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Über die scheinbare Größe der Sehdinge: Bemerkungen zu der gleichnamigen Arbeit von Franziska Mayer-Hillebrand [, Zeitschr. f. Sinnesphysiol., Bd. 61, S. 267-324]

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{"created":"2022-01-31T16:45:20.912464+00:00","id":"lit36026","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Blumenfeld, Walter","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 62: 132-136","fulltext":[{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\n\u2022 \u2022\nUber die scheinbare Gr\u00f6fse der Sehdinge\nBemerkungen zu der gleichnamigen Arbeit von Franziska Mayer-Hillebrand\nVon\nWalter Blumeneeld (Dresden)\nIm 61. Bande dieser Zeitschrift hat Frau Mayer-Hillebrand \u00fcber Untersuchungen berichtet, die sich an fr\u00fcher von mir beschriebene 1 bewu\u00dft anschlie\u00dfen und sie weiterf\u00fchren. Sie arbeitete ebenfalls mit Fl\u00e4mmchenpaaren, die im Dunkelraum unter m\u00f6glichster Ausschaltung sekund\u00e4rer Tiefenkriterien auf subjektiv gleich gro\u00df erscheinende frontalparallele Distanzen einzustellen waren. Die entstehende Kurve, welche die in verschiedenen Tiefen lateral scheinbar gleich ausgedehnten Streckengrenzen verbindet, wurde dadurch einer genaueren Analyse zug\u00e4nglich gemacht, da\u00df die Anzahl der Strecken von 6 auf 19 vergr\u00f6\u00dfert wTurde. Sie entsprach im wesentlichen denen meiner Distanzreihen (S. 299). Dar\u00fcber hinaus aber bestimmte die Verf. in allen diesen Fntfernungen auch noch die Grenzen der \u201eSehfl\u00e4chen\u201c. So konnte sie auf einen Zusammenhang zur\u00fcckgreifen, den ich bereits auf Grund der Beziehung meiner Versuche zu dem Problem des Aubert-F\u00f6rster-schen Ph\u00e4nomens hypothetisch angesetzt hatte, da\u00df n\u00e4mlich \u201edie Grenzen der deutlichen peripheren Wahrnehmung im Sehfelde in verschiedener Entfernung als Grenzen scheinbar gleich gro\u00dfer Teile des Sehfeldes angesehen werden d\u00fcrfen\u201c.2 Insbesondere aber gelang ihr der interessante Nachweis, da\u00df verschieden weit entfernte Strecken dann gleich gro\u00df erscheinen, wenn das Verh\u00e4ltnis zwischen dem ihrer halben Ausdehnung entsprechenden Gesichtswinkel und einem anderen Winkel konstant bleibt, der bestimmt ist durch die Verbindung des Augenknotenpunktes mit dem fixierten medianen Punkte einerseits, mit einem subjektiv von der Basallinie gleich weit entfernten Punkte anderer-\n1 Z. Psychol. 65.\n2 a. a. O., S. 330.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die scheinbare Gr\u00f6\u00dfe der Sehdinge\n133\nseits, bei dem eben noch eine deutliche Erkennung peripher gesehener Gegenst\u00e4nde m\u00f6glich ist. \u201eVerschieden weit entfernte Objekte erscheinen dann gleich gro\u00df, wenn das Verh\u00e4ltnis zwischen den Erregungsgr\u00f6\u00dfen ihrer Gesichtswinkel und den Erregungsgr\u00f6\u00dfen der Gesichtswinkel der zugeh\u00f6rigen Deutlichkeitsgrenzen gleich bleibt\u201c (S. 305).\nDie Genauigkeit, mit der diese Beziehung gilt, ist \u00fcberraschend gro\u00df ; ihre Feststellung bedeutet unzweifelhaft ein gro\u00dfes Verdienst der Forscherin.\nZu der sorgf\u00e4ltigen und exakten Arbeit halte ich einige Bemerkungen f\u00fcr notwendig, weil gewisse Unterschiede zwischen diesen Versuchen und den meinigen, auf die Frau Mayer-Hille-brand eingehend Bezug nimmt, vielleicht nicht hinreichend deutlich hervorgehoben sind und dadurch die Gefahr entsteht, da\u00df die theoretische Situation in etwas verzeichnet erscheint.