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{"created":"2022-01-31T16:45:35.760182+00:00","id":"lit36072","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"M\u00fcller, G. E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 54: 9-48, 102-145","fulltext":[{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"9\nF\nZur Theorie des St\u00e4bchenappavates und der\nZapfenblindheit.\nVon\nG. E. M\u00fcller.\nErster Teil.\n\u00a7 1. Die Hypothese der Zapfenblindheit und ihre Schwierigkeiten.\nEs handelt sich hier darum, einen Beitrag zur Theorie des St\u00e4bchenapparates zu liefern, wobei eine Aufz\u00e4hlung des bekannten Tatsachenmaterials, auf das sich die Ansicht st\u00fctzt, dals das Sehen im Dunkeln auf der Sehpurpurfunktion des St\u00e4bchenapparates beruhe, als \u00fcberfl\u00fcssig ganz unterlassen wird. Wir beginnen diese Untersuchung mit einer Er\u00f6rterung derjenigen Totalfarbenblindheit, deren Tr\u00e4ger man als St\u00e4bchenseher oder Zapfenblinde zu bezeichnen pflegt. Wir versuchen zu zeigen, wie sich die Schwierigkeiten beheben lassen, die gegen\u00fcber der Annahme, es handle sich bei dieser Farbenblindheit einfach um einen Ausfall der Funktion des Zapfenapparates, nicht ohne gewisse Berechtigung, namentlich seitens der HERiNGschen Schule, erhoben worden sind. Wir werden bei unserer Auseinandersetzung mit dieser Annahme zur Erkenntnis eines Sachverhaltes gef\u00fchrt werden, der f\u00fcr die Funktion des St\u00e4bchenapparates von fundamentaler Bedeutung ist.\nDie Haupteigent\u00fcmlichkeit der Zapfenblindheit1 besteht\n1 Wir behalten der Einfachheit halber die auf der oben erw\u00e4hnten Hypothese beruhende Bezeichnung \u201eZapfenblindheit\u201c bei, obwohl in manchen F\u00e4llen dieser Farbenblindheit eine Blindheit der fovealen Zapfen ausgeschlossen ist.\nEin Verzeichnis der bis 1903 beschriebenen F\u00e4lle angeborener totaler Farbendblindheit, auf dasich hiermit verweise, hat Grunert im Arch.f.Ophth.h\u00df, 1903, S. 143ff. gegeben. Eine erg\u00e4nzende Bemerkung dazu bei May in dieser","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nG. E. Millier.\ndarin, dafs die spektrale Helligkeitsverteilnng auch im Hellen diejenige ist, die f\u00fcr dunkeladaptierte normale Augen gilt. Ausnahmslos findet sich feiner eine Minderwertigkeit der Sehsch\u00e4rfe, die in den g\u00fcnstigsten F\u00e4llen den Wert 1/s erreicht. Eine regelm\u00e4fsige Begleiterscheinung ist ferner die Lichtscheu, und in den allermeisten F\u00e4llen zeigt sich auch ein deutlicher Ny stag mus. Endlich ist noch hervorzuheben, dafs diese Form der Achromatopie nur als eine angeborene, beide Augen in ihrer ganzen Ausdehnung betreffende Achromatopie befunden worden ist, w\u00e4hrend diejenige Form der Totalfarbenblindheit, bei welcher die spektrale Helligkeitsverteilung die normale ist, sowohl als angeborene wie auch als erworbene, sowohl als eine \u00fcber das ganze Sehorgan sich erstreckende wie auch als eine nur einseitige oder zirkumskripte, sowohl transitorisch wie andauernd vorkommt.\nMan erkl\u00e4rt die hier kurz charakterisierte Farbenblindheit in weiten Kreisen durch die Annahme, dafs bei den mit ihr Behafteten nur der St\u00e4bchenapparat fungiere, also Zapfenblindheit vorliege. In erster Linie wurde diese Annahme durch das erw\u00e4hnte eigent\u00fcmliche Verhalten der spektralen Helligkeitsver-teilung veranlafst. Auch die Tatsache, dafs diese Farbenblindheit nur als eine angeborene und \u00fcber die ganze Netzhaut sich erstreckende1 vorzukommen scheint, ist jener Auffassung g\u00fcnstig. Ferner hat man f\u00fcr letztere das Verhalten mit Nachdruck geltend gemacht, das die Sehsch\u00e4rfe bei der Zapfenblindheit zeigt. Es hat sich n\u00e4mlich hinsichtlich der Abh\u00e4ngigkeit der Sehsch\u00e4rfe von der Beleuchtungsst\u00e4rke bei Versuchen von K\u00f6nig, Pfl\u00fcger, Uhthoef folgendes herausgestellt. Bei sehr schwacher Beleuchtung und nach hinreichender Dunkeladaptation stimmte die zentrale Sehsch\u00e4rfe des Zapfenblinden mit derjenigen\nZeitschrift 42, 1908, S. 81. Seitdem sind F\u00e4lle der uns hier interessierenden Art von Achromatopie ver\u00f6ffentlicht worden von J. Bjeerum (Hospitals-tidende 47, 1901, mir nicht zu H\u00e4nden gekommen), Cantonnet (Arch. d'Ophth. 33, 1913, S. 289 ff., desgleichen), Paul (.Allgem. Med. Centralzeitung 74, 1905, S. 384 f.), H. R\u00f6nne (Klin. Monatsbl. f. Augenheilk., Beilageheft zu Jahrg. 44, 1906, S. 193 ff.), R. Hessberg (ebenda 47, II. 1909, S. 129 ff.), B. May (diese Zeitschr. 42, 1908, S. 69 ff.), H. Gertz (Arch. f. Augenheilk. 70, 1912, S. 228 ff.), F. Best (Zeitschr. f. Biol. 68, 1917, S. 129 ff.) und E. Engelking (Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. 65, 1921, S. 707 ff.).\n1 Auf das besondere Verhalten der Fovea kommen wir in \u00a7 3 n\u00e4her zu sprechen.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n11\ndes in Vergleich gestellten Normalen \u00fcberein. Diese \u00dcbereinstimmung reicht ungef\u00e4hr bis zu derjenigen Beleuchtungsst\u00e4rke, bei welcher \u201edie allererste Differenzierung von Farben f\u00fcr das normale Auge m\u00f6glich wird.\u201c Von dieser Beleuchtungsst\u00e4rke aufw\u00e4rts gingen die Sehsch\u00e4rfe des Normalen und diejenige des Totalfarbenblinden stark auseinander. W\u00e4hrend die erstere bei weiterer Verst\u00e4rkung der Beleuchtung schnell anstieg, wuchs die letztere nun viel langsamer an, ihr Maximum bei einer m\u00e4fsigen Beleuchtungsst\u00e4rke erreichend, jenseits welcher die erstere ihr Wachstum noch weiter fortsetzte. Es ist kaum n\u00f6tig, anzugeben, wie sich dieses Verhalten \u2014 auch R\u00f6kne erhielt ganz \u00e4hnliche Resultate \u2014 vom Standpunkt der oben erw\u00e4hnten Annahme aus erkl\u00e4rt. Bei sehr geringen Beleuchtungsgraden und nach hinl\u00e4nglicher Dunkeladaptation stimmten die Sehsch\u00e4rfen des Normalen und des Zapfenblinden wesentlich miteinander \u00fcberein, weil bei beiden nur der St\u00e4bchenapparat t\u00e4tig war. Sobald die Beleuchtung von solcher St\u00e4rke war, dafs bei dem Normalen der Zapfenapparat mit ins Spiel kam, wuchs die Sehsch\u00e4rfe des Normalen bei zunehmender Beleuchtung schneller an. Das Anwachsen der Sehsch\u00e4rfe des Zapfenblinden erstreckte sich bis zu einer geringeren Beleuchtungsst\u00e4rke als dasjenige der Sehsch\u00e4rfe des Normalen, weil der erstere bereits bei solchen Helligkeiten, die dem Normalen noch ganz ertr\u00e4glich waren, durch die zu hohe St\u00e4rke der Eindr\u00fccke bel\u00e4stigt und gest\u00f6rt wurde.\nWas die Abh\u00e4ngigkeit der Sehsch\u00e4rfe von der Lokalit\u00e4t der gereizten Netzhautstelle anbelangt, so hat sich bei den bisher dar\u00fcber angestellten Versuchen von Heeing und Hess, E. Pel\u00fcgee, Uhthofe und Geuneet ergeben, dafs die Sehsch\u00e4rfe des Zapfenblinden bei abnehmender Exzentrizit\u00e4t bis zu einem bestimmten Abstande vom Netzhautzentrum hin in \u00e4hnlicher Weise wie die normale Sehsch\u00e4rfe ansteigt, wobei sie innerhalb gewisser Grenzen (z. B. zwischen 70\u00b0 und 50\u00b0) mit letzterer ann\u00e4hernd \u00fcbereinstimmen kann, sonst aber hinter derselben zur\u00fccksteht. Da die periphere Hellsehsch\u00e4rfe und Dunkelsehsch\u00e4rfe des Normalen bis zu einer gewissen Entfernung vom Netzhautzentrum hin nicht betr\u00e4chlich voneinander abweichen1 und man aufserdem mit Geuneet geltend machen kann,\n1 von Kries und Buttmann fanden sogar, dafs beide Sehsch\u00e4rfen innerhalb des vom blinden Fleck bis zur \u00e4ufsersten Peripherie reichenden Bezirkes des temporalen Gesichtsfeldes miteinander \u00fcbereinstimmten.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nGr. E. M\u00fcller.\ndafs der St\u00e4bchenapparat, wenn er lebensl\u00e4nglich der einzige Vermittler des Gesichtssinns sei, vielleicht durch \u00dcbung eine h\u00f6here Sehsch\u00e4rfe erlangt hat, als er im normalen Auge besitzt, so l\u00e4fst sich das soeben erw\u00e4hnte Verhalten der peripheren Sehsch\u00e4rfe des Zapfenblinden vom Standpunkte der hier in Rede stehenden Hypothese aus unschwer verstehen. Bei gr\u00f6fserer Ann\u00e4herung an das Netzhautzentrum, in dem Bereiche, wo die relative Zahl der Zapfen eine bedeutend gr\u00f6fsere ist und die Sehsch\u00e4rfe des Normalen einen schnellen Aufschwung nimmt, bleibt, wie zu erwarten, die Sehsch\u00e4rfe des Zapfenblinden \u00e4hnlich wie die normale Dunkelsehsch\u00e4rfe immer mehr hinter der normalen Hellsehsch\u00e4rfe zur\u00fcck, um in einer Anzahl von F\u00e4llen von einem etwa bei 7\u00b0 bis 3\u00b0 gelegenen Punkte ab bei weiter abnehmender Exzentrizit\u00e4t \u00fcberhaupt kein sicher erkennbares Wachstum mehr zu zeigen. In manchen F\u00e4llen nimmt sie in der Netzhautgrube den bei einem Ausfall der Zapfenfunktion zu erwartenden Wert 0 an, aber nur in manchen F\u00e4llen. In einer anderen Anzahl von F\u00e4llen hat sich trotz aller darauf gerichteter Bem\u00fchungen ein solches zentrales Skotom nicht feststellen lassen, und man hat gemeint, dafs hierdurch eine gewisse Schwierigkeit f\u00fcr die Annahme gegeben sei, nach welcher es sich bei dieser Form der totalen Farbenblindheit um einen Ausfall des Zapfenapparates oder wenigstens seiner Funktion handeln soll.\nEine wesentliche Schwierigkeit entspringt ferner f\u00fcr jene Hypothese aus der Lichtscheu der Zapfenblinden, falls man jene, wie mir meist der Fall zu sein scheint, in dem Sinn vertritt, es liege ein Ausfall des Zapfenapparates oder wenigstens seiner Funktion vor, w\u00e4hrend sich der St\u00e4bchenapparat in ganz derselben Weise wie bei den Normalen verhalte. Es ist hervorzuheben, dafs die Lichtscheu im allgemeinen ein sogar sehr auff\u00e4lliges Symptom der Zapfenblindheit ist. Sie verleiht dem Zapfenblinden \u201eden eigenartigen Gesichtsausdruck, die Stirn ist gerunzelt, die Augenbrauen zusammengezogen, die Lidspalte verkleinert und der Kopf nach vorn geneigt Diese Lichtscheu steigert sich mit der Beleuchtungsintensit\u00e4t und h\u00f6rt auf bei herabgesetzter Beleuchtung.\u201c Es w\u00fcrde ein Irrtum sein, zu meinen, diese Lichtscheu entspringe lediglich aus der Erkenntnis der Zapfenblinden, dafs nach der Einwirkung hellen Lichtes ihre Sehf\u00e4higkeit beeintr\u00e4chtigt sei. Sie f\u00fchlen sich vielmehr bereits w\u00e4hrend der Einwirkung st\u00e4rkerer, aber f\u00fcr Normale noch ganz","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n13\ngut ertr\u00e4glicher Helligkeiten bel\u00e4stigt oder wenigstens in ihrer Sehf\u00e4higkeit gest\u00f6rt. So bemerkt Gkunert : \u201eDie von mir Untersuchten konnten zwar beliebig lange ins Licht schauen, gaben aber meistens an, ein unangenehmes schmerzhaftes Gef\u00fchl dabei zu haben.\u201c Hering berichtet \u00fcber den von ihm untersuchten Zapfenblinden: \u201eHelles Licht bel\u00e4stigt ihn. Bei grofser Helligkeit. tritt Flimmern und Verschwimmen der Sehobjekte ein.\u201c Ein von Uhthoef untersuchter Zapfenblinder erkl\u00e4rt mit Bestimmtheit, \u201edafs es einerseits die Herabsetzung der Sehsch\u00e4rfe bei voller Beleuchtung sei, die er so unangenehm empfinde, es sei, als ob sich ein Schleier \u00fcber die gesehenen Objekte lagere . . . auf der anderen Seite aber empfinde er auch ein sehr unangenehmes Gef\u00fchl von Blendung bei heller Beleuchtung und zwar gelegentlich in dem Mafse, dafs seine Augen direkt zu tr\u00e4nen anfingen. Der von A. v. Hippel untersuchte Zapfenblinde hatte \u201eein unangenehmes Gef\u00fchl von starker Blendung\u201c, wenn er ein auf geschlagenes Buch, das auf dem Fensterbrett eines von diffusem Tageslichte beleuchteten Zimmers lag, von oben betrachtete. Eine von Pel\u00fcger untersuchte Farbenblinde erkl\u00e4rte, sie m\u00fcsse bei Tage die Augen zukneifen, weil ihr sonst alle Gegenst\u00e4nde als weifs erschienen. Und auch die von May und Nagel untersuchte Zapfenblinde, welche die helle Milchglasglocke eines Auerbrenners ohne Schmerzen aus n\u00e4chster N\u00e4he anzublicken vermochte 1, erkl\u00e4rte nach dem von May Mitgeteilten, sie f\u00fchle sich bei der hellen Sonnenstrahlung der bestehenden Jahreszeit (April) stark geblendet; es walle ihr st\u00e4ndig ein weifser Nebel vor dem Auge, ohne dafs ihr diese Blendung Schmerzgef\u00fchl bereite. L\u00e4ge also wirklich bei diesen Totalfarbenblinden ein normal fungierender St\u00e4bchenapparat vor, so h\u00e4tten wir zu erwarten, dafs auch alle \u00fcber einen normalen St\u00e4bchenapparat verf\u00fcgenden Farbent\u00fcchtigen beim S.ehen ins Helle ein Flimmern und Verschwimmen der Sehobjekte oder einen wallenden Nebel zu konstatieren haben, und sehr viele von ihnen beim Anblicken von hellen weifsen Gegenst\u00e4nden Blendungsschmerzen empfinden, und die meisten von ihnen es vorziehen sich im Hellen mit zugekniffenen Augen und nach vorn geneigtem Kopfe zu bewegen. Es ist also die Annahme ganz aus-\n1 Ebenso wie bei den Farbent\u00fcchtigen individuelle Unterschiede betreffs der Lichtst\u00e4rke bestehen, bei der soeben Blendung empfunden wird, gilt Entsprechendes auch f\u00fcr die St\u00e4bchenseher.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nG. E. M\u00fcller.\ngeschlossen, dafs der St\u00e4bchenapparat bei den Zapfenblinden in ganz gleicher Weise fungiere wie bei den Normalen.1\nVon vielen Zapfenblinden wird berichtet, dafs sie sich schneller an das Dunkel adaptiert h\u00e4tten, als die zum Vergleich herangezogenen Normalen.2 Man hat dies darauf zur\u00fcckf\u00fchren wollen, dafs die Zapfenblinden schon von vornherein mehr dunkeladaptiert seien als die Normalen, weil sie sich durch Zukneifen der Augenlider, Abwenden des Kopfes und dgl. gegen st\u00e4rkere Lichtreize zu sch\u00fctzen pflegen. Demgegen\u00fcber macht R\u00f6nne geltend, das seine Zapfenblinde in dem hellen Untersuchungszimmer die Augen ganz aufgemacht habe und es daher mit Sicherheit ausgeschlossen sei, die bedeutend schnellere Dunkeladaptation dieser Totalfarbenblinden in der soeben angedeuteten Weise zu erkl\u00e4ren.\nBei den Versuchen, die K\u00f6nig in Verbindung mit Brodhun \u00fcber die Empfindlichkeit f\u00fcr Unterschiede der Lichtst\u00e4rke anstellte, ergab sich bei Wahl angemessener Beleuchtungseinheiten f\u00fcr die verschiedenen Spektralfarben, dafs bei den niederen Helligkeiten, bei denen die Unterschiedsempfindlichkeit nur gering war, den kleineren Wellenl\u00e4ngen (505, 470 und 430 tup) eine bedeutend\n1\tIch habe die obige ziemlich ausf\u00fchrliche Zusammenstellung \u00fcber die Lichtscheu der St\u00e4bchenseher gegeben, um in etwas nachdr\u00fccklicher Weise zu zeigen, dafs es nicht angeht, diese Lichtscheu im Sinne des von v. Kries in Nagels Handb. der Physiol. 3, S. 191 f. Bemerkten als eine Erscheinung aufzufassen, die lediglich auf der gr\u00f6fseren Ir\u00e4gheit der D\u00e4mmerungsorgane und auf einer besonders hohen lokalen Adaptationsf\u00e4higkeit dieser Organe beruhe.\n2\tin dem Falle von Paul bestand bereits nach 3\u20144 Minuten vollst\u00e4ndige Dunkeladaptation (Reizschwelle am F\u00f6RSTERSchen Photometer ca. 1 mm). Stellt man in der \u00fcblichen Weise Versuche dar\u00fcber an, wieviel Zeit einerseits ein Zapfenblinder und anderseits ein Normaler braucht, um nach Verdunkelung des Zimmers gewisse Objekte, z. B. auf schwarzem Grunde liegende weifse Scheibchen, zu erkennen, so kann der Vorteil, den der Zapfenblinde durch seine schnellere Dunkeladaptation besitzt, unter Umst\u00e4nden durch seine geringere Sehsch\u00e4rfe, durch seine geringere \u00dcbung in derartigen Beobachtungen, durch den nachteiligen Einflufs des Nystagmus u. dgl. in gewissem Grade ausgeglichen werden. Auch ist nicht zu \u00fcbersehen, dafs die Empfindlichkeit des Dunkelauges nicht blofs von der vorhandenen Sehpurpurmenge, sondern auch von der vorhandenen Menge des erregbaren Materiales, auf welches der Sehpurpur als Sensibilisator wirkt, abh\u00e4ngig ist. Selbstverst\u00e4ndlich bestehen auch hinsichtlich der Menge dieses Materials individuelle Verschiedenheiten.","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\t15\ngeringere relative Unterschiedsschwelle zugeh\u00f6rte als den gr\u00f6fseren Wellenl\u00e4ngen (670, 605 und 575^), dagegen von einem gewissen Gebiete mittlerer Lichtst\u00e4rken ab die relative Unterschiedsschwelle f\u00fcr die verschiedenen Wellenl\u00e4ngen merkbar dieselbe war und zwar bei fortgesetzter Steigerung der Helligkeit sich zun\u00e4chst noch weiter verringerte. Diese Versuchsresultate sind offenbar in folgender Weise zu erkl\u00e4ren. Bei niederen Helligkeiten ist wesentlich der St\u00e4bchenapparat f\u00fcr das Verhalten der Unterschiedsempfindlichkeit mafsgebend, und zwar ergibt er ge-m\u00e4fs seiner gr\u00f6fseren Empf\u00e4nglichkeit f\u00fcr die kurzwelligen Lichter f\u00fcr diese die feinere Unterschiedsempfindlichkeit. Bei h\u00f6heren Helligkeiten dagegen ist der Zapfenapparat, dem die feinere Unterschiedsempfindlichkeit zugeh\u00f6rt, der mafsgebende. Hiernach entspricht es nicht ganz demjenigen, was wir nach der Annahme, der St\u00e4bchenapparat verhalte sich bei den Zapfenblinden ebenso wie bei den Normalen, zu erwarten haben, wenn uns mitgeteilt wird, bei Beschr\u00e4nkung auf diejenigen Helligkeiten, welche dem Zapfenblinden nicht durch zu grofse St\u00e4rke l\u00e4stig seien, zeige sich bei ihm eine \u201efast normale\u201c oder \u201emindestenz normale\u201c Unterschiedsempfindlichkeit oder eine solche, durch welche er \u201edem normalen Auge deutlich \u00fcberlegen ist.\u201c\nDer Nystagmus, der in den meisten F\u00e4llen von Zapfenblind-heit sich findet, zuweilen im Verlaufe der Jahre sich verringert oder ganz schwindet, bereitet der Hypothese, dafs der hier in Rede stehende Typus totaler Farbenblindheit auf einem Ausf\u00e4lle der Zapfenfunktion beruhe, keine weiteren Schwierigkeiten. Er wird vom Standpunkte dieser Hypothese aus auf doppelte Weise erkl\u00e4rt. Einerseits weist man darauf hin, dafs dem Zapfenblinden eine zum scharfen Sehen ganz besonders bef\u00e4higte Netzhautstelle fehle, was verst\u00e4ndlich mache, dafs die Blickrichtung schnell und h\u00e4ufig gewechselt werde.1 Anderseits macht man geltend, dafs die\n1 Schon K\u00f6nig erkl\u00e4rte die Tatsache, dafs in einem von ihm beobachteten Falle von Zapfenblindheit, in dem anscheinend ein zentrales Skotom bestand, der Nystagmus fehlte, daraus, dafs in diesem Falle eine bestimmte Randstelle als gut ausgebildeter Fixationspunkt gedient habe. Auf das Fehlen eines Netzhautzentrums von h\u00f6herer Sehsch\u00e4rfe wird auch der Nystagismus der Albinos von Elschnig (Arch. f. Ophth. 84-, 1913, S. 401ff.) zur\u00fcckgef\u00fchrt. Auch in dem von Seefelder (ebenda 70, 1909, S. 65 ff.) und in dem von Holm (Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. 66, 1921, S. 730ff.) beschriebenen Falle von Aniridie war das Fehlen eines Netzhautzentrums von fovealer Beschaffenheit mit Nystagmus verbunden.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nG. E. M\u00fcller.\nHin- und Herbewegungen der Augen dazu dienten, eine st\u00e4rkere Erm\u00fcdung einzelner Netzhautstellen der ja schon bei gew\u00f6hnlicher Tagesbeleuchtung unter Blendung und Nachbildern leidenden Sehorgane zu verhindern.\nAls eine Best\u00e4tigung der obigen Hypothese hat v. Kries {Zeit-sehr. f. Psychol. 82, 1903 S. 113 ff.) mit Recht auch das Verhalten angef\u00fchrt, das die Verschmelzungsfrequenz bei den St\u00e4bchensehern zeigt. Eine Rotationsscheibe mit abwechselnd weifsen und schwarzen Sektoren h\u00f6rt nachweislich beim Sehen mit dunkeladaptatierten Augen bei einer geringeren Umdrehungsgeschwindigkeit zu flimmern auf als dann, wenn sie bei gleicher subjektiver Helligkeit mit hell adaptatierten Augen betrachtet wird. Uhthofe erhielt nun laut dem von v. Kries Mitgeteilten bei hierher geh\u00f6rigen Versuchen folgende interessanten Resultate. Im Hellen verschwand das Flimmern f\u00fcr die untersuchten Zapfenblinden bei einem 22\u201426 maligen Wechsel von Hell und Dunkel pro Sekunde, f\u00fcr die normalen Vergleichspersonen dagegen bei einem ungef\u00e4hr 3 mal schnelleren Wechsel. War die Beleuchtung stark herabgesetzt worden (auf ca. 1 Meterkerze), so zeigte sich die Verschmelzungsfrequenz f\u00fcr die Totalfarbenblinden nicht wesentlich ge\u00e4ndert, dagegen besafs sie nun f\u00fcr die Normalen ungef\u00e4hr denselben Wert wie f\u00fcr die Zapfenblinden. Derartige b\u00e4lle weisen doch recht deutlich darauf hin, dafs bei den St\u00e4bchensehern der Dunkelapparat mit seiner geringeren Verschmelzungsfrequenz auch im Hellen der ausschliefslich oder wenigstenz ganz vorwiegend mafsgebende Apparat ist, w\u00e4hrend bei den Normalen bei wachsender Beleuchtungsst\u00e4rke der Zapfenapparat mit seiner h\u00f6heren Verschmelzungsfrequenz immer mehr das \u00dcbergewicht erlangt. Nagel gibt an, dafs er die Resultate von Uhthoef an der von ihm untersuchten Totalfarbenblinden durchaus best\u00e4tigt gefunden habe. Auch Gertz stellte fest, dafs die Verschmelzungsfrequenz bei gew\u00f6hnlicher Beleuchtung f\u00fcr die von ihm beobachtete Totalfarbenblinde h\u00f6chstens halb so grofs war wie f\u00fcr ihn selbst.\n\u00a7 2. Die Zapfent\u00e4tigkeit \u00fcbt einen hemmenden Einflufs\nauf die Sehpurpurbildung aus.\nWir gehen nun dazu \u00fcber, zu zeigen, wie die angef\u00fchrten, der Hypothese der Zapfenblindheit anscheinend entgegenstehenden Tatsachen (die Lichtscheu, die schnellere Dunkeladaptation und die hohe Unterschiedsempfindlichkeit der Zapfenblinden, sowie das","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n17\nFehlen eines fovealen Skotoms bei manchen derselben) sich mit dieser Hypothese doch sehr wohl vereinen lassen. Die Lichtscheu Zapfenblinder erkl\u00e4rt sich, wenn man die schon fr\u00fcher (II, S. 168 f.) von mir gemachte Annahme zugrunde legt, dafs bei den Zapfenblinden die Sehpurpurbildung eine viel lebhaftere sei, als sie bei den Normalen unter gleichen Umst\u00e4nden ist. Bei solchem Sachverhalte mufs der St\u00e4bchenapparat der Zapfenblinden auch noch im Hellen reichlich Sehpurpur enthalten, und Helligkeiten, die f\u00fcr die Normalen noch gut ertr\u00e4glich sind, m\u00fcssen bei den Zapfenblinden bereits zu stark erregend wirken. Mit Hilfe jener Annahme begreift sich zweitens auch die Tatsache, dafs die Zapfenblinden im allgemeinen nach k\u00fcrzerer Frist dunkeladaptatiert sind als die Normalen; denn einerseits treten sie im allgemeinen mit einem greiseren Sehpurpurgehalt in das Dunkel ein als die Normalen, und anderseits geht bei ihnen auch w\u00e4hrend des Dunkelaufenthaltes die Vermehrung des Sehpurpurs schneller vor sich. Endlich erkl\u00e4rt sich mittels jener Annahme auch die dritte Tatsache, dafs die Zapfenblinden trotz des Umstandes, dafs sie ausschliefs-lich oder (bei Fehlen eines zentralen Skotoms) ganz vorwiegend auf den St\u00e4bchenapparat angewiesen sind, bei Vermeidung der sie blendenden Helligkeiten eine ungef\u00e4hr normale Unterschiedsempfindlichkeit besitzen. Je leistungsf\u00e4higer ein Sehorgan in Beziehung auf die Bildung von Sehpurpur ist, in desto feinerem Mafse wird sein St\u00e4bchenapparat Steigerungen der Lichtst\u00e4rke mit merkbaren Erh\u00f6hungen der Erregung zu folgen verm\u00f6gen. Auf der hochgradigeren Erregbarkeit des St\u00e4bchenapparates beruht vielleicht zum Teil auch die Tatsache, dafs in vielen F\u00e4llen von Zapfenblindheit eine Verk\u00fcrzung des Spektrums nicht konstatiert werden konnte. Soweit eine Verk\u00fcrzung angegeben wird, betrifft dieselbe, wie zu erwarten, entweder nur das langweilige Ende oder beide Enden zugleich.\nEs erhebt sich nun die Frage, welche die Ursache davon sei, dafs bei den Zapfenblinden die Sehpurpurbildung viel lebhafter vor sich geht wie bei den Normalen. Einer biologischen Betrachtungsweise kann folgende Antwort auf diese Frage ansprechend erscheinen. Es w\u00fcrde recht unzweckm\u00e4fsig sein und eine Stoffvergeudung bedeuten, wenn die der Herstellung und Aufrechterhaltung einer selbst im Dunkeln leistungsf\u00e4higen Lichtempfind-lichkeit dienende Sehpurpurbildung im Hellen mit derselben Leb-\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 54.\t2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nG. E. M\u00fcller.\nhaftigkeit stattf\u00e4nde wie im Dunkeln. Demgem\u00e4fs geht von der Zapfent\u00e4tigkeit, wenigstens dann, wenn sie gewisse Schwellenwerte \u00fcberschreitet, ein hemmender Einflufs auf die Sehpurpurbildung aus, der um so st\u00e4rker ist, je intensiver die Zapfenerregung ist. Dieser hemmende Einflufs auf die Sehpurpurbildung ist nun bei den Zapfenblinden eben infolge des Umstandes, dafs der Zapfenapparat bei ihnen v\u00f6llig oder wenigstens zum weitaus gr\u00f6fsten Teile fehlt oder nicht fungiert, nicht vorhanden, und so kommt es, dafs bei ihnen die Sehpurpurbildung unter allen Umst\u00e4nden, wo der Zapfenapparat der Normalen eine einen gewissen Schwellenwert \u00fcbersteigende Erregung erf\u00e4hrt, lebhafter ausf\u00e4llt wie bei diesen und zwar in um so h\u00f6herem Grade, je st\u00e4rker die Zapfenerregung ist. Wenn die Sehpurpurbildung bei den Zapfenblinden auch noch nach dem Eintritte in das Dunkle schneller vor sich geht wie bei den Normalen, so hat man dies darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dafs bei den letzteren die von der Zapfent\u00e4tigkeit ausgehende Hemmung die Lichteinwirkung noch eine gewisse Zeit lang \u00fcberdauert.\nEine Best\u00e4tigung der hier gemachten Annahme einer von der Zapfent\u00e4tigkeit ausgehenden Hemmung des St\u00e4bchenapparates bietet uns das Verhalten der Kopff\u00fcfser dar. Ihr Sehorgan ist ein solches, das nur einen St\u00e4bchenapparat, dem allerdings gewisse Besonderheiten eigent\u00fcmlich sind, nicht aber auch einen Zapfenapparat enth\u00e4lt. Was nun das Benehmen dieser Tiere gegen\u00fcber st\u00e4rkeren Helligkeiten betrifft, so gibt nach dem von Hess (Pfl\u00fcgers Arch. 109, 1905, S. 401) Mitgeteilten Beer an, \u201edafs die litoralen Cephalopoden in einem hellen^ Baume die Pupillen geschlossen haben ; selbst in einem m\u00e4fsig hellen Raume erinnere er sich Octopus macropus tags\u00fcber nie anders gesehen zu haben als mit festverschlossener Pupille und auch Sepia und Eledone nie mit weit offener, meist mit schmalspaltiger.\u201c Hess best\u00e4tigt diese Beobachtungen von Beer und macht gegen\u00fcber der Bemerkung des Letzteren, dafs die Pupillen der pelagischen Cephalo-podenarten wie Illex, Loligo u. a. sich auch im hellen Lichte nicht schl\u00f6ssen, die Tatsache geltend, dafs er wiederholt gesehen habe, dafs frische und lebhafte Exemplare von Loligo nicht nur an der Sonne, sondern auch bei diffusem Tageslicht ihre Iris derart zusammenzogen, dafs von der Pupille so gut wie nichts zu sehen war. Erst wenn die Tiere anfingen matt zu werden, habe er auch bei direkter Besonnung die Pupillen offen gefunden*","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\t19\nEr f\u00fcgt hinzu, dafs er bei Sepia mehrfach beobachtet habe, dafs die Tiere in dem der Sonne ausgesetzten Bassin sich so drehten, dafs m\u00f6glichst wenig Licht in die Augen fiel. Wir finden also, dafs die Cephalopoden sich im Hellen ganz \u00e4hnlich benehmen wie die Zapfenblinden, oder umgekehrt, dafs diese ein \u00e4hnliches Benehmen zeigen, wie jene nur \u00fcber einen St\u00e4bchenapparat verf\u00fcgende Tiere. Man mufs zugeben, dafs dieser Tatbestand zu-Gunsten der Ansicht spricht, dafs die Zapfenerregungen einen hemmenden Einflufs auf die Sehpurpurbildung aus\u00fcben, und dafs die Lichtscheu der Zapfenblinden auf einem Ausf\u00e4lle der Zapfent\u00e4tigkeit und ihres die Sehpurpurbildung z\u00fcgelnden Einflusses beruhe. Die Kopff\u00fcfser sind \u00fcbrigens dem Lichte gegen\u00fcber doch besser gestellt als die Zapfenblinden, insofern in ihren Augen bei Andauer einer st\u00e4rkeren Helligkeit eine sehr ausgiebige, unter Umst\u00e4nden selbst die dem Lichte zugewandten Endteile der St\u00e4bchen verh\u00fcllende Pigmentverschiebung Platz greift.\nWie ich dem von Garten (S. 105) Mitgeteilten entnehme, geh\u00f6ren auch die Haie zu den eines Zapfenapparates ermangelnden Tieren. Anderseits finde ich bei Hess (S. 170) die zu dem Vorstehenden gut stimmende Bemerkung, dafs sich bei manchen Haien selbst auf verh\u00e4ltnism\u00e4fsig schwache Belichtung die Pupille vollst\u00e4ndig oder nahezu vollst\u00e4ndig schliefse.