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Nachbilder im bewegten Auge

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{"created":"2022-01-31T14:50:59.887462+00:00","id":"lit36034","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Hoche, A. E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 62: 255-260","fulltext":[{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"255\nNachbilder im bewegten Auge1\nVon\nA. E. Hoche (Freiburg i. Br.)\nMit 5 Abbildungen im Text\nDie weit\u00fcberwiegende Zahl der Mitteilungen \u00fcber Nachbilder gilt der Konstellation: ruhendes Objekt, unbewegtes Auge; wir exponieren die Netzhaut in mannigfacher Weise wie bei einer photographischen Aufnahme mit der Absicht, ein m\u00f6glichst gutes, zur Untersuchung seiner Eigenschaften und seiner weiteren Entwicklung geeignetes Nachbild zu erhalten. Zuf\u00e4llige Beobachtungen haben mich darauf gef\u00fchrt, die Verh\u00e4ltnisse zu pr\u00fcfen, die sich ergeben, wenn das bewegte Auge von einem leuchtenden Gegenstand eine im Nachbilde bleibende Aufnahme macht. Es k\u00e4me nat\u00fcrlich auf dasselbe heraus, wenn vor dem ruhenden Auge ein Objekt vor\u00fcbergef\u00fchrt wird. Bei der gew\u00f6hnlichen Versuchsanordnung mit den in \u00fcblicher Weise beleuchteten Fl\u00e4chen, K\u00f6rpern usw. w\u00e4re es vergebliches Bem\u00fchen, in dem fl\u00fcchtig dar\u00fcber weggef\u00fchrten Auge brauchbare Nachbilder gewinnen zu wollen; der Eindruck ist zu kurz und damit zu schwach; er bedarf einer gewissen, unter verschiedenen Umst\u00e4nden schwankenden, oft untersuchten Dauer, um wirksam zu werden. F\u00fcr die Erscheinungen, die ich beschreiben will, sind, wenn sie deutlich werden sollen, maximale Lichtquellen notwendig, als deren nat\u00fcrlichste sich die Sonne dar bietet ; es handelt sich also um Blendungsbilder, die aber eine Unterabteilung der Nachbilder darstellen.\nDie Gefahren des direkten Blickes in die Sonne mit optisch ungesch\u00fctztem Auge sind bekannt; jede Sonnenfinsternis erzeugt\n1 Vortrag, gehalten auf der Badener Neurologenyersammlung am 30. Mai 1931.\n19*","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\nA. E. Hoche\nbei einer gewissen Anzahl unkundiger oder unvorsichtiger Beobachter Skotome, die sich keineswegs immer ausgleichen; Czerny der Chirurg, fixierte vom Heidelberger Schlo\u00df aus die tiefstehende Sonne am Westhimmel \u00fcber dem Rhein und trug ein Dauerskotom davon; (ob sein Wunsch, da\u00df seine Netzhaut nach seinem Tode mikroskopisch untersucht werden sollte, erf\u00fcllt worden ist, habe ich nicht erfahren k\u00f6nnen). Ich selbst habe bei meinen Versuchen gelegentlich Skotome erlebt, deren Nachhaltigkeit den bedenklichen Zweifel aufsteigen lie\u00df, ob ich sie nicht behalten w\u00fcrde. Das Ma\u00df der Gef\u00e4hrlichkeit einer direkten Einstellung der Augen auf die Sonnenscheibe ist u. a. proportional der Sonnenh\u00f6he insoweit, als erst die dem Untergang sich zuneigende Sonne, namentlich wenn die D\u00fcnste der Ebene ihr Bild rot erscheinen lassen, ungestraft auch l\u00e4ngere Zeit hindurch betrachtet werden kann; man tr\u00e4gt unter diesen Umst\u00e4nden \u2014 ruhendes Auge, unbewegtes Objekt, ein recht haltbares, kreisrundes Nachbild davon, wie es Goethe einmal in Hermann und Dorothea als Gleichnis verwendet. Um das zu sehen, was ich beschreiben will, ist weder die Stellung der Sonne im Zenit noch in der N\u00e4he des Horizontes brauchbar; ich habe gew\u00f6hnlich die Sonnenh\u00f6he benutzt, die 2 bis 3 Stunden vor ihrem Untergang oder nach ihrem Aufgang gegeben ist.