\nDie Verf. gibt ausdr\u00fccklich an (S. 288), sie habe wegen der Verschiedenheit der Ergebnisse bei Parallel- und Distanz-Einstellungen die \u201ezweite Einstellungsart, wie sie zu Blumfnfelds Distanzreihen f\u00fchrte\u201c, w\u00e4hlen m\u00fcssen, weil es ihr wesentlich auf die Streckengleichheit ankam. W\u00e4hrend ich aber mit gro\u00dfer Eindringlichkeit betont habe1, da\u00df bei diesen Versuchen die einzelnen Lichter jedes f\u00fcr sich fixiert wurden, so da\u00df also der Eindruck der Streckengr\u00f6\u00dfe eines Paares unter (meist mehrfachem) \u00dcbergang von einem Fl\u00e4mmchen zum andern erzeugt wurde, arbeitet Frau Mayer-Hillebrand grunds\u00e4tzlich mit Fixation eines in der Mediane angebrachten Lichtes, das ich nicht ben\u00f6tigt hatte. Die die so unterteilte Strecke begrenzenden Fl\u00e4mmchen wurden also peripher gesehen. Zur Pr\u00fcfung der von ihr aufgestellten Theorie war dies Verfahren zweifellos das gangbarste, aber offenbar w\u00e4re es unvorsichtig, die so erhaltenen Ergebnisse zu verallgemeinern. Gewisse Beziehungen zu meinen Versuchen halte ich selbst f\u00fcr wahrscheinlich : Bei diesen erfolgte n\u00e4mlich h\u00e4ufig, nachdem zun\u00e4chst die Einpr\u00e4gung des Gr\u00f6\u00dfeneindruckes durch ein Hin- und Hergehen des Blickes zwischen den Lichtern desselben Paares stattgefunden hatte, der \u00dcbergang von einer Sehfl\u00e4che zur anderen so, da\u00df \u201edie Mitte der hinteren Strecke beachtet wird und nun diese etwa wie ein fester frontalparalleler Stab nach vorn gezogen\u201c wurde. (\u201eStarres Verfahren\u201c.2) Vielleicht sind dabei die ma\u00dfgebenden seelischen Einfl\u00fcsse \u00e4hnlich3\n1 Z. B. a. a. O. S. Bll u. 338.\t2 a. a. 0., S. 311. s a. a. O., S. 340.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 62\t^","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\tWalter Blumenfeld\nwie bei den. Versuchen der Forscherin, aber das w\u00e4re erst noch zu untersuchen, und au\u00dferdem haben die meisten meiner Vpn. als nat\u00fcrlicher das \u201ePendelverfahren\u201c vorgezogen, bei dem die einzelnen Lichter jedes Paares sukzessiv fixiert wurden und auch der Gr\u00f6\u00dfenvergleich sich w\u00e4hrend einer solchen \u00dflickwanderung abspielte. \u201e\nF\u00fcr die Beurteilung der Versuchsergebnisse erscheint es \u00fcbrigens nicht ganz unwichtig zu wissen, wie hoch sich die Augenknotenpunkte \u00fcber der durch die Mittelpunkte der Lichter bestimmten Ebene befanden, da diese H\u00f6he nach meinen Versuchen merklichen Einflu\u00df aus\u00fcbt. Es ist mir zweifelhaft, ob \u2014: wie man annehmen m\u00f6chte \u2014 die Augen in dieser Ebene lagen, da dann die beiden Fixationspunkte wohl wegen der Doppelbilder Schwierigkeiten bereitet h\u00e4tten. In der Arbeit finden sich keine Angaben dar\u00fcber.\nSelbst wenn die Augen \u00fcber der Ebene der Lichter lagen, d\u00fcrfte die Methode der fixierenden Betrachtung manche Einstellungen sehr erschwert haben, da die Doppelbilder der die nicht beachtete Strecke begrenzenden Fl\u00e4mmchen, besonders wenn die Vergleichsdistanz der Vp. sehr nahe lag, schon bei meinen Experimenten st\u00f6rten. Das Verfahren wird \u00fcbrigens wohl auch dazu gef\u00fchrt haben, da\u00df Frau Mayee-Hillebeand nur relativ kleine Strecken verwendet hat. W\u00e4hrend bei meinen Versuchen die 4 m entfernten Lichter 700 mm Abstand voneinander hatten, betrug hier in einer maximalen Entfernung von 6,4 m der Abstand nur 200, 120 