\nNach der hier vertretenen Auffassung ist zu erwarten, dafs in pathologischen F\u00e4llen, wo der Zapfen apparat stark gesch\u00e4digt, der St\u00e4bchenapparat aber unversehrt oder bedeutend weniger beeintr\u00e4chtigt ist, der letztere Apparat sich beim Tagessehen mehr, als unter normalen Verh\u00e4ltnissen der Fall ist, geltend machen wird, dafs mehr oder weniger abgeschw\u00e4cht die Symptome der Zapfenblindheit zur Beobachtung kommen werden. Vor kurzem hat G. Lenz (Zeitschr. f. d. ges. Neurol, und Psych. 71, 1921, S. 137 ff.) einen hierher geh\u00f6rigen Fall ver\u00f6ffentlicht. Es handelt sich um eine Sch\u00e4digung zentralen Ursprungs (Erweichungsherde in der Sehrinde und in der Gegend der Sehstrahlung), betreffs deren dahingestellt bleibt, wie weit sich die von ihr ausgehenden funktionellen St\u00f6rungen p\u00e9riph\u00e9riew\u00e4rts erstreckt haben. Die Lichtreaktion der Pupille fehlte. Das rechte Auge, in dem ein zentrales absolutes Skotom von 10\u00b0 Ausdehnung bestand, war st\u00e4rker betroffen. Patient klagte schon bei gew\u00f6hnlicher Beleuchtung \u00fcber starkes Blendungsgef\u00fchl, so dals \u201edie Helligkeit ihm die Augen zudr\u00fcckte.\u201c Bei voller Tagesbe-","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\n\u00f4. E. M\u00fcller.\nleueiitung war seine (mit der Massonsehen Scheibe gepr\u00fcfte) Unterschiedsempfindlichkeit geringer als die normale, und die Pr\u00fcfung der Sehsch\u00e4rfe ergab rechts Fingerz\u00e4hlen in 1/2 m, links in 2 m Entfernung. Bei herabgesetzter Beleuchtung war die Sehsch\u00e4rfe besser, unter g\u00fcnstigsten Bedingungen gleich ein Drittel. Bei Rotation einer mit weifsen und schwarzen Sektoren versehenen Scheibe war die Stetigkeit der Empfindung f\u00fcr den Patienten bei einer Umdrehungsgeschwindigkeit erreicht, bei welcher der Normale noch den Eindruck starken Flimmerns hatte. Die hellste Stelle des Spektrums war auffallend weit nach dem kurzwelligen Ende hin verschoben, sie lag im Gr\u00fcn, f\u00fcr das weniger betroffene linke Auge in der vom Gelbgr\u00fcn bis zum Gr\u00fcn sich erstreckenden Region. Die Pr\u00fcfung der Dunkeladaptation mittels des F\u00f6\u00dfSTE\u00dfschen Photometers ergab, dafs der Pat. selbst nach langer Adaptation nicht die Empfindlichkeit des Normalen erreichte. Es bleibt dahingestellt, inwieweit mangelnde \u00dcbung hierbei im Spiele war. Lenz selbst bemerkt bereits, dafs die \u00dcbereinstimmung des Falles mit der kongenitalen Farbenblindheit vom Standpunkte der Duplizit\u00e4tstheorie aus zu der Annahme berechtige, \u201edafs im vorliegenden Fall durch einen pathologischen Hirn-prozefs in erster Linie die Funktion des Zapfensystems als besonders empfindlich schwer gesch\u00e4digt, bezw. zeitweilig v\u00f6llig ausgeschaltet wurde . . . Das St\u00e4bchensystem erscheint wesentlich widerstandsf\u00e4higer; die nicht sehr hochgradige Sch\u00e4digung der Adaptation deutet jedoch darauf hin, dafs auch hier eine leichte Hemmung der Reizleitung, bzw. Perzeption vorliegt.\u201c\nFerner findet sich bei Behr (S. 241 ff.) die Beschreibung eines Falles, in dem nach einem Unf\u00e4lle (Sturze) in dem erhaltenen Teile des Gesichtsfeldes \u201enormale Dunkeladaptation\u201c neben einer Minderwertigkeit des Zapfenapparats (herabgesetzte Sehsch\u00e4rfe) bestanden habe. Der Patient gab an, \u201edafs er im Halbdunkeln besser s\u00e4he als im Hellen, dafs er geblendet w\u00fcrde, wenn er aus dem Dunkeln ins Helle tritt, und dafs er zun\u00e4chst nichts erkennen k\u00f6nne.\u201c Und neuerdings hat auch Kroh (II) \u00fcber einen Fall berichtet, in dem neben einer mangelhaften Funktion des Zapfenapparates ein \u00dcberfunktionieren des Apparates der Dunkeladaptation bestand.\nWas nun die weitere Frage anbelangt, auf welchem Wege die Zapfent\u00e4tigkeit einen hemmenden Einflufs auf die Sehpur-","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n21\npurbildung aus\u00fcbe, so wird man zu der Ansicht geneigt sein, dafs diese Hemmung mittels nerv\u00f6ser Bahnen zustande komme, die von irgendeiner Zone der Zapfenbahn aus zu den St\u00e4tten der Sehpurpurbildung hinf\u00fchren. Legt man diese Annahme zugrunde, so liegt es nahe, auch den von Piper festgestellten langsamen Anstieg, den die Lichtempfindlichkeit in den ersten ca. 10 Minuten eines nach l\u00e4ngerem Verweilen im Hellen eingetretenen Dunkelaufenthaltes nimmt, durch eine Art von Nachwirkung der w\u00e4hrend des vorausgegangenen Hellaufenthaltes seitens der Zapfenerregungen auf den St\u00e4bchenapparat ausge\u00fcbten Hemmung zu erkl\u00e4ren. Dafs der Anfangswert, den die Lichtempfindlichkeit nach Herstellung v\u00f6lligen Dunkels besitzt, und die Steilheit, mit der sie bei Andauer der Dunkelheit ansteigt, von der St\u00e4rke und Zeitdauer der vorausgegangenen Belichtung des Auges abh\u00e4ngen, ist nat\u00fcrlich auch schon von Piper bemerkt worden. Sp\u00e4tere Untersuchungen haben aber in dieser Richtung N\u00e4heres festgestellt. Versuche von Lohmakn (diese Zeitsehr. 41, 1908, S. 290ff.) und von Nicolai und Rabinowitsch (.Zentrc\u00fcbl. f. Physiol., 1907, Nr. 18) haben f\u00fcr den Fall, dafs die Einwirkungszeit der betreffenden Helligkeit eine viertel bis 10 Minuten betr\u00e4gt, die G\u00fcltigkeit folgenden Satzes ergeben: je l\u00e4nger das zun\u00e4chst v\u00f6llig dunkeladaptierte Auge einer bestimmten Helligkeit ausgesetzt ist, desto geringer ist nach wiederhergestelltem Licht-abschlufs nicht blofs der Anfangswert der Lichtempfindlichkeit, sondern auch die Steilheit, mit der diese allm\u00e4hlich wieder ansteigt. Bei einer n\u00e4heren Durchmusterung der Versuchsresultate von Lohmann scheint sich zweitens die G\u00fcltigkeit folgenden Satzes herauszustellen : Die anf\u00e4ngliche Empfindlichkeit und die Steilheit des Empfindlichkeitsanstiegs, die das nach Einwirkung einer bestimmten Helligkeit ins Dunkle gebrachte Auge zeigt, verringern sich bei Verl\u00e4ngerung der Einwirkungszeit dieser Helligkeit mit abnehmender Geschwindigkeit; sie verringern sich z. B. recht deutlich, wenn jene Einwirkungszeit von 1 Minute auf 2 Minuten verl\u00e4ngert wird, dagegen weniger deutlich, wenn dieselbe von 2 Minuten auf 3 Minuten ansteigt. Drittens ergibt sich aus den Versuchen von Lohmann folgendes: Wird ein zun\u00e4chst v\u00f6llig dunkeladaptiertes Auge einer Belichtung von bestimmter Dauer ausgesetzt, so ist die anf\u00e4ngliche Empfindlichkeit und die Steilheit des Empfindlichkeitsanstieges, die das Auge nach Wiederherstellung voller Dunkelheit zeigt, um so geringer,","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nG. E. M\u00fcller.\nje intensiver die Belichtung war.1 Wie zu erwarten, gibt es f\u00fcr jede nach vorheriger v\u00f6lliger Dunkeladaptation auf ein Auge wirkende Helligkeit einen Grenzwert der Einwirkungszeit, dessen \u00dcberschreitung eine weitere Verringerung der Empfindlichkeit, die das Auge nach Wiederherstellung v\u00f6lliger Dunkelheit zeigt, nicht zur Folge hat. Und zwar scheint dieser Grenzwert, was allerdings noch der Best\u00e4tigung bedarf, im Falle geringerer Intensit\u00e4t der einwirkenden Helligkeit bei einer k\u00fcrzeren Be-lichtungsdauer erreicht zu werden als im Falle gr\u00f6fserer Lichtst\u00e4rke.\nSoll nun der im vorstehenden n\u00e4her charakterisierte Einflufs, den Dauer und St\u00e4rke einer Belichtung des Auges auf das bei nachfolgender Dunkeladaptation sich zeigende Verhalten der Lichtempfindlichkeit aus\u00fcben, auf ein Nachwirken der Hemmung zur\u00fcckgef\u00fchrt werden, die w\u00e4hrend der Belichtung die Zapfenerregungen auf die Sehpurpurbildung aus\u00fcbten, so bieten sich von vornherein zwei Annahmen dar. Erstens die Annahme, dafs der durch Erregung des Zapfenapparates entstandene, eine Hemmung der Sehpurpurbildung mit sich f\u00fchrende Zustand gewisser Nervenorgane nach Wiederherstellung Voller Dunkelheit in einer von der St\u00e4rke und Dauer der vorausgegangenen Helligkeit abh\u00e4ngigen Weise noch eine Zeitlang mit abnehmender Intensit\u00e4t perserviere. Die zweite Annahme kn\u00fcpft an die Bemerkung von Teendelenbueg (Ergebnisse der Physiologie, 11, 1911, S. 20 f.) an, dafs man in Beziehung auf das eine nur langsame Sehpurpurbildung zeigende Anfangsstadium der Dunkeladaptation daran denken k\u00f6nnte, ,,dafs zun\u00e4chst nach einer v\u00f6lligen Zersetzung des Sehpurpurs eine gr\u00f6fsere Reihe von Vorstufen bei der Neubildung durchlaufen werden m\u00fcfste, deren Reaktionsgeschwindigkeit nicht betr\u00e4chtlich w\u00e4re.\u201c Nimmt man an, dafs die Erregungen des Zapfenapparates die Bildung einer oder mehrerer Vorstufen des Sehpurpurs nach Mafsgabe ihrer St\u00e4rke und Dauer hemmen, und dafs bei Gegebensein einer Belichtung des Auges die Verh\u00e4ltnisse naturgem\u00e4fs einem station\u00e4ren Zustande zustreben, bei dem die trotz der vorhandenen Hemmung im Zeitelement noch gebildete Menge von Sehpurpur dem Dekremente gleich ist, das der vorhandene Bestand an Sehpurpur im\n1 Hierauf weisen auch Versuchsresultate von St. Schneider ( Wundts Psychol. Studien 7, 1912, S. 226 f.) hin. Man vergleiche hierzu auch Treitel. im Arch. f. Ophth. 33, II, S. 73ff.","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n23\nZeitelemente durch die gegebene Lichteinwirkung erleidet, so lassen sich s\u00e4mtliche oben angef\u00fchrten Gesetzm\u00e4fsigkeiten, welche die Abh\u00e4ngigkeit des Verlaufes der Dunkeladaptation von der vorausgegangenen Lichteinwirkung betreffen, ohne weiteres erkl\u00e4ren.\nTrendelenburg erw\u00e4hnt noch eine zweite Art und Weise, auf die man die Langsamkeit der Sehpurpurbildung im Anfangsstadium der Dunkeladaptation erkl\u00e4ren k\u00f6nnte, indem er am oben angef\u00fchrte Orte folgendermafsen fortf\u00e4hrt: \u201eOder man k\u00f6nnte den ganzen Vorgang als fermentativen Prozefs ansehen und eine direkte Sch\u00e4digung des etwa vom Pigmentepithel gelieferten Fermentes oder seiner Vorstufe durch das Licht annehmen. Sch\u00e4digende Wirkungen des Lichtes auf Fermente sind ja auch sonst bekannt.\u201c Jede derartige Annahme, nach welcher die im Hellen bestehende Hemmung der Sehpurpurbildung direkt von dem Licht selbst ausgeht und nicht erst durch den Zapfenapparat vermittelt wird, kann f\u00fcr uns nicht in Betracht kommen, weil ja nach einer solchen Annahme zu erwarten ist, dafs jene Hemmung der Sehpurpurbildung sich auch bei den Zapfenblinden finde. Auch bleiben F\u00e4lle wie der oben angef\u00fchrte Lenz-sche Fall bei einer solchen Annahme unerkl\u00e4rbar.\nEs ist hier der Ort, auf die Anschauungen einzugehen, welche Behr (S. 201 ff.) \u00fcber die Entstehung der bei vorhandener Lichteinwirkung stattfindenden Hemmung der Sehpurpurbildung entwickelt hat. Derselbe fand, dafs die Dunkeladaptation eines Auges durch gleichzeitige kontinuierliche Belichtung des anderen Auges im Sinne einer langsameren Zunahme und geringeren Anstiegsh\u00f6he der Erregbarkeit stark beeinflufst werde, und zwar zeige sich diese Beeintr\u00e4chtigung der Dunkeladaptation nur an denjenigen Netzhautstellen des dunkel gehaltenen Auges, denen identische Netzhautstellen des anderen Auges zugeh\u00f6ren, dagegen nicht in den peripheren nasalen Netzhautteilen des ersteren Auges, f\u00fcr welche korrespondierende Netzhautteile des belichteten Auges nicht vorhanden sind. Auf Grund dieser Versuchsresultate, sowie gewisser Ergebnisse der klinischen Untersuchung nimmt Behr an, \u201edafs die St\u00e4bchenfunktion bzw. die Regeneration des Sehpurpurs von einem h\u00f6heren, mutmafslich zwischen Tractus opticus und der intrazerebralen Leitungsbahn gelegenen Zentrum aus geleitet wird\u201c. Durch Vermittlung dieses Zentrums sollen bei Versuchen der erw\u00e4hnten Art die erregten St\u00e4bchen des belichteten Auges","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nG. E. Millier.\neinen hemmenden Einflnfs auf die Sehpurpurbildung des anderen Auges aus\u00fcben.\nDie hier erw\u00e4hnten Versuchsresultate von Behe widersprechen den Ergebnissen von, allerdings in weniger zweckm\u00e4fsiger Weise angestellten, Versuchen Pipers {Zeitsehr. f. Psychol. 31, 1903, S. 205ff.), welcher fand, dafs die Adaptation jedes Auges sich ganz unabh\u00e4ngig von dem Erregungszustand des anderen vollziehe. 1 Sie sind aber, wie ich einem Referate der Klin. Monatsbl. f. Augen-heilk. (67, 1921, S. 480) entnehme, von Rutgers best\u00e4tigt worden. Dieser wendet sich indessen gegen die Deutung, welche Behr seinen Versuchsresultaten gegeben hat, indem er geltend macht, \u201edafs man bei diesen Versuchen immer binokular sieht, und dafs der Stoffwechsel des helladaptatierten Auges so rege ist, dafs die Nachwirkung gen\u00fcgt, um die schwierigen Schwellenwertbestimmungen des Dunkelauges zu st\u00f6ren.\u201c Behr hat geglaubt, diesen Einwand durch einen Hinweis auf von ihm selbst (S. 276) best\u00e4tigt gefundenen Versuche von R\u00e9v\u00e9cz auszuschliefsen, bei denen sich ergab, dafs die Bestimmung der Schwelle f\u00fcr ein dunkeladaptiertes Auge durch eine w\u00e4hrend der Schwellenbestimmung das andere Auge treffende Lichtreizung nicht in einer gesetz-m\u00e4fsigen Weise beinflufst wird.\nStargardt (Zeitschr. f. Augenheilk. 33, 1915, S. 150 f.) hat gegen die hier in Rede stehende Annahme von Behr eingewandt, dafs, wie ihm geeignete Versuche gezeigt h\u00e4tten, beim Kaninchen die Sehpurpurbildung durch Durchschneidung des Optikus keineswegs beeintr\u00e4chtigt werde. Hieraus sowie aus entsprechenden Beobachtungen anderer Forscher ergebe sich wohl einwandfrei, \u201edafs von einer Beeinflussung der Sehpurpurbildung vom Gehirn aus keine Rede sein kann, wenigstens nicht, soweit dabei Bahnen in Betracht kommen, die im Optikus verlaufen.\u201c\nSieht man den oben erw\u00e4hnten, von Rutgers erhobenen\n1 Auch K\u00fchne (S. 325) bemerkt, dafs Reizung des anderen Auges die Regeneration des Sehpurpurs nicht beeinflusse. Hierbei handelt es sich indessen, wie ich anderweiten Mitteilungen desselben (Unters, aus dem physiol. Instit. d. Universit\u00e4t Heidelberg, II, S. 226 ff.) entnehme, um Versuche an dem sehr zapfenarmen Kaninchenauge. An diesem d\u00fcrften auch die am selben Ort von K\u00fchne erw\u00e4hnten Versuche angestellt worden sein, bei denen die Regeneration des Sehpurpurs an einer Netzhautstelle sich von der Belichtung benachbarter Stellen unabh\u00e4ngig zeigte.","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n25\nEin wand als erledigt an1, so ist von unserem Standpunkt aus nat\u00fcrlich zu vermuten, dafs die Hemmung, auf welche Behrs Versuchsresultate hindeuten, nicht von den St\u00e4bchen, sondern von den Zapfen des belichteten Auges ausgehe.2 Was das von Stargardt Bemerkte anbelangt, so w\u00fcrde es sich nach unserer Ansicht nicht um ein im Gehirn gelegenes Zentrum handeln, welches die Sehpurpurbildung \u201eanregt\u201c oder \u201ehervorruft\u201c, sondern nur um ein solches, das dieselbe in einer von dem jeweiligen Stande der Zapfenerregungen abh\u00e4ngigen Weise hemmend reguliert. Eine Durchschneidung des Optikus mufs nach dieser Ansicht nichts weniger als ein Aufh\u00f6ren der Sehpurpurbildung zur Folge haben.\nBetrachtet man den Einwand von Rutgers als unstichhaltig, so ist ferner durch die Tatsache, dafs nach den Versuchen von Behr die Dunkeladaptation derjenigen Partien einer Netzhaut, f\u00fcr die es keine korrespondierenden Teile der anderen Netzhaut gibt, durch eine Belichtung des anderen Auges nicht merkbar beeinflufst wird, folgende n\u00e4here Formulierung unserer Ansicht gegeben: Der hemmende Einflufs auf die Sehpurpurbildung, der von der Erregung eines Zapfens oder Zapfenkomplexes ausgeht, ist f\u00fcr eine Netzhautpartie um so schw\u00e4cher, je wTeiter sie von dem Zapfen oder Zapfenkomplexe, bzw. von der demselben korrespondierenden Stelle der anderen Netzhaut entfernt ist. Man kann meinen, die Tatsache, dafs es so schwierig ist, in der Netzhautperipherie eine volle Helladaptation herzustellen, beruhe nicht blofs darauf, dafs aus bekanntem Grunde die Netzhautperipherie den Lichtausstrahlungen der Gesichtsobjekte nur in beschr\u00e4nktem Mafse zug\u00e4nglich ist, sondern auch darauf, dafs der hemmende Einflufs der Zapfenerregungen auf die Sehpurpurbildung in der Netzperipherie wegen der geringeren Zahl und minderen Leistungsf\u00e4higkeit der daselbst befindlichen Zapfen ein geringerer ist.\n1\tAus den Versuehsresultaten, die Lohmann {Arch. f. Augenheilk. 80, 1916, S. 211) gegen Behrs Versuchsergebnisse anf\u00fchrt, l\u00e4fst sich in Wirklichkeit in Beziehung auf diese gar nichts folgern. Es handelt sich da um zwei verschiedene Fragestellungen.\n2\tEs ist w\u00fcnschenswert, dafs auch an Zapfenblinden Versuche dar\u00fcber angestellt werden, ob die Dunkeladaptation des einen Auges durch die Belichtung des anderen beeinflufst wird.","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nG. E. M\u00fcller.\nBehr (S. 278 f.) hat noch eine andere hier zu erw\u00e4hnende Hypothese aufgestellt. Er weist auf gewisse Versuchsresultate von Lodato hin, aus denen sich zu ergeben scheine, dafs durch eine ausgiebige Helladaptation die bei Dunkelaufenthalt alkalische oder neutrale chemische Reaktion der Netzhaut in eine saure umgewandelt werde. Da es nun eine bekannte physiologische Tatsache sei, dafs der Sehpurpur am leichtesten durch S\u00e4uren zersetzt wird, so liege es nahe, wenigstens bis auf weiteres in dieser sauren Reaktion der Netzhaut eine hemmende Ursache f\u00fcr die Sehpurpurbildung und die St\u00e4bchent\u00e4tigkeit zu erblicken. Mit Hilfe dieser zweiten Annahme erkl\u00e4rt er den bekannten Verlauf, den die Empfindlichkeitszunahme w\u00e4hrend der Dunkeladaptation nimmt, in folgender Weise: \u201eDurch eine gute Helladaptation steigt der S\u00e4uregehalt der Netzhaut auf ein Maximum und gibt dadurch Veranlassung zu einer maximalen Hemmung der Sehpurpurbildung .... Wenn dann nach dem Beginn des Dunkelaufenthaltes durch den Fortfall einer weiteren Lichtzersetzung der S\u00e4uregehalt der Retina langsam abnimmt durch allm\u00e4hliche Bindung mittels der Alkaleszenz des Blutes, so mufs damit auch diese Hemmung geringer werden: Wir sehen die Empfindlichkeit f\u00fcr schwache Lichtreize langsam und gleichm\u00e4fsig ansteigen. Schliefslich wird derjenige Punkt erreicht sein, in welchem der ganze S\u00e4uregehalt gebunden ist, die Reaktion schl\u00e4gt um oder sie wird neutral. In diesem Augenblick f\u00e4llt jeder zentripetal geleitete hemmende Einflufs auf die die Sehpurpurbildung anregende Ganglienzelle fort, was zu einer energischen Produktion von Sehpurpur Veranlassung geben mufs: Die Empfindlichkeit der Netzhaut steigt daher ganz pl\u00f6tzlich und gewaltig an. Ebenso rasch wird aber das Stoffwechselgleichgewicht in den St\u00e4bchen bzw. dem Pigmentepithel hergestellt sein: Die Sehpurpurbildung geschieht von jetzt ab in einem ganz bedeutend verlangsamten Tempo. Der steile Anstieg der Empfindlichkeit erreicht also ein Maximum, von dem, ebenfalls ganz pl\u00f6tzlich, nur ein ganz langsamer weiterer Anstieg erfolgt.\u201c Wie man sieht, verquickt Behr die Hypothese, dafs die bei Helladaptation bestehende Hemmung der Sehpurpurbildung auf dem S\u00e4uregehalt der erregten Netzhaut beruhe, mit seiner anderen Hypothese von dem \u201esubzerebralen\u201c Adaptationszentrum, indem er aus dem S\u00e4uregehalt der Netzhaut zugleich einen zentripetal geleiteten, hemmenden Einflufs auf dieses Nervenzentrum entspringen l\u00e4fst. Was nun die erstere, sozusagen rein chemische Hypothese von Behr betrifft, so m\u00f6chte ich zun\u00e4chst darauf hinweisen, dafs nach dem von Garten (S. 271 f.) Berichteten Lodato ausdr\u00fccklich betont, \u201edafs zwischen den Ver\u00e4nderungen des Sehpurpurs und der chemischen Reaktion keine Beziehungen best\u00e4nden, wohl aber zwischen chemischer Reaktion und Kontraktion der St\u00e4bchen und Zapfen.\u201c \u201eRotes Licht, faradischer Strom oder Strychnin entf\u00e4rbten den Sehpurpur nicht, w\u00e4hrend die Oxydationsf\u00e4higkeit ebenso, wie oben erw\u00e4hnt, auch die S\u00e4urebildung durch diese Einwirkungen gesteigert wurde.\u201c Ferner mufs es schon von vornherein f\u00fcr sehr unwahrscheinlich erkl\u00e4rt werden, dafs von den in Vergleich zu den St\u00e4bchen so wenig zahlreichen Zapfen aus die ersteren in einer die Sehpurpurbildung hemmenden Weise mit S\u00e4ure \u00fcberschwemmt werden k\u00f6nnten und zwar noch dazu innerhalb der kurzen Frist, die zur \u00dcberf\u00fchrung vorhandener Dunkeladaptation in","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n27\nHelladaptation erforderlich ist. Wollte man annehmen, dafs eine der Sehpurpurbildung nachteilige S\u00e4urebildung innerhalb der St\u00e4bchen selbst stattfinde, so w\u00fcrde das Sehen der Zapfenblinden nicht zu verstehen sein.\nEs er\u00fcbrigt mir noch ein kurzes Eingehen auf die Resultate der klinischen Untersuchungen Behrs. Dieselben waren darauf gerichtet, festzustellen, wie sich die Dunkeladaptation (genauer : der nach dreiviertelst\u00fcndigem Dunkelaufenthalt bestimmte Schwellenwert des Lichtes) \u2019 bei den krankhaften Affektionen der verschiedenen Abschnitte der optischen Leitungsbahn, des Nervus opticus, des Chiasma, des Tractus opticus, des intrazerebralen Teiles der Sehbahn, verhalte. Er fand, dafs sich eine pathologische Herabsetzung der Dunkeladaptation nur bei solchen krankhaften Vorg\u00e4ngen und zwar Vorg\u00e4ngen endz\u00fcndlicher oder entz\u00fcndlich degenera-tiver Art zeigte, welche einen oder mehrere der drei zuerst angef\u00fchrten Abschnitte der Sehbahn betrafen, und dafs bei derartigen die Dunkeladaptation in Mitleidenschaft ziehenden Erkrankungen die Sehsch\u00e4rfe und die Grenzen des Gesichtsfeldes f\u00fcr Weifs und f\u00fcr die bunten Farben sich normal oder wenigstens ann\u00e4hernd normal verhalten konnten. Behr ist geneigt, anzunehmen, dafs in diesen pathologischen F\u00e4llen die von dem oben erw\u00e4hnten, zwischen Tractus opticus und sekund\u00e4rer Sehbahn gelegenen Zentrum ausgehenden, \u201ezentrifugalen, die Sehpurpurbildung hervorrufenden und regelnden Fasern\u201c Sch\u00e4digungen erfahren haben. Da aber die Sehpurpurbildung durch eine Durchschneidung des Nervus opticus, des Nervus oculomotorius sowie des Trigeminus nicht beeinflufst wird, \u00fcberdies auch vom Sympathicus unabh\u00e4ngig ist1, so erscheint die Annahme, dafs es ein die Sehpurpurbildung mit Hilfe zentrifugaler Fasern hervorrufendes (nicht blofs je nach dem Stande der Zapfenerregungen in verschiedenem Grade hemmendes) zerebrales Zentrum gebe, nicht unbedenklich. Und man mufs die bereits von Behr selbst erw\u00e4hnte, andere Annahme ins Auge fassen, dafs in jenen pathologischen F\u00e4llen der nach l\u00e4ngerem Dunkelaufenthalte erhaltene Schwellenwert deswegen ein abnorm hoher gewesen sei, weil die in Verbindung mit den St\u00e4bchen stehenden extrazerebralen Nervenbahnen wenigstens in einem Teile ihres Verlaufes sich in einem krankhaften Zustand befunden h\u00e4tten, w\u00e4hrend die mit den Zapfen verbundenen Nervenbahnen von den betreffenden krankhaften Prozessen nicht in gleichem Mafse in Mitleidenschaft gezogen zu werden brauchten.2 Von dem krankhaften Zustande der St\u00e4bchenbahn ist anzunehmen, dafs er mit einer Herabsetzung ihrer Erregbarkeit oder Leitf\u00e4higkeit verbunden gewesen sei, oder, wenn die Ansicht zutreffend ist, dafs der Sehpurpur erst in den St\u00e4bchenaufsengliedern mit Hilfe seitens des Pigmentepithels gelieferter Materialien hergestellt werde, so k\u00f6nnte man\n1\tMan vergleiche K\u00fchne, S. 325, sowie Stargardt im Arch. f. Ophth. 33, 1915, S. 149 ff.\n2\tNach dem von Behr (S. 232 und 249) Angegebenen scheinen dagegen gegen\u00fcber solchen Vorg\u00e4ngen, welche durch blofsen Druck die extrazerebrale Sehbahn sch\u00e4digen, die St\u00e4bchennervenfasern widerstandsf\u00e4higer zu sein als die Zapfennervenfasern.","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nG. E. M\u00fcller.\nauch die M\u00f6glichkeit in Betracht ziehen, dafs es sich um eine trophische Wirkung des vorhandenen Zustandes der St\u00e4bchenbahnen, um eine St\u00f6rung der Sehpurpurbildung durch denselben handele.\nEngelking (a. a. O.) hat j\u00fcngst N\u00e4heres \u00fcber das Verhalten der Pupillenreaktion bei einem Zapfenblinden ver\u00f6ffentlicht. Er fand folgende .Abnormit\u00e4ten. Bei h e 11 e m Tageslicht war durch kurzes momentanes Bedecken mit der Hand und Wiederfreigeben eine Lichtreaktion der Pupille je nach dem Grade der Beleuchtung nur \u00e4ufserst schwach oder gar nicht ausl\u00f6sbar. Bei gen\u00fcgendem Dunkeladaptiertsein zeigte die Pupille auf fokale Beleuchtung hin eine prompte Reaktion. Wurde aber sogleich nach der Lichtreaktion eine zweite Pr\u00fcfung in gleicher Weise mit fokaler Beleuchtung angeschlossen, so war die Reaktion bereits auffallend geringer und tr\u00e4ger, nach mehrmaliger oder l\u00e4ngerer Beleuchtung \u00fcberhaupt nur noch abortiv. Die Pupillen, die anfangs weit waren, blieben nun eng und erweiterten sich bei Verdunkelung erst allm\u00e4hlich wieder. Engelking sucht diese Erscheinungen aus dem Wegfall des f\u00fcr den Pupillenreflex so wichtigen Zapfenapparates zu erkl\u00e4ren, indem er zugleich von der Voraussetzung ausgeht, \u201edafs der total Farbenblinde sich so verh\u00e4lt, wie man es erwarten mufs, wenn nur der D\u00e4mmerungsapparat funktioniert\u201c, und dafs hohe, ihn blendende Helligkeiten entsprechend der bei ihnen vorhandenen hochgradigen Reduziert-heit der Sehpurpurmenge praktisch mit vor\u00fcbergehender Blindheit verbunden sind. Unseres Erachtens ist an die Stelle dieser nach Obigem (S. 12 f.) ganz unhaltbaren Voraussetzung eine Ber\u00fccksichtigung des Umstandes zu setzen, dafs bei dem Zapfenblinden die Erregungen des St\u00e4bchenapparates bei gleichen Reizen viel intensiver ausfallen als bei dem Normalen, und dafs diesen intensiveren Erregungen auch eine l\u00e4ngere Nachdauer und geringere Empfindlichkeit f\u00fcr momentane Reizschwankungen eigen sein d\u00fcrften. Ich erinnere hier daran, dafs Garten (Pfl\u00fcgers Archiv 68, S. 85 f.) schon vor 25 Jahren gezeigt hat, dafs den relativ lang andauernden Blendungsbildern, die bei sehr starken Momentanbeleuchtungen eintreten, starke lang-dauernde Pupillenverengerungen parallel gehen.\n\u00a7 3. Das Fehlen eines zentralen Skotoms hei Zapfenblindheit.\nBevor wir unsere Anschauungen \u00fcber die Funktionsweise des St\u00e4bchenapparates noch weiter begr\u00fcnden und entwickeln,","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n29\nhaben wir zun\u00e4chst noch zu der Tatsache Stellung zu nehmen, dafs bei einer relativ grofsen Anzahl von Zapfenblinden das nach der Hypothese der Zapfenblindheit zun\u00e4chst zu erwartende zentrale Skotom nicht konstatiert werden konnte.1 Von einer Auseinandersetzung dar\u00fcber, dafs die Annahme ausgeschlossen ist, es sei in allen diesen F\u00e4llen ein zentrales Skotom vorhanden gewesen und nur der Konstatierung entgangen, kann ich nach dem Vorliegenden2 f\u00fcglich absehen. Ein Teil der diese Annahme ausschliefsenden Versuchstatsachen wird im nachstehenden mit zur Sprache kommen, wo wir zun\u00e4chst dasjenige zusammenstellen, was nach den bisherigen Feststellungen \u00fcber das Netzhautzentrum der Zapfenblinden zu sagen ist.\nWas zuv\u00f6rderst die F\u00e4lle betrifft, in denen ein zentrales Skotom gefunden wurde, so war, wie das soeben Angef\u00fchrte zeigt, das Skotom in einem bedeutenden Bruchteil der F\u00e4lle zu-gestandenermafsen nur ein relatives. Ob es in allen anderen F\u00e4llen wirklich ein absolutes gewesen sei, mag dahingestellt bleiben. In zweien der G\u00df\u00fcNEBTschen F\u00e4lle befand sich das absolute Skotom innerhalb eines gr\u00f6fseren relativen Skotoms.