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Die Erzeugung eines kontinuierlichen Spektrums auf Grund der Benhamschen Farben

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{"created":"2022-01-31T16:43:36.410858+00:00","id":"lit36029","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Kormann, Friedrich","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 62: 158-166","fulltext":[{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nDie Erzeugung eines kontinuierlichen Spektrums auf Grund der Benhamschen Farben\nVon\nDr. Feiedeich Koemann (Bischofswerda/Sa.)\nMit 4 Abbildungen im Text\nDie eigent\u00fcmlichen Wirkungen, die mit der BENHAMschen Scheibe erzielt werden, sind immer noch nicht gen\u00fcgend bekannt, obwohl es eine reizvolle, wenn auch schwierige Aufgabe ist, diese so merkw\u00fcrdigen Erscheinungen n\u00e4her zu untersuchen. Benham nannte seinen Kreisel \u201eArtificial Spectrum Top\u201c und wies durch diesen Namen auf den Weg k\u00fcnftiger Forschung hin.\nSeine Pappscheibe, deren Durchmesser man am besten zwischen 5- -20 cm w\u00e4hlt, ist in eine wei\u00dfe und schwarze H\u00e4lfte eingeteilt. Auf der wei\u00dfen sind 4 aufeinanderfolgende Gruppen von je 3 etwa 1 mm starken Linien schwarz eingezeichnet, welche die Form konzentrischer Bogen von 45\u00b0 haben. Die ganze Anordnung ist aus der folgenden Abbildung (s. n\u00e4chste Seite) ersichtlich. Bei Umdrehung der Scheibe nimmt jede Liniengruppe eine verschiedene Farbe an. Bei entgegengesetzter Drehung kehrt sich die Reihenfolge der Farben um: wo gelbrot war, erscheint blau, wo blau erschien, entsteht gelbrot, usw. N\u00e4heres, besonders auch B\u00fccherangaben, findet man im Handbuch der Physiologischen Optik von Helmholtz 2. Bd. 3. Aufl. S. 373 ff:., bei A. Tscheemae: (Licht-und Farbensinn), im Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie, Rezeptionsorgane II, Photorezeptoren 1. Teil 1929, und bei anderen.\nAls Vorl\u00e4ufer Benhams und als Vater der ganzen Frage ist G. F. Fechnee, der 1835 seine ersten Beobachtungen machte, zu betrachten. In seinem kleinen Aufsatz \u201e\u00dcber eine Scheibe zur Erzeugung subjektiver Farben\u201c 1 gibt er den Ausgangspunkt f\u00fcr\n1 Poggendorffs Ann. d. Phys. u. Chem. 45 (1838) S. 227.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Die Erzeugung eines kontinuierlichen Spektrums usw.\n159\nalle hierher geh\u00f6renden Untersuchungen. Bei den Flimmererscheinungen auf einer sich drehenden schwarz-wei\u00dfen Pappscheibe ohne jegliche besondere Linien beobachtete er farbige Wirkungen. Nicht der zeitlichen Reihenfolge nach, wohl aber methodisch, kann dann der kleine Versuch, der am Schlu\u00df dieser Ausf\u00fchrungen mitgeteilt werden soll, in Frage kommen. Einen weiteren Schritt tat dann Benham, wieder im methodischen Sinne genommen, indem er dieses zweite Glied gleichsam \u00fcbersprang und den FECHNERschen Ausgangspunkt mit ihm gewisserma\u00dfen verband. Den n\u00e4chsten Schritt machte C. Baumann, indem er als erster sich klar bewu\u00dft die Frage nach der Erzeugung der Spektralfarben stellte.1 Er hat leider das Versehen begangen, da\u00df er\nAbb. 1\ndie Breite der einzelnen Farben, wie sie im objektiven prismatischen Spektrum auftreten, zugrunde legte und die Bruchst\u00fccke deren Mitte auf einer archimedischen Spirale liegen m\u00fcssen \u2014 denn um eine solche handelt es sich letztens als geometrischen Bestimmungsort auch bei den BENHAMschen Kreisb\u00f6gen \u2014 nicht zu einer zusammenh\u00e4ngenden Figur verband, die Linien nicht