Wirklichkeit1 f\u00fcr beide \u2014 und wahrscheinlich f\u00fcr alle \u2014\nAugen die n\u00e4mliche ist.46\nDieser Auslassung gegen\u00fcber ist zun\u00e4chst daran zu erinnern, da\u00df die von Sch. beobachtete D\u00e4mmerungsfarbe, wie oben gezeigt, gar nicht die sogenannte St\u00e4bchenfarbe, sondern das auf Zapfent\u00e4tigkeit beruhende Verdunkelungsblau ist. Ferner mu\u00df die hier ge\u00e4u\u00dferte Ansicht, da\u00df eine und dieselbe Farbe (die \u201eSt\u00e4bchenfarbe\u201c), die f\u00fcr den Normalen durch ein ausgepr\u00e4gt violettes Licht wiedergegeben werden kann, bei dem Deuteranomalen durch ein Licht wiedergegeben werde, das bei dem Normalen eine zyanblaue Empfindung erweckt, jedem, der die vielfach auch unter Heranziehung von Deuteranomalen ausgef\u00fchrten Untersuchungen dieses Gebietes nur einigerma\u00dfen kennt, h\u00f6chst befremdlich erscheinen. Ich bin z. B. selbst ein Deut er anomaler.\nMein Urblau liegt bei 480 AVh wie auch bei manchem Normalen. Wie der Normale empfinde ich rechts vom Urblau r\u00f6tliches, links davon gr\u00fcnliches Blau. Wie eine Farbe, die dem Normalen ausgepr\u00e4gt violett (etwa entsprechend 430 fifi) erscheint, bei mir durch ein zyanblaues Licht (etwa 490 fxfi) wiedergegeben werden k\u00f6nnte, vermag ich nicht zu erkennen. Sch. bemerkt (S. 376), da\u00df die Deut er anomalie darin bestehe, da\u00df die \u201eGr\u00fcnkurve der \u201eRotkurve\u201c angen\u00e4hert, d. h. gegen lange Wellen verschoben sei. Durch eine solche Verschiebung wird aber keineswegs begreiflich gemacht, da\u00df ein Licht von 490 fifi bei dem Deuter anomalen denselben Eindruck hervorrufe, den ein Licht von 430 up bei dem\nNormalen erweckt.\nDie von Sch. ge\u00e4u\u00dferte Vermutung, da\u00df die St\u00e4bchenfarbe f\u00fcr normale und anomale Augen dieselbe sei, d\u00fcrfte ganz genau genommen nicht zutreffen Denn beruht diese sogenannte St\u00e4bchenfarbe, wie nachgewiesen, auf der Reaktion von Zapfen gegen\u00fcber dem in sie eingedrungenen Sehpurpur, so mu\u00df","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n103\nsich diese Reaktion selbstverst\u00e4ndlich nach der Eigent\u00fcmlichkeit des betreffenden Zapfenapparates bestimmen.\nSch. gedenkt einer Fehlerquelle nicht, die bei seinen Versuchen mit allerdings nur sehr geringer St\u00e4rke dahin wirken mu\u00dfte, dem D\u00e4mmerungsfelde einen gr\u00fcnblauen Anstrich zu geben. W\u00e4hrend n\u00e4mlich das nach dem D\u00e4mmerungsfelde blickende Auge vor seitlichem Lichteinfalle g\u00e4nzlich gesch\u00fctzt war, drang mehr oder weniger diasklerales Licht in das andere Auge ein. Dieses r\u00f6tlichgelbe Licht mu\u00dfte durch binokulare Kontrastwirkung sich im Sinne einer gr\u00fcnblauen F\u00e4rbung des Sehfeldes des anderen Auges geltend machen. Da\u00df diese Fehlerquelle nicht die wesentliche Grundlage der von Sch. beobachteten gr\u00fcnblauen F\u00e4rbung des D\u00e4mmerungsfeldes war, ist bei der Schw\u00e4che des erw\u00e4hnten diaskleralen Lichtes anzunehmen. Auch h\u00e4tten die \u00fcbrigen Vpn., f\u00fcr welche diese Fehlerquelle ja auch bestand, bei erheblichem Einfl\u00fcsse derselben das D\u00e4mmerungsfeld nicht in einem so ausgepr\u00e4gt r\u00f6tlichem Blau erblicken k\u00f6nnen.\nDie Erkl\u00e4rung der von Sch. beobachteten gr\u00fcnblauen Farbe des D\u00e4mmerungsfeldes ergibt sich, wenn man in Betracht zieht, da\u00df das Blau dieses Feldes im Falle der Fixierung des letzteren nicht das D\u00e4mmerungsblau, sondern das Verdunkelungsblau war, und wenn man au\u00dferdem den Umstand, da\u00df es sich hier um einen Deuteranomalen handelt, in geh\u00f6rige R\u00fccksicht zieht. Wie wir auf S. 63 f. gesehen haben, mu\u00df in einem Falle, wo die nutritive F\u00f6rderung der Pn-Substanz zu derjenigen der Pj-Substanz in einem erheblich geringeren Verh\u00e4ltnisse steht, als normaler Weise der Fall ist, also in nutritiver Hinsicht eher mit der Pm-Substanz als mit der PrSubstanz in einer Linie steht, die Farbe des Verdunkelungsblau ein gr\u00fcnliches Blau sein. Da\u00df es nun F\u00e4lle von Deuteranomalie gibt, wo die nutritive F\u00f6rderung der Pn-Substanz in Vergleich zu derjenigen der Pj-Substanz herabgesetzt ist, unterliegt keinen Zweifel. So stellte v. Hess 1 bei einer Anzahl von Deuteranomalen Unterwertigkeit f\u00fcr Gr\u00fcn fest. Bei einigen Deuteranomelen h\u00f6heren Grades fand er Unterwertigkeit f\u00fcr Rot. In diesen F\u00e4llen bestand aber zugleich eine noch st\u00e4rkere Unterwertigkeit f\u00fcr Gr\u00fcn. Vielleicht geh\u00f6rt hierher auch die Feststellung von Guttmann 1 2, da\u00df der Deuteranomale l\u00e4ngere Zeit zum\n1\tC. y. Hess, Arch. Ophthalm. 105, S. 149 (1921).\n2\tA. Guttmann, Z. Sinnesphysiol. 42, S. 64 (1908).\n8*","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"-^04\tGeorg Elias M\u00fcller\nZustandekommen der Gr\u00fcnempfindung als der Rotempfindung braucht.\nSch. berichtet, da\u00df bei ihm der Farbenton des D\u00e4mmerungsfeldes in ausgesprochener Weise von der subjektiven Helligkeit desselben abh\u00e4ngig sei. \u201eBei subjektiv dunklem Felde stelle ich das Vergleichungsfeld langwelliger, bei subjektiv hellem Felde kurzwelliger ein, einerlei ob die Helligkeit durch die Beleuchtungsst\u00e4rke, den Adaptationszustand oder durch mehr oder weniger parazentrale Beobachtung variiert wdrd. Die \u00e4u\u00dfersten Grenzen der auf diese Weise absichtlich variierten D\u00e4mmerungsfarbe waren l = 484 fifi (bei extrem hellem Feld) und 1 = 495 w (bei extrem dunklem Feld).\u201c Der hier erw\u00e4hnte Einflu\u00df der Zeitdauer der Dunkeladaptation zeigt, da\u00df sich w\u00e4hrend dieser Zeitdauer die Pm-Erregbarkeit doch mehr erholte als die Pn-Erregbarkeit. Das was \u00fcber den Einflu\u00df einer mehr oder weniger parazentralen Beobachtung bemerkt ist, l\u00e4\u00dft erkennen, da\u00df auch bei Sch. das D\u00e4mmerungsblau eine gr\u00fcnlichblaue F\u00e4rbung besitzt. Au\u00dferdem best\u00e4tigt es auch die Vermutung, da\u00df bei diesen Versuchen die normale Art der Betrachtung des D\u00e4mmerungsfeldes die direkte Hinwendung des Blickes auf dasselbe gewesen sei.\nDie Versuche von Schr\u00f6dinger waren also nicht von der Art, da\u00df sie die Behauptung, das D\u00e4mmerungsblau sei im allgemeinen ein gr\u00fcnliches Blau, widerlegen k\u00f6nnten. Selbstverst\u00e4ndlich bestehen individuelle Verschiedenheiten hinsichtlich desselben. Variationen im St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse des Rotgr\u00fcnsinnes und des Gelbblausinnes k\u00f6nnen den Farbenton des D\u00e4mmerungsblau nicht unber\u00fchrt lassen. Zu beachten ist, da\u00df bei gewissen Intensit\u00e4ten wei\u00dfen Lichtes f\u00fcr das dunkeladaptierte Auge die Ursachen des an sich gr\u00fcnlichen D\u00e4mmerungsblau und des an sich r\u00f6tlichen Verdunkelungsblau gleichzeitig gegeben sein k\u00f6nnen.\n6. Der kontrastive Einflu\u00df des D\u00e4mmerungsblau auf die Sternfarben. Schr\u00f6dinger hat in der oben angef\u00fchrten Abhandlung darauf aufmerksam gemacht, da\u00df zu erwarten ist, da\u00df die subjektiven Sternfarben durch die Kontrastwirkungen beeinflu\u00dft werden, welche das D\u00e4mmerungsblau auf das zur genaueren Sternauffassung verwandte st\u00e4bchenfreie Netzhautzentrum aus\u00fcbt. Indem er auf Grund seiner soeben von uns besprochenen Versuche annimmt, da\u00df die D\u00e4mmerungsfarbe f\u00fcr die Normalen ein unges\u00e4ttigtes Rotviolett sei, findet er, da\u00df das Vorherrschen dieses St\u00e4bchenviolett im Gesichtsfelde die beobach-","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Kieme Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\t105\nteten subjektiven Sternfarben zum gr\u00f6\u00dferen Teile, aber nicht restlos verstehen lasse. \u201eDa\u00df die wei\u00dfen Sonnensterne \u201edurch Kontrast\u201c gelb erscheinen m\u00fcssen, leuchtet ein; ebenso, da\u00df erst Sterne, die erheblich blauer sind als die Sonne, wei\u00df erscheinen werden.\u201c Auf den Umstand, da\u00df Rotviolett nicht einfach eine gelbe, sondern eine gr\u00fcngelbe oder gelbgr\u00fcne Kontrastfarbe ergibt, geht Sch. hier nicht ein. Weiterhin sagt er selbst, da\u00df die Eigenfarbe, d. h. die durch den Einflu\u00df der Atmosph\u00e4re und subjektive Faktoren nicht modifizierte Farbe, der hier erw\u00e4hnten, uns wei\u00df erscheinenden Sterne (von z. B. einer Temperatur von 10000\u00b0 C) genau genommen \u201eein ziemlich unges\u00e4ttigtes, etwas gr\u00fcnliches Blau\u201c sei. Da\u00df die Gr\u00fcnlichkeit dieser Sterne bei ihrer Betrachtung auf dem Himmelsgrunde nicht hervortritt, erscheint schwer verst\u00e4ndlich, wenn man mit Sch. der Ansicht ist, da\u00df die D\u00e4mmerungfarbe des Himmelsgrundes rotviolett sei und somit durch ihre auf ein gr\u00fcnliches Gelb gerichtete Kontrastwirkung die bereits objektiv vorhandene Gr\u00fcnlichkeit jener Sterne verst\u00e4rke.\nSch. gibt ausdr\u00fccklich zu, da\u00df man durch Bezugnahme auf die Kontrastwirkung der rotvioletten D\u00e4mmerungsfarbe nicht die Tatsache erkl\u00e4ren kann, da\u00df irdische Objekte von einer Temperatur von 2100 \u00b0 0 oder mehr wei\u00dfgl\u00fchend genannt werden, dagegen Fixsterne von 2000 0 C als tiefrot und solche von 3000 0 C als rot bezeichnet werden. Er erkl\u00e4rt diese Tatsache folgenderma\u00dfen. Er erinnert zun\u00e4chst an das bekannte BEZOLD-BR\u00dcCKEsche Ph\u00e4nomen, welches zeige, wie bei starker Herabsetzung der Helligkeit der Spektrums alle r\u00f6tlichgelben T\u00f6ne gegen Rot und alle gr\u00fcnlichgelben gegen Gr\u00fcn wandern. Dieses Ph\u00e4nomen beruhe \u201enach der Dreikomponententheorie darauf, da\u00df bei Herabsetzung der Lichtst\u00e4rke die beiden schw\u00e4cheren Grundempfindungskomponenten unterschwellig werden und die st\u00e4ikste allem \u00fcbrig bleibt, wodurch jede Farbe derjenigen Grundfarbe sich n\u00e4hert, die in ihr am st\u00e4rksten vertreten ist.\u201c Da nun die Farbe eines wei\u00dfgl\u00fchenden Sternes, ebenso wie diejenige eines sonstigen wei\u00dfgl\u00fchenden K\u00f6rpers, z. B. einer Metallfadenlampe, nicht ein reines, sondern ein r\u00f6tlichgelbes Wei\u00df ist, so sind hier, \u201edurch die \u00e4u\u00dferste Kleinheit und immerhin recht geringe Lichtst\u00e4rke des Stern-scheibchens ... die Bedingungen f\u00fcr das Auftreten des Bezold-BR\u00dcCKEschen Ph\u00e4nomens in idealer Weise erf\u00fcllt. Fs mu\u00df daher eine weitgehende Ann\u00e4herung an diejenige Grundfarbe stattfinden, die in der Farbe vorherrscht, und das ist bei r\u00f6tlichem Gelb das","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nGeorg Elias M\u00fcller\nGrundrot. (Selbst Na-Gelb, das wir kaum noch als r\u00f6tliches empfinden, enth\u00e4lt nach K\u00f6nig und Exner noch etwa 35 \u00b0/0 mehr Grundrot als Grundgr\u00fcn!)\u201c\nIch kann mich damit begn\u00fcgen, dieser Konstruktion die\n\u2022 \u2022\nneuerdings durch \u00d6sterreich in den Vordergrund des Interesses ger\u00fcckte Tatsache gegen\u00fcber zu stellen, da\u00df reines Gelb und auch schwach r\u00f6tliches Gelb bei Herabsetzung der Lichtst\u00e4rke gr\u00fcnlich wird (Farbenempfindungen, S. 575ft.).1 Leider hat Sch. bei vorstehender Erkl\u00e4rung der roten Farbe gewisser Sterne der Kontrastwirkung des d\u00e4mmerungsblauen Himmelsgrundes nicht gen\u00fcgend gedacht. Wenn die Bl\u00e4ulichkeit des Himmelsgrundes imstande ist durch Kontrastwirkung den Sternen von 6000\u00b0 C eine gelbe F\u00e4rbung zu geben, so m\u00fc\u00dfte sie doch auch den uns rot erscheinenden Sternen von 2000\u20143000\u00b0 C eine deutliche Gelblichkeit verleihen. Wenn ferner, wie Sch. meint, das Blau des n\u00e4chtlichen Himmelsgrundes ein r\u00f6tliches Blau ist, so mu\u00df derselbe auf die Farbe der hier in Rede stehenden Sterne eine Kontrastwirkung aus\u00fcben, die sich auch im Sinne einer Unterdr\u00fcckung von R\u00f6tlichkeit geltend macht. Kurz es erscheint v\u00f6llig ausgeschlossen auf Grund der Ansicht von Sch. eine Erkl\u00e4rung der Farbe der roten Sterne zu finden.\nEs sind also folgende, die subjektiven Sternfarben betreffende drei Tatsachen, deren Erkl\u00e4rung, zum Teil mit Hilfe seiner Annahme einer r\u00f6tlichen F\u00e4rbung des D\u00e4mmerungsblau, Sch. unternimmt.\n1.\tFixsterne von einer Temperatur von 2000 bis 3000\u00b0 C erscheinen uns rot, w\u00e4hrend irdische K\u00f6rper von gleicher Temperatur als wei\u00df gl\u00fchend bezeichnet werden.\n2.\tFixsterne von wei\u00dfer Eigenfarbe stellen sich uns gelblich dar.\n3.\tFixsterne, deren Eigenfarbe ein unges\u00e4ttigtes und zwar etwas gr\u00fcnliches Blau ist, erscheinen uns wei\u00df.\n1 Betreffs der Vergr\u00fcnlichung des Natirumgelb bei Herabsetzung der Lichtst\u00e4rke macht Oesterreich (Z. Sinnesphysiol. 59, S. 363 f. u. S. 366 ff. (1928) n\u00e4here Versuchsmitteilungen.\nDas BEzoLD-BR\u00dcCKEsehe Ph\u00e4nomen ist schon wegen der Kontrastwirkungen, welche die gleichzeitig erscheinenden verschiedenen Farben des Spektrums aufeinander aus\u00fcben, ganz untauglich dazu, f\u00fcr die verschiedenen Farben genauere Auskunft \u00fcber das Verhalten des Farbentones bei Herabsetzung der Lichtst\u00e4rke zu geben.","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"107\nKleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n*4\nDie Erkl\u00e4rungen, welche Sch. f\u00fcr die an zweiter und dritter Stelle genannten Tatsachen gibt, unterliegen dem Einwande, da\u00df sie einem Rotviolett, das \u201evielleicht noch etwas r\u00f6ter als das Endviolett des Spektrums\u201c ist, eine gelbe Kontrastfarbe, die einer merkbaren Gr\u00fcnlichkeit entbehrt, zugeb\u00f6ren lassen. Die f\u00fcr die erstgenannte Tatsache gegebene Erkl\u00e4rung sieht in \u00fcberraschender Weise den Kontrasteinflu\u00df des rotvioletten Himmelsgrundes als verschwindend gering an und st\u00fctzt sich auf zu den 1 atsachen nicht in Einklang stehende Anschauungen der Yotjng-Helmholtz-schen Schule.\nNach unseren Anschauungen wird die subjektive Farbe der Fixsterne durch zwei subjektive Faktoren mitbestimmt, erstens durch das Verdunklungsblau, f\u00fcr dessen Auftreten auf dem mit dunkeladaptierten Augen foveal wahrgenommenen, mehr oder weniger wei\u00dfes Licht ausstrahlenden Stern nat\u00fcrlich eine Ten-denz&besteht, und zweitens durch die rotgelbe Kontrastfarbe des gr\u00fcnlichbl\u00e4ulichen Himmelsgrundes. Zu diesen beiden subjektiven Faktoren, von denen im allgemeinen der zweite der erheblich st\u00e4rkere sein d\u00fcrfte, tritt als ein objektiver Faktor noch der Einflu\u00df hinzu, den die Atmosph\u00e4re auf die Zusammensetzung des sie durchdringenden Sternenlichts aus\u00fcbt. Wie Sch. selbst m Erinnerung bringt, aber bei seinen Erkl\u00e4rungen der subjektiven Sternfarben nicht weiter ber\u00fccksichtigt, ist dieser Einflu\u00df \u201edurch die starke Bandenabsorption im kurzwelligen Teile\u201c des Spektrums charakterisiert.\nNach diesen unseren Anschauungen ist es leicht verst\u00e4ndlich, da\u00df die Sterne, welche die Temperaturen der wei\u00dfgluhenden irdischen K\u00f6rper (2000\u201430000 C) besitzen, rot erscheinen. Denn die R\u00f6tlichkeit des Verdunklungsblau und diejenige der induzierten Kontrastfarbe verst\u00e4rken sich gegenseitig, w\u00e4hrend die Bl\u00e4ulichkeit des Verdunklungsblau und die Gelblichkeit der induzierten Kontrastfarbe sich gegenseitig hemmen.\nWas die \u201ewei\u00dfen Sonnensterne\u201c mit wei\u00dfer Eigenfarbe anbelangt, so macht sich der oben erw\u00e4hnte Einflu\u00df der Atmosph\u00e4re dahin geltend, diese Sterne gr\u00fcnlichgelb erscheinen zu lassen Die Kontrastwirkung der Bl\u00e4ulichkeit des Himmelsgrundes, welche die Bl\u00e4ulichkeit des Verdunklungsblau \u00fcberkompensiert, verst\u00e4rkt die Gelblichkeit. Der Gr\u00fcnlichkeit wirkt die R\u00f6tlichkeit des Verdunklungsblau und der induzierten Kontrastfarbe entgegen, so da\u00df ein gelbliches Aussehen der Sterne resultiert.","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nGeorg Elias M\u00fcller\nBei den eine Temperatur von etwa 10 0000 C besitzenden Sternen, deren Eigenfarbe ein unges\u00e4ttigtes gr\u00fcnliches Blau ist, l\u00e4\u00dft der Einflu\u00df der Atmosph\u00e4re und der die Bl\u00e4ulichkeit des Verdunklungsblau \u00fcberkompensierende Kontrasteinflu\u00df der Bl\u00e4u-lichkeit des Himmelsgrundes die Bl\u00e4ulichkeit des Sternes unmerkbar werden. Der Gr\u00fcnlichkeit wirken wiederum die Redlichkeiten des Verdunklungsblau und der induzierten Kontrastfarbe entgegen.\nMan wird die Irage aufwerfen, wie es komme, da\u00df wir der Atmosph\u00e4re zwar bei den Sternen von wei\u00dfer Eigenfarbe sowie bei denen von gr\u00fcnlichblauer F\u00e4rbung, nicht aber auch bei den Sternen, welche die Temperaturen der als wei\u00dfgl\u00fchend bezeich-neten irdischen K\u00f6rper besitzen, einen wesentlichen Einflu\u00df auf die subjektive Sternfarbe zuschreiben. Dies erkl\u00e4rt sich daraus, da\u00df die Schw\u00e4chung, welche der kurzwellige Anteil des von einem Sterne ausgestrahlten Lichts innerhalb der Atmosph\u00e4re erf\u00e4hrt, f\u00fcr den farbigen Eindruck des Sternes nat\u00fcrlich um so mehr in Betracht kommt, je gr\u00f6\u00dfer jener Anteil relativ genommen ist. W\u00e4hrend nun in dem Spektrum der Sterne, die eine Temperatur von etwa 10000\u00b0 C besitzen, das kurzwellige Licht reichlicher vertreten ist als im Sonnenspektrum, gilt f\u00fcr die Sterne, welche die Temperaturen der als wei\u00dfgl\u00fchend bezeichneten irdischen K\u00f6rper (2000 30000 C) besitzen, das Gegenteil. Denn, wie Sch. hervorgehoben hat, ist das Licht, das derartige K\u00f6rper aussenden, tats\u00e4chlich nicht ein rein wei\u00dfes, sondern ein unges\u00e4ttigtes r\u00f6tlich-gelbes Licht, dessen Gehalt an kurzwelligen Strahlen hinter demjenigen des Sonnenlichtes erheblich zur\u00fccksteht. W\u00e4re es anders, \u201eso brauchte man eine Metallfadenlampe nicht erst mit einem ziemlich starken blauen bis gr\u00fcnblauen Filter zu versehen, um sie in eine Tageslichtlampe zu verwandeln\u201c. Da\u00df wegen dieser Beschaffenheit des Lichtes, das die Sterne von 2000\u201430000 C aussenden, der Einflu\u00df der Atmosph\u00e4re auf das Aussehen dieser Sterne in der Tat nur gering ist, best\u00e4tigt ein von Bottlingeb 1 mitgeteilter, an der Babelsberger Sternwarte angestellter Versuch. Bei diesem wurde der Einflu\u00df der atmosph\u00e4rischen Umh\u00fcllung der Erde auf das zu beobachtende Licht dadurch ausgeschaltet, da\u00df \u201eein kleines St\u00fcck aus einer Metallfadenlampe durch ein Diaphragma betrachtet wurde, so da\u00df die scheinbare Helligkeit\n1 K. F. Bottlinger, Die Naturwiss. 13, S. 180 (1925).","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Bsychophysik der K\u00fcrbenempfindungen\n109\nder eines Sternes \u00e4hnlich war\u201c. Dieser k\u00fcnstliche Stern von einer Temperatur von etwa 2200 0 C zeigte die rote Farbe eines Fixsternes von ungef\u00e4hr gleicher Temperatur.\nNach Vorstehendem ist zu sagen, da\u00df man jedenfalls bei der Erkl\u00e4rung der subjektiven Sternfarben weiter kommen wird, wenn man die D\u00e4mmerungsfarbe des n\u00e4chtlichen Himmelsgrundes als ein gr\u00fcnliches Blau ansieht, als dann, wenn man sie ein Rotviolett sein l\u00e4\u00dft. F\u00fcr eine abschlie\u00dfende Behandlung dieses Gegenstandes fehlen uns die ausreichenden Daten, d. h. eine genaue und umfassende \u00dcbersicht einerseits \u00fcber die bei den Sternen vorkommenden verschiedenen Eigenfarben und anderseits \u00fcber die diesen Eigenfarben zugeh\u00f6rigen, bei Mitwirkung der Farbe des Himmelsgrundes auftretenden, subjektiven Farben.\nUm dem Einwande zu begegnen, da\u00df eine kontrastive Beeinflussung der wahrgenommenen Sternfarben durch die Farbe des Himmelsgrundes nicht anzunehmen sei, weil die durch das schwache Himmelslicht erweckte St\u00e4bchenerregung zu unbedeutend sei, erkl\u00e4rt es Sch. \u201ef\u00fcr \u00e4u\u00dferst wahrscheinlich, da\u00df auch die Farbqualit\u00e4t der wirklichen Selbsterregung (d. h. der endogonen Erregung des Sehorganes) mit der D\u00e4mmerungsfarbe merkbar \u00fcbereinstimmt.\u201c Durch das Zusammenwirken dieser Selbsterregung mit der vom Himmelsgrunde erweckten St\u00e4bchenerregung sei eine deutliche kontrastive Beeinflussung der Sternfarben m\u00f6glich. Hierzu ist zu bemerken, da\u00df nicht die geringste Tatsache vorliegt, welche zu der Behauptung berechtigt, da\u00df die Empfindung des subjektiven Augengrau einen rotvioletten Ton besitzt. Vielleicht hat sich Sch. durch F\u00e4lle t\u00e4uschen lassen, wo wei\u00dfe Objekte infolge des l\u00e4ngeren metaphotischen Nachdauerns des Pm-Prozesses ein violett gef\u00e4rbtes positives Nachbild hinterlie\u00dfen. Bei Erkl\u00e4rung der Kontrastst\u00e4rke des D\u00e4mmerungsblau hat man darauf Bezug zu nehmen, da\u00df bei dunkeladaptiertem Auge die Kontrastbahnen gleichfalls eine h\u00f6here Erregbarkeit besitzen. Ferr\u00e9e u. Rand 1 fanden, da\u00df bei sehr stark herabgesetzter Beleuchtung der Simultankontrast ganz bedeutend verst\u00e4rkt ist. Noch bedenklicher als die soeben erw\u00e4hnte Fehlbehauptung von Sch. ist es, wenn er unter Berufung auf den Florkontrast die seit De zenien mehr als ausreichend durch Versuche widerlegte Behauptung von Helmholtz wiederholt, da\u00df stark ges\u00e4ttigte Farben im Simultankontrast schw\u00e4cher induzierend wirken als wenig ges\u00e4ttigte (Farbenempfindungen, S. 529 ff.).\n1 C. E. Ferr\u00e9e u. G. Rand, The Psychol. Bev. 19, S. 221 ff. u. 238. 1912.","page":109},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"167\nKleine Beitr\u00e4ge\nzur Psychophysik der Farbenempfindungen1\nVon\nGeorg Elias M\u00fcller (G\u00f6ttingen)\nIY. Erkl\u00e4rung der Erscheinungen eines mit konstanter Geschwindigkeit bewegten Liehtstreifens,\ninsbesondere auch des Pihl-Fr\u00f6hlichschen Ph\u00e4nomens\n\u00a7 1. Die vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-Indnktionen\nFr\u00f6hlich stellte bekanntlich Versuche folgender Art an. Vor dem auf einen Fixationspunkt gerichteten Auge der in einem Dunkelraume befindlichen Vp. bewegte sich ein von hinten erleuchteter Spalt mit konstanter Geschwindigkeit durch eine horizontale Spaltbahn. Helligkeit, Breite und L\u00e4nge des Lichtspaltes, die Geschwindigkeit der Spaltbewegung und die L\u00e4nge der Spaltbahn waren variabel.\nDie bei derartigen Versuchen beobachteten Erscheinungen sollen in dieser Abhandlung erkl\u00e4rt werden. Um bei diesen Erkl\u00e4rungen den Gedankengang nicht allzu sehr durch l\u00e4ngere Zwischener\u00f6rterungen unterbrechen zu m\u00fcssen, soll in diesem und dem n\u00e4chsten Paragraphen die n\u00e4here Besprechung einiger bei diesen Erkl\u00e4rungen wesentlich in Betracht zu ziehender Faktoren vorausgeschickt werden.\nI. Wird vor ruhig gehaltenem Auge ein geradliniger wei\u00dfer Lichtstreifen in einer zu seiner L\u00e4ngserstreckung senkrechten Richtung bewegt, so \u00fcbt er auf die Teile des Sehorganes, welche den vor ihm liegenden Partien des Sehfeldes entsprechen, S-Induk-tionen aus, die durch Anh\u00e4ufungen von A-Material jene Teile in einen Zustand gesteigerter W-Bereitschaft versetzen, in dem\n1 I\u2014III S. 53 dieses Bandes.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nGeorg Elias M\u00fcller\nsie einem einwirkenden wei\u00dfen Lichte gegen\u00fcber schneller, ans giebiger und andauernder reagieren als im ganz unbeeinflu\u00dften Zustande.1 Ist der Licbtstreifen farbig, so gilt nat\u00fcrlich Entsprechendes. So geben bei roter Farbe des Streifens demselben neben S-Induktionen noch G-Induktionen voraus. Ich habe jene S-Induk-tionen und ihre Wirksamkeit schon fr\u00fcher (Farbenempfindungen, S. 97f. und 537) n\u00e4her besprochen und als die vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-Induktionen bezeichnet.\nWir bezeichnen die Reibe von Elementen des somatischen Sehfeldes, die von einem vor dem ruhenden Auge mit konstanter Geschwindigkeit vor\u00fcbergleitenden Licbtspalte sukzessiv erregt werden, kurz als die physiologische Spaltbabn. Es ist klar, da\u00df die S-Induktion, die der Licbtspalt, auf ein bestimmtes Element dieser Bahn einwirkend, in einem sp\u00e4teren Elemente derselben hervorruft2 3, unter sonst gleichen Umst\u00e4nden um so st\u00e4rker ist, je heller, breiter und l\u00e4nger der Lichtspalt ist, je langsamer er sich bewegt, und je kleiner die Bahnstrecke ist, welche die beiden Elemente voneinander trennt.\nFerner machen sich die einem bewegten Lichtstreifen voranlaufenden S-Induktionen nat\u00fcrlich f\u00fcr diejenigen Teile der vor dem Streifen liegenden Umgebung am st\u00e4rksten geltend, die sich vor der Mitte des (als in allen seinen Teilen objektiv gleich hell vorausgesetzten) Streifens befinden. Hierauf d\u00fcrfte die von Boswell 3 festgestellte Erscheinung beruhen, da\u00df z. B. ein rechteckiger schmaler Lichtstreifen, vor dem ruhenden Auge in einer zu seiner L\u00e4ngsstreckung senkrechten Richtung vor\u00fcbergef\u00fchrt, sich in nach vorn konvexer, sichelf\u00f6rmiger Gestalt darstellt. Je\n1\tWei\u00dfes Licht bewirkt in der nerv\u00f6sen Sehsubstanz zun\u00e4chst einen Umsatz von A-Material (Ausgangsmaterial) in W.Material, (AW-Umsatz), an den sich ein Umsatz von W-Material in S-Material (WS-Umsatz) anschlie\u00dft. Eine S-Induktion wirkt in genau entgegengesetzter Richtung, im Sinne einer F\u00f6rderung des SW- und WA-Umsatzes, f\u00fchrt also zu einer Anh\u00e4ufung von A-Material, deren Einflu\u00df auf den Erfolg eines ein wirkenden Lichtreizes auf S. 190 f. n\u00e4her besprochen wird. Der WS-(WA-)Umsatz ist der Vorgang, der der eintretenden Wei\u00df(Schwarz)empfindung zugrunde liegt.\n2\tEs mag hier daran erinnert werden, da\u00df in der Sehbahn die Kontrastzone vor der psychophysischen Zone liegt, so da\u00df eine zur Empfindung gelangende Sehnervenerregung ihre kontrastiven Induktionen bereits zu einer Zeit an ihre Umgebung entsendet, in welcher sie die ihr entsprechende Empfindung noch nicht hervorruft.\n3\tF. P. Boswell, Z. Sinnesphysiol. 41, S. 119 ff. (1907).","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n169\nst\u00e4rker die W-Bereitschaft einer von dem Lichtstreifen zu erregenden Partie des Sehorganes ist, desto schneller wird sich in derselben die W-Erregung entwickeln.\nWird der Lichtstreifen so vor dem ruhenden Auge vor\u00fcbergef\u00fchrt, da\u00df das Bild seiner Mitte sich \u00fcber die Fovea bewegt, und sind zugleich die Versuchsbedingungen von der Art, da\u00df sie eine Tendenz des Streifens bedingen, mit seinem sich foveal abbildenden mittleren Teile die bekannte Ausbuchtung nach hinten zu bilden, so kommt diese Tendenz in Konflikt zu der auf den vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen gegenfarbigen Induktionen beruhenden, soeben erw\u00e4hnten Tendenz der mittleren Teile des Streifens den \u00fcbrigen Teilen desselben ein wenig vorauszueilen. Hieraus erkl\u00e4rt es sich, da\u00df v. Hess 1 bei Beschreibung der Erscheinungsweise eines vor dem ruhenden Auge vorbeibewegten roten Streifens folgendes bemerkt. Der Streifen stelle sich als aus einer vorderen sch\u00f6n roten und aus einer hinteren unges\u00e4ttigt roten, unter Umst\u00e4nden ganz farblosen, H\u00e4lfte bestehend dar. Die hintere wei\u00dfliche H\u00e4lfte zeige sich in ihrem foveal abgebildeten mittleren Teile deutlich nach hinten ausgebuchtet. Die vordere rote H\u00e4lfte folge mit ihrer hinteren Grenzlinie der nach hinten gerichteten Ausbuchtung der wei\u00dflichen H\u00e4lfte. Dagegen sei ihre vordere Grenzlinie nicht gleichfalls ausgebuchtet, sondern entweder geradlinig oder man habe zuweilen \u201eden Eindruck, als ob die vordere Grenzlinie des roten Streifens foveal eine Spur nach vorn ausgebuchtet sei.\u201c In diesem Verhalten des vorderen Streifens tritt die Beg\u00fcnstigung der mittleren Streifenpartien durch die vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-Induk-tionen zutage.\nIn anderen F\u00e4llen tritt diese Wirksamkeit der vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-Induktionen dadurch hervor, da\u00df die verschiedenen Teile des bewegten wei\u00dfen Streifens im positiven Nachbilde desselben um so weniger dauerhaft vertreten sind, je weiter sie von der Mitte des Streifens abliegen. Wie fr\u00fcher (Farbenempfindungen, S. 231 f.) erw\u00e4hnt, beobachtete Fk\u00f6hlich unter gewissen Versuchsbedingungen, da\u00df ein Teil des Nachbildes eines bewegten vertikalen Lichtspaltes, z. B. der vom Beizmoment bis zum Ende des PuEKiNJEschen Nachbildes reichende Teil, in eine Reihe hellerund dunkler Streifen zerfiel, und zwar wurden die hellen Streifen im Fortschritte eines Teiles der Reihe von Streifen zu Streifen immer\n1 C. y. Hess, Pfl\u00fcgers Arch. 101, S. 233 (1904).\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 62\n13","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nGeorg Elias M\u00fcller\nk\u00fcrzer, indem sie sowohl an ihrem oberen als auch an ihrem unteren Ende etwas verloren. Eine ganz entsprechende Gestaltung der das PuBKiNJEsche Nachbild bildenden, durch dunkle Intervalle getrennten, hellen Streifen hat auch Homuth beschrieben. Eine solche Reihe von oben und unten her sich verk\u00fcrzender Nachbildstreifen zeigt in anschaulicher Weise, wie die zur Verst\u00e4rkung und Verl\u00e4ngerung des positiven Nachbildes dienende Mitwirkung der vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-Induktionen f\u00fcr die verschiedenen Teile des Lichtspaltes um so st\u00e4rker ins Gewicht f\u00e4llt, je n\u00e4her sie der Mitte des Lichtspaltes liegen1.\nEs ist hier noch einiges dar\u00fcber zu bemerken, wie sich infolge der vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-Induktionen die einem wei\u00dfen Lichtspalte entsprechende W-Erregung beim Vorr\u00fccken des Lichtspaltes in seiner Bahn verh\u00e4lt. Wir behandeln diesen Punkt, um nicht zu weitl\u00e4ufig zu werden, in etwas schematischer Weise.\nIst durch Eintritt des Lichtspaltes in seine Spaltbahn das Bahnelement 1 der physiologischen Spaltbahn in Erregung versetzt, so \u00fcbt dasselbe auf die Bahnelemente 2, 3, 4 usw. S-Induktionen aus, die um so schw\u00e4cher sind, je weiter das betroffene Element von Element 1 entfernt ist. Es entstehen also in den Elementen 2, 3, 4 usw. Anh\u00e4ufungen von A-Material, deren Ausgiebigkeit bei wachsendem Abstande von Element 1 sich verringert. Wird nun Bahnelement 2 von dem Lichtspalt gereizt, so entsteht in demselben eine Erregung, die infolge der soeben eingetretenen Erh\u00f6hung seines Gehaltes an A-Material (abgek\u00fcrzt: A-Gehaltes) st\u00e4rker ist, als die Erregung von Element 1 war. Entsprechend sind auch die S-Induktionen, die von Element 2 auf die nachfolgenden Elemente ausge\u00fcbt werden und im Sinne einer Erh\u00f6hung ihrer A-Gehalte wirken, st\u00e4rker als die von Element 1 ausgegangenen S-Induktionen. Wirkt nun der Lichtspalt auf Element 3 ein, so wird in diesem gem\u00e4\u00df seinem reicheren A-Gehalt wiederum eine Erregung hervorgerufen, die intensiver ist und auch st\u00e4rkere S-Induktionen voransendet als die Erregung des\n1 Verbindet man mit der auf S. 604 ff. meiner Schrift \u00fcber die Farben empfindungen vertretenen Auffassung der schmalen Streifungen der Prim\u00e4rbilder und Nachbilder die obige Deutung der von Fr\u00f6hlich und Homuth beschriebenen sukzessiven Verk\u00fcrzungen der hellen Streifen, so ist man in der Lage, die von mir in \u00a7 19 jener Schrift mitgeteilten und unerkl\u00e4rt gelassenen, diese Streifungen betreffenden Tatsachen, soweit sie den Normalen betreffen, s\u00e4mtlich ohne Rest erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen.","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n171\nvorhergehenden Bahnelementes. Auf diese Weise mu\u00df infolge der vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-Induktionen bei dem Vorw\u00e4rtsgleiten des Lichtspaltes die Erregung von Bahnelement zu Bahnelement an-wachsen. Dieses Wachstum erf\u00e4hrt aber im Verlaufe der Weiterbewegung des Lichtspaltes eine Verlangsamung, die m\u00f6glicherweise, unter Umst\u00e4nden wenigstens, ann\u00e4hernd zu einer Beendigung desselben f\u00fchrt. Je weiter n\u00e4mlich der Lichtspalt vorr\u00fcckt, desto reichlicher ist nach Vorstehendem in dem Momente, wo die Lichtreizung auf ein neues Element E der physiologischen Bahn \u00fcbergeht, die durch die bisherigen vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-Induktionen in dem auf E unmittelbar folgenden Bahnelemente bereits bewirkte Anh\u00e4ufung von A-Material. Mit dieser Anh\u00e4ufung von A-Material ist aber eine durch das Gesetz der chemischen Massenwirkung bedingte Tendenz zu einem AS-Umsatze, d. h. zu einem teilweisen Ums\u00e4tze des A-Materiales in W- und S-Material, verbunden. Diese Tendenz wirkt der von dem erregten Bahnelemente E ausgehenden S-Induktion entgegen, und falls sie gleich stark sein sollte wie letztere, mu\u00df das Anwachsen der Erregung beim Vorr\u00fccken des Lichtspaltes beendet sein. Ein zweiter Faktor, der unter Umst\u00e4nden einem weiteren Anwachsen der vorr\u00fcckenden Erregung entgegenwirkt, sind die S-Induktionen, welche die von dem Lichtspalte soeben gereizt gewesenen, noch in Nacherregungen begriffenen Elemente der physiologischen Spaltbahn auf das soeben unter der Einwirkung des Lichtspaltes stehende Bahnelement aus\u00fcben. Je st\u00e4rker beim Vorr\u00fccken des Lichtspaltes die von diesem erweckte Erregung wird, desto intensiver wird auch die der erregenden Wirkung des Lichtspaltes entgegen wirkende S-Induktion die von den soeben gereizt gewesenen Bahnelementen ausgeht.