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Über die Unterschiedsempfindlichkeit für Farbentöne bei anomalen Trichromaten

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{"created":"2022-01-31T16:45:20.320420+00:00","id":"lit36089","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Rosencrantz, Carl","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 58: 5-27","fulltext":[{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"PL\nO\n(Aus der physikalischen und sinnesphysiologischen Abteilung des Physiologischen Instituts der Universit\u00e4t Berlin)\n\u00dcber die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne\nbei anomalen Trichromaten\nVon\nCarl Rosencrantz Mit 3 Abbildungen\nEinleitung\nDie verschiedenen Farbensysteme und ihre\nBeziehungen zueinander\nJe nachdem ob eins, zwei oder drei homogene Lichter dazu hinreichen, durch Intensit\u00e4tsver\u00e4nderung und Mischung die gesamte Mannigfaltigkeit der Farbenempfindungen bei einer Person auszul\u00f6sen, bezeichnet man ihr Farbensystem als mono-, di- oder trichromatisch. Unter den vom normalen trichromatischen I arben-sinn abweichenden Systemen, die angeboren und erblich sind (rund 10 \u00b0/0 aller M\u00e4nner), \u00fcberwiegen bekanntlich weitaus diejenigen mit St\u00f6rungen der Rot- und Gr\u00fcnempfindung; das sind von den Dichromaten die Protanopen (\u201eRotblinden\u201c) und Deuteranopen (\u201eGr\u00fcnblinden\u201c), von den anomalen Trichromaten die entsprechenden Prot- und Deuteranomalen. \u2014 Andererseits hat man die Tritanopie (\u201eBlaublindheit\u201c) \u2014 St\u00f6rungen der Gelbund Blauempfindung \u2014 mit einer gewissen Regelm\u00e4fsigkeit als erworbene Form bei bestimmten Netzhauterkrankungen festgestellt und mehrfach genauer untersucht, dagegen als angeborenerbliches Vorkommen \u00e4ufserst selten gefunden. Besonders bemerkenswert ist, dafs pathologisch erworben auch \u201eBlau-Anomalie\u201c vorzukommen scheint, also ein Farbensystem, das sich zur Blaublindheit etwa so verh\u00e4lt, wie Rot-Anomalie zur Rotblindheit.1 \u2014 Von der ziemlich selten zu beobachtenden Monochromasie\n1 Collin und W. A. Nagel (Zeitschr. f. Siuuesphys. 41, 74 88. 1906) haben einen solchen Zustand mit typischen Symptomen der Anomalen beim Abklingen einer einseitigen traumatischen Tritanopie beobachtet, in","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nCarl Rosencrantz\n(\u201e Total- Farbenblindheit\u201c) l\u00e4fst sich die eine, die relativ h\u00e4ufigste Form nach der Duplizit\u00e4tstheorie befriedigend deuten als Ausfall des Tagessehens; solche Leute sehen etwa wie der Normale im D\u00e4mmerlicht (\u201eSt\u00e4bchen-Seher\u201c). Eine andere Form, bei der das Sehen etwa dem der \u00e4ufsersten Gesichtsfeld p\u00e9riph\u00e9rie des normalen Auges entspricht (Totalfarbenblindheit bei erhaltenem Purkinje-Ph\u00e4nomen) ist nur in ganz vereinzelten F\u00e4llen genauer untersucht.\nBeschr\u00e4nken wir unsere Betrachtungen auf die Systeme mit angeborenen St\u00f6rungen der Rot- und Gr\u00fcnempfindung, so ist hervorzuheben, dafs schon seit langem die Konstanz des Farbensystems bei den zwei Dichromatengruppen der Prot- und Deuteranopen aufgefallen ist und dem gegen\u00fcber die Variabilit\u00e4t und der grofse Formenreichtum bei den entsprechenden Rot- und Gr\u00fcnanomalen. \u2014 Im makularen Gebiet des Gesichtsfeldes zeigt das Farbensehen dieser Dichromaten ganz typisch immer wieder das gleiche Verhalten. Am Spektrum sind f\u00fcr sie drei Hauptabschnitte unterscheidbar: zwei ausgedehnte \u201eEndstrecken\u201c im lang- und kurzwelligen Teil lassen nur Helligkeitsabstufungen ohne Farbton\u00e4nderungen wahrnehmen, sie l\u00f6sen die \u201ewarme\u201c bzw. \u201ekalte\u201c Farbempfindung in voller S\u00e4ttigung aus. Dazwischen die \u201eMittelstrecke\u201c von etwa 540\u2014460 upt bietet alle S\u00e4ttigungsabstufungen des \u201eWarm\u201c einer-, des \u201eKalt\u201c andererseits bis zu v\u00f6lliger Farblosigkeit nach der Mitte zu, wo zwischen etwa 490 und 500 tufj. der scharf begrenzte wie weifses Wolkenlicht aussehende \u201eneutrale Punkt\u201c im Spektrum der Dichromaten liegt. In der Mittelstrecke haben die Dichromaten eine gute Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne, die feinste am neutralen Punkt ; in den Endstrecken ist sie gleich Null. \u2014 Der Unterschied zwischen Protanopen und Deuteranopen ist am st\u00e4rksten in der langwelligen Spektralh\u00e4lfte ausgesprochen und betrifft hier vorwiegend die Reizwertverteilung : f\u00fcr Protanope haben die langwelligen Lichter einen sehr geringen Reizwert, w\u00e4hrend die Deuteranopen in dieser Beziehung nicht wesentlich von den Normalen abweichen; um eine Farben- und Helligkeitsgleichung zwischen Li-Rot und Na-\neinem Stadium der Heilung, in dem bei bereits voller Sehsch\u00e4rfe das Farbensystem nicht mehr tritanopisch aber auch noch nicht wieder normal war.\nNach Abschlufs meiner Untersuchung hat E. Engelking (Arch. f. Ophthalmol. 116, 196. 1925) auch einen Fall von angeborener und vererbter Tritanomalie eingehend beschrieben und zwei weitere Tritanomale beobachtet.","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne bei anomalen Trichromaten J\nGelb einzustellen, brauchen Protanope etwa f\u00fcnfmal so viel Li-Rot wie Deuteranope. Dieser Unterschied ist nach Art und Zahlenwert durchaus typisch. \u2014 Im \u00fcbrigen erkennen die Dichromaten auch alle Farbengleichungen der Normalen als g\u00fcltig an und dokumentieren sich damit als Re dukt ions formen des normalen Farbensystems.