\nDie vorliegenden Gr\u00f6fsenangaben f\u00fcr das zentrale, absolute oder das allein vorhandene relative Skotom sind folgende : ca. 1,5\u00b0 (Uhthoee, relatives Skotom), rechtes Auge 8\u00b0 und linkes Auge 5 0 (Uhthoee, absolutes Skotom), l1^ \u20142 0 (Nagel, absol. Sk.), 0,52' und 1,41' (Grunert, 2 absol. Sk.), 2\u20143\u00b0 und 2\u00b0 (Hessberg, 2 rei. Sk.). In den \u00fcbrigen F\u00e4llen fehlen n\u00e4here Angaben. In\n1\tZu den von Grunert angef\u00fchrten 10 F\u00e4llen, in denen ein zentrales Skotom nicht gefunden werden konnte, sind seitdem noch 5 andere solche F\u00e4lle hinzugetreten, n\u00e4mlich die beiden F\u00e4lle von R\u00f6nne, der Fall von May, der, wie hervorgehoben werden mag, unter der Leitung von Nagel arbeitete, der Fall von Best und der Fall von Gertz. Die F\u00e4lle, f\u00fcr welche das Vorhandensein eines absoluten zentralen Skotoms behauptet wird, sind dagegen weniger zahlreich: Je ein Fall von K\u00f6nig, von Nagel, von Axenfeld, von Uhthoff und 3 F\u00e4lle von Grunert. Abney bemerkt, dafs in seinem Falle wahrscheinlich ein absolutes, zentrales Skotom Vorgelegen habe. Von den \u00dcHTHOFFschen F\u00e4llen ergaben 2 nur ein relatives zentrales Skotom. Betreffs eines 4. Falles kommt Uhthoff zu dem Resultate, dafs ein absolutes Skotom wohl nicht existiere; ein relatives sicher auszuschliefsen, m\u00f6chte er nicht wagen. In den drei F\u00e4llen von Hessberg lag nur ein relatives zentrales Skotom vor. Paul sagt nur kurzweg, dafs in seinem Falle ein sehr kleines, zentrales Skotom vorhanden gewesen sei.\n2\tMan vgl. z. B. Hess in der Zeitsehr. f. Psychol. 29, 1902, S. 99 ff. und\nin Pfl\u00fcgers Archiv 98, 1903, S. 464 ff.\t\u2022","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nG. E. Muller.\ndem zweiten hier erw\u00e4hnten \u00dcHTHOFFschen Falle ergab sich bei der ophthalmoskopischen Untersuchung in der Gegend der Fovea ein \u201ezweifellos pathologischer\u201c Befund. Ber\u00fccksichtigt man die Ungenauigkeit, die bei bestehendem Nystagmus derartigen Bestimmungen anhaftet, so l\u00e4fst sich sagen, dafs die \u00fcbrigen hier mitgeteilten Gr\u00f6fsenangaben hinl\u00e4nglich zu der Annahme stimmen, dals es sich um eine Unempfindlichkeit oder Minderempfindlichkeit eines zentralen Netzhautbezirkes handele, in dem bei normalen Verh\u00e4ltnissen die St\u00e4bchen ganz fehlen oder nur sehr sp\u00e4rlich vertreten sind.\nWas nun die F\u00e4lle anbelangt, in denen ein Skotom nicht konstatiert werden konnte, so liegen betreffs des Verhaltens des Netzhautzentrums in denselben folgende Versuchstatsachen vor.\n1.\tDie zentrale Sehsch\u00e4rfe war in den verschiedenen, hierhergeh\u00f6rigen F\u00e4llen eine recht verschiedene. Sie schwankte zwischen V12 und 1/4.\n2.\tF\u00fcr eine Anzahl von F\u00e4llen (4 F\u00e4lle von Hess, 1 Fall von Pfl\u00fcger, der Fall von Best) wurde festgestellt, dafs bei dunkeladaptiertem Auge ein kleines Objekt von geeigneter Helligkeit im Falle direkter Betrachtung minder hell erschien als bei indirekter Betrachtung, w\u00e4hrend bei Helladaptation ein solcher Unterschied zwischen dem Netzhautzentrum und seiner Umgebung sich nicht zeigte. Dem von Best untersuchten Totalfarbenblinden erschien bei Hell adaptation ein Objekt sogar \u201ebei zentraler Fixation heller als perizentral\u201c. Der Einwand, dafs es sich bei der f\u00fcr das dunkeladaptierte Auge bestehenden zentralen Minderempfindlichkeit nur um eine Wirkung der Lichtabsorption durch das Makulapigment handele, liefs sich durch Benutzung eines roten Glases ausschliefsen. Gertz fand, dafs diese zentrale Minderempfindlichkeit auch noch ein wenig in das Gebiet der Helligkeiten des Tagessehens eingriff.\n3.\tDie Lichtabsorption durch das Makulapigment liefs sich auch f\u00fcr das totalfarbenblinde Netzhautzentrum nach weisen. Hess und Hering (S. 119 ff.) konstatierten nicht blofs, dafs die Makula der von ihnen n\u00e4her untersuchten Farbenblinden entop-tisch sichtbar werden konnte,1 sondern sie zeigten auch, dafs die Gleichung zwischen zwei aneinander angrenzenden, mit ver-\n1 Auch der von Pfl\u00fcger untersuchten Totalfarbenblinden liefe sich die Makula unschwer entoptisch sichtbar machen.","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit\n31\nschiedenem homogenen Lichte erf\u00fcllten Feldern, deren Trennungslinie fixiert wurde, diejenige Abh\u00e4ngigkeit von der Gr\u00f6fse beider Felder zeigte, die im Hinblick auf die makulare Lichtabsorption zu erwarten war. Die beiden Forscher teilen ferner in Beziehung auf diese Versuche noch folgendes mit: \u201eAls die eine H\u00e4lfte des Kreisfeldes bei einem scheinbaren Durchmesser von 88 mm auf 300 mm Entfernung mit homogenem Orange, die andere mit homogenem Blau erleuchtet und beide f\u00fcr die Farbenblinde gleich hell gemacht worden waren, bemerkte sie auf Befragen, dafs, wenn sie die Mitte der blauen H\u00e4lfte fixierte, daselbst ein dunklerer Fleck sichtbar war, und aus eigener Anregung f\u00fcgte sie hinzu, dafs, wenn sie nach Betrachtung der rechten, f\u00fcr uns blauen H\u00e4lfte die Mitte der linken, f\u00fcr uns orangefarbenen H\u00e4lfte fixierte, daselbst zun\u00e4chst ein gleichgrofser, hellerer Fleck erscheine. Diese Angaben beweisen schlagend das Vorhandensein einer Macula lutea in ihrem Auge.\u201c\n4.\tHess (Pfl\u00fcgers Arch. 98, 1903, S. 466 f.) stellte ferner fest, dafs eine Farbenblinde, bei der er ein zentrales Skotom nicht zu konstatieren vermochte, von kleinen weifsen Lichtfl\u00e4chen, von denen die eine fixiert wurde und die anderen, sich s\u00e4mtlich auch auf fovealem Gebiete abbildend, ganz nahe um den Fixationspunkt herumlagen, ungef\u00e4hr gleich lang dauernde negative Nachbilder erhielt wie ein normaler.\n5.\tWird ein gerader, schmaler, weifser, aber nur schwach beleuchteter Karton streifen auf dunklem Grunde vor dem dunkeladaptierten Auge vor\u00fcbergef\u00fchrt, so erscheint dieser Streifen, wie Hess festgestellt hat, nicht gerade, sondern foveal deutlich nach r\u00fcckw\u00e4rts ausgebuchtet und schm\u00e4ler (und oft etwas weniger hell) als extrafoveal. Die foveale Erregung tritt der sog. Tr\u00e4gheit des Netzhautzentrums gem\u00e4fs sp\u00e4ter auf und dauert k\u00fcrzer als die extrafoveale. Bewegt man den gleichen Streifen bei etwas st\u00e4rkerer Beleuchtung am Auge vor\u00fcber, so erscheint er jetzt gerade, aber der dem prim\u00e4ren Streifenbilde nach einem dunklen Zwischenintervalle nachfolgende helle Nachbildstreifen zeigt sich foveal deutlich nach hinten ausgebuchtet und etwas schm\u00e4ler als extrafoveal. Hess konnte nun feststellen, dafs diese durch die besondere Funktionsweise des Netzhautzentrums bedingten Ausbuchtungen und Verschm\u00e4lerungen des weifsen Streifens und des Nachbildstreifens auch von vier Totalfarbenblinden von dem hier in Rede stehenden Typus wahrgenommen wurden. Es w\u00fcrde","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nG. E. M\u00fcller.\nvon wesentlichem Interesse sein, wenn diese Versuche an solchen Zapfenblinden, bei denen man ein absolutes, zentrales Skotom festgestellt zu haben glaubt, wiederholt w\u00fcrden.\nHinsichtlich der oft ber\u00fchrten Frage, mit was f\u00fcr Endapparaten das Netzhautzentrum in den hier in Rede stehenden F\u00e4llen wohl besetzt sei, ergibt sich aus dem hier an zweiter und f\u00fcnfter Stelle Angef\u00fchrten, dafs es nicht angeht, einfach anzunehmen, dafs die Fovea der Zapfenblinden mit fehlendem zentralen Skotom ganz von St\u00e4bchen eingenommen werde. Dagegen lassen sich alle mitgeteilten Beobachtungen mit der Annahme vereinen, dafs die Fovea mit total farbenblinden Zapfen besetzt gewesen sei. Der Umstand, dafs die Minderempfindlichkeit, welche die Fovea bei Dunkeladaptation gegen\u00fcber der Netzhautperipherie zeigte, bei Helladaptation meist dem Falle Platz machte, dafs eine Lichtfl\u00e4che foveal und extrafoveal gleich hell erschien, kann von diesem Standpunkte aus nicht besonders befremden. Denn wir haben es hier ja einerseits mit f\u00fcr das Helle bestimmten Zapfen und anderseits mit St\u00e4bchen zu tun, deren Leistungsf\u00e4higkeit im Hellen abnorm gesteigert ist. Man darf \u00fcbrigens nicht \u00fcbersehen, dafs die subjektive Gleichheit von foveal und von extrafoveal betrachtetem Objekte f\u00fcr das helladaptierte Auge des Zapfenblinden nur auf Grund einzelner grober Vergleichungen behauptet worden ist, also kein Anlafs vorliegt, diese subjektive Gleichheit f\u00fcr eine genaue zu halten.1 Ich erinnere daran, dafs A. v. Hippel an dem zweiten von ihm untersuchten Zapfenblinden die oben unter 2. angef\u00fchrten Versuche von Hess \u00fcber das zwischen dem Netzhautzentrum und seiner Umgebung einerseits bei Dunkeladaptation und anderseits bei Helladaptation bestehende Erregbarkeitsverh\u00e4ltnis mit den gleichen Erfolgen wie Hess durchf\u00fchren konnte, und dafs Uht-hoef (Zeitschr. f. Psychol. 27, S. 353 ff.) dennoch an demselben Totalfarbenblinden \u201emit voller Sicherheit ein zentrales, relatives Skotom an der Stelle des Fixierpunktes nachweisen\u201c, also auch f\u00fcr den Fall der Helladaptation eine zentrale Minderempfindlichkeit feststellen konnte.\nWas die mindere foveale Sehsch\u00e4rfe der hier in Rede stehenden Zapfenblinden anlangt, so liegt die Ansicht nahe, dafs\n1 Noch weniger handelt es sich hier um Vergleichungen, die durch die Skala verschiedener Helligkeiten hindurch bis hinauf zu denjenigen, welche dem Zapfenblinden blendend erscheinen mufsten, durchgef\u00fchrt wurden.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n33\ndie Zapfenbildung in der Fovea doch immerhin auf einer niederen Entwicklungsstufe stehen geblieben sei. Ich erinnere hier an dasjenige, was Wolfrum in dem Bericht \u00fcber die 35. Versammlung der ophthalmologischen Gesellschaft (Wiesbaden 1909), S. 210f. auf Grund seiner Forschungen \u00fcber die Fovea des Neugeborenen mitteilt. Er berichtet \u201edafs die Zapfen in der Fovea beim Neugeborenen eine solche bedeutende Dicke aufweisen, dafs ihre K\u00f6rner nebeneinander Platz haben und nicht \u00fcbereinander geschichtet zu liegen brauchen\u201c. \u201eBei dieser Plumpheit der Zapfen im Gebiete der Fovea\u201c, f\u00e4hrt er fort, \u201eist nat\u00fcrlich auch ihre Zahl geringer, da ihre Dicke mindestens 5 juu betr\u00e4gt, so w\u00fcrden auf der gleichen Fl\u00e4che mindestens 4 Zapfen von Erwachsenen, ja vielleicht noch mehr Platz haben\u201c. Wolfrum weist dann bereits selbst auf die Wahrscheinlichkeit dessen hin, dafs gelegentlich die Entwicklung der Fovea nur unvollkommen sich abspiele, und er bemerkt, dafs damit vielleicht Anhaltspunkte f\u00fcr kongenitale Amblyopien, insbesondere solche, die mit Nystagmus einhergehen, gegeben seien. Da die Bildung der lichtempfindlichen Endorgane zuerst in der Fovea auftritt und von da aus p\u00e9riph\u00e9riew\u00e4rts weiterschreitet1, so l\u00e4fst sich sehr gut verstehen, dafs eine Hemmung in der Entwicklung der Retina die Bildung von Zapfen oder wenigstens von funktionsf\u00e4higen Zapfen \u00fcber die Grenzen eines engen (prinzipiell betrachtet sich nicht notwendigerweise genau mit der Fovea deckenden) zentralen Netzhautbezirks hinaus nicht fortschreiten l\u00e4fst.\nWir m\u00fcssen uns indessen vor der Voraussetzung h\u00fcten, dafs die Fovea eines St\u00e4bchensehers entweder von St\u00e4bchen und Zapfen ganz frei sein m\u00fcsse oder nur St\u00e4bchen oder nur Zapfen enthalten m\u00fcsse. Es ist mit der M\u00f6glichkeit zu rechnen, dafs sie unter Umst\u00e4nden auch Elemente von beiderlei Art besitze. Ich erinnere hier an die Feststellungen, die Elschnig bei der Untersuchung eines Albinoauges gemacht hat. Er fand, dafs eine vollst\u00e4ndig st\u00e4bchenfreie Partie im Netzhautzentrum \u00fcberhaupt nicht existierte, und dafs die Zapfen in der Netzhautmitte, sich nur wenig von denen der Netzhautperipherie unterscheidend, einen Durchmesser besafsen, der etwa 5 mal so grofs war, wie\n1 Man vgl. z. B. M. Nussbaum in Gr\u00e4fe-S\u00e4mischs Handb. d. ges. Augenheilkunde, 3. Aufl., Leipzig 1912, I. Teil, Kap. 8, S. 20.\nZeitsehr. f. Sinnesphysiol. 54.\n3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nG. E. M\u00fcller.\nder Durchmesser eines Zapfens einer normalen Fovea,1 Er bemerkt, dafs ihm die Albinonetzhaut auf einem niederen Stadium der Entwicklung stehen geblieben zu sein scheine, und f\u00fcgt hinzu: \u201eDer Umstand, dafs alle Albinos herabgesetzte Sehsch\u00e4rfe, fast alle sehr ausgebildeten Nystagmus haben, scheint zu erlauben, die von Peitsch und mir festgestellte mangelhafte Entwicklung der Fovea als die Regel hinstellen zu d\u00fcrfen .\nNachdem nun durch Keoh (II) auch in einem Falle von Protanopie das Vorhandensein einer sowohl von Zapfen als auch von St\u00e4bchen besetzten Fovea nachgewiesen ist, haben wir guten Grund, auch mit der M\u00f6glichkeit des Vorkommens einer derartig zusammengesetzten Fovea bei einem St\u00e4bchenseher zu rechnen. Mit den oben (S. 30 f.) angef\u00fchrten, das foveale Sehen von St\u00e4bchensehern betreffenden Versuchstatsachen w\u00fcrde sich das Vorhandensein einer derartigen Fovea gleichfalls vereinen lassen. Das Bestehen eines zentralen Skotoms bei den einen St\u00e4bchensehern und das Fehlen eines solchen bei den anderen zeigt hinl\u00e4nglich, wie voreilig es w\u00e4re, bei allen St\u00e4bchensehern, die kein zentrales Skotom aufweisen, ohne weiteres eine v\u00f6llige Gleichf\u00f6rmigkeit hinsichtlich des fovealen Sehens vorauszusetzen. Auch die Tatsache, dafs Hess und Hering (S. 123) bei der von ihnen n\u00e4her untersuchten Zapfenblinden die Sehsch\u00e4rfe schon bei 1\u00b0 40' geringer fanden als zentral, w\u00e4hrend diese in den F\u00e4llen von Grunert (S. 151 u. 167) bis zu ca. 5\u00b0 merkbar konstant war, mufs vor voreiligen Verallgemeinerungen warnen.\nAuf der letzten Tagung der Ophthalmologischen Gesellschaft (Wien, August 1921) hat H. Larsen mikroskopische Pr\u00e4parate von einem mit Zapfenblindheit behaftet gewesenen Auge demonstriert. Ich entnehme dem in der Z\u00dfitschv. f. JL'ii\u00e7jcy\u00eehci\u00efk. (46, 1921, S. 228) enthaltenen Berichte dar\u00fcber folgendes : An einem Schnitte durch die Fovea sieht man \u201ekurze, plumpe Zapfen, die entweder ein sehr kurzes Aufsenglied haben, oder denen dieses ganz fehlt. Seitw\u00e4rts der Fovea finden sich fortgesetzt reichlich kurze, dicke Zapfen und dazwischen auch eine Reihe kurzer St\u00e4bchen. Schon wenige Grade vom Zentrum scheint das Retinabild normal zu sein. Es lassen sich lange, schlanke St\u00e4bchen und k\u00fcrzere,\ni Das Fehlen einer fovea centralis im albinotischen Auge haben schon vor Elschnig Fritsch sowie Carron du Yillards konstatiert. Man vergleiche E. Ebstein und H. G\u00fcnther in der Zeitschr. f. Morphol. u. Anthrojpol 17, 1914,\nS. 368 f.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n35\nkr\u00e4ftige Zapfen, die absolut nicht degeneriert zu sein scheinen, erkennen. In bestimmten Schnitten zeigt sich an den Zapfen sehr gut das kegelf\u00f6rmige Aufsenglied. Was die Menge der Zapfen anlangt, so ist mit R\u00fccksicht auf den Befund an tangentiellen Schnitten zu sagen, dafs sich in diesem monochromatischen Au^e nicht weniger Zapfen finden als in einem normalen\u201c. Leider erfahren wir nicht, ob bei Lebzeiten ein zentrales Skotom zu konstatieren war oder nicht. Dasjenige, was \u00fcber die fovealen Zapfen gesagt ist, l\u00e4fst vermuten, dafs mindestens eine herab-gesetztp Sehsch\u00e4rfe und sonstige Minderwertigkeit des Netzhautzentrums bestanden habe.\nLassen sich in diesem Falle die Zapfen in keiner Netzhautregion vermissen, so hat man die vorhanden gewesene Zapfenblindheit dahin zu deuten, dafs die Zapfen zwar ihrer \u00e4ufser-lichen Gestaltung nach mehr oder weniger gut entwickelt gewesen seien, aber doch allgemein oder wenigstens aufserhalb des Netzhautzentrums keine Sehnervenerregungen h\u00e4tten entstehen lassen, weil entweder die f\u00fcr ihre Erregung erforderlichen Sensibilisatoren nicht gebildet wurden oder die Nervensubstanz nicht auf die T\u00e4tigkeit dieser Sensibilisatoren ansprach oder neben diesem Mangel auf nerv\u00f6sem Gebiet zugleich auch noch ein Fehlen jener Sensibilisatoren vorlag. Solange nicht f\u00fcr andere Arten der Farbenblindheit, z. B. die Protanopie und die Tritanopie, der Nachweis vorliegt, dafs sie notwendig mit einer anomalen \u00e4ufseren Gestaltung der Zapfen verbunden sind, liegt kein Grund f\u00fcr die Annahme vor, dafs es sich bei der Zapfenblindheit anders verhalte.\nHinsichtlich der F\u00e4lle, wo im Netzhautzentrum funktionsf\u00e4hige Zapfen vorhanden sind, erhebt sich die Frage, welchen Typus totaler Farbenblindheit diese Zapfen repr\u00e4sentieren. Wir kennen ja f\u00fcr den Zapfenapparat vier verschiedene totalfarbenblinde Farbensysteme, die s\u00e4mtlich Ausfallsysteme gegen\u00fcber dem normalen Farbensysteme sind und darin \u00fcbereinstimmen, dafs die nerv\u00f6se Sehsubstanz der chromatischen Erregbarkeiten entbehrt. Typus 1 zeigt die normale Helligkeitsverteilung, in dem in der Retina die chromatischen Sehstoffe noch s\u00e4mtlich erhalten sind, also die chromatischen Netzhautprozesse noch s\u00e4mtlich mit ihren inneren Weifs- oder Schwarz werten zur Geltung kommen.1 Typus 2, bei dem in der Retina die Rotgr\u00fcn-\n1 Betreffs der Lehre von den mehrfachen inneren Reizwerten der chro\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nG. E. M\u00fcller.\nSubstanz sich vermissen l\u00e4fst, ist z. B. in der \u00e4ufsersten Netzhautperipherie der Protanopen ann\u00e4hernd verwirklicht. Typus 3 entbehrt in der Retina der Gelbblausubstanz und wird ann\u00e4hernd durch die \u00e4ufserste Netzhautperipherie derTritanopen repr\u00e4sentiert. Typus 4 endlich entbehrt in der Retina sowohl der Rotgr\u00fcn- als auch der Gelbblausubstanz und zeigt demgem\u00e4fs (wegen des Wegfalles der inneren Weifswerte des Rot- und des Gelbprozesses einerseits und der inneren Schwarzwerte des Gr\u00fcn- und des Blauprozesses anderseits) eine spektrale Helligkeitsverteilung, die ungef\u00e4hr dieselbe ist wie diejenige des St\u00e4bchenapparates.* 1 Von vornherein wird man geneigt sein, zu vermuten, dafs in dem Netzhautzentrum der hier in Frage kommenden Zapfenblinden der Typus 4 verwirklicht sei, weil er dem Falle v\u00f6lligen Fehlens der Sehf\u00e4higkeit am n\u00e4chsten stehe. Irgendwelche Sicherheit haftet aber dieser Vermutung nicht an; man wird vielmehr gut tun, auch hier mit dem Vorkommen individueller Verschiedenheiten zu rechnen. Zurzeit ist noch nicht einmal festgestellt, ob mit der Fovea der hier in Betracht kommenden Zapfenblinden\nmatischen Netzhautprozesse vergleiche man den Bericht \u00fcber den ersten Kongrefs f\u00fcr experimentelle Psychologie, Leipzig 1904, S. 6 ff. oder auch J. Fr\u00f6bes, Lehrb. d. exp. Psychol., I. Bd., Freiburg i. Br. 1915, S. 61 ff. u. 80 ff.\n1 Ich brauche nicht daran zu erinnern, dafs nach den Feststellungen von Hess bei gewissen Fischen, deren Farbensinn zweifelhaft oder mindestens nicht hoch entwickelt ist, eine spektrale HelligkeitsVerteilung besteht, die derjenigen des menschlichen Dunkelauges nahesteht. Derselbe stellte neuerdings [Arch. f. Ophth. 105, 1921, S. 141 f.) an einigen Protanopen fest, dafs, je unter wer tiger der Gelbblausinn war, desto mehr die Stelle des Helligkeitsmaximums im Spektrum nach rechts verschoben war. Dies stimmt mit unseren Anschauungen auf das Beste \u00fcberein. Denn je geringer die Menge der retinalen Gelbblausubstanz ist, desto schw\u00e4cher fallen die Gelbprozesse und ihre Weifs werte, sowie die Blauprozesse und ihre Schwarzwerte aus, desto mehr mufs also die Helligkeit im spektralen Gelb verringert und im spektralen Blau erh\u00f6ht sein, desto mehr mufs die spektrale Helligkeitsverteilung bei den (der retinalen Rotgr\u00fcnsubstanz entbehrenden) Protanopen sich derjenigen des obigen Typus 4 der totalen Farbenblindheit n\u00e4hern.\nNat\u00fcrlich besteht die Gefahr, dafs einmal eine totale Farbenblindheit vom obigen Typus 4 f\u00fcr Zapfenblindheit angesehen werde. Ich habe alle mir zug\u00e4nglich gewordenen Mitteilungen von F\u00e4llen angeborener Achro-matopie sorgf\u00e4ltig auf diesen Punkt hin angesehen und nicht gefunden, dafs in irgendeinem Falle der Verdacht, es liege eine solche Verwechslung-vor, begr\u00fcndet sei.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\t37\ndie Farbengleichungen der Normalen anerkannt werden.1 Auf Vorschlag von Ebbinghaus liefs Uhthoef (Zeitschr. f. Psychol. 20, 1899, S. 338) einen Zapfenblinden zwei nebeneinander befindliche, dem normalen Auge ganz gleich erscheinende Felder vergleichen, von denen das eine mit rotem und blaugr\u00fcnem, das andere mit gelbem und blauem Spektrallichte erf\u00fcllt war. Dem Zapfen-blinden erschien das erstere Feld zu hell. Damit ihm beide Felder gleich hell erschienen, mufste die Helligkeit desselben auf etwa 1jb ihres anf\u00e4nglichen Wertes reduziert werden. Dieser Versuch ist leider f\u00fcr die Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage nicht zu verwenden, da die beiden zu vergleichenden Felder zu grofse Ausdehnung besafsen und der untersuchte Zapfenblinde \u00fcberdies ein solcher mit zentralem Skotom war. Er beweist aber \u2014 und darauf sollte hier noch hingewiesen werden \u2014, dafs das Farbensystem der Zapfenblinden keinesfalls im Sinne Herings als eine nur durch den Wegfall der chromatischen Sehsubstanzen charakterisierte Reduktionsform des normalen Farbensystems anzusehen ist. Die Tr\u00e4ger eines solchen Reduktionssystems m\u00fcfsten die Farbengleichungen der Normalen mit belanglosen Abweichungen anerkennen.\n\u00a7 4. Das Verhalten der Sehpurpurfunktion im Hellen.\nAls die Sehpurpurfunktion bezeichnen wir die Funktion der St\u00e4bchen, soweit sie auf dem Verhalten des Sehpurpurs beruht. Hierbei soll zun\u00e4chst dahingestellt bleiben, ob es auch eine St\u00e4bchent\u00e4tigkeit gibt, die nichts mit dem Sehpurpur zu tun hat. Nach der herrschenden, von v. Kries vertretenen Form der Duplizit\u00e4tstheorie ist dies nicht der Fall. Ob diese Ansicht hinl\u00e4nglich begr\u00fcndet sei, soll erst im n\u00e4chsten Paragraphen untersucht werden. Hier wird uns nur die Frage besch\u00e4ftigen, wie es mit der Sehpurpurfunktion im Hellen steht. Wie sich aus unseren bisherigen Ausf\u00fchrungen bereits ergibt, nehmen wir in dieser Hinsicht in \u00dcbereinstimmung mit der herrschenden Duplizit\u00e4tstheorie an, dafs die Sehpurpurfunktion im stark helladaptierten, normalen, menschlichen Auge keine wesentliche Rolle spielt. Bei gew\u00f6hnlicher Zimmerbeleuchtung durch das\n1 In F\u00e4llen, wo kein andauernder Nystagmus besteht, ist die Herstellung fovealer Helligkeitsgleiehungen auch bei einem St\u00e4bchenseber m\u00f6glich, wie z. B. die Versuche von Hess und Hering (S. 120) zeigen.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nG. E. M\u00fcller.\nTageslicht ist, wenigstens f\u00fcr die Netzhautperipherie, eine mit in Betracht kommende Mitwirkung der Sehpurpurfunktion anzunehmen. K\u00f6llner macht f\u00fcr diese Ansicht geltend, dafs bei Hemeralopie die Gesichtsfeldsgrenzen f\u00fcr Blau st\u00e4rker eingeengt seien wie f\u00fcr Rot. Genauere Feststellungen hinsichtlich des Verh\u00e4ltnisses, in dem die Sehpurpurfunktion und die Zapfenfunktion bei den verschiedenen Helligkeiten am Sehen beteiligt sind, hat v. Kries (Klin. Monatsbl. f. Augenhe\u00fck 49, 1911, S. 251 ff. und diese Zeitschr. 49, 1916, S. 297ff.) gemacht. Er ermittelte dasjenige graue Papier, das bei stark herabgesetzter Beleuchtung f\u00fcr eine gut dunkeladaptierte, stark exzentrische Netzhautstelle subjektive Gleichheit zu einem gegebenen roten Papier ergab. Ferner stellte er fest, dafs bei hoher Beleuchtung und maximaler Helladaptation das Rot einen Peripheriewert besafs, der rund das 4,3 fache von dem des Grau betrug. Indem er nun f\u00fcr verschiedene mittlere Beleuchtungen das Verh\u00e4ltnis zwischen dem Peripheriewert des Rot und demjenigen des Grau bestimmte, erhielt er ein gewisses Bild davon, wie sich bei diesen Beleuchtungen der relative Anteil der Sehpurpurfunktion am Sehen mit der benutzten exzentrischen Netzhautpartie im Vergleich zu den beiden Grenzf\u00e4llen der alleinigen Wirksamkeit der Sehpurpurfunktion und der (f\u00fcr den Fall der maximalen Helladaptation vorausgesetzten) ann\u00e4hernd v\u00f6lligen Ausschaltung dieser Funktion verhielt. Er fand, dafs schon bei Adaptiertsein auf die Helligkeit eines mit 30 MK beleuchteten weifsen Papiers und Betrachtung einer solchen Lichtfl\u00e4che hinsichtlich der Mitbeteiligung der Sehpurpurfunktion beim Sehen ann\u00e4hernd derselbe Zustand bestehe wie bei hoher Beleuchtung und maximaler Helladaptation. Ein ungew\u00f6hnlich langer Aufenthalt im Dunkeln scheint allerdings dadurch, dafs er das Sehorgan an eine ununterbrochene reichlichere Sehpurpurbildung gew\u00f6hnt, die Folge haben zu k\u00f6nnen, dafs in der nachfolgenden Zeit die Sehpurpurbildung zun\u00e4chst auch noch bei solchen Helligkeiten, bei denen sie sonst stark herabgesetzt ist, mit gewisser Lebhaftigkeit vor sich geht. Krienes {Arch. f. Augenheilk 33, 1896, S. 261) erw\u00e4hnt die Tatsache, \u201edafs Menschen, die lange Zeit im Finstern zugebracht haben, z. B. Gefangene in finsteren Kerkern, nach ihrer Freilassung sich l\u00e4ngere Zeit nicht an das Licht gew\u00f6hnen k\u00f6nnen, geblendet werden\u201c. Dafs auch in pathologischen F\u00e4llen (bei Sch\u00e4digung des Zapfenapparates) die Mitwirkung des St\u00e4bchenapparates im","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n39\nHellen gesteigert sein kann, haben wir schon oben (S. 19 f.) gesehen.\nSuchen wir uns nun die Gr\u00fcnde zu vergegenw\u00e4rtigen, die bisher f\u00fcr die Ansicht geltend gemacht worden sind, dafs die Sehpurpurfunktion in der hier angedeuteten Weise eine bei zunehmender Helligkeit immer weniger erhebliche Rolle spiele, so haben wir zun\u00e4chst einiger nicht stichhaltiger Argumentationen zu gedenken.\nv. Kries {Klm. Monatsbl. f. Augenheilk 49, 1911, S. 252) f\u00fchrt f\u00fcr diese Ansicht an, dafs nach einer Mitteilung von Nagel und May eine St\u00e4bchenseherin nach Belichtungen des Augenhintergrundes, die zwar stark, aber f\u00fcr ein normales Auge nicht blendend waren, f\u00fcr eine Reihe von Minuten das Sehverm\u00f6gen g\u00e4nzlich eingeb\u00fcfst habe. Ein solches, an einer St\u00e4bchenseherin beobachtetes, bei anderen St\u00e4bchensehern \u00fcbrigens nicht in gleichem Mafse hervorgetretenes Verhalten vermag aber hinsichtlich der normalen Sehorgane nichts zu beweisen. Aus dem fr\u00fcher (S. 12 f.) Angef\u00fchrten ergibt sich hinl\u00e4nglich, dafs, wenn wir berechtigt w\u00e4ren die an den Sehorganen der St\u00e4bchenseher gemachten Erfahrungen auf den St\u00e4bchenapparat der Normalen zu \u00fcbertragen, wir anzunehmen h\u00e4tten, dafs der letztere im Hellen sehr intensive Weifsempfindungen vermittele.\nBehr (S. 278) glaubt die hier in Rede stehende Annahme mit einiger Berechtigung darauf gr\u00fcnden zu k\u00f6nnen, dafs es f\u00fcr jede nach vorheriger v\u00f6lliger Dunkeladaptation auf das Sehorgan wirkende Helligkeit einen Grenzwert der Einwirkungszeit gibt, dessen \u00dcberschreitung eine weitere Verringerung der Geschwindigkeit, mit der die Empfindlichkeit nach Wiederherstellung v\u00f6lliger Dunkelheit wiederansteigt, nicht zur Folge hat. Auch diese Tatsache verstattet, wie schon das fr\u00fcher (S. 22 f.) Bemerkte, erkennen l\u00e4fst, durchaus noch eine andere Deutung, n\u00e4mlich die Deutung, dafs bei jenem Grenzwerte der Belichtungsdauer der Punkt erreicht sei, von welchem ab bei weiterer Andauer der Belichtung Gleichgewicht zwischen der infolge der Belichtung stattfindenden Sehpurpurzersetzung einerseits und der Sehpurpurbildung anderseits bestehe. Dafs nach Erreichung dieses station\u00e4ren Zustandes die Sehpurpurfunktion so gut wie ganz ausgeschaltet sei, w\u00fcrde eine willk\u00fcrliche Annahme sein.\nIn hohem Mafse d\u00fcrfte man zu der Annahme einer ann\u00e4hernden Ruhe der St\u00e4bchen im helladaptierten Auge dadurch","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nG. E. Muller.\nveranlafst worden sein, dafs die vorliegenden Erfahrungen zu der Behauptung berechtigen, dafs die St\u00e4bchen unter sonst gleichen Umst\u00e4nden um so weniger Sehpurpur enthalten, an eine je st\u00e4rkere Helligkeit sie adaptiert sind. Eine volle Beweiskraft f\u00fcr jene Annahme besitzt indessen der hier erw\u00e4hnte Tatbestand nicht. Man kann mit Heeing einwenden, dafs, wenn auch beim Adaptiertsein an eine starke Helligkeit der Sehpurpurgehalt der St\u00e4bchen nur ein geringer sei, dies doch nicht ausschliefse, dafs eine lebhafte Sehpurpurzersetzung stattfinde, die durch eine gleich reichliche Sehpurpurbildung gerade kompensiert werde. Eine starke Helligkeit k\u00f6nne ja doch bei stark herabgesetzter Sehpurpurmenge noch dieselbe oder gar eine st\u00e4rkere Sehpurpurzersetzung zur Folge haben wie eine bei reichlich angesammeltem Sehpurpur ein wirkende schwache Helligkeit, und die Vermutung liege nahe, dafs die Sehpurpurbildung um so lebhafter sei, je geringer die vorhandene Sehpurpurmenge sei.