\nWir kommen also zu folgendem Resultate: Ein mit konstanter Ges chwindigkeit b ewegt er Lichtstreif en erweckt infolge der vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-Induktionen eine Erregung, die in der ersten Zeit seines Dargebotenseins schnell ansteigt und in einem sp\u00e4teren Stadium gem\u00e4\u00df dem gesteigerten A-Gehalte der betroffenen Elemente der physiologischen Bahn eine sich weniger schnell \u00e4ndernde, relativ hohe Intensit\u00e4t und relativ lange Dauer besitzt.\nDas Vorstehende gibt nur an, wie sich der bewegte Lichtstreifen darstellen w\u00fcrde, wenn f\u00fcr sein Verhalten nur die vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-Indukationen ma\u00dfgebend w\u00e4ren. Neben den vor-\n13*","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nGeorg Elias M\u00fcller\nw\u00e4rtsl\u00e4nfigen gibt es aber auch noch r\u00fcckl\u00e4ufige S-Induktionen, indem ein erregtes mittleres Element einer physiologischen Bahn auch in der Richtung des Anfangselementes der Bahn S-Induktionen entsendet. Wir werden weiterhin sehen, wie beide Arten von S-Induktionen beim Zustandekommen der wirklichen Erscheinungsweise des bewegten Lichtstreifens Zusammenwirken.\nEs ist hier noch darauf hinzuweisen, da\u00df die von einem bewegten Lichtstreifen ausgehenden vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-Induktionen nicht blo\u00df dadurch hervortreten, da\u00df die von ihnen betroffenen Elemente der physiologischen Bahn gem\u00e4\u00df ihren erh\u00f6hten W-Bereit-schaften auf den sie treffenden Lichtstreifen in gesteigertem Ma\u00dfe reagieren, sondern auch dadurch, da\u00df in den jeweilig vor dem Lichtstreifen gelegenen Bahnelementen eine S-Induktion direkt nachweisbar ist. Fb\u00f6hlich (I, S. 209) stellte Versuche an, bei denen auf einer rotierenden schwarzen Kreiselscheibe ein schmaler wei\u00dfer Streifen von bestimmter Form und Gr\u00f6\u00dfe einerseits ganz allein und andererseits so dargeboten wurde, da\u00df ihm mit kurzem Intervalle ein Streifen gleicher Art folgte. Es zeigte sich die prim\u00e4re Empfindung des allein dargebotenen Streifens mehr verbreitert als diejenige des vorangehenden Streifens des Streifenpaares. Schon Fb\u00f6hlich selbst bemerkt, man k\u00f6nne in dieser Beobachtung einen Hinweis auf eine Wirkung erblicken, welche der zweite Streifen des Paares auf die Dauer der Empfindung des ersten Streifens aus\u00fcbe. In der Tat m\u00fcssen bei nicht zu gro\u00dfem Intervalle zwischen beiden Streifen die dem zweiten Streifen vorauslaufenden S-Induktionen im Sinne einer Verk\u00fcrzung der Dauer der von dem ersten Streifen hervorgerufenen W-Erregung wirken. Fb\u00f6hlich (I, S. 26) vermi\u00dft in seiner Erwiderung an Wibth einen Nachweis daf\u00fcr, da\u00df bei Versuchen mit bewegten Lichtstreifen der Simultankontrast eine Rolle spiele. Er selbst hat durch obigen Versuch einen Nachweis hierf\u00fcr erbracht. Der Versuch zeigt zugleich (im Gegens\u00e4tze zu der auf unzul\u00e4nglichen Versuchen beruhenden Angabe von Fb\u00f6hlich), wie kurz das Latenzstadium der Kontrastwirkung ist. Man kann, wie mir scheint, durch geeignete Modifikationen dieses Versuches sogar einen Grenzwert der Zeitdauer bestimmen, unter dem jenes Latenzstadium sicher liegt.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n173\n\u00a7 2. Der Satz von der psychischen Latenz\nAls den Satz von der psychischen Latenz bezeichne ich den Satz, da\u00df die fl\u00fcchtigen Anfangsstadien eines sensorischen Erregnngskomplexes gegen\u00fcber einem nachfolgenden relativ andauernden Erregungszust\u00e4nde f\u00fcr unsere bewu\u00dfte Konstatierung nicht zur Geltung kommen.1 Das n\u00e4chstliegende Beispiel f\u00fcr die G\u00fcltigkeit dieses Satzes ist die Tatsache, da\u00df z. B. eine im Dunklen hervorgerufene W-Erregung nicht mit den verschiedenen Stadien ihres Anklingens f\u00fcr unsere bewu\u00dfte Konstatierung sich geltend macht, sondern nur mit den Erregungswerten, die in dem sp\u00e4teren Stadium eines nur langsamen Wiederabfalles der Erregung (dem \u201eHauptstadium\u201c) vorhanden sind. Ich habe schon fr\u00fcher auf die Feststellung von Fl\u00fcgel und McDougall hingewiesen, da\u00df ein und dasselbe Licht heller erscheint, wenn seine Einwirkungszeit der Maximalzeit gleich ist, als dann, wenn sie l\u00e4nger als diese ist, obwohl dieselbe Erregungsh\u00f6he, die im ersteren Falle erreicht wird, nat\u00fcrlich auch im zweiten Falle durchlaufen wird. Im zweiten Falle ist eben das nach dem nur ganz fl\u00fcchtig aufgetretenen Erregungsmaximum vorhandene Stadium geringerer, aber mehr konstanter Erregungsh\u00f6he f\u00fcr die aufgefa\u00dfte Helligkeit ma\u00dfgebend. Hierher geh\u00f6rt auch die von Ebbecke festgestellte Tatsache, da\u00df eine intensivfarbige und lichtstarke gelbrote Fl\u00e4che, nur w\u00e4hrend einer Zeit von 0,02 bis 0,01 Sek. dem ausgeruhten Auge dargeboten, gr\u00fcn erscheint (Farbenempfindungen, S. 424). In diesem Falle wirkt das rote Licht nur sehr kurze Zeit im Sinne der Erweckung von Roterregung. Und da nun einem so kurzdauernden Reize\n1 Der Satz ist mit Vorbedacht in dieser etwas zur\u00fcckhaltenden Weise formuliert. Ich habe fr\u00fcher (Farbenempfindungen, S. 425) diesen Satz in Anschlu\u00df an die Terminologie Ebbeckes als den Satz von der L\u00f6schwirknng bezeichnet. Doch ist der Ausdruck \u201eL\u00f6schwirknng\u201c nicht recht befriedigend, zumal bereits der Ausdruck \u201eL\u00f6schreiz\u201c in einer etwas abweichenden Bedeutung in Gebrauch ist. Der Ausdruck \u201epsychische Latenz\u201c kn\u00fcpft an die von mir fr\u00fcher (Abri\u00df der Psychologie, G\u00f6ttingen 1924, S. 57) gemachte Unterscheidung manifester und latenter Vorstellungen an, wobei unter manifesten Vorstellungen solche verstanden werden, die sich durch die Selbstbeobachtung konstatieren lassen, unter latenten Vorstellungen dagegen solche, bei denen eine solche Konstatierung unm\u00f6glich ist, sei es wegen ihres zu rudiment\u00e4ren und fl\u00fcchtigen Charakters, sei es deshalb, weil ihnen \u00fcberhaupt nur gewisse, im Bewu\u00dftsein sich nicht widerspiegelnde, physiologische Prozesse entsprechen.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nGeorg Elias M\u00fcller\nnur eine Tendenz zn einem sehr schnell abklingenden positiven Nachbilde zugeh\u00f6rt, so tritt ganz kurze Frist nach Reizbeginn die reaktive Gr\u00fcnerregung ein, die ungehemmt w\u00e4hrend eines merkbaren Zeitraumes bestehen bleibt. \u00c4hnlich steht es bei Bidwells pulsatorischen Nachbildern (Farbenempfindungen, S. 384 f.). Bei den Versuchen \u00fcber diese Nachbilder war eine Rotationsscheibe in einer Ausdehnung von 145\u00b0 mit schwarzem Sammet und in gleicher Ausdehnung mit wei\u00dfem Papier belegt. Auf der einen Seite stie\u00dfen der schwarze und der wei\u00dfe Sektor unmittelbar aneinander, auf der anderen Seite waren sie durch einen offnen Sektor von 70\u00b0 voneinander getrennt. Durch diesen wurde bei der Rotation der Scheibe das hinter derselben befindliche farbige Objekt, dessen Nachbild beobachtet werden sollte, f\u00fcr sehr kurze Zeit (Veo bis 1j30 Sek.) sichtbar. Wurde nun die Scheibe mit 5 bis 6 Rotationen in der Sekunde in der Richtung gedreht, bei welcher der schwarze Sektor dem offenen Sektor und dieser dem wei\u00dfen Sektor vorherging, so zeigte sich ein Nachbild des durch den offenen Sektor sichtbar gemachten farbigen Objektes, das Bid well als das pulsatorische Nachbild bezeichnet. Dagegen entzog sich die Farbe des Objektes, dem das pulsatorische Nachbild entstammte, v\u00f6llig der Konstatierung. Bei diesen Versuchen war wegen der K\u00fcrze der Einwirkungszeit des farbigen Reizes in dem Momente, wo die Einwirkung des wei\u00dfen Lichtes begann, die von jenem Reize hervorgerufene Erregung noch nicht aus dem Stadium des Anklingens herausgekommen, und ein Stadium relativ langsamer Erregungs\u00e4nderung trat erst w\u00e4hrend des Vor\u00fcberganges des schwarzen Sektors ein. Das Bisherige l\u00e4\u00dft sich kurz in folgender Weise zusammenfassen: Eine fl\u00fcchtige und unst\u00e4te sensorische Erregung, die selbst sich der bewu\u00dften Konstatierung ganz entzieht, kann physiologische Zust\u00e4nde zur Folge haben, die gem\u00e4\u00df ihrer gr\u00f6\u00dferen Stabilit\u00e4t und Dauer sich f\u00fcr das Bewru\u00dftsein deutlich geltend machen.\n\u00a7 3. Das Zustandekommen des Pihl-Fr\u00f6hlichschen Ph\u00e4nomens durch die vorw\u00e4rts- und die r\u00fcckw\u00e4rtsl\u00e4ufigen gegenfarbigen Induktionen\nI. Erkl\u00e4 rung des Ph\u00e4nomens. Wir gehen nun zur Erkl\u00e4rung der die Erscheinung des bewegten Lichtstreifens betreffen-","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n175\nden Einzelheiten \u00fcber. Da ist zun\u00e4chst folgende Feststellung Fb\u00f6hlichs zu besprechen: Dem Einr\u00fccken des objektiven Lichtspaltes in die Spaltbahn entspricht nicht ein allm\u00e4hliches Einr\u00fccken des subjektiven Lichtstreifens in dieselbe, sondern dieser tritt pl\u00f6tzlich an einer Stelle der Spaltbahn auf, die um eine bestimmte Strecke vom Beginne der Spaltbahn entfernt ist.\nWir bezeichnen die Strecke, um welche beim Auftauchen des Lichtstreifens das hintere Ende desselben, das dem Anf\u00e4nge der Spaltbahn zugewandt ist, von diesem entfernt ist, kurz als die Latenzstrecke. Und die Zeit, die von dem Moment des Einr\u00fcckens des objektiven Lichtspaltes in die Spaltbahn bis zum Auftauchen des Lichtstreifens jenseits des Endes der Latenzstrecke verflie\u00dft, soll kurz das Latenzstadium oder die Latenzzeit des Lichtstreifens hei\u00dfen.\nDie Tatsache, da\u00df der Lichtspalt erst in einem gewissen Abstande von dem Beginn der Spaltbahn auftaucht, erkl\u00e4rt sich nun folgenderma\u00dfen. Infolge der betr\u00e4chtlichen Geschwindigkeit der Spaltbewegung kommt die vom Spalte bewirkte Erregung in den Anfangsteilen der physiologischen Spaltbahn nicht \u00fcber ein fl\u00fcchtiges Anklingen hinaus, aber infolge der vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-In-duktionen wachst sie von Bahnelement zu Bahnelement und erlangt schlie\u00dflich gem\u00e4\u00df den stark gesteigerten A-Gehalten der erreichten Bahnelemente eine relativ recht erhebliche Intensit\u00e4t und Dauer. Die Erregungen dieser Bahnelemente wirken durch r\u00fcckl\u00e4ufige S-Induktionen auf die Erregungen der vorhergehenden Bahnelemente zur\u00fcck, indem sie dieselben schw\u00e4chen oder aufheben oder gar in schwache S-Erregungen umwandeln. Und so entziehen sich dem Satze von der psychischen Latenz gem\u00e4\u00df die unsteten und fl\u00fcchtigen Erregungen der ersten Bahnelemente gegen\u00fcber den dauerhafteren und st\u00e4rkeren Erregungen der sp\u00e4teren Bahnelemente unserer bewu\u00dften Konstatierung.\nMan kann es merkw\u00fcrdig finden, da\u00df die Erregungen der zuerst vom Lichtspalte getroffenen Bahnelemente uns nicht selbst, sondern nur durch die Wirkungen der von ihnen ausgehenden S-Induktionen merkbar werden sollen. Dieses Verhalten ist aber nicht merkw\u00fcrdiger als die fr\u00fcher erw\u00e4hnten F\u00e4lle, wo infolge der G\u00fcltigkeit des Satzes von der psychischen Latenz eine Sehnervenerregung nicht durch die ihr entsprechende prim\u00e4re Empfindung, sondern nur durch ihr negatives Nachbild merkbar\nwird.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nGeorg Elias M\u00fcller\nWie schon oben angedeutet, ist anzunehmen, da\u00df diejenigen Elemente der physiologischen Bahn, deren Erregungen sich wegen ihrer durch die r\u00fcckl\u00e4ufigen S-Induktionen der sp\u00e4teren Bahnelemente gesteigerten Fl\u00fcchtigkeit und Unst\u00e4tigkeit f\u00fcr unsere bewu\u00dfte Konstatierung nicht geltend machen, sich nicht in einen Teil der Bahn erstrecken, in dem die Erregungsst\u00e4rke nur wenig anw\u00e4chst oder ann\u00e4hernd konstant ist. Die von den Erregungen sp\u00e4terer Bahnelemente ausgehenden r\u00fcckl\u00e4ufigen S-Induktionen k\u00f6nnen die Erregungen fr\u00fcherer Bahnelemente nur dann unmerkbar machen, wenn sie erheblich st\u00e4rker sind als diese.\nBedingung f\u00fcr das Bestehen eines Latenzstadiums des Lichtstreifens ist ein schnelles Anwachsen der Erregung beim Vor r\u00fccken des Lichtspaltes, das dadurch bedingt ist, da\u00df in der physiologischen Bahn der A-Gehalt von Bahnelement zu Bahnelement zunimmt. Diese Zunahme des A-Gehaltes h\u00e4ngt, wie aus dem Fr\u00fcheren (S. 170) ersichtlich, von der Helligkeit des Lichtspaltes ab. Ist dieselbe nur gering, so steigt die Erregung nicht zu einer H\u00f6he an, bei welcher sie imstande ist, durch ihre r\u00fcckl\u00e4ufigen S-Induktionen die Erregungen der vorhergehenden Bahnelemente f\u00fcr uns unmerkbar zu machen. So erkl\u00e4rt sich die von Fr\u00f6hlich (I, S. 29) erw\u00e4hnte Tatsache, da\u00df bei schwachem Lichtreize und dunkeladaptiertem Auge das Latenzstadium des Lichtstreifens sich vermissen l\u00e4\u00dft und der Lichtstreifen die ganze Strecke zwischen seinem vorderen Rand und dem Beginn der Spaltbahn ausf\u00fcllt.\nDa der erregende Einflu\u00df des Lichtspaltes auf ein Element der physiologischen Bahn ebenso wie durch eine Herabsetzung seiner Lichtst\u00e4rke auch durch eine Erh\u00f6hung der Spaltgeschwindigkeit verringert wird, so versteht sich von selbst, da\u00df dem von Fr\u00f6hlich (I, S. 29) Bemerkten gem\u00e4\u00df auch durch hohe Steigerung der Spaltgeschwindigkeit ein Fehlen der Latenzstrecke erzielt werden kann.\nII. Einschlagende Versuche von Rubin. Dieser Forscher (I, S. 104) stellte folgende Versuche an. Von zwei ganz gleich beschaffenen Lichtspalten, deren Geschwindigkeiten gleichfalls die gleichen waren, bewegte sich der eine durch eine Spaltbahn, deren L\u00e4nge nur 3 mm betrug, der andere dagegen durch eine ca. 70 mm lange Spaltbahn. Der erstere Lichtspalt tauchte am richtigen Orte auf und vollf\u00fchrte eine kleine Bewegung. Im zweiten Falle beobachtete man einen langdauernden Lichtstreifen,","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n177\nder erst in einiger Entfernung vom Anf\u00e4nge der Spaltbahn einsetzte. Dieser Versuch ergibt, ebenso wie ein \u00e4hnlicher, von Fr\u00f6hlich (Z. Sinnesphysiol54, S. 70) ausgef\u00fchrter Versuch, ganz unmittelbar, da\u00df das bei der gew\u00f6hnlichen Versuchsweise z\u00f9 konstatierende Nichterscheinen des Lichtspaltes am Anf\u00e4nge der Spaltbahn durch einen r\u00fcckwirkenden Einflu\u00df, eben die r\u00fcckl\u00e4ufigen S-Induktionen der sp\u00e4teren, st\u00e4rker erregten Bahnelemente bedingt ist.\nFerner stellte Rubin (I, S. 109) Versuche mit folgender Versuchsanordnung an. Der Anfang der Spaltbahn wurde in einer L\u00e4nge von 3 mm mit roter Gelatine, der \u00fcbrige Teil derselben mit gr\u00fcner Gelatine bedeckt. \u201eWenn der von hinten beleuchtete Spalt ganz langsam bewegt wurde, sah man eine Linie sich bewegen, die ganz kurze Zeit rot war und dann gr\u00fcn wurde.\u201c\nNur von einer der drei Vpn. (Vp. S.) liegt eine vollst\u00e4ndige Beschreibung dessen vor, was sie erlebte, wenn der Spalt mit einer der \u00fcblichen h\u00f6heren Geschwindigkeiten bew'egt wurde. Diese Vp. erblickte bei der Spaltbewegung \u201emeistens etwas stillstehendes rotes am \u201erichtigen Platz\u201c. Dann kam eine breite wei\u00dfe, sehr wenig helle Linie, deren Helligkeit ziemlich viel zunahm und sich rasch nach rechts bewegte, zuletzt kam eine noch hellere gr\u00fcne Linie, ca. 1,5\u20142,0 cm vom Beginn der Spaltbahn entfernt. Das hier Beschriebene war ein abgeschlossenes Ganzes\u201c.\nDieser Bericht enth\u00e4lt in mehrfacher Hinsicht eine Best\u00e4tigung unserer obigen Auffassung dieses Erscheinungskreises.\nDa\u00df die Anfangsstrecke der Spaltbahn nicht eine Latenzstrecke war, sondern in ihrer richtigen Farbe erschien, erkl\u00e4rt sich daraus, da\u00df die Eindr\u00fccke der nachfolgenden Bahnstrecke nicht rot, sondern w^ei\u00df bzw. gr\u00fcn waren, so da\u00df die von ihnen ausgehenden r\u00fcckl\u00e4ufigen gegenfarbigen Induktionen nicht im Sinne einer Aufhebung, sondern eher im Sinne einer Verst\u00e4rkung des Rot der Anfangsstrecke wirkten.\nDie auf die rote Anfangsstrecke folgende wei\u00dfe Linie ist eine Folge der vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen G-Induktionen, die von der roten Anfangsstrecke ausgehen Diese G-Induktionen haben in den Elementen der physiologischen Bahn, die den vom roten Lichte erregten Elementen folgen, Anh\u00e4ufungen von R-Material zur Folge, mit denen eine Tendenz zur R-Erregung verbunden ist, welche der farbigen Valenz des diese Elemente treffenden gr\u00fcnen Lichtes entgegenwirkt, so da\u00df dieses zun\u00e4chst eine nicht merkbar gef\u00e4rbte","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nGeorg Elias M\u00fcller\nEmpfindung zur Folge hat. In gr\u00f6\u00dferer Entfernung von der roten Anfangsstrecke gewinnt nat\u00fcrlich die farbige Valenz des gr\u00fcnen Lichtes erheblich die Oberhand, so da\u00df die Empfindung deutlich gr\u00fcnlich wird. Da\u00df die Helligkeit der Linie bei ihrer Bewegung nach rechts sich deutlich erh\u00f6hte, ist eine Best\u00e4tigung unseres Satzes, da\u00df die von einem bewegten Lichtstreifen bewirkte Erregung infolge der vorw^\u00e4rtsl\u00e4ufigen gegenfarbigen Induktionen sich zun\u00e4chst steigern mu\u00df.\nAuf die Angaben der beiden anderen Vpn. kommen wir\nweiterhin (S. 182) n\u00e4her zu sprechen.\nIII. Die Auffassung von Fr\u00f6hlich. Dieser Forscher erkl\u00e4rt das Bestehen einer Latenzstrecke durch Bezugnahme auf das unregelm\u00e4\u00dfig im Auge zerstreute Licht. \u201eEs werden in dem Momente, in welchem der Spalt hinter dem Schirmrand hervortritt, ausgedehnte Netzhautpartien, darunter auch diejenigen, an welchen sp\u00e4ter der vordere Rand des Lichtstreifens auf tritt, wenn auch schw\u00e4cher gereizt. Je weiter der Spalt in der Spaltbahn vorr\u00fcckt, um so mehr werden die Stellen, an welchen nach Ablauf der Empfindungszeit der vordere Rand des Lichtstreifens auf tritt, gereizt und um so schneller wird der Empfindungsvorgang eintreten. So kann es kommen, da\u00df nach Vor\u00fcbergehen der Empfindungszeit die Empfindung an einer Stelle anzuklingen beginnt, an welcher der bewegte Spalt eben angekommen ist. Die Stellen am Beginn der Spaltbahn sind zw^ar anf\u00e4nglich von starken Reizen getroffen worden, aber in dem Ma\u00dfe, in welchem sich der Spalt vom Beginn der Spaltbahn entfernt, nimmt am Beginn der Spaltbahn die St\u00e4rke der Reizung wieder ab, au\u00dferdem mu\u00df der Reizerfolg am Beginn der Spaltbahn durch die vorausgehende st\u00e4rkere Reizung vermindert sein. Durch die abnehmende Reizwirkung am Beginn der Spaltbahn und die zunehmende Reizwirkung an jener Stelle, wo nach Ablauf der Empfindungszeit der vordere Rand des Lichtstreifens auftaucht, kann bewirkt werden, da\u00df an beiden und auch an den zwischen ihnen liegenden Stellen die Empfindung gleichzeitig, aber mit verschiedener St\u00e4rke auftritt.\u201c Das unter geeigneten Versuchsbedingungen am Beginn der Spaltbahn beobachtete dunkle Intervall f\u00fchrt Fr\u00f6hlich (ebenso wie wir) auf r\u00fcckl\u00e4ufige Kontrastwirkungen zur\u00fcck.1\n1 Es ist einigerma\u00dfen schwierig, das Bestehen der Latenzstrecke durch r\u00fcckl\u00e4ufige Kontrastwirkungen des auftauchenden Lichtstreifens zu erkl\u00e4ren,","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen 179\nNach diesen Ausf\u00fchrungen kann der Abstand vom Beginn der Spaltbahn, in welchem der vordere Rand des Lichtstreifens auftritt, in keinem Falle gr\u00f6\u00dfer sein als die L\u00e4nge desjenigen Teiles der Spaltbahn, der beim Eintritt des Lichtspaltes in die Spaltbahn von dem Lichte desselben \u00fcberstrahlt wird. Wenn wir aber von Fr\u00f6hlich (S. 167) erfahren, da\u00df die Verschiebung unter gewissen Versuchsbedingungen 38,2 mm betrug, so kann mit Recht bezweifelt werden, da\u00df das \u00dcberstrahlungsgebiet des in die Spaltbahn eintretenden Lichtspaltes sich \u00fcber eine Strecke von nicht weniger als 38,2 mm ausgedehnt habe. Ferner mu\u00df gleichfalls bezweifelt werden, da\u00df die Erregung des der Auftauchstelle des\nLichtstreifens entsprechenden Teiles der physiologischen Bahn\n\u2022 \u2022\ndurch die Uberstrahlung, welche von dem Lichtspalte bis zur Einwirkung seines Netzhautbildes auf diesen Bahnteil ausging, in dem Ma\u00dfe habe gef\u00f6rdert werden k\u00f6nnen, da\u00df sie durch ihre r\u00fcckl\u00e4ufigen Kontrastwirkungen die Erregungen der vorausgehenden Bahnelemente unmerkbar machte. Obwohl Fr\u00f6hlich, wie ge-\n7\to\nsehen, die von einem bewegten Lichtstreifen ausgehenden r\u00fcckl\u00e4ufigen S-Induktionen ber\u00fccksichtigt, hat er doch ganz \u00fcbersehen, da\u00df der Lichtstreifen selbstverst\u00e4ndlich auch in vorw\u00e4rtsl\u00e4ufiger Richtung S-Induktionen entsendet, welche die Erregbarkeitsverh\u00e4ltnisse der von ihm zu erregenden Teile der physiologischen Bahn in einer von der Lichtst\u00e4rke, der Spaltgeschwindigkeit, dem Adaptationszustande und anderen Faktoren ganz wesentlich abh\u00e4ngigen Weise beeinflussen m\u00fcssen, und welche tats\u00e4chlich die von Fr\u00f6hlich herangezogene Wirksamkeit der Licht Zerstreuung \u00fcberkompensieren.\n\u00a74. Das Zustandekommen des Pihl-Fr\u00f6hlichschen Ph\u00e4nomens durch den hemmenden und verschieb enden Einflu\u00df der Kontur\nDurch die in Schumanns Institut ausgef\u00fchrten Untersuchungen von Wenzel und Volk ist die G\u00fcltigkeit des Satzes erwiesen worden, da\u00df eine gegebene Kontur die Entstehung einer neuen Kontur, die optische Konsolidierung eines neuen Sehdinges in\nwenn man die von Fr\u00f6hlich (I, S. 104 f.) auf Grund unzul\u00e4nglicher Versuche gemachte Annahme teilt, \u201eda\u00df die Entwicklungszeit des Kontrastes gr\u00f6\u00dfer ist als die Empfindungszeit f\u00fcr den Lichtreiz\u201c.","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nGeorg Elias M\u00fcller\nihrer unmittelbaren N\u00e4he erschwert. Die G\u00fcltigkeit dieses Satzes tritt z. B. in dem Falle, da\u00df bei fixiertem Blicke eine hinter einem Schirm mit h\u00f6herer Geschwindigkeit hervorkommende Figur dargeboten wird, darin hervor, da\u00df man von dem hervortretenden Figurenteile unmittelbar am Rande des Schirmes gew\u00f6hnlich gar nichts oder nur ein verschwommenes, lediglich hinsichtlich seiner Richtung erkennbares Bewegungsph\u00e4nomen wahrnimmt. Es ist eben die Konsolidierung der Kontur des hervortretenden Figurenteiles in unmittelbarer N\u00e4he des Schirmrandes erschwert. Wurde die Exposition abgebrochen, nachdem nur ein kleiner Teil der Figur den Schirmrand passiert hatte, so war infolge jener hemmenden Wirkung des Schirmrandes von der Figur \u00fcberhaupt nichts zu sehen. War der jenseits des Schirmrandes aufgetretene Figurenteil infolge Verl\u00e4ngerung der Expositionszeit ein etwas gr\u00f6\u00dferer, so sah man das erw\u00e4hnte verschwommene BewTegungsph\u00e4nomen, und erst bei noch mehr verl\u00e4ngerter Expositionszeit trat in einiger Entfernung vom Schirmrande die vordere Kontur der bewegten Figur deutlich hervor. Je gr\u00f6\u00dfer die Geschwindigkeit der Figur war, in desto gr\u00f6\u00dferer Entfernung vom Rande vollzog sich die Konsolidierung ihrer Kontur. Die Konsolidierung eines Figurenteiles ist also um so unwahrscheinlicher, je k\u00fcrzere Zeit derselbe auf die betroffenen Netzhautstellen ein wirkt, und je n\u00e4her zu einer bereits gegebenen Kontur er auftaucht.\nEs erhebt sich nat\u00fcrlich die Frage, ob das von Fr\u00f6hlich festgestellte Ph\u00e4nomen nicht in die Reihe der soeben erw\u00e4hnten Erscheinungen geh\u00f6re und einfach durch den hemmenden Einflu\u00df bedingt sei, den der Schirmrand, hinter dem der Lichtspalt hervortritt, auf die Konsolidierung der Erscheinung des Lichtspaltes aus\u00fcbe. Diese Frage ist mit Bestimmtheit zu verneinen, weil die Vpn. Fr\u00f6hlichs in v\u00f6lligem Dunkel beobachteten, also von einem deutlich wahrgenommenen Schirmrande, welcher als gegebene Kontur die Entwicklung des Bildes des neben ihm auftretenden Lichtspaltes h\u00e4tte hemmen k\u00f6nnen, gar nicht die Rede sein kann. Ferner zeigen die oben (S. 176 f.) erw\u00e4hnten Versuche von Rubin und Fr\u00f6hlich ja ganz deutlich, da\u00df unter den von Fr\u00f6hlich benutzten Versuchsbedingungen das FR\u00d6HLiCHsche Ph\u00e4nomen nicht auf einer Wirkung des Schirmrandes, sondern auf einem r\u00fcckwirkenden Einfl\u00fcsse der sp\u00e4ter und st\u00e4rker erregten Elemente der physiologischen Bahn beruht. Auch w\u00fcrde die Tatsache, da\u00df eine Latenzstrecke sich gerade bei Lichtschw\u00e4che des Spaltes und gro\u00dfer","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n181\nSpaltgeschwindigkeit vermissen l\u00e4\u00dft, sich von dem hier angedeuteten Standpunkte aus nicht erkl\u00e4ren lassen.\nIm Jahre 1894 hat der norwegische Ingenieur 0. Pihl darauf\n\u25a0 *\naufmerksam gemacht, da\u00df ein Stern, der die von der \u00d6ffnung eines Diaphragmas freigelassene Strecke im Gesichtsfelde eines Fernrohres zu durchlaufen hat, nicht am Rande des Diaphragmas in Erscheinung tritt, sondern gewisserma\u00dfen eine Strecke weit in die Bahn hineinspringt, um dann am anderen Ende des Diaphragmas zu verschwinden. Man hat gemeint, da\u00df dieses Verhalten in derselben Weise verursacht sei wTie das FE\u00d6HLiCHsche Ph\u00e4nomen und demgem\u00e4\u00df von einem PiHL-FE\u00d6HLiCHschen Ph\u00e4nomen gesprochen. Dieser Auffassung gegen\u00fcber erhebt sich aber die Frage, ob diese Beobachtung von Pihl nicht einfach auf die von Wenzel und Volk festgestellte hemmende Wirkung einer gegebenen Kontur (n\u00e4mlich der Kontur des Diaphragmas) zur\u00fcckzuf\u00fchren sei. Wenzel (S. 208) betont ausdr\u00fccklich, da\u00df das durch den Einflu\u00df der Kontur bedingte Hervorschie\u00dfen aus dem vom Schirme bedeckten Raume besonders deutlich sei, wTenn eine kleine punktf\u00f6rmige Figur benutzt wird.\nFe\u00f6hlich (I, S. 29) teilt gelegentlich folgende Beobachtung mit. \u201eWenn man nachts in einem fahrenden Eisenbahnzug sitzt und an H\u00e4usern mit hellerleuchteten Fenstern vor\u00fcberf\u00e4hrt, so kann man ohne Schwierigkeit beobachten, da\u00df die beleuchteten Fenster nicht am Rande des Waggonfensters auf tauchen, sondern mit einer betr\u00e4chtlichen Verschiebung, die unter Umst\u00e4nden die ganze Breite des Waggonfensters ausf\u00fcllen kann.\u201c Hinsichtlich dieser Beobachtung von Fe\u00f6hlich erhebt sich dieselbe Frage wrie hinsichtlich des von Pihl beobachteten Ph\u00e4nomens.\nKeonenbeeoee1 hat die Versuche, die Fe\u00f6hlich behufs Bestimmung der Empfindungszeit mit einem im Dunklen sich bewegenden hellen Spalt ausf\u00fchrte, in der Weise wiederholt, da\u00df er einen sich im hellen Gesichtsfelde bewegenden dunklen Spalt beobachtete. Auch bei diesen Versuchen \u00fcber deren Ausf\u00fchrungsweise wir leider nichts N\u00e4heres erfahren, ergab sich das Bestehen einer Latenzstrecke. Es ist unm\u00f6glich, auf diesen Befund die auf das Bestehen der vorw\u00e4rts- und r\u00fcckw\u00e4rtsl\u00e4ufigen gegenfarbigen Induktionen gegr\u00fcndete Erkl\u00e4rung anzuwenden, die wir oben f\u00fcr das FE\u00d6HLiCHsche Ph\u00e4nomen gegeben haben. Noch weniger\n1 P. Kronenberger, Pfl\u00fcgers Arch. 210, S. 379 (1925).","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nGeorg Elias M\u00fcller\nkommt hier die von Fr\u00f6hlich selbst f\u00fcr dieses Ph\u00e4nomen gegebene Erkl\u00e4rung in Betracht. Es d\u00fcrfte also die hemmende Wirkung einer gegebenen Kontur im Spiele gewesen sein.\nWir kommen hier wieder auf die oben (S. 177) erw\u00e4hnten Versuche von Rubin zu sprechen, bei denen der Anfang der Spaltbahn in einer L\u00e4nge von 3 mm mit roter, der \u00fcbrige Teil derselben mit gr\u00fcner Gelatine bedeckt war. Wir sahen, da\u00df die Aussagen der einen Vp. sehr gut zu unserer Erkl\u00e4rung des Fr\u00f6h-uiCHschen Ph\u00e4nomens stimmten. Dagegen waren die Aussagen der beiden anderen Vpn. (H. und R.) wesentlich anders geartet. Sie machten bei einer gewissen Kombination der Umst\u00e4nde Angaben, nach denen sie eine Linie erlebten, die ca. 2 cm rechts vom Beginn der Spaltbahn auftauchte und im Augenblicke ihres Auftauchens links rot und rechts gr\u00fcn war. \u201eSp\u00e4ter ist es nicht gelungen, diese Kombination von Umst\u00e4nden, die eine so gro\u00dfe \u201eVerschiebung\u201c ergab, wiederzufinden. Es war ziemlich leicht zu erreichen, da\u00df die rot-gr\u00fcne Linie 1 cm rechts vom Beginne der Spaltbahn auftauchte. Unter gewissen Umst\u00e4nden ist, ohne Spur von rot, eine gr\u00fcne Linie ziemlich weit rechts (ca. 3 cm) vom Beginne der Spaltbahn aufgetaucht. Mitunter war es eine wei\u00dfliche Linie, die auftauchte ; sie war dann noch weiter nach rechts gelegen.\u201c\nDa diese Versuche nicht wie diejenigen von Fr\u00f6hlich in v\u00f6lligem Dunkel stattfanden, so da\u00df der Schirmrand, hinter dem der Lichtspalt hervorkam, f\u00fcr die Vp. sichtbar war, so liegt es nahe, zu sagen, da\u00df wir es hier einfach wieder mit einem Falle zu tun h\u00e4tten, wo gem\u00e4\u00df dem oben angef\u00fchrten Satze ein Schirmrand die Bildung eines neuen Sehdinges in seiner unmittelbaren N\u00e4he verhindert. Allein durch Bezugnahme auf diesen Satz w\u00fcrde sich nur erkl\u00e4ren lassen, da\u00df der rote Anfangsteil der Spaltbahn und die links rote und rechts gr\u00fcne Grenzlinie \u00fcberhaupt nicht oder nur als ein undeutliches Bewegungsph\u00e4nomen sichtbar war, dagegen l\u00e4\u00dft sich aus diesem Satze nicht ableiten, da\u00df jene Grenzlinie statt in ihrer wirklichen Entfernung von 3 mm, in einer Entfernung von 1 oder gar 2 cm vom Schirmrande auf tauchte. Es scheint, da\u00df man einer gegebenen Kontur neben einer hemmenden Wirkung auch noch eine verschiebende oder absto\u00dfende Wirkung in Beziehung auf das Bild eines in ihrer unmittelbaren N\u00e4he auftauchenden Objektes zuzuschreiben habe. Und in der Tat fehlt es keineswegs an Erscheinungen, welche zu","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n183\ndieser letzteren Annahme n\u00f6tigen. Sie sind von folgender Art. Wird ein Karton, dessen Rand scharf geradlinig ist und den Fixationspunkt tr\u00e4gt, so \u00fcber ein Papier, auf dem ein Umri\u00dfkreis gezeichnet ist, bewegt, da\u00df der Fixationspunkt sich auf der imagin\u00e4ren Verl\u00e4ngerung des horizontalen Durchmessers des Kreises an diesen heranschiebt, so flacht sich die dem Karton zugewandte Seite des Kreises bei der Ann\u00e4herung desselben stark ab, was \u201emit sichtbarer Konturbewegung\u201c geschieht. Auch wenn man einen auf ein Pauspapier gezeichneten Punkt in der angegebenen Weise gegen den Kreis bewegt, \u201ebeobachtet man eine deutliche Abflachung des Kreises, wenn der Fixationspunkt in die N\u00e4he desselben kommt. Er wird sogar etwas eingeknickt, bevor der Fixationspunkt den Kreis ber\u00fchrt hat. \u201c Dieselben Erscheinungen der Abflachung oder Einknickung zeigen sich, wenn nicht der Karton oder der gezeichnete Punkt gegen den Kreis, sondern dieser gegen jenen bewegt wird (Wenzel, S. 296ff). Unter gewissen Versuchsbedingungen kam es aber auch vor, da\u00df bei der Ann\u00e4herung des Kreises an den auf dem Kartonrande angebrachten Fixationspunkt die Gestalt des Kreises unver\u00e4ndert blieb, dagegen der Fixationspunkt vor dem sich n\u00e4hernden Kreise zur\u00fcckwich (Volk, S. 70).\nN\u00e4hert sich eine gerade Linie, deren Richtung gegen den geradlinigen Rand eines Kartons, unter dem sie verschwunden soll, um 45\u00b0 geneigt ist, unter Beibehaltung dieser schr\u00e4gen Richtung dem Karton, so zeigt sie bei Beobachtung mit starrem Blicke eine Form\u00e4nderung, die darin besteht, da\u00df ihr vorderes Ende sich von dem Rande des Kartons wegbiegt. Die rechte der nachstehenden Abbildungen stellt die Stellung dar, welche die Linie in einem bestimmten Momente dieses Stadiums wirklich besa\u00df, w\u00e4hrend die linke Abbildung zeigt, wie die Linie in demselben Momente wTahrgenommen wurde. \u201eErst wenn das Wahr-\nnehmungsbild des oberen Endes in unmittelbare N\u00e4he des Randes gekommen war (das obere Ende war dann objektiv schon unter dem Rand verschwunden) wurde die Biegung durch das . . . Heran-","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nGeorg Elias M\u00fcller\nschnellen des Sehdinges an den Rand ausgeglichen\u201c (Volk, S. 79). Es ist klar, da\u00df die vordere Umbiegung der Linie durch eine absto\u00dfende Wirkung des Kartonrandes bedingt ist.