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Erwiderung auf die Ausführungen des Herrn E. W. Scripture über die Vokalfrage [Zeitschr. f. Sinnesphysiol., Bd. 59, S. 382-384, 1928]

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{"created":"2022-01-31T16:45:47.674089+00:00","id":"lit36070","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Trendelenburg, F.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 59: 385-388","fulltext":[{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"385\nErwiderung auf die Ausf\u00fchrungen des Herrn E. W. Scripture \u00fcber die Vokalfrage\nVon\nF. Trendelenburg\nDie vorstehenden Ausf\u00fchrungen Herrn E. W. Scriptures k\u00f6nnen die Tatsache, dafs die Kurven der auf einer bestimmten Tonh\u00f6he gesungenen Vokale die Grundschwingung in durchaus betr\u00e4chtlicher Amplitude enthalten, in keiner Weise entkr\u00e4ften.\nDer FouKiEBsche Satz sagt aus: Ist eine Funktion f(x) innerhalb eines Bereiches von Xi bis x2=x1-(-21 stetig, so ist sie dort und zwar in eindeutiger Weise darstellbar in einer Reihe\nder Form\nIst die Funktion f(x) periodisch mit der Periode x2 \u2014 Xj \u2014 21 (und dies ist bei den Vokalklangbildern, worauf ich wiederholt nachdr\u00fccklichst hingewiesen habe, tats\u00e4chlich der B all) so gilt die Entwicklung auch aufserhalb des Intervalles.\nF\u00fchrt man die Fourier-Analyse aus, so ergeben sich erhebliche Amplituden der Grundperiode, wie dies das von nur berechnete und von Herrn E. W. Scripture oben abgebildete\nFrequenzspektrum zeigt.\t.\nGanz unabh\u00e4ngig von dieser mathematisch und physikalisch\neinwandfrei belegten Tatsache ist die Frage, ob es nicht m\u00f6glich ist, eine andere Darstellung f\u00fcr Vokalkurven zu finden, als die FouRiERSche Reihe. Als eine solche Darstellung empfiehlt Herr Scripture die Darstellung nach abklingenden Sinusfunktionen. Dais eine solche Darstellung m\u00f6glich ist, ist nicht zu bestreiten. Die M\u00f6glichkeit, die Vokalkurven auch anders darzustellen als durch die Fourier-Reihe, ber\u00fchrt aber die Richtigkeit der Fourier-Darstellung in keiner Weise.","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\nF. Trendelenburg\nHelmholtz benutzt f\u00fcr seine Resonanztheorie die Gesetze der FouKiE\u00df-Schwingungen. Hermann und mit ihm Scripture, Bhoemser u. a. hauen eine Vokaltheorie auf den Gesetzen abklingender Sehwingungsvorg\u00e4nge auf; beide Theorien m\u00fcssen, wenn sie die gleichen physikalischen Bestimmungsst\u00fccke (wie Abstimmung, D\u00e4mpfung, Kopplung usw.) in ihre Rechnungen einf\u00fchren, das gleiche Resultat ergeben. Meine Ausf\u00fchrungen \u00fcber diese Fragen in einem Artikel \u201ePhysik der Sprachlaute\u201c im Handbuch der Physik, Bd. 8, S. 470, 1927, seien hier nochmals angezogen :\n\u201eDen Ansatz zur allgemein richtigen und strengen Theorie der Klangbildung gesungener Vokale brachte bereits v. Helmholtz. Die Schallquelle bei der Erzeugung gesungener Vokale ist die Stimmbandschwingung. Die Stimmbandschwingung enth\u00e4lt zahlreiche Obert\u00f6ne. Die den Eigenschwingungen der Mundh\u00f6hle nahe liegenden Obert\u00f6ne werden durch Resonanz verst\u00e4rkt und mit besonderer Intensit\u00e4t in die Umgebung abgestrahlt, auf diese Weise wird dem Stimmbandklang der Formant aufgepr\u00e4gt.\nDie Anwesenheit der Obert\u00f6ne im Stimmbandklang folgt aus der strengen Periodizit\u00e4t des Klangbildes gesungener Vokale, sie folgt aber auch (wenigstens f\u00fcr das Brustregister) aus der unmittelbaren Beobachtung der Stimmbandschwingungen. Musehold hat festgestellt, dafs im Brustregister die Stimmb\u00e4nder w\u00e4hrend eines merklichen Zeitteiles einer Periode so fest aneinandergelegt sind, dafs die gesamte Stimmritze geschlossen bleibt (bemerkt sei, dafs die HERMANNsehe weiter unten zu besprechende Theorie diesen vollst\u00e4ndigen Verschlufs als A u sgangsp unkt nimmt). W\u00fcrde man einen solchen Vorgang \u2014 bei dem der Funktionswert eine mefsbare Zeit konstant bleibt \u2014 nach Fourier zerlegen, so w\u00fcrde man zahlreiche und starke Obert\u00f6ne ber\u00fccksichtigen m\u00fcssen, um gen\u00fcgende Ann\u00e4herung zu erzielen.