\nEin wirklicher Beweis des Satzes, dafs die Sehpurpurfunktion von einem bestimmten Punkte ab um so mehr zur\u00fccktrete, an je gr\u00f6fsere Helligkeit das Auge adaptiert sei, ergibt sich aus der neuerdings auch von v. Keies (diese Zeitschr. 49, 1916, S. 297) in dieser Richtung geltend gemachten Tatsache, dafs die st\u00e4bchenreichen Netzhautpartien mit dem st\u00e4bchenfreien Netzhautzentrum oder mit einem teils st\u00e4bchenfreien, teils st\u00e4bchen\u00e4rmeren Netzhautbezirk hinsichtlich der spektralen Helligkeitsverteilung und hinsichtlich der g\u00fcltigen Farbengleichungen um so mehr \u00fcbereinstimmen, je st\u00e4rker helladaptiert das Auge ist*1 Auch F\u00e4lle, in denen die beiden Augen hinsichtlich der T\u00fcchtigkeit der Sehpurpurfunktion wesentlich differieren, k\u00f6nnten in der uns hier interessierenden Hinsicht Auskunft geben. Behe (S. 233) gibt auf Grund seiner Feststellungen an, dafs in solchen F\u00e4llen \u201edie optischen Eindr\u00fccke jedes einzelnen Auges bei abwechselnder Beobachtung w\u00e4hrend des Tagessehens nicht die geringsten qualitativen Differenzen auf weisen\u201c, und er f\u00fcgt hinzu, dafs hiernach mit grofser Wahrscheinlichkeit angenommen werden k\u00f6nne, dafs der St\u00e4bchenapparat am Tage so gut wie gar nicht in T\u00e4tigkeit trete. Man mufs fragen, ob hier unter qualitativen Differenzen nur Differenzen hinsichtlich des Verh\u00e4ltnisses zwischen\n1 Bei genauerer Pr\u00fcfung dieser \u00dcbereinstimmung hat man nat\u00fcrlich die Makulapigmentierung sowie eventuell auch die Fluoreszenz der Bleichungsprodukte des Sehpurpurs u. a. m. mit in Anrechnung zu bringen.","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\t41\nder Weifslichkeit und der Sehw\u00e4rzlichkeit oder solche von anderweiter Natur gemeint seien.\nFerner ist hier an die Feststellung von Himstedt und Nagel zu erinnern, dafs das Maximum des retinalen Aktionsstromes (im Dispersionsspektrum des Gaslichtes) f\u00fcr das Froschauge bei Helladaptation und starkem Lichtreize bei etwa 589 pp, dagegen bei Dunkeladaptation und schwachem Lichtreize bei etwa 544 pp erhalten wird. Zieht man neben dieser Feststellung die Tatsache in R\u00fccksicht, dafs Piper das Maximum des retinalen Aktionsstromes f\u00fcr vorwiegend zapfenhaltige Yogelnetzh\u00e4ute bei etwa 600 pp, f\u00fcr vorwiegend st\u00e4bchenhaltige dagegen bei 535 pp fand, so stellt sich dieselbe gleichfalls als eine Feststellung dar, welche zeigt, dafs die spektrale Helligkeitsverteilu\u00fcg f\u00fcr eine neben Zapfen auch St\u00e4bchen reichlich enthaltende Netzhaut sich der f\u00fcr eine st\u00e4bchenarme Netzhaut g\u00fcltigen Helligkeitsverteilung um so mehr ann\u00e4hert, je st\u00e4rker die vorhandene Helligkeit ist. Allerdings darf man nicht \u00fcbersehen, dafs bei dem helladaptierten Frosche das innenst\u00e4ndige Pigment wie ein Schirm wirkt, der die kurzwelligen Strahlen weniger als die langwelligen zu den lichtempfindlichen Endapparaten gelangen l\u00e4fst und demgem\u00e4fs sich im Sinne einer Verschiebung der Stelle des maximalen Aktionsstromes nach dem Rot hin geltend macht, w\u00e4hrend bei Dunkeladaptation und aufsenst\u00e4ndigem Pigment eine solche Schirmwirkung nicht besteht.1 Indessen fand Hess bei den Fischen, bei denen er jenen Einflufs des innenst\u00e4ndigen Pigments durch Versuche feststellte, denselben nicht so grofs, dafs die spektrale Stelle des Helligkeitsmaximums f\u00fcr die helladaptierten Fische aufserhalb der vom Gelbgr\u00fcn bis zum Gr\u00fcn sich erstreckenden Region lag.\nIn entsprechender Weise wie die soeben erw\u00e4hnten Verhaltungsweisen des retinalen Aktionsstromes l\u00e4fst sich auch die Tatsache geltend machen, dafs nach Versuchen von Hess (S. 142) die spektrale Stelle des Maximums der pupillomotorischen Valenz f\u00fcr Nachtv\u00f6gel im Gelbgr\u00fcn bis Gr\u00fcn, f\u00fcr Tagv\u00f6gel dagegen im r\u00f6tlichen Gelb bis Gelb liegt,2 und dafs anderseits nach Abels-doree (Zeitschr. f. Psychol. 22, 1900, S. 81 ff.) f\u00fcr das menschliche\n1\tMan vergleiche hierzu Hess in Pfl\u00fcgers Arch. 142, 1911, S. 411 ff., sowie Gullstband S. 47 ff.\n2\tDiese Versuche von Hess mufsten bei Dunkeladaptation angestellt werden.","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nG. E. Miiller.\nAuge das Maximum der pupillomotiorischen Valenz im Falle der Dunkeladaptation bei 540 fifi und im Falle der Helladaptation bei 590\u2014600 fifi liegt. Im gleichen Sinne ist endlich auch noch die Tatsache hier anzuf\u00fchren, dafs nach den Feststellungen von Piper (Arch. f. Physiol, 1911, S. 120) sich die Verschmelzungsfrequenz des menschlichen Dunkelauges zu derjenigen des menschlichen Hellauges \u00e4hnlich verh\u00e4lt, wie sich die Verschmelzungsfrequenz des retinalen Aktionsstromes von Nachtv\u00f6geln zu derjenigen von Tagv\u00f6geln verh\u00e4lt.\nMan kann geneigt sein gegen die Annahme, dafs die Sehpurpurfunktion bei zunehmender Helligkeit zur\u00fccktrete, die Tatsache anzuf\u00fchren, dafs Piper f\u00fcr S\u00e4uger (Kaninchen, Katze, Hund) bei Helladaptation und starkem Lichtreize ganz dieselbe spektrale Lage (ungef\u00e4hr 535 ftp) des Maximums des retinalen Aktionsstromes erhielt wie bei Dunkeladaptation und schwachem Lichtreiz.1 Man hat zur Erkl\u00e4rung dieses Versuchsergebnisses darauf hingewiesen, dafs bei jenen Tieren die Zapfen nur wenig zahlreich seien, so dafs sie die spektrale Kurve des retinalen Aktionsstromes nicht in merkbarer Weise zu beeinflussen verm\u00f6chten.2 Dieser Hinweis erlangt indessen erst dann seine volle Kraft, wenn man mit ihm eine Erinnerung daran verbindet, dafs der Grad, mit dem sich die Sehpurpurfunktion des St\u00e4bchenapparates am Sehen beteiligt, von der Hemmung abh\u00e4ngig ist, welche die Sehpurpurbildung seitens der Zapfenerregungen erf\u00e4hrt, und dafs diese Hemmung unter sonst gleichen Umst\u00e4nden um so schw\u00e4cher sein mufs, je geringer die Zahl und die Leistungsf\u00e4higkeit der Zapfen ist. Es ist hiernach leicht verst\u00e4ndlich, dafs z. B. bei dem zapfenarmen Kaninchen die Sehpurpurfunktion im Hellen eine ganz andere Rolle spielt wie beim Menschen. Mit der Annahme eines solchen Verhaltens steht es in Einklang, wenn Garten (S. 153) berichtet, dafs er bei Kaninchen, die an hellen Sonnentagen stundenlang im Schatten gegrast hatten, in\n1\tNur bei einem einzigen der am Kaninchen angestellten \\ ersuche fand Piper die Stelle des maximalen Aktionsstromes bei Helladaptation und starkem Lichte nach dem Rot hin verschoben (in der Gegend von 574 fj.fi).\n2\tBetreffs des Hundes und der Katze kann man auch noch erw\u00e4hnen, dafs das gr\u00fcnlich gef\u00e4rbte Tapetum nur die Lichtstrahlen mittlerer Wellenl\u00e4nge in betr\u00e4chtlichem Mafse reflektiert, was eine (bereits von Piper selbst hervorgehobene) beim Menschen sich nicht findende Verst\u00e4rkung dei\ngr\u00fcnen Strahlen bedeutet.","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\t43\nden sofort nach T\u00f6tung alaunisierten Netzh\u00e4uten eine ganz deutlich zu erkennende Rosaf\u00e4rbung gefunden habe, die im Licht zu Gelb ausbleichte.\nDamit die Sehpurpurbildung im Hellen seitens des Zapfenapparates eine starke Hemmung erfahre, ist erforderlich, dafs dieser ausgiebig entwickelt sei. Es w\u00fcrde aber wohl etwas voreilig sein, zu meinen, dafs nun auch allgemein der Satz gelte: je mehr der Zapfenapparat entwickelt ist, desto schw\u00e4cher ist im Hellen die Sehpurpurt\u00e4tigkeit. Denn die Hemmung, welche die Sehpurpurbildung seitens der Zapfent\u00e4tigkeit erf\u00e4hrt, kann selbst bei gleichem Verhalten der letzteren bei verschiedenen Tierarten eine verschieden starke sein, indem z. B. bei Tierarten, bei denen die zersetzende Wirkung des Lichtes f\u00fcr den Sehpurpur im Hellen bereits durch eine Lichtstellung des Pigmentes oder durch eine Aufquellung und Volumenzunahme der St\u00e4bchenaufsenglieder abgeschw\u00e4cht ist, nicht eine gleich starke Hemmung der Sehpurpurbildung im Hellen stattfindet wie bei Tierarten, bei denen derartige Schutzvorrichtungen nicht in nennenswertem Mafse vorhanden sind.1 Ferner h\u00e4ngt ja doch die Sehpurpurbildung nicht blofs von dem Grade der Hemmung ab, welche sie seitens der Zapfent\u00e4tigkeit erleidet, sondern auch von der Lebhaftigkeit, mit der die nutritiven Vorg\u00e4nge an sich (abgesehen von jener Hemmung) im Sinne der Sehpurpurbildung sich geltend machen. Diese Lebhaftigkeit kann aber bei verschiedenen Tierarten verschieden sein.\nEs ist hier ferner der Ort, um zu den Resultaten der Untersuchung, welche Bauek (Pfl\u00fcgers Arch. 141, 1911, S. 479 ff.) \u201e\u00fcber das Verhalten des Sehpurpurs beim Tagessehen\u201c angestellt hat, Stellung zu nehmen. Bauer fand bei einer ersten Art von Versuchen, dafs, wenn man von zwei zuvor mehrere Stunden im\n1 Hinsichtlich der Lichtstellung des Pigmentes hat Garten (S. 102 ff.) darauf hingewiesen, dafs sie der Deutlichkeit des Sehens dient, indem sie die seitliche Ausbreitung des in die Zapfen eingedrungenen Lichtes innerhalb der Aufsengliederschicht verhindert. Aber auch aus seinen Dar legungen ergibt sich ganz deutlich, dafs bei der Lichtstellung des Pigmentes die xlufsenglieder der St\u00e4bchen dem Lichte bedeutend weniger zug\u00e4nglich sind als bei der Dunkelstellung. Was die bei Lichteinwirkung eintretende Anschwellung und Volumenzunahme der St\u00e4bchenaufsenglieder gewisser Tiere (Fr\u00f6sche, Salamander) anbelangt, so habe ich schon fr\u00fcher (1, S. 375) bemerkt, dafs dieselbe an und f\u00fcr sich dazu dienen mufs, alle durch das Licht in diesen Aufsengliedern direkt oder indirekt angeregten chemischen Vorg\u00e4nge, soweit sie nicht unimolekulare Reaktionen sind, weniger lebhaft ausfallen zu lassen. Dafs die Sehpurpurzersetzung eine unimolekulare Reaktion oder eine blofse Folge solcher Reaktionen sei, ist aus verschiedenen Gr\u00fcnden nicht gerade wahrscheinlich. Sollte die Regeneration des Sehpurpurs in den St\u00e4bchenaufsengliedern selbst stattfinden, so mufs sie gleichfalls durch eine Volumenzunalime derselben verlangsamt werden.","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nG. E. M\u00fcller.\nDunkeln (bei schwacher Tagesbeleuchtung) gehaltenen Fr\u00f6schen den einen nur eine halbe Stunde, den anderen dagegen mehrere Stunden mit abgeschnittenen Augenlidern der Einwirkung hellen Himmelslichtes ausgesetzt hab\u00a7, dann zwar die Netzhaut des ersteren Frosches stark gebleicht, dagegen diejenige des l\u00e4ngere Zeit belichteten rot gefunden werde. Bei einer zweiten Art von Versuchen konstatierte er, dafs, wenn von zwei zuvor im Dunkeln gehaltenen und dann mit direktem Sonnenlicht oder Bogenlicht bestrahlten Fr\u00f6schen der eine ganz im Dunkeln gehalten werde, der andere dagegen einer schwachen Belichtung ausgesetzt werde, dann bei richtiger Bemessung dieser letzteren Belichtung der belichtete Frosch eine raschere Regeneration des Sehpurpurs erkennen lasse als der ganz im Dunkeln gehaltene. Versuche dieser zweiten Art stellte er mit entsprechenden Erfolgen auch an weifsen Kaninchen an. Er erkl\u00e4rt seine Versuchsergebnisse daraus, dafs bei der Bleichung des Sehpurpurs Zersetzungsprodukte entst\u00fcnden, die zum Teil \u201eauf das der Netzhaut anliegende sekretorische Epithel einwirken, indem sie es zur Sekretion von Regenerationsstoffen veranlassen, die den ausgebleichten Sehpurpur ersetzen bzw. wiederauf bauen\u201c. Er glaubt auf Grund seiner Versuchsresultate der Hering sehen Auffassung den Vorzug geben zu m\u00fcssen, \u201ewelche im St\u00e4bchenpurpur einen Bestandteil der Netzhaut sieht, der nicht nur in einem zu normaler T\u00e4tigkeit kaum ausreichenden D\u00e4mmerlicht seine Rolle spielt, sondern vor allem auch bei heller Tagesbeleuchtung, bei der sich die Leistung unseres Sehorgans erst voll entfaltet\u201c.\nMan vermifst hier eine Stellungnahme zu der oben geltend gemachten Tatsache, dafs die st\u00e4bchenreichen Partien der Netzhaut hinsichtlich der spektralen Helligkeitsverteilung und der Farbengleichungen mit den st\u00e4bchenfreien oder st\u00e4bchen\u00e4rmeren Netzhautteilen um so mehr \u00fcbereinstimmen, an je st\u00e4rkere Helligkeit das Auge adaptiert ist. Ferner ist Bauer auch gar nicht auf den Umstand eingegangen, dafs nach seiner Theorie die nach einem Hellaufenthalt einsetzende Dunkeladaption wegen der stattfindenden Abnahme der durch die vorausgegangene Sehpurpurbleichung entstandenen, das Epithel zur Sekretion von Regenerationsstoffen anregenden Zersetzungsprodukte von Anbeginn an durchgehends mit abnehmender Geschwindigkeit sich vollziehen m\u00fcfste, was bekanntlich in Wirklichkeit keineswegs der Fall ist.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n45\nWill man also die von Bauer erhaltenen Versuchsresultate mit ihm daraus erkl\u00e4ren, dafs Zersetzungsprodukte des Sehpurpurs das Pigmentepithel zur Sekretion von Regenerationsstoffen anregten, so mufs man mit dieser Auffassung zugleich noch eine der Annahmen verbinden, die wir fr\u00fcher (S. 21 f.) zur Erkl\u00e4rung der Tatsache angef\u00fchrt haben, dafs eine nach einem Hellaufenthalt stattfindende Dunkeladaptation anf\u00e4nglich langsamer anw\u00e4chst als sp\u00e4terhin. Man kann aber auch meinen, dafs die Versuchsresultate von Bauer sich einfach daraus erkl\u00e4ren liefsen, dafs gewisse Zersetzungsprodukte des Sehpurpurs bei einem Wiederaufbau desselben Mitverwendung finden. Wir erinnern an die derartige Rolle des Sehgelb (Garten, S. 202 ff.), und an die von K\u00fchne so genannte Anagenese des Sehpurpurs. Man kann sich vorstellen, dafs bei andauernder Einwirkung einer nicht hohen Helligkeit der Einflufs, den die Ansammlung solcher Zersetzungsprodukte gem\u00e4fs dem Gesetze der chemischen Massenwirkung auf die Regeneration des Sehpurpurs aus\u00fcbt, allm\u00e4hlich das \u00dcbergewicht \u00fcber den zersetzenden Einflufs des Lichtes erhalte, so dafs die Sehpurpurmenge zu einem Werte anwachse, den sie bei Fernhaltung allen Lichtes innerhalb derselben Zeit nicht erreicht haben w\u00fcrde. Auch in Beziehung auf Bauers Versuche der ersten Art l\u00e4fst sich annehmen, dafs in einem, mehrere Stunden hindurch der Einwirkung hellen Himmelslichtes ausgesetzten Auge die Anh\u00e4ufung der Zersetzungsprodukte des Sehpurpurs schliefslich zu solchen Betr\u00e4gen ansteige, dafs infolge der durch diese Anh\u00e4ufung stark gesteigerten Sehpurpurregeneration die vorhandene Sehpurpurmenge eine reichlichere ist, als sie nach einer nur halbst\u00fcndigen Dauer derselben Netzhautreizung war. Die hier angedeutete Erkl\u00e4rung der Versuchsresultate Bauers erscheint noch plausibler, wenn man zugleich in R\u00fccksicht zieht, dafs die f\u00fcr die Sehpurpurbildung wesentliche Bedeutung besitzende chorioideale Blutzirkulation vermutlich auch bei einer schwachen Netzhautreizung lebhafter vor sich geht als bei Fernhaltung jedes Lichtreizes, und dafs dieselbe vielleicht auch nach einer mehrst\u00fcndigen starken Netzhautreizung eine gr\u00f6fsere Lebhaftigkeit besizt als nach einer nur halbst\u00fcndigen Reizung von ganz gleicher Art und St\u00e4rke.\nIn Beziehung auf die Resultaten von Bauers Versuchen der ersten Art l\u00e4fst sich noch die Frage auf werfen, ob bei denselben nicht auch der Umstand mitgespielt habe, dafs die Lichtstellung des Pigments zwar nach Verlauf mehrerer Stunden, nicht aber","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nG. E. M\u00fcller.\nauch nach Ablauf nur einer halben Stunde seit Beginn der Lichteinwirkung ganz entwickelt gewesen sei. Bauer glaubt diese Deutung dadurch unm\u00f6glich gemacht zu haben, dafs er die Fr\u00f6sche vor der Belichtung l\u00e4ngere Zeit bei schwacher Tagesbeleuchtung hielt. \u201eDas Pigment befindet sich dann wahrscheinlich (?) zu Beginn des Versuchs bereits in Tagesstellung, und auch die Pupille \u00e4ndert sich beim \u00dcbergang zu hellem Licht nicht mehr merklich.\u201c Eine weitere Frage, die sich gegen\u00fcber den Versuchsresultaten von Bauer aufdr\u00e4ngt, ist die, ob die Lebhaftigkeit der von einem gegebenen Lichte bewirkten Sehpurpurzersetzung wirklich nur von der Menge des in den betroffenen St\u00e4bchen enthaltenen Sehpurpurs abh\u00e4nge, ob nicht vielmehr die Lichtempfindlichkeit einer gegebenen Sehpurpurmenge zugleich auch eine Funktion der Zeit sei, w\u00e4hrend welcher sie bereits belichtet worden ist, in dem Sinne, dafs bei zunehmender L\u00e4nge dieser Zeit sich die Lichtempfindlichkeit verringert. Schon bei Garten (S. 198) finden wir die Bemerkung, es sei wahrscheinlich, \u201edas Sehgelb im Moment des Entstehens gegen Lichtwirkung viel empfindlicher ist als l\u00e4ngere Zeit nach der Belichtung\u201c. Neuerdings hat nun Weigert (II, S. 177 ff.) bei Versuchen mit Cyaninkollodiumschichten festgestellt, dafs die Ausbleichung des Cyanins bei Fortdauer der Belichtung in ganz aufserordentlicher Weise an Lebhaftigkeit abnimmt, w\u00e4hrend die absorbierte Lichtmenge sich nur wenig verringert. \u201eDie Geschwindigkeit des Vorganges ist also nicht. . . einfach proportional der absorbierten Lichtmenge, sondern auch abh\u00e4ngig von der Vorgeschichte der Systeme. Wenn sie schon durch l\u00e4ngere oder intensivere Lichtwirkung erregt waren, kann die Lichtempfindlichkeit trotz starker Absorption auf einen geringen Bruchteil der anf\u00e4nglichen absinken.\u201c Falls wir diese dem Cyanin und anderen Stoffen eigent\u00fcmliche Verhaltungsweise auf den Sehpurpur \u00fcbertragen d\u00fcrfen, ist eine weitere Grundlage f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der BAUERschen Versuchsergebnisse gegeben, insbesondere auch f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der Tatsache, dafs eine durch mehrere Stunden hindurch von starkem Licht gereizte Netzhaut mehr Sehpurpur enth\u00e4lt als eine nur w\u00e4hrend einer halben Stunde in ganz gleicher Weise gereizte Netzhaut. Wie wir weiterhin (\u00a7 6) sehen werden, ist es allerdings sehr fraglich, ob wir den Sehpurpur als einen Farbstoff ansehen d\u00fcrfen, der hinsichtlich seiner photochemischen Verhaltungsweisen in weitem Umfange mit dem Cyanin \u00fcberein stimmt. Dies braucht aber nicht auszuschlielsen,","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n47\ndafs ihm die hier erw\u00e4hnte Eigenschaft des Cyanin, wenn auch nicht wie diesem in ganz aufserord entlieh er Weise, sodoch wenig stens in gewissem Mafse zukomme.\nM\u00f6gen nun die angef\u00fchrten Versuchsresultate von Bauer auf diese oder jene Weise zu erkl\u00e4ren sein 1, f\u00fcr uns hier ist es von Wichtigkeit, dafs die Helligkeiten, bei deren Benutzung er das belichtete Auge sehpurpurhaltiger fand als das unbelichtete, solche waren, bei denen nach den herrschenden Anschauungen auch das menschliche Sehen noch in einen nicht unwesentlichen Grade auf der Sehpurpurzersetzung beruht. Bei h\u00f6heren Lichtst\u00e4rken kehrten sich, wie Bauer selbst hervorhebt, die Resultate um, indem dann das belichtete Auge sich bei der Pr\u00fcfung als weniger sehpurpurhaltig erwies als das unbelichtete. Es widersprechen also die Versuchsresultate Bauers keinesfalls der Annahme, dafs von einer gewissen Helligkeit ab die Sehpurpurbildung um so weniger lebhaft sei, je h\u00f6her die vorhandene Lichtst\u00e4rke sei.\nDafs der Vorteil, den nach, den Feststellungen Bauers eine andauernde schwache Belichtung gegen\u00fcber dem v\u00f6lligen Dunkel in Beziehung auf die Sehpurpuransammlung unter Umst\u00e4nden hat, ausschliefslich darauf beruhe, dafs die Lichtempfindlichkeit des Sehpurpurs bei andauernder Belichtung sich verringert, erscheint einigermafsen zweifelhaft im Hinblick auf folgende Beobachtung von Piper (Zeitschr. f. Psychol. 31, 1903, S. 211): \u201eHat man sich l\u00e4ngere Zeit (1 Stunde) in einem wenig lichterf\u00fcllten Raume aufgehalten . . . . und l\u00e4fst dann die Schwelle feststellen, so zeigt sich, dafs die zeitweise nicht unerhebliche Belichtung die Adaptation so gut wie gar nicht aufgehalten hat, im Gegenteil, man erreicht manchmal einen geringeren Schwellenwert als den nach einst\u00fcndigem absoluten Dunkelaufenthalt festgestellten.\u201c\nIn Beziehung auf derartige Beobachtungen darf nicht \u00fcbersehen werden, dafs die Erregbarkeit des St\u00e4bchenapparates nicht blofs von dem Sehpurpurgehalt der St\u00e4bchen, sondern auch von der Erregbarkeit der nerv\u00f6sen St\u00e4bchensubstanz abh\u00e4ngig ist, auf welche die Sehpurpurzersetzungen erregend einwirken. Diese letztere Erregbarkeit wird nach einer andauernden, wenn auch nicht starken, Belichtung des Auges nicht denjenigen Betrag besitzen, den sie nach einem gleich langen Dunkelaufenthalt erreicht, so dafs eine durch die Belichtung bewirkte Vermehrung der Sehpurpurmenge bei etwaigen Schwellenbestimmungen nicht so hervortreten kann wie bei direkten Bestimmungen des Sehpurpurbestandes, dafs\n1 Die gegen\u00fcber den Versuchsresultaten Bauers angef\u00fchrten Gesichtspunkte d\u00fcrften auch gegen\u00fcber demjenigen geltend zu machen sein, was \u00fcber den Sehpurpurgehalt vor dem Tode der betreffenden Person l\u00e4ngere Zeit belichteten und nach Eintritt desselben m\u00f6glichst schnell herausgenommener und untersuchter Augen berichtet wird (Garten, S. 152).","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nG. E. M\u00fcller.\nandererseits unter Umst\u00e4nden auch die Bahnung im ExNERSchen Sinne die Schwellenbestimmungen an dem f\u00fcr das Dunkel sich adaptierenden oder adaptierten Auge beeinflussen k\u00f6nne, hat bereits Piper (a. a. 0.) bemerkt.\nEs ist leicht m\u00f6glich, dafs der Einflufs, den nach den Versuchen Bauers eine l\u00e4nger andauernde Belichtung des Auges auf das Verhalten der Sehpurpurmenge hat, auch bei den Versuchen eine Bolle mitgespielt hat, durch welche Tschermak (S. 315) eine \u201eErm\u00fcdung des Adaptationsvorganges\u201c erwiesen zu haben glaubt. \u201eWurde n\u00e4mlich\u201c, bemerkt er, \u201edie Pause nach einer Lichtabschlufsbeobachtung nur so lange gew\u00e4hlt, dafs sie eben zur Wiederherstellung des sog. mittleren Helladaptationszustands ausreichte, so f\u00fchrte ein folgender Lichtabschlufs von derselben Dauer keinen solchen Grad von Adaptationswirkung herbei, wie er das erste Mal eingetreten war. Ja es konnte durch eine analoge Reihe abwechselnder Belichtung und Verdunklung des Sehorgans schliefslich zu einem fast v\u00f6lligen Verschwinden des sonstigen Adaptationseffektes kommen. Hingegen reichte ein nicht sehr langes Verharren im sog. mittleren Helladaptationszustande aus, um das Erreichen beil\u00e4ufig des fr\u00fcheren Grades in der Adaptationswirkung durch neuerlichen Lichtabschlufs zu erm\u00f6glichen.\u201c Leider ist dieser Bericht ein allzu knapper.\n(Schlufs folgt.)","page":48},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nZur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der\nZapfenblindheit.\nVon\nG. E. M\u00fcllee.\nZweiter Teil.\n\u00a7 5. Besitzt der St\u00e4bchenapparat eine blofse Dunkelfunktion oder eine Dunkel- und eine Hellfunktion?\nZieht man dasjenige, was wir in den Ausf\u00fchrungen des vorigen Paragraphen geltend gemacht haben, n\u00e4her in Erw\u00e4gung, so zeigt sich leicht, dafs dasselbe nur zur Begr\u00fcndung und Rechtfertigung der Annahme dient, dafs die Sehpurpurzersetzung im menschlichen Auge von einem bestimmten Punkte ab um so weniger ins Gewicht falle, je gr\u00f6fser die gegebene Helligkeit sei, und dafs nur dann, wenn die Voraussetzung zutreffend ist, dafs eine St\u00e4bchent\u00e4tigkeit nur auf Grund von Sehpurpurzersetzung m\u00f6glich sei, auch von der St\u00e4bchent\u00e4tigkeit ganz allgemein zu sagen ist, sie spiele von einem bestimmten Punkte ab eine um so geringere Rolle, je st\u00e4rker die einwirkende Helligkeit sei. Man darf sich nicht verhehlen, dafs die soeben erw\u00e4hnte Voraussetzung durch das bisher Vorgebrachte nicht im Entferntesten erwiesen ist. Man kann ihr eine andere, von mir fr\u00fcher (II, S. 166) vertretene Auffassung gegen\u00fcberstellen, nach welcher der St\u00e4bchenapparat, von aller Beeinflussung durch Sehpurpurzersetzungen frei gedacht, sich im wesentlichen wie ein Zapfenapparat verh\u00e4lt und der Sehpurpur, in der Hauptsache nur bei niederen, zum Teil f\u00fcr den Zapfenapparat ganz unwirksamen Helligkeiten seine Funktion aus\u00fcbend, durch seine sensibilisatorische Wirksamkeit dazu dient, die Lichtempfindlichkeit des St\u00e4bchenapparates weit \u00fcber diejenige des Zapfenappa-","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit 1Q3\nrates hinaus zu erh\u00f6hen und ihre spektrale Kurve im Sinne der spektralen Kurve der Bleichungswerte zu verschieben. Je mehr nun aber bei steigender Helligkeit die Sehpurpurfunktion zur\u00fccktritt, desto mehr mufs nach dieser Ann ah m e einer Doppelfunktion des St\u00e4bchenapparates (im folgenden kurz als DH-Hypothese bezeichnet) letzterer Apparat hinsichtlich der spektralen Helligkeits Verteilung, hinsichtlich der Farbengleichungen und hinsichtlich der Verschmelzungsfrequenz mit dem Zapfenapparate \u00fcbereinstimmen.\nEs bedarf nicht erst der Hervorhebung, dafs die hier erw\u00e4hnte Annahme der Tatsache, dafs die st\u00e4bchenreichen Netzhautpartien mit den st\u00e4bchen\u00e4rmeren und st\u00e4bchenfreien hinsichtlich der spektralen Helligkeitsverteilung und anderer Erscheinungen um so mehr \u00fcbereinstimmen, je helladaptierter das Auge ist, ebenso gut gerecht zu werden vermag wie die von von Kries u.a. vertretene Annahme einer blofsen Dunkelfunktion des St\u00e4bchenapparates (die D-Hypothese), nach welcher diese Tatsache darauf beruht, dafs die St\u00e4bchent\u00e4tigkeit um so belangloser wird, auf je st\u00e4rkere Helligkeit sich das Auge adaptiert. Beil\u00e4ufig mag hier darauf hingewiesen werden, dafs, wenn angenommen wird, dafs der Sehpurpur durch seine Zersetzungen nur bei geringen Helligkeiten der mafsgebende Faktor f\u00fcr die St\u00e4bchenerregungen sei, dagegen bei h\u00f6heren Helligkeiten anderen mit schw\u00e4cheren Lichtempfindlichkeiten begabten Sensibilisatoren des St\u00e4bchenapparates Platz mache, die hiermit dem Sehpurpur zugeschriebene Rolle ganz der Rolle entspricht, welche Demoll {Pfl\u00fcgers Arch., 129, 1909, S. 473)1 dem von ihm f\u00fcr die Fazettenaugen gewisser Tagschmetterlinge angenommenen Sensibilisator zuschreibt. Er kommt zu dem Resultat, dafs dieser Sensibilisator durch starkes Licht sehr schnell zerst\u00f6rt werde, wodurch eine andauernde Blendung bei hoher Helligkeit vermieden werde, indem dann \u201edie Rezeptoren ohne seine (des Sensibilisators) Vermittlung in geringerem Mafse von dem Reiz in Erregung versetzt werden\u201c.\nFr\u00e4gt man nun, welche Einw\u00e4nde gegen die hier angedeutete DH-Hypothese seitens der herrschenden Duplizit\u00e4tstheorie\n1 Die Deutung, welche Demoll den von ihm beobachteten Erscheinungen gibt, ist nach dem von Hess (S. 189f) Bemerkten noch nicht ganz sichergestellt.","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nG. E. M\u00fcller.\nerhoben worden seien, so ist zu sagen, dafs man bisher \u00fcberhaupt ganz vers\u00e4umt hat zu dieser Annahme n\u00e4her Stellung zu nehmen. Dieses Vers\u00e4umnis ist um so weniger gerechtfertigt, weil es Tatsachen gibt, die der D-Hypothese nicht gerade g\u00fcnstig erscheinen, wenn sie dieselbe auch keineswegs ausschliefsen. Erstens ist daran zu erinnern, dafs die menschliche Netzhaut an der Ora serrata einen ringf\u00f6rmigen Streifen von nicht unerheblicher Breite enth\u00e4lt, dessen St\u00e4bchen des Sehpurpurs entbehren.1 Nach der D-Hypothese sind die diesem sehpurpurfreien Ringe angeh\u00f6rigen St\u00e4bchen zu immerw\u00e4hrender Unt\u00e4tigkeit verdammt (von den F\u00e4llen elektrischer oder mechanischer Einwirkung auf dieselben abgesehen). Vom Standpunkte der DH-Hypothese aus dagegen l\u00e4fst sich sagen, es sei leicht zu verstehen, dafs die Natur darauf verzichtet habe, diese St\u00e4bchen, die aus bekanntem Grunde selbst im Hellen von den umgebenden Gesichtsobjekten nur relativ schwach mit Lichtstrahlen getroffen werden, auch als Dunkelapparate auszur\u00fcsten, und sich damit begn\u00fcgt habe, sie in \u00e4hnlicherWeise wie die ihnen benachbarten Zapfen auszustatten.