\nCharakteristisch f\u00fcr die anomalen Trichromaten ist, dafs sie die Gleichungen der Normalen in bestimmten Spektralbereichen nicht anerkennen, sondern wesentlich abweichende Mischungsverh\u00e4ltnisse verlangen ; sie sind demnach Alterations-formen des normalen Systems. Typisch ist ferner als Unterschied zwischen den Prot- und Deuteranomalen eine \u00e4hnliche Differenz in der spektralen Helligkeitsverteilung, wie sie Protanope von Deuteranopen scheidet: auch die Protanomalen sind f\u00fcr langwellige Lichter relativ wenig empfindlich und haben ein gegen das kurzwellige Spektralende verschobenes Helligkeitsmaximum. Im \u00fcbrigen herrscht bei den Anomalen, wie schon hervorgehoben, \u2022eine weitgehende Variabilit\u00e4t; man findet auf der einen Seite F\u00e4lle, deren Farbenunterscheidungsverm\u00f6gen im Vergleich zu dem des Normalen nur wenig herabgesetzt ist, und auf der anderen solche, bei denen es kaum besser ist als bei Dichromaten. Hiermit h\u00e4ngt zusammen, dafs bei der Ray 1 eigh-Gleichung nicht unbedingt alle Protanomalen das Gemisch zu Rot, alle Deuteranomalen zu Gr\u00fcn einstellen m\u00fcssen, denn die F\u00e4lle mit geringem Farbenunterscheidungsverm\u00f6gen nehmen in einem mehr oder weniger breiten Bereich von Rot-Gr\u00fcn-Mischungsverh\u00e4ltnissen Gleichungen an, und es kommt zuweilen vor, dafs auch die Normalen-Gleichung und noch dar\u00fcber hinaus liegende Mischungen mit in diesen Bereich fallen. \u2014 Ebenso k\u00f6nnen die Erscheinungen der \u201eFarbenschw\u00e4che\u201c und des \u201egesteigerten Konstrastes\u201c bei den Anomalen recht verschieden stark ausgebildet sein. Als einigermafsen zutreffende Regel l\u00e4fst sich sagen, dafs die typischen F\u00e4lle mittleren Grades im allgemeinen einen deutlich gesteigerten Kontrast, aber kaum vermehrte Erm\u00fcdbarkeit (Lokaladaptation) besitzen, und dafs es bei den Extrem-Anomalen umgekehrt zu\nsein pflegt.\nInfolge dieses Formenreichtums hat ein Teil der Autoren schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts die Ansicht vertreten, dafs die angeborenen St\u00f6rungen des Farbensinns in verschiedenen Graden Vorkommen, und dafs vom normalen System zu den","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nCarl Rosencrantz\ntypischen Dichromaten je eine fortlaufende Reihe von \u00dcbergangs-\nformen f\u00fchrt. Nach der anderen Auffassung sondern sich die\ndi- und trichromatischen Farbensysteme in scharf getrennte\nTypen ohne Zwischenformen. Seebeck1, Holmgren 2 3 und\n\u2022 \u2022\nMagnus8 kamen zu der Annahme stetiger Ubergangsreihen haupts\u00e4chlich auf Grund der mehr oder weniger grofsen Sicherheit, mit der die damaligen Farbensinnproben von ihren Versuchspersonen bestanden wurden ; Donders 4 zog denselben Schluf& besonders aus Massenuntersuchungen \u00fcber die zur Farbenerkennung notwendigen Minimal-Gesichtswinkel.\nBei K\u00f6nig und Dieterici 5 6 7 (1886) nahm dann die Hypothesebestimmtere Formen an; ihre Untersuchungen \u00fcber den Verlauf der Grundempfindungskurven im Spektrum (Eichkurven, Valenzkurven) f\u00fchrten sie dazu, die damals allein genauer bekannte\n\u2022 \u2022\nGruppe der Deuteranomalen als Ubergangsglied zwischen den normalen Trichromaten und den Deuteranopen aufzufassen. Sie fanden, dafs die Gr\u00fcnkurve der Deuteranomalen nach Gestalt und spektraler Lage zwischen der normalen Gr\u00fcn* und Rotkurve stand, und haben daraufhin eine zuerst von Helmholtz 6 skizzierte, dann von Fick 7 weiter ausgef\u00fchrte Hypothese \u00fcber die Ver\u00e4nderlichkeit der Grundempfindungskurven in folgender etwas modifizierter Form zur Erkl\u00e4rung herangezogen : bleibt die Qualit\u00e4t der Grundempfindung Gr\u00fcn erhalten, wird die Gestalt und Lage ihrer Kurve \u00fcber dem Spektrum aber der von Rot immer \u00e4hnlicher, dann entsteht das System der Gr\u00fcnanomalen ; ist die Gr\u00fcnkurve schliefslich so weit ver\u00e4ndert, dafs sie ganz auf die Rotkurve f\u00e4llt, so resultiert das dichromatische System der Deuteranopen. Die analoge Deutung mit Verschiebung der Rotkurve diskutieren\n1\tA. Seebeck, Poggend. Annal, d. Phys. u. Chem. 42, 177. 1837.\n2\tFr. Holmgren, Die Farbenblindheit in ihren Beziehungen zu der Eisenbahn und Marine. Leipzig, Vogels Verlag. 1878.\n3\tH. Magnus, Die Farbenblindheit, ihr Wesen und ihre Bedeutung^ Breslau, I. U. Kern. 1878.\n4\tF. C. Donders, Graefes Arch. f. Ophthalm. 23, 282. 1877; 27, 64. 1881;\n30, 77.\n6 A. K\u00f6nig und C. Dieterici, A. K\u00f6nigs \u201eGesammelte Abhandlungen zur physiologischen Optik\u201c. Leipzig, J. A. Barth. 1903. S. 84, 85; 102, 103, 105; 295, 318, 319.\n6\tA. v. Helmholtz, Handbuch der Physiologischen Optik. 1. Aufl. Nachtr\u00e4ge S. 848. 1866.\n7\tA. Fick, Verhandl. d. Phys.-med. Ges. z. W\u00fcrzburg, N. F. 5, 158. 1873;\nferner Pfl\u00fcgers Arch. 47, 247. 1890; 64, 313. 1896, l:","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne bei anomalen Trichromaten 9\nK\u00f6nig und Dieteeici bereits f\u00fcr das System der Protanopen-\n\u2014\tGem\u00e4fs dieser Zusatzannahme zur YouNG-HELMHOLTzschen Theorie w\u00fcrden die Dichromaten, Protanopen wie Deuteranopen, die langwellige Endstrecke gelb sehen, die kurzwellige blau und den Neutralpunkt weifs, wie es ja f\u00fcr die dichromatische Zone des normalen Auges zutrifft und bei dem von Hippel 1 und von H\u00f6lmgren 2 beschriebenen Fall mit einseitiger Dichromasie und normalem anderen Auge beobachtet wurde.\nDie Hypothese von K\u00f6nig und Dieteeici \u00fcber das Zustandekommen anomal-trichromatischer und dichromatischer Systeme\nl\u00e4fst die M\u00f6glichkeit zu, dafs durch mehr oder weniger starke\n\u2022 \u2022\nVerschiebung derValenzkurven zwei stetige Reihen von Ubergangsformen entstehen; dabei w\u00fcrden die Zwischenglieder sich wie Alterationsformen, die dichromatischen Endglieder wie Reduktionsformen des normalen Farbensystems verhalten. \u2014 Nach den \u2014 allerdings mit anderer Methodik angestellten\n\u2014\tMassenuntersuchungen von K\u00f6llner3 sieht es jedoch so aus,\nals ob von den theoretisch m\u00f6glichen Zwischengliedern nur\nbestimmte tats\u00e4chlich Vorkommen. K\u00f6llner ermittelte mit dem\nNAGELschen Anomaloskop an einer grofsen Anzahl von Personen\nmit abnormem Farbensinn, in welchen Grenzen des Li-Th-\nVerh\u00e4ltnisses bei dem Gemisch noch Gleichungen mit dem Na-\nLicht angenommen werden. Er fand bei der Bestimmung dieser\n\u2022 \u2022\nsog. \u201eBandbreite\u201c zwei stetige Ubergangsreihen, die eine von den typisch Protanomalen mit scharfer Einstellung bis zu den Protanopen, die andere von den entsprechenden Deuteranomalen bis zu den Deuteranopen ; er vermifste aber unter seinem Material die \u00dcberg\u00e4nge von den Normalen bis zu den typischen anomalen Trichromaten. Dafs diese leichteren Formen der St\u00f6rung trotzdem Vorkommen, stellt er nicht in Abrede, h\u00e4lt sie jedoch f\u00fcr recht selten.\nBesonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Befunde von Nagel 4, denn aus ihnen geht hervor, dafs die Beziehungen der Dichromaten zu den anomalen Trichromaten noch wesentlich enger sind, als man bis dahin annehmen konnte. Nagel entdeckte an sich selbst und anderen Personen, dafs es\n1\tA. v. Hippel, Graefes Arch. f. Ophthalm. 26 II, 176. 1880; 27 III, 47. 1881.\n2\tF, Holmgren, Centralbl. f. d. med. Wissenschaften 1880, 898.\n3\tH. K\u00f6llner, Arch. f. Augenheilk. 78, 302. 1915.