\nWenn man dann mit dem Blicke die Sonne oder wenigstens ihre N\u00e4he sucht, tritt eine reflektorische, vielleicht auch instinktive, Fluchtbewegung des Auges ein, der man sich auch bei bewu\u00dftem Willensaufwand kaum entziehen kann; das physikalische Ergebnis dabei ist, da\u00df das Sonnenbild \u00fcber einen gro\u00dfen Teil der Netzhaut rasch hinweggef\u00fchrt wird und von seiner Bahn ein sehr lichtstarkes Nachbild zur\u00fcckl\u00e4\u00dft. A priori sollte man vermuten, da\u00df dieses Nachbild die Gestalt eines Streifens mit parallelen R\u00e4ndern haben m\u00fcsse, da\u00df es einfach bandf\u00f6rmig sei ; das Merkw\u00fcrdige ist nun; da\u00df diese Annahme keineswegs zutrifft; was man zu sehen bekommt, ist in Abb. 1 wfiedergegeben.\nWird die Aufnahme des Nachbildes bei der Fluchtbewegung des Auges durch einen Lidschlag unterbrochen, so sieht man auch unzusammenh\u00e4ngende, oft hantelf\u00f6rmige Bilder wie in Abb. 2.\nDiese Erscheinungen sind unabh\u00e4ngig davon, ob das Sonnenbild durch zentrale oder seitliche Teile des Gesichtsfeldes gef\u00fchrt wird; die Scheu vor dem direkten Fixieren der Sonne selbst bewirkt, da\u00df die Nachbildstreifen meist nicht in den Hauptachsen des Gesichtsfeldes liegen.","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Nachbilder int bewegten Auge\n257\nDiese Bilder haben eine betr\u00e4chtliche Dauer; ich habe sie bis zu 6 und 7 IVTinuten bestehen sehen : bei verdunkeltem Auge bleiben sie wei\u00df oder wei\u00dfgelblich, beim Blick auf hellen Hintergrund erscheinen sie als dunkle Streifen, innerhalb deren anfangs die Gegenst\u00e4nde, \u00fcber die sie hinwegwandern, nicht wahrgenommen werden. Das an den gew\u00f6hnlichen Nachbildern reizvolle farbige Abklingen tritt hier nicht ein.\nAbb. 3\nBei der weiteren zeitlichen Entwicklung der Nachbilder tritt eine neue eigenartige Erscheinung auf: sie verschwinden nicht so, da\u00df der ganze Nachbildstreifen gleichm\u00e4\u00dfig und gleichzeitig schw\u00e4cher wird, bis er schlie\u00dflich nicht mehr kenntlich ist; sie lassen vielmehr in den einzelnen Abschnitten ein verschiedenes Tempo des Verschwindens erkennen, wie es Abb. 3 darstellt.","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\nA. E. Hoche\nSie schmelzen sozusagen langsam fort, zuerst in den mittleren Teilen des Verbindungsst\u00fcckes, bis scblie\u00dflicb nur die kreisrunden Stellen noch \u00fcbrig bleiben. Alle diese Einzelheiten habe ich in Hunderten von Beobachtungen immer wieder und in gleicher Weise festgestellt.