The Virtual Laboratory - Resources on Experimental Life Sciences
  • Upload
Log in Sign up

Open Access

Über die scheinbare Gestalt des Himmelsgewölbes

beta


JSON Export

{"created":"2022-01-31T14:17:25.714427+00:00","id":"lit36042","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Filehne, Wilh.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 54: 1-8","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"1\n\u2022 \u2022\nUber die scheinbare Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes.\nVon\nWlLH. FlLEHNE.\nIm Jahre 1919 erschien eine Dissertation von Hildegard St\u00fccklen 1 die unter Leitung des G\u00f6ttinger Physikers Robert Pohl gearbeitet hatte. H. St\u00fccklen gibt zum Schlufs ihrer Ver\u00f6ffentlichung folgende Zusammenfassung: \u201eDie vorliegende Arbeit versucht den Nachweis zu f\u00fchren, dafs die scheinbare Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes ein durchaus psychologisches Problem ist und nicht auf physikalische Bedingungen zur\u00fcckgef\u00fchrt werden kann. Es wird n\u00e4mlich gezeigt, dafs es m\u00f6glich ist, die Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes zu deformieren, wenn man l\u00e4ngs der Vertikalen Leitlinien in Gestalt funkentelegraphischer T\u00fcrme von betr\u00e4chtlicher H\u00f6he einschaltet. Es nimmt dann der Winkel: Horizont-Beschauer-Halbierungspunkt des Bogens\nHorizont-Zenit Werte >45\u00b0---------an; der Zenit erscheint\ndadurch dem Beobachter weiter entfernt zu sein als der Horizont. Einige Vorversuche und erg\u00e4nzende Messungen besch\u00e4ftigen sich mit der Bedeutung der horizontalen Leitlinie.\u201c\nSie weist also nach, dafs die scheinbare Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes nicht auf physikalischen Ursachen beruht, \u2014 nicht von der Lichtdiffusion in der Atmosph\u00e4re bzw. der verschiedenen Verteilung der Helligkeit am Himmel, \u2014 nicht von der \u201emaximalen Sichtweite\u201c usw. abzuleiten ist. Indem nun Rob. Pohl und H. St\u00fccklen das Problem als nicht vor das Forum der Physik geh\u00f6rig nach weisen, \u00fcberlassen sie alsdann\n1 Zur Frage nach der scheinbaren Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes. G\u00f6ttingen, \u2014 Einige Monate vor dem Erscheinen dieser philosophischen Doktordissertation gab Robert Pohl in der Zeitschrift Die Natunvissen-schaften die Resultate der Untersuchung bekannt.\nZeitschrift f. Sinnesplwsiol. 54.\n1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nWilh. Filehne.\nt \u2022\u2022\t\u201encdriicklich den dazu berufenen Psychologen, zu\nseine osu g\tdiejenigen zu rechnen sind, die sich mit\ndenen\tFragen besch\u00e4ftig\u00ab\u00ab. Wenn die b\u00f6iden\n\u00a3!I \u00cft.S L.s peyc-ologiscb,\u00bb Problems \u00bb\u00ab\u00bb ich ,Licht\u00ab\u00ab, \u00bb hab.\u00ab si\u00ab doch elfte h\u00f6chst w.cht.g\u00ab f\u00ab-\n\u2018aChN.\u00a3chdLS6dte Dftsertrtion die Bevorsogong der ho'ison-taien vor der vertikalen Richtung in bezug auf Entfernungssch\u00e4tzung erw\u00e4hnt hat, f\u00e4hrt sie (S.