\nWenzel und Volk reden bei Formulierung ihrer Hauptresultate nur von einer die Bildung einer benachbarten neuen Kontur erschwerenden Wirksamkeit einer gegebenen Kontur, nicht auch von einer absto\u00dfenden Wirksamkeit. Wird aber z. B. ein Schirmrand einer ruhenden Figur, etwa einem ruhenden Kreise, gen\u00e4hert, so k\u00f6nnten durch eine die Konturbildung erschwerende Wirksamkeit des Schirmrandes nur die Zeiten beeinflu\u00dft werden, welche die verschiedenen Teile der Figur brauchen, um sich deutlich darzustellen. Aber eine Verschiebung der Orte der verschiedenen Figurenteile w\u00e4re ausgeschlossen. Wenn andererseits bei der Ann\u00e4herung einer Figur an einen Schirmrand die Wanderung des Wahrnehmungsbildes verlangsamt ist, und zwar um so mehr, je mehr sich die Figur dem Rande n\u00e4hert, so l\u00e4\u00dft sich dies nicht blo\u00df mit Volk (S. 84) in der Weise erkl\u00e4ren, da\u00df man sagt, die Bildung der Konturen der Figur sei um so mehr erschwert, je mehr sie sich dem Rande n\u00e4here, sondern man kann auch geltend machen, die absto\u00dfende und daher die Ann\u00e4herung der Figur verlangsamende Kraft des Schirmrandes sei selbstver st\u00e4ndlich um so st\u00e4rker, je n\u00e4her die Figur bereits herangekommen sei.\nTritt eine Figur unter einem Schirmrand hervor, so l\u00e4\u00dft unter geeigneten Umst\u00e4nden die Bewegung der Figur in der Vp. ganz von selbst den Eindruck entstehen, da\u00df die Figur von dem Rande abgesto\u00dfen werde. So teilt Volk (S. 71) mit, da\u00df, als er durch geeignete rasche Bewegungen bewdrkt habe, da\u00df der obere Teil des Kreises abwechselnd unter dem Kartonrande verschwand und wieder hervorkam, zu beobachten gewesen sei, \u201ewie die Kreislinie vom Rande abgesto\u00dfen werde\u201c.\nWir k\u00f6nnen das Vorstehende kurz in folgender Weise zusammenfassen. Eine gegebene Kontur wdrkt dem Einfl\u00fcsse eines Reizes, der darauf gerichtet ist, an einem ihr benachbarten Orte ein neues Sehding entstehen zu lassen, entgegen und zwar um so mehr, je n\u00e4her zu ihr dieser Ort liegt. Bei hinl\u00e4nglich kurzer Einwirkungszeit des Reizes kann daher das neue Sehding gar nicht auftreten oder nur durch ein verschwommenes Ph\u00e4nomen ersetzt werden. Kommt es in der N\u00e4he der gegebenen Kontur zur Bildung eines neuen Sehdinges, so kann dieses durch die ab-","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n185\nsto\u00dfende Kraft der gegebenen Kontur an einen Ort verschoben werden, der von der gegebenen Kontur weiter entfernt ist als der Ort seiner Entstehung, bzw. in seiner Ann\u00e4herung an die gegebene Kontur um so mehr verlangsamt werden, je n\u00e4her es bereits herangekommen ist.\nKehren wir nun zu den oben angef\u00fchrten Aussagen der beiden Vpn. H. und R. zur\u00fcck, so sind dieselben in folgender Weise zu deuten. Infolge des Einflusses des Schirmrandes, unter dem der Lichtspalt hervortauchte, kamen die Eindr\u00fccke, die dem Lichtspalte bei seinem Durchlaufen eines Anfangsteiles der Spaltbahn entsprachen, f\u00fcr die Wahrnehmung ganz in Wegfall. Diese je nach den Umst\u00e4nden verschieden lange Latenzstrecke fand gem\u00e4\u00df der besonderen Durchdringungskraft, welche die eindringliche links rote und rechts gr\u00fcne Grenzlinie besa\u00df, h\u00e4ufig an dieser Grenzlinie ihr Ende. Hierbei machte sich aber der Schirmrand zugleich verschiebend geltend, wobei nat\u00fcrlich die weniger ausgiebige Verschiebung um (10 \u20143) mm h\u00e4ufiger vorkam als die ausgiebigere um (20 \u20143) mm. Zuweilen erstreckte sich die Latenzstrecke \u00fcber jene Grenzlinie hinaus. Dann war die auftauchende Linie gr\u00fcn. Da die vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen gegenfarbigen Induktionen zur Folge hatten, da\u00df innerhalb des mit gr\u00fcner Gelatine bedeckten Teiles der Spaltbahn die vom Lichtspalte bewirkte Erregung an-wuchs, und eine gr\u00fcnliche Empfindung bei einem Anwachsen der ihr zugrunde liegenden Erregung an Weiblichkeit gewinnt, so erschien die gr\u00fcne Linie um so wei\u00dflicher, je ferner vom Beginne der Spaltbahn sie auftauchte.1\nEs erhebt sich die Frage, worauf es beruhe, da\u00df die oben (S. 177) mitgeteilten Aussagen der Vp. S. ganz anders ausgefallen sind als diejenigen der Vpn H. und R. Selbstverst\u00e4ndlich ist hier anzunehmen, da\u00df die Aufmerksamkeit von S. dem Schirmrande, unter dem der Lichtspalt hervortrat, weniger zugewandt war, so da\u00df derselbe seine hemmende und verschiebende Wirkung nicht aus\u00fcben konnte. Dieser Einflu\u00df der Aufmerksamkeitsrichtung wird denjenigen nicht befremden, der sich z. B. der von Hecht 2 nachgewiesenen Tatsache erinnert, da\u00df das Z\u00f6llnersche Ph\u00e4nomen\n1\tEs ist leicht m\u00f6glich, da\u00df infolge h\u00f6herer St\u00e4rke der Kontrastwirkungen der W-Erregungen im Vergleich zu denjenigen der G-Erregungen die vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen gegenfarbigen Induktionen schon an und f\u00fcr sich eine W-Erregung mehr anwachsen lassen als eine G-Erregung.\n2\tH. Hecht, Z. Psychol. 94, S. 158 (1924).\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 62\n14","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nGeorg Elias M\u00fcller\nnur zu beobachten ist, wenn man den Spaltrand und seine Umgebung nicht beachtet, ihn zu \u00fcbersehen vermag.\nWie oben (S. 177) erw\u00e4hnt, erblickte bei den hier in Rede stehenden Versuchen von Rubin die Vp. S. in der Spaltbahn in Anschlu\u00df an das anf\u00e4ngliche Rot statt des objektiv vorhandenen Gr\u00fcn eine breite wei\u00dfe Linie, deren Wei\u00dflichkeit auf der Wirksamkeit der von dem anf\u00e4nglichen Rot ausgegangenen vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen gegenfarbigen Induktionen beruhte. Die Vp. H. und R. dagegen sahen, soweit bei ihnen die auftauchende Linie die links rote und rechts gr\u00fcne Grenzlinie war, neben dem anf\u00e4nglichen Rot unmittelbar Gr\u00fcn. Wie ist das zu erkl\u00e4ren? Offenbar daraus, da\u00df bei diesen beiden Vpn. der Schirmrand den gr\u00f6\u00dferen Teil des anf\u00e4nglichen Rot nicht blo\u00df f\u00fcr die Empfindung unterdr\u00fcckte, sondern auch mit den ihm entsprechenden vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen G-Induktionen nicht zur Geltung kommen lie\u00df. Kamen diese Induktionen in Wegfall, so mu\u00dfte das Gr\u00fcn deutlich neben der roten Endlinie auftreten. Diese durch den Schirmrand bewirkte Unterdr\u00fcckung der von den anf\u00e4nglichen Spaltbildern ausgehenden vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen Induktionen soll in nachstehender, etwas weit ausholender Auseinandersetzung als eine nach unserem gegenw\u00e4rtigen Wissen zu erwartende Erscheinung dargelegt werden.\nDie Hauptfrage ist hier: Findet die durch den Schirmrand bewirkte Ausschaltung der den anf\u00e4nglichen Spaltbildern entsprechenden Eindr\u00fccke hinter der Kontrastzone oder fr\u00fcher statt ? Ist das erstere der Fall, so k\u00f6nnen sich die diesen Eindr\u00fccken zugeh\u00f6rigen vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen Induktionen f\u00fcr den weiteren Verlauf der Spaltbildwahrnehmung geltend machen, obwohl diese Eindr\u00fccke selbst keine Empfindungen ausl\u00f6sen. Im gegenteiligen Falle kommen jene Induktionen ganz in Wegfall.\nWie ich in meiner Abhandlung \u201eKomplextheorie und Gestalttheorie\u201c (G\u00f6ttingen, 1923), S. 24 ff. an der Hand von Beobachtungstatsachen n\u00e4her gezeigt habe, hat die Kontur folgende Wirkungen.1 Sie verleiht den Erregungen, die von den ihr angrenzenden Teilen des Sehfeldes ausgehen, ein st\u00e4rkeres Verm\u00f6gen bis zur Sph\u00e4re des Bewu\u00dftwerdens durchzudringen und sich dem verdr\u00e4ngenden Einfl\u00fcsse anderer Erregungen gegen\u00fcber zu behaupten. Die letztere\n1 Die Art und Weise des Zustandekommens dieser Wirkungen mu\u00df liier dahingestellt bleiben. Es mu\u00df uns hier gen\u00fcgen, da\u00df diese eigent\u00fcmlichen Wirkungen als tats\u00e4chlich bestehend nachgewiesen sind.","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur PsyBiophysik der Farbenempfindungen 437\nWirkung zeigt sich z. B. schon in der bekannten Rolle, welche die Konturen beim Wettstreite der Sehfelder spielen. Das h\u00f6here Durchdringungsverm\u00f6gen der Erregungen, die von dem Einfl\u00fcsse der Kontur st\u00e4rker ausgesetzten Sehfeldteilen herr\u00fchren, tritt erstens in der gr\u00f6\u00dferen Schnelligkeit ihres Durchdringens zu den h\u00f6heren Sph\u00e4ren der Sehbahn hervor und zweitens darin, da\u00df sie auch eine h\u00f6here F\u00e4higkeit besitzen, pathologische Erschwerungen der Weiterleitung in der Sehbahn zu \u00fcberwinden. Je n\u00e4her ein Fl\u00e4chenteil einer Kontur liegt, desto gr\u00f6\u00dfer ist die F\u00f6rderung, welche die von ihm erweckten Erregungen durch den Einflu\u00df der Kontur hinsichtlich ihres Durchdringungsverm\u00f6gens und hinsichtlich ihrer Widerstandsf\u00e4higkeit gegen\u00fcber anderen Erregungen erfahren. Unterliegt ein Fl\u00e4chenteil von mehreren Seiten her einem Kontureinflusse, so verst\u00e4rken sich nat\u00fcrlich diese verschiedenen Einfl\u00fcsse gegenseitig.\nDer hemmende Einflu\u00df nun, den nach Obigem eine Kontur einem Reize gegen\u00fcber entfaltet, der darauf gerichtet ist, in ihrer unmittelbaren N\u00e4he ein Sehding entstehen zu lassen, beruht darauf, da\u00df die Erregungen, die den an die Kontur ansto\u00dfenden Fl\u00e4chenteilen entsprechen, infolge des Einflusses der Kontur gegen\u00fcber den Erregungen, die dem neuen Reize entsprechen und an ihre Stelle zu treten streben, einen erh\u00f6hten Widerstand entgegensetzen. Je n\u00e4her zur Kontur das strittige Feld liegt, desto gr\u00f6\u00dfer ist dieser Widerstand, desto l\u00e4nger mu\u00df der neue Reiz wirken, um sich durchzusetzen, wie dies die Versuche von Volk gezeigt haben. Wird ein mit einem Kreise beschriebenes Papier unter einem Schirm mit gewisser Schnelligkeit hervorgezogen, so hat der Schirmrand die Wirkung, da\u00df in seiner unmittelbaren N\u00e4he die Erregungen, die dem anf\u00e4nglichen unbeschriebenen Papierst\u00fccke entsprechen, ein h\u00f6heres Beharrungs- und Widerstandsverm\u00f6gen besitzen, so da\u00df der Kreis erst in gewisser Entfernung vom Schirmrande, wo dessen Einflu\u00df geringer ist, sichtbar wird.\nIn entsprechender Weise ist auch der verschiebende Einflu\u00df der Kontur darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, da\u00df der Widerstand, den die unter dem Einfl\u00fcsse der Kontur stehenden Erregungen dem Verdr\u00e4ngtwerden durch die von einem neuen Reize erweckten Erregungen entgegenstellen, dazu dient, diese letzteren in andere Bahnen \u00fcbergehen zu lassen.\nAus Vorstehendem ergibt sich, da\u00df, wenn in der Kontrastzone\ndie Kontur die Wirkung hat, den Erregungen, die den an sie an-\n14*","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nGeorg Elias M\u00fcller\nsto\u00dfenden Fl\u00e4chenteilen entsprechen, ein gr\u00f6\u00dferes Widerstands-\nverm\u00f6gen gegen\u00fcber konkurrierenden Erregungen zu verleihen,\nsie auch in dieser Zone gegen\u00fcber Erregungsantrieben, die in jenen\nFl\u00e4chenteilen neue Erscheinungen anstreben, die uns bekannte\n\u2022 \u2022\nhemmende Wirkung entfalten mu\u00df. Nun zeigt die gro\u00dfe \u00dcberlegenheit, welche beim Wettkampfe zwischen den objektiven Farben einer Sehfeldstelle und den an dieser induzierten Kontrastfarben eine Konturierung der objektiven Farben diesen verleiht, da\u00df die Kontur in der Tat auch in der Kontrastzone den unter ihrem Einfl\u00fcsse stehenden Erregungen ein st\u00e4rkeres Widerstands verm\u00f6gen erteilt. Folglich kommt ihr auch in der Kontrastzone die uns bekannte hemmende Wirkung zu. Es ist also ausgeschlossen, da\u00df bei den hier in Rede stehenden Versuchen von Rubin die Ausschaltung der den anf\u00e4nglichen Spaltbildern entsprechenden Eindr\u00fccke erst hinter der Kontrastzone stattfand, und da\u00df diese Eindr\u00fccke trotz ihrer Ausschaltung f\u00fcr das Bewu\u00dftsein dennoch die ihnen entsprechenden gegenfarbigen, vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen Induktionen entstehen lie\u00dfen. Es \u00e4ndert nichts an dieser Schlu\u00dffolgerung, wenn der hemmende und verschiebende Einflu\u00df der Kontur schon vor der Kontrastzone stattfindet.\nSomit haben wir alle mitgeteilten Einzelheiten der Ergebnisse der Versuche, die Rubin mit einer teils mit roter teils mit gr\u00fcner Gelatine bedeckten Spaltbahn angestellt hat, erkl\u00e4rt. Nach unseren vorstehenden Ausf\u00fchrungen ist es leicht zu verstehen, wenn Rubin sagt, da\u00df die Resultate dieser Versuche ziemlich variabel seien, und unter den Faktoren, von denen sie abh\u00e4ngig seien, die Zimmerbeleuchtung und die Einstellung der Vp. anf\u00fchrt. Rubin (I, S. 107 f.) bemerkt, man k\u00f6nne f\u00fcr die Erkl\u00e4rung des Pihl-FB\u00d6HLiCHschen Ph\u00e4nomens zwei verschiedene Annahmen in Betracht ziehen, eine Unterdr\u00fcckungsannahme, nach welcher die der Latenzstrecke angeh\u00f6rigen Eindr\u00fccke des Lichtspaltes nicht empfunden werden, weil von den Eindr\u00fccken, die der Lichtspalt von dem nachfolgenden Teile der Spaltbahn aus erweckt, Einfl\u00fcsse ausgehen, die im Sinne einer Unterdr\u00fcckung der der Latenzstrecke entsprechenden Empfindungen wirken, und eine Verschiebungsannahme, nach welcher dasjenige, was unmittelbar nach der Latenzstrecke auftaucht, von dem am Anf\u00e4nge der Spaltbahn erfahrenen Reize abh\u00e4ngt und gewisserma\u00dfen dem entspricht, was am Anf\u00e4nge der Spaltbahn erlebt sein w\u00fcrde, wenn der Reiz nicht \u00fcber diesen Ort hinausgekommen w\u00e4re.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen 189\nNach unseren Ausf\u00fchrungen entspricht das Zustandekommen des Fa\u00d6HLiCHschen Ph\u00e4nomens in dem einen Falle, wo es auf den vorw\u00e4rts- und den r\u00fcckw\u00e4rtsl\u00e4ufigen gegenfarbigen Induktionen beruht, in der Tat der Unterdr\u00fcckungsannahme. In dem anderen Falle, wo der Einflu\u00df der Kontur der ma\u00dfgebende Faktor ist, kommt allerdings Verschiebung vor, aber sie betrifft dann nicht den dem Beginne der Spaltbahn entsprechenden Eindruck, sondern den irgendeiner sp\u00e4teren Stelle der Spaltbahn entstammenden Eindruck, der das zuerst auftauchende Bild des Lichtspaltes liefert.\nDas Interesse liegt auf der Hand, welches eine Wiederholung der hier besprochenen Versuche Rubins in v\u00f6lligem Dunkel besitzen w\u00fcrde, sowie eine Wiederholung derselben mit variierter Spaltgeschwindigkeit.\nDie bisherigen Betrachtungen, nach denen das Pmu-FK\u00d6HLiCHsche Ph\u00e4nomen je nach Umst\u00e4nden auf den vorw\u00e4rts- und r\u00fcckw\u00e4rtsl\u00e4ufigen gegenfarbigen Induktionen oder auf der hemmenden und verschiebenden Wirkung der Kontur beruht, haben vielleicht auch bei der Erkl\u00e4rung der Resultate Anwendung zu finden, die Rubin (I, S. 110 f.) bei folgender Versuchsanordnung erzielte. Der Karton, in dem sich der f\u00fcr die Spaltbahn bestimmte kreisf\u00f6rmige Ausschnitt befand, und die beim Beobachten rotierende Scheibe mit dem von hinten zu beleuchtenden Spalte wTaren hellgrau, \u201edas Licht, welches durch den Spalt kam, war gr\u00fcnlich. Die Beleuchtung im Zimmer und die Spaltenbeleuchtung wurden so reguliert, da\u00df Schirm, Scheibe und gr\u00fcne Linie ungef\u00e4hr gleich hell erschienen. Diese Stellung des Lampenwiderstandes der Spaltenbeleuchtung wurde markiert. Bei dieser Beleuchtung und bei einer viel gr\u00f6\u00dferen und einer viel kleineren Spaltenbeleuchtung wurde die Gr\u00f6\u00dfe der Verschiebung verglichen bei Expositionen, die Schlag auf Schlag einander folgten. Es zeigte sich bei allen 3 Vpn., da\u00df, wo die Helligkeiten ungef\u00e4hr gleich gro\u00df waren, die Verschiebung viel gr\u00f6\u00dfer war, als wo die Helligkeit der Linie viel gr\u00f6\u00dfer oder viel kleiner als die Helligkeit von Schirm und Scheibe war.\u201c Rubin meint, aus diesen Versuchsresultaten scheine hervorzugehen, da\u00df es nicht die Spalthelligkeit als solche sei, wodurch bei derartigen Versuchen der Reiz definiert werde, sondern die Spalthelligkeit im Verh\u00e4ltnis zur Umgebung. \u201eMan wird vermuten, da\u00df, wenn man mit der \u201eAbhebung von der Umgebung\u201c hier arbeitete, die Resultate, was die Gr\u00f6\u00dfe der Verschiebung an-","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nGeorg Elias M\u00fcller\ngeht, im gewissen Sinne am einfachsten aussehen w\u00fcrden.\u201c Bedenkt man, da\u00df der hemmende und verschiebende Einflu\u00df der Kontur sich f\u00fcr einen Eindruck um so eher geltend machen d\u00fcrfte, je schw\u00e4cher dieser ist, so liegt es nahe, diese Versuchsresultate von Rubin folgenderma\u00dfen zu deuten. In dem Falle, wo die Helligkeit des Lichtspaltes ungef\u00e4hr dieselbe war wie diejenige von Schirm und Scheibe, sowie in dem Falle, wo sie viel gr\u00f6\u00dfer war als diese, kam die Verschiebung durch die vorw\u00e4rts-und r\u00fcckw\u00e4rtsl\u00e4ufigen gegenfarbigen Induktionen zustande, und daher fiel sie erwartungsgem\u00e4\u00df im letzteren Falle geringer aus als im ersteren Falle. In dem Falle, wro die Spalthelligkeit viel geringer war wie die Helligkeit von Schirm und Scheibe, wrurde gleichfalls eine geringere Verschiebung erhalten als im Falle ungef\u00e4hrer Helligkeitsgleichheit von Spalt, Schirm und Scheibe, weil in diesem Falle gem\u00e4\u00df der Lichtschw\u00e4che des Spaltes die Verschiebung durch den Einflu\u00df des Schirmrandes, unter dem der Spalt hervorkam, bewirkt wurde.\n\u00a7 5. Die Verhaltungsweisen des auftauchenden\nLichtstreifens\nDer jenseits der Latenzstrecke auftauchende Lichtstreifen zeigt nach den Versuchen von Fk\u00f6hlich vor allem die Eigent\u00fcmlichkeit, da\u00df er mit einer gewissen Breite schlagartig auf-tritt. Mitunter hat man den Eindruck, als ob er als ein w\u00e4hrend eines Momentes ruhender gegeben sei.\nBehufs Erkl\u00e4rung dieser Eigent\u00fcmlichkeit wrollen wTir uns vergegenw\u00e4rtigen, wTie sich bei kurzdauernder Einwirkung wei\u00dfen Lichtes der Vorgang der W-Erregung einerseits dann verh\u00e4lt, wenn die betroffene nerv\u00f6se Sehsubstanz den normalen A-Gehalt besitzt, und andererseits dann, wenn der A-Gehalt derselben durch vorausgegangene S-Induktionen bedeutend \u00fcber seinen normalen Betrag erh\u00f6ht worden ist. Im ersteren Falle trifft der von der P-Zone herr\u00fchrende homophotische Erregungsantrieb einen nur m\u00e4\u00dfigen Bestand von A-Material an, von dem er in jedem Zeitelemente ein kleines Quantum in W-Material verwandelt. Da er aber nur kurz dauert, so l\u00e4\u00dft er keine betr\u00e4chtliche Menge von W-Material entstehen, so da\u00df die eintretende W-Erregung nur eine m\u00e4\u00dfige H\u00f6he erreicht und auch im metaphotischen Stadium nur eine schnell sich verlierende W-Erregung vorhanden ist. Ist dagegen durch eine starke S-Induktion eine betr\u00e4chtliche Anh\u00e4ufung","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n191\nvon A-Material bewirkt worden, so besteht nach Schwinden der S-Indnktion bereits an und f\u00fcr sich eine Tendenz zu einem fast explosionsartigen AW-Umsatze, so da\u00df der homophotische Erregungsantrieb einen pl\u00f6tzlichen lebhaften Umsatz dieser Art, sowie auch WS-Umsatz zur Folge hat, und bei Beginn des meta-photischen Stadiums eine starke Anh\u00e4ufung von W-Material vorhanden ist, der eine relativ starke und andauernde Nacherregung entspricht. Es ist also klar, da\u00df die vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-Induktionen dazu dienen, die Entwicklungsgeschwindigkeit, H\u00f6he und Dauer der durch den bewegten Lichtstreifen bewirkten Erregung zu erh\u00f6hen. Eine Folge der gesteigerten Entwicklungsgeschwindigkeit ist der Eindruck des schlagartigen Auftretens, und die verl\u00e4ngerte Andauer der Erregungen ist es, die mitunter den Eindruck eines Stillstandes des Lichtstreifens erweckt.\nDa\u00df der bewegte Lichtspalt jenseits der Latenzstrecke eine intensivere Erregung hervorruft als eine gleich starke lokale Belichtung der Netzhaut durch einen kurz aufleuchtenden feststehenden Lichtspalt, hebt auch Fr\u00f6hlich (I, S. 34) hervor. Er f\u00fchrt dies aber im Sinne seiner oben (S. 178) mitgeteilten Auslassungen auf die Lichtzerstreuung im Auge zur\u00fcck, infolge deren der bewegte Lichtspalt auf die von ihm betroffenen Netzhautpartien eine l\u00e4nger dauernde Lichtreizung aus\u00fcbe.\n2. Der Lichtstreifen, der breiter ist als der objektive Lichtspalt, umfa\u00dft einen vorderen Teil, in dem die Helligkeit um so st\u00e4rker ist, je gr\u00f6\u00dfer der Abstand vom Beginn des Streifens ist, und einen hinteren Teil, in dem sich die Helligkeit umgekehrt verh\u00e4lt. Entsprechend der Tatsache, da\u00df der von dem Lichtspalt in den Zapfenau\u00dfengliedern hervorgerufene und auf die nerv\u00f6se Sehsubstanz einwirkende chemische Proze\u00df ansteigt und wiederabsinkt, findet auch ein Anwachsen und Wiederabsinken der von dem Lichtspalte in einem Elemente der physiologischen Bahn erweckten Sehnervenerregung statt trotz des Eindruckes eines schlagartigen Eintretens, den der Lichtstreifen infolge des gesteigerten A-Gehaltes der betroffenen Elemente macht. Die verschiedenen Stadien der an- und abschwellenden Sehnervenerregung kommen durch die verschiedenen Helligkeiten der verschiedenen Teile des Lichtstreifens zur Darstellung. Wenn ich fr\u00fcher (S. 171) die M\u00f6glichkeit erw\u00e4hnt habe, da\u00df in einem jenseits der Latenzstrecke gelegenen Teile der Bahn die Erregungsst\u00e4rke ann\u00e4hernd konstant sei, so bedeutete dies, da\u00df die Erregung an den verschiedenen Stellen dieses Bahnteiles sukzessiv ann\u00e4hernd die gleiche Maximalst\u00e4rke erreiche, nicht aber, da\u00df das in einem Momente","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nGeorg Elias M\u00fcller\nsich darbietende Streifenbild in allen seinen Teilen die gleiche Helligkeit besitze.\n3.\tEine Erh\u00f6hung der Helligkeit des Lichtspaltes macht sich bei sonst gleich bleibenden Umst\u00e4nden im Sinne einer Verk\u00fcrzung der Breite des auf tauchenden Lichtstreifens geltend. Da\u00df, wie die Beobachtungen gezeigt haben, der vordere, ansteigende Helligkeit zeigende Teil des Lichtstreifens bei zunehmender Lichtst\u00e4rke des Spaltes sich verk\u00fcrzt, ist nach allem, was wir \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit der Steilheit des Erregungsanstieges von der Reizstarke wissen, selbstverst\u00e4ndlich. Was den hinteren Streifenteil anbelangt, so ist zu beachten, da\u00df die mehr nach vorn gelegenen Partien des von dem Lichtspalt erregten Teiles der physiologischen Spaltbahn auf die mehr nach hinten gelegenen Partien S-Induk-tionen aus\u00fcben, die zur Folge haben, da\u00df in sp\u00e4ten Abstiegsstadien der Erregung befindliche Elemente der physiologischen Bahn, die bei Fehlen dieser r\u00fcckl\u00e4ufigen S-Induktionen im hinteren Teile des auftauch enden Streifens vertreten sein w\u00fcrden, in diesen tats\u00e4chlich nicht vertreten sind. Die r\u00fcckl\u00e4ufigen S-Induktionen machen sich selbstverst\u00e4ndlich nicht blo\u00df im Sinne einer Latenz des in seine Bahn einr\u00fcckenden Lichtspaltes, sondern auch im weiteren Ablauf des Lichtstreifens geltend. Je gr\u00f6\u00dfer nun die Helligkeit des Lichtspaltes ist, desto st\u00e4rker sind auch jene r\u00fcckl\u00e4ufigen S-Induktionen, die im Sinne einer Verk\u00fcrzung des hinteren Teiles des auftauchenden Lichtstreifens wirken.\n4.\tSieht man von dem in dieser Abhandlung ganz au\u00dfer Acht zu lassenden kritischen Stadium ab, so ist kurz zu sagen, da\u00df die Dunkeladaptation dazu dient, die Breite des auftauchenden Lichtstreifens etwas zu vergr\u00f6\u00dfern (Fr\u00f6hlich, S. 81). Dies erkl\u00e4rt sich hinl\u00e4nglich aus dem l\u00e4ngeren metaphotischen Nachdauern der St\u00e4bchenerreg\u00fcngen. Denn je l\u00e4nger das Nachdauern der Erregungen ist, desto breiter kann der schlagartig und mit dem Eindr\u00fccke der Gleichzeitigkeit aller seiner Bestandteile auftauchende Lichtstreifen sein.\n5.\tWird die Breite des Lichtspaltes, also die Belichtungsdauer, von einem minimalen Werte ausgehend vergr\u00f6\u00dfert, so nimmt die Breite des Lichtstreifens zun\u00e4chst bis zu einem gewissen Werte ab, um jenseits dieses Wertes eine deutliche Zunahme zu erfahren (Fr\u00f6hlich, S. 188). Dies erkl\u00e4ren wir mit Fr\u00f6hlich folgenderma\u00dfen. Bei geringen Werten der Spaltbreite macht sich eine Vergr\u00f6\u00dferung derselben wesentlich als eine Steige-","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n198\nrung der Erregungsst\u00e4rke geltend, wirkt also \u00e4hnlich wie eine Erh\u00f6hung der Lichtst\u00e4rke im Sinne einer Verringerung der Breite des Lichtstreifens. Diese Wirkung wird aber bei h\u00f6heren Spaltbreiten durch den Einflu\u00df der l\u00e4ngeren Dauer der Belichtung \u00fcberkompensiert. Es ist selbstverst\u00e4ndlich, da\u00df die Zahl der mit dem Eindr\u00fccke der Gleichzeitigkeit sich darbietenden Streifenelemente bei einer Spaltbreite von 20 mm gr\u00f6\u00dfer ist als bei einer solchen von 4 mm.\n6.\tJe gr\u00f6\u00dfer die Spaltgeschwindigkeit ist, desto breiter ist der auftauchende Lichtstreifen. Dies erkl\u00e4rt sich daraus, da\u00df w\u00e4hrend des Erregtseins eines vom Lichtspalte gereizten Elementes der physiologischen Bahn der weiter gleitende Lichtspalt um so mehr andere Bahnelemente in Erregung versetzen kann, je gr\u00f6\u00dfer seine Geschwindigkeit ist. Der Umstand, da\u00df eine Erh\u00f6hung der Spaltgeschwindigkeit mit einer Verringerung der Belichtungsdauer verbunden ist, also \u00e4hnlich wie eine Herabsetzung der Lichtst\u00e4rke wirkt, kommt hier nat\u00fcrlich auch in Betracht.\n7.\tRubin (I, S. 108) bemerkt, da\u00df, wenn der Spalt den Ausschnitt am hinteren Rande verlasse und man sich f\u00fcr das Verschwinden interessiere, so sei es unter Umst\u00e4nden sehr deutlich, \u201eda\u00df das erlebte Verschwinden schon etwas vor dem Erreichen des Randes sozusagen eingeleitet ist; die letzte Strecke der erlebten Bewegung der Linie ist als ein Verschwinden zu beschreiben\u201c. Das hier berichtete Verhalten des Lichtspaltes erkl\u00e4rt sich aus dem schon fr\u00fcher (S. 179 f.) erw\u00e4hnten, durch die Versuche von Wenzel und Volk erwiesenen Satze, da\u00df die Entstehung eines neuen Sehdinges in der N\u00e4he einer gegebenen Kontur erschwert ist und zwar um so mehr, je n\u00e4her zu der Kontur der Ort des Sehdinges liegt. Im vorliegenden Falle ist die gegebene Kontur, der sich das Sehding n\u00e4hert, der den Ausschnitt an seinem hinteren Ende begrenzende Rand des Kartons, hinter dem der Lichtspalt verschwindet. Die Versuche von Rubin fanden in einem \u201ehalbdunklen Zimmer\u201c statt, so da\u00df die Kontur des Kartons sich noch geltend machen konnte. Bei den Versuchen von Fr\u00f6hlich dagegen befand sich die Vp. stets in einem v\u00f6llig dunklen Raume. Demgem\u00e4\u00df hat auch Fr\u00f6hlich nicht \u00fcber das hier besprochene, von Rubin beobachtete Verhalten des bewegten Lichtstreifens berichtet.","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nGeorg Elias M\u00fcller\n\u00a7 6. Die Messung der visuellen Empfindungszeit\nnach Fr\u00f6hlich\n\u2022 \u2022\nUnter der Empfindungszeit versteht Fb\u00f6hlich in \u00dcbereinstimmung zu dem herrschenden Sprachgebrauch die Zeit, \u201ewelche zwischen der Einwirkung eines Sinnesreizes und dem Auftreten der mit dem Sinnesreizes verkn\u00fcpften Empfindung vergeht.\u201c Er glaubt nun, da\u00df sich mit Hilfe seiner Methode des bewegten Lichtspaltes eine Messung der visuellen Empfindungszeit vollziehen lasse. Es wurde bei jedem zu einer solchen Messung dienenden Versuche die Stelle der Spaltbahn bestimmt, an der beim Auftauchen des dem bewegten Lichtspalte entsprechenden Lichtstreifens der vordere Rand dieses Streifens sich zu befinden schien. Der Abstand dieser Stelle vom Beginne der Spaltbahn wurde schlechtweg als die Verschiebung bezeichnet. Indem nun die L\u00e4nge dieser Verschiebung durch die konstante Geschwindigkeit der Spaltbewegung dividiert wurde, ergab sich eine Zeit, die nach Fe\u00f6htichs Ansicht als die Empfindungszeit anzusprechen ist. Gegen diese Ansicht lassen sich eine Reihe von Einw\u00e4nden erheben.\n1.\tDas F\u00df\u00d6HLiCHsche Messungsverfahren ist darauf gerichtet, die Zeit zu bestimmen, die zwischen dem Momente, wo der Lichtpalt in die Spaltbahn eintritt, bis zu dem Momente verflie\u00dft, wo der Lichtspalt sichtbar wTird. Es soll also die Zeit bestimmt werden, die zwischen der Einwirkung des Lichtspaltes auf eine bestimmte Stelle der physiologischen Spaltbahn und dem Auftreten der zu einer anderen Stelle dieser Bahn geh\u00f6rigen Empfindung verflie\u00dft. Dies widerspricht dem Begriffe der Empfindungszeit.\n2.\tAber auch die soeben charakterisierte, von der Empfindungszeit verschiedene Zeit wird durch das Verfahren nicht bestimmt. Demselben liegt die Voraussetzung zu Grunde, da\u00df der Lichtstreifen in demselben Momente auftauche, in dem der Lichtspalt den Ort, an welchem der Lichtstreifen auftaucht, erreicht hat. Es ist aber klar, da\u00df, wenn der Lichtspalt an einem bestimmten Orte der Spaltbahn eintrifft, dann der Lichtstreifen nicht im selben Momente an diesem Orte erscheint, sondern erst nach Ablauf einer Empfindungszeit, also zu einer Zeit, wo der Lichtspalt schon erheblich \u00fcber diesen Ort hinausger\u00fcckt ist. Die Sache liegt also, kurz gesagt, folgenderma\u00dfen. Die Zeit, die","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n195\nvom Eintreten des Lichtspaltes in die Spaltbahn bis zum Auftauchen des Lichtstreifens an dem Orte 0 verflie\u00dft, setzt sich zusammen aus der Zeit, die der Lichtspalt braucht, um an diesen Ort zu gelangen, und der Zeit (Empfindungszeit), die dann verflie\u00dfen mu\u00df, damit der Streifen an diesem Orte erscheine. Fr\u00f6hlich mi\u00dft die erstere dieser beiden Teilzeiten und nennt sie Empfindungszeit.\nFr\u00f6hlich (S. 27) rechtfertigt seine Annahme, da\u00df sich im Momente des Auftauchens des Lichtstreifens die vorderen R\u00e4nder des Spaltes und des Lichtsstreifens decken, in folgender Weise: \u201eDie Verschiebung ist gleich der Empfindungszeit, der Spalt mu\u00df eine der Empfindungszeit entsprechende Strecke zur\u00fcckgelegt haben, daher m\u00fcssen im Momente des Auftauchens die vorderen R\u00e4nder des Lichtstreifens und des Spaltes zusammenfallen.\u201c Hier sind die beiden Vorders\u00e4tze des Schlusses zwei ganz willk\u00fcrliche, unrichtige und inhaltlich identische Behauptungen. Auf S. 31 erkl\u00e4rt sich Fr\u00f6hlich f\u00fcr die Annahme, \u201eda\u00df bei Beobachtung eines bewegten Lichtspaltes mit fixiertem Blicke der Spalt dem ihm entsprechenden Lichstreifen um eine Empfindungszeit-L\u00e4nge vorauseilt.\u201c Er erkl\u00e4rt dieses Verhalten nicht im Sinne unserer obigen Bemerkung, sondern folgenderma\u00dfen : \u201eEntsprechend der oben beschriebenen Beobachtung, da\u00df der Lichtstreifen nach seinem schlagartigen Auftauchen eine Zeit lang stehen bleibt, werden wir annehmen, da\u00df diese Zeit einer Empfindungszeit-L\u00e4nge entspricht, w\u00e4hrend welcher der Spalt dem Lichtstreifen vorauseilt.\u201c Eine etwas sonderbare Auslassung !\nIn der von uns auf S. 178 wiedergegebenen Auslassung weist Fr\u00f6hlich auf die M\u00f6glichkeit hin, da\u00df infolge der vorbereitenden Reizung, welche nach Eintritt des Lichtspaltes in die Spaltbahn das im Auge unregelm\u00e4\u00dfig zerstreute Licht auf die der Spaltbahnstelle des auftauchenden Lichtstreifens entsprechende Stelle der physiologischen Bahn aus\u00fcbe, der Lichtstreifen genau in dem Momente auftauche, wo die Einwirkung des Lichtspaltes diese Stelle der physiologischen Bahn treffe. Angenommen, diese M\u00f6glichkeit verwirkliche sich in einem Falle, so w\u00fcrde dann die nach Fr\u00f6hlichs Vorschrift gemessene Zeit nicht eine Empfindungszeit im \u00fcblichen Sinne sein, sondern die Zeit, w\u00e4hrend welcher ein Reiz einer Netzhautstelle in bestimmter Weise anwachsen mu\u00df, damit genau in dem Momente der Beendigung seines Anwachsens die entsprechende Empfindung eintrete.