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{"created":"2022-01-31T16:46:31.194309+00:00","id":"lit36040","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Bielschowsky, A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 58: 1-4","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"F. B. Hofmann f\nNachruf von A. Bielschowsky (Breslau)\nNach einer von ihm als Grippe angesehenen Erkrankung im letzten Fr\u00fchjahr, von der er sich w\u00e4hrend der Pfingstferien in Marburg a. L. erholen wollte, erlag Feanz B. Hofmann ganz unerwartet am 6. Juni d. J. einer Lungenembolie im Anschlufs an eine erst wenige Tage zuvor festgestellte Thrombophlebitis. Das Hinscheiden des im 57. Lebensjahr auf der H\u00f6he seines Schaffens stehenden, lebens- und arbeitsfrohen Mannes bedeutet f\u00fcr die Wissenschaft einen ebenso schweren Verlust wie f\u00fcr seine Familie und Freunde.\nSein Lebenslauf bietet das sehr erfreuliche Bild einer ununterbrochenen Kette von Erfolgen, die lediglich der eigenen Kraft, angeborener Anlage und eisernem Fleifse entsprangen. Geboren am 29. November 1869 in Skalka am S\u00fcdabhange der Sudeten empfing H. eine ganz vorz\u00fcgliche Schulbildung im Gymnasium zu Braunau (B\u00f6hmen). Er war zeitlebens und mit Recht stolz auf die F\u00fclle und Gediegenheit seiner aus der Gymnasialzeit stammenden Kenntnisse, die sowohl in den humanistischen wie auch in den naturwissenschaftlichen F\u00e4chern erheblich \u00fcber das hinausgingen, was die grofse Mehrzahl seiner Altersgenossen aus reichsdeutschen Gymnasien an Wissen ins sp\u00e4tere Leben hatte mitnehmen k\u00f6nnen. Bis zuletzt las Hofmann gern in seinen Mufsestunden die Klassiker der Antike im Original; ebenso bewandert war er in der sch\u00f6ngeistigen Literatur der neueren und neuesten Zeit, daneben ein ausgezeichneter Mathematiker ; auch seine philosophischen und historischen Kenntnisse gingen weit \u00fcber das Durchschnittsmafs des gebildeten Nichtfachmannes hinaus, so dafs er in jedem Kreise als ungew\u00f6hnlich anregender und vielseitiger Gesellschafter gesch\u00e4tzt war. Sein Studium absolvierte H. an der deutschen Universit\u00e4t in Prag. Schon vor Ablegung der Staatspr\u00fcfung war er Demonstrator, seit 1894 Assistent am physiologischen Institut in Prag, dessen damaliger Leiter Ewald Hebing sehr bald die hervorragenden\nZeitschr. f. Sinnespliysiol. 58.\n1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nA. Bielschowsky\nF\u00e4higkeiten H.s erkannte. Als Hering im Jahre 1895 nach Leipzig berufen wurde, nahm er Hofmann mit sich, der sich dort 3 Jahre sp\u00e4ter habilitierte und 1902 zum a. o. Professor ernannt wurde. W\u00e4hrend der Jahre seines Wirkens am Leipziger physiologischen Institut war dieses das Zentrum einer \u00fcberaus regen experimentellen Forschungst\u00e4tigkeit auch f\u00fcr alle klinischen Disziplinen. Damals empfing auch H. die mannigfaltigsten Anregungen durch die dauernde Ber\u00fchrung mit den Klinikern und mit klinisch - pathologischen Problemen. Zeit seines Lebens blieb er in engster F\u00fchlung mit den Klinikern und war stets bereit und imstande, ihre wissenschaftlichen Arbeiten mit seinem Rat und den Mitteln seines Instituts zu f\u00f6rdern. Im Jahre 1905 wurde H. als ordentlicher Professor auf den physiologischen Lehrstuhl nach Innsbruck berufen, 6 Jahre sp\u00e4ter ging er nach Prag als Nachfolger Gads. Von dort kam er 1913 wieder nach Deutschland zur\u00fcck