\n4\tW. A. Nagel, Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 41, 319. 1906.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nCarl Rosencrantz\nDichromaten gibt, die im fovealen und parafovealen Sehen ein typisch dichromatisches Farbensystem besitzen, beim Sehen mit ausgedehnten Netzhautfl\u00e4chen dagegen ein komplizierteres tri-chromatisches System. Auf 10-20\u00b0 grofsem Feld und bei hoher Lichtintensit\u00e4t trat eine Art von spezifischer Rotempfindung hinzu ; das so entstehende kompliziertere System war jedoch mit Sicherheit kein normal-trichromatisches. Nagel konnte an sich selbst zeigen, dafs sein deuteranopisches Farbensehen auf grofsem Feld weitgehend dem des Deuteranomalen \u00e4hnelte ; denn es waren nachweisbar : 1. die anomale Mischungsgleichung mit vermehrtem Gr\u00fcnzusatz \u2014 in der langwelligen Spektralh\u00e4lfte, 2. Farbenschw\u00e4che, d. h. Minderwertigkeit des Farbenunterscheidens bei geringer Feldgr\u00f6fse, niedriger Lichtintensit\u00e4t, kurzer Exposition, und 3. gesteigerter Kontrast. \u2014 Auch bei einigen Protanopeu fand Nagel, dafs sie sich auf grofsem Feld wie Rotanomale verhielten. Ob es neben diesen F\u00e4llen \u00fcberhaupt noch echte vollst\u00e4ndige Dichromaten gibt, die auch auf gr\u00f6fstem Feld rein dichromatisch sehen, hat er nicht feststellen k\u00f6nnen. \u2014 Theoretisch vor allem hervorzuheben ist, dafs hier in dem gleichen Auge je nach den Umst\u00e4nden ein Reduktions- oder ein Alterationssystem des normalen Farbensinns vorliegt, und dafs die Gr\u00f6fse der erregten Netzhautpartie daf\u00fcr mafsgebend ist, ob die eine oder andere Sehweise Platz greift.1\nVorstehende Zusammenstellung zeigt eine Anzahl bemerkenswerter Tatsachen und Anschauungen \u00fcber die Beziehungen der Farbensysteme zueinander*, es reicht aber das bisherige Beobachtungsmaterial keineswegs aus, um sich eine einigermalsen gesicherte Vorstellung der ganzen Zusammenh\u00e4nge machen zu k\u00f6nnen. Gewisse, hier m\u00f6glicherweise in dem einen oder anderen Sinne entscheidende, bislang aber noch offene Fragen \u00fcber die\nVer\u00e4nderlichkeit der Eichwerte, der Unterschiedsempfindlichkeit\n\u2022 \u2022\nf\u00fcr Farbent\u00f6ne, der Helligkeitsverteilung beim \u00dcbergang von einem System zum anderen ; ferner \u00fcber das trichromatische Sehen der Dichromaten und umgekehrt, die dichromatische Zone im normalen Auge, scheinen jedoch einer experimentellen Beantwortung durchaus zug\u00e4nglich zu sein.\n1 Bei dem eingangs (S. 5 Anm. 1) erw\u00e4hnten Fall erworbener Trit-anopie von Collin und Nagel traten w\u00e4hrend des Heilungsprozesses das Reduktions- und das Alterationssystem nacheinander in demselben Auge auf.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne bei anomalen Trichromaten H\nAuf Veranlassung von Herrn Prof. A. Kohlkausch sind im hiesigen Institut eine Reihe von Untersuchungen teils ausgef\u00fchrt, teils noch im Gange, die der Kl\u00e4rung obiger Fragen dienen sollen. Ich habe in diesem Zusammenh\u00e4nge vergleichende Versuche an einem normalen und zwei protanomalen Systemen verschiedenen Grades angestellt \u00fcber den Verlauf der Unterschiedsempfindlichkeit (U.-E.) f\u00fcr Farbent\u00f6ne des Spektrums; diese und einige sich daran anschliefsende Versuche \u00fcber Farben- und Helligkeitsempfindungen der Protanomalen sollen im folgenden mitgeteilt werden.\nMethodik.\nDie Messungen habe ich an dem grofsen von Schmidt und Haensch gebauten NAGELschen Farbenmischapparat ausgef\u00fchrt.\nDa dieser bislang nicht beschrieben ist, lasse ich hier an Hand der beigef\u00fcgten Abbildungen1 eine kurze Erl\u00e4uterung seiner Konstruktion folgen.\nDie Farbenmischung wird nach dem Prinzip des Farbenkreisels vorgenommen, nur dafs anstatt der Pigmentfarben der Kreiselscheiben hier homogene Spektrallichter gemischt werden.\nDer Apparat besteht im wesentlichen aus vier einzelnen Spektralapparaten konstanter Ablenkung, die ein gemeinsames Beobachtungsfernrohr O haben. In der Abb. 1 sind die vier Kollimatoren und die vier zugeh\u00f6rigen Mikrometerschrauben und -teilungen der Rutherfordprismen mit I\u2014IV bezeichnet. Ein f\u00fcnfter kleiner Kollimator neben dem Beobachtungsfernrohr dient zum Zusatz von weifsem Licht. Das Beobachtungsfernrohr und die Kollimatoren sind fest montiert, die Rutherfordprismen einzeln drehbar. Die vier Kollimatoren I\u2014IV erhalten vermittels kleiner vor den bilateralen Objektivspalten sitzender totalreflektierender Prismen ihr Licht von einer gemeinsamen Lichtquelle K, der Hinterfl\u00e4che einer innen mit Magnesiumoxyd geweifsten Kugel, die von 12 im Kugelinnern sitzenden evakuierten Osramlampen beleuchtet wird.2 Urspr\u00fcnglich wurden drei Nernstlampen benutzt (s. Abb. 1, N). Die totalreflektierenden Prismen sind\n1\tDie Klischees zu den Abbildungen wurden mir von der Firma Franz Schmidt und Haensch - Berlin in entgegenkommender Weise zur Verf\u00fcgung gestellt.\n2\tDieses Beleuchtungsprinzip (DRP.) ist auch bei dem Kugelepiskop von Schmidt und Haensch verwandt.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"Abbildung 1\nGrofser Farbenmischapparat von W. A. Nagel.\n12\nCarl Rosencrantz","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne bei anomalen Trichromaien 13\nso gerichtet, dafs die vier Objektivspalte ihr Licht ann\u00e4hernd von derselben Stelle der weifsen Kugel-Innenfl\u00e4che bekommen. Die Spalte k\u00f6nnen auch nach Fortnahme der Reflexionsprismen einzeln durch eine beliebige Lichtquelle beleuchtet werden, z. B. zum Eichen; die Spalte besitzen Mikrometerteilungen, welche Ablesungen bis auf 1j100 mm Spalt weite gestatten.\nDie Rutherfordprismen haben eine Dispersion von C\u2014F = 3\u00b0 26', infolgedessen l\u00e4fst sich eine bemerkenswerte Reinheit der Lichter auch bei betr\u00e4chtlicher Helligkeit erzielen.\nDas Gesichtsfeld wird durch einen Lummer - BuoDHUNschen W\u00fcrfel gebildet, und zwar so, dafs das Licht vom Kollimator I in der linken Gesichtsfeldh\u00e4lfte erscheint, und das von den Kollimatoren II\u2014IV in der rechten ; das weifse Licht des f\u00fcnften kleinen Zusatzkollimators erscheint in der linken Gesichtsfeldh\u00e4lfte. Die senkrechte Trennungslinie der beiden Gesichtsfeldh\u00e4lften ist \u00e4ufserst fein ; sie wird unmerklich, sobald eine genaue Gleichung zwischen rechts und links eingestellt ist. \u2014 Das Gesichtsfeld kann durch kreisrunde Einsteckblenden verkleinert und durch ein nach oben umlegbares Fernrohr (bei S) vergr\u00f6fsert werden, so dafs man beliebige Gesichtsfeldgr\u00f6fsen zwischen 1\u00b0 und etwa 17\u00b0 Durchmesser zur Verf\u00fcgung hat. An Stelle des umlegbaren Fernrohrs l\u00e4fst sich ein Spektroskop S (Abb. 1) mit Wellenl\u00e4ngenskala so vor den bilateralen Okularspalt setzen, dafs es unmittelbar die totale Unreinheit der benutzten Lichter abzulesen gestattet.1 Fernrohr und Spektroskop S sind gegeneinander auszuwechseln.