\nDie der HELMHOLTZschen Vokaltheorie zugrunde liegende Anschauung mag ein kurzer rechnerischer Ansatz beleuchten:\nVon der Lunge str\u00f6mt die Luft durch die Stimmritze in den Kehlkopf, die Stimmb\u00e4nder steuern auf Grund des in Ziff. 9 geschilderten Schwingungsmechanismus den Luftstrom in der Art einer Selbstunterbrechung. Im Kehlkopf wird auf Grund dieser Vorg\u00e4nge ein Druckzustand Pk herrschen, dessen Abh\u00e4ngigkeit von der Zeit sich in folgender Weise darstellen l\u00e4fst:\nFk \u2014 Pm + Pi sin (cot + 9^) -f P2 sin (2cot -}- y2) ~\\-,\t(1)\nhierbei ist Pm ein gewisser mittlerer \u00dcberdruck gegen\u00fcber dem \u00e4ufseren Luftdruck, dessen Gr\u00f6fse u. a. von dem Str\u00f6mungswiderstand, den der Luftstrom auf seinem weiteren Wege zur Aufsenluft erf\u00e4hrt, abh\u00e4ngt. F\u00fcr die Vokaltheorie ist er zun\u00e4chst bedeutungslos. Die FouRiER-Reihe auf der rechten Seite der Gleichung ist als St\u00f6rungsfunktion in die Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung f\u00fcr das Schwingungssystem des Ansatzrohres einzuf\u00fchren, aus den betreffenden Eigenschwingungen und den D\u00e4mpfungs-","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Erwiderung auf die Ausf\u00fchrungen des Herrn E. JV. Scripture 387\n\u2022v\nVerh\u00e4ltnissen folgt die Amplitude und die Phase der erzwungenen Schwingung und damit das Klangbild des vom Mund abgestrahlten Klanges, welches\nsich also durch einen Ansatz von der Form\np = kt P! sin {co t + Y'i) + k2 P2 sin (2 co t + V'a) H-\t(2)\ndarstellen l\u00e4fst. Hierbei sind kt k2 usw. konstante Faktoren, deren Gr\u00f6fse sich aus der L\u00f6sung der Gleichung der erzwungenen Schwingung berechnen l\u00e4fst, die L\u00f6sung lehrt ebenfalls den Zusammenhang zwischen den urspr\u00fcnglichen Phasenwinkeln yn und den Phasen yn der 'feilschwingungen, aus denen sich die erzwungene Schwingung zusammensetzt. Das Wesentliche der Gleichung (2) besteht darin, dafs die Frequenzen der erzwungenen Schwingung genau die gleichen wie diejenigen der erzwingenden Schwingung sind: ImKlangbild des vomMund abgestrahlten Vokalklanges treten keinerlei Frequenzen auf, die nicht urspr\u00fcnglich im Stimmbandklang enthalten sind; unharmonische Teilt\u00f6ne sind ausgeschlossen, das Klangbild kehrt von Periode zu Periode in seiner feinsten Struktur identisch wieder, eine Voraussage, wie sie experimentell in vollem Umfang best\u00e4tigt wurde.\nEine andere Theorie der Erzeugung gesungener Vokale hat Hermann aufgestellt, eine Theorie, welche von Scripture und Broemser rechnerisch erweitert wurde. Die HERMANNSche Theorie betrachtet zun\u00e4chst nicht den gesamten kontinuierlich ablaufenden Vorgang der Stimmbandschwingung, sondern greift eine Einzelperiode heraus; auf Grund der in Ziff. 9 besprochenen Ergebnisse der Untersuchungen der Schwingungsform der Stimmbandschwingung im Brustregister fafst die HERMANNSche Theorie den Verlauf einer Einzelperiode dahingehend zusammen, dafs die Stimmritze nur w\u00e4hrend eines kleinen Zeitteilchens ge\u00f6ffnet wird, um sich dann wieder schnell zu schliefsen. Im Augenblick der \u00d6ffnung tritt ein Luftvolumen puffartig durch die Stimmritze in den Kehlkopf und st\u00f6fst dann die Mundh\u00f6hle in ihrer Eigenschwingung selbst an, diese Eigenschwingung klingt ged\u00e4mpft ab. Die n\u00e4chste Stimmritzen\u00f6ffnung wiederholt das gleiche Spiel, die Stimmritzen\u00f6ffnung selbst kehrt periodisch wieder, so dafs eine periodische Folge ged\u00e4mpft abklingender Wellenz\u00fcge in die Umgebung\nabgestrahlt wird.