\n3. Fr\u00f6hlich ist der Ansicht, da\u00df die Breite des Lichtstreifens multipliziert mit der Geschwindigkeit seiner Bewegung die Empfindungsdauer ergebe. Er meint also, da\u00df das (im Sinne der Bewegungsrichtung) hintere Ende des Lichtstreifens das Schlu\u00dfstadium, dagegen das vordere Ende das Anfangsstadium der Empfindung repr\u00e4sentiere. Es ist also die Empfindung an der Stelle, die dem hinteren Ende des Bildstreifens entspricht, fr\u00fcher","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nGeorg Elias M\u00fcller\neingetreten als an der dem vorderen Ende entsprechenden Stelle. Hiernach ist absolut nicht zu verstehen, weshalb Fe\u00f6hlich die Empfindungszeit nach der Verschiebung bemi\u00dft, welche der vordere Rand des Lichtstreifens auf weist, und nicht nach der Verschiebung, die sich f\u00fcr den hinteren Rand desselben ergibt. Die von Fe\u00f6hlich gemessene Empfindungszeit setzt sich seiner eigenen Auffassung nach aus der Latenzzeit und der Dauer der Empfindung des auftauchenden Lichtstreifens zusammen.\n4.\tUnter der Empfindungszeit schlechthin wird eine Zeit verstanden, die bei Reizung einer in normalem Erregbarkeitszustande befindlichen Partie eines Sinnesorganes erhalten wird. Die nach Fe\u00d6hlichs Vorschrift bestimmte Empfindungszeit (FE\u00d6HLiCHsche Zeit) dagegen wird durch Reizung eines Teiles des Sehorganes gewonnen, der (im Falle der Benutzung wei\u00dfen Lichtes) zuvor durch vorw\u00e4rtsl\u00e4ufige S-Induktionen in einen Zustand erh\u00f6hter W-Erregbarkeit versetzt worden ist. Wenn auch dem Obigen gem\u00e4\u00df daran festzuhalten ist, da\u00df im Momente des Auftauchens des Lichtstreifens der Lichtspalt \u00fcber den Ort 0 dieses Auftauchens um diejenige Strecke hinwegger\u00fcckt ist, die er bei der ihm erteilten Geschwindigkeit w\u00e4hrend der Zeit durchlaufen mu\u00df, die nach Ankunft des Lichtspaltes in 0 bis zum Auftreten der Empfindung verflie\u00dft, so ist doch zu beachten, da\u00df die soeben erw\u00e4hnte Empfindungszeit k\u00fcrzer ist als die normale Empfindungszeit, da der in 0 angekommene Lichtspalt eine bedeutend \u00fcber die Norm erh\u00f6hte Erregbarkeit antrifft.\n5.\tDa\u00df die angebliche Empfindungszeit Fe\u00d6hlichs mit der wahren Empfindungszeit nichts zu tun hat, zeigt auch die Art ihrer Abh\u00e4ngigkeit von der Spaltgeschwindigkeit. Die wahre Empfindungszeit kann von der Spaltgeschwindigkeit nur insofern abh\u00e4ngig sein, als bei gr\u00f6\u00dferem Betrage dieser Geschwindigkeit die Zeit k\u00fcrzer ist, w\u00e4hrend welcher eine Netzhautstelle belichtet wird, was sich im Sinne einer Verl\u00e4ngerung der Empfindungszeit geltend machen mu\u00df. Dagegen nimmt die FE\u00d6HLiCHsche Zeit gem\u00e4\u00df den Angaben von Fe\u00f6hlich (I, S. 162 f.) bei zunehmender Spaltgeschwindigkeit bis zu einer gewissen Grenze ab.1\n1 Es ist eine recht fehlerhafte, irref\u00fchrende Ausdrucksweise, wenn Fr\u00f6hlich in den F\u00e4llen, wo es sich um eine h\u00f6here Spaltgeschwindigkeit handelt, von einem steileren Keizanstiege redet.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n197\n6. Da\u00df die FK\u00d6HLiCHsche Zeit etwas ganz anderes ist als die Empfindungszeit, h\u00e4tte man sich schon bei einer blo\u00dfen Erw\u00e4gung der gro\u00dfen Differenzen zwischen den unter verschiedenen Umst\u00e4nden erhaltenen Betr\u00e4gen jener Zeit sagen k\u00f6nnen. Nach dem von Fr\u00f6hlich (I, S. 72) Mitgeteilten gehen die kleinsten dieser Betr\u00e4ge bis auf 34a herunter, w\u00e4hrend die gr\u00f6\u00dften bisher gemessenen Betr\u00e4ge fast gleich 1000a sind. \u201eDiese gro\u00dfen Werte stellen aber sicher nicht die obere Grenze dar, da Reize sehr langsamen zeitlichen Verlaufes bisher aus methodischen Gr\u00fcnden von uns nicht angewandt werden konnten.\u201c Hat man es wirklich f\u00fcr m\u00f6glich gehalten, da\u00df die wahre visuelle Empfindungszeit unter gewissen Versuchsbedingungen ungef\u00e4hr 30 mal so lang sei wie unter gewissen anderen Bedingungen?\nAuch betreffs der nach Fr\u00f6hlichs Vorschrift in der oben (S. 195) angegebenen Weise gemessenen Empfindungsdauer ist hervorzuheben, da\u00df sie (im Falle der Benutzung wei\u00dfen Lichtes) gem\u00e4\u00df der von den vorw\u00e4rtsl\u00e4ufigen S-Induktionen bei derartigen Versuchen gespielten Rolle eine \u00fcber die Norm erh\u00f6hte W-Erreg-barkeit der betroffenen Teile des Sehorganes zur Voraussetzung hat. Aber auch f\u00fcr einen solchen Fall stellt sie eine richtige Empfindungsdauer nicht dar, da, wie oben (S. 192) bemerkt, die Breite des auftauchenden Lichtstreifens von den r\u00fcckl\u00e4ufigen S-Induktionen mit abh\u00e4ngig ist, die von den mehr vorn gelegenen Teilen des Lichtstreifens ausgehen.\nDa mir die obigen Einw\u00e4nde gegen Fr\u00f6hlichs Messung der Empfindungszeit vollkommen durchschlagend erscheinen, gehe ich auf die weiteren Bem\u00fchungen desselben, diese Messungsart durch Versuche plausibel zu machen, nicht n\u00e4her ein. Nur folgender, k\u00fcrzer zu erledigender Versuch mag hier noch besprochen werden. Er bemerkt (I, S. 26) folgendes : \u201eEs konnte auch gezeigt werden, da\u00df bei Verwendung von zwei starken Lichtreizen, von denen der eine in Form des bewegten Spaltes in die Spaltbahn ein trat, der andere nur auf einer Spaltbahn zur Wirkung kam, die so breit wie der Spalt war und daher nur eine Momentbelichtung erm\u00f6glichte, gleichzeitig empfunden werden, bei den beiden Arten der Darbietung war die Empfindungszeit gleich gro\u00df. Bei Verwendung der langen Spaltbahn trat die Empfindung mit der der Verschiebung entsprechenden Versp\u00e4tung ein, ein weiterer Hinweis darauf, da\u00df wir es hier in der Tat mit der Empfindungszeit zu tun haben.\u201c Da\u00df unter den hier angegebenen Bedingungen die","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nGeorg Elias M\u00fcller\nVergleichung der beiden Lichtstreifen hinsichtlich des Zeitpunktes ihres Eintretens eine recht unsichere und von der jeweiligen Einstellung abh\u00e4ngige ist, haben die Versuche von Rubin (I, S. 104 f.) gezeigt. Fr\u00f6hlich geht hier von der Voraussetzung aus, die Zeit, welche in dem einen Falle zwischen dem Eintritte des Spaltes in die ihm an Breite gleiche Spaltbahn und dem Aufleuchten dieses Spaltes verflie\u00dfe, sei unbestritten eine Empfindungszeit. Da nun in dem anderen Falle die durch den vorderen Rand des auftauchenden Lichtstreifens markierte Zeit mit dieser Zeit \u00fcbereinstimme, so sei sie offenbar als die Empfindungszeit anzusehen. Wir wollen einmal annehmen, es tauche in der Tat bei einer bestimmten, hohen Spaltgeschwindigkeit in den beiden hier in Rede stehenden F\u00e4llen die Empfindung in genau demselben Momente auf, die gemessene Zeit sei gleich 150er, Wird dann der Versuch bei viel geringerer Spaltgeschwindigkeit wiederholt, so wird die in dem einen Falle gemessene FR\u00d6HLiCHsche Zeit nach den eignen Feststellungen von Fr\u00f6hlich (I, S. 161) bedeutend l\u00e4nger, z. B. gleich 350o, ausfallen, w\u00e4hrend die Empfindungszeit des anderen Falles eine nur sehr geringf\u00fcgige Verl\u00e4ngerung erf\u00e4hrt. Folglich darf die FR\u00d6HLiCHsche Zeit nicht mit der Empfindungszeit identifiziert werden.\nDie vorstehende Kritik der FR\u00d6HLiCHschen Me\u00dfmethoden der Empfindungszeit und Empfindungsdauer erschien mir angezeigt, nicht blo\u00df der logischen Sauberkeit wegen, auf die in jeder Wissenschaft mit Strenge zu halten ist, sondern auch deshalb, weil die FR\u00d6HLiCHschen Bestimmungen geeignet sind, nachteilige Konfusionen und schwerwiegende Irrt\u00fcmer zu erzeugen. Es ist z. B. stark irref\u00fchrend, wenn uns Fr\u00f6hlich auf Grund seiner Messungen angibt, da\u00df die visuelle Empfindungszeit unter Umst\u00e4nden Betr\u00e4ge von ca. 1 Sek. erreiche. Eine kritische Besprechung jener Lehren Fr\u00f6hlichs erschien um so mehr geboten, da Tschermak im Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie, 12. Bd., S. 421 ff. (1929), die von Fr\u00f6hlich angegebenen Me\u00dfmethoden der Empfindungszeit und Empfindungsdauer und die nach diesen Methoden von ihm abgeleiteten Versuchsresultate ganz kritiklos \u00fcbernimmt.\nDie logischen und theoretischen Mangelhaftigkeiten der Ausf\u00fchrungen Fr\u00f6hlichs schlie\u00dfen nat\u00fcrlich nicht aus, da\u00df seine r\u00fchrige experimentelle T\u00e4tigkeit zahlreiche wertvolle Beobach-","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n199\ntungen geliefert habe. Es gen\u00fcgt, in dieser Hinsicht an seine Entdeckung und gr\u00fcndliche Untersuchung des kritischen Stadiums zu erinnern.\nWas den Wert der von Fr\u00f6hlich gemachten Feststellungen anbelangt, so sind dieselben, soweit sie die Empfindungsdauer im Sinne Fr\u00f6hlichs betreffen, dazu geeignet, \u00fcber die Breite des auftauchenden Lichtstreifens Auskunft zu geben, und auch als solche von uns in \u00a7 5 verwertet worden. Die Angaben \u00fcber die erhaltenen Empfindungszeiten (im FR\u00d6HLiCHschen Sinne) sind weniger eindeutig, da sich diese Zeiten, wie oben bemerkt, aus einer Latenzzeit und einer Empfindungsdauer (im FR\u00d6HLiCHschen Sinne) zusammensetzen. Es ist ein Nachteil, da\u00df Fr\u00f6hlich in den einen F\u00e4llen nur die erzielten Werte der Empfindungszeit, in den anderen F\u00e4llen nur die erhaltenen Werte der Empfindungsdauer angibt. H\u00e4tte er jedesmal beide Werte angegeben, so w\u00fcrde man sich durch Abzug der Empfindungsdauer von der Empfindungszeit in jedem Falle die Latenzzeit des Lichtstreifens berechnen k\u00f6nnen und w\u00e4re gegen\u00fcber einer die Empfindungszeit betreffenden Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit in der Lage ohne weiteres zu ersehen, inwieweit dieselbe auf dem Verhalten der Latenzzeit, und inwieweit sie auf dem Verhalten der Empfindungsdauer beruhe. Bei der gegenw\u00e4rtigen unvollst\u00e4ndigen Berichterstattung ist man in dieser Hinsicht auf den weniger befriedigenden Weg angewiesen, unter Heranziehung anderweiter Versuchsresultate durch Schlu\u00dffolgern die Entscheidung zu suchen.\nRubin (I, S. 105 f.) stellte behufs Widerlegung der der FR\u00d6HLiCHschen Empfindungsmessung urspr\u00fcnglich zugrunde liegenden Annahme, da\u00df sich im Momente des Auftauchens des Lichtstreifens der Lichtspalt an eben demselben Orte befinde, an dem der Lichtstreifen auftaucht, Versuche folgender Art an. Es wurde vor jedem Versuche \u00fcber die Spaltbahn in der der Bewegungsrichtung des Spaltes entgegengesetzten Richtung ein Schirm geschoben, hinter dem der bewegte Lichtspalt verschwand. Der Teil der Spaltbahn, der durch den Schirm verdeckt war, besa\u00df in den verschiedenen Versuchen eine verschiedene L\u00e4nge. Es zeigte sich nun, da\u00df der Ort, wo der Lichtstreifen auftauchte, durch den vorgeschobenen Schirm schon dann beeinflu\u00dft und zwar nach dem Beginne der Spaltbahn hin verschoben wurde, wrenn der innere Rand des Schirmes vom Beginne der Spaltbahn","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nGeorg Elias M\u00fcller\nweiter entfernt war als der Ort, wo der Lichtstreifen bei nicht vorgeschobenem Schirme auftauchte. So tauchte z. B. bei einem Versuche mit einer ca. 100 mm langen Spaltbahn und einem Beobachterabstande von 50 cm der Lichtstreifen im Falle nicht vorgeschobenen Schirmes an einem Orte auf, der vom Beginne dSr Spaltbahn ca. 13 mm entfernt war. Als nun aber der Schirm vorgeschoben und hierdurch die sichtbare Spaltbahn immer k\u00fcrzer gemacht wurde, hatte dies schon dann, als eine Verk\u00fcrzung der Spaltbahn auf 24 mm erreicht war, deutlich Einflu\u00df auf die Auftauchstelle des Lichtstreifens. Rubin deutet diese Versuchsresultate dahin, da\u00df der Lichtspalt im Momente des Auftauchens des Lichtstreifens bedeutend \u00fcber den Ort dieses Auftauchens hinaus vorger\u00fcckt sei, und da\u00df die Eindr\u00fccke, die er nach seinem Passieren dieses Ortes bewirkt habe, f\u00fcr das Erscheinen des Lichtstreifens an diesem Orte mit ma\u00dfgebend gewesen seien. Durch ein hinl\u00e4nglich weites Vorschieben des Schirmes seien diese Eindr\u00fccke ausgeschaltet und hierdurch die Auftauchstelle des Lichtstreifens beeinflu\u00dft worden.\nDie hier angef\u00fchrten Versuchsresultate von Rubin stehen nicht in Einklang mit den Versuchsergebnissen von Fe\u00f6hlich (L, S. 29 und IL, S. 287), welcher ausdr\u00fccklich feststellte, da\u00df an dem Verhalten des auftauchenden Lichtstreifens nichts ge\u00e4ndert wird, \u201ewenn die Spaltbahn verk\u00fcrzt wird, und zwar soweit verk\u00fcrzt wird, da\u00df das Ende der Spaltbahn mit dem vorderen Rande des auftauchenden Lichtstreifens zusammenf\u00e4llt\u201c.\nMan wird die Ursache dieser Differenz der Versuchsergebnisse beider Forscher wohl in einer Verschiedenheit der beiderseitigen Versuchsbedingungen zu suchen haben. Die Versuche von Fe\u00f6hlich fanden in \u00fcblicher Weise in v\u00f6lligem Dunkel statt. Dagegen berichtet Rubin folgendes : \u201eEs herrschte im Zimmer Halbdunkelheit. Der Spalt \u2014 oder vielmehr das wei\u00dfe Papier in der Spalt\u00f6ffnung \u2014 wurde nur \u2014 und recht schwach \u2014 vom diffusen Lichte im Zimmer beleuchtet.\u201c Man sollte vermuten, da\u00df dieses diffuse Licht auch ausgereicht habe, den inneren Rand des vorgeschobenen Schirmes erkennen zu lassen, der gem\u00e4\u00df unseren fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen (S. 182ff.) durch seine absto\u00dfende Wirkung den Ort des Auftauchens des Lichtstreifens mit beeinflu\u00dft habe. Die Geringf\u00fcgigkeit der Helligkeit des Lichtspaltes d\u00fcrfte die Verschiebung der Stelle seines Auftauchens erleichtert haben. Es","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\n201\nwird nicht schwer sein, die hier ausgesprochene Vermutung durch erneute Versuche, bei denen die Unerkennbarkeit des inneren Schirmrandes ganz au\u00dfer Zweifel steht, zu pr\u00fcfen.\nFr\u00f6hlich (II S. 287) glaubt, da\u00df die Abweichung der RuBiNsehen Versuchsresultate von den seinigen dadurch bedingt gewesen sei, da\u00df bei den Versuchen von Rubin der Fixationspunkt nicht hinl\u00e4nglich festgehalten worden sei und Augenbewegungen nach jenen Stellen, an denen das Auftreten des Lichtstreifens erwartet wurde, ausgef\u00fchrt worden seien. Gegen diese schwer verst\u00e4ndliche Erkl\u00e4rung hat sich Rubin (IL, S. 289 ff.) mit Recht gewandt.\nVon vornherein bieten sich hinsichtlich der Art und Weise, wie der Lichtspalt von den vor der Auftauchstelle des Lichtstreifens liegenden Stellen der Spaltbahn aus trotz der Unterschwelligkeit der von ihm von hier aus erweckten Erregungen doch bei dem Auftauchen des Lichtstreifens mitgewirkt haben k\u00f6nne, verschiedene Annahmen dar, Man kann erstens meinen, da\u00df er in diesen Stellungen durch einen Teil des von ihm ausgegangenen und im Auge unregelm\u00e4\u00dfig zerstreuten Lichtes einen Beitrag zur Reizung derjenigen Stelle der physiologischen Bahn geliefert habe, welche der Auftauchstelle des Lichtstreifens entsprach. Man kann ferner vermuten, da\u00df \u00e4hnlich wie nach den Versuchen von A. Br\u00fcckner (Z. Psychol. 26, 1901, S. 56 ff.) ein unterschwelliger Druckreiz einer Hautstelle die Wirksamkeit eines Druckreizes einer benachbarten Hautstelle unterst\u00fctze, auch im vorliegenden Falle die unterschwelligen Erregungen, welche der Lichtspalt von den erw\u00e4hnten Stellen aus hervorgerufen habe, bei dem Auftauchen des Lichtspaltes mit beteiligt gewesen seien. Aber diese beiden Annahmen w\u00fcrden nicht damit vertr\u00e4glich sein, da\u00df das erw\u00e4hnte Vorschieben des Schirmes die Auftauchstelle des Lichtstreifens nach dem Beginne der Spaltbahn hin verschob, also das Auftauchen desselben f\u00f6rderte. Hiermit w\u00fcrde sich nur die dritte, allerdings etwas gesuchte, Annahme vertragen, da\u00df die unterschwelligen Erregungen, welche der Lichtspalt von den erw\u00e4hnten Stellen aus erregt hat, zum Teil wenigstens bis in die (vor der psycho-physischen Sph\u00e4re gelegene) Kontrastzone eingedrungen sind und durch r\u00fcckl\u00e4ufige S-Induktionen die hinter ihnen liegenden Teile der physiologischen Bahn beeinflu\u00dft haben. Wir wissen zur Zeit gar nichts dar\u00fcber, welcher Bruchteil der wirklichen Empfindungszeit auf die Zeit entf\u00e4llt, welche die Erregung braucht, um in die Kontrastzone zu gelangen.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 62\n15","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202 Gr. E. M\u00fcller, Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen\nLiteratur\nF.\tW. Fr\u00f6hlich, I. Die Empfindungszeit. Jena 1929.\n\u2014, II. \u00dcber die Messung der Empfindungszeit. Eine Erwiderung auf experimenteller Grundlage. Psychol. Forsch. 18, 1930.\nG.\tE. M\u00fcller, \u00dcber die Farbenempfindungen. Leipzig 1930.\nE. Rubin, I. Kritisches und Experimentelles zur \u201eEmpfindungszeit\u201c Fr\u00f6hlichs. Psychol. Forsch. 18, 1930, S. 101 ff.\n\u2014, II. Bemerkungen zur Erwiderung Fr\u00f6hlichs. Ebenda 18, S. 289 ff..\nE. L. Wenzel, Die sukzessive Erfassung der Figuren. Z. Psychol. 100, 1926, S. 289 ff.\nJ. Volk, Tachistoskopische Untersuchungen. Z. Psychol. 102, 1927, S. 57 ff.","page":202},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"261\nKleine Beitr\u00e4ge\nzur Psycliophysik der Farbenempfindung1\nVon\nGeoro Elias M\u00fcller (G\u00f6ttingen)\nV. \u00dcber die S\u00e4ttigung der Spektralfarben\nIn The Brit. J. Psychol. 21 (1931), S. 283 ff. hat D. M. L. Purdy eine bei Unterst\u00fctzung durch Troland mit experimenteller Sorgfalt durchgef\u00fchrte Untersuchung \u00fcber den hier angegebenen Gegenstand ver\u00f6ffentlicht, die zu interessanten Versuchsresultaten gef\u00fchrt hat. Dies hat mich dazu veranla\u00dft, hier in eine allgemeine und umfassendere Er\u00f6rterung desselben Gegenstandes einzutreten, bei welcher selbstverst\u00e4ndlich eine wesentliche Mitbezugnahme auf etwaige einschlagende Versuchsresultate und Annahmen von Purdy stattfindet.\n\u00a7 1. Erkl\u00e4rung des spektralen Ganges des S\u00e4ttigungsgrades\n. A. Kohlrausch (I, S. 1558) hat nach den f\u00fcr einen Normalen g\u00fcltigen Farbengleichungen die Farbentafel zahlenm\u00e4\u00dfig richtig konstruiert und f\u00fcr eine Reihe von Spektralfarben die Abst\u00e4nde berechnet, die sie auf der Farbentafel vom Wei\u00dfpunkte besitzen. Diese Abst\u00e4nde geben Auskunft \u00fcber die S\u00e4ttigungsgrade der betreffenden Spektralfarben. Denn je n\u00e4her zum Wei\u00dfpunkte der Ort einer Farbe ist, desto wei\u00dflicher ist sie, desto geringer ist ihre S\u00e4ttigung. Ich gebe hier die von Kohlrausch entworfene Tabelle wieder, in der f\u00fcr 21 Spektralfarben die zugeh\u00f6rigen S\u00e4ttigungsgrade als Abst\u00e4nde vom Wei\u00dfpunkte angef\u00fchrt sind. Ich werde mich bei meinen weiteren Ausf\u00fchrungen wiederholt auf diese Tabelle zu beziehen haben.\n1 I\u2014III S. 53, IV S. 167 dieses Bandes.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 62\n20","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262\nGeorg Elias M\u00fcller\nNach diesen Feststellungen gibt es f\u00fcr das helladaptierte normale Auge im Spektrum drei Maxima der S\u00e4ttigung, von denen zwei auf die beiden Enden des Spektrums entfallen, w\u00e4hrend das dritte, viel schw\u00e4chere Maximum in der Gegend 550 bis 540 w liegt. Ein stark ausgepr\u00e4gtes Minimum findet sich bei 510 ein schw\u00e4cher ausgepr\u00e4gtes bei 580 [\u00e0[a.\nAuf Grund von Versuchen Goldmanns hat Tschermak einen von dem obigen abweichenden spektralen Gang des S\u00e4ttigungsgrades angenommen, nach welchem die spektralen Urfarben hinsichtlich der S\u00e4ttigung einen Vorzug besitzen. Zur Kritik dieser Annahme vergleiche man G. E. M\u00fcller, I, S. 624ff. und Kohlrausch, S. 1537 ff.\nTabelle 1\nS\u00e4ttigung im Spektrum des Normalen\nWellenl\u00e4nge in [i[i\tW ei\u00dfpunktabstand in cm\tWellenl\u00e4nge in gg\tW ei\u00dfpunktabstand in cm\n670\t11,6\t540\t6,10\n650\t10,9\t530\t5,2\n630\t9,7\t520\t4,6\n620\t8,3\t510\t2,4\n610\t7,4\t500\t3,9\n600\t6,4\t490\t7,8\n590\t5,9\t480\t9,7\n580\t5,8\t470\t10,6\n570\t5,9\t460\t11,0\n560\t6,0\t450\t11,3\n550\t6,15\t\t\nKohlrausch (I, S. 1554) teilt ferner in einer Tabelle die Eichwerte mit, die er bei seinen mit Sachs angestellten Versuchen f\u00fcr eine Reihe von Spektralfarben erhalten hat, und die auch der Konstruktion der Farbentafel zugrunde liegen, mit deren Hilfe die obige Tabelle der spektralen S\u00e4ttigungen gewonnen ist. Da wir auf die in dieser Tabelle enthaltenen Angaben uns im Nachstehenden vielfach zu beziehen haben, geben wir auch diese Tabelle hier wieder.\nDie Theorie der Farbenempfindungen hat nun die Aufgabe, zu zeigen, wie die in dieser Tabelle angef\u00fchrten Eichwerte in Verbindung mit den Annahmen, die sie hinsichtlich der an die Eichlichter sich anschlie\u00dfenden Erregungsvorg\u00e4nge vertritt, einen spektralen Gang des S\u00e4ttigungsgrades (d. h. des Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n263\nzwischen der chromatischen und der achromatischen Sehnervenerregung), der ganz dem in obiger Tabelle dargelegten Gange entspricht, ableiten oder wenigstens verstehen lassen.\nTabelle 2 Eich wert tabell e\nWellenl\u00e4nge in gg\t1. Eichlicht\t2. Eichlicht\t3. Eichlicht\n720\t0,03\t\t\t\n700\t0,13\t\u2014\t\u2014\n680\t0,45\t0,00\t\u2014\n660\t1,55\t0,03\t\u2014\n650\t1,56\t0,10\t\u2014\n640\t3,84\t0,29\t\u2014\n630\t5,07\t0,63\t\u2014\n620\t6,50\t1,66\t\u2014\n610\t7,66\t2,90\t\u2014\n600\t8,44\t4,78\t\u2014\n590\t8,63\t6,70\t\u2014\n580\t8,63\t8,76\t\u2014\n570\t8,44\t10,50\t\u2014\n560\t8,15\t11,63\t\u2014\n550\t7,52\t11,83\t0,00\n540\t6,69\t10,79\t0,08\n530\t5,53\t9,40\t0,30\n520\t4,19\t7,78\t0,81\n510\t2,60\t5,02\t1,80\n500\t1,36\t2,74 /\t3,15\n490\t0,61\t1,57\t5,52\n480\t0,32\t1,04\t11,30\n470\t0,11\t0,76\t14,40\n460\t0,02\t0,45\t14,60\n450\t0,00\t0,20\t13,70\n440\t\u2014\t0,08\t11,80\n430\t\u2014\t0,03\t8,70\n410\t\u2014\t0,00\t3,85\n400\t\u2014\t\u2014\t2,00\n390\t\u2014\t\u2014\t0,67\n380\t\u2014\t\u2014\t0,00\n20*","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\nGeorg Elias M\u00fcller\nDa\u00df die Young-Helmholtzsche Theorie, nach welcher die Weiblichkeit einer gleichstarken Erregung aller 3 Komponenten entspricht, dieser Aufgabe nicht zu gen\u00fcgen vermag, liegt auf der Hand. Denn, da, wie die Eichwerttabelle veranschaulicht, die dritte der drei Komponenten gem\u00e4\u00df den Feststellungen von v. Kbies und von Kohlkausch und Sachs bei ausschlie\u00dflichem Tagessehen erst in der Gegend von 540einsetzt, so m\u00fc\u00dften nach dieser Theorie alle vor dieser Gegend gelegenen Spektrallichter der Wei\u00df-lichkeit ganz entbehren, also maximale S\u00e4ttigung besitzen.1 Auch wenn man von diesem durchschlagenden Einwande ganz absieht und die tats\u00e4chlich auf einer erheblichen Mitwirkung des St\u00e4bchenapparates beruhenden Eichlichterkurven von K\u00f6nig und Dietekici zugrunde legt, erscheint jene Theorie unzul\u00e4nglich, weil sie den Anstieg der S\u00e4ttigung, der von 580 ju/i bis 550 erfolgt, nicht zu erkl\u00e4ren vermag. Denn innerhalb dieser Grenzen erf\u00e4hrt nach jenen Kurven die schw\u00e4chste der drei Komponenten, die Violettoder Blaukomponente eine Zunahme, der nach der Theorie ein Anwachsen der Wei\u00dflichkeit entsprechen m\u00fc\u00dfte.\nIch bringe nun kurz die in der von mir aufgestellten Theorie der Farbenempfindungen enthaltenen Annahmen in Erinnerung, die uns die hier erw\u00e4hnte Ableitung oder wenigstens Erkl\u00e4rung des spektralen Ganges des S\u00e4ttigungsgrades erm\u00f6glichen sollen. Diese Annahmen sind folgende.\nJeder der drei in den Zapfen hervorgerufenen photochemischen Prozesse, die wir kurz als Pr, Pu- und Pm-Proze\u00df bezeichnen, besitzt einen unmittelbaren Wei\u00df wert, d. h. wirktunmittelbar auf die nerv\u00f6se Sehsubstanz im Sinne der Erweckung von Wei\u00dferregung ein.\n1 Da es Obigem gem\u00e4\u00df nicht m\u00f6glich ist, die Entstehung der Wei\u00dfempfindung im Sinne der Young-Helmholtzschen Theorie durch ein positives Zusammenwirken der Komplement\u00e4rfarben zu erkl\u00e4ren, bleibt nichts anderes \u00fcbrig, als sie als das Restph\u00e4nomen eines antagonistischen Zusammenwirkens der Komplement\u00e4rfarben aufzufassen. Ber\u00fccksichtigt man ferner die von mir schon fr\u00fcher (I, S. 103) hervorgehobene Tatsache, da\u00df die Versuchsresultate von Orbeli und Dittler ergeben, da\u00df nicht die von den Lichtreizen unmittelbar erweckten peripheren Vorg\u00e4nge selbst, sondern nur die von ihnen ausgehenden Erregungsantriebe in antagonistischen Beziehungen stehen, so kommt man, falls man die von mir (I, S. 616 ff.) n\u00e4her begr\u00fcndete Annahme dreier peripherer Komponenten zugrunde legt, notwendig zu den oben dargelegten Annahmen hinsichtlich der Wirkungsweisen der drei P-Prozesse.","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n265\nFerner rnft der Pi-Proze\u00df in der (funktionellen) retinalen Zone der chronischen Schaltprozesse 9t-Proze\u00df und \u00a9-Proze\u00df 1 hervor, der Pn-Proze\u00df bewirkt \u00a9-Proze\u00df und \u00a9-Proze\u00df, der Pm-Proze\u00df nur 33-Proze\u00df. Wir dr\u00fccken dies kurz in der Weise aus, da\u00df wir sagen, der PrProze\u00df besitze einen 3t-Wert und \u00a9-Wert, der Pn-Proze\u00df einen \u00a9-Wert und \u00a9-Wert, der Pm-Proze\u00df nur einen S3-Wert.\nDer 3t-Proze\u00df hat einen inneren R-, E- und W-Wert, d. h. er ruft in der nerv\u00f6sen Sehsubstanz R-, E- und W-(Wei\u00df-)Erregung hervor. Der \u00a9-Proze\u00df besitzt einen inneren E-, G- und W-Wert, der \u00a9-Proze\u00df einen G-, B- und S-(SchwTarz-)Wert, der S3-Proze\u00df einen B-, R- und S-Wert.\nDer innere W-Wert des \u00a9-Prozesses ist st\u00e4rker als derjenige des 3t-Prozesses, der innere S-Wert des S3-Prozesses st\u00e4rker als derjenige des \u00a9 Prozesses.\nEs besteht Antagonismus zwischen einem 3\u00ce- und \u00a9-Werte, einem \u00a9- und 23-Werte. Entsprechendes gilt von dem R- und G-Werte, E- und B-Werte.\nNach Vorstehendem setzt sich die Wei\u00dfvalenz einer Spektralfarbe aus zwei Komponenten zusammen, aus den unmittelbaren Wei\u00df werten der durch die Farbe bewirkten P-Prozesse und aus den Wei\u00df- oder Schwarzwerten der durch diese Prozesse erweckten chromatischen Netzhautprozesse.\nUm nun auf Grund dieser S\u00e4tze aus der Eichwerttabelle n\u00e4heres hinsichtlich der spektralen Verl\u00e4ufe der chromatischen und achromatischen Erregung und des S\u00e4ttigungsgrades entnehmen zu k\u00f6nnen, m\u00fcssen wir uns zun\u00e4chst dar\u00fcber klar werden, welche Wirkungen den drei Eichlichtern in Beziehung auf die drei P-Prozesse zukommen. Von dem ersten, der langwelligen Endstrecke angeh\u00f6renden Eichlichte, ist unbedenklich anzunehmen, da\u00df es ausschlie\u00dflich Pi-Proze\u00df erweckt. Dieses Eichlicht l\u00e4\u00dft also einen 9t-Antrieb und einen schw\u00e4cheren \u00a9-Antrieb entstehen und besitzt eine Wei\u00dfvalenz, die auf dem unmittelbaren Wei\u00dfwerte des Pi-Pro-zesses und auf den inneren Wei\u00dfwerten des entstehenden 9t-Prozesses und \u00a9-Prozesses beruht.\n1 Ebenso wie fr\u00fcher bezeichne ich hier die vier chromatischen Netzhautprozesse mit Hilfe deutscher Buchstaben als >H-, (\u00a3- (Gelb) 03-und 33 Proze\u00df, dagegen die vier chromatischen Sehnervenerregungen mit Hilfe lateinischer Buchstaben als R-, E-, G-, B-Erregung.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nGeorg Elias M\u00fcller\nBetreffs des dritten Eichlichtes von der Wellenl\u00e4nge 430^ kann nach der Feststellung von A. K\u00f6nig, da\u00df manche Tritanopen ein Licht von 420 /1jll noch gr\u00fcnlich empfinden, kein Zweifel dar\u00fcber bestehen, da\u00df es neben Pm-Proze\u00df noch schwachen Pn-Proze\u00df hervorruft. Der von dem ersteren Prozesse ausgehende ^-Antrieb \u00fcberkompensiert den von dem letzteren Prozesse ausgehenden \u00a9-Antrieb in hohem Grade, so da\u00df ein 23-Proze\u00df von erheblicher St\u00e4rke resultiert, der mit einem B-Antriebe und einem R-Antriebe auf die nerv\u00f6se Sehsubstanz wirkt. Der Pn-Proze\u00df l\u00e4\u00dft neben einem \u00a9-Antriebe noch einen \u00a9-Antrieb entstehen. Der durch diesen erweckte \u00a9-Proze\u00df \u00fcbt auf die nerv\u00f6se Sehsubstanz einen G-Antrieb und B-Antrieb aus. Der erstere dieser beiden Antriebe wird durch den st\u00e4rkeren R-Antrieb, der von dem 23-Prozesse ausgeht, \u00fcberkompensiert, w\u00e4hrend der letztere mit dem von dem ^-Prozesse ausgehenden B-Antriebe zusammenwirkt, so da\u00df als Endwirkung des dritten Eichlichtes eine Violettempfindung entsteht. Die Wei\u00dfvalenz dieses Lichtes wird durch die unmittelbaren Wei\u00dfwerte des Pn- und des Pni-Prozesses und die inneren Schwarz werte des entstehenden \u00a9- und ^-Prozesses bestimmt.\nDas zweite Eichlicht ist ein errechnetes ideelles Eichlicht von dem Farbentone von etwa 512 fi/j, und von supraspektraler S\u00e4ttigung. Um den Farbenton desselben richtig zu charakterisieren, darf man sich nicht an die vorliegenden direkten Bestimmungen der spektralen Stelle des Urgr\u00fcn halten. Denn diese Bestimmungen, von denen manche dem Urgr\u00fcn eine Wellenl\u00e4nge erteilen, die bedeutend gr\u00f6\u00dfer ist als 512 ///x, sind viel zu sehr von der Tendenz des gelblichen Gr\u00fcn der Vegetation, uns als Prototyp des Gr\u00fcn zu dienen, beeinflu\u00dft.1 Man mu\u00df das Urgr\u00fcn mittels der neutralen Stelle des Spektrums der Deuteranopen bestimmen, deren Feststellung nicht in gleichem Ma\u00dfe wie die direkte Bestimmung des Urgr\u00fcn\n1 Da\u00df die hinsichtlich der spektralen Lage der Urfarben, namentlich des Urgr\u00fcn, bestehenden starken individuellen Verschiedenheiten wesentlich psychologischen und nicht physiologischen Ursprunges sind, hat West-phals (S. 213 ff.) gezeigt. Ich weise hier noch auf Folgendes hin. Angenommen z. B., von zwei Vpn. finde die eine ihr Urgr\u00fcn bei 497 gg, die andere bei 530 gg \u2014 es kommen noch gr\u00f6\u00dfere Differenzen als diese vor \u2014 \u00e9o m\u00fc\u00dfte, wenn die wirklichen Lagen des Urgr\u00fcn diesen Angaben entspr\u00e4chen, auch die Empfindlichkeit f\u00fcr Farbentonunterschiede bei beiden Vpn. im Bereiche der gr\u00fcnlichen Spektralfarben einen ganz verschiedenen Gang nehmen.","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n267\neiner psychologischen Fehlerquelle unterliegt. Nach den vorliegenden Mitteilungen findet sich die neutrale Stelle der Deute-ranopen in der Gegend von 499 juju. Legen wir diese Wellenl\u00e4nge als diejenige des Urgr\u00fcn zugrunde, so stellt sich das ideelle Eichlicht von 512 als ein solches dar, dessen Empfindung gelbgr\u00fcn ist und zwar dem Urgr\u00fcn n\u00e4her steht als dem Urgelb. Und wir haben keinerlei Tatsachen feststellen k\u00f6nnen, welche der naheliegenden und plausiblen Annahme widerspr\u00e4chen, da\u00df der Farbenton des Eichlichtes von 512 pp einfach der Farbenton der Empfindung sei, die der alleinigen Einwirkung von Pn-Proze\u00df entspreche.1 Von diesem Prozesse gehen ja nach unserer Theorie ein \u00a9-Antrieb und ein Antrieb aus, mit dem Resultat des Eintretens einer gelbgr\u00fcnen Empfindung. Wenn nach der Eichwerttabelle von Kohlkausch ein Licht von 512 /iju einem Quantum des zweiten Eichlichtes nebst erheblichen Mengen des ersten und dritten Eichlichtes \u00e4quivalent ist, so beruht dies darauf, da\u00df wir es hier nicht mit dem ideellen Eichlichte von 512 /qw, sondern mit dem reellen Reizlichte von dieser Wellenl\u00e4nge zu tun haben, dessen betr\u00e4chtliche Wei\u00dflichkeit eine Inanspruchnahme aller drei Eichlichter erwarten l\u00e4\u00dft. Selbstverst\u00e4ndlich gewinnt eine Eichnung des Spektrums an Wert, wTenn sich zeigen l\u00e4\u00dft, da\u00df die Eigenschaft, nur einen einzigen, ihm zugeh\u00f6rigen photochemischen Vorgang in den Zapfen zu erwecken, dem ersten und dem zweiten Eichlichte uneingeschr\u00e4nkt und dem dritten Eichliche wenigstens mit sehr gro\u00dfer Ann\u00e4herung zukommt.2\nZu erw\u00e4hnen ist noch, da\u00df die obige Eichwerttabelle sich auf das von einem normalen Auge mit mittlerer makularer Pigmentierung wahrgenommene Interferenzspektrum des Nitralichtes bezieht. Dies ist zu ber\u00fccksichtigen, wenn die im Nachstehenden von uns zu konstruierenden spektralen Verl\u00e4ufe der chromatischen und achromatischen Erregung mit den an Spektren anderen Ursprunges erhaltenen entsprechenden Verl\u00e4ufen etwa verglichen\n1\tDoch ist, wie unschwer zu erkennen, das Wesentliche unserer nachfolgenden Ausf\u00fchrungen nicht an die strenge G\u00fcltigkeit dieser Annahme gebunden.\n2\tMit der Annahme, da\u00df weder das erste noch das zweite Eichlicht Pm-Proze\u00df erwecke, steht die Tatsache in Einklang, da\u00df in F\u00e4llen von Hemeralopie, in denen starke Minderwertigkeit der Pm-Erregbarkeit bestand, Abweichungen von der Kayleighgleichung von K\u00f6llner (S. 248) nicht beobachtet worden sind.","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268\nGeorg Elias M\u00fcller\nwerden. Es kommen f\u00fcr einen solchen Vergleich vor allem die Verteilung der Helligkeitswerte (Flimmerwerte, Peripheriewerte usw.) im Sonnenspektrum und die von Be\u00fcckneb (S. 338 ft.) durchgef\u00fchrten Bestimmungen der Eichwertkurven der vier Urfarben-valenzen in Betracht. Selbstverst\u00e4ndlich sind bei derartigen Vergleichen auch die individuellen Differenzen der makularen Pigmentierung in R\u00fccksicht zu ziehen.