zusammendr\u00e4ngte, sondern eine ganze Kreish\u00e4lfte einnehmen lie\u00df. Aus Gr\u00fcnden, die weiter unten er\u00f6rtert werden, eignet sich au\u00dferdem die Scheibenform weniger gut als eine zylindrische Fl\u00e4che. Baumann sagt in seiner Mitteilung: \u201eDie Versuche, die Spektralfarben zu erzielen, sto\u00dfen auf viele Schwierigkeiten; au\u00dferdem darf man von vornherein nicht mit zu hohen Erwartungen an die Sache herantreten in bezug auf die Klarheit der Farben; denn\n1 Pfl\u00fcgers Arch. 171 (1918) S. 486.","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nFriedrich Kormann\nebensowenig wie wir bis jetzt mit den materiellen Farben ein reines Wei\u00df erzielen k\u00f6nnen, ebensowenig wird es im vorliegenden Falle m\u00f6glich sein, die Spektrumfarben rein hervorzubringen.\nSehr hinderlich f\u00fcr die Reinheit und Klarheit der Farben ist das Auftreten der Flimmer er scheinungen in den Sektoren, welche allseitig von Wei\u00df umgeben sind.\u201c Der Gedanke, diese Flimmer-erscheinungen, die \u00fcbrigens wohl auf gleichsinnige Farbeninduktion, bzw. Irradiation zur\u00fcckzuf\u00fchren sind, auf einfache Weise auszuschalten, kam ihm nicht, weil er eben seine Linien \u00fcber die ganze Fl\u00e4che des Halbkreises legte. Selbst wenn er die einzelnen verschiedenen St\u00fccke zu einer Form verschmolzen h\u00e4tte, w\u00e4re das Ergebnis nur undeuthch und schwach gewesen. Ein klares und kr\u00e4ftiges, in sich stetig zusammenh\u00e4ngendes Farbenband h\u00e4tte nur bei einer Zusammendr\u00e4ngung der Bogen hervortreten k\u00f6nnen.\nDie Auffindung und Herstellung eines zusammenh\u00e4ngenden Spektrums aber ist schlie\u00dflich der tiefere Sinn und das Ziel, das von der Entdeckung Fechneks und Benhams gefordert wird. Es ist der Schlu\u00dfstein in dem Geb\u00e4ude der mannigfachen Versuche, die seit 1835 (Fechnee) und besonders nach 1894 (Benham) unternommen worden sind. Um diesen handelt es sich im folgenden.\nWenn man die BENHAMsehen Farben genauer mit denen des objektiven prismatischen Spektrums vergleicht, vor allem mit denen auf Abbildungen von Emissionsspektren, wie sie in physikalischen Lehrb\u00fcchern zu \u00fcnden sind, so f\u00e4llt einem die nahe Verwandtschaft beider auf. Die Farben auf den Abbildungen in den Lehrb\u00fcchern haben durch die Unvollkommenheit des Druckes fast denselben schw\u00e4rzlichen Unterton, den die BENHAMsehen durch ihren Ursprung aus schwarzen Linen nicht verleugnen k\u00f6nnen.\nEs scheint einfach zu sein, ist aber wie alles Einfache doch recht schwierig, auf der BENHAMsehen Scheibe ein einheitliches, geschlossenes Band zu erzeugen, das nat\u00fcrlich eine gr\u00f6\u00dfere St\u00e4rke haben mu\u00df als sehr d\u00fcnne Bogenlinien. Verschiedene Forscher, namentlich Bidwell1, haben darauf aufmerksam gemacht, da\u00df die Winkelbreite der schwarzen Bogen, wenn sie in ihrer ganzen Breite farbig erscheinen sollen, nicht mehr als 1/b\u00b0 betragen darf. Breitere Bogen sollen nur an den R\u00e4ndern gef\u00e4rbt werden, w\u00e4hrend\n1 Bidwell, On Subjective Colour Phenomena attending sudden Changes of Illumination. Proc. roy. Soc. Lond. 60 (1897) S. 370.","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Die Erzeugung eines kontinuierlichen Spektrums usw.