\nEin zweites Bedenken, das man geneigt sein k\u00f6nnte der D-Hypothese gegen\u00fcber zu erheben, ist folgendes. Die von von Kbies u. a. behauptete Eigent\u00fcmlichkeit der St\u00e4bchenempfindungen, eine bl\u00e4uliche F\u00e4rbung zu besitzen, n\u00f6tigt uns dazu, dem St\u00e4bchenapparate die F\u00e4higkeit zuzuschreiben, chromatische Erregungen in sich entstehen zu lassen. Es w\u00e4re nun eine sehr befremdende Einrichtung, wenn diese chromatische Erregbarkeit nur dazu diente, auf Grund einer Inanspruchnahme durch Sehpurpurzersetzungen schwachen Lichteindr\u00fccken eine meist zu dem objektiven Sachverhalt nicht stimmende bl\u00e4uliche F\u00e4rbung zu verleihen und nicht dazu beitr\u00fcge, dafs farbige Gesichtsobjekte auch bei mittleren und hohen Lichtst\u00e4rken farbige Eindr\u00fccke und zwar solche, die ihren Eigenfarben mehr oder weniger entsprechen, hervorrufen.\nWir gehen nun dazu \u00fcber, zuzusehen, inwieweit sich die D-Hypothese trotz der vorstehenden Bedenken durch stichhaltige Beweisf\u00fchrungen st\u00fctzen l\u00e4fst. Man wird in dieser Hinsicht geneigt sein, in erster Linie auf folgenden Tatbestand hinzu weisen.\n1 Man vergleiche hier\u00fcber Trendelenburg im Arch. f. (Aunt. \u00ab.) Physiol.., 1904, Suppl. Bd., S. 235 f.","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n105\nEs l\u00e4fst sich nicht leugnen, dafs bei manchen Tierarten die Einrichtung der Zapfen- und St\u00e4bchenzellen und die Form\u00e4nderungen, die sie bei eintretender Helligkeit oder Dunkelheit erfahren, sowie die Wanderungen des Pigments und des Guanins darauf hinzuweisen scheinen, dafs der St\u00e4bchenapparat im Hellen eine mindestens nur untergeordnete Rolle spielt, w\u00e4hrend im Dunkeln die Verh\u00e4ltnisse darauf angelegt sind, die St\u00e4bchen m\u00f6glichst zug\u00e4nglich und empfindlich f\u00fcr das Licht zu machen. Wenn sich bei manchen Tieren, z. B. Fischen, im Hellen die Zapfenaufsenglieder infolge der Kontraktion des Zapfeninnen-gliedes glask\u00f6rperw\u00e4rts nach der in der Gegend der Limitans externa gelegenen Bildebene hin bewegen, wobei die Vergr\u00f6fse-rung der Querschnitte der Innenglieder zugleich dazu dient, die in die Aufsenglieder eindringende Lichtmenge zu vermehren, und das Mitwandern des Pigmentes dem fr\u00fcher Bemerkten gem\u00e4fs zugleich die Nebenwirkung hat, die auf die St\u00e4bchen-aufsenglieder ein wirkende Lichtmenge zu verringern, so tritt hier ganz deutlich die Tendenz hervor, im Hellen den Zapfenapparat zum Hauptempf\u00e4nger der Lichteinwirkung zu machen. W\u00e4hrend ferner bei denjenigen Tieren (Tagv\u00f6geln und Fischen), bei denen die St\u00e4bcheninnenglieder im Hellen l\u00e4nger sind wie im Dunkeln (Garten, S. 51 ff.), beim Dunkeladaptiertsein die St\u00e4bchenaufsenglieder nach der soeben erw\u00e4hnten Bildebene hin verschoben sind, so dafs \u201egewissermafsen die ganze Eintrittsebene der Lichtstrahlen den St\u00e4bchen zugute kommt\u201c, verlieren im Hellen die St\u00e4bchenaufsenglieder infolge der eintretenden Verl\u00e4ngerung der St\u00e4bcheninnenglieder und Verk\u00fcrzung der Zapfeninnenglieder diese g\u00fcnstige Position zugunsten der Zapfenaufsenglieder, wobei die eintretende Verschm\u00e4lerung des Querschnittes der St\u00e4bcheninnenglieder unter Umst\u00e4nden zugleich dazu dienen d\u00fcrfte, das nach den St\u00e4bchenaufsengliedern durchgelassene Lichtb\u00fcndel zu reduzieren. W\u00e4hrend in gewissen, ein retinales Tapetum enthaltenden Tieraugen das Guanin sich im Dunkeln in Gestalt einer nahezu kompakten, das Licht reflektierenden, weifsen Masse hinter der St\u00e4bchenschicht befindet, verl\u00e4fst es im Hellen diese Stellung, um eine der Lichtaufnahme seitens der (glask\u00f6rperw\u00e4rts verschobenen) Zapfenaufsenglieder g\u00fcnstigere einzunehmen (Garten, S. 93). Und dem fr\u00fcher Bemerkten gem\u00e4fs mufs die bei manchen Tieren im Hellen eingetretene Aufquellung der St\u00e4bchenaufsenglieder an und f\u00fcr","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nG. E. M\u00fcller.\nsich dazu dienen, alle in denselben stattfindenden chemischen Reaktionen multimolekularer Art auf einem tieferen Niveau zu halten. Endlich ist hier vielleicht auch noch darauf hinzuweisen, dafs die der Sch\u00e4rfe des Sehens im Hellen f\u00f6rderlichen farbigen \u00d6lkugeln sich nur in den Zapfen-, nicht aber auch in den St\u00e4bchensehzellen vorfinden 1, mit deren Dunkelfunktion es sich nicht vertr\u00e4gt, dafs in den Weg des zu den Aufsengliedern dringenden Lichtes stark lichtabsorbierende Massen eingeschoben seien.\nDie hier angef\u00fchrten Tatbest\u00e4nde zeigen zwar, dafs die Verh\u00e4ltnisse und Vorg\u00e4nge in den betreffenden Augen darauf angelegt sind, im Dunkeln dem St\u00e4bchenapparat, im Hellen dagegen dem mit feinerer Sehsch\u00e4rfe begabten Zapfenapparate eine gesteigerte Zug\u00e4nglichkeit und Empfindlichkeit dem Licht gegen\u00fcber zu verleihen, aber als ein wirklicher Beweis f\u00fcr die Annahme, dafs der St\u00e4bchenapparat beim Helladaptiertsein nahezu v\u00f6llig von einer Mitwirkung beim Sehakte ausgeschlossen sei, k\u00f6nnen sie nicht gelten. Am allerwenigsten stellen sie einen solchen Beweis in Beziehung auf das menschliche Auge dar, f\u00fcr das bisher keine der erw\u00e4hnten Stoffwanderungen und Form\u00e4nderungen der Zapfen- und St\u00e4chensehzellen nachweisbar war.\nWas die Bedeutung der oben erw\u00e4hnten farbigen \u00d6lkugeln betrifft, so dienen dieselben erstens dem Zweck, den Nachteil der chromatischen Abweichung einzuschr\u00e4nken. Den zweiten, von Henning neuerdings (Pfl\u00fcgers Arch., Bd. 178, 1920, S. 91 ff.) zu ausschliefslich betonten Zweck hat schon Gabten (S. 148) mit den Worten angedeutet: \u201eDa die Kugeln ja alle in ihrer Farbe dem langwelligen Spektralteil angeh\u00f6ren, wird die durch Dunst verh\u00fcllte Ferne, von der relativ viel kurzwelliges Licht ins Auge gelangt, in ihrem Mosaikbild gewissermafsen von jenem kurzwelligen Licht gereinigt.\u201c Von einer einseitigen Betonung nur dieses letzteren Gesichtspunktes mufs eine Ber\u00fccksichtigung der Tatsache abhalten, dafs nach den Feststellungen von Hess {Arch. f. Augenheilk., Bd. 57, 1907, S. 300f.) bei den H\u00fchnern und Tauben gerade der f\u00fcr das Picken von K\u00f6rnern vorwiegend oder ausschliefslich in Betracht kommende hintere obere Quadrant der Netzhaut durch einen besonderen Reichtum an roten und orangefarbenen \u00d6lkugeln ausgezeichnet ist. Ob die Mengenverh\u00e4ltnisse, in denen die verschiedenen Farben des langwelligen Teiles des Spektrums an den \u00d6lkugeln vertreten sind, mit den besonderen Lebensbedingungen der betreffenden Tiere, z. B. der r\u00f6t-\n1 Gegen die herrschende Ansicht, dafs \u00d6lkugeln nur in Zapfen Vorkommen, erkl\u00e4rt sich Fbitsch im Arch. f. mikrosk. Anat., Bd 78, 1911, S. 250 ff. Die Frage ist hier, ob die von ihm wegen ihrer \u00e4ufseren Gestalt als St\u00e4bchen angesprochenen Gebilde sehpurpurhaltig sind oder nicht.","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit. 107\nliehen oder gelblichen F\u00e4rbung gewisser Fr\u00fcchte oder Samenk\u00f6rner, Zusammenh\u00e4ngen oder mehr zuf\u00e4lligen Ursprungs sind, mufs dahingestellt bleiben. An den farblosen \u00d6lkugeln tritt eine dritte, schon von Hess und Garten erw\u00e4hnte Funktion der \u00d6lkugeln hervor, n\u00e4mlich die, nach Art einer Kugellinse wirkend das einfallende Licht besser auf die Aufsenglieder zu konzentrieren. Bei den farbigen \u00d6lkugeln wTird dieser Vorteil mehr oder weniger durch die st\u00e4rkere Lichtabsorption kompensiert.\nDie Pigmentierung des Zentrums der menschlichen Netzhaut dient nat\u00fcrlich gleichfalls dazu, dem nachteiligen Einfl\u00fcsse der chromatischen Abweichung entgegenzuwirken und dem Sehen eine bessere Durchdringung von Dunst und Nebel zu erm\u00f6glichen.1 Den ersteren Zweck der Pig. mentierung hat M. A. Polack schon vor l\u00e4ngerer Zeit (Comptes rendus de l\u2019Acad. des sc. vom 26. November 1906 und Annales d\u2019oculistique, 1907, S. 147 f.) geltend gemacht, indem er zugleich \u00fcber Versuche berichtete, welche dartun, dafs die Akkommodation des Auges f\u00fcr die dem roten Ende des Spektrums n\u00e4her stehenden Strahlen stattfindet. Rivers stellte bei seinen Untersuchungen der Eingeborenen der Inseln der Torres-Strafse2 fest, dafs bei diesen V\u00f6lkerschaften das Netzhautzentrum st\u00e4rker pigmentiert ist als bei den Europ\u00e4ern, so dafs dasselbe eine bemerkenswerte Minderempfindlichkeit f\u00fcr die kurzwelligen Lichter besitzt, die an der mangelhaften Nomenklatur f\u00fcr diese Lichter nicht unbeteiligt sein d\u00fcrfe (blau gelegentlich einfach als schwarz bezeichnet). Anderseits konstatierte er bei jenen Eingeborenen eine erh\u00f6hte Sehsch\u00e4rfe (Benutzung der Snellenschen und anderer ophthai-mologischer Methoden). . Es liegt nahe, beides in Zusamenhang zueinander zu bringen.\nPiper {Zeitsehr. f. Psychol., 32, 1903, S. 104 ff.) fand, dafs der Schwellenwert der Lichtst\u00e4rke einer auf der Netzhautperipherie sich abbildenden Lichtfl\u00e4che bei zunehmender Gr\u00f6fse der Lichtfl\u00e4che im Falle des Dunkeladaptiertseins in bedeutendem Grade abnahm, dagegen im Falle des Helladaptiertseins nur minimal sich \u00e4nderte. Er ist mit Recht geneigt, dies dahin zu deuten, ,.dafs die lichtperzipierenden Elemente des Hell- und des Dunkelauges auf verschiedene Art miteinander, bzw. mit den h\u00f6heren Teilen der Sehbahn verkn\u00fcpft sind\u201c. Nach den Versuchen von Henius {diese Zeitschr., 43, 1909, S. 99 ff.) besteht zwar nicht ein so schroffer Unterschied zwischen den Verhaltungsweisen der Schwelle bei beiden Adaptationszust\u00e4nden der untersuchten peripheren Netzhautregion wie nach den PiPEERschen Versuchen, aber immerhin ergibt sich doch aus ihnen, dafs eine Abh\u00e4ngigkeit\n1\tDie eigent\u00fcmliche Auffassung, die Garten (S. 143f.) hinsichtlich der Bedeutung der \u00d6lkugeln entwickelt hat, versagt gegen\u00fcber der Pigmentierung der menschlichen Makula.\n2\tReports of the Cambridge Anthropological Expedition to Torres Straits. Vol, II. Cambridge 1901.","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nGr. E. M\u00fcller.\ndes Schwellenwertes von der Reizfl\u00e4che beim Helladaptiertsein nicht mehr bestand, wenn die Winkelgr\u00f6fse der Fl\u00e4che 10\u00b0 \u00fcberstieg, dagegen beim Dunkeladaptiertsein noch bis zu 30\u00b0 hin nachweisbar war ; und auch innerhalb des Bereiches der Fl\u00e4chen-gr\u00f6fsen, die unterhalb 10\u00b0 lagen, zeigte sich die Abh\u00e4ngigkeit der Schwelle von der Fl\u00e4chengr\u00f6fse beim Dunkeladaptiertsein unvergleichlich st\u00e4rker ausgepr\u00e4gt als beim Helladaptiertsein. Man kann nun geltend machen, dafs hier ein weiteres Argument gegen die DH-Hypothese gegeben sei. Denn, wenn die perzi-pierenden Elemente des Dunkelauges auch im Hellen t\u00e4tig seien, m\u00fcsse sich doch eine \u00e4hnliche Abh\u00e4ngigkeit des Schwellenwertes von der Reizfl\u00e4che wie f\u00fcr das dunkeladaptierte Auge auch f\u00fcr das helladaptierte zeigen. Wenn die Schwelle f\u00fcr das erstere Auge bei einer Fl\u00e4che von 30\u00b0 deutlich geringer ist wie bei einer Fl\u00e4che von 10 \u00b0, wie kann sie dann f\u00fcr das Hellauge bei beiden Fl\u00e4chengr\u00f6fsen denselben Wert besitzen, wenn wirklich die perzipierenden Elemente des Dunkelauges auch im Hellen\neine in Betracht kommende Rolle spielen?\nMan kann fragen, ob nicht auch das Verh\u00e4ltnis zwischen der Hellsehsch\u00e4rfe und der Dunkelsehsch\u00e4rfe zur Entscheidung zwischen der D- und der DH-Hypothese heranzuziehen sei. A. E. Fick und J. K\u00f6ster (Arch. f. Ophth Bd. 45, 1898, 1. Abt., S. 336ff.) fanden, dafs auf der Netzhautperipherie von 30\u00b0 bzw. 35\u00b0 bis an die Grenze des untersuchten Gebiets (50\u00b0 bzw\\ 70\u00b0) die Dunkelsehsch\u00e4rfe gr\u00f6fser war als die Hellsehsch\u00e4rfe. Und Fick meint nun in der Tat, dafs dieses Versuchsergebnis f\u00fcr die D-Hypothese spreche. Dazu ist zu bemerken, dafs erstens dieses Versuchsergebnis durch die sp\u00e4teren Untersuchungen von von Kries und Buttmann, von Bloom und Garten und von Katzenellenbogen (Wundts Psychol. Studie?i, Bd. 3, 1907, S. 272ff.) nicht best\u00e4tigt worden ist \u2014 nur bei 70\u00b0 temporal fand Katzenellenbogen die Dunkelsehsch\u00e4rfe gleichfalls etwas gr\u00f6fser als die Hellsehsch\u00e4rfe \u2014 und dafs zweitens nicht einzusehen ist, inwiefern eine \u00dcberlegenheit der Dunkelsehsch\u00e4rfe \u00fcber die Hellsehsch\u00e4rfe die Richtigkeit der D-Hypothese ergeben w\u00fcrde. Im Falle eines gleichzeitigen Zusammenwirkens des Zapfen- und des St\u00e4bchenapparates liegen die f\u00fcr die Sehsch\u00e4rfe mafsgebenden Verh\u00e4ltnisse doch wesentlich anders, als Fick anzunehmen scheint. Der Raumersparnis halber sehe ich von einem n\u00e4heren Eingehen auf diesen ziemlich komplizierten Gegenstand ab.\nZu einer stark ins Gewicht fallenden Best\u00e4tigung der D-Hypothese gelangen wir, wenn wir zusehen, wie sich nach derselben im Verlaufe einer Helladaptation die W-Erregbarkeit der nerv\u00f6sen St\u00e4bchensubstanz, d. h. die F\u00e4higkeit derselben, auf einen geeigneten Erregungsantrieb mit W-Erregung zu reagieren, verh\u00e4lt. Wird das dunkeladaptierte Auge einer starken Dauerhelligkeit","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n109\nansgesetzt, so sinkt die Sehpurpurmenge so lange, bis Gleichgewicht zwischen Zersetzung und Bildung des Sehpurpurs eingetreten ist. Die W-Erregbarkeit der nerv\u00f6sen St\u00e4bchensubstanz erf\u00e4hrt zun\u00e4chst, so lange als die Sehpurpurzersetzung noch eine betr\u00e4chtliche ist, eine starke Verringerung. Sobald aber jener Gleichgewichtszustand erreicht ist, ja schon etwas vorher, wird sie wieder ansteigen, weil eben der Einflufs der im Sinne ihrer Wiedererh\u00f6hung wirksamen Vorg\u00e4nge (Nutrition, R\u00fcckbildung von Erregungsprodukten) \u00fcber den gegenteiligen Einflufs der nur noch sehr geringf\u00fcgigen Sehpurpurzersetzung \u00fcberwiegt ; und zuletzt wird ein Punkt erreicht werden, wo zwischen diesem letzteren Einfl\u00fcsse und jenen restitutiven Einfl\u00fcssen Gleichgewicht besteht und damit erst das Adaptiertsein des St\u00e4bchenapparates an die gegebene Helligkeit ein vollkommenes ist. Ist dieser Zustand erreicht, so wird infolge der Geringf\u00fcgigkeit der noch stattfindenden Sehpurpurzersetzung die W-Erregbarkeit der nerv\u00f6sen St\u00e4bchensubstanz einen Wert besitzen, der von dem Werte, den sie bei vollendeter Dunkeladaption besitzt, nur sehr wenig abweicht oder, falls die Lichteinwirkung eine Steigerung der f\u00fcr diese W-Erregbarkeit von Belang seienden nutritiven Prozesse zur Folge hat, sogar gleich grofs oder gr\u00f6fser ist als jener Wert. Wird bei vollkommenem Helladaptiertsein dann pl\u00f6tzlich wieder v\u00f6llige Dunkelheit hergestellt, so wird die einsetzende Dunkeladaptation im wesentlichen nur in einer Zunahme der Sehpurpurmenge bestehen. Findet dagegen der Lichtabschlufs zu einer Zeit statt, wo der Zustand des St\u00e4bchenapparates von einem Adaptiertsein an die vorhandene Helligkeit noch weit entfernt ist, so tritt bei der nachfolgenden Dunkeladaptation auch noch eine erhebliche Zunahme der W-Erregbarkeit der nerv\u00f6sen .St\u00e4bchensubstanz ein.\nDie vorstehenden Betrachtungen finden eine eklatante Best\u00e4tigung durch die von mir (III, S. 370ff.) gefundene, von Nagel (Zeitschr. f. Psychol., 34, 1904, S. 285 ff.) und von Br\u00fcckner und Kirsch (diese Zeitschr47, 1913, S. 46 ff.) best\u00e4tigte1, auffallende Tatsache, dafs der Schwellenwert des elektrischen Stromes f\u00fcr die Ausl\u00f6sung einer Gesichtsempfindung beim Helladaptiertsein\n1 Auch die Versuche von Coeds [Arch. f. Ophth, Bd. 67, 1907, S. 156), bei denen sich die Verschmelzungsfrequenz der elektrischen Netzhautreizung f\u00fcr das dunkeladaptierte Auge gleich grofs erwiefs, wie f\u00fcr das helladaptierte Auge, sind hier zu erw\u00e4hnen.","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nG. E. M\u00fcller.\ngleich grofs oder sogar geringer ist als beim Dunkeladaptiertsein. Zum Verst\u00e4ndnis dieser Tatsache ist daran zu erinnern, dafs, wie K\u00fchne festgestellt hat, alle elektrischen Einwirkungen auf die Augen lebender Tiere ohne jeden Einflufs auf den Sehpurpur sind, und dafs wir, wie ich fr\u00fcher (III, S. 354 ff.) n\u00e4her ausgef\u00fchrt habe, guten Grund haben, anzunehmen, dafs der elektrische Strom bei den hier in Betracht kommenden St\u00e4rkegraden Gesichtsempfindungen dadurch erweckt, dafs er auf die lichtempfindlichen Endapparate der Netzhaut unmittelbar einwirkt. Ferner ist zu beachten, dafs, wie sich aus den Versuchsresultaten von Br\u00fcckner und Kirsch ergibt, der erw\u00e4hnte Schwellenwert des elektrischen Stromes, der beim Helladaptiertsein nicht gr\u00f6fser ist wie beim Dunkeladaptiertsein, der f\u00fcr den St\u00e4bchenapparat g\u00fcltige Schwellenwert ist. F\u00fcr das Netzhautzentrum ergab sich bei Dunkeladaptiertsein ein 2\u20143 mal so hoher Schwellenwert wie f\u00fcr die Peripherie ; auch zeigte sich der Schwellenwert f\u00fcr das Netzhautzentrum, anders wie derjenige f\u00fcr die Peripherie, beim Helladaptiertsein doppelt so grofs wie beim Dunkeladaptiertsein.1 Da also der elektrische Strom, wenn er soeben eine Gesichtsempfindung ausl\u00f6st, diesen Erfolg dadurch erzielt, dafs er auf\n1 Der Schwellenwert des Netzhautzentrums ist eben von der Adaptationsf\u00e4higkeit des Zapfenapparates mit abh\u00e4ngig. Als ein Mafs derselben kann er aber nicht dienen, weil er zugleich von dem Verhalten der zur Netzhautgrube benachbarten St\u00e4bchen mit abh\u00e4ngen d\u00fcrfte. Aus einer zu starken Beeinflussung des f\u00fcr das Netzhautzentrum zu bestimmenden Schwellenwertes durch das Verhalten der zentraleren St\u00e4bchen d\u00fcrfte es zu erkl\u00e4ren sein, dafs Br\u00fcckner bei 4 Versuchen (bei denen die Dunkeladaptation eine doppelseitige war) in Abweichung von den sonstigen Versuchsergebnissen auch den Schwellenwert des Netzhautzentrums f\u00fcr das dunkeladaptierte Sehorgan ebenso grofs fand wie f\u00fcr das helladaptierte. F\u00fcr die Wahrnehmung der dem blinden Flecke entsprechenden, violettem bzw. gelblichen oder gr\u00fcngelben Scheibe ergaben die Versuche von Br\u00fcckner und Kirsch einen noch gr\u00f6fseren Schwellenwert als f\u00fcr die Wahrnehmung der galvanischen Lichterscheinung des Netzhautzentrums. Auch dieser Schwellenwert, der gleichfalls weder eine reine St\u00e4bchenschwelle noch eine reine Zapfenschwelle ist, war beim Helladaptiertsein deutlich gr\u00f6fser als beim Dunkeladaptiertsein. Wenn Nagel fand, dafs die Netzhaut gegen\u00fcber einem mechanischen Reize (Druck auf das Auge) beim Dunkeladaptiertsein eine gewisse Erh\u00f6hung ihrer Empfindlichkeit, die aber hinter der Steigerung ihrer Lichtempfindlichkeit wTeit zur\u00fcck stand, zeigte, so erkl\u00e4rt sich dies daraus, dafs der Druckreiz ganz wesentlich durch Vermittlung des Zapfenapparates auf den Sehnerven wirkte, wie auch die Farbigkeit der Druckphosphene bekundete.","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit. m\ndie nerv\u00f6se St\u00e4bchensubstanz unmittelbar, d. h. nicht durch Vermittlung des Sehpurpurs einwirkt, und die Erregbarkeit dieser Substanz sich unseren obigen Darlegungen gem\u00e4fs beim Helladaptiertsein ungef\u00e4hr gleich verh\u00e4lt wie beim Dunkeladaptiertsein, so versteht sich von selbst, dafs auch der Schwellenwert des elektrischen Stromes f\u00fcr die Erweckung einer Lichtempfindung bei beiden Adaptationszust\u00e4nden ungef\u00e4hr derselbe ist. Dafs, wie nach unseren Ausf\u00fchrungen zu erwarten, die Schwellenempfindung des elektrischen Stromes beim Dunkeladaptiertsein und beim Helladaptiertsein ganz die gleiche Beschaffenheit besitzt, hat Nagel durch geeignete Versuche noch ausdr\u00fccklich festgestellt.\nEs ist klar, dafs das hier besprochene Verhalten des f\u00fcr die Erweckung einer St\u00e4bchenempfindung bestehenden Schwellenwertes des elektrischen Stromes eine starke St\u00fctze f\u00fcr die Behauptung ist, dafs beim Helladaptiertsein eine St\u00e4bchent\u00e4tigkeit von Belang \u00fcberhaupt nicht stattfindet. W\u00e4re das Gegenteil der Fall, so m\u00fcfste doch nach langer Einwirkung einer starken Helligkeit die Erregbarkeit der nerv\u00f6sen St\u00e4bchensubstanz und jener Schwellenwert bedeutend ver\u00e4ndert sein. Tats\u00e4chlich macht sich aber bei der Helladaptation die eintretende starke Herabsetzung der Sehpurpurmenge und Sehpurpurzersetzung wie die Errichtung einer Schutzwand geltend, hinter der sich die nerv\u00f6se St\u00e4bchensubstanz wieder zu ihrer vollen Erregbarkeit erhebt. Und die schwache elektrische Reizung des Auges ist uns das Mittel, um das Verhalten dieser Substanz unabh\u00e4ngig von dem Sehpurpur n\u00e4her zu erkunden.\n\u00a7 6. Der Sehpurpur und die nerv\u00f6se Substanz\ndes St\u00e4bchenapparats.\nWeigeets Anpassungstheorie des Farbensehens.\nDer wohl zuerst von Dondeks (im Jahre 1884) ausgesprochenen Vermutung gem\u00e4fs sehen wir den Sebpurpur als einen optischen Sensibilisator an. Die Zersetzung desselben wirkt auf die nerv\u00f6se WS-Substanz, die ebenso wie dem Zapfenapparate auch dem St\u00e4bchenapparate eigent\u00fcmlich ist, und ruft in derselben W-Erregung hervor.1 Es liegt gar kein Grund vor, die W-Erregung\n1 Von der schwach bl\u00e4ulichen F\u00e4rbung der St\u00e4bchenempfindung handelt S 7.","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nG. E. M\u00fcller.\ndes St\u00e4bchenapparates als eine von der W-Erregung des Zapfenapparates verschiedene vorzustellen. Wie die Beobachtungen an Zapfenblinden zeigen (vgl. z. B. Hess und Heking, S. 124f.), gilt auch f\u00fcr den Fall des reinen St\u00e4bchensehens der Satz, dafs eine Weifsempfindung als negative Nachwirkung eine ausgepr\u00e4gte Schwarzempfindung hinterl\u00e4fst und auch durch Simultankontrast eine Schwarzempfindung zu erwecken strebt, und dafs ein auf weifsem Grunde dargebotenes dunkles Feld, das infolge der Kontrastwirkung dieses Grundes tief schwarz erscheint, bei Ersetzung des weifsen Grundes durch einen schwarzen sich als ein fast leuchtendes, weifses Feld darbietet. Es unterliegt also die W-Erregung des St\u00e4bchenapparates ganz denselben Beziehungen zur S-Erregung wie die W-Erregung des Zapfenapparates. Wie fr\u00fcher erw\u00e4hnt, ist die Verschmelzungsfrequenz des weifsen Lichtes f\u00fcr das Dunkelauge wesentlich geringer als f\u00fcr das Hellauge. Dies beruht aber nicht auf einer Verschiedenheit der in beiden F\u00e4llen eintretenden W-Erregungen, sondern nur auf einer Verschiedenheit im Verhalten der in beiden F\u00e4llen wirksamen Sensibilisatoren. Der sensibilisatorische Prozefs ist in dem Momente, wo die Lichteinwirkung auf h\u00f6rt, nicht gleichfalls zu Ende, sondern dauert mit abnehmender Intensit\u00e4t noch eine gewisse Zeit an. Dieses Nachdauern des sensibilisatorischen Vorganges, das als Grundlage des positiven Nachbildes dient, ist nun eben f\u00fcr das Dunkelauge ein weniger schnell vergehendes wie f\u00fcr das Hellauge.\nDas Bestehen des Simultankontrastes auch f\u00fcr die W- und die S-Er-regungen des St\u00e4bchenapparats scheint auch bei folgendem, von Hering (Pfl\u00fcgers Arch., Bd. 60. 1895, S. 525 f.) angegegebenen und von mir mit Deutlichkeit best\u00e4tigt gefundenen Versuche der ausschlaggebende Faktor zu sein. Stellt man eine rote und eine gr\u00fcne Fl\u00e4che so her, dafs sie auf weifsem Grunde dargeboten gleich hell erscheinen, so erlangt die gr\u00fcne Fl\u00e4che gegen\u00fcber der roten einen Helligkeits\u00fcberschufs, wenn man ohne Verr\u00fcckung des Fixationspunktes den weifsen Grund schnell durch einen schwarzen ersetzt, vorausgesetzt, dafs man den Versuch an einem tr\u00fcben Tage oder zu einer Abendstunde anstellt, \u201ewo die Beleuchtung nur eben noch zum Lesen oder dergleichen bequem ausreicht\u201c, und die Lichtst\u00e4rke der roten und der gr\u00fcnen Fl\u00e4che so gering nimmt, dafs \u201eman die schw\u00e4rzlich gewordenen Farben eben noch erkennt\u201c, oder noch geringer. Ich habe keine andere Erkl\u00e4rung f\u00fcr dieses Versuchsergebnis finden k\u00f6nnen als folgende. Gem\u00e4fs den angegebenen Bedingungen des Versuchs spielen bei demselben die St\u00e4bchenweifsvalenzen eine wesentliche Rolle, und zwar beruht die Helligkeit des Gr\u00fcn in weit h\u00f6herem Grade als diejenige des Rot auf diesen Weifsvalenzen. Da nun die von der weifsen Fl\u00e4che ausgehende S-Induktion,","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n113\nwenigstens unter den angegebenen Bedingungen des Versuches, wo auch die weifse Fl\u00e4che den St\u00e4bchenapparat stark mit ins Spiel zieht, die St\u00e4bchenerregungen mehr trifft als die Zapfenerregungen, so hat eine Aufhebung dieser S-Induktion eine st\u00e4rkere Aufhellung des Gr\u00fcn als des Rot zur Folge. Wegen der hohen Schnelligkeit, mit der nach Beseitigung der weifsen Fl\u00e4che der Helligkeits\u00fcberschufs des Gr\u00fcn sich einstellt, scheint es mir ausgeschlossen zu sein, das Ergebnis dieses Versuches darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dafs die Beseitigung der weifsen Fl\u00e4che eine starke Verringerung der Hemmung bedeute, welche die Zapfent\u00e4tigkeit auf die Sehpurpurbildung aus\u00fcbt, und dafs diese F\u00f6rderung der Sehpurpurmengen selbstverst\u00e4ndlich dem Gr\u00fcn mehr zugute komme als dem Rot. Nach unserer Auffassung des Versuches ergibt sich aus demselben, dafs die Sonderung der Zapfen- und der St\u00e4bchenerregungen auch noch innerhalb der Kontrastzone besteht.\nWas nun die Erweckung der W-Erregung der nerv\u00f6sen St\u00e4bchensubstanz durch die Sehpurpurzersetzung anbelangt, so nehmen wir an, dafs hier ein Fall vorliege, wo ein als Sensibilisator fungierender Stoff unter dem Einfl\u00fcsse des Lichtes eine chemische Ver\u00e4nderung erleidet, die einen anderen chemischen Vorgang \u201emitnimmt\u201c, dafs also \u201eeine katalytische Koppelung einer sich schnell abspielenden photochemischen Reaktion mit einem anderen rein chemischen Vorgang\u201c (Weigert, I, S. 16) vorliege.1\nDie gegenw\u00e4rtige Photochemie nimmt an, dafs es unter den F\u00e4llen von Sensibilisierung auch solche gebe, wo die Sensibilisierung darauf beruht, dafs unter dem Einfl\u00fcsse des Lichtes mit Hilfe der Substanz des Sensibilisators ein (unter Umst\u00e4nden schnell verg\u00e4nglicher) Katalysator gebildet wird, der den vom Lichte auf indirektem Wege hervorzurufenden chemischen Vorgang anrege. Es ist nicht ang\u00e4ngig, die Wirksamkeit des Sehpurpurs im Sinne dieser Annahme zu deuten. Denn die Wirksamkeit eines Katalysators besteht nur in der Beschleunigung eines chemischen Vorganges, der auch ohne sein Zutun vor sich gehen w\u00fcrde.2 Wirkt aber ein Lichtreiz auf den ausgeruhten\n1\tDer Vorgang, den die Sehpurpurzersetzung \u201emitnimmt\u201c, ist nicht die W-Erregung selbst, sondern die Umsetzung eines gewissen Ausgangsmateriales (A-Materiales) in W-Material. Die so entstehende Anh\u00e4ufung von W-Material hat eine Umwandlung solchen Materiales in eine dritte Art von Material (V-Material) zur Folge; und dieser letztere Vorgang ist die W-Erregung. Diese Vorg\u00e4nge und Verh\u00e4ltnisse, auf die es hier nicht weiter ankommt, werden in meiner Ver\u00f6ffentlichung \u00fcber den Zapfenapparat n\u00e4her zur Sprache kommen.\n2\tDasselbe gilt von der Wirksamkeit etwaiger unter dem Einfl\u00fcsse des Lichtes mit Hilfe der Substanz eines Sensibilisators gebildeter, sogenannter Reaktionskerne (Weigeet, I, S. 65 f.).\nZeitschr. f. Sinnesphysio]. 54.\n8","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\nG. E. Miiller.