\nWir gehen nun dazu \u00fcber, zu zeigen, wie sich der aus Tabelle 1 zu ersehende spektrale Gang des S\u00e4ttigungsgrades auf Grund der spektralen Verl\u00e4ufe der P-Prozesse, die sich aus den spektralen G\u00e4ngen der drei Eichlichter ergeben, mit Hilfe unserer Anschauungen von den Wirkungsweisen der P-Prozesse und der sich an sie anschlie\u00dfenden chromatischen Netzhautvorg\u00e4nge erkl\u00e4ren oder sogar ableiten l\u00e4\u00dft.\nIn der langwelligen Endstrecke ist der S\u00e4ttigungsgrad bei gleicher Empfindungsst\u00e4rke selbstverst\u00e4ndlich konstant. Ich habe schon fr\u00fcher darauf hingewiesen, da\u00df das Bestehen einer ausgedehnten spektralen Strecke, deren Lichter durch blo\u00dfe Intensit\u00e4ts\u00e4nderung auf gleiche R\u00f6tlichkeit, Gelblichkeit und Wei\u00dflichkeit gebracht werden k\u00f6nnen, zwar selbstverst\u00e4ndlich ist, wenn man mit uns annimmt, da\u00df alle Lichter dieser Strecke einen und denselben photochemischen Proze\u00df, der sowohl R-Erregung als auch E- und W-Erregung erwecke, hervorrufen, dagegen mindestens sehr merkw\u00fcrdig erscheint, wenn man annimmt, da\u00df durch alle Lichter dieser Strecke drei verschiedene Erregungen erweckt w\u00fcrden, deren Abh\u00e4ngigkeiten von der Wellenl\u00e4nge so zueinander stimmten, da\u00df das angef\u00fchrte Charakteristikum der langwelligen Endstrecke herauskomme. Dieses Bedenken richtet sich ebenso wie gegen die Heringsche Theorie auch gegen die von Yotou-Helmholtz.\nVon 650//// bis 580//// verringert sich nach Tabelle 1 der S\u00e4ttigungsgrad fast auf die H\u00e4lfte. Dies erkl\u00e4rt sich folgenderma\u00dfen. Nach der Eichwerttabelle erf\u00e4hrt bei abnehmender Wellenl\u00e4nge das rote Eichlicht bis in die Gegend von 580 //// eine Zunahme, indem sich ihm gleichzeitig in wachsendem Ma\u00dfe gr\u00fcnes Eichlicht zugesellt. Was die Wirkungen anbelangt, welche das hieraus zu erschlie\u00dfende Anwachsen des Pj- und Pn-Prozesses in Beziehung auf die chromatische Komponente der Sehnervenerregung hat, so macht sich das Anwachsen der von den beiden P-Prozessen ausgehenden (5-Antriebe im Sinne einer Zunahme der E-Erregung geltend. Andererseits verringert sich bei abnehmender","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\t269\nWellenl\u00e4nge die von dem 3t-Prozesse hervorgerufene R-Erregung infolge des Umstandes, da\u00df der von dem Pn Prozesse ausgehende, der Entstehung von 3t-Proze\u00df entgegenwirkende \u00a9-Antrieb sich steigert. In der Gegend des Urgelb, etwa bei 580 fiju, ist schlie\u00dflich infolge dieses Miteingreifens des Pn-Prozesses diese zweite Komponente der chromatischen Erregung ganz geschwunden. Wenn also die chromatische Sehnervenerregung beim \u00dcbergange zu hSO/uju \u00fcberhaupt eine Zunahme erf\u00e4hrt, so kann diese doch nur eine recht m\u00e4\u00dfige sein. Wesentlich anders verh\u00e4lt sich die achromatische Sehnervenerregung. Denn beim \u00dcbergange zu 580 /ifi verringert sich zwar der innere Wei\u00dfwert des 3\u00ce-Prozesses bis auf den Null wert, aber der Wei\u00df wert des ^-Prozesses steigt bedeutend an, und es erh\u00f6ht sich der unmittelbare Wei\u00dfwert sowohl des Pr als\nauch des Pn-Prozesses. Infolge dieser Verh\u00e4ltnisse mu\u00df beim \u2022 \u2022\n\u00dcberg\u00e4nge von der langwelligen Endstrecke zu 580 ///* die Weiblichkeit der Empfindung zunehmen und ihr S\u00e4ttigungsgrad sich verringern. Die S\u00e4ttigungsabnahme w\u00fcrde eine noch etwas gr\u00f6\u00dfere sein, wenn nicht die chromatische Nebenwirkung einer Zunahme der Wei\u00dferregung die Roterregung und noch mehr die Gelberregung etwas f\u00f6rderte.1\nVon 580 pifi bis 550^ (inklusive) steigt nach der Tabelle 1 die S\u00e4ttigung wieder etwas an. Dies erkl\u00e4rt sich folgenderma\u00dfen. Wie die Werte des roten und des gr\u00fcnen Eichlichtes zeigen, erf\u00e4hrt in diesem Spektralbezirke bei abnehmender Wellenl\u00e4nge der Pi Proze\u00df eine Abnahme und der Pn-Proze\u00df eine Zunahme. Es w\u00e4chst also der von dem letzteren Prozesse ausgehnde (^-Antrieb und \u00a9-Antrieb, w\u00e4hrend der von dem ersteren Prozesse ausge\u00fcbte (^-Antrieb und dem \u00a9-Antriebe entgegenwirkende 3\u00ce-Antrieb sich verringert. Es ist aber in diesem Bezirke der Abfall des roten Eichlichtes bedeutend geringer als der Anstieg des gr\u00fcnen Eichlichtes, so da\u00df anzunehmen ist, die Abnahme des von dem Pr Prozesse ausgehenden g-Antriebes werde durch die gleichzeitige Zunahme des dem Pn-Prozesse entstammenden (\u00a3-Antriebes mindestens kompensiert. Die Abnahme des von dem PpProzesse ausgehenden 3\u00ce-Antriebes dient dazu, das Anwachsen des \u00a9-Antriebes noch ausgepr\u00e4gter ausfallen zu lassen. Die chromatische Komponente der Sehnervenerregung erf\u00e4hrt also in diesem Spektralbezirke eine Zunahme. Die achromatische Erregung erleidet eine (auch an den Peri-\n1 Von den chromatischen Nebeneinfl\u00fcssen der achromatischen Vorg\u00e4nge habe ich fr\u00fcher (I, S. 555 ff.) n\u00e4her gehandelt.","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nGeorg Elias M\u00fcller\npherie-und Flimmerwerten der Farben des Sonnenspektrums ersichtliche) Abnahme, die darauf beruht, da\u00df zwar der unmittelbare Wei\u00dfwert des Pn-Prozesses sich erh\u00f6ht, aber derjenige des Pj-Prozesses abnimmt und gleichzeitig der zunehmenden Gr\u00fcnlichkeit und abnehmenden Gelblichkeit entsprechend der Schwarzwert des \u00a9-Prozesses gegen\u00fcber dem Wei\u00dfwerte des (^-Prozesses immer st\u00e4rker wird. Dieser Abnahme der achromatischen Erregung mu\u00df bei gleichzeitiger Zunahme der chromatischen Erregung ein Anwachsen des S\u00e4ttigungsgrades entsprechen.\nVon 540 [\u00e2i\u00e2 bis 510 /liju zeigt die S\u00e4ttigung eine auffallend starke Abnahme. Diese beruht darauf, da\u00df bei 540 [a/a einerseits ein starker Abfall des gr\u00fcnen Eichlichtes, also des Pn-Prozesses einsetzt und andererseits der Anstieg des dritten Eichlichtes und des Pm-Prozesses beginnt. Es nehmen also in diesem Spektralbezirke bei abnehmender Wellenl\u00e4nge die von dem Pr und Pn-Prozesse ausgehenden (\u00a3-Antriebe infolge des Absinkens dieser Prozesse ab, w\u00e4hrend der von dem an wachsenden Pm-Prozesse ausge\u00fcbte 23-Antrieb noch \u00fcberdies diesen (\u00a3-Antrieben entgegenwirkt. Infolge der so zustande kommenden starken Abnahme der Gelberregung \\ mit der \u00fcberdies noch ein Absinken der Gr\u00fcnerregung verbunden ist, verringert sich auch der S\u00e4ttigungsgrad, obwohl auch die Wei\u00dferregung in diesem Bereiche bei abnehmender Wellenl\u00e4nge sich etwas vermindert. Diese Abnahme der Wei\u00dferregung entspringt daraus, da\u00df der f\u00f6rderliche Einflu\u00df, den das Anwachsen des unmittelbaren Wei\u00dfwertes des PnrProzesses in Beziehung auf diese Erregung aus\u00fcbt, durch den gegenteiligen Einflu\u00df \u00fcberkompensiert wird, der aus dem Absinken der unmittelbaren Wei\u00dfwerte des Pr und Pn-Prozesses, sowie aus dem Umstande entspringt, da\u00df der innere Wei\u00dfwert des (5-Prozesses immer mehr hinter dem Schwarzwerte des \u00a9-Prozesses zur\u00fccktritt.\nNachdem der S\u00e4ttigungsgrad in der Gegend von 510 [a/a sein Minimum erreicht hat, steigt er, bis 470 ja/a ziemlich schnell, von da ab bis 450 [AfA nur langsam, wdeder empor. Hierzu ist Folgendes zu bemerken. In dem Bezirke 510 [A[a bis 470 [AfA nimmt das dritte Eichlicht bei abnehmender Wellenl\u00e4nge schnell zu, w\u00e4hrend das erste und das zweite Eichlicht sich weiter verringern. Ebenso wie das starke Ansteigen des von dem Pm-Prozesse ausgehenden\n1 Den Beginn eines steileren Abfalles der Gelberregung bei 540 gg zeigt auch die von Br\u00fcckner erhaltene Kurve der Gelbvalenz.","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n271\n^-Antriebes macht sich auch die gleichzeitige Abnahme der von den beiden anderen P-Prozessen ausgehenden Antriebe im Sinne einer Zunahme der B-Erregung bei abnehmender Wellenl\u00e4nge geltend, so da\u00df die B-Erregung bei 470 pp eine relativ hohe St\u00e4rke erreicht. Der von dem 23-Prozesse ausgehende R-Antrieb dient dazu, den G Antrieb, der dem von dem Pn-Prozesse erweckten G-Prozesse entstammt, in wachsendem Ma\u00dfe zu kompensieren, bis schlie\u00dflich in der Gegend von 470 pp das Urblau erreicht ist. Die Verringerung der chromatischen Sehnervenerregung, welche die so zustandekommende Herabsetzung und Aufhebung der G-Erregung darstellt, d\u00fcrfte aber bedeutend geringer sein als die Verst\u00e4rkung, welche der chromatischen Sehnervenerregung durch die aus mehrfachem Grunde schnell anwachsende B-Erregung zuteil wird, so da\u00df der Abnahme der Wellenl\u00e4nge in diesem Spektralgebiete bei dem weiteren Absinken der Wei\u00dferregung eine betr\u00e4chtliche Zunahme des S\u00e4ttigungsgrades entspricht. Das weitere Absinken der W-Er-regung beruht darauf, da\u00df das Ansteigen des unmittelbaren Wei\u00dfwertes des Pm-Prozesses durch den Abfall der unmittelbaren Wei\u00dfwerte der beiden anderen P-Prozesse und den Umstand \u00fcberkompensiert wird, da\u00df der innere Sch warzwert des \u00a9-Prozesses immer mehr dem st\u00e4rkeren SchwTarzwert des 23-Prozesses Platz macht.\nDa\u00df von 470 pp bis 450 pp der S\u00e4ttigungsgrad noch ein wenig\nweiter anw\u00e4chst, kann befremdend erscheinen, weil das dritte Eich-\n\u2022 \u2022\nlicht bei diesem \u00dcberg\u00e4nge, wenigstens von 460 pp ab, keine Zunahme, sondern sogar eine geringe Abnahme aufwTeist. Diese Zunahme des S\u00e4ttigungsgrades erkl\u00e4rt sich daraus, da\u00df von dem Urblau ab infolge der weiteren Abnahme des von dem Pn-Prozesse hervorgerufenen \u00a9-Prozesses der R-Wert des 23-Prozesses immer weniger zur Kompensierung des \u00a9-Wertes des \u00a9-Prozesses verbraucht wird und immer mehr positiv im Sinne der Erwreckung von R-Erregung wirkt und hierdurch die Gesamtintensit\u00e4t der chromatischen Erregung erh\u00f6ht. Auch kommt in Betracht, da\u00df eine Abnahme des unmittelbaren Wei\u00dfwertes des Pni-Prozesses im Sinne einer Erh\u00f6hung des S\u00e4ttigungsgades wirksam ist.\nMan konnte bisher an den Ausf\u00fchrungen, die ich \u00fcber die von mir auf gestellte Theorie der Farbenempfindungen gegeben habe, eine n\u00e4here Stellungnahme zu den Resultaten der Eichung des Spektrums vermissen. Diese L\u00fccke d\u00fcrfte durch die vorstehenden Darlegungen reichlich ausgef\u00fcllt sein.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\nGeorg Elias M\u00fcller\n\u00a7 2. Der Wendepunkt der Farbigkeit\nEin Teil der Versuche von Pukdy bezog sich auf den (von R\u00e9v\u00e9sz so genannten) Wendepunkt der Farbigkeit, d.h. auf die Lichtst\u00e4rken der Spektralfarben, bei denen die bei wachsender Lichtst\u00e4rke anf\u00e4nglich stattfindende Zunahme der Farbens\u00e4ttigung einer Abnahme Platz macht. Es erhebt sich hier zun\u00e4chst die Frage, wie die Tatsache zu erkl\u00e4ren sei, da\u00df die S\u00e4ttigung jeder Farbe bei Erh\u00f6hung ihrer Lichtst\u00e4rke von einem geringen Betrage ab zun\u00e4chst anw\u00e4chst, obwohl wir gem\u00e4\u00df dem von mir fr\u00fcher (I, S. 265 f.) Dargelegten dem Wei\u00dfschwarzsinne eine h\u00f6here nutritive T\u00fcchtigkeit und Leistungsf\u00e4higkeit zuzuschreiben haben als dem Rotgr\u00fcn-und dem Gelbblausinne. Die Antwort auf diese Frage ist schon von R\u00e9v\u00e9sz (S. 54 ff.) gegeben worden. \u201eIst das einwirkende Spektrallicht nur schwach, so ist, obwohl die Wei\u00dfvalenz des Spektrallichtes auch nur klein ist, die Intensit\u00e4t der chromatischen Erregung im Vergleich zu der Intensit\u00e4t der achromatischen Erregung nur gering, weil sich ja letztere keineswegs nur nach der St\u00e4rke der vorhandenen Wei\u00dfvalenz, sondern auch nach den Ursachen der endogenen W- und S-Erregunng bestimmt. Steigert man das Spektrallicht, so nimmt zun\u00e4chst das Gewicht der chromatischen Erregung zu \\ weil der Vorteil, den die achromatische Erregung infolge der inneren Ursachen der endogenen Erregung besitzt, um so mehr zur\u00fccktritt, je st\u00e4rker das ein wirkende \u00e4u\u00dfere Licht ist. Bei weiterer Steigerung des letzteren nimmt aber schlie\u00dflich das Gewicht der chromatischen Erregung wieder ab, weil infolge der nutritiven Minderwertigkeit der beiden chromatischen Spezialsinne . . . die chromatische Erregung nicht in gleichem Verh\u00e4ltnisse an w\u00e4chst wie die achromatische Erregung.\u201c Werden die Versuche in der Weise angestellt, da\u00df man die Pr\u00fcfung, wie sich die S\u00e4ttigung der gegebenen Farbe bei einer kleinen Erh\u00f6hung ihrer Lichtst\u00e4rke verhalte, bei niederen Lichtst\u00e4rken beginnt und zu immer h\u00f6heren Lichtst\u00e4rken fortschreitet, so wird, falls die Versuche nicht mit v\u00f6llig helladaptierten Augen stattfinden, ein zunehmendes Hervortreten der chromatischen Erregung vor der achromatischen auch dadurch beg\u00fcnstigt, da\u00df die Mitwirkung des\n1 Hierbei wird, wie ich schon fr\u00fcher (I, S. 458) bemerkt habe, die chromatische Erregung dadurch gef\u00f6rdert, da\u00df bei Erh\u00f6hung der Lichtst\u00e4rke mit der Intensit\u00e4t der W-Erregung zugleich auch die Menge de\u00bb der chromatischen Erregung auf katalytischem Wege f\u00f6rderlichen W-Mate-riales zunimmt.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n273\nSt\u00e4bchenapparates um so mehr zur\u00fccktritt, zu je h\u00f6heren Lichtst\u00e4rken man emporschreitet.\nPurdy hat nun f\u00fcr 20 Spektralfarben, die sich \u00fcber den Bereich von 700bis 440 fift verteilten, den Wendepunkt der Farbigkeit (die Lichtst\u00e4rke der maximalen Farbens\u00e4ttigung) bestimmt. Jeder dieser 20 durchschnittlichen Bestimmungen lagen 15 Einzelbestimmungen zugrunde. Es ergab sich, da\u00df die Lichtst\u00e4rke der maximalen S\u00e4ttigung (in Photons1 ausgedr\u00fcckt) f\u00fcr Gelb einen maximalen Wert besa\u00df und vom Gelb nach beiden Seiten des Spektrums hin stark abfiel. So besa\u00df jene Lichtst\u00e4rke z. B. f\u00fcr die Wellenl\u00e4nge 660, 565, 505 und 460 fipt bzw. die Werte 44, 219, 62, 12. Mit diesen Versuchsresultaten von Purdy stehen die von ihm angef\u00fchrten Ergebnisse fr\u00fcherer Versuche von J. A. Haupt in Einkl\u00e4nge. Bei diesen Versuchen zeigte sich, da\u00df die maximale S\u00e4ttigung im Gelb (580 juju.) erst bei einer sehr hohen (very high) Lichtst\u00e4rke, dagegen zu beiden Seiten des spektralen Gelb bei relativ niedrigen Lichtst\u00e4rken erreicht wurde ; das Minimum der Lichtst\u00e4rke der maximalen S\u00e4ttigung fand sich im Blau (bei 463 juju).\nAuch die hierher geh\u00f6rigen Versuche von R\u00e9v\u00e9sz, die P. ganz entgangen sind, f\u00fchren zu den gleichen Schlu\u00dffolgerungen. Dieser Forscher bestimmte f\u00fcr sieben auf schwarzem Grunde erscheinende 2 Spektralfarben die Spaltweiten des Kollimatorspaltes, bei denen der Punkt der maximalen S\u00e4ttigung erreicht war. Wenn man nun diese Spaltweiten \u00fcberblickt und zugleich die Helligkeiten der Spektralfarben, auf die sie sich beziehen, in R\u00fccksicht zieht, so erkennt man ohne weiteres, da\u00df auch nach diesen Versuchen die maximale S\u00e4ttigung beim Gelb bei einer viel gr\u00f6\u00dferen Helligkeit erreicht wurde als bei den \u00fcbrigen Farben. Denn, da\u00df ein Spektrallicht von der Wellenl\u00e4nge 582 fifx \u2014 R\u00e9v\u00e9sz benutzte das Dispersionsspektrum des Auerlichtes \u2014 bei der Spaltweite 130 eine viel gr\u00f6\u00dfere Helligkeit besa\u00df als z. B. ein Licht von 652 juu bei der Spaltweite 110 oder ein Licht von 480 /ifi bei der Spaltweite 190, ist ohne weiteres klar.\nEs ist also eine sicher nachgewiesene Tatsache, da\u00df die Helligkeit der maximalen S\u00e4ttigung im Gelb ein ausgepr\u00e4gtes Maximum und im Blau einen relativ recht niedrigen Wert besitzt. Wie ist\n1\t\u00dcber den Begriff des Photon folgt N\u00e4heres auf S. 292.\n2\tAuf die Versuche von R\u00e9v\u00e9sz, bei denen sich die Spektralfarben auf wei\u00dfem Grunde befanden, kommen wir weiterhin (S. 277) zu sprechen.","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\nGeorg Elias M\u00fcller\ndieser Tatbestand zu erkl\u00e4ren? W\u00fcrde man sagen, es sei zu verstehen, da\u00df das spektrale Gelb gem\u00e4\u00df der hohen Wei\u00dflichkeit, die es bei gew\u00f6hnlichen Beobachtungsbedingungen zeige, auch den Punkt der maximalen S\u00e4ttigung unter allen Spektralfarben bei der h\u00f6chsten Helligkeit erreiche, so w\u00fcrde darauf hinzuweisen sein, da\u00df, wie Tab. 1 auf S. 262 zeigt, das spektrale Gelb keineswegs die am wenigsten ges\u00e4ttigte der Spektralfarben ist, sondern das Gr\u00fcn noch bedeutend an S\u00e4ttigung \u00fcbertrifft.1 Die S\u00e4ttigung des Gelb von 575 ixix betr\u00e4gt nach jener Tabelle etwa 5,8, diejenige des Gr\u00fcn von 510 h/li nur 2,4. Dagegen erreicht, nach Purdys Tabelle jenes Gelb den Punkt der maximalen S\u00e4ttigung bei 175, dieses Gr\u00fcn bei etwa 74 Photons. Da\u00df der S\u00e4ttigungsgrad nicht der ausschlaggebende Faktor in Beziehung auf die Helligkeit der maximalen S\u00e4ttigung ist, zeigt auch ein Vergleich von Rot und Blau. F\u00fcr ein Licht von 660 ju/u und ein solches von 460 fi/x ist nach Kohlrauschs Tabelle der S\u00e4ttigungsgrad ungef\u00e4hr derselbe (ungef\u00e4hr 11), die Helligkeit der maximalen S\u00e4ttigung dagegen wird von ersterem Lichte bei 44, von letzterem bei nur 12 Photons erreicht. Es scheint hier also ein Faktor im Spiele zu sein, der dahin wirkt, die Helligkeit der maximalen S\u00e4ttigung bei dem Gelb nach oben hin und bei dem Blau nach unten hin zu verschieben.\nDieser Faktor ist der chromatische Nebeneinflu\u00df der achromatischen Erregungen, \u00fcber den ich fr\u00fcher (I, S. 555 ff.) an der Hand von Tatsachen n\u00e4her gehandelt habe. Die Wirksamkeit dieses Faktors wird durch folgende S\u00e4tze dargelegt. Eine Wei\u00dferregung macht sich nach Ma\u00dfgabe ihrer St\u00e4rke im Sinne einer F\u00f6rderung der Roterregung und noch mehr der Gelberregung und im Sinne einer Benachteiligung der Gr\u00fcnerregung und noch mehr der Blauerregung geltend. In entsprechender Weise ist eine Schwarzerregung f\u00fcr die Gr\u00fcnerregung und noch mehr f\u00fcr die Blauerregung f\u00f6rderlich, dagegen f\u00fcr die Roterregung und noch mehr f\u00fcr die Gelberregung nachteilig. Ist nun die Empfindung eines m\u00e4\u00dfig starken gelben Lichtes gegeben, so wirkt bei sukzessiven Verst\u00e4rkungen desselben der Tendenz der anwachsen-\n1 Der Umstand, da\u00df das Gelb eine bedeutend h\u00f6here Eigenhelligkeit besitzt als das Gr\u00fcn und im Spektrum gem\u00e4\u00df seiner viel gr\u00f6\u00dferen Intensit\u00e4t eine st\u00e4rkere Wei\u00dflichkeit besitzt als das Gr\u00fcn, erweckt leicht den Irrtum, das Gelb sei auch bei gleicher Helligkeit weniger ges\u00e4ttigt als das Gr\u00fcn.","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Kieme Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n275\nden Wei\u00dferregung, durch das Anwachsen ihres psychophysischen Gewichtes den Einflu\u00df der Gelberregung auf die eintretende Empfindung immer mehr zur\u00fccktreten zu lassen, der Umstand entgegen, da\u00df das Ansteigen der Wei\u00dferregung zugleich das Anwachsen eines Faktors bedeutet, der im Sinne einer F\u00f6rderung der Gelberregung wirkt. Infolgedessen wird der Punkt der maximalen S\u00e4ttigung, von welchem ab die Wei\u00dferregung in gr\u00f6\u00dferem Verh\u00e4ltnisse anw\u00e4chst als die Gelberregung, erst bei einer h\u00f6heren Intensit\u00e4t des gelben Lichtes erreicht, als der Fall sein w\u00fcrde, wenn der f\u00fcr die Gelberregung f\u00f6rderliche Nebeneinflu\u00df der Wei\u00dferregung nicht best\u00fcnde. Umgekehrt wie bei Gegebensein eines m\u00e4\u00dfig intensiven gelben Lichtes steht es in dem Falle, da\u00df ein blaues Licht von m\u00e4\u00dfiger St\u00e4rke gegeben ist. Bei Verst\u00e4rkung eines solchen Lichtes geht von der anwachsenden Wei\u00dferregung nach Ma\u00dfgabe ihrer St\u00e4rke ein der Blauerregung nachteiliger Einflu\u00df aus, so da\u00df der Punkt der maximalen S\u00e4ttigung bei einer bedeutend geringeren St\u00e4rke des blauen Lichtes erreicht wird, als beim Fehlen des der Blauerregung nachteiligen Nebeneinflusses der Wei\u00dferregung der Fall sein w\u00fcrde. Handelt es sich um ein rotes (gr\u00fcnes) Licht, so steht die Sache \u00e4hnlich wie im Falle eines gelben (blauen) Lichtes. Nur ist der f\u00f6rderliche (nachteilige) Einflu\u00df, den die anwachsende Wei\u00dferregung auf die Roterregung (Gr\u00fcnerregung) aus\u00fcbt, betr\u00e4chtlich schw\u00e4cher als der entsprechende Einflu\u00df auf die Gelberregung (Blauerregung). Da\u00df f\u00fcr rotes Licht der Wendepunkt der Farbigkeit bei einer gr\u00f6\u00dferen Helligkeit liegt, als f\u00fcr blaues Licht von gleicher S\u00e4ttigung, ist nach vorstehendem selbstverst\u00e4ndlich.\nDa\u00df die Helligkeit der maximalen S\u00e4ttigung im Gelb des Spektrums ein Maximum besitzt und von da nach beiden Seiten hin abf\u00e4llt, ist also nach vorstehendem leicht verst\u00e4ndlich. Es braucht nicht erst bemerkt zu werden, da\u00df die Lichtst\u00e4rke, bei welcher eine Farbe die Empfindung von maximaler S\u00e4ttigung erweckt, sich nicht ausschlie\u00dflich nach dem betreffenden chromatischen Nebeneinflusse der Wei\u00dferregung bestimmt, sondern in erster Linie von dem Gange abh\u00e4ngt, den bei zunehmender Intensit\u00e4t der Farbe einerseits der auf die nerv\u00f6se Sehsubstanz ausge\u00fcbte chromatische Erregungsantrieb und andererseits der achromatische Erregungsantrieb nimmt. Durch die chromatische Nebenwirkung der dem letzteren Erregungsantriebe entsprechenden Erregung wird die Wirksamkeit des ersteren Erregungs-","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nGeorg Elias M\u00fcller\nantriebes je nach der Qualit\u00e4t desselben f\u00f6rderlich oder nachteilig beeinflu\u00dft. Auf die Bedeutung, welche das bei wachsender Intensit\u00e4t des farbigen Reizes stattfindende Verhalten jener beiden Erregungsantriebe neben der chromatischen Nebenwirkung der Wei\u00dferregung f\u00fcr die Lage des Wendepunktes der Farbigkeit besitzt, ist vielleicht dann mit Bezug zu nehmen, wenn es sich um die Erkl\u00e4rung der Tatsache handelt, da\u00df nach den Versuchen von Pubdy die Kurve, welche die Lichtst\u00e4rken der maximalen S\u00e4ttigungen der verschiedenen Spektralfarben verbindet, nicht ohne einige Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten von ihrem im Gelb (bei 465 juju) gelegenen Gipfel aus nach beiden Seiten hin abf\u00e4llt. Es ist leider nicht zu erkennen, inwieweit diese Unregelm\u00e4\u00dfigkeiten durch unausgeglichene Zuf\u00e4lligkeiten bedingt sein k\u00f6nnen. Da\u00df die Lichtst\u00e4rke der maximalen S\u00e4ttigung f\u00fcr Violett noch etwas geringer erhalten worden ist als f\u00fcr Blau, d\u00fcrfte durch das von dem violetten Lichte erweckte Eluoreszenzlicht zu erkl\u00e4ren sein.\nSchon K\u00fchne (S. 288) erkl\u00e4rt bei Besprechung der durch \u00fcberviolettes Licht bewirkten gr\u00fcnlichwei\u00dfen Fluoreszenz der Zersetzungsprodukte des Sehpurpurs, da\u00df m\u00f6glicherweise auch das violette Licht in diesen Zersetzungsprodukten Fluoreszenz erwecke. Ferner ist, wie Gullstrand er. w\u00e4hnt, die auffallende Kr\u00fcmmung im kurzwelligen Ende der Linie, welche in der Farbentafel den Spektralfarben entspricht, ausdr\u00fccklich auf die Fluoreszenz der Netzhaut bezogen worden. Eine recht erhebliche Bedeutung schreibt Gullstrand dem von den kurzwelligen Strahlen erweckten Fluoreszenzlichte zu. Er setzt dasselbe (S. 58) in schematischer Weise \u201egleich Wei\u00df -f Licht von der Wellenl\u00e4nge ungef\u00e4hr 581 ggu, wobei er aber zugleich bemerkt, da\u00df sich die Zusammensetzung des Fluoreszenzlichtes mit der Wellenl\u00e4nge des einfallendes Lichtes \u00e4ndert. Mag das vom violetten Lichte bewirkte Fluoreszenzlicht ein gr\u00fcnliches oder gelbliches Wei\u00df sein, es wirkt in jedem Falle durch seine Wei\u00dflichkeit im Sinne einer Minderung der S\u00e4ttigung des spektralen Violett. Inwieweit auch die chromatische Valenz des Fluoreszenzlichtes in dieser Richtung wirke, indem z. B. eine Gr\u00fcnvalenz desselben durch Minderung der R\u00f6tlichkeit des violetten Lichtes den Grad seiner Farbigkeit herabsetze, kann hier dahingestellt bleiben.\nSchon Aubebt (S. 136 f.) hat bei Versuchen mit Pigmentfarben gefunden, da\u00df Orange und Gelb der Verh\u00fcllung durch zugesetztes Wei\u00df besser widerstehen als Rot, Gr\u00fcn und Blau. Wie leicht ersichtlich, sind hier wiederum die chromatischen Nebeneinfl\u00fcsse des Achromatischen im Spiele. Dagegen kommt ein ganz anderer Gesichtspunkt f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der, wie Puedy mitteilt, von Haupt gemachten Feststellung in Betracht, da\u00df die Zahl der ebenmerklichen S\u00e4ttigungsdifferenzen, welche die Licht-","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"277\nKieme Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\nst\u00e4rke der maximalen S\u00e4ttigung von dem spezifischen Schwellenwerte trennen, f\u00fcr Gelb ein Minimum und f\u00fcr Blau ein Maximum ist. Hier d\u00fcrfte der Umstand, da\u00df das Gelb zum Wei\u00df eine weit gr\u00f6\u00dfere Verwandtschaft besitzt als das Blau, der ausschlaggebende Faktor sein. Je \u00e4hnlicher eine Farbe dem Wei\u00df ist, desto gr\u00f6\u00dfer mu\u00df das Quantum derselben sein, das einer Mischung derselben mit Wei\u00df zugesetzt werden mu\u00df, um eine ebenmerkbare Emp-findungs\u00e4nderung zu bewirken.\nWie schon angedeutet, stellte R\u00e9v\u00e9sz seine Versuche \u00fcber den Wendepunkt der Farbigkeit in der Weise an, da\u00df er die Helligkeit des Grundes variierte, auf dem die Farbe, f\u00fcr welche dieser Wendepunkt zu bestimmen war, erschien. Einschlie\u00dflich des Falles, wo diese Helligkeit gleich 0 war, benutzte er sechs verschiedene Helligkeiten. Das farbige Feld stand also unter dem Einfl\u00fcsse einer mit der Helligkeit des Grundes wachsenden S-In-duktion. Da diese S-Induktion der Wei\u00dfvalenz des Feldes entgegenwirkte, so diente sie nat\u00fcrlich dazu, nach Ma\u00dfgabe ihrer St\u00e4rke den Wendepunkt der Farbigkeit nach h\u00f6heren Graden der Lichtst\u00e4rke zu verschieben, ein Ergebnis, auf das bereits R\u00e9v\u00e9sz selbst aufmerksam gemacht hat. Nach unserer Lehre von den chromatischen Nebeneinfl\u00fcssen der achromatischen Erregungen ist nun aber anzunehmen, da\u00df diese S-Induktion, weil sie mit einer Herabsetzung des der Roterregung und haupts\u00e4chlich der Gelberregung g\u00fcnstigen und der Gr\u00fcnerregung und haupts\u00e4chlich der Blauerregung ung\u00fcnstigen Nebeneinflusses der Wei\u00dferregung verbunden war, den Wendepunkt der Farbigkeit bei dem Gelb am wenigsten und bei dem Blau am st\u00e4rksten nach oben verschob, w\u00e4hrend das Rot und das Gr\u00fcn in dieser Hinsicht eine mittlere Stellung einnahmen. Mit dieser Schlu\u00dffolgerung stehen\ndie erhaltenen Versuchsresultate in hinl\u00e4nglichem Einkl\u00e4nge. Wir\nberechnen f\u00fcr jede der von R\u00e9v\u00e9sz benutzten Spektralfarben einerseits den Durchschnittswert der Spaltweiten, die bei den drei niederen Helligkeiten des Grundes den Wendepunkt der Farbigkeit ergeben haben, und andererseits den Durchschnittswert der Spaltweiten, welche bei den drei h\u00f6heren Helligkeiten des Grundes das Gleiche leisteten. Das Verh\u00e4ltnis zwischen dem letzteren und dem ersteren Durchschnittswerte bezeichnen wir kurz mit N. Indem wir ferner das Mittel der f\u00fcr die beiden r\u00f6tlichen Farben (652 und 605 fift) erhaltenen Werte von N nehmen und entsprechend hinsichtlich der f\u00fcr die beiden gelblichen Farben (582\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 62\t21","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nGeorg Elias M\u00fcller\nund 567,5 w) und hinsichtlich der f\u00fcr die beiden gr\u00fcnlichen Farben (527 und 500 uju) verfahren, findet sich der Wert von N\nf\u00fcr Gelb\tgleich 1,305\n\u201e\tRot\t\u201e\t1,405\n\u201e\tGr\u00fcn\t\u201e\t1,390\n\u201e\tBlau (480\tfui)\t\u201e\t1,711\nEs ist also erwartungsgem\u00e4\u00df\tN\tf\u00fcr\tBlau am gr\u00f6\u00dften und f\u00fcr\nGelb am kleinsten ausgefallen. Da\u00df N f\u00fcr Rot nicht kleiner, sondern um ein geringes gr\u00f6\u00dfer ausgefallen ist als f\u00fcr Gr\u00fcn, ist aus der Unsicherheit der Bestimmungen des Wendepunktes der Farbigkeit unbedenklich zu erkl\u00e4ren.\nAus vorstehendem ergibt sich, da\u00df die Tatsachen, welche den Wendepunkt der Farbigkeit betreffen, nur mit Hilfe der Lehre von den chromatischen Nebeneinfl\u00fcssen der achromatischen Erregungen ihre volle Erkl\u00e4rung finden k\u00f6nnen.\n\u00a7 3. Der Gang der S\u00e4ttigung jenseits des\nW endepunktes\nJenseits des Wendepunktes nimmt die S\u00e4ttigung einer Spektralfarbe bei weiterer Erh\u00f6hung der Lichtst\u00e4rke durchgehends ab, um eventuell gleich 0 zu werden, indem die Empfindung zu einer scheinbar reinen Wei\u00dfempfindung wird. Nach den Beobachtungen von Helmholtz (2, S. 61) verhalten sich die verschiedenen Spektralfarben in diesem Stadium folgenderma\u00dfen. Violett geht bei Erh\u00f6hung der Lichtst\u00e4rke von allen Farben am leichtesten in Wei\u00df \u00fcber. Blau wird bei einer Helligkeit, die \u201eimmer noch ohne Bel\u00e4stigung des Auges zu ertragen ist\u201c, wei\u00dfblau, endlich wei\u00df. Dagegen geht Gelb erst \u201ebei blendender Helligkeit\u201c in Wei\u00df \u00fcber. Gr\u00fcn wandelt sich durch Gelbgr\u00fcn in Wei\u00df um, Rot zeigt die Erscheinung am schwersten, und Helmholtz vermochte dasselbe selbst bei den h\u00f6chsten Graden der Helligkeit nur als hellgelb zu sehen.\nAuff\u00e4llig ist hier das Verhalten des Gelb gegen\u00fcber demjenigen des Blau. In einem Spektrum von mittlerer St\u00e4rke zeigt sich das Gelb viel weniger ges\u00e4ttigt und mit einer relativ weit h\u00f6heren Wei\u00dfvalenz begabt als das Blau. lerner ist das Gelb dem Wei\u00df viel \u00e4hnlicher und daher viel leichter durch dasselbe ganz verh\u00fcllbar als das Blau, und trotzdem mu\u00df es, um v\u00f6llig wei\u00df zu erscheinen, auf eine h\u00f6here Helligkeit gebracht werden","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n279\nals das Blau. Dies ist ein z. B. nach Herings Theorie v\u00f6llig unbegreiflicher Tatbestand. Er erkl\u00e4rt sich ohne weiteres, wenn man die Lehre von den chromatischen Nebenwirkungen des Achromatischen heranzieht. Da die Wei\u00dferregung dem Blau nachteilig, dem Gelb f\u00f6rderlich ist, begreift es sich leicht, da\u00df der Nullpunkt der S\u00e4ttigung von dem Gelb bei h\u00f6herer Helligkeit erreicht wird als vom Blau. Auch beim Gelb wirkt die anwachsende Wei\u00dferregung verh\u00fcllend. Indem sie aber zugleich die Gelberregung in gewissem, wenn auch nicht bedeutendem Ma\u00dfe f\u00f6rdert, wird die Erreichung des Nullpunktes der S\u00e4ttigung auf eine h\u00f6here Helligkeitsstufe verschoben.\nDa\u00df beim spektralen Rot der Nullpunkt der S\u00e4ttigung \u00fcberhaupt nicht erreicht werden konnte, erkl\u00e4rt sich daraus, da\u00df die Wei\u00dfvalenz des spektralen Rot eine viel geringere ist als diejenige des Gelb.1 Wenn das Rot bei extrem hoher Helligkeit hellgelb\nerschien, also keine R\u00f6tlickeit mehr erkennen lie\u00df, so ist hierbei\n\u2022 \u2022\nneben der nutritiven \u00dcberlegenheit, welche in den inneren Zonen der Sehbahn dem Gelbblausinne gegen\u00fcber dem Rotgr\u00fcnsinne zukommt, nat\u00fcrlich auch noch der Umstand im Spiele, da\u00df der chromatische Nebeneinflu\u00df der Wei\u00dferregung dem Gelb g\u00fcnstiger ist als dem Rot.\nWas das Gr\u00fcn anbelangt, so beruht die bei Erh\u00f6hung der Lichtst\u00e4rke stattfindende Zunahme der Wei\u00dflichkeit bei ihm nicht blo\u00df auf der h\u00f6heren Nutrition und Leistungsf\u00e4higkeit, die dem Wei\u00dfschwarzsinne in Vergleich zu den beiden anderen optischen Spezialsinnen zukommt, sondern es kommt auch noch folgender, schon von Helmholtz in entsprechender Weise geltend gemachter Umstand in Betracht. Die drei P-Prozesse wachsen bei zunehmender Lichtst\u00e4rke mit abnehmender Geschwindigkeit. Sind also durch ein Reizlicht drei P-Prozesse von verschiedenen Intensit\u00e4ten, die eine farbige Empfindung her vorruf en, gegeben, so wird bei einer Verst\u00e4rkung des Lichtes der schw\u00e4chste der drei P-Prozesse um einen gr\u00f6\u00dferen Betrag an wachsen als die beiden anderen P-Prozesse, und dies mu\u00df notwendig im Sinne einer Minderung der Farbigkeit und Erh\u00f6hung der Wei\u00dflichkeit des Eindruckes wirken. Dieser Gesichtspunkt kommt f\u00fcr alle Lichter, die der sog. Mittelstrecke des Spektrums angeh\u00f6ren, in Betracht.\n1 Nach Angabe von A. Kohlrausch (II, S. 214) verh\u00e4lt sich im isener-getisehen Normalspektrum der Flimmerwert von 660 gg zu demjenigen von 570 gg wie 7,8 zu 97.