\t11) or \u2022\nSeltsamerweise ist unseres Wissens nie der naheliegende Versuch gemacht worden, diese psychologische Bevorzugung er Horizontalen dadurch zu eliminieren, dafs man auci m e vertikalen Richtung Gegenst\u00e4nde einschaltet, an enen er\neQtl \u00fcfesem 'Gedanken bin ich, wie weiter unten berichtet werden \u2022 a Cbtwin vor l\u00e4ngerer Zeit (1893) nachgegangen. Es wird Tich zeigen, warum meine Bem\u00fchungen nicht den Erfolg hatten, T Z G\u00f6ttinger Physiker gerade vor den T\u00fcrmen der funken-telegraphischen Stationen erreichten. H. St\u00fccklen ^luUner wue fLt fort- Dabei geben uns die funkentelegraphischen Stationen durch tre T\u00fcrme das Mittel in die Hand, vertikale Leithmen f\u00fcr den Blick bis zu 250 m H\u00f6he zu benutzen. Das Ziel dieser Arbeit war es den Einflufs solcher Linien festzustellen, und as Ergebnis der Versuche ist, dafs man f\u00fcr den Halbierungswinkel irgendwelche Werte, ja sogar solche > 4o \u00b0 er a ten anm Man ist also in der Lage, den Himmel beliebig zu deformieren und das ohne \u00c4nderung der physikalischen Bedingungen allein durch Dinge, die psychologisch auf uns Wirkern\nBlickten die Beobachter vor einem solchen Turm em funkentelegraphischen Station \u201ean dessen Leitlinien m die H \"So erschien dieser mcht so wie sonst al-bge\u00fcachte\nKuppel, sondern eher mehr hoc a s wei\tHorizontradius\nerschien fast oder ganz gleich der Lange des non\noder \u00fcbertraf sie gelegentlich sogar. Dementsprechend lag de\nscheinbare Halbierungspunkt des Himmelsquadrant\t\u2014\ndes Bogens Zenit-Horizont - nicht wie sonst bei etwa 23 \u00fcber dem Horizonte (statt 45 \u00b0) sondern zuweilen sogar bei meh\nals 45\u00b0 \u00fcber dem Horizont (selbst bis 53,4\u201c).\nWohl m\u00f6gen bei manchem diese Beobachtungen druck erwecken, als ob durch sie meine Erkl\u00e4rung der schein-","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 \u2022\nUber die scheinbare Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes.\t3 ,\nbaren Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes widerlegt sei. Dies w\u00fcrde aber ein Irrtum sein.\nF\u00fcr das Problem der scheinbaren Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes bilden diese Ergebnisse einerseits eine wichtige Vervollst\u00e4ndigung der tats\u00e4chlichen Unterlage. Aufserdem sind sie eine kr\u00e4ftige St\u00fctze meiner Auffassung von der Natur der in Frage stehenden T\u00e4uschung; nach dieser meiner Auffassung ist die T\u00e4uschung durch die Entwicklung unseres r\u00e4umlichen Sehens bedingt. Wir Menschen sind im Raume haupts\u00e4chlich mehr horizontal orientierte Gesch\u00f6pfe; wir haben haupts\u00e4chlich in horizontaler Richtung unsere Bewegungsm\u00f6glichkeit und unsere Interessen.\nF\u00fcr die Ferne kommt nun das zwei\u00e4ugige stereoskopische Sehen nicht in Betracht; daher ist im folgenden nur das ein\u00e4ugige Sehen gemeint, und ferner ist unter \u201eTiefendimension\u201c nicht die rechtwinklig zur Schwerewirkung (oben-unten) und zu unserer Rechts-links-Richtung stehende sagittale Richtung, sondern stets unsere Blickrichtung zu verstehen, \u2014 also im Gegens\u00e4tze zur \u201emathematischen\u201c Tiefendimension die physiologische Tiefe. In der Ausdeutung und \u201eDehnung\u201c der in unserm Netzhautbildchen enthaltenen Tiefenkomponenten d. h. in der richtigen Ausdeutung der perspektivischen Verk\u00fcrzungen liegt das Geheimnis unseres r\u00e4umlichen Sehens. Und dieses Ausdeuten, dieses \u201eDehnen\u201c haben wir in mehr horizontaler Richtung best\u00e4ndig und gr\u00fcndlicher zu lernen und zu \u00fcben Gelegenheit gehabt als in allen \u00fcbrigen, mehr vertikale und rechts links gerichtete Komponenten enthaltenden Blicklinien; wir vertiefen zwar auch