\nSt\u00e4bchenapparat ein, so handelt es sich, wie die Tatsache der negativen Nachbilder zeigt, um die St\u00f6rung eines chemischen Gleichgewichtszustandes, der sich nach Beseitigung des Lichtreizes von selbst wieder herzustellen sucht. Wir m\u00fcssen uns also damit bescheiden, zu sagen, dafs die Sehpurpurzersetzung oder ein bestimmter Teilvorgang derselben (dessen spektrale Kurve aber mit der spektralen Kurve der vom Sehpurpur absorbierten Lichtenergie und mit derjenigen des Bleichungswertes der Lichter, soweit dieselben bisher bestimmt worden sind, \u00fcbereinstimmen mufs) auf noch nicht n\u00e4her angebbare Weise eine chemische \u00c4nderung der nerv\u00f6sen St\u00e4bchensubstanz \u201emitnehme\noder induziere.\nv. Tappeiner (Ergebnisse der Physiologie, 8, 1909, S. 724 f.) kam bei seinen Untersuchungen der sogenannten photodynamischen Wirkungen zu dem Ergebnisse, \u201edafs die photodynamische Erscheinung von der Bleichung unabh\u00e4ngig ist und von dem un-zersetzt verbliebenen fluoreszierenden Stoffe ausgeht. ... Die Bleichung hat nur insofern Bedeutung, als bei langdauernden Versuchen mit st\u00e4rker lichtempfindlichen fluoreszierenden Stoffen mit einer fortdauernden Abnahme ihrer Wirksamkeit gerechnet werden mufs\u201c.1 Da nun der Sehpurpur schwach fluoresziert und die photodynamische Wirkung zwar Fluoreszenz der betreffenden Substanz zur Voraussetzung hat, aber nach den Feststellungen von von Tappeiner (S. 722) auch bei nur schwacher Fluoreszenz eine starke sein kann, so erscheint es doch angezeigt, sich die Frage vorzulegen, was uns dazu berechtige, den erregenden Ein-flufs auf die nerv\u00f6se St\u00e4bchensubstanz von der Sehpurpurzersetzung ausgehen zu lassen und nicht vielmehr daraus abzuieiten, dafs die sich nicht zersetzenden Sehpurpurmolek\u00fcle durch die Lichteinwirkung in einen f\u00fcr die nerv\u00f6se St\u00e4bchensubstanz nicht gleichg\u00fcltigen Zustand gewissen Aktiviertseins versetzt w\u00fcrden. Gegen die hier angedeutete Ansicht w\u00fcrde vor allem einzuwenden\n1 Eder (Ausf\u00fchrliches Handb. d. Photographie, 2. Bd., Halle 1895, S. 87 und 40) vertrat hinsichtlich der Sensibilisierung die entsprechende Ansicht, dafs bei derselben der sensibilisierende Farbstoff \u201egar keine chemische Zersetzung zu erleiden braucht.\u201c So viel ich sehe, hat indessen diese Meinung in der gegenw\u00e4rtigen Photochemie der gegenteiligen Ansicht Vogels, des Entdeckers der optischen Sensibilisierung, Platz gemacht, der schon im Jahre 1890 den Satz aufgestellt hat \u201edafs ein Farbstoff optisch nur dann sensibilisiert, wenn er unecht ist, d. h. sich selbst leicht im Lichte ver\u00e4ndert .","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n115\nsein, dafs sie der von Trendelenburg (Zeitschr. f. Psychol., 37, 1904, S. 29ff.) erwiesenen Tatsache nicht gerecht wird, dafs die bleichende Wirkung spektraler Lichter auf den Sehpurpur dem sogenannten D\u00e4mmerungs wert derselben ann\u00e4hernd proportional geht. Ferner kann man folgendes Bedenken geltend machen. Werden die Sehpurpurmolek\u00fcle oder Sehpurpurmizelle dadurch zu einer Einwirkung auf die nerv\u00f6se St\u00e4bchensubstanz bef\u00e4higt, dafs sie durch das Licht in gewisse im Dunkeln wieder r\u00fcckg\u00e4ngig werdende Zust\u00e4nde versetzt werden, so kommt man zu dem Resultate, dafs nicht einmal die gesamte durch die aktivierten Sehpurpurmolek\u00fcle oder Sehpurpurmizelle absorbierte Lichtenergie dazu verwandt werden kann, W-Erregung hervorzurufen. Eine derartige Einrichtung w\u00e4re aber keineswegs in besonderem Grade dazu dienlich, sehr schwachen Lichtern zur Hervorrufung einer merkbaren W-Erregung zu verhelfen. Wir meinen, dafs es der Dunkelfunktion des St\u00e4bchenapparates besser entspricht, wenn die nerv\u00f6se St\u00e4bchensubstanz durch eine Sehpurpurzersetzung erregt wird, die ein arbeitleistender photochemischer Vorgang ist, bei dem der Energiegehalt des betreffenden chemischen Systems auf einen geringeren Wert herabsinkt, und der mehr Arbeit leisten kann, als der von den betreffenden materiellen Bestandteilen absorbierten Lichtenergie entspricht. \u2014\nEine Aktivierungshypothese im angedeuteten Sinne ist im Grunde auch die j\u00fcngst von Weigert (II, S. 177 ff.) aufgestellte \u201eAnpassungstheorie des Farbensehens\u201c. Wegen der Bedeutung dieses Autors, der seiner Theorie tief eingreifende eigene Entdeckungen physikalisch - chemischer Art zugrunde legt, und wegen der verf\u00fchrerischen Z\u00fcge, welche seine Theorie wenigstens f\u00fcr den ersten Blick unzweifelhaft besitzt, soll hier auf dieselbe etwas n\u00e4her eingegangen werden.\nWeigert kn\u00fcpft an Versuchsresultate an, die er bei Untersuchung der Licht Wirkungen an Photochloridschichten und Cyaninkollodiumschichten erhalten hat. Die f\u00fcr uns hier in Betracht kommenden dieser Ergebnisse \u2014 es gen\u00fcgt, auf die Cyaninversuche Bezug zu nehmen \u2014 sind folgende.\n1. Wird eine Cyaninschicht von hinl\u00e4nglicher Verd\u00fcnnung\ndes Farbstoffes von einem (z. B. roten) Spektrallichte getroffen,\nso wird sie dadurch in der Weise in ihrer Struktur ver\u00e4ndert,\ndafs sie f\u00fcr das (rote) Erregungslicht durchl\u00e4ssiger, dagegen f\u00fcr\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\n6r. E. M\u00fcller.\ndie anderen (\u201eerregungsfremden\u201c) Farben st\u00e4rker absorbierend wird. Diese \u201eAbsorptionsverschiebung\u201c l\u00e4fst sich photometrisch nachweisen und tritt dann als \u201ephotometrische i arbenanpassung an das Erregungslicht hervor; sie kann aber auch dadurch zutage treten, dafs die Farbe der Schicht sich mehr oder weniger der Farbe des Erregungslichtes ann\u00e4hert (die \u201ephysiologische\nFarbenanpassung\u201c).\n2.\tIst das Erregungslicht linear polarisiert, so nimmt die Schicht die Eigenschaften eines doppelbrechenden Kristalles an, wird anisotrop und dichroitisch. Und zwar ist dieser Dichroismus, gemessen durch den Logarithmus des Verh\u00e4ltnisses, in dem die in der Schwingungsrichtung des polarisierten Lichtes durch die Schicht hindurchgelassene Lichtmenge zu der in der dazu senkrechten Richtung durchgelassenen steht, am st\u00e4rksten f\u00fcr die Erregungsfarbe selbst, w\u00e4hrend er f\u00fcr die erregungsfremden Farben negativ werden kann (die \u201edichrometrische Farbenanpassung\u201c).\n3.\tDiese dichrometrische Farbenanpassung, die sich m einem \u00dcberwiegen des Dichroismus f\u00fcr die Erregungsfarbe ausdr\u00fcckt, ist bei gleich kurzer Einwirkung des linear polarisierten Lichtes\n\u2022um so'deutlicher, je heller und verd\u00fcnnter die Cyaninschicht ist. Bei Benutzung dunkelblauer, stark cyaninhaltiger Schichten l\u00e4fst sich, wenigstens bei hinl\u00e4nglich langer Exposionszeit, gar keine dichrometrische Farbenanpassung beobachten, sondern der Dichroismus verl\u00e4uft dann einfach parallel der Absorptionsbande des Cyanins, ist also am st\u00e4rksten f\u00fcr Gelb, schw\u00e4cher f\u00fcr Gr\u00fcn und noch schw\u00e4cher f\u00fcr Rot.\n4.\tBei zunehmender Verd\u00fcnnung des Farbstoffes w\u00e4chst die dichroitische .Lichtempfindlichkeit f\u00fcr die langwelligen Strahlen schneller wie f\u00fcr die kurzwelligeren. Dementsprechend nimmt bei wachsendem Farbstoffgehalte der Schicht die dichroitische Lichtempfindlichkeit f\u00fcr Rot am schnellsten ab.\n5.\tSowohl die Ausbleichung des Farbstoffes als auch der dichroitische Effekt bei polarisierter Bestrahlung verringert sich bei Andauer der Belichtung in ganz au\u00dferordentlichem Grade. Eine helle frische Schicht kann also eine absolut gr\u00f6fsere Empfindlichkeit f\u00fcr ein gegebenes Licht aufweisen als eine dunklere,\ndie schon seit geraumer Zeit erregt ist.\n6.\tWas die Erkl\u00e4rung der hier beschriebenen Erscheinungen anbelangt, so sind Elektronenbewegungen \u201enotwendig mit den","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n117\nersten Lichtwirkungen bei der Absorption der Strahlen verbunden. ... Dauernde Wirkungen, wie sie in dem neuen Strahlungseffekte des polarisierten Lichtes vorliegen, k\u00f6nnen jedoch nicht auf Elektronenverlagerungen allein zur\u00fcckzuf\u00fchren sein. Diese haben vielmehr mechanische Dilatations- und Kompressionswirkungen in den amikroskopischen Mizellen zur Folge, die je nach der Erregungsfarbe ganz spezifisch lokal orientiert sind. Die spezielleren auf Grund der Messungen bei den Photochloriden durchgef\u00fchrten Diskussionen ergaben nun, dafs z. B. bei Rot-erregung (d. h. bei Erregung der Schicht durch rotes Licht) die kugelf\u00f6rmig gedachten Mizelle im Zentrum dilatiert und in den \u00e4ufseren Zonen komprimiert werden. Bei Gr\u00fcnerregung findet die Dilatation in den mittleren und die Kompression in den inneren und \u00e4ufseren Zonen statt\u201c. Neben diesen physikalischen Ver\u00e4nderungen \u201ef\u00fchrt ein photochemischer, nicht spezifischer Prozefs, besonders in den dunklen Schichten, zu einem Ausbleichen des Farbstoffs\u201c.\nWeigerts von ihm so genannte Anpassungstheorie des Sehens besagt nun folgendes.\nDer Sehpurpur verh\u00e4lt sich \u00e4hnlich wie das Cyanin, besitzt ebenso wie dieses die F\u00e4higkeit der Farbenanpassung. Das Sehgelb ist nicht eigentlich ein neuer Farbstoff, sondern ist nur das Produkt einer durch das Licht in den Sehpurpurmizellen bewirkten Absorptionsverschiebung. Der Sehpurpur befindet sich ebenso wie in den St\u00e4bchen auch in den Zapfen, aber in diesen nur in hoher Verd\u00fcnnung. Gem\u00e4fs dem oben unter 3. Bemerkten ist daher die Farbenanpassung des Sehpurpurs in den Zapfen sehr ausgepr\u00e4gt, w\u00e4hrend sie in den viel sehpurpurhaltigeren St\u00e4bchen stark zur\u00fccktritt.\nDie Erregung der nerv\u00f6sen Sehsubstanz findet durch die mechanischen Verschiebungen statt, die von dem Lichte innerhalb der Sehpurpurmizelle bewirkt werden, und deren Stattfinden die dem Dichroismus bzw. der photometrischen und dichrome-trischen Farbenanpassung zugrunde liegenden, relativ dauernden Modifikationen des Aufbaues der Sehpurpurmizelle zur Folge hat.\nGegenfarben entsprechen entgegengesetzte Verschiebungen der Teilchen der Sehpurpurmizelle. Hieraus erkl\u00e4ren sich auch die negativen (komplement\u00e4r gef\u00e4rbten) Nachbilder; z. B. \u201ebeim Aufh\u00f6ren der Roterregung findet eine R\u00fcckwanderung der","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nG. E. Muller.\nTeilchen eines Mizells in einer \u00e4hnlichen Art statt, als ob eine\ngr\u00fcne Erregung stattgefunden h\u00e4tte .\t' '\nDie ann\u00e4hernde Ausschaltung der St\u00e4bchent\u00e4tigkeit im Hellen erkl\u00e4rt sich daraus, dafs sich beim Eintritt ins Helle dem oben unter 5. Bemerkten gem\u00e4fs die Empfindlichkeit der St\u00e4bchen sehr schnell verringert. \u201eDie dauernde Regeneration des Sehpurpurs bedingt, dafs er in den Zapfen station\u00e4r in geringer Menge, aber frischer vorhanden ist als in den St\u00e4bchen, so dais die Zapfen dann absolut lichtempfindlicher werden und praktisch\nallein die Lichtperzeption .. . \u00fcbernehmen.\u201c\nDas PuRKiNJEsche Ph\u00e4nomen erkl\u00e4rt sich aus dem oben unter 4, Bemerkten. Wenn die Lichtperzeption in der D\u00e4mmerung den Zapfen durch die viel sehpurpurhaltigeren St\u00e4bchen abgenommen wird, mufs sich dies dem dort Bemerkten gem\u00e4fs zun\u00e4chst in einer Abnahme der Empfindlichkeit f\u00fcr Rot bemerkbar machen.\nWenden wir uns nun zu einer Beurteilung dieser Theorie, so ist zun\u00e4chst zu fragen, worauf Weigert die Behauptung st\u00fctzt, dafs der Sehpurpur die F\u00e4higkeit der Farbenanpassung besitze, Er erinnert daran, dafs A. K\u00f6nig menschlichen Sehpurpur mit monochromatischem gr\u00fcnen Lichte teilweise ausgeblichen und als Folge davon eine Abnahme der Extinktion im Gr\u00fcn und eine Zunahme im Orange und Blau konstatiert habe. Hier liege also eine typische photometrische Farbenanpassung vor. Weigert \u00fcbersieht hierbei, dafs nach den vorliegenden einschl\u00e4gigen Versuchsresultaten K\u00f6nig ganz dieselben \u00c4nderungen der Extinktion an dem gebleichten Sehpurpur beobachtet haben w\u00fcrde, wenn er in v\u00f6llig vergleichbarer Wbise mit einer anderen Faibe als Gr\u00fcn, z. B. mit Rot, Gelb oder Blau gebleicht h\u00e4tte. Schon die Ausf\u00fchrungen von Garten (S. 175 ff.) h\u00e4tten W. hier\u00fcber Auskunft geben k\u00f6nnen. Er h\u00e4tte da erfahren, dafs auch bei Bleichung mit Tageslicht die Sehpurpurl\u00f6sung eine Aufhellung im Gelbgr\u00fcn und eine Verdunkelung im Violett erf\u00e4hrt, dafs nach den Versuchen von K\u00f6ttgen und Abelsdorfe die qualitativen Ver\u00e4nderungen der Farbe des Sehpurpurs bei der Bleichung im lang- und im kurzwelligen Lichte in ganz der gleichen Weise eintreten und der Bleichungserfolg in Beziehung auf die Absorption immer derselbe ist/ mag mit weifsem, gelbem oder blauem Lichte gebleicht werden, dafs Hamburger bei seinen Bleichungsversuchen mit Lichtern verschiedener Wellenl\u00e4nge","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblwdheit. H9\nimmer die gleichen Farben\u00e4nderungen fand, und dafs endlich auch Nagel und Piper bei ihren Versuchen an Eulen- und an Froschnetzh\u00e4uten zu dem Resultate kamen : Keine Abh\u00e4ngigkeit der durchlaufenen Farbenskala von der Farbe des spektralen Bleichungslichtes. Nach W. m\u00fcfste dagegen z. B. eine Bleichung des Sehpurpurs mit blauem Licht zu einem Bleichungsprodukte f\u00fchren, das gem\u00e4fs seiner f\u00fcr das Blau verringerten, f\u00fcr die \u00fcbrigen Farben erh\u00f6hten Absorption sich als ein Sehblau pr\u00e4sentierte. Ihre endg\u00fcltige Beantwortung hat die Frage, ob die Wellenl\u00e4nge des bleichenden Lichtes von Einflufs auf die Beschaffenheit (die spektrale Absorptionskurve) des Bleichungsproduktes sei, durch Garten gefunden. Er bewies die Richtigkeit der K\u00dcHNEschen Ansicht, dafs der Sehpurpur als ein n\u00e4chstes Bleichungsprodukt Sehgelb liefert, dessen spektrale Absorptionskurve von derjenigen des Sehpurpurs, insbesondere durch eine st\u00e4rkere Absorption im Violett, ab weicht, und er zeigte, dafs die F\u00e4lle, wo eine Abh\u00e4ngigkeit der Beschaffenheit des Bleichungsproduktes von der Art der bleichenden Farbe anscheinend hervortrat, sich daraus erkl\u00e4ren, dafs Verschiedenheiten der Versuchsbedingungen und des Versuchsverfahrens Unterschiede hinsichtlich des Umfanges bedingten, in dem zur Zeit der Pr\u00fcfung das Sehgelb zu Sehpurpur regeneriert war. Es mufs noch erw\u00e4hnt werden, dafs W. zur Begr\u00fcndung seiner Ansicht, dafs der Sehpurpur die F\u00e4higkeit der photometrischen Farbenanpassung besitze, neben den oben erw\u00e4hnten K\u00d6NiGschen Versuchsergebnissen auch die noch Absorptionskurven anf\u00fchrt, die Garten einerseits f\u00fcr den ungebleichten und andererseits f\u00fcr den gebleichten Sehpurpur des Bleys erhielt. Er bemerkt, dafs die Ver\u00e4nderungen der Absorptionsverh\u00e4ltnisse, die bei diesen Versuchen Gartens durch die Bleichung bewirkt worden seien, ganz denjenigen entspr\u00e4chen, die man bei der Ausbleichung einer Cyaninkollodiumschicht mit intensivem gelben Lichte erziele. Die Abweichung der bei diesen Versuchen Gartens erhaltenen Absorptions\u00e4nderungen von den bei den K\u00d6NiGschen Versuchen beobachteten beruht indessen nicht darauf, dafs Garten bei der Ausbleichung ein Licht von anderer Wellenl\u00e4nge verwandte als K\u00f6nig 1, sondern darauf, dafs der Sehpurpur des Bleys eine andere Beschaffenheit (insbesondere\n1 Ich vermag nicht zu ersehen, von welcher Art das bei diesen Versuchen von Garten benutzte Bleichungslicht war.","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nG. E. M\u00fcller.\neine mehr dem Gelb gen\u00e4herte Lage des Absorptionsmaximums)\nbesitzt als der menschliche Sehpurpur.\nDie als Grundlage der ganzen Theorie von W. dienende Behauptung, der Sehpurpur besitze die F\u00e4higkeit der photometrischen Farbenanpassung, ist also nicht blofs unbewiesen, sondern widerspricht direkt den vorliegenden experimentellen Feststellungen einschlagender Art. Aber auch sonst l\u00e4fst sich mancherlei gegen die Ausf\u00fchrungen Weigeets einwenden. Was z. B. die Umwandlung des Sehpurpurs in Sehgelb anbelangt, so ist dieselbe nach W. ein physikalischer Vorgang, der nur zu einer anderen Verlagerung der Molek\u00fcle in den Mizellen f\u00fchrt; und die R\u00fcckbildung des Sehgelb in Sehpurpur ist demgem\u00e4fs ein Vorgang, der auf demselben Wege, aber in entgegengesetzter Richtung vor sich geht. Nun hat Gaeten (S. 202 ff.) gezeigt, dafs w\u00e4hrend einer Belichtung der Netzhaut neben der Sehpurpurumbildung zu Sehgelb zugleich eine Regeneration des Sehgelb zu Sehpurpur stattfindet. Dies ist, wie Gaeten dartut, leicht verst\u00e4ndlich, wenn man diese beiden Vorg\u00e4nge als chemische Prozesse auffafst und die Regeneration des Sehgelb zu Sehpurpur auf einem anderen Wege vor sich gehen l\u00e4fst als die Umwandlung des letzteren zum ersteren. Nach der Auffassung von W. dagegen mufs das bleichende Licht einer R\u00fcckbildung des Sehgelb in Sehpurpur notwendig entgegenwirken. Einigermafsen befremdend ist seine Behauptung (S. 189), dafs das Endprodukt der Ausbleichung des Sehpurpurs nicht farblos, sondern gelb gef\u00e4rbt sei. Dafs der Sehpurpur in der Netzhaut (allerdings in der Regel nicht auch in der Gallenl\u00f6sung) \u00fcber das Sehgelb hinweg zu dem sogenannten Sehweifs ausbleicht, das seine Anwesenheit durch eine relativ starke gr\u00fcnlichweifse Fluoreszenz im ultravioletten Lichte verr\u00e4t, ist ihm unbekannt geblieben, und so ist ihm auch das Problem ganz entgangen, das durch die von Teendelenbueg nachgewiesene Proportionalit\u00e4t von Bleichungswert und D\u00e4mmerungswert des Lichtes gegeben ist. Seine Ausf\u00fchrungen \u00fcber das PuitKiNJESche Ph\u00e4nomen, nach denen die spezifische Farbenanpassung des Sehpurpurs in den St\u00e4bchenaufsengliedern keineswegs fehlen, sondern nur \u201esehr gering im Rot und grofs im Blau\u201c sein soll, f\u00fchren gem\u00e4fs dem oben unter 4. Angef\u00fchrten zu der Schlufsfolgerung, dafs im Verlaufe einer Dunkeladaption infolge der stattfindenden Vermehrung der Sehpurpurmenge die Empfindlichkeit der St\u00e4bchen f\u00fcr die langwelligen Strahlen im Verh\u00e4ltnisse zu derjenigen","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bche?iapparates und der Zapfenblindheit. 121\nf\u00fcr die kurzwelligen Strahlen immer geringer wird. Wie von Keies (Zeitschr. f. Psychol., 25, 1901, S. 225 ff.) gezeigt hat, ist das Gegenteil der Fall. Dafs W. bei diesen Ausf\u00fchrungen auch K\u00f6nigs allgemein zur\u00fcckgewiesene Behauptung einer Blaublindheit der Fovea wieder aufnimmt, mag beil\u00e4ufig bemerkt werden. Auch die Erkl\u00e4rung, die W. f\u00fcr das Zur\u00fccktreten der St\u00e4bchent\u00e4tigkeit im Hellen gibt, kann nicht befriedigen. Steht man auf dem Standpunkte von W., so hat man aus den Wirkungen, welche ein Dunkelaufenthalt einerseits f\u00fcr den St\u00e4bchenapparat und andererseits f\u00fcr den Zapfenapparat hat, notwendig zu schliefsen, dafs im Sinne einer Versorgung der St\u00e4bchen mit Sehpurpur st\u00e4rkere Faktoren wirksam sind als im Sinne einer gleichen Versorgung der Zapfen. Weshalb sollen nun auf einmal im Hellen die St\u00e4bchen weniger frischen Sehpurpur erhalten oder erzeugen als die Zapfen? F\u00fcr die negativen Nachbilder bietet die Theorie von W. eine Erkl\u00e4rung, aber gegen\u00fcber den positiven Nachbildern versagt sie. Wollte man einwenden, dafs diese ihren Ursprung in einer mehr zentralw\u00e4rts gelegenen Zone der Sehbahn h\u00e4tten, so w\u00fcrde an die Feststellung von Schaternikoef zu erinnern sein, dafs bei gleich empfundener Helligkeit das schwach gereizte, dunkeladaptierte Auge eine erheblich geringere Verschmelzungsfrequenz besitzt als das st\u00e4rker gereizte, helladaptierte. Diese Tatsache zeigt hinl\u00e4nglich, dafs die von dem Lichte unmittelbar in den Zapfen und in den St\u00e4bchen hervorgerufenen Prozesse, die ihrerseits die Sehnervenerregungen hervorrufen, an den Erscheinungen eines positiven Nachdauerns dieser Erregungen ganz wesentlich beteiligt sind. W. erblickt einen Vorzug seiner Theorie darin, dafs sie den von Hering gelehrten Antagonismus der Erregungsvorg\u00e4nge \u201eauf entgegengesetzte mechanische Verschiebungen in einem einzigen Mizell\u201c zur\u00fcckf\u00fchre. Hierbei ist ihm entgangen, dafs z. B. Rot und Gr\u00fcn auch bei der binokularen Farbenmischung sich gegenseitig aufheben k\u00f6nnen, dafs also jener Antagonismus unzweifelhaft f\u00fcr recht zentrale Vorg\u00e4nge besteht. L\u00e4fst man mit W. alle in den Zapfenaufsen-gliedern durch Licht unmittelbar erweckten Prozesse sich an einer und derselben Substanz, eben dem Sehpurpur, abspielen, so begibt man sich der Vorteile, welche eine geeignete Dreikomponententheorie f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der RAYLEiGHschen Anomalien und der Tatsachen der Farbenmischung bietet. Kurz, selbst wenn es gel\u00e4nge, nachzuweisen, dafs der Sehpurpur alle","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nG. E. M\u00fcller.\noben angef\u00fchrten Eigenschaften des Cyanins besitzt, so w\u00fcrde m. E. doch zu sagen sein, man komme bei der Erkl\u00e4rung der Erscheinungen viel weiter, wenn man ganz auf die Theorie von W. verzichte, die erregende Wirkung auf die nerv\u00f6se St\u00e4bchensubstanz nicht von molekularen Verschiebungen innerhalb der Sehpurpurmizelle, sondern von der chemischen Zersetzung des Sehpurpurs ausgehen lasse und von den dem Cyanin und dem Sehpurpur gemeinsamen charakteristischen Eigenschaften etwa nur die eine, schon fr\u00fcher von uns (S. 46) in Betracht gezogene Eigenschaft, bei l\u00e4nger andauernder Bestrahlung immer weniger lichtempfindlich zu werden, bei der Erkl\u00e4rung der Erscheinungen mit heranz\u00f6ge.\n\u00a7 7. \u00dcber das sogenannte St\u00e4bchenblau.\nUnsere obigen Ausf\u00fchrungen dar\u00fcber, dafs in dem St\u00e4bchenapparat durch die Sehpurpurzersetzung ganz dieselbe W-Erregung hervorgerufen werde, die in den Zapfen durch weifses Licht erweckt wird, lassen eine Ber\u00fccksichtigung der Tatsachen vermissen, die man f\u00fcr die Behauptung angef\u00fchrt hat, die durch die St\u00e4bchen vermittelte Empfindung, die sogenannte St\u00e4chenempfindung, sei \u201eim Vergleich zu dem, was f\u00fcr gew\u00f6hnlich farblos genannt wird, etwas bl\u00e4ulich\u201c. F\u00fcr diese Behauptung macht von Kries erstens geltend, dafs \u201eviele Personen die mit dunkeladaptiertem Auge wahrgenommenen lichtschwachen Objekte direkt f\u00fcr leicht bl\u00e4ulich erkl\u00e4ren\u201c. Auch Abnet (Colour vision, London 1895, S. 104) erkl\u00e4rt gelegentlich ganz allgemein : White light becomes greenish-blue as it diminishes in intensity. Ferner st\u00fctzt sich von Kries (Zeitschr. f. Psychol., 12, 1896, S. 27 ff.) auf Versuche, die er mit dem Deuteranopen Nagel \u00fcber den von ihm sogenannten invariablen Punkt des Spektrums angestellt hat, d. h. \u00fcber dasjenige Spektrallicht, das auf den Zapfenapparat des Deuteranopen wirkend eine qualitativ gleiche Empfindung erweckt, wie durch eine beliebige Erregung der St\u00e4bchen ausgel\u00f6st wird. Wird f\u00fcr den Deuteranopen zwischen einem homogenen Lichte aus der Gegend des Gr\u00fcn oder Gr\u00fcnblau und einem aus rotem und blauem Spektrallichte bestehenden Mischlichte eine Gleichung bei nicht geringer St\u00e4rke beider Lichter hergestellt, so erscheint ihm nach einer im gleichen Verh\u00e4ltnisse erfolgten Schw\u00e4chung beider Lichter im allgemeinen das eine derselben, das die h\u00f6here St\u00e4bchenvalenz besitzt, nicht blofs heller, sondern auch bl\u00e4ulicher","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n123\nals das andere, so dafs behufs Wiederherstellung der Gleichung das homogene Licht langwelliger oder kurzwelliger genommen werden mufs, als es anf\u00e4nglich war. Nur dann, wenn die Empfindungen beider Lichter f\u00fcr den Deuteranopen eine ganz bestimmte Qualit\u00e4t (Weifslichkeit und Bl\u00e4ulichkeit) besitzen \u2014 und zwar ist dies offenbar die Qualit\u00e4t der St\u00e4bchenempfindung \u2014 gen\u00fcgt nach der proportionalen Abschw\u00e4chung beider Lichter eine blofse Intensit\u00e4ts\u00e4nderung eines derselben zur Wiederherstellung der Gleichung. Durch ausprobierende Versuche kam nun von Kries zu dem Resultate, dafs der invariable Punkt des Spektrums f\u00fcr den Deuteranopen sich zwischen die Grenzen 485 und 480 pp einschliefsen lasse und zwar vermutlich der oberen Grenze dieses Intervalles n\u00e4her liege als der unteren.1 Auch A. K\u00f6nig (Gesammelte Abhandlungen zur physiol. Optik, Leipzig 1903, S. 417 f.) berichtet \u00fcber Versuche, die von der gleichen Art waren und auch fast dasselbe Ergebnis hatten wie die hier erw\u00e4hnten von KRiESschen Versuche. Der invariable Punkt soll nach diesen Versuchen von K\u00f6nig zwischen 483 und 479 pp liegen. Eine wesentliche Best\u00e4tigung und Erg\u00e4nzung erfuhren die von K\u00f6nig und von von Kries erhaltenen Versuchsergebnisse durch die sorgf\u00e4ltigen Versuche von Dreher (diese Zeitschr. 46, 1912, S. 60 ff.). Dieser stellte sich die Aufgabe, f\u00fcr Farbent\u00fcchtige die Punkte des Spektrums zu bestimmen, deren Empfindungen bei einer \u00c4nderung der physikalischen Lichtst\u00e4rke ihren Farbenton nicht \u00e4ndern. Er kam zu dem Resultate, dafs der mittlere der drei bei \u00c4nderung der Lichtst\u00e4rke hinsichtlich des Farbentones invariablen Punktes des Spektrums f\u00fcr den einen Beobachter bei 483,2 pp, f\u00fcr den anderen bei 481,4 pp lag. Diese Versuche ergeben also, dafs auch f\u00fcr den Normalen ein Licht von etwa 482 pp dadurch ausgezeichnet ist, dafs seine Empfindung den Farbenton nicht merkbar \u00e4ndert, wenn durch Herabsetzung der Lichtst\u00e4rke die Mitwirkung des St\u00e4bchenapparates erh\u00f6ht wird. Die Versuche an einem Deuteranopen konnten nur \u00fcber die Weifslichkeit und Bl\u00e4ulichkeit der St\u00e4bchenempfindung etwas\n1 Bei der obigen Formulierung der Bedeutung der von KaiESSchen Versuchsresultate ist, um Weitl\u00e4ufigkeiten zu vermeiden, davon abgesehen worden, dafs die Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse zwischen den durch ein gr\u00fcnblaues Licht oder eine Sehpurpurzersetzung hervorgerufenen Weifs-, Gr\u00fcn- und Blauerregungen sich bei einer Variation der St\u00e4rke des gr\u00fcnblauen Lichtes oder der Sehpurpurzersetzung in der bekannten Weise \u00e4ndern.","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nG. E. M\u00fcller.\n%\nergeben. Erst durch die Versuche von Dreher ist erwiesen, dafs diese Empfindung auch hinsichtlich der Gr\u00fcnlichkeit mit der Empfindung eines Spektrallichtes von ungef\u00e4hr 482 pp \u00fcbereinstimmt.1\nNagel (Handb. d. physiol. Optik von H. von Helmholtz, 3. AufL 2. Bd., S. 293 f.) hat noch folgenden Versuch f\u00fcr die Behauptung einer Bl\u00e4ulichkeit des St\u00e4bchenweifs angef\u00fchrt. Er bietet dem einen, durch einst\u00fcndigen, lichtdichten Verschlufs stark dunkeladaptierten Auge \u2014 es mag das rechte Auge sein \u2014 eine Lichtfl\u00e4che (eine von hinten beleuchtete Milchglasplatte) dar, deren Lichtst\u00e4rke so gew\u00e4hlt ist, dafs sie unter dem fovealen Schwellenwerte liegt. Dem anderen, m\u00f6glichst gut helladaptierten (linken) Auge wird eine gleichartige, aber viel heller beleuchtete Fl\u00e4che dargeboten. Beide Felder werden dem binokularen Sukzessiv-vergleich unterworfen. \u201eHat man die richtige Lichtst\u00e4rke gew\u00e4hlt, das linke Feld also mindestens tausendmal intensiver beleuchtet als das rechte, so zeigt sich in der auffallendsten Weise der Farbenunterschied der Felder; das linke, mit dem Hellauge betrachtet, sieht im allgemeinen deutlich gelbrot aus neben dem gr\u00fcnlich blauen rechten, das vom Dunkelauge betrachtet wird. \u00dcber entsprechende Beobachtungen berichten auch Inouye und Oinuma im Arch. f. Ophth. 79, 1911, S. 151.\nIch erw\u00e4hne zun\u00e4chst gewisse Einwendungen, die man gegen\u00fcber diesen f\u00fcr die Annahme einer gr\u00fcnblauen St\u00e4bchenempfindung geltend gemachten Beweisf\u00fchrungen erheben kann. Aus den Untersuchungen von Westphal (diese Zeitschr. 