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{"created":"2022-01-31T16:42:23.583782+00:00","id":"lit36033","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Bayer, Ludwig","role":"author"},{"name":"Johannes Pansdorf","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 62: 250-254","fulltext":[{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\n(Aus dem Universit\u00e4ts-R\u00f6ntgeninstitut Frankfurt a. M.)\nEin Beitrag zur Adaptationsfrage\n\u00dcber Sehst\u00f6rungen bei ein\u00e4ugiger Dunkeladaptation\nVon\nLudwig Bayer und .Johannes Pansdorf (Frankfurt a/M.)\nDer Wunsch, den R\u00f6ntgenuntersucher w\u00e4hrend der Adaptationszeit f\u00fcr andere T\u00e4tigkeit nicht lahm liegen zu lassen, f\u00fchrte Ganter1 zu dem Vorschlag der ein\u00e4ugigen Dunkelanpassung; er benutzt zu diesem Zweck ein Monokel, wie es in der Augenheilkunde gebraucht wird. Ganter gibt an, da\u00df die Adaptation, die auf diese Weise erreicht wird, ausreichend sei, und Grashey 2 3 4 glaubt, das auf Grund eigener Erfahrungen namentlich mit dem monokularen Kryptoskop best\u00e4tigen zu k\u00f6nnen. Heeren 3 dagegen berichtet von Sehst\u00f6rungen im Anschlu\u00df an diese Adaptationsmethode und Klopfer 4 lehnt sie ab, weil Bildsch\u00e4rfe und Plastik nicht den Anspr\u00fcchen gen\u00fcgen k\u00f6nnen. Es sind uns Bedenken physiologischer Art hinsichtlich der Brauchbarkeit des Verfahrens gekommen, und wir haben Versuche angestellt, die uns zu der \u00dcberzeugung brachten, da\u00df ein Nutzen in der Methode nicht liegt, da\u00df im Gegenteil die Nachteile den Vorteil bei weitem \u00fcberwiegen.\nHier soll kurz \u00fcber einige Sehst\u00f6rungen berichtet werden, die sich bei allen Versuchen \u00fcbereinstimmend in so unangenehmer Weise bemerkbar machten, da\u00df eine exakte und kritische Beobachtung des Schirmbildes unm\u00f6glich war. Es wurde mit dem Monokel 15\u201430 Minuten ein\u00e4ugig adaptiert, w\u00e4hrend das freie\n1\tGanter, M\u00fcnch, med. Wschr. Nr. 46. S. 1917. (1926.)\n2\tGrashey, R\u00f6ntgenpraxis. S. 47.\n3\tHeeren, Fortschr. R\u00f6ntgenstr., Bo, 5. IS. 1005.\n4\tKlopfer, R\u00f6ntgenpraxis. S. 47.","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Ein Beitrag zur Adaptationsfrage\n251\nAuge unbehindert der Umgebungshelligkeit ausgesetzt wurde ; diese war zwar wechselnd, aber nie geringer als eine mittlere Tageshelligkeit. Die Vorbereitungen im Durchleuchtungsraum wurden so getroffen, da\u00df sofort nach Betreten des v\u00f6llig verdunkelten Raumes das Monokel entfernt und der Durchleuchtungsstrom eingeschaltet werden konnte. Die elektrischen Bedingungen des R\u00f6hrenstromes waren konstant; sie ergaben unter normalen Verh\u00e4ltnissen ein vorz\u00fcgliches Schattenbild des Leuchtschirmes. Zu den Versuchen wurden als Durchleuchtungsobjekt Personen eines etwa gleichen K\u00f6rperdurchmessers gew\u00e4hlt, so da\u00df die Durchsichtigkeit der Objekte nur in geringen Grenzen schwankte.\nBei Innehaltung dieser Versuchsbedingungen machte sich stets eine Sehst\u00f6rung bemerkbar, die als komplex auf gef a\u00dft werden mu\u00df. Das Gesichtsfeld des nicht adaptierten Auges war von einer Helligkeit erf\u00fcllt, die bald gleichm\u00e4\u00dfig-homogen, bald mehr wallenden Nebeln gleich war. Diese Helligkeit war verschieden stark je nach der Lichtintensit\u00e4t, die vorher auf das Auge eingewirkt hatte ; sie konnte einen Grad annehmen, der als blendend bezeichnet werden mu\u00df. W\u00e4hrend mehrerer Minuten nahm diese \u201eLichtempfindung\u201c subjektiv nicht ab; erst nach etwa 6\u201410 Minuten (wieder entsprechend der Intensit\u00e4t und Dauer der Vorbeleuchtung) wurde sie schw\u00e4cher, um nach rund 15 Minuten v\u00f6llig zu verschwinden, d. h. in dieser Zeit erreichte das \u201eHellauge\u201c den Adaptationszustand des anderen. Zun\u00e4chst machte es f\u00fcr die beobachtende T\u00e4tigkeit des \u201eDunkelauges\u201c