in diesen und sehen den ganzen Raum r\u00e4umlich, aber in mehr horizontal-sagittal er Richtung am ausgiebigsten. Dieses R\u00e4umlichsehen hat sich nun \u201emechanisiert\u201c: wir sehen die Landschaft ohne weiteres und sofort r\u00e4umlich. Aber wir k\u00f6nnen den perspektivischen Eindruck steigern, verbessern, indem wir, \u2014 was teils unwillk\u00fcrlich, ja sogar unbewufst, teils willk\u00fcrlich geschieht, \u2014 unsern Blick \u00fcber die Fl\u00e4chen der Aufsen-welt (Horizontfl\u00e4che, H\u00e4userfassaden, Bergabh\u00e4nge usw.) geradlinig \u2014 sei es also horizontal-sagittal, vertikal oder in irgendeiner Richtung\u2014 gleiten lassen und hierdurch die in diesen Fl\u00e4chen enthaltenen \u2014 physiologischen \u2014 Tiefenkomponenten in h\u00f6herem Mafse dehnen. Am ausgiebigsten ist","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nWilh. Filchne.\ndieses aktive, maximale Dehnen, wie ich wiederholt nachgewiesen habe, in (horizontal-) sagittaler Richtung von uns* erlernt und ge\u00fcbt, weniger in der (auch horizontalen) Rechts-links-Richtung und in mehr vertikaler. Um aber f\u00fcr irgendeine Richtung das ihr zustehende Maximum zu erreichen, ist es, wie ich zeigte, notwendig, dafs der Blick geradlinig \u00fcber die Fl\u00e4che gleite d. h. dafs die maximal zu dehnenden Tiefenkomponenten des Netzhautbildchens auf die Fovea centralis retinae einwirken, \u2014 auf ihr abgebildet werden. Und auch hierin ist, wie schon gesagt, die saggitale Richtung (aus den besprochenen Motiven) stets bevorzugt. Nun geht aus den PoHL-ST\u00fcCKLENschen Versuchen die h\u00f6chst interessante Tatsache hervor, dafs durch Benutzung dieser aktiven Dehnung der Tiefenkomponenten die genannten hohen Objekte soweit gedehnt werden, dafs der absolute Gr\u00f6fseneindruck ihrer H\u00f6he denjenigen Wert nahezu erreichen, ja sogar \u00fcbertreffen kann, den ohpe Gleitenlassen des Blickes das mechanisierte r\u00e4umliche Sehen am Horizont radius, also in der bevorzugten s agitt al-horizontalen Richtung uns gewinnen l\u00e4fst.\nAuch diese neue Ermittelung steht in vollst\u00e4ndiger \u00dcbereinstimmung zu meinen fr\u00fcheren Beobachtungen und zu meiner Erkl\u00e4rung. Wiederholt habe ich darauf hingewiesen1, dafs das geradlinige Dahin gleitenlass en desBlickesdie bestrichenen Tiefenkomponenten \u201edehnt\u201c und \u00fcber das gew\u00f6hnliche, schon bei ruhendem Blicke bestehende (mechanisierte) r\u00e4umliche Sehen hinaus die betrachtete Linie verl\u00e4ngert bzw. die (physiologische) Tiefe in verst\u00e4rktem Mafse ausdeuten l\u00e4fst.\nEs schien mir nun w\u00fcnschenswert, vom physiologisch-psychologischen Standpunkte aus der PoHL-ST\u00dcCKLENschen Beobachtung etwas nachzugehen. Dafs gegen\u00fcber einem Beobachter vom Range Robert Pohls eine Nachpr\u00fcfung nicht in Frage kam, braucht nicht erst gesagt zu werden. Es war daher nicht n\u00f6tig, jene oder andere funkentelegraphischen T\u00fcrme aufzusuchen. Um f\u00fcr unsere Zwecke die PoHL-ST\u00dcCKLENschen Beobachtungen physiologisch zu verwerten und zu best\u00e4tigen, bedarf es derartig hoher Objekte, wie jene 250 m und 80 m hohen T\u00fcrme nicht. Eine in freier Ebene stehende Pyramidenpappel, ein spitzer Kirchturm bescheidener H\u00f6he, ja eine nicht\n1 Arch. f. Anat. u. Physiol., Physiol. Abt. 1918, S. 242 ff. u. a. a. Stellen.","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die schembare Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes.\t5\nallzu d\u00fcnne Bohnenstange gen\u00fcgen f\u00fcr die zu meldenden Versuche.\nWorauf es hierbei in experimentell-physiologischer Beziehung ankommt, ist, dals ein gen\u00fcgend \u2014 aber auch wieder nicht allzu \u2014 schmales und im Verh\u00e4ltnis zu seiner geringen Breite hohes Objekt gew\u00e4hlt wird, \u2014 oder noch richtiger ausgedr\u00fcckt: es mufs rechts und links von dem Gegenst\u00e4nde bis zum Horizont hin m\u00f6glichst viel vom (Horizont-) Himmel zu sehen sein. Dagegen ist eine breite, selbst \u00fcber 80 m und 250 m hohe steile Felswand, ein minder steiler und noch h\u00f6herer Berg, ein m\u00e4chtiger Palast, Haus usw. hierf\u00fcr nicht benutzbar. Aber, wie bemerkt, allzu schmal darf unser Objekt deswegen nicht sein, weil es f\u00fcr unsere Zwecke n\u00f6tig ist, uns in solcher Entfernung von ihm aufzustellen, dafs die Breite seines Netzhautbildchens die Fovea centralis eben ausf\u00fcllt. Ist dies \u2014 ungef\u00e4hr \u2014 erreicht und l\u00e4fst man dann an diesem vertikalen Objekte den Blick hingleiten, so zeigt sich, dafs nur die in der Vertikalen gelegenen Tiefenkomponenten (NB.: \u201eTiefe == Blickrichtung!) maximal gedehnt, verl\u00e4ngert werden, w\u00e4hrend exzentrisch f\u00fcr alle anderen mehr horizontalen Richtungen zwar r\u00e4umlich aber ohne die maximale Dehnung gesehen wird. Es f\u00e4llt n\u00e4mlich hinter d. h. unmittelbar neben der Pappel usw. der Himmel steil ab, w\u00e4hrend er weiter seitw\u00e4rts von der Pappel bei Wendung des Blickes wieder die bekannte, gew\u00f6hnliche Gestalt einer abgeflachten, weit in die Ferne ausladenden Kuppel zeigt.\nDiese Beobachtungen geben im Einklang zu der von mir vertretenen Auffassung die physiologisch-psychologische Erkl\u00e4rung f\u00fcr die besprochenen Versuchsergebnisse der G\u00f6ttinger Physiker. Dafs auch in diesen Versuchen die horizontale vor der vertikalen Richtung wesentlich bevorzugt bleibt, sei kurz aus den von Pohl-St\u00fccklen gegebenen Zahlen nachgewiesen.\nDie Vpn. sahen in freier Ebene, ohne Benutzung der T\u00fcrme den Winkel an d. i. den Winkel: Horizont\u2014Auge \u2014 scheinbarer Halbierungspunkt des Himmelsquadranten im Durchschnitt 280 grofs statt 45 \u00b0. Die andere scheinbare H\u00e4lfte des Quadranten war also gleich 62\u00b0 (statt 45\u00b0). Dies ergibt ein Verh\u00e4ltnis von 62:28 \u2014 2,2. Bei Benutzung der T\u00fcrme wurde der Winkel an im Durchschnitt = 44,5 \u00b0. Dies gibt ein Verh\u00e4ltnis von noch nicht ganz 1. Aber selbst, wenn wir das ganz aus dem","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nWith. Filehne.\nRahmen der \u00fcbrigen Beobachtungen in Tabelle 7 (S. 22 der Dissertation) herausfallende Maximum des Physikers D nehmen und gelten lassen, so w\u00fcrde sich das Verh\u00e4ltnis doch erst auf 1,43 stellen, also noch erheblich hinter dem Ergebnis der horizontalen Dehnung = 2,2 Zur\u00fcckbleiben.