44, 1910, S. 213 ff.) ergibt sich, dafs hinsichtlich der Farben, die f\u00fcr reines Rot, reines Gr\u00fcn, reines Weifs erkl\u00e4rt werden, starke individuelle Verschiedenheiten bestehen und zwar von der Art, dafs von den einen Individuen Farben f\u00fcr Reinrot, Reingr\u00fcn, Reinweifs angesehen werden, die von den anderen als deutlich gelblich befunden werden. Wie das Verhalten der Farbengleichungen bei beiden (selbstverst\u00e4ndlich durch \u00dcbergangsformen miteinander verkn\u00fcpften) Arten von Versuchspersonen zeigt, sind diese Unterschiede nur psychologischer Art, indem eben der Prototyp des reinen Rot, Gelb, Weifs bei verschiedenen Individuen ein ver-\n1 Einen verfehlten Versuch zur Bestimmung der Farbe der St\u00e4bchenempfindung hat F. v. Hauer (Sitzungsber. d. TVien. Akad123. Bd., Abt. 2a, 1914, 1, S. 647 f.) unternommen. Von einer Besprechung desselben glaube ich absehen zu k\u00f6nnen.","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n125\nschiedener ist. Man kann die Vpn. der ersteren Art kurz als die Gelbindolenten bezeichnen. Angenommen nun, die St\u00e4bchenempfindung entbehre tats\u00e4chlich jeder Farbigkeit, so wird doch eine gelbindolente Person ein Objekt, das ihr bei einer Beleuchtung von mittlerer St\u00e4rke rein weifs erscheint, bei einer schwachen Beleuchtung, bei welcher nur der St\u00e4bchenapparat erregt wird und jede Gelblichkeit wegf\u00e4llt, folgerichtig f\u00fcr bl\u00e4ulich erkl\u00e4ren m\u00fcssen. Die Tatsache, dafs manche Personen die mit dunkeladaptiertem Auge wahrgenommenen lichtschwachen Objekte f\u00fcr schwach bl\u00e4ulich erkl\u00e4ren, l\u00e4fst sich also auch ohne die Annahme verstehen, dafs die St\u00e4bchenempfindung in Wirklichkeit etwas bl\u00e4ulich sei.\nWas den oben angef\u00fchrten Versuch Nagels anbelangt, so ist es ein Nachteil desselben, dafs bei ihm auch dann, wenn die St\u00e4bchenempfindung jeglicher Farbigkeit entbehrt, zwischen dem mit dem Hellauge und dem mit dem Dunkelauge betrachteten Felde sich ein Farbenunterschied von der Art zeigen mufste, dafs das erstere Feld seinem Farbentone nach den langwelligen Lichtern n\u00e4her stand als das zweite. Nagel teilt nicht mit, von welcher Art die Lichtquellen waren, mittels deren die beiden Milchglasplatten von hinten her beleuchtet wurden. Geh\u00f6rten sie einer der h\u00e4ufig benutzten, ein r\u00f6tlichgelbes Licht ausstrahlenden Arten von Lichtquellen an, so ist es eine selbstverst\u00e4ndliche Sache, dafs die dem Hellauge dargebotene stark beleuchtete Milchglasplatte im Vergleich zu der dem Dunkelauge dargebotenen anderen Platte, deren geringf\u00fcgige Helligkeit den Zapfenapparat \u00fcberhaupt nicht erregen konnte, deutlich rotgelb erschien. Aber vorausgesetzt auch, dieser Versuch sei so eingerichtet gewesen, dafs die beiden Milchglasplatten (trotz der etwas selektiven Lichtabsorption seitens derselben) rein weifses Licht ausstrahlten, so mufste sich doch bei demselben das Fluoreszenzlicht der Augenlinse geltend machen, dessen gelbe Farbe sich direkt mit voller Sicherheit konstatieren l\u00e4fst, und dessen Intensit\u00e4t ja gr\u00f6fser ist als man gemeiniglich anzunehmen pflegt.1 W\u00e4hrend das Fluoreszenzlicht der Augenlinse mit seinem Gelbwerte f\u00fcr das dunkeladaptierte Auge \u00fcberhaupt nicht in Betracht\n1 Man vergleiche hier\u00fcber Gullstrand, S. 43 f. Nach dem von diesem Forscher Mitgeteilten ruft nicht blofs ultraviolettes Licht, sondern z. B. auch Licht von 475 fifi ein deutliches Fluoreszenzlicht in der Augenlinse hervor und zwar ein solches von gelber Farbe.","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nG. E. Muller.\nkam, mufste es bei dem viel st\u00e4rkerer Lichteinwirkung ausgesetzten anderen Auge notwendig dahin wirken, der Empfindung einen Stich ins Gelbe zu verleihen. Endlich mag hier auch noch daran erinnert werden, dafs G\u00fcllstband auf die M\u00f6glichkeit hingewiesen hat, das sogenannte Wandern der neutralen Stelle des Spektrums der Rotgr\u00fcnblinden mittels der Tatsache zu erkl\u00e4ren, dafs die Bleichungsprodukte des Sehpurpurs, das sogenannte Sehweifs, st\u00e4rker fluoreszieren als der ungebleichte Sehpurpur, wobei nach seiner Ansicht (S. 55) das Fluoreszenz-licht des St\u00e4bcheninhaltes \u201eim roten oder gelben Teile des Spektrums zu suchen ist\u201c.1 Er bemerkt, \u201edafs die Verschiebung des neutralen Punktes im Spektrum bei Farbenblinden ... keine Verschiebung im terminalen Lichte zu bedeuten biaucht, da bei zunehmender Intensit\u00e4t des Lichtes die zunehmende Zersetzung des Sehpurpurs eine st\u00e4rkere Fluoreszenz bedingt, mithin dem auffallenden Lichte, bevor es terminal wird, eine relativ immer gr\u00f6fser werdende Menge langwelligen Fluoreszenzlichtes beigemischt wird\u201c. Besteht die GuixsTKANBsche Annahme hinsichtlich der Fluoreszenz des St\u00e4bcheninhaltes zu Recht, so mufs bei dem oben angef\u00fchrten Versuche Nagels auch der Umstand, dafs in dem helladaptierten Auge die Fluoreszenz des gebleichten, in dem dunkeladaptierten Auge nur diejenige des ungebleichten Sehpurpurs mitwirkte, sich dahin geltend gemacht haben, der Empfindung des ersteren Auges einen st\u00e4rkeren Stich ins R\u00f6tlichgelbe zu verleihen, und dies mufs um so mehr der Fall gewesen sein, weil ja zugleich die Belichtung des ersteren Auges eine weit st\u00e4rkere war als die des dunkeladaptierten Auges. Man k\u00f6nnte sogar daran denken, ebenso wie das Wandern des neutralen Punktes des Spektrums der Rotgr\u00fcnblinden auch die Resultate der oben erw\u00e4hnten Versuche \u00fcber den invariablen Punkt des Spektrums auf Grund der G\u00fcLLSTKANDSchen Behauptungen \u00fcber die Fluoreszenz des St\u00e4bcheninhaltes zu erkl\u00e4ren, was freilich nur auf eine \u00e4ufserst gezwungene und gek\u00fcnstelte Art m\u00f6glich sein d\u00fcrfte.\nAuf meine Veranlassung hat nun Herr Dr. Kroh (I) die Angelegenheit des St\u00e4bchenblau n\u00e4her untersucht. Es gelang ihm, festzustellen, dafs eine nur rote Strahlen aussendende kleine Lichtfl\u00e4che von gewisser Lichtst\u00e4rke dem dunkeladaptierten Auge\n1 Im ultravioletten Lichte fluoresziert nach K\u00fchne der ungebleichte Sehpurpur schwach hl\u00e4ulichweifs, das Sehweifs stark gr\u00fcnlichweifs.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n127\nbei fovealer Betrachtung dem sogenannten farblosen Intervalle entsprechend grauweifs, dagegen bei Betrachtung mit einer parazentralen oder peripheren Netzhautpartie bl\u00e4ulichweifs erschien. Durch die Benutzung eines nur rotes Spektrallicht ausstrahlenden Objektes war bei diesen Versuchen der Einwand ausgeschlossen, dafs die bei indirekter Betrachtung desselben sich zeigende Bl\u00e4u-lichkeit durch den Wegfall der Licht absorption durch das Makulapigment bedingt gewesen sei. Daran, dafs eine durch das rote Licht bewirkte Fluoreszenz des St\u00e4bcheninhaltes oder das Fluoreszenzlicht der Augenlinse an den Ergebnissen dieser Versuche mit beteiligt gewesen sei, ist auch nicht zu denken. Die Vermutung endlich, dafs eine Gelbindolenz der Vpn. im Spiele gewesen sei, infolge deren das foveal betrachtete Objekt bei tats\u00e4chlich schwachgelblicher F\u00e4rbung f\u00fcr farblos, das extrafoveal betrachtete bei tats\u00e4chlicher Farblosigkeit f\u00fcr bl\u00e4ulich erkl\u00e4rt worden sei, ist dadurch ausgeschlossen, dafs bei geeigneter Untersuchung drei von den f\u00fcnf Vpn. keine Spur von Gelbindolenz zeigten. Bei den beiden anderen, leicht gelbindolenten Versuchspersonen trat die Bl\u00e4ulichkeit gerade in besonders schwachem Grade auf. Wir k\u00f6nnen also den Satz als erwiesen ansehen : ein hinl\u00e4nglich schwaches Licht ruft bei Einwirkung auf eine dunkeladaptierte st\u00e4bchenhaltige Netzhautstelle eine bl\u00e4uliche Grau- oder Weifsempfindung hervor.\nF\u00fcr die Erkl\u00e4rung dieses Verhaltens kommen haupts\u00e4chlich zwei Annahmen in Betracht, erstens die Annahme, dafs die Sehpurpurzersetzung in der nerv\u00f6sen Substanz des St\u00e4bchenapparates neben einer W-Erregung eine schwache Gr\u00fcnerregung und Blauerregung hervorrufe, und zweitens die Annahme, dafs der St\u00e4bchenapparat der chromatischen Erregbarkeit v\u00f6llig entbehre, aber der Sehpurpur in geringer, mit den heutigen Methoden im allgemeinen nicht nachweisbarer Menge auch in die Zapfenaufsen-glieder der st\u00e4bchenhaltigen Netzhautpartien eindringe1 und dort durch seine Zersetzung neben einer wenig intensiven W-Erregung jene schwachen chromatischen Erregungen bewirke. Ich f\u00fchre zun\u00e4chst die letztere Auffassung durch.\n1 Auch Hess (S. 180) erkl\u00e4rt im Anschlufs an Hering, dafs aus der der Tatsache, dafs es bisher noch nicht gelungen ist, Sehpurpur in den Zapfen nachzuweisen keineswegs auf ein v\u00f6lliges Fehlen desselben in den Zapfen zu schliefsen sei.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nG. E. M\u00fcller.\nNach derselben versteht es sich von selbst, dafs, wie die Versuche von Kboh ergeben haben, die Bl\u00e4ulichkeit (genauer : die Gr\u00fcnbl\u00e4ulichkeit) der St\u00e4bchenempfindung bei gegebenem Lichtreize um so deutlicher ist, je ausgepr\u00e4gter das Auge f\u00fcr das Dunkel adaptiert ist, d. h. je gr\u00f6fser in den Zapfen die eingedrungene Sehpurpurmenge und die Intensit\u00e4t der stattfindenden Sehpurpurzersetzung ist. Allerdings w\u00e4chst bei einer Zunahme der letzteren auch die W-Erregung. Da aber entsprechend dem Bestehen des subjektiven Augenschwarz schon von Haus aus eine achromatische psychophysische Erregung vorhanden ist, so w\u00e4chst bei einer Zunahme der Sehpurpurzersetzung die chromatische psychophysische Erregung im gr\u00f6fseren Verh\u00e4ltnisse als die achromatische.\nEine Herabsetzung der Sehpurpurbildung, wie sie mindestens in vielen F\u00e4llen von Hemeralopie besteht, kann nat\u00fcrlich der Konstatierung der Bl\u00e4ulichkeit der St\u00e4bchenempfindung nicht g\u00fcnstig sein. Eine hemeralope Vp. von Keoh konnte nur unter besonders g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden das St\u00e4bchenblau wahrnehmen und zwar nur in sehr abgeschw\u00e4chter Ausgepr\u00e4gtheit. Bei dieser Vp., bei welcher die Farbenschwellen erh\u00f6ht waren, war aber noch ein anderer wesentlicher Umstand im Spiele, eben der, dafs die Deutlichkeit, mit der sich die St\u00e4bchenempfindung als eine farbige darstellt, selbstverst\u00e4ndlich auch von der H\u00f6he der Gr\u00fcn-und der Blauerregbarkeit des Zapfenapparates abh\u00e4ngt. Auf meine, allerdings nur m\u00e4fsige Farbenschw\u00e4che d\u00fcrfte es wenigstens zu einem wesentlichen Teile zur\u00fcckzuf\u00fchren sein, dafs ich mich niemals davon habe \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dafs meine St\u00e4bchenempfindung bl\u00e4ulich sei, obwohl ich die Beobachtungen oft genug auch nach achtst\u00fcndiger Dunkeladaptation angestellt habe.1\nIst also ein Licht gegeben, dessen St\u00e4rke unterhalb der sogenannten Zapfenschwelle liegt, so kann dasselbe nach der hier\n1 Da ich \u00fcberdies von den Vpn. Westphals diejenige war, die von Gelbindolenz am weitesten entfernt war, so hatte ich einigen Grund, der Behauptung einer Bl\u00e4ulichkeit der St\u00e4bchenempfindung mit Mi\u00dftrauen gegen\u00fcberzustehen, einem Mi\u00dftrauen, das erst durch die Untersuchungen von Kroh beseitigt worden ist. Vom Standpunkte der hier in Rede stehenden Ansicht aus hat man mit der M\u00f6glichkeit zu rechnen, dafs auch die Leichtigkeit, mit der sich der Sehpurpur bis in die Zapfenaufsenglieder hinein verbreitet, eine individuell verschiedene und zwar bei mir geringe ist.\nVon hohem Interesse d\u00fcrften Versuche sein, welche die Qualit\u00e4t der St\u00e4bchenempfindung bei Tritanopie betreffen.","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n129\nin Rede stehenden Ansicht, falls das Auge dunkeladaptiert ist, dennoch eine Zapfenerregung hervorrufen, n\u00e4mlich eine solche, die einer Zersetzung in die Zapfen eingedrungenen Sehpurpurs entspricht. Wir k\u00f6nnen demgem\u00e4fs zwischen den unmittelbaren und den mittelbaren, d. h. durch den Sehpurpur vermittelten Zapfenvalenzen der Lichter unterscheiden. Die Farbigkeit, welche eine St\u00e4bchenempfindung durch die mittelbare Zapfenvalenz des gegebenen Lichtes erh\u00e4lt, m\u00f6ge kurz als das D\u00e4mmerungsblau bezeichnet werden, da der Ausdruck \u201eSt\u00e4bchenblau\u201c nach der hier vertretenen Annahme doch zu irref\u00fchrend ist und andere, sachgem\u00e4fsere Bezeichnungen wie\n\u201eporphyragene Farbe\u201c doch einen zu fremdartigen und gesuchten Eindruck machen.\nWirkt nun bei dunkeladaptiertem Auge ein Licht ein, dessen St\u00e4rke oberhalb der Zapfenschwelle liegt, so findet nat\u00fcrlich ein Zusammenwirken der unmittelbaren und der mittelbaren Zapfenvalenzen des Lichtes statt. So gibt Nagel [diese Zeitschr. 44, 1910, S. 11 ff.) an, dafs ein grofses rotes Feld, dessen R\u00f6tlichkeit \u00abr trotz seiner gegen\u00fcber kleinen roten Fl\u00e4chen bestehenden Rotblindheit unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden wohl wahrnehme, f\u00fcr sein gut dunkeladaptiertes Auge nicht mehr r\u00f6tlich erscheine, wenn das von der roten Fl\u00e4che ausgestrahlte Licht tats\u00e4chlich 4iuch noch nicht rote Strahlen von erheblicher St\u00e4bchenvalenz enthalte. Komplizierter war die Sachlage bei den hierher geh\u00f6rigen Versuchen von Kboh. Beobachteten seine Vpn. mit dunkeladaptierten Augen und bei fixiertem Blick ein auf der Netzhautperipherie sich abbildendes, auf dunklem Grunde befindliches, kleines, rundes Feld von geringer Lichtst\u00e4rke, das bei gew\u00f6hnlicher Betrachtung sich schwach gelblich darstellte, so erschien ihnen dasselbe nicht einfach gelblich, sondern aufser dem Gelb wurde auch noch das D\u00e4mmerungsblau wahrgenommen. Es schien sich ein blauer Schimmer oder Nebel vor dem Gelb zu befinden. Eine Vp. sah bei geringerer Lichtst\u00e4rke das ganze Feld gelb mit davor befindlichem blauen Nebel; bei h\u00f6herer Lichtintensit\u00e4t sah sie eine gelbliche Scheibe mit vorgelagertem bl\u00e4ulichen Rande von deutlich raumhaftem Charakter. Es kam auch vor, dafs das periphere Feld abwechsend gelb oder blau oder wenigstens abwechselnd vorherrschend gelb oder vorherrschend blau aussah. Die Erkl\u00e4rung dieser Beobachtungen hat\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 54.\t9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nG. E. M\u00fcller.\ndavon auszugehen, daft ein indirekt gesehenes Feld der ange* \u00bbebenen Art bei noch geringerer Lichtst\u00e4rke den Vpn. in seiner Totalit\u00e4t bl\u00e4ulich erschien, dagegen bei hinl\u00e4nglich noch weiter erh\u00f6hter Lichtintensit\u00e4t in seiner Totalit\u00e4t gelblich ohne vorgelagertem bl\u00e4ulichen Nebel erscheinen mufste. Die Erscheinung eines blauen Nebels vor gelbem Hintergr\u00fcnde wurde also offenbar bei einer Lichtst\u00e4rke des Feldes beobachtet, bei der die im Sinne des Auftretens des D\u00e4mmerungsblau wirksamen mittelbaren Zapfenvalenzen des gelblichen Lichtes an manchen Stellen noch die Oberhand \u00fcber die unmittelbaren chromatischen Zapfenvalenzen desselben besafsen, in anderen Stellen dagegen durch diese \u00fcberkompensiert wurden1, wobei zuf\u00e4llige Einfl\u00fcsse, z. B. Blickschwankungen, eine gewisse Rolle mit spielen konnten. Wie aber schon Heeing (Pfl\u00fcgers Arch. 43, 1888, S. 4 ff.) bemerkt hat, besitzt die ungleichm\u00e4fsige Erf\u00fcllung eines Feldes mit zwei Farben unter gewissen (noch n\u00e4her zu untersuchenden) Bedingungen die Wirkung, dafs der Beobachter glaubt das Feld als ein die eine Farbe besitzendes durch eine die andere Farbe zeigende Nebelschicht oder Decke hindurch zu erblicken. Ich f\u00fchre ein gut hierher passendes Beispiel aus meiner eigenen Beobachtungspraxis an. Als ich die gelbe Kontrastfarbe, die in dem mittleren grauen Ringe einer rotierenden blauen Scheibe sich zeigte, durch Einf\u00fcgung eines blauen Ringsektors in den grauen Ring aufzuheben versuchte, erhielt ich infolge des Umstandes, dafs die Kontrastwirkung durch einen blauen Ringsektor von bestimmter Winkelbreite nicht gleichzeitig in allen konzentrischen Zonen des Ringes v\u00f6llig kompensiert werden konnte (vielleicht war auch unvollkommene Zentrierung und fehlerhafte Umrandung der Papierscheiben im Spiele), als Endresultat den Fall, dafs ich in dem Ringe sowohl Gelb als auch Blau, die letztere Farbe wolkenartig die erstere verh\u00fcllend, zu sehen glaubte.1 Der zuf\u00e4llig anwesende Hr. Dr. Baade hatte ganz unbeeinflufst denselben Eindruck.\nWir haben nun noch auf einige der interessanten Feststellungen einzugehen, die Keoh (II) an der Vp. Enzian machte. E. zeigte neben einer uns hier nicht interessierenden Mangel-\nt Von einem Vorg\u00e4nge, der sozusagen nur ein zweckloses Nebenprodukt eines anderen zweckm\u00e4\u00dfigen Vorganges ist, wie dies von dem Auftreten von Sehpurpur in den Zapfenaufsengliedern gilt, ist viel eher ein nach Ort und Zeit schwankendes, unregelm\u00e4fsiges Verhalten zu erwarten, wie von einem Vorg\u00e4nge, der bestimmten notwendigen Vorrichtungen im Organismus dient.","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n131\nhaftigkeit und Besonderheit seines Zapfenapparates eine bedeutend gesteigerte Funktion des St\u00e4bchenapparates, der allem Anschein nach auch in der Fovea durch eingestreute St\u00e4bchen vertreten war. Diese \u00dcberfunktion des St\u00e4bchenapparates trat darin hervor, dafs E. sich viel schneller als normale Vpn. an das Dunkel adaptierte, und fand ihren auff\u00e4lligsten Ausdruck darin, dafs alle Spektralfarben bei sehr geringer Lichtst\u00e4rke (1. Intensit\u00e4tsstufe) eine bl\u00e4uliche St\u00e4bchenempfindung hervorriefen. Wurde die Lichtst\u00e4rke etwas gesteigert (2. Intensit\u00e4tsstufe), so sah E. bei allen Spektralfarben, auch beim Blau, einen blauen Schimmer vor gelblichem Grunde. Bei noch weiter fortgesetzter Erh\u00f6hung der Lichtst\u00e4rke traten schliefslich (3. Intensit\u00e4tsstufe) die den Spektralfarben beim Helladaptiertsein entsprechenden Empfindungen ein. Die langwelligen Lichter erweckten Gelbempfindungen \u2014 E. ist Protanop \u2014 die kurzwelligen Blauempfindungen.\nEine Diskussion erfordern nach dem Bisherigen nur die Beobachtungen bei der 2. Intensit\u00e4tsstufe, bei welcher ein blauer Schimmer vor gelblichem Grunde gesehen wurde. W\u00e4re dieser Erscheinungskomplex von E. nur bei Farben beobachtet worden, die ihm bei erh\u00f6hter Lichtst\u00e4rke gelb erschienen, so k\u00f6nnte man meinen, dafs es sich einfach, wie bei den oben besprochenen Versuchen von Kboh, um ein Zusammenwirken der mittelbaren Blauvalenz und der unmittelbaren Gelbvalenz des ein wirkenden Lichtes gehandelt habe, wobei das Verh\u00e4ltnis zwischen den Wirkungsf\u00e4higkeiten beider Valenzen f\u00fcr die verschiedenen Stellen des beobachteten Feldes verschieden, an den einen Stellen gr\u00f6fser, an anderen kleiner als 1 gewesen sei, so dafs der erw\u00e4hnte Eindruckskomplex resultieren konnte. Tats\u00e4chlich- war aber dieser Eindruckskomplex im Falle der 2. Intensit\u00e4tsstufe auch beim Blau vorhanden. Sowie die St\u00e4rke des blauen Lichtes soweit erh\u00f6ht war, dafs die Weifserregung in den Zapfen einen erheblicheren, die Erweckung der Kontrastvorg\u00e4nge wesentlich beg\u00fcnstigenden Wert besafs (das farblose Intervall), machten sich die Unterschiede, die hinsichtlich der mittelbaren Zapfenvalenzen zwischen den verschiedenen Teilen des beobachteten Feldes bestanden, in der Weise geltend, dafs die hinsichtlich dieser Valenzen\n1 In anderen F\u00e4llen gelang mir eine Aufhebung der Kontrastfarbe durch einen die TJmfeldsfarbe besitzenden Ringsektor von geeigneter Winkelbreite.\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nG. E. Muller.\nbevorzugten Teile in den hinsichtlich derselben ung\u00fcnstiger ge-stellten die Blauerregung durch Kontrastwirkung mehr oder weniger hemmten und zum Teil in eine Gelberregung umkehrten.1 Diese Ungleichf\u00f6rmigkeiten der dem beobachteten Felde entsprechenden Erregungen hatten den Anschein eines vor gelblichem Grunde befindlichen blauen Nebels zur Folge. Wurde das blaue Licht auf die 3.. Intensit\u00e4tsstufe gebracht, so konnten die Verschiedenheiten der mittelbaren Zapfenvalenzen der verschiedenen Teile des blauen Feldes infolge der Schw\u00e4che, die sie gegen\u00fcber den unmittelbaren Zapfenvalenzen besafsen, keine merkliche Rolle mehr spielen. Entsprechendes gilt f\u00fcr den Fall, dafs ein Licht von anderer, z. B. gelber, Farbe auf die 3. Intensit\u00e4tsstufe gebracht wurde. Die Erh\u00f6hung der Lichtst\u00e4rke brachte nat\u00fcrlich auch die Hemmung, welche die Sehpurpurbildung durch die Zapfenerregungen erf\u00e4hrt, mit ins Spiel.\nDie oben erw\u00e4hnten Versuche von Kroh, bei denen ein lichtschwaches rotes Feld bei fovealer Betrachtung farblos, bei peripherer dagegen bl\u00e4ulich erschien, n\u00f6tigen die hier in Rede stehende Ansicht dazu, den nach ihr in den Zapfen der Netzhautperipherie sich findenden Sehpurpur nicht als von diesen selbst erzeugt, sondern als in diese von aufsen her eingedrungen anzusehen. Denn anderenfalls m\u00fcfsten doch wohl auch die Zapfen des st\u00e4bchenfreien Bezirks in ungef\u00e4hr gleichem Mafse wie die Zapfen der st\u00e4bchenhaltigen Netzhautpartien Sehpurpur bilden und enthalten. Ob aber die Zapfen der Fovea unter allen Umst\u00e4nden v\u00f6llig sehpurpurfrei sind und gar nicht von diffundierenden Sehpurpurmolek\u00fclen erreicht werden, kann man doch bezweifeln. Wie Garten (S. 153) mitteilt, sah Horner in\n1 Kroh ist geneigt anzunehmen, dafs die dem farblosen Zapfenintervall entsprechenden Zapfenerregungen gelbliche Empfindungen erweckt h\u00e4tten, weil das St\u00e4bchenblau wie eine blaue Beleuchtung gewirkt habe. Mir scheint es nicht unbedenklich, eine Farbentransformation in einem Falle anzunehmen, wo es sich nicht um die Wahrnehmung einer Oberfl\u00e4chen f\u00e4rbe, sondern einer Fl\u00e4chenfarbe (Spektralfarbe) handelt und zwar einer solchen, die nicht als Farbe eines Gegenstandes aufgefafst wird, und wo \u00fcberdies im Sehfeld sich kein Gegenstand befindet, dessen eigentliche Farbe bekannt ist. Macht sich ferner in einem Falle, wo ein Objekt eine Weifserregung und eine Blauerregung hervorruft, die zentrale Transformation so geltend wie im Falle einer blauen Beleuchtung, so wird sie das Objekt als ein ann\u00e4hernd von Bl\u00e4ulichkeit freies, weifses Objekt auffassen lassen. Gelblich k\u00f6nnte das Objekt nur bei einer \u00dcbertransformation erscheinen.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\neinem Auge, das 8 Tage in vollkommener Dunkelheit gehalten worden war, einen kirschroten Fleck in der Foveagegend, der sich w\u00e4hrend der Belichtung allm\u00e4hlich verlor. Und man erinnert sich hier dessen, dafs Tschermak (Pfl\u00fcgers Arch. 70, 1898, S. 310 ff.) auf Grund zahlreicher Versuche zu dem Resultate kam, dafs eine mit helladaptiertem Auge hergestellte Gleichung zwischen zwei physikalisch verschiedenen, farblosen Mischlichtern, die sich beide im st\u00e4bchenfreien Netzhautbezirke abbilden, bei Betrachtung mit dunkeladaptiertem Auge sich in der gleichen Richtung, wenn auch in bedeutend geringerem Grade, als ung\u00fcltig erweist, wie dies bei einer mit helladaptiertem Auge f\u00fcr eine st\u00e4bchenhaltige Netzhautpartie hergestellten solchen Farbengleichung der Fall ist. Schon Tschermak selbst weist auf die Frage hin, ob dieses Verhalten nicht einfach durch die Annahme zu erkl\u00e4ren sei, dafs beim Dunkeladaptiertsein auch die Zapfen der Fovea eine gewisse, wenn auch nur geringe Menge von Sehpurpur enthalten. von Kries und Nagel (.Zeitschr. f. Psychol. 12, 1900, S. 161 ff.) fanden, abweichend von Tschermak, die fovealen farblosen Farbengleichungen vom Adaptationszustande unabh\u00e4ngig. Man kann fragen, ob wir hinsichtlich der hypothetischen F\u00e4higkeit des Sehpurpurs, in die Zapfenaufsenglieder hinein sich zu verbreiten, nicht mit individuellen Verschiedenheiten zu rechnen h\u00e4tten.\nWas nun die zweite hier zu er\u00f6rternde Auffassung des D\u00e4mmerungsblaus anbelangt, nach welcher dasselbe auf einer der Sehpurpurzersetzung gegen\u00fcber bestehenden chromatischen Erregbarkeit des St\u00e4bchenapparates beruht, so brauche ich nicht n\u00e4her auszuf\u00fchren, dafs dieselbe alle im vorstehenden angef\u00fchrten Tatsachen ebensogut zu erkl\u00e4ren vermag wie die soeben n\u00e4her durchgef\u00fchrte, abweichende Ansicht, mit Ausnahme des angef\u00fchrten Tschermak sch en Versuchsresultates, dem sie aber das . entgegengesetzte Ergebnis der von von Kries und Nagel ange-stellten Versuche als mit ihr selbst im besten Einkl\u00e4nge stehend gegen\u00fcberstellen kann. Diese zweite Ansicht erh\u00e4lt sogar eine recht interessante Gestalt, wenn man sie mit der Annahme verbindet, dafs die Eindr\u00fccke der Zapfen und diejenigen der St\u00e4bchen in voneinander gesonderten Nervenbahnen bis in eine zentrale Zone fortgeleitet w\u00fcrden, in der sie in \u00e4hnlicher Weise in Wechselwirkung tr\u00e4ten, wie dies die Eindr\u00fccke des rechten und des linken Auges in einer solchen zentralen Sph\u00e4re tun.","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nG. E. Millier.\nWir sahen oben, wie sich die Vpn. von Kroh verhielten, wenn ihren dunkeladaptierten Augen ein auf einer peripheren Netzhautstelle sich abbildendes, bei gew\u00f6hnlicher Betrachtung gelblich erscheinendes kleines Feld von gewisser Lichtst\u00e4rke dargeboten wurde. Sie sahen das D\u00e4mmerungsblau als einen blauen Nebel, der sich vor einem gelben Grunde befand, oder das Feld stellte sich abwechselnd gelblich oder bl\u00e4ulich oder abwechselnd vorherrschend gelb oder vorherrschend blau dar. Man kann nun darauf hinweisen, dafs es sich hier um Erscheinungen handele, die ganz solchen gleichen, die beobachtet werden, wenn zwei verschiedengef\u00e4rbte, sonst gleiche Felder sich auf korrespondierenden Stellen beider Netzh\u00e4ute abbilden. Auch da wird h\u00e4ufig ein Hindurchschimmern der einen Farbe durch die andere oder ein Wettstreit beider Farben beobachtet (man vgl. z. B. Henning in der Zeitschr. f. Psychol. 86, 1921, S. 157).1 Ein Analogon der unter geeigneten Umst\u00e4nden gleichfalls vorkommenden binokularen Farbenmischung w\u00fcrde man in den von Kroh (II, S. 201) beobachteten F\u00e4llen zu erblicken haben, wo das D\u00e4mmerungsblau infolge der Einwirkung gelblichen Lichtes durch einen farblosen grauen Nebel ersetzt war. Wenn ferner die Yp. Enzian bei Darbietung einer z. B. blauen Spektralfarbe von gewisser geringer Lichtst\u00e4rke hinter einem das D\u00e4mmerungsblau darstellenden blauen Nebel einen gelblichen Grund erblickte, so kann man von dem hier in Rede stehenden Stand-\n1 Henning meint, die Tatsache, dafs zwei komplement\u00e4re Farben bei binokularer Mischung gleichzeitig am gleichen Ort erscheinen k\u00f6nnen, beweise, dafs der Antagonismus zweier Komplement\u00e4rfarben nur peripherei Natur sei. Hierbei setzt er voraus, dafs ein r\u00e4umliches Getrenntsein zweier psychophysischer Erregungen notwendig eine verschiedene Lokalisation der entsprechenden Empfindungen im Sehfelde mit sich f\u00fchre. Aber wir k\u00f6nnen doch unm\u00f6glich annehmen, dafs z. B. alle Teilchen eines psychophysich erregten Neurons entsprechend ihren verschiedenen Orten verschieden lokalisierte Empfindungen hervorrufen. Von welcher Art w\u00fcrde dann unsere visuelle Raumanschauung sein! Entsprechend k\u00f6nnen auch zwei umfangreichere Neuronenteile oder zwei Neuronen gleich lokalisierte Empfindungen erwecken, selbst dann, wenn z. B. in dem einen eine Gelberregung und in dem anderen eine Blauerregung besteht. Das r\u00e4umliche Gesondertsein zweier psychophysischer Erregungen ist eine notwendige, abei keineswegs eine ausreichende Bedingung f\u00fcr eine verschiedene Lokalisation der entsprechenden Empfindungen. Dafs zwei komplement\u00e4re Farben unter geeigneten Versuchsbedingungen auch bei binokularer Mischung eine farblose Empfindung ergeben k\u00f6nnen, sei zugleich in Erinnerung gebracht.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit. 135\npunkte aus meinen, dafs die Gelblichkeit dieses Grundes auf der Kontrastwirkung beruhte, welche die dem D\u00e4mmerungsblau zugrunde liegende Erregung des St\u00e4bchenapparates auf den Zapfenapparat, dessen Erregung an und f\u00fcr sich innerhalb des farblosen Intervalls lag, aus\u00fcbte. Also auch in diesem Falle l\u00e4ge ein Hindurchsehen einer vom Zapfenapparat herr\u00fchrenden Farbe durch das dem St\u00e4bchenapparate entstammende D\u00e4mmerungsblau vor. Und entsprechend dem binokularen Kontrast h\u00e4tten wir auch Kontrastwirkungen des St\u00e4bchenapparates auf den Zapfenapparat und umgekehrt.