\nSo klar und sicher diese Ergebnisse sind, so schwierig ist ihre Deutung. Keine Schwierigkeiten macht die Erkl\u00e4rung der Tatsache, da\u00df das Nachbild \u00fcberhaupt Abschnitte erkennen l\u00e4\u00dft; es entspricht dies dem, was wir von den Augenbewegungen wissen : sie erfolgen nicht in gleichm\u00e4\u00dfigem Zuge, sondern in abgesetzten Innervationsst\u00f6\u00dfen, die uns nur, wie vieles andere in unseren optischen Verrichtungen, nicht zum Bewu\u00dftsein kommen. Die Bewegungen des Auges beim Suchen nach Gegenst\u00e4nden und beim Fixieren erfolgen in Beschleunigungen und Stillst\u00e4nden; es ist wohl so gut wie sicher, da\u00df die im Nachbild als Kreise erscheinenden Stellen den \u00e4u\u00dferst kurzen Ruhepunkten oder Verlangsamungen der Bewegung entsprechen; es ist f\u00fcr denjenigen, dem dieser Zusammenhang aufgegangen ist, ein eigent\u00fcmliches Gef\u00fchl, sich des abgesetzten Charakters der scheinbar gleichm\u00e4\u00dfigen Augenbewegung bewu\u00dft zu werden. Die Art des Wegschmelzens der B\u00e4nder zwischen den Kreisen weist darauf hin, da\u00df auch die Bewegung zwischen den Ruhepunkten, wie dies ohne weiteres vorauszusetzen ist, nicht gleichm\u00e4\u00dfig stattfindet, sondern langsam anhebt, ein Maximum erreicht und dann wieder abklingt \u2014 alles immer unter der Voraussetzung, die alle Wahrscheinlichkeit f\u00fcr sich hat, da\u00df die Energie des Lichteindruckes auf der Netzhaut eine Funktion der Zeit der Belichtung ist.\nDamit ist nun, \u2014 und hier kommen wir zu dem r\u00e4tselhaften Teil des Vorganges \u2014 durchaus nichts dar\u00fcber gesagt, warum nicht nnr die Nachhaltigkeit der Einwirkung, sondern auch die r\u00e4umliche Ausdehnung der Bilder in Abh\u00e4ngigkeit von der Zeit steht; die Unterschiede sind sehr betr\u00e4chtlich ; der Durchmesser des einen Moment ruhenden Sonnenbildes kann doppelt so gro\u00df sein als der des Streifenbildes der bewegten Sonne.\nDer Gedanke an eine Wirkung der Irradiation liegt zu nahe, als da\u00df er nicht sofort gebracht werden sollte ; man k\u00f6nnte versuchen zu sagen: das ruhende Sonnenbild hat mehr Zeit, die Irradiation in die Erscheinung treten zu lassen als das bewegte, infolgedessen erscheint es gr\u00f6\u00dfer; es ist aber nichts damit.","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"Nachbilder im bewegten Auge\n259\nEs widerspricht dem zun\u00e4chst die Sch\u00e4rfe der Konturen des Nachbildes, die in den runden Abschnitten nicht geringer ist als in den bandf\u00f6rmigen. Irradiierte Partien haben immer etwas Verschwommenes in den Grenzen, wie es z. B. Abb. 4 zeigt.\nDas Bild der durch eine scharfe Kante (Fabrikschornstein) halbverdeckten Sonnenscheibe greift in die dunkle Partie in optisch aufgel\u00f6ster Form \u00fcber; davon ist bei meinen Ph\u00e4nomenen nichts wahrzunehmen.\nNoch mehr aber widerspricht diesem Deutungsversuch der Umstand, da\u00df die Irradiation \u00fcberhaupt kein retinaler Vorgang ist, wie ich dies schon fr\u00fcher nachgewiesen habe. Wenn\nAbb. 4\tAbb. 5\nich von der Sonnenscheibe, wie sie sich in Abb. 4 darstellt, ein\nNachbild aufnehme, so sieht es aus wie Abb. 5.\n\u25a0 \u2022\nL\u00e4ge dem Ubergreifen des Lichtreizes in Abb. 4 eine Erregung von Netzhautelementen zugrunde, so m\u00fc\u00dfte auch das Nachbild umscharf sein. Einen \u00fcberzeugenden Eindruck von diesen Verh\u00e4ltnissen kann man sich, auch wenn man die Sonne nicht zur Hand hat, jeden Augenblick verschaffen: wenn man eine Gl\u00fchbirne fixiert, so sieht man die leuchtende Drahtschlinge dank der Irradiation in der Dicke eines Baumwollfadens ; das Nachbild zeigt aber die richtigen