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{"created":"2022-01-31T13:42:28.353491+00:00","id":"lit36067","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Oesterreich, T. K.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 59: 356-380","fulltext":[{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356\n^Au8 dem \u201ePsychologischen Lehrapparat\u201c der Universit\u00e4t T\u00fcbingen)\nZur Lehre vom Gr\u00fcn\nVon\nT. K. Oesterreich (T\u00fcbingen)\nMit 2 farbigen Tafeln\nSo oft ich Psychologie lese, werde ich immer wieder darauf aufmerksam, dafs es so aufserordentlich wenig bekannt zu sein scheint, dafs die traditionelle Lehre vom Gr\u00fcn eine grofse L\u00fccke hat. Zwar finden sich in der Literatur bereits einzelne zerstreute hierher geh\u00f6rige Beobachtungen. Aber die betreffenden Ph\u00e4nomene sind stets in ihrer wahren Natur v\u00f6llig verkannt worden. Allen erschienen sie bisher als eine Angelegenheit von prinzipiell nicht wesentlicher Bedeutung, als eine Sache, die leicht in einer mit den herrschenden Farbenlehren vertr\u00e4glichen Weise sich werde deuten lassen. Gerade deshalb, weil man die grunds\u00e4tzliche Wichtigkeit der Ph\u00e4nomene nicht erkannte, sind sie bisher so wenig allgemein bekannt geworden, w\u00e4hrend sie in Wirklichkeit die h\u00f6chste Aufmerksamkeit beanspruchen k\u00f6nnen.\nIm folgenden soll der Versuch gemacht werden, diese Tat Sachen unter Erg\u00e4nzung durch zahlreiche neue Versuche ans Tageslicht zu ziehen und gewisse grunds\u00e4tzliche Folgerungen daraus f\u00fcr die Lehre vom Gr\u00fcn zu gewinnen, welche meines Erachtens unab weislich sind. \u2014\nDie Erfahrungen, welche der Theorie vom Gr\u00fcn bisher zugrunde gelegt worden sind, sind noch immer allein die Beobachtung des Gr\u00fcns im normalen Spektrum und seine Herstellung durch mechanische Mischung gelber und blauer Pigmente, Tatsachen, denen als Gegensatz die wechselseitige Aufhebung beider Farben am Farbkreisei und im Spiegelmischungsversuch gegen\u00fcbergestellt zu werden pflegen.","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Gr\u00fcn\n357\nUnd doch gibt es, wie bereits 1907 Brentano 1 und sp\u00e4ter auch Ostwald 2 bemerkt haben, noch eine ganz andere Art Gr\u00fcn herzustellen, die dann gleichzeitig, wenn man n\u00e4her zusieht, zu der Einsicht f\u00fchrt, dafs die zwischen Gelb und Blau gelegene Art von Gr\u00fcn \u00fcberhaupt nicht die einzige Art von Gr\u00fcn ist.\n1. Pigmentmischungen und verwandte Versuche\nDiese zweite Art von Gr\u00fcn erh\u00e4lt man am leichtesten durch\nMischung rein gelben und rein schwarzen Pigmentes, und zwar um\nso besser, je reiner das Gelb und je reiner das Schwarz ist. Es\nmacht keinen wesentlichen Unterschied, ob man die Mischung\nauf Papier aufstreicht oder Farbstoffl\u00f6sungen im Glase mischt *\nund in der Durchsicht oder Aufsicht betrachtet. Da das Ph\u00e4nomen so wenig bekannt ist, sind, um dem Leser eigene Versuche zu ersparen, auf den beiliegenden Tafeln unter Nr. I\u2014XVI eine Anzahl von Aufstrichproben auf Aquarellpapier gegeben.8\nEs wurden dabei die bekannten OsTWALDschen Aquarellfarben verwandt und zwar Gelb und Reinschwarz. Das im Handel befindliche Farbpulver wurde im Verh\u00e4ltnis von 1 g auf je 3 ccm destilliertes Wasser aufgel\u00f6st und dann Mischungen vorgenommen in folgenden Verh\u00e4ltnissen (Nr. I\u2014XVI):\nGelb : Schwarz = 1:0; 19 : 1 ; 17 : 1 ; 15 : 1 ; 13:1; 11 : 1 ; 9:1; 7:1; 5:1; 3:1; 1:1; 1:2; 1:3; 1:5; 1:7; 0:1.1 2 3 4\nWie man sieht, entsteht durch Mischung von Schwarz und Gelb eine Farbenreihe, welche eine entschiedene Ver\u00e4nderung der Farbqualit\u00e4t zu, man mufs sagen, v\u00f6llig unerwarteten\n1\tUntersuchungen zur Sinnespsychologie. Leipzig 1907, S. 12. Auf Brentano bezieht sich seinerseits D. Katz, Die Erscheinungsweise der Farben, Leipzig 1911, S. 365.\n2\tIn der Farbenfibel S. 25 f., ferner in der seinem Farbenkasten beiliegenden Gebrauchsanweisung, sowie an anderen Orten.\n3\tIn gr\u00f6fseren Farbenatlanten wie bei Ostwald und Kltncksieck et Valette (Paris 1908), auf welch\u2019 letzteren mich Herr Gildemeister aufmerksam macht, sind selbstverst\u00e4ndlich ebenfalls Mischungen von Gelb und Schwarz vorhanden. Doch werden sie den wenigsten Lesern zur Hand sein. Die paar kleinen T\u00e4felchen in Ostwalds Farbenfibel S. 26 sind wenig charakteristisch. \u2014 Die beiliegenden Tafeln wurden nach meinen Angaben von Herrn A. HA\u00fcSER-T\u00fcbingen mit der Hand hergestellt.\n4\tBei der Einf\u00e4rbung gr\u00f6fserer Bogen, wie sie f\u00fcr die Herstellung von Tafelbeigaben unumg\u00e4nglich ist, sind kleine, vornehmlich durch die beim Trocknen auftretenden Schwierigkeiten bedingte Ungleichheiten unvermeidlich.\n25*","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nT. K. Oesterreich\nT\u00f6nen, eben zu Gr\u00fcn zeigt. Diese Ver\u00e4nderung des Farbtones ist von durchaus anderer Art, als wenn man von Gelb in Rot \u00fcbergeht. Dem Orange sieht man die Zwischenstellung zwischen Gelb und Rot ohne weiteres an. Ich glaube aber nicht, dafs irgend jemand, der nicht weifs, wie die mittleren Gr\u00fcnt\u00f6ne der beifolgenden Reihe zustande kamen, sie als einen \u00dcbergang von Gelb zu Schwarz bezeichnen wird. Sondern es ist ein ganz anderer Farbton.\nEine weitere auff\u00e4llige Erscheinung ist die folgende Tatsache.\nWenn man die Reihe der beiliegenden Farbproben \u00fcberblickt, so\nver\u00e4ndert sich der Farbton an zwei Stellen der Reihe betr\u00e4chtlich\nschneller als an den \u00fcbrigen. Vom reinen Gelb (I) bis zur\nMischung Gelb : Schwarz = 11:1 (VI) und ebenso am anderen\nEnde der Farbskala etwa von Gelb : Schwarz = 0:1\u20141:7 (XV\nund XVI) haben wir es mit voneinander nur wenig verschie-\n\u2022 \u2022\ndenen T\u00f6nen zu tun. Dagegen ist der \u00dcbergang von diesen \u00e4ufseren Abschnitten der Farbreihe zum inneren Teil auffallend steil, sowohl vom Gelb wie vom Schwarz her. Es wird im Spektroskop besonders deutlich (s. u.).\nZur Kontrolle wurden auch Versuche statt mit dem Farbstoff \u201eReinschwarz\u201c mit dem als \u201eTusche\u201c bezeichneten angestellt. Das Resultat bleibt das gleiche, so dafs die geringe Abweichung des Reinschwarz vom absoluten Schwarz nicht als eine Fehlerquelle von besonderem Belang angesehen werden kann.\nEbenso erh\u00e4lt man, wenn man in einer Schale gelben Farbstoff mit Holzkohle verreibt, ein ausgesprochenes Gr\u00fcn.\nFerner f\u00fcge ich noch zwei Gr\u00fcnproben bei, welche dadurch erhalten wurden, dafs Filtrierkarton, der zuvor mit der angegebenen Gelbl\u00f6sung ges\u00e4ttigt war, nachtr\u00e4glich in eine entsprechend verd\u00fcnnte Reinschwarzl\u00f6sung gelegt wurde (Nr. XVII und XVIII). Die Farbstoff Verh\u00e4ltnisse waren Gelb : Schwarz = 50:1; 1:1. Vermutlich war durch Vorf\u00e4rbung in Gelb die Aufnahmef\u00e4higkeit des Papiers f\u00fcr den zweiten Farbstoff erheblich herabgesetzt. Daher der gegen\u00fcber der ersten Versuchsreihe ver\u00e4nderte Farbton.\nEin sch\u00f6nes Gr\u00fcn erh\u00e4lt man auch, wenn man gelbe Ost-WALDsche Druckfarbe auf schwarzes Papier, wie es zum Einh\u00fcllen photographischer Platten dient, mittels einer Gummiwalze aufwalzt. Bei solchem Aufwalzen von Gelb auf Schwarz tritt der gr\u00fcne Charakter der Mischfarbe sofort ganz besonders dra-","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Gr\u00fcn\n359\nstisch zutage. Auch daf\u00fcr gebe ich zwei Proben (XIX und XX). Der Unterschied zwischen ihnen beruht darauf, dafs bei Nr. XIX gelbe Druckfarbe dreimal, bei Nr. XX dagegen nur einmal aufgewalzt wurde.\nAuch \u201e Kl exmaler ei\u201c f\u00fchrt zu dem Ergebnis Gelb + Schwarz = Gr\u00fcn.1 Und zwar tritt der gr\u00fcne Ton schon hervor, wTenn das Papier noch nicht soweit vom Auge entfernt ist, dafs das geometrische Muster der Flecke verschwindet. Es bleibe dahingestellt, ob das Ph\u00e4nomen durch Augenbewegungen zustandekommt, die dazu f\u00fchren m\u00fcssen, dafs dieselbe Stelle der Netzhaut bald durch Gelb gereizt wird, bald gar nicht, oder dadurch, dafs die physiologischen Prozesse sich durch Irradiation \u00fcberschneiden. Man kann die Klexmalerei auch dadurch ersetzen, dafs man gelbe und schwarze K\u00f6rner \u00fcber einer Fl\u00e4che chaotisch verstreut oder einen schwarzen bzw. gelben Schleier \u00fcber eine gelbe bzw. schwarze Unterlage ausbreitet (Nr. XXIII und XXIV).