\nDie Mischung der Lichter aus den Kollimatoren von II\u2014IV erfolgt mittels der Spiegelsektoren-Vorrichtung M, die durch den Motor E und den Vorwiderstand W in beliebig schnelle Rotation versetzt werden kann. F\u00fcr Zwei-Lichtermischungen aus den Kollimatoren II und IV dient eine streng planparellele runde Glasplatte, die zwei diametral gegen\u00fcberliegende versilberte Sektoren tr\u00e4gt, und in den senkrecht zueinander orientierten Strahleng\u00e4ngen der zwei Kollimatoren unter einem Winkel von 45\u00b0 steht (Abb. 2 a). Das Zentrum der Sektorenscheibe liegt oberhalb der Kollimatoren (Abb. 2 a). Je nach der Stellung der Scheibe f\u00e4llt das Licht von Kollimator IV durch die planparallelen\n1 Beschreibung von W. A. Nagel in Tigerstedts Handbuch der physiologischen Methodik, Bd. 3, Abtlg. 2, S. 61 ff.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nCarl Rosencrantz\nGlassektoren in das Okular oder wird das Licht aus Kollimator II an den Spiegelsektoren reflektiert ins Okular geworfen. Die rechte Gesichtsfeldh\u00e4lfte des Okularrohrs erh\u00e4lt also abwechselnd Licht aus dem einen oder anderen Kollimator, je nach der Drehgeschwindigkeit der Scheibe flimmernd (zum Zwecke der Flimmerphotometrie) oder dem Auge additiv gemischt erscheinend.\nDurch Anwendung zweier synchron laufender Sektorenscheiben (Abb. 2 c) k\u00f6nnen auf dieselbe Weise drei Lichter aus den Kollimatoren II\u2014IV gemischt werden. Die eine der Scheiben ist in vier Sektoren abwechselnd durchsichtig und spiegelnd, die andere in sechs Sektoren abwechselnd durchsichtig, spiegelnd und undurchsichtig (Abb. 2 b). Dadurch werden die drei Lichter im Wechsel in die rechte Gesichtsfeldh\u00e4lfte des Okulars geleitet. Die Vorrichtungen mit einer und zwei Sektorscheiben sind gegen-einander auswechselbar.\nDie linke H\u00e4lfte des Gesichtsfeldes kann also\n1.\tyon einem homogenen Licht beliebiger Wellenl\u00e4nge,\n2.\tvon weifsem unzerlegten Licht und\n3.\tvon beiden in beliebigem Mischungsverh\u00e4ltnis erleuchtet werden ;\ndie rechte H\u00e4lfte des Gesichtsfeldes\n1.\tbei stillstehender Sektorenscheibe von einem homogenen Licht beliebiger Wellenl\u00e4nge,\n2.\tvon zwei homogenen Lichtern beliebiger Wellenl\u00e4nge (gemischt oder flimmernd),\n3.\tvon drei homogenen Lichtern beliebiger Wellenl\u00e4nge (gemischt oder flimmernd).\nDa es sich bei meinen Versuchen nur um den Vergleich einfacher Spektrallichter handelte, habe ich mit der einen stillstehenden Sektorenscheibe und mit homogenen Lichtern (Koll. I und IV) in jeder Gesichtsfeldh\u00e4lfte gearbeitet.\nBei den eigentlichen Beobachtungen sind die optischen Teile des Apparats mit einem mattschwarzen lichtdichten Blechgeh\u00e4use nach aufsen hin vollkommen abgeschlossen, so dafs man im taghell erleuchteten Zimmer arbeiten kann.\nDie Mikrometerteilungen der Prismendrehung wurden in der \u00fcblichen Weise mit Li-, Na-, Th- und Strontiumlicht nach Wellenl\u00e4ngen geeicht und mit Hilfe der CAUCHYschen Dispersionsformel die Dispersionskurven gezeichnet. Die Lage der Na-Linie habe ich von Zeit zu Zeit kontrolliert; eine merkliche \u00c4nderung derselben trat w\u00e4hrend meiner Versuche nicht ein.","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne bei anomalen Trichromaten 15\nAbb. 2a\n\n/\n\\\n\nAwu&<\n\nAbb. 2b\nAbb. 2c\nAbbildung 2\nDie Spiegelsektoren-Vorrichtung f\u00fcr die Lichtmischung:\n) bei Zweilichtermischung; b) bei Dreilichtermischung; c) Antrieb und Synchronismus bei den zwei Scheiben (b) f\u00fcr Dreilichtermischung","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nCarl Rosencrantz\nErgebnisse\n1. Die untersuchten Farbensysteme und ihre Pr\u00fcfung\nan Farbengleichungen\nIch selbst besitze ein rotanomales Farbensystem extremen Grades. Wie h\u00e4ufig bei den extrem-anomalen Systemen ist bei mir der Kontrast nur wenig gesteigert, aber die Erm\u00fcdungserscheinungen (Lokaladaptation) besonders auffallend: Geringe Farbendifferenzen einer einzustellenden Gleichung sehe ich nach Fixation von 10 Sekunden und dar\u00fcber nicht mehr. Ich mufste infolgedessen bei allen Einstellungen von Gleichungen so Vorgehen, dafs ich nur kurz fixierte und sukzessive so einstellte, dafs mir auch in den ersten 1\u20143 Sekunden der Beobachtung keine Differenz bemerkbar war; entsprechend mufste ich verfahren, wenn es sich um die Feststellung eines ebenmerklichen Unterschiedes handelte.\nDie Untersuchung meiner Augen am NAGELschen Anomalo-skop mit Auerlampe bei Tageslichtadaptation ergab folgendes : Die Dichromaten-Einstellungen Li = Na oder Th = Na kann ich nicht als Gleichung annehmen, aber in der Anfangszeit meiner Versuche stellte ich in einem sehr weiten Bereich verschiedener Mischungsverh\u00e4ltnisse von Li : Th Gleichungen ein. Ich zeigte also das typische Merkmal \u201eExtrem-Anomaler\u201c, das sog. \u201ebreite Band\u201c am Anomaloskop, und zwar auch bei der g\u00fcnstigen Fixationsdauer bis h\u00f6chstens 3 Sekunden. Das Band erstreckte sich von nicht ganz reinem Li (18 Skalenteile Th-Zusatz) bis \u00fcber die Normalen-Gleichung hinaus und umfafste 25\t30 Skalen-\nteile. Dabei stellte ich ein f\u00fcr den Normalen helles Rot neben ganz dunklem Gelb ein, ich bin also Extrem-Rotanomaler.