\n21*","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nGeorg Elias M\u00fcller\nDa\u00df der Nullpunkt der S\u00e4ttigung vom Violett noch eher erreicht wird als vom Blau, erkl\u00e4rt sich nat\u00fcrlich durch das von ersterem Lichte erweckte wei\u00dfliche Fluoreszenzlicht. Die Beimischung dieses Lichtes zu dem violetten Lichte mu\u00df notwendig im Sinne einer Herabdr\u00fcckung der Helligkeit, bei welcher die Empfindung rein wei\u00df erscheint, wirken.\nA. Fick (S. 200) gibt an, da\u00df Blau bei extremer Verst\u00e4rkung durch Bla\u00dfviolett in Wei\u00df \u00fcbergehe. Besa\u00df das von ihm benutzte Blau einen bei gew\u00f6hnlicher, mittlerer Lichtst\u00e4rke unmerkbaren r\u00f6tlichen Anflug, so konnte bei bedeutender Erh\u00f6hung der Lichtst\u00e4rke durch den dem Rot g\u00fcnstigen und dem Blau ung\u00fcnstigen chromatischen Nebeneinflu\u00df der stark angewachsenen Wei\u00dferregung es dahin kommen, da\u00df die R\u00f6tlichkeit neben der Bl\u00e4ulichkeit merkbar wurde.\nWie Purdy erw\u00e4hnt, stellte H. Sheppard Versuche an, bei denen verschiedene Farben von gleicher Helligkeit so lange fixiert wurden, bis der Nullpunkt der S\u00e4ttigung erreicht war. Es ergab sich, da\u00df die hierzu erforderliche Zeit f\u00fcr Violett und Blau am k\u00fcrzesten war, etwas l\u00e4nger f\u00fcr Rot und Blaugr\u00fcn und am l\u00e4ngsten f\u00fcr Gelb. Also auch bei diesen Versuchen machten sich anscheinend die chromatischen Nebeneinfl\u00fcsse der Wei\u00dferregung in der uns bekannten Weise geltend.\nDie Versuche \u00fcber den bei sehr hoher Reizst\u00e4rke eintretenden Nullpunkt der S\u00e4ttigung haben also ebenso wie die Versuche \u00fcber den Maximalpunkt der S\u00e4ttigung Resultate geliefert, die sich nur mit Hilfe der Lehre von den chromatischen Nebeneinfl\u00fcssen des Achromatischen erkl\u00e4ren lassen. Daneben haben beide Arten von Versuchen in \u00fcbereinstimmender Weise dargetan, da\u00df das durch das violette Licht bewirkte Fluoreszenzlicht mit seinem Einfl\u00fc\u00dfe auf die Wei\u00dflichkeit des spektralen Violett eine merkbare Rolle spielt.\nF\u00fcr eine oberfl\u00e4chliche Betrachtung liegt der Einwand nahe, da\u00df die dem Violett und dem Blau eigent\u00fcmliche fr\u00fche Erreichung des Maximums und des oberen Nullpunktes der S\u00e4ttigung einfach eine Folge der von mir (II, S. 53 ff.) nachgewiesenen nutritiven Minderstellung der Pm-Substanz sei. Wachse die wesentlich auf dem Pm Prozesse beruhende Blauerregung bei zunehmender Reizst\u00e4rke langsamer als die auf dem Pi- und Pif-Pro-zesse beruhende Gelberregung, so sei es selbstverst\u00e4ndlich, da\u00df sie auch fr\u00fcher als die Gelberregung den Punkt erreiche, wo ihr Wachstum bei zunehmender Lichtst\u00e4rke hinter demjenigen der achromatischen Erregung zur\u00fcckzubleiben beginnt, bzw. wo sie ganz von der Wei\u00dferregung \u00fcbert\u00f6nt","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur JPsychophysik der Farbenempfindung\t281\nwird. Dem hier geltend gemachten Gesichtspunkte gegen\u00fcber ist zu bemerken, da\u00df er sich schon bei Erw\u00e4gung der in Betracht kommenden quantitativen Verh\u00e4ltnisse als unzul\u00e4nglich erweist. Bei den Versuchen von Purdy erreicht ein Licht von 460 yy bei einer Intensit\u00e4t von 12 Pho* tons, ein solches von 565 y y bei einer Intensit\u00e4t von 219 Photons die maximale S\u00e4ttigung. Beruhte dieser Unterschied auf einer in nutritiver Hinsicht bestehenden Differenz zwischen dem Pm Prozesse einerseits und den beiden anderen P-Prozessen andererseits, so m\u00fc\u00dfte ein Licht, das bei geringer Intensit\u00e4t eine farblose Grauempfindung erweckt, bei hoher Intensit\u00e4t eine Empfindung von ganz ausgepr\u00e4gter Gelblichkeit erwecken. Fassen wir ferner z. B. den Fall, da\u00df nur ein Pm-Proze\u00df gegeben sei, n\u00e4her ins Auge, so macht sich die nutritive Minderstellung desselben doch nicht blo\u00df f\u00fcr die von ihm bewirkte chromatische Erregung, sondern ebenso auch f\u00fcr die von ihm hervorgerufene achromatische Erregung geltend. Das Entsprechende gilt hinsichtlich der beiden anderen P-Prozesse. Es steht also gar nicht so, wie bei dem obigen Einwande vorausgesetzt ist, da\u00df die f\u00fcr den Verlauf des S\u00e4ttigungsgrades ma\u00dfgebende Konkurrenz zwischen dem Chromatischen und dem Achromatischen auf eine Konkurrenz hinausl\u00e4uft, die zwischen einer nach ihrer eigenen Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit und unabh\u00e4ngig von den nutritiven Besonderheiten der P-Prozesse sich entwickelnden achromatischen Erregung und einer von diesen Besonderheiten abh\u00e4ngigen chromatischen Erregung besteht. Die Konkurrenz vollzieht sich vielmehr hinter der P-Zone zwischen den von den nutritiven Besonderheiten der P-Prozesse in gleicher Weise abh\u00e4ngigen chromatischen und achromatischen Erregungen. Und da\u00df bei dieser Konkurrenz der Punkt der maximalen S\u00e4ttigung von dem Gelb bei einer viel h\u00f6heren Helligkeit erreicht wird als vom Blau, l\u00e4\u00dft sich nur durch Bezugnahme auf die chromatischen Nebeneinfl\u00fcsse des Achromatischen erkl\u00e4ren. \u2014\nIch habe fr\u00fcher (I, S. 570 ff.) auf die Abh\u00e4ngigkeit hingewiesen, in welcher die spezifische Farbenschwelle gem\u00e4\u00df den chromatischen Nebenwirkungen der achromatischen Erregungen zu der Helligkeit des Feldes steht, dessen Farbigkeit zu erkennen ist. Ruft dieses Feld gem\u00e4\u00df seiner Wei\u00dfvalenz Wei\u00dferregung hervor, so macht sich diese im Sinne einer Erh\u00f6hung der Rot- und der Gelberregbarkeit und im Sinne einer Herabdr\u00fcckung der Gr\u00fcn- und der Blauerregbarkeit geltend ; die umgekehrte Wirkung ist vorhanden, wenn das Feld durch die Kontrastwirkung einer wei\u00dfen Umgebung verdunkelt wird, ihm also eine Schwarzerregung entspricht. Ich m\u00f6chte die Gelegenheit benutzen, um gewisse Versuchsresultate, die sich gar nicht anders als durch die chromatischen Nebenwirkungen des Achromatischen erkl\u00e4ren lassen, und auf die ich erst k\u00fcrzlich aufmerksam geworden bin, mitzuteilen. Aubert (S. 115) erw\u00e4hnt Versuche von v. Wittich, bei denen es sich darum handelte, den Gesichtswinkel zu bestimmen, bei dem die Farbe eines farbigen Quadrates von 2 mm Seite soeben erkannt wurde. Dieser Gesichtswinkel betrug","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nGeorg Elias M\u00fcller\nf\u00fcr\tRot\t1'\t10\"\n\u201e\tGelb\t1'\t20\"\n\u201e\tGr\u00fcn\t2'\t15\"\n\u201e\tBlau\t3'\t40\"\n\u201e\tViolett\t5'\t10\"\nauf Schwarz\nauf Wei\u00df\n1' 50\"\n2' 40\"\n1' 40\"\n2' 40\"\n5'\nW\u00e4hrend das rote und das gelbe Feld auf schwarzem Grunde, wo ihre Wei\u00dfvalenzen fast ungehemmt zur Geltung kamen, einen geringeren Gesichtswinkel zur Erkennung ihrer Farbe erforderten als auf wei\u00dfem Grunde, wo sie durch S-Induktion verdunkelt wurden, bedurften das gr\u00fcne und das blaue Feld auf schwarzem Grunde eines gr\u00f6\u00dferen Gesichtswinkels als auf wei\u00dfem. Es entspricht der Theorie, da\u00df der Einflu\u00df der Helligkeit des Grundes auf die Farbenerkennung sich beim Gelb und Blau ausgepr\u00e4gter zeigt als beim Rot und Gr\u00fcn. Da\u00df das violette Feld sich nur in sehr geringem Grade \u00e4hnlich wie das blaue verhielt, entspricht der Zusammensetzung der von ihm erweckten Erregung aus Blauerregung und Roterregung.\nIch habe am oben angef\u00fchrten Orte Versuche von Ackermann und R\u00e9v\u00e9sz angef\u00fchrt, deren Resultate die Schlu\u00dffolgerungen best\u00e4tigen, die sich aus der Lehre von den chromatischen Nebeneinfl\u00fcssen der achromatischen Erregungen hinsichtlich des Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses zwischen der auf wei\u00dflichem und der auf schw\u00e4rzlichem Grunde bestimmten Farbenschwelle ableiten lassen. Ich habe aber zugleich auch darauf hingewdesen, da\u00df diese Schlu\u00dffolgerungen sich nicht immer best\u00e4tigt finden, weil unter Umst\u00e4nden andere, im gegenteiligen Sinne wirksame Faktoren die Oberhand gewannen. F\u00fcr jenes Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnis sind auch die Grade der Verwandtschaft mitbestimmend, welche die verschiedenen Farben zum Wei\u00df und zum Schwarz besitzen. Der Umstand z. B-, da\u00df Blau dem SchwTarz \u00e4hnlicher, dem Wei\u00df dagegen un\u00e4hnlicher ist als das Gelb, macht das Blau im Vergleich zum Gelb auf schwarzem Grunde schwieriger und auf wTei\u00dfem Grunde leichter erkennbar. Wie unschwer zu erkennen, beeinflu\u00dft dieser psychologische Faktor die Schwellenwerte im entgegengesetzten Sinne wie der chromatische Nebeneinflu\u00df des Achromatischen. Besitzen die hinsichtlich ihrer Schwellenwerte zu vergleichenden Farben verschiedene Heilig keit, so kommt auch in Betracht, da\u00df unter den herzustellenden Versuchsbedingungen die Gesamtintensit\u00e4t der achromatischen Erregung, deren Betrag von wesentlicher Bedeutung f\u00fcr die Erkennbarkeit eines farbigen Zusatzes ist, f\u00fcr die verschiedenen Farben einen verschiedenen Wert besitzt. Beobachten wir z. B. ein helles schwachgelbliches und ein dunkles schwachbl\u00e4uliches kleines Feld auf wei\u00dfem Grunde, so kann das letztere Feld durch die von dem Grunde ausgehende S-Induktion so tief geschwr\u00e4rzt wTerden, da\u00df trotz des f\u00fcr das Blau g\u00fcnstigen Nebeneinflusses der Schwarzerregung die Bl\u00e4ulichkeit gegen\u00fcber der Schw\u00e4rzlichkeit nicht aufkommt, w\u00e4hrend das gelbliche Feld durch die ihm zuteil werdende S-Induktion, welche die Gesamtintensit\u00e4t der ihm entsprechenden achromatischen Erregung herabsetzt, an Gelblichkeit gewinnt.","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Bsychophysik der Farbenempfindung\t283\nIm Lichte der Lehre von den chromatischen Nebenwirkungen des Achromatischen nehmen sich manche der vorliegenden Versuchsresultate etwas anders aus als bisher. R\u00e9v\u00e9sz bestimmte die Schwellenwerte der Spektralfarben einerseits auf wei\u00dfem Grunde und andererseits auf durch S-Induktion verdunkeltem Grunde. Ordnete er die Farben nach den Spaltweiten an, die ihren Schwellenwerten entsprachen, so erhielt er in beiden F\u00e4llen ganz dieselbe Reihenfolge. Er glaubt hieraus schlie\u00dfen zu d\u00fcrfen, \u201eda\u00df die Leichtigkeit, mit welcher die verschiedenen Farben vom Wei\u00df unterschieden werden, nicht in h\u00f6herem Grade von der Leichtigkeit abweicht, mit welcher dieselben vom Schwarz unterschieden werden.\u201c Dieser Schlu\u00df erscheint jetzt nicht mehr stichhaltig. Denn man kann sagen, die Tatsache, da\u00df die Farben gegen\u00fcber dem Wei\u00df eine andere Unterscheidbarkeit besitzen als gegen\u00fcber dem Schwarz, sei deshalb nicht deutlich hervorgetreten, weil der Einflu\u00df dieses Faktors auf die Schwellenbestim-mungen durch den im gegenteiligen Sinne wirkenden Einflu\u00df der chromatischen Nebenwirkungen des Achromatischen mehr oder weniger kompensiert worden sei. Sei z. B. das Blau vom Schwarz erheblich schwerer zu unterscheiden als vom Wei\u00df, so werde es andererseits durch die chromatische Nebenwirkung des Schwarz gef\u00f6rdert, durch diejenige des Wei\u00df benachteiligt.\n\u00a7 4. Das farblose Intervall\nI. Bei normalen Sehorganen beruht die Empfindung des fovealen farblosen Intervalles auf Zapfenerregung. Nachdem wir uns im Vorstehenden mit dem oberen Nullpunkte der S\u00e4ttigung besch\u00e4ftigt haben, wenden wir uns jetzt dem unteren Nullpunkte zu, dem farblosen Intervalle. Betreffs desselben ist gegenw\u00e4rtig folgende Frage dringend geworden. Wenn bei Einwirkung einer Farbe auf die Fovea ein farbloses Intervall beobachtet wird, beruht dann die farblose Empfindung auf Zapfenerregung oder auf St\u00e4bchenerregung ? Die Annahme, da\u00df es sich in solchem Falle um eine St\u00e4bchenerregung handele, wird durch folgende Tatsachen nahegelegt.\nWie ich fr\u00fcher (II, S. 75 ff.) n\u00e4her berichtet habe, haben Abney und Watson nachgewiesen, da\u00df es zwei Typen des fovealen Aufbaues gibt, einen normalen Typus, bei dem die das Netzhautzentrum umgebende Region bis zu gewisser Grenze v\u00f6llig st\u00e4bchenfrei ist, und einen anomalen Typus, bei dem diese Region neben Zapfen auch St\u00e4bchen in wohl in Betracht kommender Menge enth\u00e4lt. Jene beiden Forscher geben nun an, da\u00df ihre Vpn., soweit sie dem anomalen fovealen Typus angeh\u00f6rten, bei fovealer Betrachtung f\u00fcr alle Spektralfarben au\u00dfer dem Rot ein gut ausgepr\u00e4gtes farbloses Intervall ergaben, dagegen, soweit sie den normalen Aufbau der Fovea besa\u00dfen, ein farbloses Intervall vermissen lie\u00dfen.","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nGeorg Elias M\u00fcller\nDieter hat 8 Personen (St\u00e4bchenblinde) n\u00e4her untersucht, bei denen sich die Funktion des St\u00e4bchenapparates ganz vermissen lie\u00df. Er stellte fest, da\u00df es f\u00fcr diese Individuen ein farbloses Intervall nicht gab.\nPurdy (S. 294) stellte bei seinen Versuchen fest, da\u00df der spektrale Bereich, in dem die generelle und die spezifische Schwelle zusammenfallen, vom langwelligen Ende des Spektrums bis etwa 665 fJtu reicht. Anderseits haben, wie Purdy mittelt, S. Hecht und R. E. Williams nachgewiesen, da\u00df die gr\u00f6\u00dfte Wellenl\u00e4nge, bei welcher das Licht noch auf die St\u00e4bchen einzuwirken vermag, ungef\u00e4hr bei 665 juju liegt.\nTrotz dieses auff\u00e4lligen Zusammentreffens der von Hecht und Williams und von Purdy erhaltenen Grenzwerte erkl\u00e4rt sich dieser doch gegen die Annahme, da\u00df die F\u00e4lle, wo bei fovealer Betrachtung ein farbloses Intervall beobachtet wird, auf St\u00e4bchenreizung beruhen. Er macht f\u00fcr seine Ansicht (neben zwei anderen, nicht stichhaltigen Argumenten) folgendes geltend. Die von ihm selbst durch eigene Beobachtungen festgestellte Tatsache, da\u00df die foveale spezifische Schwelle durch Dunkeladaptation herabgesetzt wird \\ vertrage sich nicht mit der Annahme, da\u00df in der Fovea bei dem farblosen Intervalle St\u00e4bchent\u00e4tigkeit im Spiele sei. Denn nach dieser Annahme m\u00fc\u00dfte die Dunkeladaption dazu dienen, durch Erh\u00f6hung der Erregbarkeit des St\u00e4bchenapparates die fovealen St\u00e4benerregungen zu steigern und damit die fovealen spezifischen Farbenschwellen zu vergr\u00f6\u00dfern. Ein weiteres, von Purdy nicht angef\u00fchrtes, Argument, das sich gegen jene Annahme anf\u00fchren l\u00e4\u00dft, ist folgendes. Die Tatsache, da\u00df alle Beobachter, welche bei fovealer Beobachtung nur bei einer einzigen Spektralfarbe ein farbloses Intervall konstatierten, als diese einzige Farbe das Gelb angaben1 2, beweist kl\u00e4rlich, da\u00df bei diesem Intervalle der Zapfenapparat im Spiele ist. Handelte es sich hier um eine Bet\u00e4tigung des St\u00e4bchenapparates, so m\u00fc\u00dfte sich, da das Gr\u00fcn f\u00fcr den St\u00e4bchenapparat eine weit st\u00e4rkere erregende Wirkung hat als das Gelb, das farblose Intervall am ehesten an einer gr\u00fcnen Spektralfarbe mit der Fovea feststellen lassen, und es m\u00fc\u00dfte wohl auch mitunter die Bemerkung gemacht worden sein, da\u00df die Farbe\n1\tWurde die Dauer der Dunkeladaptation \u00fcber die Zeit von 5 Min. hinaus verl\u00e4ngert, so hatte dies keine weitere Herabsetzung der fovealen spezifischen Schwelle zur Folge.\n2\tMan vergleiche z. B. W. Dieter und A. Kohlrausch, S. 121.","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\t285\ndes farblosen Intervalles genau genommen doch etwas Chromatisches und zwar Bl\u00e4uliches an sich habe. Eine solche Bemerkung ist mir aber nirgends begegnet. Purdy fand bei sich, auch bei Benutzung farbiger Felder von nur 1/2 \u00b0, da\u00df alle Spektralfarben mit Ausnahme des langwelligen Rot (von ungef\u00e4hr 665 juju ab) ein foveales farbloses Intervall aufwiesen.1 Da dieses langwellige Rot auch f\u00fcr den Zapfenapparat eine nur sehr schwache Wei\u00dfvalenz besitzt, so steht diese Feststellung von Purdy mit der Annahme, die von ihm beobachteten farblosen Intervalle h\u00e4tten den Zapfen apparat betroffen, durchaus in Einklang.\nEndlich ist f\u00fcr die soeben erw\u00e4hnte Annahme von Purdy noch Folgendes anzuf\u00fchren. Die Kurve, die den Verlauf der Dunkeladaptation darstellt, zeigt bekanntlich einen Knick, der den Zeitraum, wo wesentlich nur die Dunkeladaptation des Zapfenapparates hervortritt, von dem Zeitraum abtrennt, wo die Dunkeladaptation des St\u00e4bchenapparates in wesentlichem Ma\u00dfe mitwirkt. Dieser Knick fehlt, wenn das wei\u00dfe Pr\u00fcflicht auf ausschlie\u00dflich foveales Gebiet wirkt, und zwar, wie allgemein angenommen wird, deshalb, weil in diesem Falle die Kurve der Dunkeladaptation nur das Verhalten des Zapfenapparates zur Darstellung bringt. Es d\u00fcrfte einigerma\u00dfen mi\u00dflich sein, das Fehlen jenes Knickes daraus zu erkl\u00e4ren, da\u00df das farblose Intervall und mithin auch der Anfang der mit wei\u00dfem Pr\u00fcflicht erh\u00e4ltlichen Adaptationskurve auf St\u00e4bchent\u00e4tigkeit beruhe, w\u00e4hrend das Wirken der Zapfenadaptation gerade in der Fovea nicht besondes hervortrete. Man bedenke, da\u00df die durch das Fehlen des Knickes charakterisierte Adaptationskurve sich auch au\u00dferhalb der Fovea mit d\u00e4mmerwertfreiem Rot erzielen l\u00e4\u00dft.\nSelbstverst\u00e4ndlich hat man mit weitgehenden individuellen Verschiedenheiten hinsichtlich der chromatischen Erregbarkeiten und ihrer St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse zur achromatischen Erregbarkeit zu rechnen, und ist auch der Einflu\u00df zu bedenken, den der Adaptationszustand in Beziehung auf das farblose Intervall aus\u00fcbt. Nagel und Schauer (S. 284) fanden, da\u00df hochgradige Helladaptation allgemein die generelle und die spezifische Schwelle zu-\n1 Dasselbe konstatierte Purdy auch bei vier Mitbeobachtern. Doch besa\u00df bei den Versuchen mit diesen das beobachtete farbige Feld eine Winkelgr\u00f6\u00dfe von 1V20> war also nach dem fr\u00fcher (II, S. 69ff.) von mir Angef\u00fchrten viel zu gro\u00df, als da\u00df mit Sicherheit vorausgesetzt werden d\u00fcrfte, es habe sich ausschlie\u00dflich auf st\u00e4bchenfreien Netzhautgebieten abgebildet.","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\nGeorg Elias M\u00fcller\nsammenfallen l\u00e4\u00dft. Die oben angef\u00fchrten Feststellungen von Dieteb und von Abney und Watson sind also keine ausreichende Grundlage f\u00fcr die Annahme, da\u00df in allen F\u00e4llen, wo bei fovealer Beobachtung ein farbloses Intervall wahrgenommen werde, die farblose Empfindung der T\u00e4tigkeit von St\u00e4bchen entstamme. Diese Annahme ist nur da zul\u00e4ssig, wo ausdr\u00fccklich durch die von Abney und Watson angewandten Methoden nachgewiesen ist, da\u00df es sich um ein Individuum vom anomalen fovealen Typus handelt. Aber selbst bei einem solchen Individuum kann die Empfindung des farblosen Intervalles zu einem Teile darauf beruhen, da\u00df die Wei\u00dferregbarkeit des Zapfenapparates gr\u00f6\u00dfer ist als die in Betracht kommende chromatische Erregbarkeit.\nII. Erkl\u00e4rung der Farbenschwellen. Die Erkl\u00e4rung, die wir f\u00fcr das Bestehen der generellen und der spezifischen Farbenschwelle und den zun\u00e4chst aufsteigenden und dann wieder absinkenden S\u00e4ttigungsverlauf der Spektralfarben geben, ist, soweit es sich um reines Zapfensehen handelt, folgende. Bei fehlendem Lichtreize besteht die dem subjektiven Augenschwarz zugrunde liegende endogene Erregung des Sehorganes. Soll ein spektrales Licht wahrgenommen werden, so mu\u00df es daher eine von dem subjektiven Augenschwarz unterscheidbare Empfindung hervorrufen. Da nun der Wei\u00dfschwarzsinn nutritiv mehr gef\u00f6rdert und erregbarer ist als der Rotgr\u00fcn- und der Gelbblausinn, so rufen alle Spektralfarben, die bei dem betreffenden Individuum eine erhebliche Wei\u00dfvalenz besitzen, eine SchwTellenempfindung (die generelle Schwelle) hervor, welche die spezifische Farbigkeit des Lichtes nicht erkennen l\u00e4\u00dft, wenn auch eine sehr schwache chromatische Erregung schon vorhanden ist. W\u00e4ren nun die Ursachen der endogenen Erregung des Sehorganes nicht vorhanden, so w\u00fcrde bei einer weiteren Verst\u00e4rkung des Lichtreizes, gem\u00e4\u00df der nutritiven \u00dcberlegenheit des Wei\u00dfschwarzsinnes, die Wei\u00dferregung in gr\u00f6\u00dferem Verh\u00e4ltnisse zunehmen als die chromatische Erregung. Da aber die bei der Lichverst\u00e4rkung eintretenden Erh\u00f6hungen der achromatischen Erregung nur als Intensit\u00e4tszuw\u00fcchse zu der schon von Haus aus bestehenden endogenen Erregung in Betracht kommen, so w\u00e4chst die chromatische Erregung schneller als die achromatische Erregung, so da\u00df sehr bald die Erkennbarkeit der Farbigkeit, die spezifische Schwelle, erreicht ist und auch nach Erreichung dieser das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnis zwischen der chromatischen und der achromatischen Erregung, die S\u00e4ttigung der Farbe, noch","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n287\nweiter anw\u00e4chst. Erst im Gebiete der h\u00f6heren Lichtintensit\u00e4ten, wo die auf die Ursachen der endogenen Erregung zu beziehende Komponente der achromatischen Erregung gegen\u00fcber der dem Lichte entsprechenden Komponente nicht mehr einen erheblichen Wert besitzt, w\u00e4chst die achromatische Erregung in gr\u00f6\u00dferem Verh\u00e4ltnisse als die chromatische Erregung und verringert sich demgem\u00e4\u00df die S\u00e4ttigung der Farbe. Der n\u00e4here Verlauf der Farbens\u00e4ttigung bei den verschiedenen Farben wird durch die chromatischen Nebeneinfl\u00fcsse der achromatischen Erregungen in wesentlichem Ma\u00dfe mitbestimmt.\nWesentlich anders als die im vorstehenden enthaltene Erkl\u00e4rung des fovealen farblosen Intervalles ist die von Puedy gegebene Erkl\u00e4rung. Er will die Annahme vermeiden, da\u00df dieses Intervall auf einem gesteigerten Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse zwischen der achromatischen und der chromatischen Erregung beruhe. Es sei vielmehr wahrscheinlich, da\u00df dasselbe Prinzip, welches das farblose Intervall erkl\u00e4re, auch die allm\u00e4hliche Ents\u00e4ttigung erkl\u00e4re, welche eintrete, wenn man die Intensit\u00e4t einer zun\u00e4chst mit maximaler S\u00e4ttigung sich darbietenden Empfindung allm\u00e4hlich herabsetze. Und dieses Prinzip bestehe darin, da\u00df eine Verringerung der Reizst\u00e4rke die Unterscheidungsf\u00e4higkeit des visuellen Mechanismus schw\u00e4che. Nach dieser Ansicht erscheint also z. B. ein gegebenes Blau nach sehr starker Abschw\u00e4chung farblos, weil bei so geringer Reizst\u00e4rke die Unterscheidungsf\u00e4higkeit f\u00fcr die Erkennung der Bl\u00e4ulichkeit nicht ausreicht. Angenommen nun aber, das Blau werde zun\u00e4chst mit seiner maximalen S\u00e4ttigung gegeben und dann soweit geschw\u00e4cht, da\u00df es mit Deutlichkeit weniger ges\u00e4ttigt erscheint, soll dann diese anscheinend geringere S\u00e4ttigung nur ein durch die mindere Unterscheidungsf\u00e4higkeit bedingter Anschein sein? Und wie kommt es, da\u00df, obwohl uns an dem ges\u00e4ttigten Blau in erster Linie seine Bl\u00e4ulichkeit in die Augen springt, doch die Herabsetzung der Unterscheidungsf\u00e4higkeit sich in einem Zur\u00fccktreten der Bl\u00e4ulichkeit hinter die Grau-lichkeit und nicht vielmehr umgekehrt, also in einer Zunahme der S\u00e4ttigung geltend macht? Es mag noch daran erinnert werden, da\u00df die Annahme einer nutritiven Pr\u00e4ponderanz und h\u00f6heren Leistungsf\u00e4higkeit des Wei\u00dfschwarzsinnes, wie ich fr\u00fcher (I, S. 265f.) in Erinnerung gebracht habe, von unbestreitbaren Tatsachen gefordert wird, und da\u00df Puedy, wenn er daran gegangen w\u00e4re, auch noch die Tatsache zu erkl\u00e4ren, da\u00df die Farbens\u00e4ttigung nach Er-","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nGeorg Elias M\u00fcller\nreichung ihres Maximalwertes bei weiterer Lichtverst\u00e4rkung wieder absinkt, wohl nicht umhin gekonnt h\u00e4tte, selbst von dieser Annahme Gebrauch zu machen.\nDa\u00df bei den geringen Lichtintensit\u00e4ten, die bei Versuchen \u00fcber das farblose Intervall Anwendung finden, die Unterscheidungsf\u00e4higkeit eine herabgesetzte sei, sollte hier nicht bestritten werden. Nur gegen die viel weitergehende, obige Ansicht von P. mu\u00dften wir uns wenden.\nBei den Versuchen, die P. \u00fcber die generelle Schwelle anstellte, wurde die Spektralfarbe dem Beobachtungsfelde in schnellem Wechsel zugesetzt und wieder entzogen, und als generelle Schwelle wurde die geringste Intensit\u00e4t der Farbe angesehen, bei welcher man mit Sicherheit den Eindruck eines Verschwindens und Wiedererscheinens hatte. Derartigen Versuchen gegen\u00fcber ist die obige Auffassung der F\u00e4lle der generellen Schwelle, sie seien F\u00e4lle, wo die farbige Komponente der Erregung durch die farblose Komponente unmerkbar gemacht worden sei, im allgemeinen zutreffend. Ist dagegen bei den Versuchen der Vp. mehr Zeit zur Auffassung des Reizes gelassen, so k\u00f6nnen in den F\u00e4llen, wo der Eichtreiz zwar gesp\u00fcrt wird, aber seine Farbe nicht mit gen\u00fcgender Sicherheit angebbar ist, wo also zwar die generelle, nicht aber auch die spezifische Schwelle erreicht ist, die Aussagen einen recht verschiedenen Charakter tragen. Neben den F\u00e4llen, wo nur das Auftauchen eines hellen Schimmers angegeben wird, k\u00f6nnen dann bei der Darbietung einer auf schwarzem Grunde erscheinenden Farbe F\u00e4lle Vorkommen, wo die Farbe als fein get\u00f6nt, als eine solche, die sich nicht in die Wei\u00dfschwarzreihe einordnen lasse, als eine warme oder als eine kalte Farbe, als eine unangenehme Farbe, als eine sicher weder rote noch gelbe Farbe oder dergleichen mehr charakterisiert wird. Wie man sieht, gibt es bei derartiger Einrichtung der Versuche zwischen dem Falle der blo\u00dfen Sp\u00fcrung des Reizes und dem Falle der sicheren Erkennung seiner Farbe eine Anzahl von Zwischenf\u00e4llen, in denen die Farbe sozusagen nur mit einem Teile ihrer Wesenheit zur Geltung kommt. Man vergleiche hierzu die verdienstlichen Ausf\u00fchrungen, die Ackermann (S. 50 ff.) \u00fcber die Ph\u00e4nomenologie der Schwelle gegeben hat.\nIII. Die Abnahme der spezifischen Schwelle bei der Dunkeladaptation. Wie schon erw\u00e4hnt, fand Purdy, da\u00df bei ihm selbst die spezifische Schwelle durch einen Dunkelaufenthalt von 5 Min. herabgesetzt werde.\nMan kann diese Verringerung der spezifischen Schwelle befremdlich finden, indem man etwa folgende Betrachtung anstellt. Die spezifische Schwelle ist erreicht, wenn das einem farbigen Reize zugeh\u00f6rige Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnis zwischen der chromatischen und der achromatischen Erregung einen bestimmten Wert s erreicht hat. Angenommen nun, durch die Dunkeladaptation werde","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n289\ndie chromatische Erregbarkeit in gleichem Ma\u00dfe erh\u00f6ht wie die achromatische Erregbarkeit, so w\u00fcrde es nach vollzogener Dunkeladaptation eine herabgesetzte Intensit\u00e4t des farbigen Reizes geben, bei welcher er die chromatische und die achromatische Erregung soeben wieder mit jenem Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses erweckt. Tats\u00e4chlich ist aber die Wei\u00dferregbarkeit nutritiv besser gestellt als jede chromatische Erregbarkeit. Hiernach ist zu erwarten, da\u00df die Wei\u00dferregbarkeit infolge der Dunkeladaptation mehr zunimmt als die chromatische Erregbarkeit, so da\u00df dieselbe Intensit\u00e4t des Reizes, die vor der Dunkeladaptation die spezifische Schwelle darstellte, nach beendeter Dunkeladaptation eine Empfindung erweckt, an welcher wegen zu gro\u00dfen \u00dcbergewichtes der achromatischen Erregung der Farbenton nicht zu erkennen ist. Es ist also zu erwarten, da\u00df die Dunkeladaptation dazu diene, die spezifische Schwelle zu erh\u00f6hen.\nZu dieser Betrachtung ist kurz Folgendes zu bemerken. Da\u00df der Wei\u00dfschwarzsinn den beiden anderen optischen Spezialsinnen in nutritiver Hinsicht bedeutend \u00fcberlegen ist, steht au\u00dfer Zweifel Aber daraus folgt noch nicht, da\u00df nach beendeter Dunkeladaptation der Reiz, der vordem die spezifische Schwelle darstellte, eine achromatische Erregung hervorruft, die in Vergleich zu dem vor der Dunkeladaptation bestehenden Zustande in gr\u00f6\u00dferem Verh\u00e4ltnisse verst\u00e4rkt ist als die chromatische Erregung. Denn die achromatische Erregung setzt sich, wie schon oben hervorgehoben, aus 2 Komponenten zusammen, der endogenen Komponente, die bei Abwesenheit jeglichen Reizes dem subjektiven Augenschwarz zugrunde liegt, und der auf der Reizeinwirkung beruhenden exogenen Komponente. Die Steigerung der achromatischen Erregbarkeit durch die Dunkeladaptation trifft im wesentlichen nur die letztere Komponente und ber\u00fchrt die erstere Komponente, die, falls es sich um schwellenm\u00e4\u00dfige und schwellennahe Reize handelt, meistens die wichtigere Komponente sein d\u00fcrfte, nur sehr wenig. Infolge dieser Verh\u00e4ltnisse hat der vordem schwellenm\u00e4\u00dfige Reiz nach vollzogener Dunkeladaptation eine achromatische Erregung zur Folge, die trotz der bedeutenden Steigerung ihrer exogenen Komponente in geringerem Verh\u00e4ltnisse verst\u00e4rkt ist als die chromatische Erregung, so da\u00df er herabgesetzt werden mu\u00df, um nicht \u00fcberschwellig zu sein.\nAns dem Bisherigen ergibt sich die Wichtigkeit der Vorschrift, in F\u00e4llen, wo man es mit schwellenm\u00e4\u00dfigen oder schwellen-","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\nGeorg Elias M\u00fcller\nnahen Lichtreizen zu tun hat, stets im Ange zn behalten, da\u00df es\neine endogene Komponente der achromatischen Erregung gibt,\n\u2022 \u2022\ndie von den \u00c4nderungen der Reizst\u00e4rke und der Erregbarkeit des Sehorganes nicht ebenso wie die exogene Komponente betroffen wird.\n\u00a7 5. Die Empfindungen der Spektralfarben bei sehr stark herabgesetzten Lichtst\u00e4rken. Das Bezold-\nBa\u00fccKEsche Ph\u00e4nomen\nIm n\u00e4chsten Paragraphen, wo wir n\u00e4her von den Farbenschwellen zu handeln haben, kommen f\u00fcr uns die Beschaffenheiten der Erregungen, welche die Spektralfarben bei sehr stark herabgesetzten Lichtintensit\u00e4ten und Tagessehen erwecken, n\u00e4her in Betracht. In der Hauptsache sind hierf\u00fcr zw^ei Faktoren ma\u00dfgebend, welche dahin wirken, da\u00df auch beim Tagessehen die Beschaffenheiten (Farbent\u00f6ne und S\u00e4ttigungen) der Empfindungen bei niederen Intensit\u00e4ten der Spektralfarben andere sind wie bei mittleren. Der erste Faktor ist dadurch gegeben, da\u00df die Erregungen des Gelbblausinnes bei abnehmender Lichtst\u00e4rke schneller absinken als die Erregungen des Rotgr\u00fcnsinnes. Denken wir uns eine rote, eine gelbe, eine gr\u00fcne und eine blaue Farbe, die nach der von Kohlrausch berechneten Farbentafel gleiche S\u00e4ttigung besitzen, so wird bei einer in gleichem Verh\u00e4ltnisse stattfindenden Herabsetzung der Lichtst\u00e4rken dieser Farben gem\u00e4\u00df der Wirksamkeit des in Rede stehenden Faktors die S\u00e4ttigung des Gelb und des Blau geringer ausfallen als diejenige des Rot und des Gr\u00fcn. Der zweite Faktor ist der chromatische Nebeneinflu\u00df der bei Lichtschw\u00e4chungen stattfindenden Herabsetzung der Wei\u00dferregung. Dieser Nebeneinflu\u00df macht sich f\u00fcr das Rot und noch mehr f\u00fcr das Gelb im Sinne einer Verminderung der S\u00e4ttigung geltend, f\u00fcr das Gr\u00fcn und noch mehr f\u00fcr das Blau ist er im gegenteiligen Sinne wirksam. Die beiden hier genannten Faktoren wirken also gemeinsam im Sinne einer relativen Herabsetzung der Gelblichkeit und im Sinne einer relativen Erh\u00f6hung der Gr\u00fcn-lichkeit, beim Rot und beim Blau wirken sie sich gegenseitig entgegen.\nVorstehende Darlegung wird durch das Aussehen, welches das Spektrum bei stark herabgesetzter Lichtst\u00e4rke darbietet (das BEzoLD-BR\u00dcCKEsche Ph\u00e4nomen) durchaus best\u00e4tigt, wenn man den Einflu\u00df der Kontrastwirkungen, welche die abgeschw\u00e4chten Spektral-","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Kieme Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n291\nf\u00e4rben in relativ gesteigertem Ma\u00dfe aufeinander aus\u00fcben, in geh\u00f6rige R\u00fccksicht zieht. Man pflegt zu sagen, da\u00df man im sehr lichtschwachen Spektrum nur 3 Farben sehe, Rot, Gr\u00fcn und Violett1, und man hat sogar diese Erscheinung in n\u00e4heren Zusammenhang zu der YouNG-HELjvmoLTzschen Theorie gebracht. Tats\u00e4chlich macht sich der Umstand, da\u00df sich das Rot und das Gr\u00fcn des Spektrums durch Kontrast gegenseitig heben, dahin geltend, da\u00df das aus doppeltem Grunde relativ schwache Gelb sich der Wahrnehmung leicht ganz entzieht. Infolge der Kontrastwirkung des relativ starken Gr\u00fcn stellt sich das reine Blau als violett dar.