und zwar zun\u00e4chst nach K\u00f6nigsberg als Nachfolger yon Ludimar Hermann, 1916 als Nachfolger Schencks nach Marburg a. L. Dort fand er alte und neue Freunde in grofser Zahl, und die im sch\u00f6nen, von romantischem Zauber umwobenen St\u00e4dtchen an der Lahn verbrachten 6 Jahre z\u00e4hlten wohl zu den gl\u00fccklichsten seines Lebens. Dorthin zog es ihn auch sp\u00e4ter immer wieder, dort suchte er auch Genesung von seiner Erkrankung und fand seine letzte Ruhest\u00e4tte. Im Jahre 1922 wurde er nach dem Tode Verworns nach Bonn, 1923 als Nachfolger Rubners nach Berlin berufen. So hat H. die L\u00e4nder deutscher Zunge auf seinem Lebensweg vom \u00e4ufsersten S\u00fcden bis Norden, von Osten nach Westen durchwandert, an 7 Universit\u00e4ten gewirkt, \u00fcberall Freunde und Sch\u00fcler in grofser Zahl gewonnen, die in Liebe und Verehrung an ihm h\u00e4ngen.\nWas Hofmanns wissenschaftliches Lebens werk anlangt, so kann ich als Ophthalmologe nat\u00fcrlich nur den Bruchteil seiner Arbeiten w\u00fcrdigen, die in das Grenzgebiet der Physiologie und meines Faches fallen, also Probleme der physiologischen Optik, insbesondere des Raumsinns und der Augenbewegungen behandeln. Sie fufsen selbstverst\u00e4ndlich auf den Anschauungen E. Herings, lassen aber doch die weitgehende Selbst\u00e4ndigkeit und Kritik des Sch\u00fclers erkennen. Ich hatte das Gl\u00fcck, w\u00e4hrend unserer Leipziger Assistentenzeit verschiedene Fragen aus dem uns in gleicher Weise interessierenden Gebiete gemeinsam mit Hofmann bearbeiten zu d\u00fcrfen und lernte damals sowohl seine","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"F. B. Hofmann f\nB\nExaktheit und Gr\u00fcndlichkeit als auch die seiner scharfen Kritik entspringende vollkommene Objektivit\u00e4t sch\u00e4tzen. Nichts lag ihm ferner, als ad verba magistri zu schw\u00f6ren, und ich erinnere mich manches harten Straufses zwischen ihm und seinem verehrten Lehrer wegen der aus den Ergebnissen unserer Untersuchung \u00fcber die Fusionsbewegungen zu ziehenden theoretischen Folgerungen. Die zahlreichen Einzelarbeiten Hofmanns aus dem genannten Gebiete wurden gekr\u00f6nt durch die zusammenfassende Darstellung des Raumsinns im Handbuch der gesamten Augenheilkunde von Graefe-Saemisch-Hess. Seit Herinls Bearbeitung des gleichen Stoffes in Hermanns Handbuch der Physiologie (1879) harrte eine solche F\u00fclle von Ergebnissen der einschl\u00e4gigen physiologischen, experimentell-psychologischen, ophthalmologi-schen und neurologischen Forschung der kritischen Sichtung und Auswertung, dafs Hofmanns Bearbeitung einem wirklichen dringenden Bed\u00fcrfnis abgeholfen hat. Dafs dies in so vollkommener Weise geschehen und ein f\u00fcr lange Zeit grundlegendes Werk entstanden ist, haben wir Hofmanns umfassender Kenntnis der Literatur, seiner Einf\u00fchlung auch in die Probleme und Forschungsmethoden der Grenzgebiete und seiner scharfen Urteilskraft zu danken. Von seinen sonstigen sinnesphysiologischen Arbeiten sind seine sehr interessanten Untersuchungen \u00fcber den Geruchssinn hervorzuheben, die der Forschung ganz neue Bahnen weisen. Wie aus den Mitteilungen seines Sch\u00fclers Mitsumoto im vorigen Bande dieser Zeitschrift (57, S. 144, 166, 317) zu ersehen ist, hat er dieses Gebiet noch in der allerletzten Zeit bearbeitet. Zahlreiche Arbeiten betreffen das Gebiet der Nerven-und Muskelphysiologie; besonders bedeutsam waren seine Untersuchungen und seine Theorie \u00fcber Ursprung und Fortleitung der Erregung im Herzen. Von Hofmanns Vielseitigkeit zeugen seine histologischen Arbeiten, insbesondere die Darstellung des Nervenplexus des Herzens und die Plexusbildungen bei Mollusken, sowie seine Studien aus dem Gebiete der physikalischen Chemie, mit der er sich schon im Institute Wilhelm Ostwalds vertraut\ngemacht hatte.