\nNun hat sich aber im Laufe der langen t\u00e4glichen Besch\u00e4ftigung mit Farbengleichungen mein Unterscheidungsverm\u00f6gen f\u00fcr Farbent\u00f6ne auffallend verfeinert. Jetzt am Ende meiner Versuche erscheint mir die Normalen-Gleichung am Anomaloskop deutlich falsch, die Mischung ist mir zu gr\u00fcn ; die Breite meines Bandes betr\u00e4gt nur noch etwa 6 \u2014 8 Skalenteile, ist also etwa auf */4 ihres anf\u00e4nglichen Wertes zur\u00fcckgegangen; das Band liegt an der Stelle der f\u00fcr Rotanomale typischen Gleichung. Die Komplikation der starken Lokaladaptation hat sich jedoch nicht merklich ge\u00e4ndert.","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne bei anomalen Trichromaten 17\nDiese Verfeinerung meines Farben-Unterscheidungsverm\u00f6gens ist verglichen mit Normalen, Dichromaten und auch manchen Anomalen mittleren Grades, sehr auffallend. Eine gewisse Zunahme der Einstellungssicherheit mit der \u00dcbung ist ja auch bei diesen Personen zu beobachten, aber sie betr\u00e4gt nur wenige Skalenteile, und das Optimum ist nach kurzer \u00dcbungszeit erreicht. Im Vergleich dazu ist meine Einstellungssicherheit enorm gestiegen, und die Besserung ist wochenlang fortgeschritten, das Optimum ist allem Anschein nach auch jetzt noch nicht erreicht. \u2014 Daraus ist nun nicht etwa zu schliefsen, dafs mein Farbensystem sich ge\u00e4ndert hat, sondern ich habe lediglich gelernt, jetzt kleine Differenzen zu beachten, die mir anfangs entgangen sind. Die \u00c4nderung meines Unterscheidungsverm\u00f6gens ist also eine Folge gesteigerter Aufmerksamkeit. Damit steht im Zusammenhang, dafs f\u00fcr mich die Einstellungen recht m\u00fchsam sind, und ich sie immer und immer wieder nach Abwendung des Blickes oder Durchwandern des Zimmers kurz kontrollieren mufs, um Sicherheit zu gewinnen, dafs sie wirklich stimmen. Ferner h\u00e4ngt damit eine gewisse Labilit\u00e4t meines Farbenunterscheidungsverm\u00f6gens zusammen *. eine Indisposition infolge einer Erk\u00e4ltung, die einen Normalen oder Dichromaten kaum beeinflufst, macht mich v\u00f6llig unf\u00e4hig zu sicheren Beobachtungen.\nMein Farbenunterscheidungsverm\u00f6gen habe ich nun verglichen mit dem eines normalen Trichromaten und eines Rotanomalen mittleren Grades. Der Normale, Herr Dr. vom Hofe, stellte am Anomaloskop nur die Normalen-Gleichung mit betr\u00e4chtlicher Sicherheit ein. Der Rotanomale mittleren Grades, Herr Dr. Stolp, ist durch auffallend geringe Symptome der Farbenschw\u00e4che bemerkenswert; Kontrast und Lokaladaptation sind bei ihm gegen\u00fcber der Norm nur wenig gesteigert; aber eine Erh\u00f6hung der Zeitschwelle zeigte sich bei flimmerphotometrischen Messungen an der Verschmelzungsfrequenz, die cet. par. nur etwa die H\u00e4lfte der normalen betrug. Er stellte bereits bei der ersten Pr\u00fcfung am Anomaloskop die typische Rotanomalen-Gleichung sehr sicher ein, dabei ergab sich ein Band von nur zwei Skalenteilen Breite.\nDais die untersuchten anomalen Farbensysteme, trotz dieser Verschiedenheiten, beide der Gruppe der Rotanomalen angeh\u00f6rten, ergab sich bei weiteren Lichtmischungsversuchen in der lang-\nZeitschrift f. Sinnesphysiol. 58.","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nCarl Rosencrantz\nwelligen Spektralh\u00e4lfte. Ausf\u00fchrlich wird \u00fcber diese Untersuchungen in anderem Zusammenh\u00e4nge berichtet werden, ich m\u00f6chte hier nur zur Charakteristik unserer Farbensysteme eines der Resultate kurz mitteilen. \u2014 Wie v. Kries 1 zuerst gezeigt hat, ist bei Lichtmischungen in der langwelligen Spektralh\u00e4lfte die Abweichung eines anomalen vom normalen Auge nicht konstant, sondern mit der Wellenl\u00e4nge des homogenen Lichts ver\u00e4nderlich; und zwar hat der Grad dieser Abweichung bei Rot- und Gr\u00fcnanomalen je einen anderen, aber f\u00fcr das betreffende anomale Farbensystem charakteristischen Gang im Spektrum. \u2014 Bei vergleichenden Versuchen mit der \u201eerweiterten Rayleigh-Gleichung\u201c am HELMHOLTzschen Farbenmischapparat fanden nun auch wir, dafs der Unterschied zwischen unseren anomalen und einem normalen Auge mit der Wellenl\u00e4nge ver\u00e4nderlich war und aufserdem, dafs f\u00fcr die beiden Anomalen R. und St. der Gang dieser Abweichung \u00fcbereinstimmte. Unsere Farbensysteme sind danach derselben Gruppe der Rotanomalen zuzurechnen, trotz der Verschiedenheiten, die zwischen uns bez\u00fcglich Kontrast, Lokaladaptation und Farbenunterscheidungsverm\u00f6gen bestehen.\n2. Vergleich der Farbenunterscheidungsf \u00e4higkeiten.\nBei den am grofsen NAGELschen Farbenmischapparat ange-stellten Versuchen \u00fcber die U.-E. f\u00fcr Farbent\u00f6ne bin ich nach der Methode des eben merklichen Unterschiedes vorgegangen. Es wurde also auf der einen Seite des Gesichtsfeldes eine bestimmte Wellenl\u00e4nge fest eingestellt (Roll. IV) und die Wellenl\u00e4nge der anderen Gesichtsfeldh\u00e4lfte (Koll. I) sukzessive so weit ver\u00e4ndert, bis eben eine Farbendifferenz wahrnehmbar blieb, die durch Intensit\u00e4tsregulierung nicht mehr zu beseitigen war. Durch vorsichtige Vergr\u00f6fserung und Verkleinerung der Wellenl\u00e4ngendistanz habe ich dann den Punkt des ebenmerklichen Farbenunterschiedes m\u00f6glichst genau eingekreist. Die Einstellungen geschahen unwissentlich, d. h. der Beobachter blieb \u00fcber die Wellenl\u00e4ngen und ihren Abstand im unklaren, hatte nur die Helligkeit der ver\u00e4nderlichen Gesichtsfeldh\u00e4lfte zu regulieren und anzugeben, ob eine Gleichung m\u00f6glich sei oder nicht. Die Wellenl\u00e4nge des variablen Kollimators I wurde nach beiden Seiten von der festen Spektralstelle aus ver-\n1 J. y. Kries, Nagels Handbuch der Physiologie. Bd. 3, 125 ff.","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"TJnterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne bei anomalen Trichromaten 19\nschoben. Das Mittel aus beiden Einstellungen ergab den eben merklichen Unterschied an der betreffenden Spektralstelle.\nBeobachtet wurde bei Tageslicht-Adaptation im hellen Zimmer mit einem Gesichtsfeld von 2,5\u00b0 Durchmesser. Diese Gesichts-feldgr\u00f6fse stellt ein Kompromifs dar, indem sie einerseits auf die Eigent\u00fcmlichkeiten der Anomalen R\u00fccksicht nimmt, daneben aber auch auf die Forderung, das D\u00e4mmersehen m\u00f6glichst auszu-schliefsen. Die Anomalen sind bekanntlich gegen\u00fcber kleinen farbigen Objekten im Nachteil, und besonders dann \u2014 wie v. Keies 1 gezeigt hat \u2014, wenn die Farben hell leuchtend in lichtlosem Umfeld stehen ; aus diesem Grunde h\u00e4tte das Gesichtsfeld m\u00f6glichst grofs und m\u00e4fsig hell gew\u00e4hlt werden m\u00fcssen. Dem sind Grenzen gesteckt durch die andere Notwendigkeit, bei Untersuchungen \u00fcber den Farbensinn tunlichst rein den farbenempfindlichen Tagesapparat ohne Einmischung des farblosen D\u00e4mmersehens zu pr\u00fcfen, also mit hellem fovealen Feld (1,5\u00b0) zu arbeiten. Es kam nun vor allem darauf an, den Vergleich der Farbensysteme unter den gleichen und f\u00fcr die Anomalen einigermafsen g\u00fcnstigen Beobachtungs-Bedingungen durchzuf\u00fchren; daher habe ich f\u00fcr mich selbst, die Vp. mit dem schw\u00e4chsten Farbensinn, zun\u00e4chst eine brauchbare Feldgr\u00f6fse und Helligkeit ausprobiert, und dann das D\u00e4mmersehen dadurch praktisch ausgeschaltet, dafs wir im taghell erleuchteten Zimmer dicht am Fenster gearbeitet, und immer nur kurz in den Apparat hineingeblickt haben.