\n161\nihre Mitte Schwarz oder Grau aufweisen soll. Ein eigentliches Schwarz oder ein ausgesprochenes Grau ist jedoch bei entsprechenden Versuchen unseres Erachtens nicht festzustellen, h\u00f6chstens farbige Ab\u00e4nderungen. Trotz dieser und Baumanns Bedenken mu\u00df es also m\u00f6glich sein, auf der BENHAMschen Scheibe ein stetiges Farbenband darzustellen, das bei einer gewissen Breite im wesentlichen die Erscheinung des prismatischen Spektrums wiederholt und die Farben in \u00dcberg\u00e4ngen zeigt, bei aller sonstigen Verschiedenheit der physiologischen und physikalischen Bedingungen im einzelnen.\nDiese Schwierigkeiten werden durch andere mehr technischer und experimenteller Art vermehrt. Zeichnerisch ist das Arbeiten auf einer Scheibe sehr m\u00fchsam. Die Klagen \u00fcber das Schleudern und Schlagen der Scheiben, die sich sehr leicht verbiegen, sind wohl bei allen Forschern, die sich mit diesen Versuchen besch\u00e4ftigen, allgemein. Manche Ungenauigkeit mu\u00df infolgedessen mit in den Kauf genommen werden.\nWichtig erscheint ferner auch der Umstand, da\u00df sich auf der Scheibe, je mehr sich die einzelnen Ringst\u00fccke vom Mittelpunkt entfernen, die Geschwindigkeit vermehrt. Nach Pauli und Wenzel1 ist die Umdrehungsgeschwindigkeit als wichtigste Bedingung f\u00fcr die Entstehung und gesonderte Erzeugung der Farbenempfindungen zu betrachten. Die Gr\u00f6\u00dfe der Bogen soll dagegen ohne wesentlichen Belang sein.\nUm exakt arbeiten zu k\u00f6nnen und einheitliche Bedingungen zu gewinnen, ist es n\u00f6tig, die ganze Versuchsreihe auf eine ruhig laufende Vorrichtung zu \u00fcbertragen. Wenn man eins der \u00fcblichen Kymographien benutzt, dessen Stirnfl\u00e4chen sich bekanntlich auch zu Kreiselversuchen eignen, so wird manches f\u00fcr die Beobachtung und damit auch f\u00fcr die gedankliche Durchdringung der ganzen Frage gewonnen. Teilt man die Zylinderfl\u00e4che eines solchen Kymographiums je zur H\u00e4lfte in Wei\u00df und Schwarz ein, so bewegen sich nunmehr die in gerade und gleiche St\u00fccke verwandelten Ringans\u00e4tze der BENHAMschen Scheibe, sinngem\u00e4\u00df \u00fcbertragen, in gleicher Geschwindigkeit. Legt man nun bei weiteren Versuchen auf der wei\u00dfen H\u00e4lfte die geraden St\u00fccke mit geringen gleichbleibenden Zwischenr\u00e4umen so nebeneinander, da\u00df von\n1 Pauli u. Wenzel, \u00dcber Farbenempfindungen bei intermittierendem Lichte. Arch. f. Psychol. 48 (1924).","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nFriedrich Kormann\neinem schwarzen Rande anfangend sich das n\u00e4chstfolgende St\u00fcck immer an das vorhergehende im drittel Abstand ihrer gleichen L\u00e4nge anschlie\u00dft, so erzielt man nach Erreichen des anderen schwarzen Randes eine Zeichnung, die durch ihre Anordnung bei Umdrehung durchaus ein einheitliches Ergebnis gew\u00e4hrleistet.\nUm ein kontinuierliches Spektrum zu erhalten, verschmilzt man dann die wei\u00dfen Zwischenr\u00e4ume mit den einzelnen schwarzen St\u00fccken zu einem einzigen schwarzen Bande, das quer \u00fcber der wei\u00dfen Fl\u00e4che liegt, von einem Zylinderrande bis zum anderem Bei Umdrehung zeigt sich auf dem Zylinder des Kymographiums den man ganz passend eine Farbentrommel nennen k\u00f6nnte, die Erscheinung eines stetigen Farben\u00fcberganges von Gelbrot nach Blau, \u00e4hnlich wie beim prismatischen Spektrum, wenn auch erst schwach und unter st\u00f6renden Nebenwirkungen. Diese Nebenwirkungen sind im \u00fcbrigen sehr aufschlu\u00dfreich f\u00fcr die Theorie dieser Erscheinungen. Es w\u00fcrde jedoch den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, n\u00e4her darauf einzugehen. Doch soll weiter unten andeutungsweise auf die Theorie hingewdesen werden.