\nNunmehr wird es dem Leser nicht allzu wunderlich erscheinen, dafs ich in meinen weit zur\u00fcckliegenden Bem\u00fchungen (1893), die \u201epsychologische Bevorzugung der Horizontalen dadurch zu eliminieren, dafs\u201c ich \u201eauch in vertikaler Richtung Gegenst\u00e4nde\u201c einschaltete, \u201ean denen der Blick entlangl\u00e4uft\u201c, keinen Erfolg hatte. In der Absicht, f\u00fcr die \u201eHorizontalebene\u201c eine vertikale oder eine stark ansteigende Fl\u00e4che einzuf\u00fchren, w\u00e4hlte ich naturgem\u00e4fs breite Fl\u00e4chen \u2014 und dies mufste meinen Versuch, den Himmel zu deformieren, mifslingen lassen, wor\u00fcber ich im Jahre 1894 berichtete.1 Aus diesen Erfahrungen war zu schliefsen, dafs am Erwachsenen die Entwicklung des r\u00e4umlichen Sehens bereits soweit abgeschlossen ist, dafs durch Einschalten vertikaler Fl\u00e4chen die Bevorzugung unseres r\u00e4umlichen Sehens in s agit t al-hori z ont al er Richtung nicht mehr wett gemacht werden kann. H\u00e4tten wir w\u00e4hrend der Entwicklung unseres r\u00e4umlichens Sehens die M\u00f6glichkeit und Gelegenheit gehabt, an derartigen vertikalen Fl\u00e4chen unser Sehen in gleicher Weise wie in horizontaler Richtung auszubilden und zu \u00fcben, so w\u00fcrde die Bevorzugung der Horizontalen nicht zustande gekommen sein. Diesen Gedanken habe ich im Jahre 19122 weiter ausgef\u00fchrt. Auch 19153 habe ich in dieser Hinsicht das r\u00e4umliche Sehen z. B. des Adlers an vertikalen Felsw\u00e4nden mit dem unsrigen in dieser Beziehung zu vergleichen Anlafs gehabt.\nWeshalb relativ schmale vertikalstehende Objekte, neben (hinter) denen man (in freier Ebene) den Himmel (Horizonthimmel) exzentrisch zu sehen bekommt, den Himmel de-\n1\tPfl\u00fcgers Arch, f\u00fcr die ges. Physiologie 1894, Bd. 59, S. 284 ; auch die bis zu 100 m vertikal aufsteigenden Felsw\u00e4nde des Felskolosse3 El Capitan gaben, wie wir jetzt wissen, ihrer Breite wegen ein negatives Resultat. Ebenso sp\u00e4tere Beobachtungen in den Dolomiten und in den Bayerischen Alpen.\n2\tArch. f. Anat. u. Physiolog., Physiolog. Abt. 1912. S. 493.\n3\tEbenda 1915. S. 393.","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 \u2022\nUber die scheinbare Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes.\n7\nformieren, wie R. Pohl an den T\u00fcrmen der funkentelegraphi-sehen Stationen entdeckte, haben wir an beliebigen relativ schmalen Gegenst\u00e4nden analysieren k\u00f6nnen : nur die Fovea darf von der Breite des Bildchens ausgef\u00fcllt sein.\nIn der besprochenen Dissertation ist auf S. 22 eine Skizze, wie sich der L\u00e4ngsschnitt des Himmelsgew\u00f6lbes nach Angabe der Versuchspersonen angesichts der funkenelektrischen T\u00fcrme gestaltet habe. Im wesentlichen gleicht die Figur dem Kontur (L\u00e4ngsschnitt) eines modernen (Weltkrieg-) \u201eStahlhelms\u201c : oben die halbkugelf\u00f6rmige W\u00f6lbung und unten die unten von einer horizontalen Linie geschlossene, kr\u00e4mpenartige \u201eSchutzschiene\u201c auf beiden Seiten. Vom Standpunkte eines Berufszeichners aus trifft diese Darstellung zu. Vom physiologischpsychologischen Standpunkte aber nicht. Der Zeichner von Beruf grenzt sich den Teil des Gesichtsfeldes, den er wiedergeben will, zun\u00e4chst ab; dann gleitet sein Blick \u00fcber die Konturen der zu zeichnenden Objekte. Dagegen h\u00e4tten die Versuchspersonen nur die vertikale Leitlinie entlang den Blick gleiten lassen sollen und nur dasjenige vom Himmel zeichnen d\u00fcrfen, was sie exzentrisch sahen. Sie haben aber, um den Horizonthimmel, soweit er ihnen nicht durch den Turm verdeckt war, getreu wiederzugeben, ihn \u2014 wie es der Berufszeichner tun m\u00fcfste \u2014 mit dem Blicke aufgesucht und Dinge, d. h. eine Linie gezeichnet, die sie auf der Fovea abgebildet bekamen, statt sie sich exzentrisch abbilden zu lassen. Solange man auf der Fovea nur die Teile der vertikalen Leitlinie sich abbilden lafst, nimmt man die \u201eKr\u00e4mpe\u201c oder \u201eSchutzschiene\u201c nicht wahr.