\nDie HERMANNSche Theorie erscheint mit der Theorie von Helmholtz unvereinbar; w\u00e4hrend hier nur zum Grundton harmonische Teilklange auftreten, fordert jene die von der Tonh\u00f6he des Stimmbandklanges v\u00f6llig unabh\u00e4ngige und daher im allgemeinen zu diesem unharmonische Eigenschwingung der Mundh\u00f6hle. Bereits Lord Rayleigh hat darauf hingewiesen, dafs der Widerspruch der beiden Vokaltheorien nur ein scheinbarer ist: Beide Theorien benutzen zur Berechnung der erzwungenen Schwingung dei Mundh\u00f6hle und damit des von dem Mund abgestrahlten Klangbildes die gleichen physikalischen Bestimmungsst\u00fccke: die Eigenfrequenz und die D\u00e4mpfung des angestofsenen bzw. des resonierenden Systems. Verschiedenartig bei beiden Theorien ist lediglich die Art des Ansatzes des durch den periodischen Drosselvorgang im Kehlkopf bewirkten Druckverlaufes. Die HELMHOLTZsche Theorie w\u00e4hlt hierf\u00fcr die allgemeinste Form der Darstellung\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 59","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388 Trendelenburg, Erwiderung auf die Ausf\u00fchrungen des Herrn Scripture\ndurch eine Fo\u00fcBiEB-Reihe, ein Ansatz, welcher neben dem Vorteil, bei geeigneter Wahl der Grundperiode jede beliebige zeitliche Ver\u00e4nderung des Druckes mathematisch erfassen zu k\u00f6nnen, f\u00fcr das hier in Frage stehende Problem noch den Vorteil bietet, ohne weiteres die periodische Wiederholung des Drosselvorganges in der Periode der Stimmbandschwingung zu ber\u00fccksichtigen. Die HEBMANNSche Theorie setzs mit einem anderen Gedanken ein; die ihr zugrunde liegende Vorstellung gr\u00fcndet sich darauf, dafs \u2022\u2022\nw\u00e4hrend der \u00d6ffnung der Stimmritze die Luft momentan eine zeitlich eng begrenzte Druckerh\u00f6hung erf\u00e4hrt, welche bei Abschliefsung der Stimmritze erlischt; auf das Ansatzrohr wirkt also w\u00e4hrend eines kleinen Teiles der Periode ein kurzer Impuls. Gegen\u00fcber der HELMHOLTzschen Theorie bedingt die HEBMANNSche Theorie eine auf einen Spezialfall zugeschnittene Einschr\u00e4nkung, welche allerdings f\u00fcr das Brustregister (bei welchem \u2014 wie wir in Ziff. 9 sahen \u2014 tats\u00e4chlich eine stofs\u00e4hnliche Erregung vorliegt) die Voraussage leistet, dafs bei diesem Register die Klangbilder an- und abklingende Wellenz\u00fcge aufweisen m\u00fcssen, eine Voraussage, welche aber auch die HELMHOLTzsche Theorie leistet, wenn man dem Foubieb-Ansatz der Stimmbandschwingung die gleichen einschr\u00e4nkenden Bedingungen zugrunde legt, wie dies in der HEEMANNSchen Anschauung des durch die Stimmritze tretenden zeitlich begrenzten Stofses geschieht. Die HELMHOLTzsche Theorie w\u00fcrde in diesem Falle durch Superposition der den Eigenfrequenzen des Resonators am n\u00e4chsten benachbarten Harmonischen nach Art der Schwebungen den gleichen Kurvencharakter ergeben, wie dies durch die HEBMANNSche richtig erkl\u00e4rten Klangbilder tats\u00e4chlich aufweisen. Zusammenfassend kann man sagen: Die HELMHOLTzsche Theorie der Vokalkl\u00e4nge ist allgemein richtig, die HEBMANNSche Theorie bildet eine Spezialisierung f\u00fcr diejenigen F\u00e4lle, bei denen der Kehlkopfklang eine periodische Folge impuls\u00e4hnlicher A n -St\u00f6fse bildet, und kann so bestimmte Eigent\u00fcmlichkeiten \u2014 abklingende Wellenz\u00fcge \u2014 leicht deuten.\nDie Frage nach der Theorie der Klaugerzeugung der Vokale ist somit nicht \u2014 wie in \u00e4lteren Arbeiten fast stets geschehen \u2014 so zu formulieren, ob die HELMHOLTzsche oder die HEBMANNSche Theorie die richtige sei, denn beide Theorien m\u00fcssen bei gleichem Ansatz der Grundbedingungen das gleiche ergeben, die wesentliche Frage der Klangtheorie ist hingegen diejenige, ob die Vokalkl\u00e4nge von Periode zu Periode identisch wiederkehren, diese Frage ist aber durch den experimentellen Befund und insbesondere durch die objektive Aufzeichnung der Klangbilder eindeutig gekl\u00e4rt, bei den gesungenen Vokalen ist eine Periode der anderen auch in ihrer feinsten Struktur identisch gleich.\u201c","page":388}],"identifier":"lit36070","issued":"1928","language":"de","pages":"385-388","startpages":"385","title":"Erwiderung auf die Ausf\u00fchrungen des Herrn E. 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