\nII. Mischung am Farbkreisei, mittels Spiegelfarbenmischapparats und im Stereoskop\nMit dem Ergebnis der Pigmentmischung stimmen die Ergebnisse am Farbkreisei \u00fcberein. W\u00e4hrend Blau und Gelb sich aufheben, erweisen sich Gelb und Schwarz nicht als Komplement\u00e4rfarben, vielmehr gibt die Mischung am Farbkreisei ebenfalls Gr\u00fcn und zwar ein Gr\u00fcn von der gleichen Art wie bei Pigmentmischung.\nJe satter das Gelb und je tiefer das Schwarz, desto deutlicher ist das Ergebnis. Noch besser als mit Farbaufstrichen operiert man deshalb mit L\u00f6schkarton (Filtrierkarton), den man mit der Farbstoffl\u00f6sung tr\u00e4nkt. Man erh\u00e4lt so besonders gut ges\u00e4ttigte T\u00f6ne.\nUm auch hinsichtlich des Schwarz, dessen Herstellung als Farbstoff bekanntlich grofse Schwierigkeiten macht, so dafs man bei st\u00e4rkerer Verd\u00fcnnung niemals ein auch bei der Durchsicht\n1 Von der Beigabe einer Tafel mufete ans Kostenr\u00fccksichten abgesehen werden. Man kann sie sich leicht selbst herstellen, indem man auf einem St\u00fcck kleinkarrierten Papiers die einzelnen Felder abwechselnd mit Gelb und Schwarz ausf\u00fcllt. In geh\u00f6riger Entfernung betrachtet, ersetzt das sehr gut eigentliche Klexmalerei, die im vorliegenden Fall ihre Schwierigkeiten hat, da zwischen den gelben und schwarzen Flecken keine andersfarbigen Stellen frei bleiben sollen.","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nT. K. Oesterreich\ntonfreies Grau erh\u00e4lt, sicher zu gehen, habe ich, statt schwarze Farbscheiben zu verwenden, den Farbkreisei in einen grofsen mit schwarzem Samt ausgeschlagenen Kasten, also eine Art Dunkeltonne gesetzt, so dafs die Farbscheibe dieselbe nach vom abschlofs. Aus den gelben Farbscheiben wurden Sektoren ausgeschnitten, so dafs die Mischung des Gelb statt mit einer schwarzen Farbscheibe mit dem Schwarz der Dunkeltonne stattfand, also dem besten Schwarz, das sich \u00fcberhaupt hersteilen l\u00e4fst. Das Ergebnis ist stets ein ganz unzweifelhaftes Gr\u00fcn.\nDafs es sich bei den angegebenen Versuchen um wirkliches Gr\u00fcn handelt, wird auch dadurch deutlich, dafs man es mit Rot neutralisieren kann. Bei einem Sektorenverh\u00e4ltnis von 500 Gelb, 600 Rot und 2500 Schwarz wird bei unseren Farbscheiben der Gr\u00fcnton ausgel\u00f6scht. L\u00e4fst man Rot weg und vermehrt statt seiner entsprechend die Sektoren Gelb und Schwarz, so erh\u00e4lt man Gr\u00fcn. Ferner ist das Nachbild zu dem neuen Gr\u00fcn ebenfalls von ausgesprochen rotem Charakter. (Aufser an farbigen Papieren kann man sich davon sehr leicht auch an Hand der weiter unten angegebenen Kisten Versuchsanordnung \u00fcberzeugen.)\nSchliefslich ergibt auch der Versuch am Spiegelfarbenmischapparat dasselbe Resultat: Gelb und Schwarz einen sich auch da zu Gr\u00fcn. Man tut gut, dabei durch Vorschaltung eines Kartons den direkten Anblick des Gelb f\u00fcr den Betrachter zu verdecken. Ferner kann man die Wahrnehmung des Mischgr\u00fcns noch dadurch erleichtern, dafs man ein St\u00fcck Gelb auch auf die andere Seite der Glasscheibe legt, wo sich Schwarz befindet, so dafs man beides, Gelb und Gr\u00fcn, nebeneinander sieht.\nUm auch in diesem Fall ein einwandfreies Schwarz zu erhalten, wurde die schwarze Fl\u00e4che hinter der Spiegelglasscheibe durch eine Dunkeltonne ersetzt. Man kann das in bequemer Weise in der Art machen, dais man einen W\u00fcrfel aus weifsem Karton von ca. 10 cm Seitenl\u00e4nge innen mit schwarzem Samt auskleidet und auf der Oberseite einen Kreis von 5 cm Durchmesser ausscheidet. Der weifse Karton l\u00e4fst durch Kontrast das Schwarz noch besonders tief erscheinen und wirkt auch als Umgebung der Spiegelmischfarbe recht g\u00fcnstig f\u00fcr die Beobachtung. Man kann ihn\nauch leicht durch einen grauen oder andersfarbigen Karton ersetzen.","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Gr\u00fcn\n361\nFerner erh\u00e4lt man auch bei stereoskopischen Versuchen, wenn man dem einen Auge Gelb und dem anderen Schwarz zu-f\u00fchrt, eine Vereinigung zu Gr\u00fcn.\nIII. Versuche zum Erweis des rein psychophysiologischen\nCharakters des \u201ezweiten Gr\u00fcn\u201c\nIch habe mir die Frage vorgelegt, ob diese Gr\u00fcnph\u00e4nomene nicht irgendeine einfache physikalische Erkl\u00e4rung zulassen, so dafs es sich dann nicht eigentlich um eine neue psychophysiologische Tatsache handeln w\u00fcrde. Der Gedanke liegt nahe, dafs bei der Mischung gelben und schwarzen Pigmentes \u2014 welch letzteres sich im Spektroskop als auch rote und gr\u00fcne Wellen reflektierend erweist \u2014 die roten Strahlen des gelben Pigmentes irgendwie abgefangen werden, so dafs dann die bisher durch sie physiologisch kompensierten gr\u00fcnen Strahlen hervortreten.1 Aber von physikalischer Seite wird mir das auf Anfrage als unm\u00f6glich bezeichnet. Jede Vermischung mit schwarzem Pigment k\u00f6nne physikalisch nur eine Intensit\u00e4tsverminderung des gelben Lichtes zur Folge haben. Auch versagt jene Vermutung schon f\u00fcr den Laien augenscheinlich gegen\u00fcber dem Versuch der Mischung des Gelb des Farbkreiseis mit dem Schwarz der Dunkeltonne. Hier handelt es sich physikalisch doch nur darum, dafs gelbe Papiersektoren vor einem \u00fcberhaupt keine Wellen aussendenden Hintergrund rotieren. Es ist nicht einzusehen, wie dadurch die roten Wellen, welche das Papier reflektiert, abgeschirmt werden k\u00f6nnten.\nUm absolute Sicherheit zu gewinnen, wurden jedoch noch andere Versuche erdacht.\nIch ging dabei aus von der Frage, was aus Gelb wird, wenn man die Lichtst\u00e4rke immer mehr abnehmen l\u00e4fst. Nach der von Beentano entwickelten2, wie mir scheint, allzu wenig beachteten Farbenlehre h\u00e4tten wir es dabei ja lediglich mit einer Vermehrung der Schwarzpunkte zu tun, also letzten Endes ebenfalls mit einer Mischung von Gelb und Schwarz. Tritt auch hier\nGr\u00fcn auf ?\nIn der Tat ist es so. Bei Verminderung des Lichtes oder \u2014\n1\tDies ist die Deutung Ostwalds in seiner Physikalischen Farbenlehre S. 122. \u2014 Tn der Farbenfibel (S. 25) spricht er von rUrteilst\u00e4uschung\u201c (!).\n2\tUntersuchungen zur Sinnespsychologie, Leipzig 1907.","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nT. K. Oesterreich\nwas damit identisch ist \u2014 bei zunehmender Beschattung wird aus der gelben Ausgangsfarbe tats\u00e4chlich Gr\u00fcn.\nAm leichtesten sieht man das bei folgendem h\u00f6chst einfachen Versuch. Man nehme eine kleinere Kiste etwa von der Dimension 40 X 25 X 20 cm, kleide sie innen mit neutralem Papier aus und stelle sie auf einen Tisch aufrecht, die offene Seite dem Lichte zugewandt. Auf dem Boden der Kiste befestige man einen grofsen gelben Bogen. Alsdann nehme man einen weifsen oder grauen Karton von der Gr\u00f6fse 40 X 20 cm, so dafs er, vor die Kiste gestellt, dieselbe gut zudeckt. In der Mitte desselben schneide man ein viereckiges, etwa 3 X 3 cm grofses Loch aus. H\u00e4lt man nun den Karton vor die Kiste, so sieht man, wenn man ihn oben entsprechend weit nach vorn biegt, so dafs das Licht gut in die Kiste eindringen kann, durch das Loch reines Gelb. Biegt man dann allm\u00e4hlich den oberen Teil des Kartons zur\u00fcck, so dafs immer weniger Licht in die Kiste einf\u00e4llt, so sieht man deutlich das Gelb sich immer mehr in Gr\u00fcn verf\u00e4rben.