\nDie Behauptung, da\u00df der Simultankontrast bei den hier in Rede stehenden schwachen Spektralfarben eine bedeutende Rolle spiele, darf nicht befremden. Schon Ferree und Rand (I, S. 221 ff. und 238) haben festgestellt, da\u00df bei stark herabgesetzter Beleuchtung der Simultankontrast bedeutend verst\u00e4rkt ist. Gem\u00e4\u00df meinen fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen (I, S. 534f.) ist dieser Tatbestand daraus zu erkl\u00e4ren, da\u00df bei herabgesetzter Lichtst\u00e4rke die Konturen der Wahrnehmungsobjekte an Sch\u00e4rfe und Eindringlichkeit und damit an zur\u00fcckdr\u00e4ngender Kraft gegen\u00fcber den Kontrastwirkungen verlieren.\nVor allem ist hier gewisser Versuche zu gedenken, \u00fcber die Purdy in seiner zweiten Abhandlung (S. 554 f.) berichtet. Er beobachtete zwei sich mit ihrer geradlinigen Begrenzungslinie ber\u00fchrende, homogenes Licht ausstrahlende, kleine Felder, deren Lichter eine Wellenl\u00e4ngenunterschied von 10\u201425\tdarboten\nund ihren Intensit\u00e4ten nach die spezifischen Schwellen f\u00fcr ihre Wellenl\u00e4ngen darstellten. Obwohl diese Felder also nur soeben merkbare Farbigkeiten repr\u00e4sentierten, \u00fcbten sie doch deutlich farbige Kontrastwirkungen aufeinander aus. So erschien ein Feld von 600 /i[jl neben einem solchen von 625 fifx gelb, neben einem solchen von 590 pu rot. Ein Feld von 570 [Aft wurde neben einem solchen von 580 f\u00fcr gr\u00fcnliches, neben einem solchen von 560 //// f\u00fcr orangefarbiges Gelb erkl\u00e4rt. Ein Feld von 480 ftfi erschien neben einem solchen von 490 ///* violett, neben einem solchen von 470 [xyt gr\u00fcn, usw.\n1 Macht sich die St\u00e4bchent\u00e4tigkeit mit bemerkbar, so stellt sich wegen der Mitwirkung das D\u00e4mmerungsblau das Rot etwas purpurartig und das Gr\u00fcn etwas bl\u00e4ulich dar, wie dies Rood (S. 194) angibt.","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292\nGeorg Elias M\u00fcller\nDas Interesse von Purdy war nicht diesen Kontrastwirkungen zugewandt, sondern der Frage, mit welchen Qualit\u00e4ten sich die Spektralfarben bei den St\u00e4rkegraden der spezifischen Farbenschwellen darbieten, wenn sie nicht als Bestandteile eines kontinuierlichen Spektrums, sondern als einzelne in Gestalt einf\u00f6rmiger Felder dargeboten werden, ob auch dann nur drei verschiedene Farben sichtbar sind. Er fand, da\u00df unter diesen Bedingungen das Gelb sich keineswegs vermissen l\u00e4\u00dft und verschiedene Farben, deren Wellenl\u00e4ngen um nur 10 fJfJi voneinander ab weichen, bei Nebeneinanderstellung noch sehr wohl qualitativ merkbar verschiedene Empfindungen hervorrufen.\n\u00a76. Die Werte der Farbenschwellen\nL Die generellen Schwellen der Spektralfarben. Purdy bestimmte f\u00fcr 13 Spektralfarben die Betr\u00e4ge der generellen und der spezifischen Schwelle. \u00dcber den bei abnehmender Wellenl\u00e4nge stattfindenden Gang der generellen Schwelle, der uns hier zun\u00e4chst besch\u00e4ftigen soll, gibt Tabelle 3 auf S. 293 n\u00e4here Auskunft. Zum Verst\u00e4ndnis dieses Schwellenganges ist zweierlei vorauszuschicken. Erstens dies, da\u00df bei diesen Schwellenbestimmungen, bei denen Purdy selbst als Vp. fungierte, wesentlich der Zapfenapparat ma\u00dfgebend war. Purdy bemerkt ausdr\u00fccklich, da\u00df ein Schwellengang von der angegebenen Art auch bei einem Beobachtungsfelde von nur 1/2 0 konstatiert worden sei. Zweitens ist zu bemerken, da\u00df die Einheit f\u00fcr die von Purdy angegebenen Schwellenwerte das Photon ist. Die in Tabelle 3 angef\u00fchrten numerischen Schwellenwerte sind Bruchteile eines Photon. Troland (S. 32) definiert das von ihm eingef\u00fchrte Photon folgenderma\u00dfen : A photon is that intensity of illumination upon the retina of the eye which accompanies the direct fixation, with adequate accommodation, of a stimulus of small area, the photometric brightness of which, as determined by the standard flicker comparison and a normal subject, is one candle per square meter, when the area of the externally effective pupil, considered as lying in the nodal plane of the eye, is one square millimeter. The physiological intensity of a visual stimulus is its intensity expressed in photons. The\nphoton is a unit of illumination, and hence has an absolute value in metercandles.\nHiernach stimmen ein gelbes Licht von der St\u00e4rke eines Photons und ein blaues Licht von derselben St\u00e4rke darin \u00fcberein,","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\t293\nda\u00df sie beide (bei Benutzung des Lichtes der Normalkerze als Vergleichslicht) denselben Flimmerwert besitzen. Da nun ein solcher Flimmerwert sich wesentlich nach der St\u00e4rke des dem betreffenden Lichte anhaftenden Verm\u00f6gens, Wei\u00dferregung zu erwecken, bestimmt \\ so k\u00f6nnen wir auch sagen, zwei Lichter von verschiedener Wellenl\u00e4nge, aber von der gleichen St\u00e4rke eines Photon haben die gleiche Wei\u00dferregung zur Folge. Dasselbe d\u00fcrfte aber, wenigstens mit starker Ann\u00e4herung, auch von zwei Lichtern verschiedener Wellenl\u00e4nge gelten, die beide die St\u00e4rke\nTabelle 3\nPhotonwerte der Schwellen\nWellenl\u00e4nge\tGenerelle Schwelle\tSpezifische Schwelle\n700\t0,0023\t0,0023\n625\t0,0043\t0,0052\n600\t0,0017\t0,0071\n585\t0,0032\t0,0178\n560\t0,0033\t0,0174\n540\t0,0053\t0,0238\n525\t0,0035\t0,0244\n515\t0,0070\t0,0229\n500\t0,0074\t0,0237\n490\t0,0072\t0,0228\n470\t0,0078\t0,0221\n450\t0,0049\t0,0179\n430\t0,0040\t0,0191\neines und desselben Bruchteiles eines Photon besitzen. Wenn nun bei den Versuchen von Puedy z. B. die Schwelle f\u00fcr 470 juju mehr wie viermal so stark war als diejenige f\u00fcr 600 ////, so beweist dies, da\u00df die generelle Schwelle nicht blo\u00df von der Wei\u00dfvalenz, sondern auch noch von der chromatischen Valenz des Lichtes abhing, obwohl der Farbenton des schwellenm\u00e4\u00dfigen Lichtes nicht erkannt wurde. Mit diesem Einfl\u00fcsse der chromatischen Valenz auf den Photon wert der generellen Schwelle wollen wir uns im folgenden etwas n\u00e4her besch\u00e4ftigen. Zun\u00e4chst teile ich in oben stehender Tabelle die f\u00fcr die verschiedenen Wellenl\u00e4ngen von Puedy erhaltenen (in Photons ausgedr\u00fcckten) Schwellenwerte mit.\n1 Man vergleiche hierzu das von mir fr\u00fcher (II, S. 84 f.) Bemerkte.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 62","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nGeorg Elias M\u00fcller\nSoll nun die Abh\u00e4ngigkeit von der Wellenl\u00e4nge, welche der Photonwert der generellen Schwelle nach vorstehender Tabelle zeigt, erkl\u00e4rt werden, so liegt folgende Betrachtung nahe. Damit ein farbiger Lichtreiz die Schwelle erreiche, ist notwendig, da\u00df die Gesamtintensit\u00e4t der von ihm erweckten Erregungen einen von der Wellenl\u00e4nge unabh\u00e4ngigen, bestimmten Wert besitze. Je st\u00e4rker die von dem Reize hervorgerufene chromatische Erregung ist, je betr\u00e4chtlicher also die S\u00e4ttigung der von ihm erweckten Empfindung ist, desto schw\u00e4cher braucht die durch den Photonwert repr\u00e4sentierte Wei\u00dferregung zu sein, damit jene f\u00fcr die Erreichung des Schwellenwertes erforderliche Gesamtintensit\u00e4t der Erregung erreicht werde. Es mu\u00df also der Photonwert um so geringer sein, je ges\u00e4ttigter die Spektralfarbe ist.\nBei n\u00e4herem Einblick in die Yersuchsresultate erweist sich\n\u2022 \u2022\nindessen diese Betrachtung als unzul\u00e4nglich. Beim \u00dcberg\u00e4nge von 625 fxfx zu 600 [Xfx erf\u00e4hrt der S\u00e4ttigungsgrad auch bei niederen Lichtst\u00e4rken ganz sicher eine Abnahme, und dennoch verringert sich der Photonwert recht bedeutend. Das Licht von 470 /xu ist entschieden ges\u00e4ttigter als dasjenige von 585///^ und dennoch kommt seiner Schwelle der h\u00f6here Photonwert zu.\nEs geht also nicht an, die Sache so anzusehen, als trete bei einer Schwellenbestimmung die chromatische Erregung nur als ein ihrer Intensit\u00e4t proportionales, aber von ihrer Qualit\u00e4t unabh\u00e4ngiges verst\u00e4rkendes Moment zu der achromatischen Erregung hinzu. Es ist ohne weiteres klar, da\u00df auch die Qualit\u00e4t der chromatischen Erregung hier eine Rolle spielt. Denn die eigent\u00fcmliche F\u00e4rbung, welche die chromatische Erregung der eintretenden Empfindung gibt, ist nicht ohne Einflu\u00df auf ihre Unterscheidbarkeit von der Empfindung des dunklen Grundes. Selbstverst\u00e4ndlich sind hier die Eigenhelligkeiten der Farben ma\u00dfgebend. Je n\u00e4her die chromatische T\u00f6nung der Empfindung des Reizes der Schw\u00e4rz-lichkeit des dunklen Grundes steht, desto schwieriger ist diese Empfindung von der Emfindung des dunklen Grundes zu unterscheiden. Blau steht dem Schwarz viel n\u00e4her als Gelb. Die Folge davon ist, da\u00df nach obiger Tabelle der Phontonwert des Blau bedeutend gr\u00f6\u00dfer ist als derjenige der gelblichen Farben.\nBei n\u00e4herer \u00dcberlegung ergibt sich folgendes. Die Sichtbarkeit einer Farbe, d. h. ihre Unterscheidbarkeit von dem dunklen Grunde, h\u00e4ngt erstens von der St\u00e4rke ihrer Wei\u00dfvalenz und zweitens von der Intensit\u00e4t und Beschaffenheit ihrer chromatischen Valenz","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n295\nab, von der Beschaffenheit der letzteren insofern, als die chromatische Erregung bei gleicher St\u00e4rke um so mehr zur Sichtbarkeit beitr\u00e4gt, je gr\u00f6\u00dfer die Eigenhelligkeit der ihr entsprechenden Empfindung ist. Soll nun durch eine Farbe der eben merkbare Helligkeitszuwachs zu einem dunklen Grunde erzielt werden, so wird der Anteil der Wei\u00dfvalenz an der Bewirkung des Helligkeitszuwachses, also der Photonwert der generellen Schwelle der Farbe selbstverst\u00e4ndlich um so gr\u00f6\u00dfer sein, je geringer die S\u00e4ttigung der Farbe, das Verh\u00e4ltnis ihrer chromatischen Valenz zur Wei\u00dfvalenz ist. Dagegen mu\u00df eine Verst\u00e4rkung der HelligkeitsWirkung\nder chromatischen Valenz, sei es durch Erh\u00f6hung des S\u00e4ttigungs-\n\u2022 \u2022\ngrades der Farbe oder durch \u00c4nderung der Qualit\u00e4t der chromatischen Valenz im Sinne der Bewirkung einer Empfindung von h\u00f6herer Eigenhelligkeit, notwendig im Sinne einer Schw\u00e4chung des Photonwertes der generellen Schwelle wirken.\nDa wir, wie in \u00a7 5 gesehen, \u00fcber die S\u00e4ttigungsverh\u00e4ltnisse und die Eigenhelligkeiten der auf niedere Intensit\u00e4tsstufen herabgebrachten Spektralfarben nur unvollst\u00e4ndig orientiert sind, so k\u00f6nnen wir auch die vorstehenden S\u00e4tze nur in beschr\u00e4nktem Ma\u00dfe zur Erkl\u00e4rung des in Tabelle 3 vorliegenden Ganges des\nPhotonwertes p der generellen Schwelle verwenden.\n\u2022 \u2022\nDa\u00df beim \u00dcberg\u00e4nge von 625zu 600 /in der Wert von p\nsich verringert, ist darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, da\u00df hier ein \u00dcbergang\nzu einer Empfindung von geringerer Rotlichkeit und st\u00e4rkerer Gelb-\nlichkeit, also von h\u00f6herer Eigenhelligkeit vorliegt.\n\u2022 \u2022\nBeim \u00dcberg\u00e4nge von 600 fxfi zu 585 jufi steigt p an. Dies d\u00fcrfte einerseit darauf beruhen, da\u00df hier eine Abnahme des S\u00e4ttigungsgrades vorliegt. Andererseits ist zu bedenken, da\u00df ein Licht\nvon 585 juju bei stark herabgesetzter Intensit\u00e4t einen gr\u00fcnlichen\n\u2022 \u2022\nAnstrich hat.1 Es liegt hier also ein \u00dcbergang von einer r\u00f6tlich-\n\u2022 \u2022\ngelben Empfindung zu einer gr\u00fcnlichgelben, also ein \u00dcbergang zu einer Empfindung von geringerer Eigenhelligkeit vor.\nF\u00fcr den Spektralbereich 585 nn bis 515 fty kommt der im vorigen Paragraphen hervorgehobene Umstand in Betracht, da\u00df bei starker Abschw\u00e4chung des Spektrums die Gr\u00fcnlichkeit relativ erh\u00f6ht und die Gelblichkeit relativ geschw\u00e4cht wird. Beide Vorg\u00e4nge beeinflussen die Eigenhelligkeit der Empfindung in verschiedenem Ma\u00dfe und haben gem\u00e4\u00df dem Bestehen des inneren W-Wertes des \u00a9-Prozesses\n1 Wie Versuche von Oesteereich (S. 366 ff.) gezeigt haben, erscheint selbst Licht von 589 [iu nach geh\u00f6riger Abschw\u00e4chung gr\u00fcnlich.\n22*","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nGeorg Elias M\u00fcller\nund des inneren S-Wertes des \u00a9-Prozesses auch Einflu\u00df auf die Intensit\u00e4t der eintretenden Wei\u00dferregung. Und es ist nat\u00fcrlich m\u00f6glich, sich ein Verhalten beider Vorg\u00e4nge in dem hier in Rede stehenden Spektralbezirk zu konstruieren, bei dem der Gang von p in demselben richtig herauskommt. Nur fehlen zur Zeit f\u00fcr eine derartige Konstruktion die erforderlichen positiven Unterlagen.\nDa\u00df p bei 515 //// in Vergleich zu den vorausgegangen Wellenl\u00e4ngen einen stark gesteigerten Wert besitzt, ist auf die bei dieser Wellenl\u00e4nge vorhandene geringe S\u00e4ttigung und stark geminderte Gelblichkeit, also herabgesetzte Eigenhelligkeit, der Farbe zur\u00fcckzuf\u00fchren.\nIn dem Bereiche 515 //// bis 470 //// Anden bei abnehmender Wellenl\u00e4nge einerseits eine betr\u00e4chtliche Abnahme der Eigenhelligkeit der Farbe und anderseits eine starke Zunahme der S\u00e4ttigung statt. Indem sich beide Vorg\u00e4nge mit ihren gegenteiligen Einfl\u00fcssen auf p ann\u00e4hernd das Gleichgewicht halten, resultiert eine ann\u00e4hernde Konstanz von p.\nNachdem p bei 470////, in der Gegend des Urblau, der Farbe\nmit der geringsten Eigenhelligkeit, erwartungsgem\u00e4\u00df sein Maximum\n\u2022 \u2022\nerreicht hat, sinkt es endlich beim \u00dcberg\u00e4nge zu 450//// wieder herab. Dies ist die notwendige Folge davon, da\u00df das Violett neben ungef\u00e4hr gleicher S\u00e4ttigung eine h\u00f6here Eigenhelligkeit besitzt als das Blau und zwar eine um so h\u00f6here, je r\u00f6tlicher es ist.\nEs unterliegt nach vorstehendem keinem Zweifel, da\u00df die von Purdy festgestellte Abh\u00e4ngigkeit des Photonwertes der generellen Schwelle von der Wellenl\u00e4nge des Reizfeldes darauf beruht, da\u00df die Eigenhelligkeiten der Farben, obwohl die Farbent\u00f6ne nicht erfa\u00dft wurden, bei der Unterscheidung des Reizfeldes von dem dunklen Grunde eine wesentliche Rolle gespielt haben. Es ist nicht abzusehen, wie eine andere Erkl\u00e4rung der angef\u00fchrten Versuchsresultate m\u00f6glich sei. Ich habe schon fr\u00fcher (I, S. 571 und 573) darauf hingewiesen, da\u00df f\u00fcr den Wert, den eine Farbschwelle einerseits auf schwarzem und andererseits auf wei\u00dfem Grunde besitzt, auch der Grad der Verwandschaft mitbestimmend ist, welche die Farbe gem\u00e4\u00df ihrer Eigenhelligkeit zum Schwarz bzw. Wei\u00df besitzt.\nDie Annahme, da\u00df die (\u00fcber den Spektralbereich 625 //// bis 430//// sich verteilenden) Farben, die bei P. als anscheinend farblose \u00fcber die Schwelle kamen, bei ihren schwellenm\u00e4\u00dfigen Inten-","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psgchophysik der Karbenempfindung\n297\nsit\u00e4ten chromatische Erregungen erweckt h\u00e4tten, welche den eintretenden Empfindungen gewisse zwar nicht erfa\u00dfte, aber ihre Unterscheidbarkeit vom dunklen Grunde beeinflussende F\u00e4rbungen erteilt h\u00e4tten, erscheint besonders plausibel in Hinblick auf die Tatsache, da\u00df diese Farben, abgesehen vom Gelb, wohl bei den meisten der bisherigen Beobachter bei fovealer Einwirkung farbig \u00fcber die Schwelle gekommen sind. Wie schon erw\u00e4hnt, hat P. die (ihm vielleicht durch Selbstbeobachtung gekommene) Ansicht vertreten, da\u00df bei den schwellenm\u00e4\u00dfigen und schwellennahen Farb-reizen die F\u00e4higkeit der Farbenunterscheidung herabgesetzt sei.\nII.\tDas Verh\u00e4ltnis des mit farblosem Lichte erh\u00e4ltlichen Photonwertes zu den mit farbigen Lichtern erh\u00e4ltlichen. Da nach vorstehenden Ausf\u00fchrungen die von einem schwellenm\u00e4\u00dfigen Reize hervorgerufene chromatische Erregung nach Ma\u00dfgabe ihrer Intensit\u00e4t und nach Ma\u00dfgabe der Eigenhelligkeit der ihr entsprechenden Empfindung an der Merk-barkeit der Empfindung mit beteiligt ist, so ist zu schlie\u00dfen, da\u00df der Photonwert eines farblosen schwellenm\u00e4\u00dfigen Lichtes gr\u00f6\u00dfer sei als der Photonwert irgendeines farbigen Lichtes. Die Schwellenversuche von P. erlauben uns nicht diese Schlu\u00dffolgerungen zu pr\u00fcfen, da sie sich nur auf Spektralfarben erstreckten. Diese L\u00fccke wird durch Versuche von Dieter und Kohlrausch (S. 120 f.) ausgef\u00fcllt. Sie bestimmten nach halbst\u00fcndiger Dunkeladaptation f\u00fcr einige Buntfarben und ein rein wei\u00dfes Licht bei fovealer Reizaufnahme den Flimmerwert der generellen Schwelle. Derselbe betrug f\u00fcr Rot 7000 bis 8000, f\u00fcr Orange und Blau 8000 bis 9000, f\u00fcr Gr\u00fcn 16000 und f\u00fcr Wei\u00df 19000 Mikrolux. Die generelle Schwelle des wei\u00dfen Lichtes hat also in der Tat den h\u00f6chsten Flimmerwert ergeben. Im \u00fcbrigen ist mit diesen Flimmerwerten nicht viel anzufangen, da es sich nicht um Spektrallichter, sondern um mit Hilfe von Farbfiltern gewonnene Lichter handelt, deren S\u00e4ttigungsverh\u00e4ltnisse wir nicht kennen. Fis kann z. B. auffallen, da\u00df Gr\u00fcn einen betr\u00e4chtlich h\u00f6heren Flimmerwert besitzt als Blau, obwohl dem erster en eine h\u00f6here Eigenhelligkeit der Empfindung entspricht als letzterem. Es ist aber doch f\u00fcr den Photonwert der generellen Schwelle die erweckte chromatische Erregung nicht blo\u00df gem\u00e4\u00df der Eigenhelligkeit der von ihr erweckten Empfindung, sondern auch gem\u00e4\u00df ihrer Intensit\u00e4t von Belang.\nIII.\tEs ist hier der Ort, kurz einer Feststellung von Boswell zu gedenken. Derselbe stellte Versuche \u00fcber die","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\nGeorg Elias M\u00fcller\nfovealen Schwellen von Spektralfarben an und kam durch Vergleich seiner Schwellenbestimmungen mit den Resultaten der von v. Kries \u00fcber die Peripherienwerte der Spektralfarben angestellten Versuche und der SiEBECKschen Versuche \u00fcber die Minimalfeldhelligkeiten zu folgender Feststellung: \u201eDie foveale Sichtbarkeit der Lichter sinkt, sowohl wenn wir vom Na-Licht zu r\u00f6teren, als wenn wir zu kurzwelligen Lichtern \u00fcbergehen, weniger stark ab, als ihre bei Fortfall der Farbe zu beobachtenden Helligkeiten, sei es nun, da\u00df diese als PeripheriewTerte ... sei es, da\u00df sie als Minimalfeldhelligkeiten beobachtet werden.\u201c So besa\u00df z. B. nach den Versuchen von Boswell ein Licht von 476 [ifi in Beziehung auf die Erweckung einer schwellenm\u00e4\u00dfigen Empfindung einen Reizwert, der sich zu demjenigen des Na-Lichtes wie 10,6 zu 100 verhielt. Dagegen kam nach den Versuchen von Siebeck einem Lichte von 483,7 ein Reiz wert (Wei\u00dfwert) zu, der sich zu demjenigen des Na-Lichtes nur wie 1,8 zu 100 verhielt. Der Unterschied ist viel zu gro\u00df, als da\u00df er durch die Verschiedenheit der in beiden F\u00e4llen benutzten Spektren und andere derartige Nebenumst\u00e4nde zu erkl\u00e4ren sei. Die obige Feststellung von Boswell beruht eben darauf, da\u00df der foveale generelle Schwellenwert eines Lichtes auch von der chromatischen Reizwirkung des Lichtes abh\u00e4ngt, und da\u00df, wenn man sich vom Na-Licht aus nach beiden Enden des Spektrums hin entfernt, der Einflu\u00df dieses Faktors auf die Merkbarkeit des Lichtes langsamer abnimmt als der Einflu\u00df der achromatischen Reizwirkungen.\nIV. Die spezifischen Schwellen. Wie erw\u00e4hnt, bestimmte Purdy f\u00fcr die 13 ausgew\u00e4hlten Spektralfarben auch die Photonwerte der spezifischen Schwellen. Da wir \u00fcber die Verh\u00e4ltnisse der S\u00e4ttigungen und Eigenhelligkeiten, welche die Spektralfarben, insbesondere die gelblich gr\u00fcnen Farben, bei stark herabgesetzten Lichtst\u00e4rken besitzen, nicht hinl\u00e4nglich genau orientiert sind, so k\u00f6nnen wir auch den Gang, den nach Tabelle 3 der Photonwert der spezifischen Schwelle bei abnehmender Wellenl\u00e4nge nimmt, nicht vollst\u00e4ndig erkl\u00e4ren. P. bemerkt, da\u00df die erhaltenen Resultate in \u00dcbereinstimmung zu dem Satze st\u00e4nden, da\u00df die spezifische Schwelle um so tiefer liege, je ges\u00e4ttigter die Farbe sei. Diese Behauptung wird keineswegs der Gesamtheit der erhaltenen Resultate gerecht. Spektrales Blau ist auch bei sehr stark herabgesetzten Lichtst\u00e4rken viel ges\u00e4ttigter als spektrales Gelb, und dennoch verh\u00e4lt sich nach P.s Messungen die","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n299\nspezifische Schwelle f\u00fcr 470 pipe zu derjenigen f\u00fcr 575 ptpc ungef\u00e4hr wie 221 zu 177. Ein Licht von 625 pipt ist nach Kohl-eauschs Tabelle etwas weniger ges\u00e4ttigt als ein Licht von 470 pLpL und d\u00fcrfte auch bei herabgesetzten Lichtst\u00e4rken schwerlich in erheblichem Ma\u00dfe ges\u00e4ttigter sein wie dieses. Und dennoch verh\u00e4lt sich nach den Angaben von P. die spezifische Schwelle der ersteren Farbe zu derjenigen der letzteren wie 52 zu 221.\nEs liegt nahe, die Tatsache, da\u00df die spezifische Schwelle f\u00fcr die r\u00f6tlichen und gelben Lichter und auch f\u00fcr die violetten Lichter deutlich oder sogar recht erheblich geringer ausgefallen ist als f\u00fcr das Blau, darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, da\u00df die Eigenhelligkeit der Farbe den Photonwert der spezifischen Schwelle in der gleichen Richtung (n\u00e4mlich herabsetzend) beeinflu\u00dfte wie die generelle Schwelle. Ein solcher Einflu\u00df l\u00e4\u00dft sich leicht verstehen. Wird zu der Erregung, die der schw\u00e4rzlichen Empfindung eines dunklen Grundes entspricht, eine schwache chromatische Erregung hinzugef\u00fcgt, so wird die durch diese Hinzuf\u00fcgung entstehende farbige Empfindung von der farblosen schw\u00e4rzlichen des Grundes um so weniger verschieden und daher auch hinsichtlich der n\u00e4heren Beschaffenheit des ihre Verschiedenheit von dieser bedingenden farbigen Anteiles um so weniger leicht erkennbar sein, je geringer die Eigenhelligkeit der Empfindung ist, die der chromatischen Zusatzerregung entspricht. Ist also eine Farbe gegeben, die einen aus achromatischer und chromatischer Erregung bestehenden Erregungskomplex hervorruft und hinsichtlich ihres Farbentones soeben erkennbar ist, so wird, wenn die Qualit\u00e4t der chromatischen Komponente des Komplexes dahin abge\u00e4ndert wird, da\u00df ihr eine Empfindung von geringerer Eigenhelligkeit entspricht, dies notwendig zur Folge haben, da\u00df behufs Wiederherstellung der Erkennbarkeit des Farbentones die Lichtst\u00e4rke und mithin auch der Photonwert erh\u00f6ht werden mu\u00df.\nDas Vorstehende erkl\u00e4rt nicht den von dem Verhalten der generellen Schwelle wesentlich abweichenden Gang, den die spezi fische Schwelle in dem Spektralbezirke 625 /upc bis 585 jupi nimmt. Beim \u00dcbergange von 625 fipi zu 600 jupt sinkt die generelle Schwelle deutlich ab, w\u00e4hrend die spezifische Schwelle deutlich ansteigt. Beim \u00dcbergange von 600 ptpt zu \u00f68\u00f6 juju steigen zwar beide Werte an, aber der Zuwuchs der spezifischen Schwelle ist unvergleichlich gr\u00f6\u00dfer (0,0107) als derjenige der generellen Schwelle (0,0015). Man kann dieses Verhalten der spezifischen Schwelle mit P. in","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\nGeorg Elias M\u00fcller\nZusammenhang zu der S\u00e4ttigungsabnahme bringen, die beim \u2022 \u2022\n\u00dcberg\u00e4nge von 625 juju zu 585 juju stattfindet, und die notwendig im Sinne einer Erh\u00f6hung des Photonwertes der spezifischen Schwalle wirken mu\u00df. Es ist aber m\u00f6glich, da\u00df bei dieser auff\u00e4lligen Zunahme des Photonwertes noch etwas Besonderes im Spiele ist, n\u00e4mlich die besondere Eindringlichkeit der roten Farbe, welche bei Versuchen \u00fcber die spezifische Schwelle die Erfassung des Rot mit seiner besonderen Qualit\u00e4t beg\u00fcnstigt.1 Schon Mi\u00df Monroe hat in einer von P. (S. 295) wiedergegebenen Auslassung auf diese Vorzugsstellung des Rot hingewiesen. Sie sagt: The chromatic threshold for red is by far the easest to determine. The transition from achromatic to chromatic is abrupt and sharply marked and there is little or no hesitation on the part of the observer as to whether or not there is any colour present. Wegen dieser Eigenschaft des Rot macht sich die Abnahme der R\u00f6tlichkeit, die beim \u2022 \u2022\n\u00dcberg\u00e4nge von 625 /j[a zu 585 /i/jl stattfindet, wie eine Abnahme der Erfa\u00dfbarkeit des Farbentones und im gleichen Sinne wie eine Abnahme der Eigenhelligkeit geltend, so da\u00df trotz der wirklichen Zunahme der Eigenhelligkeit unter dem Miteinflusse der gleichzeitig stattfindenden S\u00e4ttigungsabnahme der PhotonwTert stark ansteigt.\nP. stellte auch noch Versuche an, bei denen je zwei Spektrallichter von benachbarten, um etwa 10 juju voneinander abweichenden Wellenl\u00e4ngen auf den spezifischen Schwellenwert gebracht und dann hinsichtlich der Helligkeit miteinander verglichen wurden. Indem diese Versuche in dem Spektralbezirke 625 ia/a bis 430 juju in zusammenh\u00e4ngender Weise durchgef\u00fchrt wTurden, lie\u00df sich f\u00fcr diesen Bereich die spektrale Helligkeitskurve der spezifischen Schwelle konstruieren. Wie zu erwarten, stimmte diese Kurve im gro\u00dfen und ganzen mit der spektralen Kurve der Photonwerte der spezifischen Schwelle \u00fcberein.\nIn den vorstehenden Ausf\u00fchrungen spielt die Lehre von den Eigenhelligkeiten der Farben eine wesentliche Rolle. Man hat sich dieser Lehre gegen\u00fcber vielfach zur\u00fcckhaltend oder gar ablehnend verhalten aus Unkenntnis der Tatsachen, welche ihre Aufstellung fordern und von denen ich fr\u00fcher (I, S. 541 ff. und 346 ff.) berichtet habe. Zu diesen schon fr\u00fcher angef\u00fchrten Tatsachen treten nun noch die von P. hinsichtlich der gene-\n1 Die Eindringlichkeit des Rot ist weder mit der Intensit\u00e4t noch mit der Helligkeit der Rotempfindung zu identifizieren. Einem Referat in dem Zbl. Neur. 61, 35 (1931) entnehme ich, da\u00df D. E. Johannsen feststellte, da\u00df bei dem binokularen Wettstreite zwischen gleichhellen Farben die Farbe mit den l\u00e4ngeren Wellenl\u00e4ngen dominiert.","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n301\nrellen und spezifischen Schwelle gewonnenen Versuchsresultate hinzu, die sich ja auch nur mit Hilfe jener Lehre gen\u00fcgend erkl\u00e4ren lassen. Ferner ist hier noch eines fr\u00fcher von mir \u00fcbersehenen Versuches von Kohlrausch (III, S. 218) zu gedenken. Er stellte fest, da\u00df ein und dasselbe farblose Licht im Wechsel mit einem ihm flimmer\u00e4quivalenten Gelb leichter, d. h. schon bei geringerer Wechselfrequenz verschmilzt als mit flimmer\u00e4quivalenten Lichtern gr\u00f6\u00dferer oder kleinerer Wellenl\u00e4nge. Der Unterschied nahm gegen beide Spektralenden hin allm\u00e4hlich zu und konnte recht betr\u00e4chtlich werden. So fanden sich unter bestimmten Bedingungen f\u00fcr 590 uu 7, f\u00fcr 670 \"y dagegen 17 ganze Perioden pro Sekunde als Minimalfrequenz erforderlich. Wir haben es hier mit Versuchsresultaten zu tun, an denen die Eigenhelligkeiten der Farben stark mitbeteiligt sind. Gelb ist die Farbe, die dem Wei\u00df am \u00e4hnlichsten ist, und beim \u00dcbergange nach beiden Spektralenden hin verringert sich die Verwandtschaft zum Wei\u00df. Dies mu\u00df notwendig dahin wirken, da\u00df die beim schnellen Wechsel zwischen Buntfarbe und flimmer\u00e4quivalentem Wei\u00df eintretenden Ungleichf\u00f6rmigkeiten des Aussehens des Beobachtungsfeldes bei Gelb bei der geringsten Wechselfrequenz unmerkbar werden und beim \u00dcbergange nach einem Spektralende hin eine um so gr\u00f6\u00dfere Wechselfrequenz f\u00fcr ihre Unmerk-barkeit erfordern, je mehr man sich vom Gelb entfernt. Man wird hier vielleicht einwenden, da\u00df die Verschmelzungsfrequenz ja auch von der S\u00e4ttigung der Buntfarbe abh\u00e4nge, und da\u00df z. B. ein Licht von 670 yy viel ges\u00e4ttigter sei als ein solches von 590 f<y. Da\u00df aber die Bezugnahme auf diesen Einflu\u00df der S\u00e4ttigung nicht \u00e4usreicht, um die hier in Rede stehenden Versuchsresultate von Kohlrausch vollst\u00e4ndig zu erkl\u00e4ren, lehrt eine Vergleichung der S\u00e4ttigungsgrade von 590 y y und 510 yy. Der S\u00e4ttigungsgrad ersteren Lichtes betr\u00e4gt nach Kohlrauschs Tabelle 5,9, derjenigen des letzteren Lichtes 2,4. Und trotzdem erforderte letzteres Licht zur Verschmelzung mit dem flimmer\u00e4quivalenten Wei\u00df 16 Perioden pro Sekunde, ersteres Licht dagegen nur 7 Perioden.\nEs bleibt noch der Einwand \u00fcbrig, da\u00df die Verschmelzungsfrequenz f\u00fcr eine Buntfarbe und flimmer\u00e4quivalentes Wei\u00df vermutlich auch von der Steilheit abh\u00e4ngig sei, mit welcher die der Buntfarbe entsprechende Erregung ansteige, und zwar um so gr\u00f6\u00dfer sei, je betr\u00e4chtlich diese Steilheit sei. Falls nun die Steilheit des Erregungsanstieges f\u00fcr Gr\u00fcn betr\u00e4chtlich gr\u00f6\u00dfer sei als f\u00fcr Gelb, lasse sich die Tatsache, da\u00df die Verschmelzung mit dem flimmer\u00e4quivalenten Wei\u00df bei letzterer Farbe sich mit geringerer Wechselfrequenz vollziehe als bei ersterer Farbe, ohne Bezugnahme auf die Eigenhelligkeiten erkl\u00e4ren. Auch dieser Einwurf d\u00fcrfte hinf\u00e4llig sein. Weiterhin (S. 311) n\u00e4her zu besprechende Versuche \u00fcber die zeitliche Entwicklung des Chroma bei Superposition desselben auf eine Helligkeit von konstantem Werte hat Pi\u00e9ron mit Hilfe einer eigens f\u00fcr diesen Zweck erdachten, komplizierten Versuchsanordnung angestellt. Er stellte fest, da\u00df die Entwicklung des Chroma bei dem Rot schneller erfolgt als bei dem Gr\u00fcn und bei diesem schneller als bei dem Blau. Das Gelb hat er nicht mit untersucht. Da indessen die Anstiegsgeschwindigkeiten der Sehnervenerregungen in erster Linie sich nach denjenigen der P-Prozesse bestimmen","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\nGeorg Elias M\u00fcller\nund die Gelberregung insofern als sie in ungef\u00e4hr gleichem Ma\u00dfe auf Pi-Proze\u00df und Pn-Proze\u00df beruht, gewisserma\u00dfen in der Mitte zwischen der Roterregung und der Gr\u00fcnerregung steht, so ist zu vermuten, da\u00df die Gelberregung sich zwar langsamer als die Roterregung, aber schneller als die Gr\u00fcnerregung zeitlich entwickle. Dasselbe l\u00e4\u00dft sich nach den Verhaltungsweisen der Fechnerschen Farben annehmen.1\nV. Die Spektralfarbenversuche von Dieter und Kohleausch. Diese Forscher stellten f\u00fcr eine Reihe homogener Farben auf direkt fixiertem Felde von 1\u00b0 Durchmesser in vergleichender Weise fest erstens \u201ebei Helladaptation und hellen Lichtern ihr Flimmerverh\u00e4ltnis zu einem konstant gehaltenen un-zerlegten Wei\u00df\u201c und zweitens \u201enach 1/2- bis 2 st\u00e4ndiger Dunkeladaptation und proportionaler Intensit\u00e4tsminderung aller Lichter . . . ihr Schwellenverh\u00e4ltnis.\u201c Bei letzteren Versuchen konstatierten sie, da\u00df nur das Gelb ein farbloses Intervall hatte, dagegen die lang- und kurzwelligen Lichter \u201eges\u00e4ttigt farbig\u201c \u00fcber die Schwelle traten. Es bestand in dieser Hinsicht also ein wesentlicher Unterschied von den Versuchen von Puedy, bei denen von 625 juju ab alle Spektralfarben ein farbloses Intervall hatten.\nWurde nun ein gelbes Licht und das wei\u00dfe Licht, das seinen Flimmerwert darstellte, nach l\u00e4ngerer Dunkeladaptation und proportionaler Intensit\u00e4tsverringerung hinsichtlich ihrer Schwellenwerte miteinander verglichen, so zeigte sich, da\u00df bei derjenigen Intensit\u00e4tsminderung, bei welcher das wei\u00dfe Licht den Schwellenwert besa\u00df, das gelbe Licht farblos und nur sehr wenig heller aussah als das wei\u00dfe Licht. Je weiter man sich aber mit dem Lichte, das mit dem ihm flimmer\u00e4quivalenten Wei\u00df zu vergleichen war, von der Gegend des Gelb nach der einen oder der anderen Seite des Spektrums hin entfernte, desto gr\u00f6\u00dfer wurde der Unterschied, der nach Herabsetzung des Wei\u00df auf den Schwellen-wTert und proportionaler Schw\u00e4chung der Spektralfarbe zwischen dieser und dem Wei\u00df bestand. \u201eDer normale Trichromat mu\u00dfte die dem Wei\u00df flimmer\u00e4quivalenten Lichter 670 juju und 480 juju\num 50 % reduzieren, damit sie dem Wei\u00df schwellen\u00e4quivalent wurden\u201c.