\nWenn man sich zurZeit des am Horizonte stehenden Vollmondes auf freier Ebene in geeigneter Entfernung von einer Pyramidenpappel so stellt, dafs man den Mond etwa 50 heben der Pappel sieht, so hat man bei freibewegtem Blicke und gelegentlicher fovealer Betrachtung des Gestirns den gewohnten Eindruck seiner Vergr\u00f6fserung. L\u00e4fst man dann den Blick an der Pappel vertikal gleiten und achtet dabei \u2014 ohne seinen Blick nach dem Monde zu richten (was manchen Versuchspersonen allerdings nicht gelingt), also im exzentrischen Sehen \u2014 auf die scheinbare Gr\u00f6fse, so sieht man den Mond so-","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"Wilh. Filehne.\nlange sein Bildchen extrafoveal auf der Netzhaut bleibt, wesentlich verkleinert. Die Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung ergibt sich vom Standpunkte meiner Auffassung ohne weiteres: der \u201ePlafond\u201c : Himmel einschliefslich Horizonthimmel und Mond und die Horizontfl\u00e4che in der Landschaft werden zwar r\u00e4umlich gesehen, aber nicht noch besonders aktiv gedehnt, w\u00e4hrend die (physiologischen) Tiefenkomponenten der Leitlinie an der vertikal stehenden Pappel verl\u00e4ngert, gedehnt sind. Daher wird der Mond, obwohl er beide Male unter etwa 3P sich zeigt, doch einen geringeren absoluten Gr\u00f6fseneindruck machen, wenn er ohne maximale Dehnung gesehen wird, als bei maximaler Dehnung, \u2014 eben weil ein Bogen von 31' mit maximaler Dehnung gr\u00f6fser als ohne diese erscheint.\nAus den vorstehenden Mitteilungen darf wohl in physiologischer und psychologischer Hinsicht folgendes abgeleitet werden :\nEine m\u00f6glichst richtige Ausdeutung bei ein\u00e4ugigem Fernblicke oder richtiger ausgedr\u00fcckt: eine maximale Dehnung der (physiologischen) Tiefenkomponenten, die in einer Ebene oder in einer dieser Ebene zugeh\u00f6rigen geraden Linie sich dem Sehorgan perspektivisch verk\u00fcrzt darbieten, wird dadurch erreicht, dafs unser Blick geradlinig \u00fcber sie hingleitet und dafs hierdurch die einzelnen Teile der bestrichenen Linie nacheinander, also in zeitlicher Folge auf der Fovea centralis der Netzhaut abgebildet werden. Maximal kann daher nur in einer einzigen Dichtung gedehnt werden. Linien, die in einem kleinen Winkel zur gedehnten Dichtung stehen, werden zwar auch noch gedehnt ; aber schon bei einem nur wenige Grade betragenden Winkel h\u00f6rt die aktive Dehnung auf und es wird in den anderen Dichtungen nur in dem Grade r\u00e4umlich gesehen, als das mechanisierte r\u00e4umliche Sehen wirksam ist.","page":8}],"identifier":"lit36042","issued":"1923","language":"de","pages":"1-8","startpages":"1","title":"\u00dcber die scheinbare Gestalt des Himmelsgew\u00f6lbes","type":"Journal Article","volume":"54"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:17:25.714433+00:00"}

VL Library

Journal Article
Permalink (old)
http://vlp.uni-regensburg.de/library/journals.html?id=lit36042
Licence (for files):
Creative Commons Attribution-NonCommercial
cc-by-nc

Export

  • BibTeX
  • Dublin Core
  • JSON

Language:

© Universitätsbibliothek Regensburg | Imprint | Privacy policy | Contact | Icons by Font Awesome and Icons8 | Powered by Invenio & Zenodo