\nEs ist zweckm\u00e4fsig, sich bei dem Versuch von vornherein so einzustellen, dafs man das Gelb nicht \u201ehinter\u201c dem Karton sieht, sondern in einer Ebene mit demselben, was unschwer gelingt. Der Versuch wirkt besonders eindrucksvoll, wenn er bei bestem Licht unter freiem Himmel angestellt wird. Es ist nicht der geringste Zweifel m\u00f6glich, dals man wirklich Gr\u00fcn sieht.1\n1 Unbegreiflich ist mir, dafs E. Hering (Grundz\u00fcge der Lehre vom Lichtsinn, Handbuch der gesamten Augenheilkunde, 2. Aufl., Berlin 1925, 3. Bd. S. 56) von einem ganz \u00e4hnlichen Versuch, in welchem durch eine Dunkelr\u00f6hre eine um eine horizontale Achse drehbare Gelbfl\u00e4che in verschiedener Lage, also unter verschiedener Beleuchtungsst\u00e4rke betrachtet wird, schreiben kann: \u201eEin in oben beschriebener Weise durch die Dunkelr\u00f6hre gesehenes gelbes Pigmentfeld kann durch blofse Abschw\u00e4chung der Beleuchtung nie in Braun verwandelt werden; es wird dabei vielmehr immer weifslicher, verliert weiterhin seine Gilbe vollst\u00e4ndig und unterscheidet sich dann von seiner Umgebung nur noch durch seine etwas gr\u00f6fsere Weifslichkeit. Das f\u00fcr das Braun charakteristische Merkmal, n\u00e4mlich die Schw\u00e4rze, kommt auf diese Whise nie neben dem gelben Merkmal (dem Farbenton) deutlich zum Vorschein.\u201c An diesen Bemerkungen ist alles richtig, was sich auf Braun bezieht, das \u00fcbrige kann weder ich noch irgendeine meiner Vpn. best\u00e4tigen. Entweder ist Hering infolge einseitiger Einstellung auf das Helligkeitsmoment nicht auf die Verwandlung der Gelbqualit\u00e4t in gr\u00fcn aufmerksam geworden oder er hat durch ein zu kleines Loch beobachtet. Man erh\u00e4lt selbstverst\u00e4ndlich auch bei dieser Versuchsanordnung ausgesprochenes Gr\u00fcn.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Gr\u00fcn\n363\nAuch in diesem Fall kann man sich nicht vorstellen, wie etwa die vom gelben Papier mit reflektierten roten Strahlen abgefangen werden sollten, so dafs die gr\u00fcnen hervortreten.\nEin anderer Versuch ist dieser: man h\u00e4nge grofse gelbe Bogen in einem Raum auf und betrete ihn dann in der D\u00e4mmerung bei schlechtem Licht. Man wird \u00fcber das sch\u00f6ne Gr\u00fcn, das man dann sieht, \u00fcberrascht sein.\nDas Verschwinden des reinen Gelb bei schlechter Beleuchtung macht sich manchmal recht unangenehm bemerkbar. Als ich gelegentlich zur Demonstration f\u00fcr einen Physiker an einem dunklen Tage einige Versuche vorbereiten liefs, fiel es uns sehr unangenehm auf, dafs selbst im Hofe unter freiem Himmel unsere gelben Farbscheiben einen ausgesprochen gr\u00fcnlichen Ton hatten. Es erwies sich an diesem Tage \u00fcberhaupt unm\u00f6glich, wirkliches Gelb zu sehen.\nEs fragt sich nun aber, von welcher psychophysiologischen Natur das Ph\u00e4nomen eigentlich ist.\nDie mit den herrschenden Anschauungen am meisten vertr\u00e4gliche Interpretation w\u00e4re zu sagen, dafs sich bei grofser Intensit\u00e4tsverminderung einer gelben Pigmentfarbe schliefslich die Tatsache geltend machen m\u00fcsse, dafs wir f\u00fcr schwache Gr\u00fcnreize in h\u00f6herem Mafse empf\u00e4nglich sind als f\u00fcr rote Wellen (im intensit\u00e4tsschwachen Spektrum verk\u00fcrzt sich Rot deutlich), so dafs dann das im Pigmentgelb mitenthaltene Gr\u00fcn hervortreten m\u00fcsse, obwohl die roten Wellen jetzt nicht abgeschirmt, sondern ebenfalls noch vorhanden sind, infolge ihrer Schw\u00e4che verm\u00f6chten sie aber physiologisch die gr\u00fcnen Wellen nicht mehr zu kompensieren.\nAn dieser Deutung ist wahrscheinlich etwas Richtiges. Wie weit sie sekund\u00e4r mit in Betracht kommt, vermag ich mit den mir verf\u00fcgbaren Mitteln nicht festzustellen, da die physikalische Intensit\u00e4t der verschiedenen Wellenl\u00e4ngen dabei zun\u00e4chst einmal auf nichtoptischem Wege bestimmt werden rn\u00fcfste.\nEs handelt sich jedoch, wie sich sogleich zeigen wird, dabei auf jeden Fall nur um ein sekund\u00e4res Moment, denn das Gr\u00fcnwerden des Gelb tritt auch auf, wenn die Bedingungen, welche diese Deutung des Ph\u00e4nomens voraussetzt, nicht erf\u00fcllt sind.\nAuch spektralreines Gelb wird n\u00e4mlich bei ausreichender Intensit\u00e4tsherabsetzung gr\u00fcn.","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nT. K. Oesterreich\nDie in der Literatur1 herrschende Auffassung, dafs abgeschw\u00e4chtes Gelb Braun ergibt, ist irrig.\nMan nehme ein gutes Spektralphotometer2 und stelle Gelb ein, am einfachsten bei gutem Tageslicht. Wenn man dann den einen Spalt immer enger macht bis zur v\u00f6lligen Schliefsung, so sieht man mit nicht zu \u00fcberbietender Deutlichkeit, wie sich das zugeh\u00f6rige Gelb immer mehr in die \u201ezweite Art Gr\u00fcn\u201c verwandelt. Dieser Versuch erweist den rein psychophysiologischen Charakter des \u201ezweiten Gr\u00fcn\u201c wohl einwandfrei, denn es ist schlechterdings nicht einzusehen, wie die blofse Verminderung der Lichtzufuhr die Wellenl\u00e4ngen \u00e4ndern k\u00f6nnte, denn aufser der Verengerung des einen Spaltes wurde \u00fcberhaupt keine \u00c4nderung an der Einstellung des Apparates vorgenommen. Das Okularrohr bleibt dauernd auf dieselbe Wellenl\u00e4nge gerichtet. Die Schw\u00e4chung der Intensit\u00e4t durch blofse Verengerung des Spaltes ist allerdings physikalisch nicht ganz korrekt, doch kommt dies Fehlermoment praktisch nicht in Betracht, da die Gr\u00fcnf\u00e4rbung erst bei so engem Spalt auftritt, wie er physikalisch ohnehin zul\u00e4ssig ist. Ferner tritt sie auch auf, wenn man die Lichtabschw\u00e4chung auf korrektem Wege durch Einschaltung von Mattglasplatten oder \u2014 bei k\u00fcnstlichem Licht \u2014 durch gr\u00f6fsere Entfernung der Lichtquelle vornimmt.\nUm ganz sicher zu gehen, kann man das in den Spalt des\n1\tSie findet sich z. B. auch bei A. Kirschmann, in: Psychologische Optik, im Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden Abt. VI, Teil A, S. 828. \u2014 Auch in der Arbeit von L. Janicki und E. Lau, \u00dcber die Abh\u00e4ngigkeit der Farbe von der Intensit\u00e4t, Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 57, 1926, S. 298f. herrscht diese Meinung. Obwohl ich ungez\u00e4hlte Versuche angestellt habe, konnte ich mich beim wirklichen Gelb niemals dieser Ansicht anschliefsen. Erst wenn man weiter ins Rote hineinkommt, ist es so, obwohl bei den dem Gelb n\u00e4her liegenden Teilen des Orange bei weiterer Verdunkelung sich ebenfalls ein gr\u00fcner Ton einstellt. Die weite Verbreitung der Lehre von der Abwandlung des Gelb von Braun l\u00e4fst die Frage auf-tanchen, ob hier nicht vielleicht h\u00e4ufig individuelle Anomalien vorliegen. Eine starke Fehlerquelle ist \u00fcbrigens in leichten Kopfbewegungen am Spektralphotometer gegeben, die gerade beim Gelb wegen der Schmalheit dieser Zone besonders verh\u00e4ngnisvoll sind.\n2\tMir selbst stand ein Spektralphotometer der Askaniawerke (Berlin) zur Verf\u00fcgung, das die Firma mir aus Anlafs der Schaffung des Psychologischen Lehrapparates an der Universit\u00e4t T\u00fcbingen in h\u00f6chst anerkennenswerter Weise als Stiftung zur Verf\u00fcgung gestellt hat.","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Gr\u00fcn\n365\nSpektralphotometers einfallende Licht selbst wieder einem darauf projizierten Spektrum entnehmen.\nDas Gr\u00fcnwerden des Gelb erfolgt auch, wenn man den zweiten Spalt des Spektralphotometers von vornherein ganz schliefst, doch ist es dann viel schwerer zu beobachten. Im Kontrast mit dem unver\u00e4nderten Gelb daneben tritt das Ph\u00e4nomen viel deutlicher hervor. (Diese Tatsache stellt im Zusammenh\u00e4nge mit verwandten anderen Ph\u00e4nomenen ein noch ungen\u00fcgend untersuchtes eigenes Problem dar.)\nMan kann ferner auch unter eventueller Abblendung der \u00fcbrigen Teile des Spektrums, das man durch einen Projektionsapparat entwerfen kann, das Gelb desselben, statt auf rein weifsen Hintergrund, auf graues Papier fallen lassen. Auch in diesem Falle bemerkt man deutlich einen gr\u00fcnen Ton. Ich habe diesen Versuch aber nicht weiter verfolgt, da mir st\u00e4rkere Lichtquellen als 500 Watt daf\u00fcr nicht verf\u00fcgbar sind.\nEs war meine Absicht, auch noch folgende Versuchsanordnung zu treffen. Ich gedachte eine weifse Sektorenstufenscheibe auf dem vor der Dunkeltonne stehenden Farbkreisei durch einen Projektionsapparat, vor dem ein Gelbfilter angebracht werden sollte, mit monochromatischem Gelb zu beleuchten. Die Ausf\u00fchrung des Versuchs erwies sich jedoch technisch als mit grofsen Schwierigkeiten behaftet. Sie liegen in der Erzielung ausreichender monochromatischer Gelblichtst\u00e4rke. Das einzige Gelbfilter, das einem reinen Gelbfilter1 ausreichend nahekommt, das sog. Natriumfilter Nr. 2071 der Lifafilterfabrik, ist so dicht, dafs man \u00e4ufserst hochwertige Lichtquellen n\u00f6tig h\u00e4tte, wie sie mir aus mehrfachen Gr\u00fcnden nicht anwendbar waren.