\nUm die Farben wesentlich zu verst\u00e4rken, mu\u00df man das Band verk\u00fcrzen. Es darf sich nur noch etwa \u00fcber ein Drittel der ganzen wei\u00dfen Fl\u00e4che hinziehen und hat dann die Form eines schmalen Parallelogramms, dessen spitzwinklige Ecken mit den R\u00e4ndern der schwarzen Fl\u00e4che Zusammentreffen. Es ergibt sich dann eine deutliche und \u00fcberraschende Wirkung, indem ein stetigesBandinRegenbogenfarben erscheint. Die F arben sind bedeutend klarer und kr\u00e4ftiger geworden. Wird dieser Versuch auf dem BENHAMschen Kreisel angestellt, so ergibt sich sinngem\u00e4\u00df ein schmales halbmondartiges Gebilde.\nWichtig ist, die Versuche bei k\u00fcnstlicher Beleuchtung vorzunehmen. Bei Sonnenlicht oder hellem zerstreutem Tageslicht, namentlich wenn es voll von vorn auftrifft, ist die ganze Erscheinung nur schwer zu sehen. Eine 40kerzige Stehlampe leistet gute Dienste.\nZur Veranschaulichung seien hier 3 Zeichnungen wiedergegeben. Die 1. stellt das noch nicht verschmolzene Band dar, die 2. das verschmolzene \u00fcber der ganzen wei\u00dfen Fl\u00e4che lagernde und die 3. das verk\u00fcrzte Band in seiner endg\u00fcltigen Form.\nDie rechteckige wei\u00dfe Fl\u00e4che kann wie die schwarze Fl\u00e4che etwa die Gr\u00f6\u00dfe 12X22 cm haben, die einzelnen St\u00fccke etwa","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Die Erzeugung eines kontinuierlichen Spektrums usw.\n163\n4 cm, die lange Seite des Parallelogramms etwa 13 cm, die kurze etwa 9,5 cm.\nDie so erzielte neue und h\u00f6chst merkw\u00fcrdige Erscheinung eines kontinuierlichen Spektrums kann Anla\u00df zu einer Betrachtung bieten, welche seine Entstehungsbedingungen mit denen des prismatischen Spektrums vergleicht. Es ergibt sich dabei eine bedeutsame \u00dcbereinstimmung, die hier nicht zur Er\u00f6rterung stehen\n\u2022 \u2022\nsoll. Sehr auff\u00e4llig ist jedenfalls die \u00dcbereinstimmung in der Reihenfolge der Farben, die kein Zufall sein kann, sondern auf ein gleiches Gesetz hindeutet. Der Unterschied freilich ist wohl dabei zu beachten, da\u00df blau und violett auf dem Kymographium ihre Stelle vertauschen, im Vergleich mit denselben Farben im prismatischen Spektrum.\nAbb. 2\nAbb. 3\nAbb. 4\nDie rein physikalischen Ursachen dieses neuen physiologischen Spektrums, die doch zweifellos vorhanden sind, d\u00fcrften vielleicht verwickelter sein, als es zuerst den Anschein hat. Ohne unmittelbare objektive homogene Lichter kommt es auf Grund irgendwelcher \u00e4u\u00dferer Ursachen zu einem Spektrum. Eine f\u00fcrwahr sehr sonderbare Tatsache! Mit dem Begriff des \u201eintermittierenden Lichtes\u201c allein kommt man dabei wahrscheinlich nicht aus. In den allermeisten F\u00e4llen ruft intermittierendes Licht keine Farbenerscheinungen hervor. Pasch aufeinanderfolgendes Zwinkern mit den Augen beim starren Ansehen eines ruhenden K\u00f6rpers oder am besten einer ruhig daliegenden schwarzen Zeichnung auf wei\u00dfem Papier ist nur einer von ihnen. Zwinkert man aber rasch und bewegt eine schwarze Zeichnung vor dem Gesicht","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nFriedrich Kormann\n\u2022 \u2022\nhin und her, so kommt es sofort zu farbigen \u00c4nderungen. Bewegung ist also ein wichtiger \u00e4u\u00dferer Umstand, vielleicht insofern der allerwichtigste, als dadurch die Netzhaut einen dunklen und einen hellen Eindruck auf ein und derselben Stelle nicht mehr scharf auseinanderhalten kann, sich beide Eindr\u00fccke verwischen und vermischen und dabei in eine neue, einzige Empfindung verschmelzen, in Farbe. Bei den BENHAMschen Versuchen wird das Zwinkern durch die Aufeinanderfolge