\nBesonders hingewiesen sei auf die Intensit\u00e4tsregulierung der zu vergleichenden Gesichtsfeld - H\u00e4lften. Unterl\u00e4fst man diese Mafsnahme, so findet man bekanntlich, besonders an den Spektralenden, get\u00e4uscht durch den steilen Helligkeitsabfall, eine zu gute Empfindlichkeit. Aufserdem habe ich die grofsen Helligkeitsdifferenzen zwischen den verschiedenen Spektralgebieten durch \u00c4nderung der Spaltbreiten in beiden Kollimatoren einigermafsen auszugleichen gesucht, und bei Helligkeiten gearbeitet, die Beleuchtungen zwischen etwa 5 und 20 Lux auf Weifs bei Betrachtung mit nat\u00fcrlicher Pupille entsprachen.\nDas Ergebnis der vergleichenden Beobachtungen ist zahlen-m\u00e4fsig in der Tab. 1 wiedergegeben. Der erste Stab bedeutet die Wellenl\u00e4nge der untersuchten Spektralgegend in der zweite\n1 J. v. Kries, Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 50, 151. 1918.\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nCarl Rosencrantz\nden spektralen Ort der Wellenl\u00e4ngen; die St\u00e4be 3\u20145 geben die Wellenl\u00e4ngendifferenzen in \\i\\i an, die bei unseren drei Farbensystemen f\u00fcr einen ebenmerklichen Farbenunterschied gefunden wurden. \u2014 In der Abb. 3 sind unsere ebenmerklichen Unterschiede als Ordinaten \u00fcber dem Spektrum als Abszisse graphisch aufgetragen. Wo in der Tabelle die Wellenl\u00e4ngenzahlen f\u00fcr die ebenmerklichen Unterschiede und in der Figur die Kurven durch ein Minimum gehen, ist die Unterschiedsempfindlichkeit (U.-E.) ein Maximum und umgekehrt.\nTabelle 1\nDie ebenmerklichen Farbenunterschiede\nSpektraler Ort (Kollimator IV)\t\t\tEbenmerklicher Farbenunterschied bei Wellenl\u00e4ngenabst\u00e4nden in /i/i\t\t\nWellenl\u00e4nge in fifi\tSkalenteil der Mikrometerschraube IV\t\tRosenckantz rotanomal (extremer Grad)\tStolp rotanomal (mittlerer Grad)\tvom Hofe normaler Trichromat\n620\t. 2681\t\t11,5\t11\t3,5\n610\t2632\t\t10\t9\t\u2014\n600\t2586\t\t11,5\t8\t1,5\n590\t2537\t\t!\t14\t7,5\t\u2014\n580\t2490\t\t16\t7\t1\n570\t2434\t\t17\t7,5\t\u2014\n560\t2376\t\t17\t9\t1,3\n550\t2315\t\t16\t10\t2\n540\t2245\t\t13\t12\t2,5\n530\t2173\t\t7,5\t13\t3,5\n520\t2091\t\t5,5\t11,5\t3,5\n510\t2005\t\t4,5\t9\t3\n500\t1919\t\t3,2\t7\t2\n490\t1829\t\t4\t5,5\t0,5\n480\t1721\t\t5,5\t4\t1\n470\t1616\t\t7\t6,5\t2,5\nEin Blick auf die Abb. 3 zeigt, dafs der Verlauf unserer Kurven, trotz aller Verschiedenheiten im einzelnen, doch gewisse \u00c4hnlichkeit besitzt: ein Kurvenminimum liegt im langwelligen Spektralteil bei Gelb bzw. Orange, ein zweites im kurzwelligen bei Blaugr\u00fcn, dazwischen liegt bei Gelbgr\u00fcn ein Kurvenmaximum. Das entspricht also in grofsen Z\u00fcgen dem stets am JNormalen","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne bei anomalen Trichromaten 21\nerhobenen Befund: je ein Maximum der U.-E. in der lang- und kurzwelligen Spektralh\u00e4lfte, zwischen denen ein Minimum liegt.\nNun haben neuerdings Laurens und Hamilton 1 wahrscheinlich gemacht, dafs die zuweilen beim Normalen beobachteten zwei weiteren sekund\u00e4ren Maxima der U.-E. im Orange (630 und Blau-Violett (440 w) auch auf Farbendifferenzen zur\u00fcckzuf\u00fchren sind. Da es sich jedoch bald herausstellte, dafs es mir keinesfalls m\u00f6glich sein w\u00fcrde, solche etwa vorhandenen feineren Details meiner Kurve mit Sicherheit festzustellen, habe ich auch bei den beiden anderen Vpn. meine Aufmerksamkeit auf die zwei Haupt-maxima der U.-E. im Gelb und Blaugr\u00fcn beschr\u00e4nkt und die\nFF\n620 10 600 90 80 70 60 550 H0 30 20 10 500 90 80\nAbbildung 3\nDie ebenmerklichen Farbenunterschiede im Spektrum\n___________ Rosencrantz, Protanomaler extremen Grades,\n.......... Stolp, Protanomaler mittleren Grades,\n----------yom Hofe, normaler Trichromat,\nProtanop nach Herrn Dr. Stolps Versuchen\nBeobachtungen nicht weiter gegen die Spektralenden hin ausgedehnt. Bei den Versuchen mit dem normalen Trichromaten war es mir haupts\u00e4chlich darum zu tun, die am gleichen Apparat und unter denselben Beobachtungsbedingungen gewonnenen Werte als Anhalt f\u00fcr einen Vergleich zu haben; die Genauigkeit ist deshalb hier in den Bruchteilen von einem nicht weiter getrieben, als diesem Zweck entsprach.\nIm einzelnen weichen unsere drei Kurven erheblich, besonders stark im langwelligen Spektralteil voneinander ab. Meine Kurve\n1 M. Laurens und W. F. Hamilton, Americ. Journ. of Fhysiol. 65, 547. 1923.","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nCarl Rosencrantz\nliegt hier am h\u00f6chsten, dann kommt der Rotanomale mittleren\nGrades und in weiterem Abstand der Normale, d. h. meine U.-E.\n\u2022 \u2022\nist hier vergleichsweise am schlechtesten. Uber meine Kurve ist zun\u00e4chst zu bemerken, dafs sie sich im Lauf der Beobachtungen ver\u00e4ndert hat, im Sinne der allm\u00e4hlichen Verfeinerung meines UnterscheidungsVerm\u00f6gens. Sie hatte zwar immer ungef\u00e4hr dieselbe Gestalt mit je einem Minimum etwa bei 600 und 500 [ifi und einem Maximum etwa bei 570 hat sich aber von oben nach unten verschoben. Die hier von mir wiedergegebene Beobachtungsreihe stammt aus der letzten Zeit meiner Versuche. Ob meine Kurve sich bei weiteren Versuchen nicht noch etwas weiter nach abw\u00e4rts verschoben haben w\u00fcrde, m\u00f6chte ich nicht in Abrede stellen.\nDie Kurven des Normalen und mittleren Rotanomalen unterscheiden sich bez\u00fcglich der spektralen Lage der Maxima und Minima kaum und haben nahezu den gleichen Verlauf \u00fcber dem Spektrum, nur besitzt der Rotanomale mittleren Grades in allen Spektralgebieten eine schlechtere Unterscheidungsf\u00e4higkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne; er braucht durchweg etwa 5\u201410 mal so grofse Wellenl\u00e4ngenabst\u00e4nde wie der Normale, um eben einen Farbenunterschied zu bemerken.\nBei mir ist dagegen der ganze Verlauf der Kurve ver\u00e4ndert. Mein langwelliges Kurvenminimum und mein Kurvenmaximum sind betr\u00e4chtlich gegen das langwellige Spektralende hin verschoben (610 anstatt 580 bzw. 575 anstatt 530 [ip). Im r\u00f6tlichen Orange stimme ich noch ziemlich mit dem Rotanomalen mittleren Grades \u00fcberein; gegen Gelb hin wird dann aber meine U.-E. schnell schlechter, w\u00e4hrend die der anderen sich bessert ; und in der Gegend des Gelb und gr\u00fcnlichen Gelb, in der die U.-E. der anderen ann\u00e4hernd ihr langwelliges Optimum hat, ist die meinige ganz besonders schlecht, so dafs ich auf weite Strecken hin (16\u201417 ufx) \u00fcberhaupt keine Farben\u00e4nderung bemerke.