\nImmerhin liefs sich auch an diesem Filter die Richtigkeit der in der vorliegenden Arbeit vertretenen Auffassung best\u00e4tigen. H\u00e4lt man das Filter n\u00e4mlich gegen den Himmel, so sieht es deutlich gr\u00fcn aus. Wir dachten deshalb im ersten Augenblick nicht eben hoch von diesem \u201eGelbfilter\u201c. Sahen wir dann aber direkt gegen die Sonne \u2014 das Filter ist so dicht, dafs das m\u00f6glich\n1 Das im \u201eLifahandbuch\u201c ebenfalls als Gelbfilter bezeichnete Filter Nr. 394 der Lifafilterfabrik (Augsburg B 35) reicht von 560\u2014585 fifi und enth\u00e4lt bereits deutlich rotes und gr\u00fcnes Licht. Der Katalog der Wratten-Filter (Eastman Kodak Company, Berlin: Wratten Light Filters, Rochester New York 1925) weist kein ganz gleichwertiges Gelbfilter auf. Die f\u00fcr Selbstherstellung von Filtern ver\u00f6ffentlichten Rezepte sind vollends unzureichend.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nT. K. Oester reich\nist _ so erschien die Sonne sehr sch\u00f6n gelb, ihre weitere Umgebung dagegen blieb gr\u00fcn. Das stimmt nun vollkommen zur Theorie, denn bei hinreichend geringem Lichtdurchgang mufs das Gelb sich danach ja in Gr\u00fcn verwandeln. Die scheinbare Unvollkommenheit des Gelbfilters ist also im Grunde gerade ein Beweis seiner G\u00fcte.\nIch habe mir angesichts der Versagens der Filter f\u00fcr meine Farbe zu helfen versucht, indem ich ein breites Spektrum auf den vor der Dunkeltonne stehenden, mit einer weifsen Stufenscheibe versehenen Farbkreisei projizierte. Auch dabei war eine gr\u00fcnliche F\u00e4rbung w\u00e4hrend der Rotation bemerkbar. Der weitere Ausbau dieser Versuchsweise scheiterte ebenfalls an der vorl\u00e4ufig f\u00fcr mich bestehenden Unm\u00f6glichkeit mit sehr hochkerzigen Lampen zu arbeiten.\nMit der Tatsache, dafs eine gemischte Erregung des Gelbund Schwarzprozesses im Sehorgan als Resultat Gr\u00fcn ergibt, steht es wohl auch im Zusammenhang, dafs man bei l\u00e4ngerem Hineinblicken in das auf Gelb eingestellte Spektralphotometer schliefslich nicht mehr reines Gelb sieht, sondern dafs dasselbe dann einen deutlichen Stich ins Gr\u00fcne annimmt. Es d\u00fcrfte wohl entweder Irradiation der ringsherum vorhandenen Schwarzprozesse oder aber leichte i^ugenbewegungen, bei denen dann die Gelbwellen auf eine noch etwas \u201eschwarzerregte\u201c Partie der Netzhaut fallen, die Ursache sein. Auch das gr\u00fcne Aussehen der \u00fcber eine schwarze Fl\u00e4che laufenden F\u00e4den im Schleierversuch Nr. XXIV erkl\u00e4rt sich so.\nIY. Versuche mit Natrium- und Quecksilberlicht\nSchliefslich wurden zur Kontrolle noch eine Anzahl von Versuchen unter strengsten monochromatischen Bedingungen angestellt. Da brauchbare Gelbfilter nicht existieren, ging ich zur Natriumflamme (im Dunkelzimmer) \u00fcber, bei der ich freilich den Eindruck habe, dafs sie nicht mehr an der Stelle des reinsten Gelb, sondern bereits etwas nach dem Orange zu gelegen ist. Auch unter diesen Umst\u00e4nden wurden von meinen s\u00e4mtlichen Versuchspersonen Gr\u00fcnph\u00e4nomene beobachtet. Gleich auf den ersten Blick bemerkt man die deutliche Gr\u00fcnf\u00e4rbung der H\u00e4nde und Gesichter der anwesenden Personen. Aber dabei bleibt es nicht.","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Gr\u00fcn\n367\nAls besonders auffallend wurde mehrfach folgender Versuch bezeichnet. Vor Natriumlicht wurde in etwa 20 cm Entfernung eine Mattglasscheibe (etwa 40 X 30 cm) gebracht. Ober dieselbe wurden eine Anzahl ziemlich lichtdurchscheinende, sich gegenseitig streifenweise \u00fcberdeckende Schreibpapierbogen geh\u00e4ngt, so dafs eine Art grofsen \u201eStufengraukeils\u201c entstand. Man tut gut, dicht davor noch einen grofsen schwarzen Karton mit einer \u00d6ffnung (ca. 30 X 25 cm) zu setzen. Betrachtete man nun die im Ausschnitt sichtbaren Farbt\u00f6ne, so wurden deutlich gr\u00fcne T\u00f6ne gesehen.\nEbenso f\u00e4rbte sich eine weifse Stufenscheibe eines vor die Dunkeltonne gesetzten Farbkreiseis bei der Rotation im Natriumlicht gr\u00fcn.\nFerner wurde ein weifser Schirm in der N\u00e4he der Natriumflamme aufgestellt. Drehte man denselben von der Flamme ab, so zeigte sich auch auf ihm bei einem gewissen Sinken der Intensit\u00e4t der Beleuchtung Gr\u00fcn. Die Wahrnehmung aller dieser Ph\u00e4nomene wird erleichtert, wenn man nicht immer am selben Fleck stehen bleibt, sondern die Stellung und die Entfernung vom Objekt wechselt.\nAuch bei Spiegelscheibenmischungsversuchen kann man gr\u00fcne T\u00f6ne sehen. Im Zusammenh\u00e4nge damit zeigte sich der Olivton (doch ohne das zum eigentlichen Oliv geh\u00f6rige Rotmoment) als besonders deutlich wahrnehmbar auf schwarzem Samt, wenn man ihn mit einer kleinen Dunkeltonne verglich und besonders auf leichte Falten achtete. Gerade an den letzten wurde die Gr\u00fcnf\u00e4rbung zuerst spontan von einer Versuchsperson bemerkt.\nSchliefslich kann das Olivwerden des Gelb der Natriumflamme auch wahrgenommen werden am Spektralphotometer, ebenso am gew\u00f6hnlichen Photometer, wenn man beiden Rohren Natriumlicht zuf\u00fchrt und das eine abdunkelt, letzten Endes aber auch im gew\u00f6hnlichen Spektroskop, wofern man dieses entsprechend weit von der Flamme abwendet, so dafs die Intensit\u00e4t ausreichend sinkt. Man tut dabei gut, den Spalt so weit zu \u00f6ffnen, dafs das Gelb nicht mehr als eine schmale Linie erscheint. Da \u00fcberhaupt nur Natriumlicht vorhanden ist, ist das Verfahren ja unbedenklich.\nIch habe jedoch den Eindruck, dafs die Olivf\u00e4rbung bei Natriumlicht im Spektralapparat schwerer erkennbar ist, als wenn man das Gelb dem Sonnenlicht entnimmt, wobei man noch","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nT. K. Oesterreich\nreineres Gelb zur Verf\u00fcgung hat. Es d\u00fcrfte sich damit ganz ebenso verhalten wie mit den Farbkreiseiversuchen, wo jede Ersetzung des reinsten Gelb durch ein mehr zum Orange neigendes sogleich das Gr\u00fcnph\u00e4nomen weniger deutlich macht.\nDiese Vermutung wird unterst\u00fctzt durch einen neuesten Versuch, bei dem ich das Natriumlicht durch die gelben Linien der Quecksilberlampe1 ersetzte. Stellt man das Spektralphotometer auf die gelben Quecksilberlinien ein, und dunkelt das eine Feld ab, so ist die Olivf\u00e4rbung noch deutlicher als beim Natriumlicht. Das Gelb des Quecksilbers liegt weiter vom Rot ab als die Natriumlinie.\nSehr deutlich bemerkt man den gr\u00fcnen Farbton auch, wenn man ein Spektroskop, eventuell unter Einschieben einer mit einem Spalt versehenen Pappscheibe in den Okulareinsatz, so einstellt, dafs zwar auch nur die gelben Linien sichtbar werden, daFs sie aber gleichzeitig auf beiden Seiten von einem ebenfalls von ihnen herr\u00fchrenden viel schw\u00e4cheren Lichthof umgeben sind. Die gr\u00fcne F\u00e4rbung dieses schwachen Lichthofes ist ganz unverkennbar.\nEs braucht nicht erst noch hervorgehoben zu werden, dafs\n\u2022 \u2022\n\u00dcbung im Erkennen von Farbnuancen sich auch bei allen diesen Versuchen im monochromatisch erhellten Dnnkelraum geltend macht.2\nDa das Erkennen von Farbqualit\u00e4ten im monochromatischen Raum \u2014 monochromatisch im physikalischen Sinne ! \u2014 schwer ist, traf ich noch eine weitere Ab\u00e4nderung des \u201eStufengraukeilversuchs\u201c, die sich ganz aufserordentlich bew\u00e4hrte und in ihrem Erfolge meine eigenen Erwartungen \u00fcbertraf.\nAuf einen dicht am Fenster des Verdunkelungszimmers stehenden Tisch wurde ein St\u00fcck Mannesmannrohr gelegt von etwa 30 cm Durchmesser und 40 cm L\u00e4nge, senkrecht zum Fenster.\nUngef\u00e4hr konzentrisch wurde in dieses Rohr ein Messingrohr (Durchmesser ca. 7 cm) eingef\u00fcgt, dessen dem Fenster zugekehrtes Ende durch ein Loch der Verdunkelungsvorrichtung hindurchgef\u00fchrt wurde, so dafs das Tageslicht durch das Rohr eindringen konnte.\n1\tEin Geschenk der Firma W. C. Heraeus in Hanau.