der wei\u00dfen und schwarzen H\u00e4lfte ersetzt. Da\u00df dieses Verwischen des Eindrucks au\u00dferordentliche Bedeutung hat, geht auch daraus hervor, da\u00df man bei allen Versuchen ohne eine schwarze H\u00e4lfte, also bei voller wei\u00dfer Scheibe (bzw. Zylinderfl\u00e4che), an den schwarzen Zeichnungen bei Bewegung immer noch farbige Erscheinungen im Auge ausl\u00f6st. Durch lebhaftes Augenzwinkern, als Ersatz f\u00fcr die fehlende schwarze H\u00e4lfte, kann man diese ungemein steigern. Zeichnet man dagegen auf dem Wei\u00dfen der BENHAMschen Scheibe eine von einem schwarzen Rande bis zum anderen durchgehende, ganz gleichm\u00e4\u00dfig starke Kreislinie, also einen Halbkreis ein, so \u00e4ndert sich nichts an ihrer schwarzen Farbe, vorausgesetzt, da\u00df die Scheibe nicht schleudert und sich die Kreislinie beim Drehen immer genau deckt. Verst\u00e4rkt man sie aber auf jeder Seite an irgendwelchen einzelnen Stellen, so zeigen sich wieder Farben, weil sich dem Auge abwechselnd und nicht mehr einzeln unterscheidbare Eindr\u00fccke von Schwarz und Wei\u00df darbieten. Geht die gleichm\u00e4\u00dfig schwarze Kreislinie nicht durch, so tritt eine Verwischung durch die vor oder hinter ihr liegende wei\u00dfe Fl\u00e4che ein. Die Linie erscheint farbig, und zwar je nach ihrer Stelle auf dem wei\u00dfen Halbkreis in einer anderen Farbe. Die wei\u00dfe Fl\u00e4che rechts und links neben der Linie wirkt in diesem Falle wohl nur als scharfe, die einmal entstandene Farbe verst\u00e4rkende Grenze. Auf die Bildung des besonderen Farbtons hat sie kaum einen Einflu\u00df.\nWie nahe diese Erkl\u00e4rungen durch Bewegung, Verwischung und Verschmelzung Goethischen Anschauungen stehen, ist klar. Fechner in seiner oben angef\u00fchrten Schrift sagt (S. 228): \u201eGoethe w\u00fcrde die Scheibe vielleicht sehr bequem f\u00fcr seine Theorie gefunden haben, indem man hier in der Tat Farben erscheinen sieht, wenn sich bei der Bewegung Schwarz (freilich nur so zu sagen) \u00fcber Wei\u00df schiebt, oder umgekehrt\u201c, und tut ihm damit Unrecht, schon allein durch die Anf\u00fchrung des aus Goethes","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Die Erzeugung eines kontinuierlichen Spektrums usw.\n165\nMeisterwerk bekannten W\u00f6rtchens \u201ebequem\u201c. Johannes M\u00fcller dagegen hat sich immer gern zu Goethe bekannt. Heute geh\u00f6rt allerdings, bei der Ablehnung Goethes, besonders von seiten der Physik, etwas Mut dazu, wieder einmal an ihn zu erinnern.\nDie BENHAMschen Farben sind aber auch \u2014 horribile dictu \u2014 ein neuer Hinweis auf die Farbenlehre Schopenhauers, der mit Recht auch von Baumann 1 genannt wird. Schopenhauer geht, wie bekannt, von physiologischen Grundlagen aus. Da\u00df aber au\u00dferdem die BENHAMschen Farben ein gl\u00e4nzender empirischer Beleg f\u00fcr Schopenhauers Lehre von der reinen Intellektualit\u00e4t der empirischen Anschauung sind (wie durch sie auch Helm-holztens \u201eunbewu\u00dfte Schl\u00fcsse\u201c best\u00e4tigt werden), ist eine Tatsache von Bedeutung. Wir sind auf dem Wege experimenteller Beweise f\u00fcr die Wahrheit der Transzendentalpsychologie wieder einen wuchtigen Schritt weitergekommen. \u2014\nAls Erg\u00e4nzung der vorstehenden Versuche ist noch anzuf\u00fchren, da\u00df es bei keilf\u00f6rmigen St\u00fccken, die man etwas l\u00e4nglich auf der wei\u00dfen Zylinderfl\u00e4che des Kymographiums einzeichnet, zu eigent\u00fcmlichen Ab\u00e4nderungen der Farbwirkungen kommt, die beweisen, da\u00df bei umgekehrter Drehung allemal