\nBesonders auffallend ist weiter bei meiner Kurve der steile Abfall von 550\u2014500 ix\\i. Er zeigt eine rasche Zunahme meiner U.-E. in den Teilen des Spektrums an, die f\u00fcr den Normalen von Gr\u00fcn durch Bl\u00e4ulichgr\u00fcn nach dem gr\u00fcnlichen Blau hin\u00fcbergehen. Hier \u00fcbertrifft meine U.-E. die des mittleren Protanomalen und n\u00e4hert sich der des Normalen. Gegen das kurzwellige Spektralende nimmt dann bei uns allen die U.-E. in der bekannten Weise wieder ab, wobei die drei Optima an etwas verschiedenen","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne bei anomalen Trichromaten 23\nPunkten zwischen 500 und 480 UU liegen. \u2014 Dafs meine relativ gute U.-E. im Blaugr\u00fcn mit einer besonderen Eigent\u00fcmlichkeit meines Farbensystems zusammenh\u00e4ngt, zeigte sich bei weiteren Versuchen, \u00fcber die im n\u00e4chsten Abschnitt berichtet werden soll.\nF\u00fcr die spektrale U.-E. der hier untersuchten Protanomalen l\u00e4fst sich danach wohl folgendes als charakteristisch anf\u00fchren: bei dem Protanomalen mittleren Grades ist die Unterscheidungsf\u00e4higkeit im Bereich des ganzen Spektrums gegen\u00fcber dem Normalen herabgesetzt, ohne dafs ein bestimmter Spektralbezirk als ganz besonders benachteiligt auffiele. Der Extrem-Protanomale hat dagegen solche ausgezeichneten Spektralbereiche, und zwar ist sein Unterscheidungsverm\u00f6gen im Gelb und gelblichen Gr\u00fcn besonders schlecht, daf\u00fcr im Blaugr\u00fcn so wesentlich besser, dafs es sich hier dem des Normalen n\u00e4hert.\nWie aus dem n\u00e4chsten Abschnitt hervorgeht, spricht manches daf\u00fcr, dafs es sich hier um zwei Formen aus einer stetigen \u00dcbergangsreihe zwischen Normalen und Protanopen handelt, ehe das jedoch mit Sicherheit gesagt werden kann, m\u00fcfsten noch weitere Zwischenformen daraufhin untersucht werden.\n3. \u00dcber Beziehungen der Protanomalen\nzu den Protanopen\nDie Versuche \u00fcber das Farbenunterscheidungsverm\u00f6gen sind noch nach verschiedenen Richtungen hin durch Untersuchungsreihen erweitert, die teils von Herrn Prof. Kohlkausch und mir, teils von Herrn Dr. Stolp angestellt wurden. \u00dcber die Ergebnisse m\u00f6chte ich hier vorweg berichten ; ausf\u00fchrlich sollen sie an anderer Stelle mitgeteilt werden.\nDer steile Abfall meiner Unterschiedsschwellenkurve (Abb. 3) im Bereich von 550\u2014500 ut* erinnert an den Verlauf der entsprechenden Kurve bei Dichromaten, die von beiden Seiten her steil bis zu ihrem Minimum bei etwa 500 UU absinkt. ^Um zu entscheiden, ob es sich hier etwa nur um eine \u00e4ufserliche \u00c4hnlichkeit handelte, hat Herr Dr. Stolp unter den von mir eingehaltenen Bedingungen und an dem gleichen NAOELschen Apparat noch die U.-E. eines Protanopen f\u00fcr Wellenl\u00e4ngen untersucht. Er fand, dafs dessen Kurve in der kurzwelligen Spektralh\u00e4lfte bis hinauf zu 540 ufj, (Mittelstrecke des Protanopen) fast genau mit der meinigen zusammenfiel; erst von da ab begann die Abweichung zwischen uns, insofern als ich auch in der langwelligen Spektral-","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nCarl Rosencrantz\nh\u00e4lfte die Lichter noch nach ihrem Farbenton unterscheiden kann, was dem Protanopen in seiner Endstrecke nicht mehr m\u00f6glich ist. Die stehenden Kreuze in Abb. 3 bezeichnen die Werte des Protanopen.\nDiese Identit\u00e4t unseres Kurvenverlaufes in der kurzwelligen Spektralh\u00e4lfte ist nicht etwa Zufall, sondern h\u00e4ngt damit zusammen, dafs ich mich hier wie ein Protanop verhalte : denn die Eichung meines Farbensystems, die Herr Prof. Kohleausch und ich am HELMHOLTZschen Farbenmischapparat durchf\u00fchrten, hat ergeben, dafs ich bei 499,0\u2014499,5 pp, an der Stelle meines Kurvenminimums imBlaugr\u00fcn, einen scharf begrenzten neutralen Punkt besitze, dessen Farbe mir der des weifsen Wolkenlichtes gleich erscheint.\nWir haben durch eine Reihe von Kontrollen sicher gestellt,\ndafs es sich dabei um einen echten Neutralpunkt handelt und\nnicht etwa nur, \u2014 wie bei Anomalen hinl\u00e4nglich bekannt \u2014, um\n\u2022 \u2022\neine gewisse \u00c4hnlichkeit der Lichter, die lediglich unter ung\u00fcnstigen Bedingungen als Gleichheit erscheint. Gegen letztere Eventualit\u00e4t sprach schon die scharfe Begrenzung der neutralen Stelle; denn bei einer kleinen Verschiebung der Wellenl\u00e4nge auf 500 bzw. 498,5 pp konnte ich eine Gleichung mit weifsem Wolkenlicht auch im unwissentlichen Verfahren schon nicht mehr als ganz genau g\u00fcltig anerkennen. Diese an mir sonst ungewohnte Sicherheit meiner Einstellung stimmte gut mit meiner Unterschiedsschwelle f\u00fcr Wellenl\u00e4ngen \u00fcberein, die sich unter den Beobachtungsbedingungen am Helmholtz-Apparat bei 500 pp zu etwa 1 pp ergab.1 \u2014 Ferner haben wir aufser der Wellenl\u00e4nge des mit dem Weifs zu vergleichenden Spektrallichts noch die Feldhelligkeit, die Feldgr\u00f6fse und die Fixationsdauer systematisch variiert, wobei sich herausstellte, dafs ich auch unter den g\u00fcnstigsten Beobachtungsbedingungen regelm\u00e4fsig den schmalen Bezirk bei 499,0\u2014499,5 pp, und nur diesen, als genau mit dem Wolkenlicht \u00fcbereinstimmend einstellte. \u2014 Der von Herrn Dr. Stolp untersuchte Protanop und ich hatten hier etwa dieselbe Sicherheit des Urteils ; sein neutraler Punkt lag zwischen 500 und 501 pp.\n1 Bei uns allen war am Helmholtz - Apparat die U.-E. im Blaugr\u00fcn h\u00f6her als am NAGEL-Apparat, wahrscheinlich weil sich an ersterem mit 100-Watt-Nitralampen in dieser Spektralgegend eine h\u00f6here Feldhelligkeit bei gleicher Reinheit der Lichter erzielen liefs.","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"TJnterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne bei anomalen Trichromaten 25\nEs kann danach kaum einem Zweifel unterliegen, dafs sich bei mir, genau wie bei einem Dichromaten ein echter Neutralpunkt an der Stelle im Spektrum befindet, die mit dem Orte gr\u00f6fster U.-E. zusammenf\u00e4llt.