\nDurch derartige Versuche kann man ein Bild von dem Anteile gewinnen, den die chromatischen Erregungseffekte der\n1 Vgl. G. E. M\u00fcller, I, S. 402 f. Die von Ferree und Rand (II, S. 179 f.) vollzogenen Bestimmungen der Anstiegsgeschwindigkeiten der Rot, Gelb-, Gr\u00fcn-, Blau- und Wei\u00dfempfindung sind hier aus verschiedenen Gr\u00fcnden nicht verwertbar.","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n303\nSpektralfarben an der Erreichung ihrer Schwellenwerte haben. Zu erkl\u00e4ren ist hier erstens die Besonderheit des Gelb, im Gegens\u00e4tze zu den anderen Farben bei Erreichung der Schwelle farblos zu erscheinen. Dies kann befremdlich erscheinen, wenn man bedenkt, da\u00df das spektrale Gelb bei \u00fcblicher mittlerer Lichtst\u00e4rke des Spektrums zwar wenig ges\u00e4ttigt, aber doch nicht die am wenigsten ges\u00e4ttigte der Spektralfarben ist. Nach der von Kohlkausch gegebenen Tabelle der S\u00e4ttigungsgrade betr\u00e4gt der S\u00e4ttigungsgrad von 580\t5,8, derjenige von 510 nur 2,4. Und\ndoch hat letztere gr\u00fcne Farbe kein farbloses Intervall. Man mu\u00df hier wiederum auf die Lehre von den chromatischen Nebenwirkungen des Achromatischen Bezug nehmen. Bringen wir die Spektralfarben von mittleren Lichtst\u00e4rken auf schwellenm\u00e4\u00dfige Intensit\u00e4ten, so dient die dabei stattfindende Verringerung der Wei\u00dferregung dazu, die Wirsamkeit des roten und noch mehr diejenige des gelben Lichtes relativ zu benachteiligen, dagegen diejenige des Gr\u00fcn und noch mehr diejenige des Blau relativ zu f\u00f6rdern. Eine Folge hiervon ist, da\u00df bei schwellenm\u00e4\u00dfiger Intensit\u00e4t sich das Gelb farblos, das Gr\u00fcn dagegen farbig darstellte. Die Tatsache, da\u00df das stark herabgesetzte Gelb trotz seiner Farblosigkeit ein wenig heller erschien als das im gleichen Verh\u00e4ltnisse geschw\u00e4chte ihm flimmer\u00e4quivalente Wei\u00df, ist eine Best\u00e4tigung des oben von uns auf Grund der Schwellenversuche von Pukdy aufgestellten Satzes, da\u00df die chromatische Erregung, die ein schwellenm\u00e4\u00dfiger oder schwellennaher Lichtreiz erweckt, auch dann, wenn der entsprechende Farbenton nicht erfa\u00dft wird, von Bedeutung f\u00fcr den Helligkeitseindruck des Reizes ist.\nWas zweitens die Schwellenverh\u00e4ltnisse der \u00fcbrigen Spektralfarben zu den ihnen flimmer\u00e4quivalenten wei\u00dfen Lichtern betrifft, so ist zur Erkl\u00e4rung derselben kurz folgendes zu bemerken. Der Flimmerwert einer Spektralfarbe bestimmt sich im wesentlichen nur nach der Wei\u00dfvalenz, nicht aber auch nach der chromatischen Valenz derselben. Wird also eine Spektralfarbe in demselben Verh\u00e4ltnisse V geschw\u00e4cht, in dem das ihm bei h\u00f6herer Helligkeit flimmer\u00e4quivalente wei\u00dfe Licht herabgesetzt werden mu\u00df, um nur eben merkbar zu sein, so wird sie diesem Wei\u00df durch ihre allerdings auch geschw\u00e4chte chromatische Valenz an Wirksamkeit und Merkbarkeit \u00fcberlegen sein und auf einen, kurz mit s zu bezeichnenden Bruchteil ihrer St\u00e4rke noch weiter herabgesetzt wTerden m\u00fcssen, um gleichfalls nur eben merkbar zu sein. Der","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nGeorg Elias M\u00fcller\nSchw\u00e4chungskoeffizient s mu\u00df um so geringer sein, je st\u00e4rker der\nchromatische Erregungseffekt der im Verh\u00e4ltnisse V geschw\u00e4chten\nSpektralfarbe in Vergleich zu ihrer achromatischen Wirkung ist,\nd. h. je ges\u00e4ttigter die Buntfarbe ist. Da nun beim \u00dcbergang\nvom Gelb zum Rot der langwelligen Endstrecke die S\u00e4ttigung\nder Farbe bedeutend steigt, so haben selbstverst\u00e4ndlich Dieter\n\u2022 \u2022\nund Kohlrausch f\u00fcr diesen \u00dcbergang eine Zunahme von s festgestellt. Der Umstand, da\u00df die chromatische Nebenwirkung der Herabsetzung der Wei\u00dferregung, die mit der proportionalen Herabsetzung von Spektralfarbe und flimmer\u00e4quivalentem Wei\u00df verbunden ist, der Roterregung nicht in gleichem Ma\u00dfe nachteilig ist wie der Gelberregung, mu\u00df gleichfalls sich dahin geltend machen, da\u00df s bei zunehmender Wellenl\u00e4nge den soeben angegebenen Gang nimmt.\nDa\u00df s auch beim \u00dcbergange vom Gelb nach dem kurzwelligen Ende sich betr\u00e4chtlich erh\u00f6ht, erkl\u00e4rt sich daraus, da\u00df die chromatische Nebenwirkung der soeben erw\u00e4hnten Herabsetzung der Wei\u00dferregung der Gr\u00fcn- und der Blauerregung g\u00fcnstig ist und zwar der Blauerregung mehr als der Gr\u00fcnerregung. Hierzu tritt der Umstand, da\u00df der S\u00e4ttigungsgrad von etwa 507 juju ab stark ansteigt. Gegen\u00fcber diesen beiden Faktoren tritt der Umstand, da\u00df das Gr\u00fcn und namentlich das Blau gem\u00e4\u00df der geringen Eigenhelligkeit seiner Empfindung eine geringere Unterscheidbarkeit vom dunklen Grunde besitzt, ganz in den Hintergrund.\nAuch Dieter und Kohlrausch selbst f\u00fchren die hier besprochenen Verhaltungsweisen der Schwellen darauf zur\u00fcck, \u201eda\u00df f\u00fcr die foveale schwellenm\u00e4\u00dfige Sichtbarkeit der farbige Reizerfolg der Lichter . . . au\u00dfer ihrer farblosen Helligkeit mit in Betracht kommt.\u201c Sie verglichen ferner mit den Flimmerwerten, welche helle Spektrallichter beim Helladaptiertsein besa\u00dfen, auch die Helligkeitswerte, welche diesen Lichtern nach der Methode des direkten Vergleiches zukamen. Die Resultate w'aren \u00e4hnlich wie bei den im vorstehenden besprochenen Versuchen, indem das Verh\u00e4ltnis zwischen dem Helligkeitswert des direkten Vergleiches und dem Flimmerwerte sich vom Gelb aus nach beiden Seiten des Spektrums hin vergr\u00f6\u00dferte. Kohlrausch (II, S. 219) nimmt an, da\u00df bei diesen Versuchen das dem direkten Vergleiche folgende Urteil durch die Eindringlichkeit der Spektralfarbe wesentlich beeinflu\u00dft worden sei. In der Tat zeichnen sich, wenigstens f\u00fcr viele Personen, Rot und Blau durch ihre Eindringlichkeit unter den Farben des Spektrums aus. Ferree und Rand (I, S. 132) kamen unter gewissen Versuchsbedingungen zu dem Ergebnisse, da\u00df die Flimmermethode in Vergleich zur Methode des direkten Vergleiches f\u00fcr Rot und Gelb zu geringe und f\u00fcr Gr\u00fcn und Blau zu hohe Helligkeitswerte gewinnen lasse. In anderen F\u00e4llen wurden noch andere Beziehungen","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n305\nzwischen den nach der Flimmermethode und den nach der Vergleichs methode erhaltenen Helligkeitswerten gefunden. Eine allgemein g\u00fcltige Beziehung in dieser Hinsicht ist schon deshalb nicht zu erwarten, weil die Helligkeitsbestimmungen nach letzterer Methode sich bei verschiedenen Individuen in verschiedenem Ma\u00dfe auf die Eigenhelligkeit der Farben, auf ihre Eindringlichkeit und andere von mir fr\u00fcher (I, S. 552 f.) angef\u00fchrten Kriterien st\u00fctzen.\n\u00a7 6. Unzul\u00e4ngliche Ma\u00dfprinzipien f\u00fcr die chromatische S\u00e4ttigung\nPurdy (I, S. 289) war von vorn herein der Ansicht, da\u00df man die S\u00e4ttigung einer gegebenen Farbenempfindung dadurch quantitativ bestimmen k\u00f6nne, da\u00df man die Intensit\u00e4t des wei\u00dfen Lichtes bestimme, dessen Zusatz zu der Farbe das Chroma der Empfindung soeben unmerkbar mache. Er erwartete, da\u00df sich die S\u00e4ttigung einer Farbe so verhalten werde wie das Verh\u00e4ltnis zwischen dem Photonwerte wT des die Farbigkeit ausl\u00f6schenden wei\u00dfen Lichtes und dem Photonwerte f der Farbe selbst, es k\u00f6nne also kurz\ngesagt der Quotient als ein Ma\u00df des S\u00e4ttigungsgrades dienen.\nHierzu ist folgendes zu bemerken.\nDas hier f\u00fcr die Messung der S\u00e4ttigung aufgestellte Prinzip ist insofern unzul\u00e4nglich, als es die endogene Erregung des Sehorganes nicht ber\u00fccksichtigt, infolge deren eine dargebotene Farbe selbst dann, wenn sie einer Wei\u00dfvalenz ganz entbehrte, keineswegs sich als eine absolut ges\u00e4ttigte darstellen w\u00fcrde. Vor allem aber verst\u00f6\u00dft dieses Messungsverfahren gegen die Vorschrift, da\u00df durch den messenden Vorgang die Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t des zu messenden Gegenstandes oder Vorganges nicht ver\u00e4ndert werden d\u00fcrfe. Setzen wir einem farbigen Lichtreize von erheblicher St\u00e4rke wei\u00dfes Licht zu, so wird infolge des antichromatischen Einflusses letzteren Lichtes die Wirksamkeit der chromatischen Valenz des Lichtreizes herabgesetzt und aus mehrfachem Grunde \u00e4ndert sich dann im allgemeinen auch die Qualit\u00e4t der Empfindung.1 P. bemerkt, da\u00df man sein Verfahren der S\u00e4ttigungsmessung praktisch sowohl in der Weise anwenden k\u00f6nne, da\u00df man zu einer gegebenen Spektralfarbe die zur Aufhebung ihres Chroma erforderliche Zusatzmenge wei\u00dfen Lichtes ermittele, als auch in der Weise, da\u00df man f\u00fcr eine gegebene Intensit\u00e4t wei\u00dfen Lichtes diejenige St\u00e4rke\n1 Vgl. G. E. M\u00fclleb, I, S. 563 ff. und Abney, S. 255 ff.","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nGeorg Elias M\u00fcller\ndes spektralen Zusatzlichtes feststelle, bei welcher die F\u00e4rbung soeben noch merkbar sei. Aus \u00e4u\u00dferen Gr\u00fcnden entschlo\u00df er sich f\u00fcr das letztere Verfahren. Er bestimmte also (I, S. 304 ff.) f\u00fcr eine Anzahl (6 bis 9) Intensit\u00e4ten wei\u00dfen Lichtes die in Beziehung auf das Hervortreten des Chroma schwellenm\u00e4\u00dfigen Intensit\u00e4ten von 10 Spektrallichtem.\nAus dem Obigen ergibt sich, da\u00df es nicht angeht die S\u00e4ttigungen der so erhaltenen Spektrallichter mit Hilfe der Intensit\u00e4ten wei\u00dfen Lichtes zu messen, f\u00fcr welche sie die Farbenschwellen darstellen. Auch die eigenen Versuchsergebnisse von P. widersprechen einer solchen Messung. Wie in \u00a7 2 gesehen, hat P. durch direkte, ausprobierende Versuche f\u00fcr die von ihm verwandten Spektralfarben die Intensit\u00e4ten bestimmt, bei denen sie das Maximum ihrer S\u00e4ttigung besa\u00dfen. Stellt man nun f\u00fcr jede der Spektralfarben, die bei den hier in Rede stehenden Schwellenversuchen benutzt wurden, die Intensit\u00e4t fest, bei der sie f\u00fcr den\nobigen Quotienten -j-, der als Ma\u00df der S\u00e4ttigung dienen soll, den\nMaximalwert ergab, so stimmen die so bestimmten Intensit\u00e4ten der angeblichen maximalen S\u00e4ttigung mit den fr\u00fcher direkt ermittelten Lichtst\u00e4rken der maximalen S\u00e4ttigung absolut nicht \u00fcberein. So hegt f\u00fcr 575//// die Intensit\u00e4t der maximalen S\u00e4ttigung nach der Berechnung mittels obigen Quotienten bei der Lichtst\u00e4rke 12,7 (Photons), dagegen nach der fr\u00fcheren direkten Ermittlung bei 175. F\u00fcr 540//// sind die entsprechenden Zahlen\n4,8 und 193. Es ist also ganz unzul\u00e4ssig, den Quotienten als\nein Ma\u00df der S\u00e4ttigung zu betrachten. Auch P. selbst (I, S. 310) \u00e4u\u00dfert sich schlie\u00dflich dahin, der Wert dieses Quotienten sei some physiological variable which is closely associated with saturation although not identical with it.\nDie hier erw\u00e4hnten Schwellenversuche von P. haben also nur als Versuche \u00fcber die in Beziehung auf wei\u00dfes Licht g\u00fcltigen Farbenschwellen Bedeutung und reihen sich als solche den fr\u00fcheren, gleichgerichteten Versuchen von R\u00e9v\u00e9sz an. F\u00fcr jede der von P. benutzten Spektralfarben den Gang n\u00e4her zu diskutieren, den ihr Schwellenwert bei zunehmender St\u00e4rke des wei\u00dfen Zusatzlichtes nimmt, w\u00fcrde wegen der Kompliziertheit und unvollst\u00e4ndigen Durchschaubarkeit der ma\u00dfgebenden Verh\u00e4ltnisse ein sehr umst\u00e4ndliches und wenig lohnendes Gesch\u00e4ft sein. Es kommen zun\u00e4chst die Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten in Betracht, die bei alleinigem Gegebensein der Spektralfarbe f\u00fcr das Verhalten ihrer erregenden Wirkungen bei zunehmen-","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n307\nder Lichtst\u00e4rke ma\u00dfgebend sind. Hierzu treten dann die Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten der Wirkungen, welche die Steigerung des wei\u00dfen Zusatzlichtes auf die erregenden Wirkungen der Spektralfarbe und auf ihre Erkennbarkeit aus\u00fcbt. Mit zunehmender Lichtst\u00e4rke des wei\u00dfen Lichtes steigert sich sein antichromatischer Einflu\u00df sowie die chromatische Nebenwirkung der Wei\u00dferregung. Gleichzeitig \u00e4ndern sich die Unterscheidbarkeiten vom Wei\u00df, welche vom psychologischen Standpunkte aus betrachtet die verschiedenen Farben gem\u00e4\u00df ihren Eigenhelligkeiten besitzen. Der \u00dcbergang von einem dunklen, grauen Wei\u00df zu einem hellen und reinen Wei\u00df ist dem Blau durch seine chromatische Nebenwirkung ung\u00fcnstig, dagegen g\u00fcnstig insofern, als sich das Blau gem\u00e4\u00df seiner geringen Eigenhelligkeit vom Wei\u00df leichter unterscheiden l\u00e4\u00dft als vom Grau. Entsprechend wirken die beiden hier angedeuteten Faktoren auch bei den \u00fcbrigen Farben einander entgegen. Die Sachlage wird dadurch noch komplizierter, da\u00df bei diesen Schwellenversuchen das fixierte Beobachtungsfeld einem Gesichtswinkel von 11i20 entsprach, also eine Gr\u00f6\u00dfe besa\u00df, die gem\u00e4\u00df dem von mir fr\u00fcher (II, S. 69 f.) Angef\u00fchrten keine Gew\u00e4hr daf\u00fcr bot, da\u00df sich wenigstens bei gewissen Helligkeiten nicht auch st\u00e4bchenhaltige Netzhautteile an der Wahrnehmung des Beobachtungsfeldes beteiligten.\nGeissler (S. 176) glaubt, da\u00df die Feststellung des Wei\u00dfzusatzes, der eine eben merkbare S\u00e4ttigungdifferenz bewirke, z. B. die Bestimmung der Breite des wei\u00dfen Sektors, der auf einer Scheibe von 360\u00b0 Farbe angebracht bei schneller Rotation der Scheibe eine eben merkbare Abnahme der S\u00e4ttigung zur Folge hat, zur Messung der S\u00e4ttigung dienen k\u00f6nne. Hierzu ist folgendes zu\nbemerken.\nDie chromatische S\u00e4ttigung einer Farbenempfindung ist durch\ndas Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnis\n\u2014----- bestimmt, wo f die Intensit\u00e4t der\nf \u2014p a\nchromatischen Erregung und a diejenige der achromatischen Erregung ist. Es ist nicht daran zu denken, da\u00df der eine eben merkbare Abnahme der S\u00e4ttigung bewirkende Wei\u00dfzusatz Z eine eindeutige Funktion dieses den S\u00e4ttigungsgrad repr\u00e4sentierenden Verh\u00e4ltnisses sei. Denken wir uns a als konstant und f als variabel, so wird allerdings bei zunehmendem f und wachsendem S\u00e4ttigungsgrade auch Z eine Zunahme erfahren. Setzen wir dagegen den Fall, da\u00df f konstant und a variabel sei, so wird Z um so gr\u00f6\u00dfer sein, je gr\u00f6\u00dfer a und je geringer demgem\u00e4\u00df der S\u00e4ttigungsgrad ist. Denn da die achromatische Erregung bei wachsender St\u00e4rke des wei\u00dfen Lichtes mit abnehmender Geschwindigkeit ansteigt, mu\u00df der Zuwachs wei\u00dfen Lichtes, der eine eben merkbare Zunahme der Weiblichkeit bewirkt, um so gr\u00f6\u00dfer sein, je intensiver die achromatische Erregung bereits ist. Schon Aubert (S. 145)","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\nGeorg Elias M\u00fcller\nhat bemerkt, da\u00df ein bestimmter Wei\u00dfznsatz die Nuance einer Farbe um so weniger ver\u00e4ndere, je wei\u00dfbaitiger diese sei. Werden die Werte von f und a in der Weise erh\u00f6bt, da\u00df das Verh\u00e4ltnis f\n-j_l_ a konstant bleibt, so bleibt Z keineswegs gleichfalls konstant,\nsondern nimmt aus doppeltem Grunde zu. Zum Schl\u00fcsse mag darauf hingewiesen werden, da\u00df prinzipiell betrachtet hier auch die Figenhelligkeiten der Farben in Betracht kommen, indem z. B. eine Zunahme der Wei\u00dflichkeit auf blauem Grunde eher merkbar sein d\u00fcrfte als auf gelbem.\nBekanntlich hat Viebokdt die Annahme vertreten, da\u00df der eine eben merkbare S\u00e4ttigungsabnahme einer Farbe bewirkende Wei\u00dfzusatz der Helligkeit der Farbe proportional sei. Es w\u00fcrde uns zu weit abf\u00fchren, wollten wir diese Annahme, f\u00fcr deren Kritik schon das Vorstehende einiges enth\u00e4lt, und das auf sie bez\u00fcgliche empirische Material hier n\u00e4her diskutieren.\nLiteratur\nW. Abney, Researches in Colour Vision and the trichromatic theory London 1913.\ty\nA. Ackermann, Psychol. Forschung 5, 44 (1924).\nH. Aubert, Physiologie der Netzhaut. Berlin 1865.\nF.\tP. Boswell, Z. Sinnesphysiol. 42, 299 (1908).\nA. Br\u00fcckner, Ebenda 58, 322 (1927).\nW. Dieter, Pfl\u00fcgers Arch. 222, 381 (1929).\nW. Dieter und A Kohlrausch, Pfl\u00fcgers Arch. 196, 118 (1922).\nC.\tE. Ferree and G. Rand, I, Psychol. Review 22, 110 (1915).\n\u2014 and \u2014, II, Transactions of the Illuminating Engineering Society 18, 174 (1923). A. Fick, Hermanns Handb. d. Physiol., 3. Bd., 1. Teil, 1.\nL. R. Geissler, Americ. J. of Psychol. 24, 176 (1913).\nA. Gullstrand, Arch. Ophth. 62, 1 (1905).\nH. von Helmholtz, Handb d. physiol. Optik, 3. Aufl., 3 B\u00e4nde. Hamburg und Leipzig. 1909 bis 1911.\nH. K\u00f6llner, Die St\u00f6rungen des Farbensinnes. Berlin 1912.\nA. Kohlrausch, I. Handb. d. norm. u. pathol. Physiol. Bd. 12. Berlin 1929, lo93.\n\u2014, II, Pfl\u00fcgers Arch. 196, 113 (1922).\n\u2014, III, Ebenda 200, 210 u. 216 (1923).\nW. K\u00fchne, Hermanns Handb. d. Physiol., 3. Bd., 1. Teil. 228.\nW. A. Naoel und K. L. Sch\u00e4fer, Z. Psychol. 34, 271 (1904).\nD.\tM. L. Purdy, I, British J. of Psychol. 21, 283 (1931).\n\u2014, II, American J. of Psychol. 43, 541 (1931).\nG.\tE. M\u00fcller, I. \u00dcber die Farbenempfindungen. Erg.-Bde. 17 u. 18 zur\nZ. Psychol. Leipzig 1930.\n\u2014, IL Z. Sinnesphysiol. 62, 53 (1931).\n\u2014, III. Ebenda. 167.\n\u2014, IV. Z. Psychol. 10, 1 u. 321 (1896).\nK.\tOesterreich, Z. Sinnesphysiol 59, 356 (1828).\nG.\tR\u00e9v\u00e9sz, Z. Sinnesphysiol. 41, 102 (1907).\nO. N. Rood, Die moderne Farbenlehre. Leipzig 1880.\nL.\tT. Ttroland, J. of experim. Psychol. 2, 1 (1917).\nH.\tWestphal, Z. Sinnesphysiol. 44, 182 (1910).","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"309\nKleine Beitr\u00e4ge\nzur Psychophysik der Farbenempfindung\nVon\nGeoeg Elias M\u00fcllee (G\u00f6ttingen)\nVL Fierons Versuche \u00fcber die Entwicklung des Chroma1\nPi\u00e9eon ging bei den hier zn besprechenden, mir bei Abfassung meines Werkes \u00fcber die Farbenempfindungen entgangenen Versuchen von der Ansicht aus, da\u00df man die Abh\u00e4ngigkeit der chromatischen Empfindung von der Zeitdauer der Reizung nicht einfach in der Weise zu untersuchen habe, da\u00df man jede der zu untersuchenden Farben w\u00e4hrend verschiedener kurzer Zeiten auf das Auge ein wirken lasse. Denn bei solchen Versuchen dominiere die zeitliche Entwicklung der achromatischen Erregung zu sehr gegen\u00fcber derjenigen der chromatischen Erregung. Man m\u00fcsse die Versuche vielmehr so einrichten, da\u00df einem farblosen Reizlichte von bestimmter Helligkeit ein monochromatisches Reizlicht von (mittels der Flimmermethode bestimmter) gleicher Helligkeit unmittelbar nachfolge, so da\u00df die chromatische Erregung sich neben einer zun\u00e4chst allein gegebenen und w\u00e4hrend des ganzen Versuches merkbar konstant bleibenden, achromatischen Erregung entwickele.\nIn der Tat gelang es Pi\u00e9eon eine imponierende Versuchsanordnung von zweckm\u00e4\u00dfiger Kompliziertheit herzustellen, welche Versuche folgender Art verstattete. Man sieht zun\u00e4chst vor sich ein kleines, farbloses Hauptfeld von bestimmter Helligkeit (die Vorphase). Dasselbe sendet pl\u00f6tzlich ohne seine subjektive Helligkeit zu \u00e4ndern, monochromatisches Licht von bestimmter Wellenl\u00e4nge w\u00e4hrend sehr kurzer Zeit (z. B. 100 a) aus (die Hauptphase). Das Hauptfeld nimmt also f\u00fcr kurze Zeit ein farbiges Aussehen\n1 I bis III S. 53, IV S. 167, V S. 261 dieses Bandes.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 62\n23","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\nGeorg Elias M\u00fcller\nvon zun\u00e4chst anwachsender und dann wieder absinkender Ausgepr\u00e4gtheit an. Dieses Feld ist ferner von einem Vergleichsfelde umgeben, welches zun\u00e4chst ein andauerndes Licht aussendet, das ganz dieselbe Beschaffenheit besitzt wie das in der Hauptphase von dem Hauptfelde ausgestrahlte Licht. Dieses Vergleichsfeld unterliegt andauernden Betrachtungen von z. B. einer Dauer von 3 Sek., wobei nat\u00fcrlich ein das Auge erm\u00fcdendes Anstarren vermieden wird. Die im Hauptfelde auftauchende kurze Farbigkeit wird mit der relativ andauernden Farbigkeit des Vergleichsfeldes verglichen, und die physikalische Beschaffenheit des von letzterem Felde ausgestrahlten Lichtes wird nun auf Grund wiederholter solcher Vergleichungen schlie\u00dflich so weit abge\u00e4ndert, da\u00df die\nim Hauptfelde auftauchende und die im Vergleichsfelde vorhan-\n\u2022 \u2022\ndene Farbe einander gleich erscheinen. Nach hinl\u00e4nglicher \u00dcbung in derartigen Vergleichungen gelangt die Vp. dahin, da\u00df die Beschaffenheiten des Vergleichsfeldes, die sie f\u00fcr ein und dieselbe Verhaltungsweise des Hauptfeldes bei verschiedenen Versuchen als endg\u00fcltige herstellt, nur unbedeutend voneinander abweichen.1 Die bei verschiedenen Helligkeiten des Hauptfeldes, bei verschiedenen Wellenl\u00e4ngen, Intensit\u00e4ten und Zeitdauern des in diesem Felde auftauchenden monochromatischen Lichtes gemachten endg\u00fcltigen Einstellungen des Vergleichsfeldes erlauben es, sich bestimmtere Vorstellungen von dem Einfl\u00fcsse dieser Faktoren auf die im Hauptfelde auftretende chromatische Erregung zu machen. Die Resultate dieser Versuche sind folgende.\n1. L\u00e4\u00dft man die Zeitdauer der vom Hauptfelde ausgehenden monochromatischen Lichtreizung bei gleichbleibender Helligkeit dieses Feldes, von dem Werte 0 ausgehend, allm\u00e4hlich anwachsen\u2019, so konstatiert man nach Erreichung eines bestimmten Zeitwertes (der Zeitschwelle) das Auftreten der Farbigkeit. Bei weiterer\nSteigerung der Zeitdauer nimmt die Ausgepr\u00e4gtheit der Farbe\n\u2022 \u2022\nohne gleichzeitige \u00c4nderung der subjektiven Helligkeit des Feldes zu, erreicht einen Maximalwert und nimmt dann allm\u00e4hlich wieder\nab. Dieses Wiederabsinken des chromatischen Eindruckes nach\n\u2022 \u2022\n\u00dcberschreitung der den Maximalwert ergebenden Reizdauer vollzieht sich, gem\u00e4\u00df der Minderstellung, welche den chromatischen\n1 Die Vergleichungen eines Momentaneindruckes mit einem Dauereindrucke, wie solche bei diesen Versuchen und auch manchen fr\u00fcheren Versuchen get\u00e4tigt worden sind, bed\u00fcrfen nat\u00fcrlich auch noch einer n\u00e4heren Untersuchung.","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n311\nProzessen in nutritiver Hinsicht gegen\u00fcber den achromatischen Prozessen zukommt, schneller, als bei entsprechendem Verfahren mit rein wei\u00dfem Licht das entsprechende Wiederabsinken des Helligkeitseindruckes stattfindet. Die Zeitdauer der chromatischen Lichtaussendung des Hauptfeldes, bei welcher die Farbe dieses Feldes derjenigen des eine v\u00f6llig gleiche physikalische Beschaffenheit besitzenden, aber relativ andauernd ein wirkenden Vergleichsfeldes v\u00f6llig gleich erscheint, bei welcher also kurz gesagt die scheinbare Gleichheit von Momenteindruck und Dauereindruck erreicht war, erwies sich als k\u00fcrzer wie diejenige Zeitdauer jener chromatischen Lichtausstrahlurg, bei welcher das Chroma des Hauptfeldes sein Maximum erreichte. Es wuchs also der chromatische Eindruck des Momentreizes \u00fcber denjenigen des Dauerreizes hinaus.1\n2.\tDie Entwicklung des Chroma auf einem Grunde von konstanter Helligkeit vollzieht sich f\u00fcr Rot schneller als f\u00fcr Gr\u00fcn und f\u00fcr dieses schneller als f\u00fcr Blau.\nDa\u00df die von rotem, gr\u00fcnem, blauem Lichte erweckten Erregungen hinsichtlich ihrer Anstiegsgeschwindigkeiten in den hier angegebenen Richtungen voneinander abweichen, ist schon fr\u00fcher (vgl. G. E. M\u00fcller, I, S. 402 f.), vor allem auch von Kleitmann und Pieron, festgestellt worden. Aber bei diesen fr\u00fcheren Versuchen kamen die farbigen Lichter mit ihren verschiedenen Wei\u00dfvalenzen zur Geltung, und es dr\u00e4ngt sich die Frage auf, ob die festgestellten Verschiedenheiten der chromatischen Anstiegsgeschwindigkeiten sich in \u00e4hnlicher Weise auch dann finden, wenn zwischen den Wei\u00dfvalenzen der benutzten Farben keine Differenzen bestehen, insbesondere auch die Blauerregung von einer gleichstarken Wei\u00dferregung begleitet ist wie die anderen chromatischen Erregungen. Die hier in Rede stehenden Versuche von Pi\u00e9ron beantworten diese Frage in bejahendem Sinne.\n3.\tWird die Helligkeit des Grundes, auf dem sich die chromatische Reizung entwickelt, bei gleichbleibender St\u00e4rke der chromatischen Reizung erh\u00f6ht, so nimmt die Geschwindigkeit der Entwicklung der chromatischen Erregung in zuerst erheblichem, sp\u00e4ter aber schw\u00e4cherem Grade zu, die zur Erreichung des Maxi-\n1 Nat\u00fcrlich hat die von dem Dauerreize erweckte Erregung kurz nach ihrer Entstehung das von der Momenterregung erreichte Maximum gleichfalls durchlaufen. Man vergleiche die von mir fr\u00fcher (III, S. 173 f.) hier-\u00fcber gegebenen Ausf\u00fchrungen.\n23*","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nGeorg Elias M\u00fcller\nmums der chromatischen Erregung erforderliche Zeit nimmt also ab. Der Betrag dieses Maximums erh\u00f6ht sich anfangs gleichfalls, nimmt aber bei weiterer Aufhellung des Grundes wieder ab.\n4. Wird bei konstanter Helligkeit des Grundes die St\u00e4rke des monochromatischen Reizes erh\u00f6ht, so steigert sich nat\u00fcrlich der von der chromatischen Erregung erreichte Maximalwert, aber die Zeit, nach welcher dieser Maximalwert erreicht wird, zeigt keine deutliche Abh\u00e4ngigkeit von der St\u00e4rke des farbigen Lichtes, w\u00e4hrend bei den bisher in gew\u00f6hnlicher Weise angestellten Versuchen \u00fcber die zur Erreichung des Erregungsmaximums erforderliche Zeit sich immer ergeben hat, da\u00df diese Zeit um so k\u00fcrzer war, je st\u00e4rker der Reiz war.\nDie hier unter 3. und 4. angef\u00fchrten Versuchsresultate dienen zur Best\u00e4tigung und Erg\u00e4nzung meiner fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen (I, S. 436 ff.) \u00fcber den antichromatischen und prochromatischen Einflu\u00df des wei\u00dfen Lichtes. Wird z. B. zu einem roten Lichte, das nur Fi-Prozess erweckt, wei\u00dfes Licht zugesetzt, so wird hierdurch die Wirksamkeit des ersteren Lichtes in doppelter Weise beeinflu\u00dft. Erstens haben die Wirkungen, welche das wei\u00dfe Licht in der P-Zone hat, zur Folge, da\u00df der auf Erweckung von Roterregung gerichtete Erregungsantrieb (R-Antrieb), der infolge des PrProzesses und seiner Einwirkung auf die Zone der retinalen Schaltsubstanzen auf die nerv\u00f6se Sehsubstanz ausge\u00fcbt wird, schw\u00e4cher ausf\u00e4llt, als er bei Fehlen des wei\u00dfen Lichtes ausfallen w\u00fcrde (der antichromatische Einflu\u00df des Wei\u00df). Zweitens macht sich die durch den Wei\u00dfzusatz bewirkte Vermehrung der Menge des W-Materiales, das mit einer oder mehreren seiner Komponenten die chromatischen Sehnervenerregungen als positiver Katalysator beeinflu\u00dft, dahin geltend, da\u00df bei gleichem auf die nerv\u00f6se Sehsubstanz ausge\u00fcbtem R-Antriebe die Roterregung sich mit gr\u00f6\u00dferer Lebhaftigkeit entwickelt und zu einem h\u00f6heren Maximalwerte emporsteigt, als bei fehlender Vermehrung der Menge des W-Materiales der Fall sein w\u00fcrde (der prochromatische Einflu\u00df des Wei\u00df).1\n1 Vgl. G. E. M\u00fcller, I, S. 242 ff. und 448 ff. Da\u00df die katalytische F\u00f6rderung eines chromatischen Erregungsprozesses zugleich eine Erh\u00f6hung seines Maximalwertes bedingt, l\u00e4\u00dft sich kurz in folgender Weise dartun. Nach unseren Anschauungen hat ein R-Antrieb die Wirkung, da\u00df in einem ersten Teilprozesse R-Material in ein gewisses Z-Material (Zwischenmaterial) umgewandelt wird und dann in einem zweiten Teilprozesse, welcher als","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindung\n313\nSelbstverst\u00e4ndlich wirken bei Beigemischtsein wei\u00dfen Lichtes zu einem farbigen Lichte der antichromatische und der prochromatische Einflu\u00df immer zusammen. Das Resultat dieses Zusammenwirkens ist dem von mir fr\u00fcher (I, S. 455 f.) Angef\u00fchrten gem\u00e4\u00df dies: Bei schwachem Wei\u00dfzusatze \u00fcberwiegt der prochromatische Einflu\u00df, die chromatische Erregung wird durch den Wei\u00dfzusatz gef\u00f6rdert, bei starkem Wei\u00dfzusatze ist der antichromatische Einflu\u00df der st\u00e4rkere, die chromatische Erregung wird geschw\u00e4cht. Diese fr\u00fcheren Feststellungen, bei denen nicht das Maximum der jeweiligen chromatischen Erregung, sondern das dem Erregungsmaximum nachfolgende, stabilere Erregungsstadium die Grundlage der Empfindungsbeurteilung bildete, werden nun durch den von Piebon erbrachten Nachweis, da\u00df auch das zu einem gegebenen monochromatischen Lichtreize zugeh\u00f6rige chromatische Erregungsmaximum bei anwachsender St\u00e4rke der mitwirkenden Wei\u00dfvalenz sich zun\u00e4chst erh\u00f6ht, sp\u00e4ter aber wieder absinkt, erg\u00e4nzt und best\u00e4tigt. Es w\u00fcrde sich verstehen lassen, wenn sich bei n\u00e4herer Untersuchung heraussteilen sollte, da\u00df der Wei\u00dfzusatz, bei welchem die F\u00f6rderung der chromatischen Erregung einer Benachteiligung derselben Platz macht, bei Versuchen \u00fcber das chromatische Erregungsmaximum etwas h\u00f6her liegt als bei gew\u00f6hnlichen Versuchen, bei denen das sp\u00e4tere, stabilere Erregungsstadium Grundlage der Empfindungsbeurteilung ist.\nVon Wichtigkeit ist, da\u00df durch die Versuche von Pi\u00e9ron direkt der Nachweis daf\u00fcr erbracht worden ist, da\u00df die Wei\u00dferregung (die Bildung des W-Materiales) die Lebhaftigkeit, mit der sich die chromatische Erregung entwickelt, f\u00f6rdert. Der antichromatische Einflu\u00df des wei\u00dfen Lichtes ber\u00fchrt nat\u00fcrlich die katalytische Wirksamkeit des gebildeten W-Materiales nicht, so da\u00df, wie aus einem mitgeteilten Beispiele zu ersehen, eine Zu-\nGrundlage der Rotempfmdung dient, Z-Material sich in G-Material umsetzt. Die Umsetzung von R-Material in Z-Material geht bei gleichem R,Antriebe um so lebhafter vor sich, je gr\u00f6\u00dfer die Menge des mitwirkenden W-Materiales (der katalysatorisch wirkenden Komponente desselben) ist. Das Maximum der Roterregung ist erreicht, wenn die Menge des Z-Materiales so weit angestiegen ist, da\u00df das Dekrement, das sie durch Umsetzung in G-Material erleidet, dem Zuwuchse gleich geworden ist, den sie durch Umwandlung von R-Material erf\u00e4hrt. Je gr\u00f6\u00dfer also die Menge des vorhandenen W-Materiales und die katalysatorische F\u00f6rderung des ersten Teilprozesses ist, desto h\u00f6her mu\u00df die Menge des Z-Materiales behufs Eintritts des Erregungsmaximums ansteigen und desto h\u00f6her wird dieses Maximum liegen.","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314 Georg Elias M\u00fcller, Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik usw.\nn\u00e4hme der Wei\u00dferregung (der Helligkeit des Grundes), bei welcher bereits eine Abnahme des chromatischen Erregungsmaximums eintritt, doch noch von einem Anwachsen der Lebhaftigkeit, mit der sich die chromatische Erregung entwickelt, begleitet ist.\nVon wesentlichem Interesse ist die oben unter 4. angef\u00fchrte Feststellung. Wenn feststeht, da\u00df das chromatische Erregungsmaximum einerseits im Falle konstanter St\u00e4rke der mitwirkenden Wei\u00dferregung bei verschiedenen Intensit\u00e4ten des chromatischen Erregungsantriebes nach ungef\u00e4hr gleicher Zeit erreicht wird und anderseits im Falle konstanter Reizst\u00e4rke um so eher eintritt, je intensiver die mitwirkende Wei\u00dferregung ist, so ist die Tatsache, da\u00df bei Versuchen gew\u00f6hnlicher Art das Erregungsmaximum um so eher erreicht wird, je st\u00e4rker der farbige Reiz ist, selbstverst\u00e4ndlich darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, da\u00df bei derartigen Versuchen der st\u00e4rkere Reiz neben der st\u00e4rkeren chromatischen Valenz zugleich auch die st\u00e4rkere Wei\u00dfvalenz besitzt, so da\u00df der von ihm erweckten chromatischen Erregung auch die st\u00e4rkere F\u00f6rderung ihrer Entwickelung durch die mitwirkende Wei\u00dferregung zuteil wird.\nLiteratur\nM. H. Pi\u00e9kon, L\u2019Ann\u00e9e psychologique 29, 174 (1928).\n\u2014, Comptes rendus des s\u00e9ances de VAcad. des Sciences, 17. juillet, 194 (1929).\n\u2014, La Revue d\u2019Optique th\u00e9orique et instrumentale 9, 5 (1930).","page":314}],"identifier":"lit36024","issued":"1932","language":"de","pages":"53-109, 167-202, 261-308, 309-314","startpages":"53","title":"Kleine Beitr\u00e4ge zur Psychophysik der Farbenempfindungen: I. Die nutritive Minderstellung der PIII-Substanz; II. Zur Frage des fovealen Purkinjeschen Ph\u00e4nomens; III. Das D\u00e4mmerungsblau / IV. Erkl\u00e4rung der Erscheinungen eines mit konstanter Geschwindigkeit bewegten Lichtstreifens, insbesondere auch des Pihl-Fr\u00f6hlichschen Ph\u00e4nomens / V. \u00dcber die S\u00e4ttigung der Spektralfarben / VI. Pi\u00e9rons Versuche \u00fcber die Entwicklung des Chroma","type":"Journal Article","volume":"62"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:45:53.592423+00:00"}