\nDas Bedenken, das man gegen die Annahme, das D\u00e4mmerungsblau beruhe auf einer chromatischen Erregbarkeit des St\u00e4bchenapparates, geltend machen kann, ist folgendes. Um diese Annahme mit dem starken Zur\u00fccktreten der St\u00e4bchent\u00e4tigkeit im Hellen in Einklang zu bringen, mufs man den St\u00e4bchen die Ausstattung mit denjenigen Stoffen, die durch ihre chemische Umwandelbarkeit den Lichtstrahlen die Einwirkung auf die nerv\u00f6se Zapfensubstanz erm\u00f6glichen, absprechen und sagen, dafs abgesehen von den inad\u00e4quaten Reizen des Sehorganes und etwaigen kontrastiven Einwirkungen des Zapfenapparates auf den St\u00e4bchenapparat, die Sehpurpurzersetzung der einzige auf die nerv\u00f6se Substanz des St\u00e4bchenapparates einwirkende Vorgang sei, so dafs bei dessen ann\u00e4herndem Fehlen bei grofser Helligkeit \u00fcberhaupt alle St\u00e4bchent\u00e4tigkeit ann\u00e4hernd schweige. Es ist nun aber nicht recht einzusehen, was f\u00fcr einen Zweck eine chromatische Erregbarkeit habe, die wesentlich nur bei schwachen Helligkeiten fungiert und zwar auf alle Lichtarten ohne Ausnahme mit einer Blau- und einer Gr\u00fcnerregung reagiert. Um diesem Einwande zu entgehen, m\u00fcfste man im Sinne Darwinistischer Denkweise annehmen, dafs die n\u00fctzliche Ausbildung chromatisch erregbarer Zapfennervenbahnen durch eine zurzeit nicht n\u00e4her erkl\u00e4rbare Korrelationswirkung die f\u00fcr den Organismus indifferente Ausstattung auch der St\u00e4bchennervenbahnen mit, vielleicht nur minderwertigen, chromatischen Erregbarkeiten mit sich gebracht habe. Oder man m\u00fcfste die Annahme machen, dafs die jetzige Beschaffenheit und Funktionsweise der St\u00e4bchen sich aus einem fr\u00fcheren Zustande, wo sie auch dem Farbensehen dienten, herausentwickelt habe, und dafs sie bei dieser einseitigen Entwicklung zu einem Dunkelapparat die F\u00e4higkeit verloren h\u00e4tten, diejenigen Stoffe zu bilden, die in den Zapfen-","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nGr. E. M\u00fcller.\naufsengliedern den Lichtstrahlen die indirekte Erweckung von chromatischen Nervenerregungen erm\u00f6glichen. Vielleicht seien die Bildung dieser Stoffe und die Bildung des Sehpurpurs zwei schlecht miteinander vertr\u00e4gliche Funktionen, so dafs die bessere Ausbildung der einen mit einer Zur\u00fcckdr\u00e4ngung der anderen verbunden gewesen sei. Solange noch nicht untersucht ist, wie sich die Tierarten, deren Netzh\u00e4ute v\u00f6llig zapfenfrei sind, hinsichtlich des Farbensehens verhalten \u2014 auch \u00fcber das Verhalten der an der Ora serrata befindlichen St\u00e4bchen bed\u00fcrfen wir noch n\u00e4herer Aufkl\u00e4rung \u2014 kann man derartigen Spekulationen gegen\u00fcber nicht bestimmte Stellung nehmen. Ob das D\u00e4mmerungsblau dem Zapfen- oder dem St\u00e4bchenapparate entstammt, m\u00fcssen wir also zurzeit noch unentschieden lassen.\n\u00a7 8. \u00dcber das Zusammenwirken der Zapfen- und der\nSt\u00e4bchenerregun gen.\nZun\u00e4chst ist hier hervorzuheben, dafs, wenn auch in der Netzhaut die Zapfen Zwischenr\u00e4ume zwischen den St\u00e4bchen ausf\u00fcllen und umgekehrt, doch sowohl die Eindr\u00fccke des Zapfenapparates als auch diejenigen des St\u00e4bchenapparates prinzipiell ganz allein ein in sich vollst\u00e4ndiges und ununterbrochenes Sehfeld zur Folge haben k\u00f6nnen. K. L. Sch\u00e4fer hat festgestellt, dafs im Sehfelde des Dunkelauges selbst die Fovea durch Empfindungen vertreten ist, n\u00e4mlich durch solche, wie durch die Umgebung der Fovea erweckt werden. Wir k\u00f6nnen mithin von\neinem Zapfensehfelde und einem St\u00e4bchensehfelde und\nvon einer Vollst\u00e4ndigkeit jedes dieser beiden Sehfelder reden. Ist also eine Helligkeit gegeben, die sowohl die St\u00e4bchen als auch die Zapfen einer bestimmten Netzhautpartie erregt, so treffen St\u00e4bchenerregungen und Zapfenerregungen, denen korrespondierende Stellen des St\u00e4bchen- und des Zapfensehfeldes entsprechen, in einer Zone der Sehbahn zur Bildung eines resul-\ntierenden Erregungszustandes zusammen.\nWas nun den Ort dieser Zone anbelangt, so bietet sich hinsichtlich desselben erstens die Annahme dar, dafs sie innerhalb der Retina gelegen sei, indem etwa Erregungen der St\u00e4bchenbipolaren in die gleichen Ganglienzellen und Sehnervenfasern sich fortzupflanzen suchen wie die Erregungen der Zapfenbipolaren. Ferner k\u00f6nnte man vermuten, dafs diese Zone in den prim\u00e4ren Sehzentren oder in der kortikalen Sehsph\u00e4re ihren Ort","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit. 137\nhabe. Von vornherein scheint die erste Annahme den Vorzug zu verdienen. Man kann meinen, dafs es eine recht un\u00f6konomische Einrichtung sein w\u00fcrde, wenn eine St\u00e4bchenerregung und eine Zapfenerregung, die in eine gemeinsame Station einm\u00fcnden sollen, erst in mehr oder weniger langen, voneinander getrennten Nervenbahnen zentralw\u00e4rts geleitet w\u00fcrden und nicht vielmehr schon in der Retina diese Station vorf\u00e4nden, von welcher aus dann die resultierende Erregung in einer einzigen Nervenbahn zentralw\u00e4rts sich fortpflanzte. Ferner ist klar, dafs mit einer gegebenen Zahl von Sehnervenfasern eine feinere Dunkelsehsch\u00e4rfe und Hellsehsch\u00e4rfe erreichbar ist, wenn jene s\u00e4mtlich sowohl mit St\u00e4bchen als auch mit Zapfen in Verbindung stehen, als dann, wenn die einen Sehnervenfasern nur mit St\u00e4bchen, die anderen nur mit Zapfen verkn\u00fcpft sind. Der Feinheitsunterschied zwischen der Dunkelsehsch\u00e4rfe und der Hellsehsch\u00e4rfe w\u00fcrde sich bei einer Einrichtung der ersteren Art unschwer daraus erkl\u00e4ren lassen, dafs die St\u00e4bchen, die zu einer und derselben Empfangseinheit geh\u00f6ren, in der Retina nicht so sehr eine in sich abgeschlossene Gruppe bilden wie die zu einer und derselben Empfangseinheit geh\u00f6rigen Zapfen.\nWas nun die Tatbest\u00e4nde anbelangt, die zu der hier aufgeworfenen Frage Beziehung haben, so ist zun\u00e4cht daran zu erinnern, dafs Ramon y Cajal zwei verschiedene Arten von bipolaren Zellen festgestellt hat, von denen er die eine den Zapfen, die andere den St\u00e4bchen zugeordnet sein l\u00e4fst. Aber dar\u00fcber, ob nun die St\u00e4bchenbipolaren ihre Erregungen in die gleichen oder in andere Ganglienzellen und Sehnervenfasern einm\u00fcnden lassen als die Zapfenbipolaren, liegen wTeder seitens jenes spanischen Forschers noch seitens anderer Feststellungen vor.\nBekanntlich hat ferner Piper auf Grund von Versuchen den Satz aufgestellt, dafs im Falle des Dunkeladaptiertseins ein Lichtobjekt bei binokularer Auffassung eine bedeutend intensivere Helligkeitsempfindung erwecke als bei monokularer Auffassung, w\u00e4hrend im Falle des Helladaptiertseins die binokulare und die monokulare Auffassung einer Lichtfl\u00e4che Helligkeitsempfindungen von ungef\u00e4hr gleicher Intensit\u00e4t lieferten. Besitzt dieser Satz G\u00fcltigkeit, so ist es kaum m\u00f6glich, ihn anders zu erkl\u00e4ren als durch die Annahme, dafs es innerhalb des Gehirns besondere St\u00e4bchennervenbahnen und besondere Zapfennervenbahnen gebe, und dafs die Art des binokularen Zusammenwirkens f\u00fcr die beider-","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nG. E. Muller.\nseitigen Zapfenerregungen eine andere sei als f\u00fcr die beiderseitigen Zapfenerregungen. Durch Roelofs und Zeemann (Arch. f. Ophth., 88 1914, S. Iff.), deren Untersuchung zugleich eine vollst\u00e4ndige \u00dcbersicht \u00fcber die einschl\u00e4gige Literatur enth\u00e4lt,1 ist nun aber der PiPEESche Satz stark angefochten worden. Dieselben kommen zu dem Resultate, dafs der Schwellenwert des Lichtes sowohl beim Dunkeladaptiertsein als auch beim Helladaptiertsein f\u00fcr die monokulare Betrachtung gr\u00f6fser ist als f\u00fcr die binokulare, und \u201edafs eine binokulare Summation beim Sehen nach Feldern von mehr als minimaler Helligkeit (sichtbare Konturen) nicht vorkommt, und dafs dieses Fehlen ganz unabh\u00e4ngig ist von dem Adaptationszustande, in welchem die Augen sich befinden\u201c.\nPipee (Zeitschr. f. Psychol, 32, 1903, S. 163 f.) gibt an, dafs eine Fl\u00e4che, deren Helligkeit sicher unterhalb der Zapfenschwelle liege, im Falle des Dunkeladaptiertseins bei binokularer Betrachtung heller erscheine als bei monokularer. Hr. Dr. Kboh hat auf meinen Wunsch diese Angabe mit Hilfe geeigneter Vpn. \u2014 Personen, bei denen wir bei mir das eine Auge sehr stark dominiert, sind zu derartigen Versuchen nicht brauchbar \u2014 nachgepr\u00fcft und durchaus best\u00e4tigt gefunden. Er fand zugleich, dafs die \u00dcberlegenheit des binokularen Sehens bei Gegenst\u00e4nden mit charakteristischer Oberfl\u00e4chenstruktur, z. B. bei einem weifsen Taschentuch, mehr hervortrat als bei Objekten, deren Eindr\u00fccke denjenigen von Fl\u00e4chenfarben nahestanden, z. B. einer schnell rotierenden, aus schwarzen und weifsen Sektoren bestehenden Scheibe. Es scheine also hier auch die zentrale Helligkeitstransformation eine Rolle zu spielen. Schon Katz (S. 229 ff.) hat auf Grund von Versuchen darauf hingewiesen, dafs die zentrale Helligkeitstransformation bei binokularer Betrachtung eine gr\u00f6fsere Rolle spielt als bei monokularer und demgem\u00e4fs auch bei nicht bestehendem Dunkeladaptiertsein zur Folge haben kann, dafs eine Lichtfl\u00e4che bei binokularer Betrachtung heller erscheint als bei monokularer. Stellt man bei normaler Beleuchtung Versuche \u00fcber den Helligkeitseindruck an, den ein Objekt einerseits bei binokularer und anderseits bei monokularer Betrachtung\n1 Zu den dort angef\u00fchrten einschl\u00e4gigen Untersuchungen ist jetzt noch die Arbeit von E. M\u00fcllfb (.Pfl\u00fcgers Arch., Bd. 133, 1921, S. 29 ff.) getreten, welcher keine Anhaltspunkte f\u00fcr die Annahme gewonnen haben will, dafs f\u00fcr die dunkeladaptierten Augen die binokulare Schwelle tiefer hege als die monokulare.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit 139\nmacht, so kommt die Helligkeitstransformation ganz in Wegfall und eine immer deutliche \u00dcberlegenheit des binokularen Helligkeitseindrucks l\u00e4fst sich vermissen.1 Ist dagegen die Beleuchtung eine anomal geringe, wie dies bei den oben erw\u00e4hnten Versuchen von Piper und von Kroh der Fall war, so kommt die Helligkeitstransformation sehr wohl in Betracht und macht sich den Nachweisen von Katz entsprechend im Sinne einer Beg\u00fcnstigung des binokularen Helligkeitseindrucks geltend. Handelt es sich um die Bestimmung von Schwellenwerten, so spielt nat\u00fcrlich die zentrale Helligkeitstransforraation keine Bolle. Der Raumersparnis halber mufs ich von einer weiteren Er\u00f6rterung der Frage der binokularen Reizsummation, insbesondere auch von einer n\u00e4heren Besprechung der von Roelofs und Zeemann benutzten Methoden und erhaltene^ Resultate absehen. Das Vorstehende gen\u00fcgt seinem Zwecke, zu zeigen, dafs es wenigstens zurzeit nicht angeht, auf die PiPERsche Behauptung einer nur beim Dunkeladaptiertsein bestehenden binokularen Reizaddition weitgehende Schlufsfolge-rungen betreffs der Nervenbahnen zu st\u00fctzen, in denen die Zapfenerregungen und die St\u00e4bchenerregungen weiter geleitet werden.\nEine wesentliche Rolle spielt die Annahme besonderer St\u00e4bchennervenbahnen in den Darlegungen von Behr (S. 266 ff.). Und wir haben auf S. 27 gesehen, dafs in der Tat die von ihm unter suchten pathologischen F\u00e4lle f\u00fcr die Annahme sprechen, dafs wenigstens f\u00fcr die prim\u00e4re Sehbahn die Unterscheidung zwischen St\u00e4bchen- und Zapfennervenfasern G\u00fcltigkeit besitze. Falls sich nun auch noch die weitere Annahme als zutreffend erweist, dafs die Zapfenerregungen mittels eines zwischen Tractus opticus und sekund\u00e4rer Sehbahn gelegenen Zentrums einen von ihrer St\u00e4rke abh\u00e4ngigen hemmenden Einflufs auf die Sehpurpurbildung aus\u00fcben, so w\u00fcrde auch ein Gesichtspunkt gegeben sein, von dem aus die Zusammensetzung der prim\u00e4ren Sehbahn aus Zapfennervenfasern einerseits und St\u00e4bchennervenfasern andererseits als eine einem bestimmten Zwecke dienliche Einrichtung erscheint. Was die Frage anbelangt, inwieweit auch die \u00fcbrigen Teile der Sehbahn eine Zusammensetzung der soeben er\u00e4hnten Art be-s\u00e4fsen, so haben wir fr\u00fcher (S. 112 f.) einen Versuch Herings\n1 Ein gewisses Minus des monokularen Helligkeitseindrucks kann daraus entspringen, dafs das Dunkel des geschlossenen Auges sich doch mit geltend zu machen strebt.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nG. E. Muller.\nkennen gelernt, der sich, soviel ich sehen kann, nur mit Hilfe der Annahme erkl\u00e4ren l\u00e4fst, dafs eine Sonderung der Zapfen-und der St\u00e4bchenerregungen auch noch innerhalb der jenseits der G\u00dfATioLETschen Sehstrahlung gelegenen Kontrastzone besteht.\n\u00dcber die Gesetzm\u00e4fsigkeiten, nach denen der Erregungszustand, der aus dem Zusammenwirken der von einem Lichtreize erweckten Zapfen- und St\u00e4bchenerregungen entspringt, von der St\u00e4rke und Beschaffenheit dieser Erregungen abh\u00e4ngig ist, l\u00e4fst sich Bestimmteres zurzeit nicht sagen. Die auf S. 38 f. erw\u00e4hnten Versuche von von Kries geben uns nur ein gewisses Bild davon, in welchem Verh\u00e4ltnisse sich bei den verschiedenen Helligkeiten einerseits der Zapfenapparat und andererseits der St\u00e4bchenapparat am Sehen beteiligen. Auf die Bedeutung, welche gewisse Beobachtungsergebnisse von Kroh im Falle der G\u00fcltigkeit bestimmter Voraussetzungen in der hier in Rede stehenden Hinsicht besitzen, ist schon auf S. 134 ff. hingewiesen worden.\n\u00a7 9. Die r\u00e4umliche Erscheinungsweise der St\u00e4bchenfarben.\nDafs die allein mittels des dunkeladaptierten St\u00e4bchenapparates wahrgenommenen Lichtfl\u00e4chen ihrer r\u00e4umlichen Erscheinungsweise nach den Fl\u00e4chenfarben in mehr oder weniger ausgepr\u00e4gter Weise nahestehen, mitunter sogar fast raumhaft erscheinen, ist eine leicht konstatierbare Tatsache.1 Diese ist erstens durch die geringere Sehsch\u00e4rfe des dunkeladaptierten Auges bedingt, die eine Wahrnehmung der feineren Einzelheiten der Oberfl\u00e4chenstruktur ausschliefst. Zweitens kommt hier die G\u00fcltigkeit des Satzes in Betracht, dafs eine optische Erscheinung an und f\u00fcr sich (d. h. soweit nicht noch anderweite Tendenzen, z. B. eine Tendenz zur Angleichung, mit mafsgebend sind) um so mehr zum Raumhaften tendiert, je n\u00e4her sie ihrer Intensit\u00e4t nach dem subjektiven Augengrau steht. Ein Beispiel hierf\u00fcr ist die auch bei helladaptiertem Auge vorhandene Raumhaftigkeit des Dunkels einer Zimmerecke. In ganz eklatanter Weise aber wird dieser Satz durch die Feststellungen best\u00e4tigt, die Gelb (Zeitschr. f. Psychol., 84, 1920, S. 216 ff.) an zwei Patienten gemacht hat, bei denen ein Wegfall der Wahrnehmung von Oberfl\u00e4chen vorlag. Diese Patienten sahen die Farben umso dicker, je dunkler sie waren. Wurden einem dieser Patienten nach ihrer Helligkeit\n1 Man vergleiche z. B. Katz, S. 260 f. ; Kroh, I, S. 192.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\n141\nnebeneinander angeordnet vier tonfreie Papierplatten vorgelegt, eine schwarze, eine dunkelgraue, eine hellgraue und eine weifse Platte, so sah er ein treppenartiges Gebilde, dessen niedrigste Stufe durch das Weifs gebildet wurde.\nEin Widerspruch zu dem Satze, dafs die eindringlichere Farbe eine Tendenz hat n\u00e4her zu erscheinen als die weniger eindringliche, liegt hier keineswegs vor. Das Schwarz erscheint hier n\u00e4her als das Weifs, weil es als auf derselben Unterlage wie dieses liegend und zugleich als dicker wie dieses vorgestellt wird.\nEs ist nur eine Best\u00e4tigung des obigen Satzes, wenn ein intensiv schwarzes Nachbild seiner r\u00e4umlichen Erscheinungsweise nach dem Baumhaften ferner steht als das subjektive Augengrau. Verwandt dem obigen Satze ist der von Katz (S. 56) aufgestellte Satz, \u201edafs der eindringlicheren Empfindung eo ipso stets eine bestimmtere Lokalisation zukommt\u201c.\n\u00a7 10. Zum Verst\u00e4ndnis der spektralen Helligkeitsverteilung\ndes Dunkelauges.\nEs erhebt sich die Frage, wie die nicht gerade zweckm\u00e4fsig erscheinende Einrichtung zu deuten sei, dafs die spektrale Helligkeitsverteilung des St\u00e4bchenapparates in der bekannten Weise von derjenigen des Zapfenapparates ab weicht. Man hat die Bevorzugung des Gr\u00fcn im Spektrum des Dunkelapparates mit dem Gr\u00fcn der W\u00e4lder in Beziehung gebracht. Wir glauben hier auf einen anderen Gesichtspunkt hinweisen zu m\u00fcssen. Man mufs in die Zeiten zur\u00fcckgehen, wo der Zapfenapparat noch v\u00f6llig der chromatischen Sehsubstanzen entbehrte. Wie schon fr\u00fcher (S. 36) erw\u00e4hnt, entspricht einem solchen achromatischen Hellapparate (wegen des Fehlens der inneren W- oder S-Werte der chromatischen Netzhautprozesse) eine spektrale Helligkeitskurve, die ungef\u00e4hr dieselbe ist wie diejenige des St\u00e4bchenapparates. In jenen Zeiten nun waren die Gesichtsobjekte abgesehen von ihrer Form f\u00fcr das Auge nur durch die Verschiedenheit ihrer Helligkeit von der Helligkeit eines bestimmten Grundes oder durch die Helligkeitsverschiedenheiten ihrer Teile charakterisiert. War nun neben dem totalfarbenblinden Zapfenapparate noch ein f\u00fcr das Dunkel bestimmter St\u00e4bchenapparat vorhanden, so mufste, wenn das Erkennen und Wiedererkennen fr\u00fcher im Hellen wahrgenommener Gesichtsobjekte im Dunkeln m\u00f6glichst erleichtert sein sollte und umgekehrt, die spektrale Helligkeitsverteilung f\u00fcr diesen Dunkelapparat eine \u00e4hnliche sein wie f\u00fcr den Zapfenapparat. Erst die Entwicklung der chromatischen Erregbarkeiten des Zapfenappa-","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nGr. E. M\u00fcller.\nrates, die Mr viele Tierarten gem\u00e4fs ihren Lebensbedingungen gr\u00f6fsere Vorteile darbot als die Beibehaltung eines chromatisch unempf\u00e4nglichen, aber hinsichtlich der spektralen Helligkeitsverteilung dem Dunkelapparate nahestehenden Hellapparates, brachte eine st\u00e4rkere Inkongruenz in die HelligkeitsWahrnehmungen beider Sehapparate.\nWenn sich in den Netzh\u00e4uten der Fr\u00f6sche und anderer Amphibien neben den sehpurpurhaltigen St\u00e4bchen noch solche finden, die einen gr\u00fcnen, also in erster Linie rotes Licht absorbierenden, sehr lichtempfindlichen Farbstoff enthalten, so ist dies vielleicht als ein sch\u00fcchterner Versuch der Natur anzusehen, die dem Dunkelauge sich darbietenden Helligkeits Verh\u00e4ltnisse der Gesichtsobjekte den f\u00fcr das Hellauge bestehenden mehr anzugleichen. Sehr erheblich ist indessen der Einflufs dieser Einrichtung nicht, soweit sich aus der spektralen Stelle (etwa 544^) schlie\u00dfen l\u00e4fst, auf welche nach den Versuchen von Himstedt und Nagel das Maximum des Aktionsstromes des dunkeladaptierten Froschauges entf\u00e4llt.\nMan darf nicht einwenden, dafs zu der hier vertretenen Auffassung die Tatsache nicht recht stimme, dafs der Sehpurpur der Fische eine andere spektrale Verteilung der Lichtabsorption zeigt als derjenige der S\u00e4ugetiere, V\u00f6gel und Amphibien und zwar sein Absorptionsmaximum bei einer mehr nach dem Gelb hin gelegenen Stelle des Spektrums (bei 540 {ip statt bei 500 f-tfA) besitzt. Denn das Dunkel, dem der St\u00e4bchenapparat der Fische angepafst ist, ist das Dunkel, das in den tieferen Schichten des Wassers besteht. Da nun bekanntlich das Wasser die langwelligen, insbesondere auch die gelben, Strahlen bedeutend st\u00e4rker absorbiert als die kurzwelligen, so mufs der Sehpurpur der Fische den langwelligen Strahlen gegen\u00fcber eine gr\u00f6fsere Empfindlichkeit besitzen als der Sehpurpur jener anderen Tierarten, damit ein Objekt, das in den oberen Wasserschichten f\u00fcr den Fisch durch bestimmte Helligkeits Verschiedenheiten seiner Teile oder durch die Abweichung seiner Helligkeit von der Helligkeit eines bestimmten Grundes charakterisiert ist, diese Charakteristik f\u00fcr ihn auch noch in den tiefen Wasserschichten besitzt. W\u00e4re der Sehpurpur der Fische derselbe wie der des menschlichen Auges, stimmte also die f\u00fcr den St\u00e4bchenapparat eines Fisches bestehende spektrale Helligkeitsverteilung mit der f\u00fcr seinen Hellapparat g\u00fcltigen Helligkeitsverteilung ungef\u00e4hr \u00fcberein, so w\u00fcrde z. B. ein in gewissen Teilen hellgelbes und in anderen Teilen dunkelblaues Objekt, das dem Fische in den obersten Wasserschichten \u2022n den ersteren Teilen heller, in den letzteren Teilen dunkler","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit.\t^43\nerscheint, in tiefen Wasserschichten, wo von dem gelben Bestandteil des Tageslichtes nur wenig hindringt, dem dunkeladaptierten Auge des Fisches sich als ein in allen seinen Teilen gleich helles Objekt darstellen k\u00f6nnen.\nBei l\u00e4ngerem Verweilen der Fische in tieferer Wasserschicht ist ein Vorteil f\u00fcr die kurzwelligen Strahlen auch dadurch gegeben, dafs bei aufsen-st\u00e4ndigem Pigmente ein Schirm weggefallen ist, der beim Verweilen in h\u00f6herer Wasserschicht und innenst\u00e4ndigem Pigmente einen Teil der kurzwelligen Strahlen von der Einwirkung auf die lichtempfindlichen End-apparate abhielt.\nEs liegen zurzeit noch keine Versuche dar\u00fcber vor, ob f\u00fcr das dunkeladaptierte Fischauge das spektrale Helligkeitsmaximum entsprechend der oben angegebenen Beschaffenheit des Fischsehpurpurs mehr nach dem Gelb hin liege als z. B. f\u00fcr das dunkeladaptierte menschliche Auge. Auch die Versuche von Hess (Arch. f. Augenheilk., Bd. 64, Erg\u00e4nzungsheft, 1909, S. Iff.) waren nicht auf eine Entscheidung dieser Frage gerichtet und geben keine Antwort auf dieselbe. Hess stellte zwar seine Versuche zum Teil an vorher im Dunkel gehaltenen Fischen an, aber die Lichter, die solchen Fischen gegen\u00fcber benutzt wurden, waren bei den hier in Betracht zu ziehenden Versuchen doch solche, dafs von einer alleinigen Beizung des St\u00e4bchenapparates durch dieselben nicht gut die Bede sein konnte. Die eine seiner Untersuchungsmethoden versagte direkt, wenn die Lichtst\u00e4rke unter ein gewisses Mafs herabgesetzt wurde, indem die Fischchen dann fast pl\u00f6tzlich ihre lebhaften Bewegungen einstellten und sich auf den Boden herabsinken liefsen.\nZusammenfassung.\n1.\tDie Zapfent\u00e4tigkeit \u00fcbt einen hemmenden Einflufs auf die Sehpurpurbildnng ans, der nach Herstellung von Dunkelheit noch eine gewisse Zeit nachwirkt und den Anfangsverlauf der Dunkeladaptation mit bestimmt.\n2.\tBei den Zapfenblinden fehlt dieser hemmende Einflufs auf die Sehpurpurbildung. Hieraus erkl\u00e4rt sich ihre Lichtscheu, ihre relativ hohe Unterschiedsempffndlichkeit und ihre schnellere Dunkeladaptation.\n3.\tWelchen Typus totaler Farbenblindheit die Zapfen repr\u00e4sentieren, die sich in den ein zentrales Skotom vermissen lassenden F\u00e4llen von Zapfenblindheit im Netzhautzentrum befinden, ist noch unentschieden. Es ist nicht ausgeschlossen, dafs sich in manchen dieser F\u00e4lle neben Zapfen auch St\u00e4bchen im Netzhautzentrum befinden.\n4.\tDie Sehpurpurfunktion des St\u00e4bchenapparates tritt, wie dies die herrschende Duplizit\u00e4tstheorie lehrt, von einem be-","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\n(x, E. Hw\u00ee/ct*.\nstimmten Punkte ab um so mehr zur\u00fcck, je st\u00e4rker die einwirkende Helligkeit ist.\n5.\tDer St\u00e4bchenapparat besitzt nur die auf der Sehpurpurbildung und -Zersetzung beruhende Dunkelfunktion. Die nerv\u00f6se St\u00e4bchensubstanz ist beim Helladaptiertsein durch das hochgradige Reduziertsein der Sehpurpurmenge und -Zersetzung vor ins Gewicht fallender Inanspruchnahme durch Lichtreize gesch\u00fctzt und daher in ungef\u00e4hr gleichem Mafse erregbar wie beim Dunkeladaptiertsein. Hieraus erkl\u00e4rt sich, dafs der Schwellenwert des elektrischen Stromes f\u00fcr den St\u00e4bchenapparat bei beiden Adaptationszust\u00e4nden ungef\u00e4hr derselbe ist.\n6.\tDas erregbare Material, an dem sich die W- und S-Er-regungen vollziehen, ist in dem St\u00e4bchenapparate dasselbe wie im Zapfenapparate. Die Verbindung der Sehpurpurzersetzung mit einer chemischen Ver\u00e4nderung am WS-Material ist aufzufassen als eine katalytische Koppelung einer an einem optischen Sensibilisator sich abspielenden photochemischen Reaktion mit \u2022einem anderen, rein chemischen Vorg\u00e4nge. Weigebts Anpassungstheorie des Farbensehens ist nicht durchf\u00fchrbar.\n7.\tOb das D\u00e4mmerungsblau einer chromatischen Erregbarkeit des St\u00e4bchenapparates entstammt oder darauf beruht, dafs Sehpurpurteilchen in die Zapfenaufsenglieder eindringen und dort durch ihre Zersetzungen erregend wirken, l\u00e4fst sich zurzeit\nnoch nicht entscheiden.\n8.\tEs gibt gesonderte Zapfen- und St\u00e4bchennervenbahnen, die sich vielleicht bis hinter die GEATioLETsche Sehstrahlung erstrecken.\n9.\tDie Tatsache, dafs die mit dem dunkeladaptierten St\u00e4bchenapparate wahrgenommenen Lichtfl\u00e4chen den Fl\u00e4chenfarben, mitunter sogar den raumhaften Farben nahestehen, erkl\u00e4rt sich aus der geringeren Sehsch\u00e4rfe des St\u00e4bchenapparates sowie aus der G\u00fcltigkeit des Satzes, dafs eine optische Erscheinung um so mehr zum Raamhaften tendiert, je n\u00e4her sie ihrer Intensit\u00e4t nach dem subjektiven Augengrau steht.\n10.\tDie spektrale Helligkeitsverteilung des St\u00e4bchenapparates ist eine solche, dais sie zu Zeiten, wo der Zapfenapparat noch der chromatischen Sehsubstanzen entbehrte, mit der spektralen Helligkeitsverteilung dieses Apparates ann\u00e4hernd \u00fcbereinstimmte, was f\u00fcr das Erkennen und Wiedererkennen der Gesichtsobjekte bei verschiedenen Beleuchtungen von wesentlicher Bedeutung war.","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"4\nG. E. Muller, Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates u. d. Zapfenblindheit 145\nVerzeichnis der nur mit den Autorennamen zitierten\nT er\u00f6ffentlichungen.\nC. Behb, Der Reflexcharakter der Adaptationsvorg\u00e4nge, insbesondere der Dunkeladaptation, und deren Beziehungen zur topischen Diagnose und zur Hemeralopie. Archiv, f. Ophth., Bd. 75, 1910.\nS. Garten, Die Ver\u00e4nderungen der Netzhaut durch Licht. Graefc-Saemisch, Handb. d. ges. Augenheilk., 119\u2014121,128. und 129. Lieferung. Leipzig 1907! A. Gullstrand, Die Farbe der Macula centralis retinae. Arch. f. Ophth Bd. 62, 1906.\nC.\tHess, Vergleichende Physiologie des Gesichtssinnes. Jena 1912.\n0. Hess u. E. Hering, Untersuchungen an Totalfarbenblinden. Pfl\u00fcgers Arch Bd. 71, 1898.\nD.\tKatz, Die Erscheinungsweisen der Farben und ihre Beeinflussung durch\ndie individuelle Erfahrung. Erg. Bd. 7 der Zeitschr. f. Psychol., Leipzig 1911.\nO. Kroh, I, Die Weifsempfindung des St\u00e4bchenauges. Diese Zeitschr. Bd. 53, 1922.\n> II? \u00dcber einen Fall von anomaler Funktionsweise des St\u00e4chenapparates. Ebenda.\nW. K\u00fchne, Chemische Vorg\u00e4nge der Netzhaut. Hermanns Handb. d. Physiol., Bd. 3, 1. Teil. Leipzig 1879.\nG. E. M\u00fcller, I, Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen. Zeitschr. f. Psychol., Bd. 10, 1896.\nj II) Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen. Zeitschr. f. Psychol., Bd. 14, 1897.\n\u2014 \u2014 \u2014> UI; \u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen. Zeitschr. f. Psychol., Bd. 14, 1897.\nA. Tschermak, \u00dcber die Bedeutung der Lichtst\u00e4rke und des Zustandes des Sehorgans f\u00fcr farblose optische Gleichungen. Pfl\u00fcgers Arch., Bd.70,1898. F. Weigert, I, Die chemischen Wirkungen des Lichts. Stuttgart 1911.\n----, II, Ein photochemisches Modell der Retina. Pfl\u00fcgers Arch., Bd. 190,1921.\nZeitschr. f. Sinnesphys. 51.\n10","page":145}],"identifier":"lit36072","issued":"1923","language":"de","pages":"9-48, 102-145","startpages":"9","title":"Zur Theorie des St\u00e4bchenapparates und der Zapfenblindheit [Erster und zweiter Teil]","type":"Journal Article","volume":"54"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:45:35.760193+00:00"}