\n2\tEine Serie von Untersuchungen \u00fcber Wahrnehmung in monochromatischem Lichte (Rot, Gelb usw.) ist bereits in Angriff genommen.","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Gr\u00fcn\n369\nIn dem Mannesmannrohr wurde nun eine Natriumflamme entz\u00fcndet und vor beiden Rohrenden, die in eine Ebene miteinander gebracht waren, eine dicht an sie anschliefsende Milchglasscheibe aufgestellt, deren matte Seite zwecks Vermeidung von Lichtzerstreuung dem Fenster zugekehrt war.\nAuf diese Weise hatte man einen vom eindringenden Tageslicht erhellten weifsen inneren Kreis und um ihn herum einen vom Natriumlicht beleuchteten, breiten \u00e4ufseren Kreisring. Im \u00fcbrigen war das Zimmer dunkel.\nAuf diese Weise war es gelungen, ohne im Dunkelraum selbst Licht zu entz\u00fcnden, eine weifse Vergleichsfarbe neben das gelbe Natriumfeld zu bringen. Durch Einschieben von bunten Seidenpapier- oder bunten Gelatinest\u00fccken in das weifse Tageslichtfeld (mittels leichtem Aufkleben auf die Mattscheibe) konnten wir auch noch bunte Vergleichsfarben neben dem gelben Natriumlichtring erzeugen. (N\u00f6tigenfalls mufs man bei zu hellem Tageslicht das weifse Feld noch durch vorgelegtes weifses Papier gen\u00fcgend abschw\u00e4chen.) Alsdann wurden wieder sich teilweise deckende weifse Papierbl\u00e4tter \u00fcber den Natriumlichtring geh\u00e4ngt.\nDie Wirkung dieser Versuchsanordnung ist h\u00f6chst frappant. Die olivgr\u00fcnen Farbt\u00f6ne auf der Mattscheibe werden so sofort mit gr\u00f6fster Leichtigkeit erkannt.\nEs ist selbstverst\u00e4ndlich, dafs man daf\u00fcr Sorge tragen wird, dafs der weifse Kreis auf der Mattscheibe nur so hell ist, dafs er Vergleichsfarben erm\u00f6glicht.\nUm ganz sicher zu gehen, dafs das Natriumlichtfeld nicht durch diffuses Tageslicht beeintr\u00e4chtigt wird, kann man das Weifsfeld auch noch mit einem aufgesetzten zylindrischen Pappschirm umgeben oder besser noch das Messingrohr ein St\u00fcck durch die Mattscheibe hindurchf\u00fchren und innen mit einer eigenen Mattscheibe schliefsen, so dafs dann Weifsfeld und Natriumlichtfeld gegeneinander abgeschlossen sind. Was dann noch an reflektiertem Licht auf das Gelbfeld gelangt, wird man nicht ernsthaft gegen das Versuchsergebnis geltend machen k\u00f6nnen.\nEin weiterer Versuch ist dieser: In der T\u00fcr zwischen Dunkelzimmer und Tageslichtzimmer wurde ein grofser Pappschirm aufgestellt, der einen senkrechten Ausschnitt von ca. 10 cm L\u00e4nge und 0,75 cm Breite hatte, welcher seinerseits mit durchscheinendem weifsen Schreibpapier bedeckt war. Im Dunkelzimmer stand hinter dem Pappschirm auf einem Tisch eine Dunkelkiste","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nT. K. Oesterreich\nund in ihr ein Farbkreisei. In einiger Entfernung dahinter befand sich ein Projektionsapparat, der auf der Kiste vermittels eines Prismas ein objektives Spektrum erzeugte. In der Kiste waren auf der Vorder- und R\u00fcckseite gerade gegen\u00fcber dem Einschnitt im Pappschirm ebenfalls Spalte angebracht, so dafs ein schmaler Streifen des Spektrums gerade auf das durchscheinende Schreibpapier im Pappschirm fiel. Auf diese Weise war es m\u00f6glich reine Spektralfarben, die nur mit darauffallendem weifsen Licht gemischt sind, auch im Tageslichtzimmer zu beobachten und mit dagegen gehaltenen farbigen Papierbl\u00e4ttern zu vergleichen. Setzte man nun auf den Farbkreisei eine mit einem oder mehreren Sektoreneinschnitten versehene Scheibe und liefs rotieren, so war es m\u00f6glich die bei der so erzielten Lichtabschw\u00e4chung auf dem durchscheinenden Schreibpapierstreifen auftretenden I arb\u00e4nde-rungen auch bei Tageslicht zu studieren. Da ich vorl\u00e4ufig, wie schon erw\u00e4hnt, nicht \u00fcber sehr starke Lichtquellen verf\u00fcge, war es freilich notwendig, auch im Tageslichtzimmer die Verdunkelungs-jalousieen teilweise herabzulassen. Auch bei dieser Versuchsanordnung ergab sich zweifelsfrei, dafs sowohl Gelb wie Orange bei einer gewissen Herabsetzung der Intensit\u00e4t zu Gr\u00fcn wird.\nLiefsen wir das Spektrum in der Weise auf den Spalt auffallen, dafs der durchscheinende Schreibpapierstreifen in seiner linken H\u00e4lfte gelb, in seiner rechten H\u00e4lfte dagegen bereits r\u00f6tlich gef\u00e4rbt war und setzten nun auf den Farbkreisei zwei Scheiben auf, von denen die untere einen Sektorausschnitt von ca. 10 Grad, die gr\u00f6fsere Scheibe einen solchen von ca. 20 Grad hatte, wobei die Scheibengr\u00f6fsen so gew\u00e4hlt waren, dafs sie nur etwa 2/3 des Schreibpapierfensters bedeckten, so zeigte sich, sobald der Kreisel rotierte, dafs nunmehr am unteren Ende des durchscheinenden Farbstreifens das Gr\u00fcn nahezu bis in die rechte Ecke reichte, w\u00e4hrend in der linken oberen Ecke nat\u00fcrlich nach wie vor Gelb vorhanden war. Grob ausgedr\u00fcckt; das Farbrechteck schien durch eine von links oben nach rechts unten laufende Diagonale in zwei Dreiecke geteilt zu sein, von denen das linke mit Gr\u00fcn erf\u00fcllt war.\nStatt das Gelb dem Spektrum zu entnehmen, kann man nat\u00fcrlich auch vom Dunkelzimmer aus mit Natriumlicht belichten. Den Versuch auch mit der Quecksilberlampe durchzuf\u00fchren war mir bisher nicht m\u00f6glich, da dieselbe zu grofs ist, um sich in den verf\u00fcgbaren Projektionsapparat einstellen zu lassen. Da sie","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Gr\u00fcn\n371\nnicht nur gelbes Licht ausstrahlt, ist die Verwendung des Prismas ja unumg\u00e4nglich.\nDiese Art der Erm\u00f6glichung der Nebeneinanderdarbietung von durchscheinenden Spektralfarben und gew\u00f6hnlichen unter auffallendem Tageslicht stehenden Pigmentfarben erweist sich als \u00e4ufserst zweckm\u00e4fsig f\u00fcr das genauere Studium des Verhaltens der Spektralfarben.\nY. Die theoretische Stellung des \u201ezweiten Gr\u00fcn\u201c\nWir kommen nun zu den theoretischen Folgerungen, welche sich aus den dargelegten Beobachtungstatsachen ergeben.\nHervorgehoben wurde bereits, dafs der \u00dcbergang vom reinen Gelb zum reinen Schwarz durch v\u00f6llig unerwartete Farbt\u00f6ne, eben durch Gr\u00fcn erfolgt.\nGanz konsequent und r\u00fccksichtslos ausgedr\u00fcckt m\u00fcfste gesagt werden: es gibt \u00fcberhaupt kein Gelbschwarz und kein Schwarzgelb in dem Sinne, wie es etwa Blaugr\u00fcn oder Gr\u00fcnblau als Zwischenfarben zwischen Blau und Gr\u00fcn gibt, sondern statt Gelbschwarz tritt etwas ganz anderes, n\u00e4mlich Gr\u00fcn, auf. Dort wo das Farbenoktaeder oder jeder andere Farbk\u00f6rper Schwarz-Gelb erfordert, ist in der Wirklichkeit Gr\u00fcn vorhanden.\nMan k\u00f6nnte nun freilich ein wenden, dafs der Umstand, dafs man weder bei Mischung der Pigmente, noch durch Klexmalerei, noch am Farbkreisei Schwarz-Gelb hersteilen kann, noch keinen absoluten Beweis daf\u00fcr darstelle, dafs es \u00fcberhaupt nicht existiert. Aber wie in aller Welt soll man es erzeugen, wenn nicht auf jene Arten. Auch in Ostwalds Farbenatlas gibt es kein Schwarz-Gelb.\nIst das Fehlen von Schwarz-Gelb nun eigentlich blofs in einem Mangel unseres Sinnesorgans begr\u00fcndet oder ist es eine in der Struktur der Gegenstandsschicht, die wir Farben nennen, gelegene Tatsache?\nIch m\u00f6chte das erste glauben. Rein begrifflich kann man sich eine Gelb \u2014 Schwarz = Reihe recht gut denken. Es w\u00e4re eben eine Farbenreihe, die vom reinsten Gelb zum tiefsten Schwarz ohne \u00dcbergang in einen neuen dritten, den gr\u00fcnen Farbenton f\u00fchren w\u00fcrde, genau sowie es bei anderen Farben solche Reihen gibt. W\u00fcrden uns solche Farbt\u00f6ne in der Wirklichkeit begegnen, so w\u00fcfsten wir sie ohne weiteres im allgemeinen Farbenschema unterzubringen.\nZeitsehr. f. Sinnesphysiol. 