keinen Unterschied, ob das \u201eHellauge\u201c offen oder geschlossen gehalten wurde, der Helligkeitseindruck war vor offenem oder hinter geschlossenem Lid v\u00f6llig gleich, der Verschlu\u00df des Hellauges vermochte nicht die Akkomodations- und Fixationsschwierigkeiten zu beheben, durch die das \u201eDunkelauge\u201c gehemmt wurde. Erst nach 4\u20148 Minuten, als die ersten schwachen Bildeindr\u00fccke im nicht adaptierten Auge durchkamen, wurde ein deutlicher Unterschied bemerkbar insofern, als dann der Versuch binokularer Betrachtung die St\u00f6rungen versch\u00e4rfte, w\u00e4hrend die monokulare Beobachtung mit dem Dunkelauge leichter wurde ; d. h. bei beid\u00e4ugiger Beobachtung trat ein auff\u00e4lliges \u201eSchlingern\u201c oder Schwimmen des Schirmbildes in Erscheinung. Wenn man zu diesem Zeitpunkt die Bem\u00fchungen forcierte, machten sich astheno-pische Beschwerden geltend, die es nicht \u00fcber den Versuch hinauskommen lie\u00dfen. Au\u00dferdem trat ein Strabismus divergens","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nLudwig Bayer und Johannes Pansdorf\n(mehrfach okulistisch sichergestellt) auf. Auch diese St\u00f6rungen verschwanden etwa um die 15. Minute des Dunkelaufenthalts, und von diesem Zeitpunkt ab stellte sich der binokularen Beobachtung kein wesentliches Hindernis mehr entgegen.\nDie st\u00f6renden Erscheinungen traten mit gr\u00f6\u00dfter Regelm\u00e4\u00dfigkeit auf und lie\u00dfen nur geringen Einflu\u00df von seiten des subjektiven Zustandes der Beobachter erkennen.\nDie Bedenken, die wir prim\u00e4r gegen die M\u00f6glichkeit einer hinreichend sicheren Beobachtung auf Grund monokularer Dunkelanpassung hegten, hatten die Erw\u00e4gung zur Grundlage, da\u00df zwischen den beiden Augen als H\u00e4lften des funktionell einheitlichen Sehorgans eine Wechselwirkung bestehen m\u00fcsse, die unter Umst\u00e4nden als Hemmung auf das andere Auge wirksam werden k\u00f6nne. Die Ergebnisse unserer Untersuchung scheinen diese Annahme zu best\u00e4tigen. Die Ansichten der Autoren1 \u00fcber die Wechselwirkung der beiden H\u00e4lften des Sehorgans bez\u00fcglich F\u00f6rderung und Hemmung beruhen auf Untersuchungen des monokularen und binokularen Sehens bei gleichem Adaptationszustand beider Augen ; wir fanden daher im Schrifttum nur wenige, sp\u00e4rliche Angaben, die zu unserer Frage Bezug hatten.\nDer Helligkeitseindruck des nicht adaptierten Auges war f\u00fcr den ersten Augenblick blendend; es wurde deshalb untersucht, wie sich ihm gegen\u00fcber der zu erwartende Eigenlichteindruck des Dunkelauges verhielt. Dabei ergab sich, da\u00df ein Eigenlicht oder Eigengrau auf der adaptierten Seite deutlich wahrgenommen wurde, da\u00df dieses aber von der Empfindung der anderen Seite qualitativ verschieden war; es wurde erheblich \u00fcberstrahlt. Die Verh\u00e4ltnisse des Eigenlichtes zu studieren, hatte der eine von uns (Bayer) Gelegenheit anl\u00e4\u00dflich seiner Nachbilduntersuchungen unter Fr. W. Fr\u00f6hlich (1925/26). Dabei wurde festgestellt, da\u00df das Eigenlicht eine st\u00e4ndige Begleiterscheinung der Dunkeladaptation ist, in deren Verlauf es charakteristische Ver\u00e4nderungen erkennen l\u00e4\u00dft. Abgesehen davon, da\u00df sich eine Verl\u00e4ngerung und Verst\u00e4rkung der durch seine St\u00e4rke st\u00f6renden Phase des Eigenlichtes durch Aufmerksamkeits- und Akkomodationsanstrengungen feststellen lie\u00df, die geradezu als \u201eNeuerregung\u201c imponierte, lie\u00df sich h\u00e4ufig eine Dauer der gleichm\u00e4\u00dfig starken Eigenlicht-\n1 Vgl. Literaturangaben bei A. v. Tschebmak im Handbuch d. norm. u. path. Physiologie, Bd. XII, 2, S. 922/23 und Monj\u00e9, Z. Biol., 91, 387 ff.","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Ein Beitrag zur Adaptationsfrage\n253\nempfindung von mehreren Minuten konstatieren. In unserem Falle lie\u00df sich die Lichtempfindung des