Verh\u00e4ltnisse; man sieht den Faden in seinem nat\u00fcrlichen Durchmesser, etwa dem eines feinen Ro\u00dfhaars; das w\u00e4re nicht m\u00f6glich, wenn die Ver\u00e4nderung des prim\u00e4ren Eindruckes auf Reizung benachbarter Netzhautteile zu beziehen w\u00e4re. Die Irradiation beruht auf dem \u00dcbergreifen des Reizes auf benachbarte Fasern oder Zellen irgendwo im Bereiche des Leitungsweges zwischen Optikus und Rinde. Diese Annahme, die wahrscheinlicher ist als irgendeine andere, kann zur Erkl\u00e4rung meines Ph\u00e4nomens nichts beitragen.","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\nA. E. Hoche, Nachbilder im bewegten Auge\nAuch damit w\u00e4re nicht gedient, wenn man sagen w\u00fcrde : bei so starken Lichtreizen, die aus dem Rahmen dessen herausfallen, was den nerv\u00f6sen Elementen sonst zugemutet wird, k\u00f6nnten neue Gesetze der Irradiation wirksam werden. Wir sehen sonst, da\u00df die St\u00e4rke der irradiierenden Wirkung mit der Intensit\u00e4t des Lichtreizes w\u00e4chst, namentlich im Sinne zunehmender Unsch\u00e4rfe der Konturen; es w\u00e4re sehr seltsam, wenn sich dies bei den maximalen Reizen, die nur dem Grade nach anders sind, pl\u00f6tzlich grunds\u00e4tzlich \u00e4ndern sollte.\nPhysikalische Erkl\u00e4rungen versagen gleicherweise ; f\u00fcr die Annahme, z. B., da\u00df das Sonnenbild in den einzelnen Abschnitten des Kreises verschieden lichtstark sei, also etwa im Zentrum anders als in den Randpartien, und da\u00df deswegen bei kurzer Belichtung schmale, bei l\u00e4ngerer breitere Fl\u00e4chen beeinflu\u00dft w\u00fcrden, fehlt jede physikalische Voraussetzung. Die bei genauen Messungen feststellbare Verschiedenheit der von verschiedenen Stellen der Sonnenoberfl\u00e4che ausgeschickten Lichtmenge kann hier nicht in Frage kommen; die F\u00fclle des Sonnenlichtes ist \u00fcberall so \u00fcberw\u00e4ltigend gro\u00df, da\u00df auch etwaige lichtschw\u00e4chere Partien noch eine f\u00fcr das Auge maximale Reizgr\u00f6\u00dfe bedeuten, deren Abstufungen es nicht folgen kann.\nErw\u00e4gungen dieser Art lassen auch verstehen, warum es sehr schwierig ist, die an der Sonne gewonnenen Ergebnisse an k\u00fcnstlichen Lichtquellen nachzupr\u00fcfen. Gewi\u00df ist es m\u00f6glich, Lichtst\u00e4rken zu erzeugen, die bis zum Skotom reichende Nachbilder geben; aber es ist sehr schwer, gleichm\u00e4\u00dfig leuchtende Scheiben in dieser Lichtst\u00e4rke herzustellen; soweit dies einigerma\u00dfen m\u00f6glich war \u2014 ich bin Herrn Prof. Scherer in der Augenklinik hier f\u00fcr seinen Rat dabei zu Dank verpflichtet \u2014 haben sich grunds\u00e4tzlich dieselben Verh\u00e4ltnisse wie beim Sonnenbild ergeben.\nAlles in allem : Eine befriedigende Erkl\u00e4rung kann ich nicht geben; auch v. Kries, mit dem ich einige Jahre vor seinem Tode von diesen Dingen sprach, wu\u00dfte keine; deswegen ver\u00f6ffentliche ich meine Beobachtungen; vielleicht wei\u00df ein anderer Rat.","page":260}],"identifier":"lit36034","issued":"1932","language":"de","pages":"255-260","startpages":"255","title":"Nachbilder im bewegten Auge","type":"Journal Article","volume":"62"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:50:59.887468+00:00"}

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