59\n26","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nT. K. Oesterreich\nWenn wir solche Farbent\u00f6ne nicht mit den Augen sehen, so hat das seine Ursache deshalb nicht darin, dafs sie in der Gegenstandsschicht, die wir Farben nennen, fehlen, sondern offenbar andere, vermutlich physiologische Gr\u00fcnde. Es erscheint denkbar, dafs es andere Organismen gibt, die auf Grund anderer physiologischer Einrichtungen das Schwarzgelb kennen. F\u00fcr uns dagegen besteht im idealen Farbenk\u00f6rper hier einfach eine L\u00fccke, wenn wir die betreffende Gegend in ihm nicht blofs rein abstrakt charakterisieren, sondern mit anschaulichem Gehalt auszuf\u00fcllen suchen. Wir k\u00f6nnen, scheint es, eben auf keine Weise die erforderlichen Farben praktisch hersteilen. \u2014\nDas Gr\u00fcn, das man durch Mischung von Gelb und Schwarz erh\u00e4lt, ist zwar ein wirkliches Gr\u00fcn, aber nicht dasselbe Gr\u00fcn, welches man aus Gelb und Blau erh\u00e4lt (vgl. die Farbenproben XXI und XXII). Wir haben es hier mit einer zweiten Art Gr\u00fcn zu tun, \u2014eine offenbar theoretisch \u00e4ulserst belangvolle Tatsache.\nDieses Auseinanderfallen von idealer Farbmannigfaltigkeit und konkreter Farbengegebenheit ist bereits h\u00f6chst merkw\u00fcrdig. Der Sachverhalt wird aber dadurch noch merkw\u00fcrdiger, dafs wir in dem bisherigen idealen Farbk\u00f6rper das \u201ezweite Gr\u00fcn\u201c \u00fcberhaupt nicht unterzubringen imstande sind. Mit dem gew\u00f6hnlichen Blau -j-Gelb \u2014 Gr\u00fcn ist es nicht identisch. An anderer Stelle ist im idealen Farbk\u00f6rper der uns bekannten Farben aber kein Platz f\u00fcr Gr\u00fcn. Stellen wir es (wie z. B. Ostwald es tut) in die Gegend zwischen Gelb und Schwarz, so ist das lediglich bedingt durch die Art, wie wir es praktisch anfertigen. An sich ist es hier deplaziert.1\nDen hier entwickelten Einsichten kam am n\u00e4chsten bereits Hering, als er sich mit der qualitativen Verschiedenheit des\n1 Anmerkungsweise sei noch auf einen weiteren schwachen Punkt der gew\u00f6hnlichen Farbenlehren hingewiesen. Dieselben behandeln bekanntlich, ohne es freilich meist klar auszusprechen, die Spektralfarben als einen geschlossenen Kreis, auch in den sog. Farbk\u00f6rpern erscheinen sie als ein solcher. Ich empfehle, daraufhin einmal das rote und das Purpurende eines Spektrums etwas genauer anzusehen. Dieselben sind durch eine Kluft getrennt. Es w\u00e4re f\u00fcr die Farbentheorien wenig erfreulich, wenn man die verf\u00e4ngliche Frage aufwerfen w\u00fcrde, wie sie in ihrem Schema diese L\u00fccke eigentlich ausf\u00fcllen. Die Methode der Mischung der beiden Enden des Spektrums ist ersichtlich ein Gewaltakt. Er erm\u00f6glicht keinen wahrhaft kontinuierlichen \u00dcbergang zwischen ihnen und vernichtet die Endfarben.","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Gr\u00fcn\n373\nSpektrums bei verschiedenartiger Helligkeit desselben besch\u00e4ftigte. In den Grundz\u00fcgen der Lehre vom Lichtsinn schreibt er S. 276: \u201eIm lichtschwachen Spektrum aber ... ist das Urgelb . . . kaum erkennbar. Vielmehr geht an der . . . Stelle ein R\u00f6tlichgelb ohne deutliche Einschaltung von Urgelb in ein Gr\u00fcnlichgelb \u00fcber.\u201c Wenn man dieser Tatsache, die, man kann sagen, tagt\u00e4glich von sehr vielen Personen in ungez\u00e4hlten F\u00e4llen wahrgenommen wird (sobald man n\u00e4mlich bei nicht sehr hellem Lichte durch ein Spektroskop blickt), Beachtung schenkt und sie ihrer prinzipiellem Seite nach durchdacht h\u00e4tte, h\u00e4tte man schon l\u00e4ngst auf alle in dieser Arbeit ans Licht gezogenen Tatsachen aufmerksam werden m\u00fcssen. Die Ursache daf\u00fcr, dafs das nicht geschah, liegt letzten Endes wohl in der aufserordentlichen Schmalheit der eigentlichen Gelbzone des Spektrums, welche sie so leicht der n\u00e4heren Beobachtung entzieht.\n\u00dcbrigens ist Heking auch nicht darauf aufmerksam geworden, dafs die Ergebnisse seiner Umh\u00fcllungsversuche mit\n\u2022 \u2022\nSchwarz nicht in \u00dcbereinstimmung mit seinen Feststellungen am lichtschwachen Spektrum sind.\nDie neuen Tatsachen lassen sich mit der M\u00dcLLE\u00dfschen physiologischen Farbentheorie bis zu einem gewissen Grade recht gut vereinigen. Nach dieser Auffassung enth\u00e4lt der physiologische Gelbprozefs bereits eine Rot- und eine Gr\u00fcnkomponente in sich. Unter normalen Verh\u00e4ltnissen kompensieren sie sich. Man kann nun sagen: wenn die Beleuchtungsst\u00e4rke unter einen gewissen Grad sinkt, macht sich der Umstand, dafs das Auge bei gleichen sehr schwachen Reizen mehr f\u00fcr gr\u00fcnes als f\u00fcr rotes Licht empf\u00e4nglich ist, dahin geltend, dafs der dem Gr\u00fcn immanente Rotprozefs an Wirkung hinter dem Gr\u00fcnmoment zur\u00fcckbleibt, so dafs das Gelb nunmehr einen gr\u00fcnen Charakter annehme. Nicht zu erkl\u00e4ren vermag die M\u00dcLLE\u00dfsche Hypothese jedoch die Tatsache^ dafs das resultierende Gr\u00fcn durchaus nicht Gelbgr\u00fcn, sondern ein Gr\u00fcn spezifischen Charakters ist. \u2014\nDas Gelb -f- Schwarz = Gr\u00fcn tritt sonst an keiner anderen Stelle im Spektrum als im intensit\u00e4tsschwachen Gelb auf. Verdunkeltes gew\u00f6hnliches Gr\u00fcn sieht anders aus. Wir haben es also wirklich mit einem \u201e zweitenu Gr\u00fcn zu tun.\nBei einer genaueren Betrachtung zeigt sich aber, dafs beide nicht diskontinuierlich einander gegen\u00fcberstehen, sondern sie sind durch Zwischenglieder miteinander verbunden.\n26*","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\nT. K. Oesterreich\nDenkt man sich das Spektrum in allen seinen Teilen nach unten hin immer mehr an Intensit\u00e4t abnehmend und allm\u00e4hlich in Schwarz \u00fcbergehend, so setzt das Gr\u00fcn bereits unterhalb des Gelb ein (wo es nach dem Orange hin wirklich aufh\u00f6rt, bedarf noch der Untersuchung).\nBei genauerer Betrachtung ergibt sich, dafs die Gr\u00fcnt\u00f6ne der Pigmentmischung, der Spektrallichtversuche sowie der Ver h\u00fcllungs- (Besehattungs-) und Schleierversuche untereinander wieder mannigfache Differenzen aufweisen. Diese Unterschiede und ihre Bedingungen festzustellen, hat Aufgabe weiterer Untersuchung zu sein. Zun\u00e4chst kam es darauf an, die zentrale Grundtatsache herauszuarbeiten.\nWahrscheinlich spielt die entscheidende Rolle die spektrale Zusammensetzung des Gelb, das nat\u00fcrlich, von sehr extremen Ausnahmef\u00e4llen1 abgesehen, stets aus einer ganzen Zone von Spektrallinien, besteht, die wohl auf den ersten Blick s\u00e4mtlich \u201egelb\u201c sind, aber vielleicht eben doch psychophysiologisch deutlich verschiedenartig sein k\u00f6nnen. Das aus dem Gelb der Quecksilberlampe (577 bzw. 579 (jl/a) hervorgehende Gr\u00fcn sieht in der Tat etwas anders aus als das vom Gelb einer elektrischen Birne herr\u00fchrende (im Spektralphotometer).\nAuch bei Versuchen aus Anlafs einer Arbeit \u00fcber die Wahrnehmung in monochromatischem Rotlicht scheint sich dem Hersteller der beiliegenden Tafeln, Herrn Hauser, nach seinen Mitteilungen zu ergeben, dafs die Rotzone des Spektrums nicht in allen Teilen wahrnehmungspsychologisch gleichwertig ist.\nAls sekund\u00e4rer Faktor kommt bei den gelben Pigmentfarben wohl auch das oben er\u00f6rterte Hervortreten des in ihnen mitenthaltenen gew\u00f6hnlichen Gr\u00fcn bei st\u00e4rkerer Herabsetzung der Beleuchtungsintensit\u00e4t mit in Betracht.\nEs w\u00e4re \u00fcbrigens eine interessante Aufgabe, Rot \u2014 Gr\u00fcn = Blinde darauf zu untersuchen, wie bei ihnen die hier aufgef\u00fchrten Versuche ausfallen. Mir selbst war das bisher mangels gen\u00fcgender Versuchspersonen nicht m\u00f6glich. Ob vielleicht sie Schwarzgelb, das wir Normale nur rein begrifflich zu denken verm\u00f6gen, wirklich sehen? Besonders lehrreich w\u00e4re der Versuch bei jemand, der nur auf einem Auge rotgr\u00fcnblind ist.\nDie Versuche mit Natriumlicht sind f\u00fcr allerstrengste Betrachtung mit Tageslichtph\u00e4nomenen \u00fcberhaupt nicht auf eine Stufe zu stellen, da im Sonnenlicht Natriumlicht \u00fcberhaupt nicht enthalten, sondern durch eine schwarze F\u00dfAUENHOFERsche Linie ersetzt ist.","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Gr\u00fcn\n375\nHat man erst einmal gelernt das durch Mischung von Gelb und Schwarz entstandene Gr\u00fcn von dem gew\u00f6hnlichen Gr\u00fcn zu unterscheiden, so zeigt die Betrachtung der Wirklichkeit, dafs weitaus das meiste Gr\u00fcn, das in der Welt vorhanden ist, gar nicht das Blau + Gelb = Gr\u00fcn, sondern vielmehr das Gelb-f-Schwarz = Gr\u00fcn ist oder es zum mindesten als wesentlichen Bestandteil mit enth\u00e4lt. Das erste Gr\u00fcn ist geradezu die Ausnahme.