\nDie Bedeutung Hofmanns w\u00fcrde aber nur unzul\u00e4nglich gewertet, wenn man lediglich seine Publikationen ber\u00fccksichtigte, zumal er in weit h\u00f6herem Grade rezeptiv als produktiv veranlagt war. Diese Veranlagung zugleich mit seiner enormen Arbeitskraft, seiner Gr\u00fcndlichkeit und seinem scharfen Verst\u00e4nde erm\u00f6g-","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nA. Bidschowsky, F. B. Hofmann *j-\nlichte ihm eine so souver\u00e4ne Beherrschung des Gesamtgebietes der Physiologie, wie sie wohl nicht vielen seiner Fachgenossen zu eigen, und die Basis f\u00fcr den akademischen Lehrer h\u00f6chster Qualit\u00e4t ist. Hofmann war ein gl\u00e4nzender Lehrer: sein Vortrag immer klar, gut disponiert und abgerundet, dabei so lebendig, die intensive Anteilnahme des Redners an seinem Stoffe so deutlich merkbar, dafs er die H\u00f6rer stets in seinen Bann zwang und keine Erm\u00fcdung aufkommen liefs. Ebenso befruchtend wie im Unterricht der Studierenden wirkte er in den Sitzungen wissenschaftlicher Vereinigungen, wo er das wertvolle Bindeglied zwischen den klinischen und den biologischen Disziplinen bildete.\nHofmann entstammte kleinen d\u00f6rflichen Verh\u00e4ltnissen. In seinen jungen Jahren war das zuzeiten an einer gewissen Unsicherheit und Befangenheit zu merken. Aber schon damals\n\u2022 \u2022\nvertrat er seine \u00dcberzeugung, wenn es ihm darauf ankam, mit gr\u00f6fster Entschiedenheit \u00fcberall und jedem gegen\u00fcber. Eine gerade, schlichte, in sich gefestigte Natur, niemals streberhaft in jungen Jahren, aber auch ohne jede Spur von Eitelkeit und Pose auf der H\u00f6he seiner Laufbahn. Er wirkte durchaus als Norddeutscher durch eine gewisse Steifheit, Pedanterie und Zur\u00fcckhaltung, was sich aber bald bis auf einen kleinen, nicht mehr st\u00f6renden Rest verlor, wenn man mit ihm diskutierte oder n\u00e4her bekannt wurde. In sein Innerstes liefs er auch seine n\u00e4chsten Freunde nicht schauen. Dabei war er durchaus kein Duckm\u00e4user; er war froh mit den Fr\u00f6hlichen und liebte Geselligkeit in hohem Mafse. Sein Haus machte er, unterst\u00fctzt durch die aufsergewohnlichen wirtschaftlichen und repr\u00e4sentativen Talente seiner vortrefflichen Gattin, zu einem der beliebtesten Zentren f\u00fcr zwanglose und anregende Geselligkeit. Seine Gewissenhaftigkeit und sein strenger Gerechtigkeitssinn verschafften Hofmann auch innerhalb der Fakult\u00e4t und der Universit\u00e4t, wo immer er wirkte, den ihn geb\u00fchrenden Einflufs. Er war ein vorz\u00fcglicher Dekan und Rektor, ebenso gr\u00fcndlich, umsichtig und energisch, wie taktvoll und verbindlich.\nMit seiner Gattin und seinem Sohne trauern zahllose Freunde und Sch\u00fcler um den viel zu fr\u00fch Verschiedenen. Ihnen allen wird der Prachtmensch unvergefslich sein !\n\u2022u","page":4}],"identifier":"lit36040","issued":"1927","language":"de","pages":"1-4","startpages":"1","title":"F. B. Hofmann: Nachruf","type":"Journal Article","volume":"58"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:46:31.194315+00:00"}