und 100 mm. Da die Pupillardistanz der Vpn. 64\u201466 mm gro\u00df ist, l\u00e4\u00dft sich nur eine relativ schwache Konvergenz der Kurven erwarten. Leider hat die Verf. die Originalwerte der der Lateralabst\u00e4nde in ihrer Arbeit nicht angegeben, so da\u00df man abgesehen von 2 Skizzen auf recht umst\u00e4ndliche Rechnungen zu ihrer Bestimmung angewiesen ist. Es w\u00e4re aber interessant gewesen, bei der entferntesten Distanz in besonderen Versuchen n\u00e4her, am besten bis hart an die Deutlichkeitsgrenze heranzugehen, schon um anhand dieser Einstellungen direkt die Frage zu beantworten, ob denn den Abst\u00e4nden der an diesen Grenzen angebrachten Lichter auch ph\u00e4nomenal gleich gro\u00dfe Strecken entsprechen. Besonders wichtig w\u00e4re diese direkte Nachpr\u00fcfung der Theorie bez\u00fcglich der auff\u00e4lligen Gestalt der in Fig. 2 b freilich etwas \u00fcbertrieben wiedergegebenen Kurven gewesen.\nDie Forscherin bringt ihre Resultate in engen theoretischen Zusammenhang mit der Querdisparation. Das ist jedoch nur","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"135\n\u2022 \u2022\nUber die scheinbare Gr\u00f6\u00dfe der Sehdinge\nm\u00f6glich, indem sie diese anders definiert, als es z. B. F. Hille-brand getan hatte. Dieser hatte n\u00e4mlich das Gesetz seiner\nv\nParallelalleen durch die Gleichung\n\nconst ausgedr\u00fcckt, v und\nfi sind dabei dieselben Winkel, die auch in der Arbeit der Verf. (S. 301) so bezeichnet sind. Der Quotient bestimmt die Querdisparation. Schon aus mathematischen Gr\u00fcnden ist es nun nicht m\u00f6glich, da\u00df die vorn gegen die Mediane konvexen Kurven der Distanzeinstellungen der Verfasserin ebenso wie die gegen die Mediane konkaven von F. Hillebeand durch die Querdisparation erkl\u00e4rt werden. In der Tat setzt sie als deren Ma\u00df denn auch die Differenz (v\u2014ju) an (S. 315/316). Auf die anschlie\u00dfende Hypothese \u00fcber den Zusammenhang der Disparation mit der Deutlichkeitsgrenze gehe ich nicht ein, da uns genauere Ausf\u00fchrungen in Aussicht gestellt werden.\nWenn man aber die Querdisparation als das die Tiefenwahr-nehmung urspr\u00fcnglich bestimmende Moment ansieht, so bleibt die Aufgabe zu erkl\u00e4ren, warum z. B. bei meinen Versuchen verschieden stark konvergierende Kurven unter Bedingungen entstehen, bei denen die Querdisparation unver\u00e4ndert ist; warum weiter auch bei monokularem Sehen \u00e4hnliche Linienz\u00fcge entstehen.1 Frau Mayee-Hillebeand macht gegen diesen letzten schon von Poppeleeutee erhobenen Einwand geltend (S. 282), das Tiefensehen k\u00f6nne \u201esekund\u00e4r auch durch empirische Lokalisationsmotive auf Grund l\u00e4ngst gestifteter Assoziationen ausgel\u00f6st werden\u201c. Das greift aber nicht durch: Man kann doch nicht annehmen, da\u00df die durch die eigenartige Gestalt der Kurven bestimmte Beziehung, die erst durch recht genaue Messungen \u00fcberhaupt festgestellt werden kann, der Erfahrung entnommen wird. 1st diese Beziehung aber unmittelbar an die \u2014 wie immer zustandekommende \u2014 Tiefenwahrnehmung selbst gebunden, so ist der R\u00fcckgang auf die Querdisparation offenbar verfehlt. Aus diesen Gr\u00fcnden hatte ich vorgezogen, statt des physiologischen Faktors den psychologischen der \u00dcberschaubarkeit bzw. allgemein der G\u00fcte der Tiefenwahrnehmung als entscheidend hinzustellen.