adaptierten Auges leicht als Eigenlicht im Sinne Aubeets (sog. permanente Lichtempfindung) deuten; die Empfindung strahlender Helligkeit des nicht adaptierten Auges lie\u00df jedoch die charakteristischen Ver\u00e4nderungen des Eigenlichtes im Verlauf der Dunkeladaption nicht immer in einwandfreier Weise erkennen. So konnte die von Vogelsang1 beschriebene Abnahme des Eigenlichtes zwischen der 4. und der 10. Minute des Lichtabschlusses regelm\u00e4\u00dfig erst sp\u00e4ter, etwa von der 6. Minute ab beobachtet werden 2, w\u00e4hrend zeitweilige starke Zunahme im weiteren Verlauf spontan nie in Erscheinung trat. Diese Abweichungen rechtfertigen u. E. eine qualitative Unterscheidung noch nicht.\nDa\u00df die Lichtempfindung des Hellauges so ungemein st\u00f6rend wirkt, findet eine Erkl\u00e4rung darin, da\u00df die Empfindlichkeitssteigerung des anderen Auges schon weit vorgeschritten ist und die Wahrnehmung der schwachen Reize von dem kontrastierenden Eindruck der anderen H\u00e4lfte durch den binokularen Wettstreit gehemmt wird. Es werden dem Bewu\u00dftsein von den beiden Sehzentren ganz verschiedene Eindr\u00fccke zugeleitet (exogener und endogener Sinneseindruck); w\u00e4hrend normalerweise die Empfindungen beider H\u00e4lften verschmolzen werden, ist das in diesem Fall unm\u00f6glich; es wird eine deutliche Pr\u00e4valenz des Eindruckes der nicht adaptierten Seite bemerkbar. Im weiteren Verlauf, etwa nach 4\u20148 Minuten, als die ersten Bildeindr\u00fccke infolge vorschreitender Dunkelanpassung im \u201eHellauge\u201c durchkamen, trat eine vor\u00fcbergehende Versch\u00e4rfung der St\u00f6rungen auf, die sich in einem eigent\u00fcmlichen \u201eSchlingern\u201c des Schirmbildes, mangelhafter Fixationsf\u00e4higkeit und einem deutlichen Strabismus divergens \u00e4u\u00dferte. Was die Schlingerbewegung des Leuchtschirmbildes betrifft, so scheint uns die Annahme einer Analogie mit den Vorg\u00e4ngen, die den Puleeich - Effekt bedingen, nicht fern zu liegen. Die Verschiedenheit der Empfindungszeiten beider Augen liegt offenbar diesem Ph\u00e4nomen zugrunde. Mangelhafte Fixations-\n1\tK. Vogelsang, Pfl\u00fcgers Arch. 206, 29\u201465 (1924).\n2\tDiese Tatsache kann durch den Umstand erkl\u00e4rt werden, da\u00df der kontrastive Eindruck selbst des an Intensit\u00e4t abnehmenden Eigenlichtes dem adaptierten Auge gegen\u00fcber noch so stark ist, da\u00df die Abnahme erst dann bemerkt wird, wenn der Lichtreiz des Schirmbildes f\u00fcr den Adaptationszustand des Hellauges eben \u00fcberschwellig wird.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 62\n19","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254 Ludwig Bayer und Joh. Pansdorf\\ Ein Beitrag zur Adaptationsfrage\nf\u00e4higkeit und Strabismus divergens wurden auch von Kronenberger 1 anl\u00e4\u00dflich anderer Fragestellung beobachtet. Auf Grund unserer Versuchsergebnisse halten wir es f\u00fcr berechtigt, die ein\u00e4ugige Adaptation f\u00fcr die R\u00f6ntgenuntersuchung als unzweckm\u00e4\u00dfig abzulehnen.\nZusammenfassung:\nBeobachtungen am R\u00f6ntgenschirm nach einseitiger Dunkeladaptation waren von charakteristischen Sehst\u00f6rungen begleitet und wurden dadurch praktisch unm\u00f6glich gemacht. Zun\u00e4chst st\u00f6rte die Helligkeitsempfindung des nicht vorbereiteten Auges sehr ; im weiteren Verlauf machte sich ein \u201eSchlingern\u201c des Schirmbildes bemerkbar, das von Fixationsschwierigkeiten und einem deutlichen Strabismus divergens begleitet wurde.\n1 P. Kronenberger, Ein Beitrag zur Raumphysiologie. Z. Sinnesphysiol 57 (1926).","page":254}],"identifier":"lit36033","issued":"1932","language":"de","pages":"250-254","startpages":"250","title":"Ein Beitrag zur Adaptationsfrage: \u00dcber Sehst\u00f6rungen bei ein\u00e4ugiger Dunkeladaptation","type":"Journal Article","volume":"62"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:42:23.583788+00:00"}