die Erg\u00e4nzungsfarbe am selben St\u00fccke auftritt, mit Ausnahme des in der Mitte der Fl\u00e4che auftretenden Gr\u00fcns, das \u00fcbrigens durch eine Mischung gelber und violetter Ausstrahlung zustande zu kommen scheint. Durch die Keile wird z. B. ein sehr sch\u00f6nes Gelb erzielt, das in der Umkehrung ein klares Veil zeigt. Aus diesen Versuchen geht hervor, da\u00df das Gelbrot, welches am vorausgehenden schwarzen Rande der BENHAMschen Scheibe entsteht, die Erg\u00e4nzungsfarbe des nachfolgenden Randblau sein mu\u00df. Der schw\u00e4rzliche Ton beider Farben ist aber bei ihrer Betrachtung gedanklich auszuschalten.\nZum Schlu\u00df ist noch ein Versuch erw\u00e4hnenswert, der, wie in der Einleitung gesagt wurde, als n\u00e4chster methodischer Schritt in Frage kommt, wenn man als Ausgangspunkt die FECHNERschen Farben betrachtet. Man erh\u00e4lt durch ihn, abgesehen von dem Versuch durch Augenzwinkern, auf die allereinfachste Art farbige Wirkungen, ja Regenbogenfarben. Er stellt freilich einige Anforderungen an die Beobachtungsgabe. Mancher wird erst nach einiger \u00dcbung einen Erfolg erreichen. Wie Herr Prof. G. E.\n1 Baumann, Pfl\u00fcgers Arch. 166 (1916/1917) S. 214.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166 Friedr. Kormann, Die Erzeugung eines kontinuierlichst Spektrums usw.\nM\u00fcller in G\u00f6ttingen dem Verfasser liebensw\u00fcrdigerweise mitteilt, ist er bisher noch nicht ver\u00f6ffentlicht und zumindest der Form nach unbekannt.\nMan nehme einen etwas st\u00e4rkeren wei\u00dfen Papierzettel (9X16 cm), zeichne auf einem Ende mit schwarzer Tusche Ringe, kleine Vierecke oder sonstige kleine Zeichnungen ein, fasse das andere Ende und bringe dann das Blatt in eine federnd-flatternde Bewegung, so, da\u00df die Zeichnungen hin- und herschnellen, das Handende sich aber am wenigsten bewegt. Man wird dann rot und blau zuerst beobachten. Sp\u00e4ter auch andere Farben.\nLegt man eine Reihe von Strichen, etwa 10 oder 12, in der L\u00e4nge von je 8 cm eng nebeneinander und schaut seitlich bei der Flatterbewegung auf oder \u00fcber sie hin, so wird man ein Farbenband wahrnehmen. Leicht ist dieser Versuch nicht. Er ist jedoch auch anderen Personen gegl\u00fcckt. Man verwendet dabei am besten eine elektrische Stehlampe und h\u00e4lt das Auge m\u00f6glichst im Dunkeln.\nF\u00fcr eine Erkl\u00e4rung ist wichtig, da\u00df die Zeichnungen gleichzeitig sowohl die Leistung der Ringst\u00fccke der BENHAMschen Scheibe \u00fcbernehmen als auch die ihrer schwarzen Kreish\u00e4lfte. Es tritt eine Verwischung der Umrisse ein, die zu einer Verschmelzung von Licht und Finsternis und damit zum Auftreten von Farben f\u00fchrt. Diese selbst in ihrem rein physiologischen Ursprung n\u00e4her zu untersuchen, ist eine besondere Aufgabe, deren vollst\u00e4ndige L\u00f6sung noch nicht gelungen zu sein scheint. Denn man kann nach Troland unter 60 verschiedenen Farbenlehren w\u00e4hlen. Sehr lehrreich sind auf alle F\u00e4lle G. E. M\u00fcllers Gedanken in seinem Buche: \u201e\u00dcber die Farbenempfindungen\u201c (1930), das in den \u00a7\u00a7 36 und 37 Rechenschaft \u00fcber die vorstehend behandelten Erscheinungen zu geben sucht.","page":166}],"identifier":"lit36029","issued":"1932","language":"de","pages":"158-166","startpages":"158","title":"Die Erzeugung eines kontinuierlichen Spektrums auf Grund der Benhamschen Farben","type":"Journal Article","volume":"62"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:43:36.410864+00:00"}

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