* 1 Ebenso sicher ist, dafs Herr Dr. Stolp, der Protanomale mittleren Grades, keinen Neutralpunkt besitzt : Wir haben unter mannigfacher Variation der Bedingungen einen breiten Bezirk des kurzwelligen Spektrums systematisch danach abgesucht, aber keine Stelle gefunden, die f\u00fcr ihn trotz Intensit\u00e4tsregulierung auch nur eine \u00c4hnlichkeit mit weifsem Licht bekam. Er unterschied immer mit Sicherheit Gr\u00fcn, Blaugr\u00fcn oder Blau von Weifs. Auch der Einwand, dafs er wegen des gesteigerten Kontrastes (Weifs neben Gr\u00fcn oder Blaugr\u00fcn =Rot) eine Gleichung nicht einzustellen vermag, kann nicht geltend gemacht werden. Denn einmal ist sein Kontrast gegen\u00fcber der Norm \u00fcberhaupt kaum gesteigert: er bezeichnete z. B. meine Neutralpunktsgleichung wie jeder Normale als \u201eBlaugr\u00fcn neben ganz leicht rosa get\u00f6ntem Weifs\u201c; und aufserdem fand er auch ohne Vergleichslicht keine dem farblosen Licht \u00e4hnliche Stelle im Spektrum.\nDaraus geht hervor, dafs ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Protanomalen mittleren und dem extremen Grades sich in der kurzwelligen Spektralh\u00e4lfte zeigt, wo ersterer sich \u00e4hnlich einem Normalen verh\u00e4lt, w\u00e4hrend letzterer hier auch unter g\u00fcnstigen Bedingungen von einem Protanopen nicht zu unterscheiden ist.\nDiese \u00c4hnlichkeit meines Farbensystems mit einem dichro-matischen erm\u00f6glichte es, mein Spektrum mit nur drei Lichtern, 660, 550 und 450 zu eichen. Bei Trichromaten gelingt das bekanntlich leicht in der langwelligen Spektralh\u00e4lfte, st\u00f6fst aber in der kurzwelligen auf Schwierigkeiten, da Mischungen aus 550 und 450 [i[i erheblich unges\u00e4ttigter aussehen, als die dazwischen liegenden reinen Lichter. Bei mir liefs sich die Eichung gerade in der kurzwelligen Spektralh\u00e4lfte so einfach und sicher durchf\u00fchren wie in der Mittelstrecke eines Dichromaten, denn meine gute U.-E. erm\u00f6glichte hier ganz scharfe\n1 Mit diesem scharfen Neutralpunkt im Blaugr\u00fcn hat das, was A. Gutt-mann {Zeitschr. f. Sinnesphysiol, 43, 255 ff. 1908) und F. Schumann (Ber. \u00fc. d,\nI. Kongrefs f. exper. Psychol. Leipzig, J. A. Barth, 1904) an sich selbst als \u201eneutrale Stelle\u201c beschreiben, nichts zu tun ; denn letztere umfafst eine breite Spektralzone im reinen Gr\u00fcn, der Umgebung der Thallium-Linie, die isoliert dargeboten, ihnen wenig oder gar nicht farbig erschien.","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nCarl Rosencrantz\nEinstellungen der Gleichungen. Dagegen war in einem Teil der langwelligen Spektralh\u00e4lfte das Mischungsverh\u00e4ltnis nicht eindeutig bestimmt, sondern lag zwischen zwei Extremen, deren Abstand dem Grade meiner Unterschiedsempfindlichkeit entsprach.\nSchliefslich m\u00f6chte ich noch das Ergebnis von Versuchen mitteilen, die Herr Dr. Stolp \u00fcber die spektrale Helligkeitsverteilung angestellt hat. Er untersuchte sie im Vergleich zu einem normalen Trichromaten bei sich selbst, bei mir und dem schon erw\u00e4hnten Protanopen mit der Flimmermethode am Helm-HOLTzschen Farbenmischapparat. Bekanntlich ist die Helligkeitsverteilung bei den Protanomalen und Protanopen gegen das kurzwellige Spektralende hin verschoben; jedoch zeigte sich in Stolps Versuchen, dafs die Blauw\u00e4rtsverschiebung bei den drei Systemen nicht den gleichen Grad erreichte: sie war am schw\u00e4chsten bei dem Protanomalen mittleren Grades, st\u00e4rker bei dem extremen Fall und am st\u00e4rksten bei dem Protanopen; der Abstand zwischen je zwei der Kurven betrug in der Gegend des Gipfels etwa 4\u20145 <<\u00ab. Danach k\u00f6nnte man versucht sein zu vermuten, die St\u00e4rke der Helligkeitsverschiebung h\u00e4nge in der Weise mit dem Grade der Anomalie zusammen, dafs beides durch die mehr oder minder eingreifende Alteration (Kurvenver\u00e4nderung) der Rotkomponente bedingt sei. Zun\u00e4chst ist jedoch noch Vorsicht geboten, da Helligkeitsverschiebungen von dem hier gefundenen Ausmafs sehr wohl auch durch Abweichungen in der Makulapigmentation zustande kommen k\u00f6nnen. Es sind hier im Institut zurzeit quantitative Untersuchungen \u00fcber die Eichwerte, die Flimmerwerte und die Makulapigmentation an m\u00f6glichst stark verschiedenen Systemen mit alterierter Rotempfindung im Gange, die die Kl\u00e4rung dieser Frage zum Ziele haben.\nZusammenfassung\nAn dem grofsen NAGELschen Farbenmischapparat, dessen Konstruktion beschrieben wird, sind unter den gleichen Bedingungen ein Normaler, ein Rotanomaler mittleren Grades und ein Extrem-Rotanomaler auf ihr Farbenunterscheidungsverm\u00f6gen untersucht; es ergibt sich:\n1. Bei dem Rotanomalen mittleren Grades ist die Unterscheidungsf\u00e4higkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne ziemlich gleichm\u00e4fsig im Bereich des ganzen Spektrums gegen\u00fcber der Norm herabgesetzt.","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne bei anomalen Trichromaten 27\n2.\tDer Extrem-Rotanomale hat dagegen ausgezeichnete Spektralbezirke, und zwar ist sein Unterscheidungsverm\u00f6gen im Gelb und Gelbgr\u00fcn besonders schlecht, daf\u00fcr im Blaugr\u00fcn fast so gut, wie das des Normalen.\nWeitere teils von Kohleausch und Rosenceantz, teils von Stolp am NAGELschen und HELMHOLTzschen Farbenmischapparat angestellte Untersuchungen ergaben:\n3.\tIn der kurzwelligen Spektralh\u00e4lfte bis hinauf zu 540 f\u00e4llt die Unterscheidungsf\u00e4higkeit dieses Extrem-Protanomalen fast genau mit der eines Protanopen (Mittelstrecke) zusammen; erst in der langwelligen H\u00e4lfte jenseits 540 wo der Protanop keine Farbent\u00f6ne mehr unterscheiden kann (Endstrecke), beginnt die Abweichung.\n4.\tWie der Protanop besitzt dieser Extrem-Anomale bei\n499,0\u2014499,5\tam Orte seiner gr\u00f6fsten U.-E., einen scharf be-\ngrenzten neutralen Punkt.\n5.\tEs sieht so aus, wie wenn mit dem Grade der Protanomalie die Blauw\u00e4rtsverschiebung der spektralen Helligkeitsverteilung zunehme.\nOb sich das tats\u00e4chlich so verh\u00e4lt und nicht etwa durch abweichende Makulaf\u00e4rbung vorget\u00e4uscht wurde, und ob aufser-dem die hier untersuchten F\u00e4lle zwei Formen aus einer stetigen \u00dcbergangsreihe zwischen Normalen und Protanopen darstellen, wird weiter untersucht.\nBei der Ausf\u00fchrung dieser Arbeit bin ich von Herrn Prof. A. Kohleausch beraten und unterst\u00fctzt; ihm und den Herren Dr. vom Hoee und Dr. Stolp, die sich mir bereitwilligst als Versuchspersonen zur Verf\u00fcgung gestellt haben, m\u00f6chte ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank aussprechen.","page":27}],"identifier":"lit36089","issued":"1927","language":"de","pages":"5-27","startpages":"5","title":"\u00dcber die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Farbent\u00f6ne bei anomalen Trichromaten","type":"Journal Article","volume":"58"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:45:20.320426+00:00"}

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