\nDer Kern der in der vorstehenden Arbeit angegebenen Tatsachen ist mir seit sehr langer Zeit bekannt. Zum erstenmal\n\u2022 \u2022 ___________\nmachte ich als Gymnasiast beim Malen mit \u00d6lfarben die Erfahrung, dafs man das beste Gr\u00fcn, namentlich f\u00fcr die Wiedergabe von Nadelwald durch Mischung von Schwarz und Gelb erh\u00e4lt.\nSchon wiederholt dachte ich daran, in einer Mitteilung auf diese Art Gr\u00fcn aufmerksam zu machen, habe es aber bisher immer wieder unterlassen, da es mir undenkbar zu sein schien, dafs diese mir pers\u00f6nlich seit langer Zeit so selbstverst\u00e4ndliche Tatsache nicht allgemein bekannt sei. Und doch scheint es so zu sein. Nur bei Brentano und Ostwald ist mir ein Hinweis darauf begegnet, dafs man auch aus Gelb und Schwarz eine Art Gr\u00fcn mischen k\u00f6nne. Aber beide haben gar kein Bewufst-sein davon, dafs das eine Sache von gr\u00f6fster prinzipieller Bedeutung ist.\nWie ich mich k\u00fcrzlich \u00fcberzeugen konnte, sind die in Frage kommenden Tatsachen nicht einmal in Malerkreisen allgemein bekannt.\nWenn man im allgemeinen von dem Gr\u00fcnwerden des Gelb bei Herabsetzung der Beleuchtung nichts weifs, so h\u00e4ngt das mit unserer intellektuellen Einstellung der Aufsenweit\u2019gegen\u00fcber zusammen, vor allem mit dem, was Hering- als \u201eGed\u00e4chtnisfarben bezeichnet hat. Wenn auf irgendeine Farbe Schatten f\u00e4llt, so scheint sie uns dadurch \u00fcberhaupt nicht ver\u00e4ndert, sondern wir sagen, sie liege jetzt im Schatten, es habe sich solcher \u00fcber sie gebreitet. Wir unterscheiden gewissermafsen zwei Farben: einmal die zugrunde liegende Farbe und zweitens den Schatten darauf.\nMacht man sich von dieser intellektuellen \u00dcberschicht \u00fcber den Ph\u00e4nomenen frei und fafst die beschattete Farbe als Farb-einheit auf, so sieht man alsbald auch, dafs im Schatten liegendes\nGelb gr\u00fcn ist.\nMan kann sich davon unschwer \u00fcberzeugen, wenn man auf einem Stuhl einen grofsen gelben Karton aufrichtet und davor","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\nT. K. Oesterreich\netwa eine grofse Rolle Zeichenpapier auf stellt. L\u00e4fst man dann die schwarze Verdunkelungsjalousie des Zimmers langsam herunter und verfolgt die Ver\u00e4nderung der Kartonfarbe dabei, so bemerkt man am leichtesten zun\u00e4chst im Halbschatten eine Verf\u00e4rbung in Gr\u00fcnliche. Ist man einmal erst so weit, an dieser Stelle statt der Zweiheit von Kartonfarbe und dem dar\u00fcber befindlichen Schatten eine einheitliche Farbe zu sehen, so beginnt man bald auch die kernbeschatteten Teile als deutliches Gr\u00fcn wahrzunehmen. Sehr erleichtert wird das, wenn man sich die zum Guckrohr geschlossene Hand vors Auge h\u00e4lt und aufserdem daf\u00fcr gesorgt ist, dafs hinter dem gelben Karton tiefer Schatten oder anderes Schwarz ist. Wenn man dann durch die Hand dorthin sieht, wo der kernbeschattete gelbe Karton sich vom schwarzen Hintergrund abhebt, so f\u00e4llt der gr\u00fcne Ton besonders stark auf. Hat man ihn erst einmal irgendwo gesehen und sich etwas weiter geschult, so gelingt es allm\u00e4hlich auch, mit freiem Auge ohne Zuhilfenahme eines Guckrohres den ganzen gelben Karton, soweit er im Schatten liegt, als gr\u00fcne Fl\u00e4che zu sehen. Erleichtert wird die Wahrnehmung noch, wenn daf\u00fcr Sorge getragen ist, dafs bei der Verdunkelung des Ganzen die untere H\u00e4lfte des Kartons im Lichte bleibt, so dafs man beschattetes und unbeschattetes Gelb unmittelbar miteinander vergleichen kann.\nBedingung der Wahrnehmung des Gr\u00fcn ist freilich, dafs es einem gelingt sich von der intellektualistischen Grundeinstellung, die bei einer beschatteten Fl\u00e4che sofort zwischen vermeintlich \u201ewirklicher K\u00f6rperfarbe\u201c (Gelb) und dem dar\u00fcber liegenden Schatten trennt, zu befreien und die beschattete Fl\u00e4che als einheitliche Farb\u00ea zu sehen. Hat man sich erst einmal daran gew\u00f6hnt, so bemerkt man dann z. B. auch zum eigenen Erstaunen, dafs irgendein gelbes Plakat, an dem man unz\u00e4hlige Male gedankenlos im Halbdunkel gegen Abend vorbeigegangen ist, zu dieser Zeit in Wahrheit durchaus nicht gelb, sondern ausgesprochen gr\u00fcn ist. Ebenso sieht man an weifsen W\u00e4nden und Decken bei k\u00fcnstlichem stark gelblichen Licht olivfarbene T\u00f6ne mannigfacher Art.\nEin Problem f\u00fcr sich ist es nat\u00fcrlich, wie es mit der, der Einfachheit halber auch hier zugrundegelegten Auffassung steht, wonach wir durch ein intellektualistisches Vorurteil, das zwischen K\u00f6rperfarbe und Schatten trennt, an der Wahrnehmung der \u201ewirklichen\u201c Farbe in dem Sinne gehindert werden, dafs wir","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Gr\u00fcn\n377\nzun\u00e4chst einfach nicht bemerken, was da ist. Es l\u00e4fst sich selbstverst\u00e4ndlich auch eine andere Deutung geben. Man kann auch sagen, dafs bei unserer gew\u00f6hnlichen ^Einstellung zu den Dingen ein einheitlicher Gesamtfl\u00e4cheneindruck gar nicht vorhanden sei und wir ihn nicht etwa nur nicht wahrnehmen. Beim scheinbaren Sehenlernen seiner bilde sich \u00fcberhaupt erst die einheitliche Farbfl\u00e4che.\nEine unmittelbare Erfahrungsentscheidung zwischen beiden Auffassungen ist nicht m\u00f6glich. Die Behauptung der ersten Auffassung, dafs Gr\u00fcn schon da sei, bevor es noch aufgefalst werde, ist ersichtlich nicht empirisch erweislich. Ebensowenig aber ist die entgegengesetzte Behauptung durch unmittelbare Erfahrung zu best\u00e4tigen, da auch sie sich hinauserstreckt \u00fcber die Zeitspanne der Wahrnehmung: sie behauptet ja, dafs das Gelb vorher, als es noch nicht wahrgenommen wurde, auch noch nicht da war. Wir lassen deshalb die ganze Frage hier auf sich beruhen, zumal sie f\u00fcr unser Hauptproblem nicht wesentlich ist. Es gen\u00fcgt uns die Feststellung, dafs eine gelbe Fl\u00e4che, wenn sie beschattet wird, jedoch nicht als beschattet, sondern als einfache farbige Fl\u00e4che aufgefafst wird, tats\u00e4chlich gr\u00fcn gesehen wird. \u2014\nV\u00f6llig unrichtig ist Ostwalds Angabe, dafs es keine tr\u00fcben oder dunkelklaren ..unbezogenen\u201c Farben gebe, sondern dafs beim Wahrnehmen einer Farbe durch ein dunkles Okularrohr nur reine oder hellklare Farben gesehen werden.1\nDiese Behauptung ist geradezu unverst\u00e4ndlich. Es gen\u00fcgt eigentlich in einem Spektralphotometer das Licht entsprechend abzuschw\u00e4chen, um sich sofort vom Gegenteil zu \u00fcberzeugen.\n\u00dcbrigens ist die ganze Definition sichtlich von h\u00f6chster Unklarheit. Es wird durchaus nicht klar, was das heifst, eine Farbe mit R\u00fccksicht auf die Beleuchtung auffassen, und ebensowenig ist es klar, weshalb eine solche Bezugnahme auf die Lichtquelle beim Hineinsehen in ein Spektroskop nicht stattfinden soll. Was Ostwald eigentlich meint, ist offenbar das Ph\u00e4nomen der Ge-\n1 Physikalische Farblehre, Leipzig 1919, S. 50. \u201eBezogene Farben nennt Ostwald \u201edie K\u00f6rperfarben, wie wir sie mit R\u00fccksicht auf die Natur der Beleuchtung auffassen\u201c. Unbezogen dagegen sollen die Farben sein, \u201ebei denen eine Bezugnahme auf die Beleuchtung nicht stattfindet, weil die Ursachen dazu entweder nicht bestehen oder dem Beobachter nicht bekannt wurden. Sie treten daher in erster Linie auf, wenn gleichf\u00f6rmig gef\u00e4rbte Felder in einer lichtlosen Umgebung erscheinen. Dies geschieht bei vielen, ja den meisten physikalischen Apparaten.","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\nT. K. Oesterreich\nd\u00e4chtnisfarbe. Leider unterl\u00e4fst er es, von diesem Begriff und Terminus ausreichenden Gebrauch zu machen und sucht ihn durch allerlei andere Wendungen zu ersetzen.\nEs ist auch keineswegs so, dafs wir bei jeder \u00c4nderung der Beleuchtung die Ged\u00e4chtnisfarben sehen. \u00c4ndert sich die Beleuchtung in einer ganz ungewohnten Weise, so ist das nicht der Fall. Der eindruckvollste Fall ist vielleicht die totale oder wenigstens ausgedehnte Sonnenfinsternis. Aber auch bei Natriumlicht z. B. sind wir \u00fcberrascht \u00fcber das fahle gr\u00fcnliche leichen. hafte Aussehen der H\u00e4nde und Gesichter.