\nVermutlich erkl\u00e4rt sich ferner aus der Tendenz, die Quer-disparation in den Vordergrund zu r\u00fccken, die Meinung der krau Mayee-Hillebeand, es bestehe \u201e\u00fcberhaupt kein so tiefgreifender Unterschied zwischen Distanz- und Parallelreihen, wie ihn Blumkn-\n10\n'M\n1 a. a. O., S. 324 u. 339.","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nWalter Blumenfeld, \u00dcber die scheinbare Gr\u00f6\u00dfe der Sehdinge\nfbld annimmt, sondern wir haben in den Distanzreihen eigentlich nur die Fortsetzung der Parallelreihen gegen den Beobachter zu gegeben44 (S. 299). Nach den Ergebnissen, die die Verfasserin aus ihren Versuchen ableitet, kann man diesen Eindruck in der Tat leicht verstehen. Wenn man aber die Kurven vergleicht die ich unter streng gleichen \u00e4u\u00dferen Bedingungen lediglich durch verschiedene Instruktion im Sinne der Parallel- bzw. Distanzeinstellung erhalten habe, wird diese Meinung v\u00f6llig unhaltbar. H\u00e4tte die Forscherin nach der jeweiligen Einstellung besonders der vordersten Strecken ihren Vpn. die Frage vorgelegt, ob ihnen die in die Tiefe laufenden Linien parallel erschienen, so w\u00fcrde sie das Gegenteil vermutlich sogar bei ihren sehr schmalen \u201eAlleen44 erfahren haben.\nIch hatte seinerzeit zur Erkl\u00e4rung des eigent\u00fcmlichen Charakters der Distanzkurven 2 Tendenzen angenommen, die dabei wirksam werden: erstens die auch bei den Parallelreihen richtunggebende Tendenz zur Ann\u00e4herung an die Gesichtslinien, die bei gr\u00f6\u00dferer Entfernung das \u00dcbergewicht hat, zweitens aber einen Einflu\u00df, der der ph\u00e4nomenalen \u2014 in erster Ann\u00e4herung also der objektiven \u2014 Entfernung der Strecke vom Beobachter umgekehrt proportional ist, also in gr\u00f6\u00dferer N\u00e4he vorwiegt. Da\u00df diese Hypothese, aus der eine hyperbolische Gestalt der resultierende Kurven folgt, auch zahlenm\u00e4\u00dfig gute \u00dcbereinstimmungen mit den Messungsresultaten ergibt, konnte von mir nachgewiesen werden. Frau Mayee-Hillebkand nennt diesen Erkl\u00e4rungsversuch unbefriedigend, \u201eweil er zu keiner experimentell nachpr\u00fcfbaren Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit f\u00fchrt44 (S. 286). In der Tat erschiene auch mir ihre Theorie den Vorzug zu verdienen, wenn sich nachweisen lie\u00dfe, da\u00df der f\u00fcr die fixierende Betrachtung gefundene Zusammenhang mit den Grenzen der Sehfl\u00e4chen auch f\u00fcr den Gr\u00f6\u00dfen vergleich mit wanderndem Blick und bei beliebiger Ausdehnung der Strecken besteht. Man w\u00e4re dann in der Lage, nach einmaliger empirischer Bestimmung dieser Grenzen in verschiedenen Entfernungen bei einer Vp. alle Einstellungen dieser Vp. rechnerisch vorauszusagen. Problematisch bliebe nur noch die Form der Grenzkurve selbst. Man mu\u00df abwarten, ob der angek\u00fcndigte Versuch der Forscherin gelingen wird, diese aus einer Beziehung zur Querdisparation abzuleiten. Sonst w\u00e4re m. E. der n\u00e4chstliegende Weg der, f\u00fcr diese Grenzkurve auf die von mir entwickelte Hypothese zur\u00fcckzugreifen und so eine Synthese herzustellen, die mehr leistet, als jede der Einzelannahmen f\u00fcr sich.","page":136}],"identifier":"lit36026","issued":"1932","language":"de","pages":"132-136","startpages":"132","title":"\u00dcber die scheinbare Gr\u00f6\u00dfe der Sehdinge: Bemerkungen zu der gleichnamigen Arbeit von Franziska Mayer-Hillebrand [, Zeitschr. f. Sinnesphysiol., Bd. 61, S. 267-324]","type":"Journal Article","volume":"62"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:45:20.912469+00:00"}

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