\nEs ist eine Sache der Selbsterziehung, sich mehr und mehr auch beim k\u00fcnstlichen Licht durchzuringen zur sinnlichen Gegebenheit und sich zu befreien von der Ged\u00e4chtnisfarbe.\nEinen starken Vorsprung vor dem Durchschnittsmenschen haben hier die Maler. Sie sehen in viel geringerem Mafse intellektuell; weshalb denn auch manche vollkommen richtige Farbengebungen vom im \u201esinnlichen\u201c Sehen Unge\u00fcbten als \u201eunnat\u00fcrlich\u201c empfunden werden. \u2014\nEs sei zum Schlufs bemerkt, dafs die Tatsache des Auftretens einer Verschiebung des Farbtones in eine neue unerwartete Buntqualit\u00e4t hinein sich nicht nur bei der Mischung von Gelb und Schwarz findet, sondern dafs auch bei der Mischung von spektralem Rot mit Schwarz eine analoge, wenn auch nicht ebenso stark ausgepr\u00e4gte Erscheinung auftritt. Es weist dabei die Mischung eine deutliche Ver\u00e4nderung ins Blaue (Himbeerfarbe) auf. Und zwar gilt das wieder in fast allen den F\u00e4llen, bei denen bei Mischung von Gelb und Schwarz Gr\u00fcn auftrat. Wenn man rote und schwarze Aquarellfarbe mischt, so erh\u00e4lt man eine Farbe von ausgesprochen blauem Ton; wenn man rote Farbe auf schwarzes photographisches Papier auftr\u00e4gt, so ist das Ergebnis ein sehr dunkles Violett. Auch bei der Mischung am Farbkreisei ergibt Rot und Schwarz eine Mischfarbe von blauem Ton. Dasselbe gilt vom Versuch vor der Dunkeltonne. Und endlich stimmt es auch beim Spiegelmischungsversuch sowie \u2014 wohl das Wichtigste \u2014 beim Spektralphotometer. \u00dcberall ver\u00e4ndert sich die Farbe nach einer neuen Qualit\u00e4tenrichtung. Nur bei Mischung der Pigmente in der Reibeschale gelang mir nicht die Erzielung eines blauen Tones. Der Grund blieb mir unbekannt. M\u00f6glicherweise lag es an der Art der verf\u00fcgbaren Farben.\nImmerhin mufs doch auch darauf hingewiesen werden, dafs","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Lehre vom Gr\u00fcn\n379\nes im Gebiete des Rot ausgesprochenes Rotschwarz gibt, w\u00e4hrend wir Gelbschwarz nicht kennen.\nBei allen \u00fcbrigen Farben scheint bei den entsprechenden Versuchen alles der bisherigen Theorie entsprechend zu verlaufen: es treten einfach Mischfarben aus der betreffenden Buntqualit\u00e4t mit Schwarz auf, ohne jede Richtungs\u00e4nderung der Ausgangsbuntqualit\u00e4t. Jedoch bleibt die genaue Nachpr\u00fcfung weiteren Versuchen Vorbehalten.\nDoch sei bereits jetzt noch auf eine andere sehr seltsame Tatsache hingewiesen.\nNimmt man bei den Farbkreiseiversuchen statt einer gelben Farbscheibe eine orangefarbene, so zeigt sich ein gr\u00fcner Farbenton nur, solange die Scheibe anf\u00e4ngt zu rotieren, aber noch nicht eine solche Geschwindigkeit besitzt, dafs man den Eindruck einer gleich-m\u00e4fsigen Farbfl\u00e4che besitzt. Sobald die dazu erforderliche Rotationsgeschwindigkeit erreicht ist, verschwindet das Gr\u00fcn wieder und man erh\u00e4lt einen gr\u00fcnfreien Ton. Die Erscheinung erkl\u00e4rt sich, wenn man annimmt, dafs bei ungen\u00fcgend schneller Rotation die beiden Komponenten des Orange, Gelb und Rot, nicht gleich-m\u00e4fsig auf das Auge wirken, so dafs Rot hinter Gelb zur\u00fcckbleibt. Dann ergibt sich zun\u00e4chst eine Mischung von Schwarz mit Gelb, statt mit Orange. Auch bei den \u00fcbrigen oben angef\u00fchrten Versuchen fehlt der gr\u00fcne Ton, sobald man kein reines Gelb, sondern Gelb mit einem Zusatz von Rot, also Orange nimmt. Beim Spektralphotometer erweist sich bereits das Gelb der Natriumlinie, das gegen\u00fcber dem reinen Gelb ein wenig nach Orange zu verschieben ist, als mit jenem nicht ganz gleichwertig, obwohl die Gr\u00fcnf\u00e4rbung bei Lichtabschw\u00e4chung noch deutlich bemerkbar ist.\nSchon jetzt ist erkennbar, dafs die gangbaren Farbentheorien stark br\u00fcchige Stellen aufweisen.\nDie Voraussetzung f\u00fcr eine tiefergreifende Reform derselben ist freilich eine (in Vorbereitung befindliche) wesentliche Verbesserung der instrumenteilen Untersuchungsmittel. Sie m\u00fcssen es vor allem erm\u00f6glichen, auch mit Spektralfarbenmischungen anders als in kleinsten Feldern und unter den abnormen Verh\u00e4ltnissen, wie sie bei der Durchsicht durch ein Okularrohr vorliegen, zu arbeiten.\nDie im Spektralphotometer auftretenden Kontrastph\u00e4nomene sind so grols, dafs sie die gew\u00f6hnlichen Tageslicht- und Vorlesungsversuche v\u00f6llig hinter sich zur\u00fccklassen und geradezu","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\nT. K. Oesterreieh, Zur Lehre vom Gr\u00fcn\ngeeignet sind, die allgemein gemachte Voraussetzung, dafs die gesehene Farbe von den \u00c4therwellen und in der Hauptsache nur von ihnen einigermafsen eindeutig abh\u00e4ngig ist, v\u00f6llig \u00fcber den Haufen zu werfen. Man stelle eine beliebige Farbe ein, drehe den einen Spalt weit zu und lasse dann den anderen alle m\u00f6glichen \u00d6ffnungsbreiten durchlaufen. Vergleicht man dabei das wechselnde Aussehen der dauernd schwach beleuchteten Farbe im Photometer, so ist man geradezu verbl\u00fcfft \u00fcber die ungeheure Variation ihrer Beschaffenheit. Die Farbe, die man sieht, h\u00e4ngt einfach vollst\u00e4ndig von der F\u00e4rbung des ganzen \u00fcbrigen Gesichtsfeldes ab, nat\u00fcrlich nicht nur des Nebenfeldes, sondern auch des schwarzen Hintergrundes ringsum. In einem Mafse, dafs von einer Zuordnung des Farbeindrucks von den zugeh\u00f6rigen \u00c4therwellen auch nicht einmal in erster N\u00e4herung gesprochen werden kann. Lediglich die allgemeine Qualit\u00e4tsrichtung, ob rot oder blau usw. wird dadurch bestimmt, in keiner Weise jedoch die n\u00e4here Stelle innerhalb dieser Farbdimension. Und auch dann ist eben noch zu beachten, dafs Gelb bei entsprechender Abdunkelung nicht mehr gelb bleibt.\nJeder Gesichtseindruck ist abh\u00e4ngig von der Gesamtheit der Netzhauterregung.1 Die unter abnormen experimentellen Bedingungen erzielten Ergebnisse gelten deshalb nicht ohne weiteres auch f\u00fcr normale Tageslichtverh\u00e4ltnisse.\nNachtrag\nSehr sch\u00f6n bemerkt man die Verwandlung des Gelb in das \u201ezweite Gr\u00fcn\u201c bei Kirschmanns umgekehrtem Spektrum, wenn man das Licht entsprechend schw\u00e4cher werden l\u00e4fst. W\u00e4hrend im gew\u00f6hnlichen Spektrum das Gelb eine \u00e4ufserst schmale und deshalb sehr schwer genauer zu beobachtende Zone darstellt, nimmt es im umgekehrten Spektrum einen breiten Raum ein und kann deshalb sehr leicht in dem Wandel seines Farbtones studiert werden (vgl. A. Kirschmann, Psychologische Optik, im Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden, Abt. VI, Teil A, S. 879 ff.\n1 Das erkl\u00e4rt auch folgende merkw\u00fcrdige Erscheinung: H\u00e4lt man das Lifafilter Nr. 394, von dem bereits oben die Rede war, vor ein Zeiss sches Handspektroskop (0. Zeiss hat ein solches geschenkweise zur Verf\u00fcgung gestellt), so ist der durchdringende spektrale Gelblichtstreifen an der einen Seite deutlich von Rot begrenzt. Betrachtet man dann nach Weglassung des Filters die betreffende Stelle im Gesamtzusammenhange des Spektrums, so sieht sie durchaus nicht so deutlich rot aus.","page":380},{"file":"p0380table1.txt","language":"de","ocr_de":"Tafel 1\nI 1:0\nIl 19:1\nIII 17:1\nVII 9:1\nVIII 7 :1\nDie Farbproben wurden mittels Ostwaldscber Aquarellfarben hergestellt und sind vor Feuchtigkeit und Licht zu sch\u00fctzen.\nZeitschrift f\u00fcr Sinnest) hvsiolo\u00dfie, Band 59, Heft 516 (T. /C. Oesterreich, Zur Lehre vom Gr\u00e4n).","page":0},{"file":"p0380table2.txt","language":"de","ocr_de":"Tafel II\nXIII 1:3\nXVII\nXVIII\nXXI\nXXII\nXXIII\nXXIV\nund sind vor Feuchtigkeit und Licht zu sch\u00fctzen.\nZeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie, Band 59, Heft 516 (T. K. Oesterreich. Zur Lehre vom Gr\u00fcn).","page":0}],"identifier":"lit36067","issued":"1928","language":"de","pages":"356-380","startpages":"356","title":"Zur Lehre vom Gr\u00fcn","type":"Journal Article","volume":"59"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:42:28.353496+00:00"}