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{"created":"2022-01-31T16:45:36.308548+00:00","id":"lit36090","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Skramlik, Emil v. ","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 58: 28-31","fulltext":[{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\n(Aus dem physiologischen Institut der Universit\u00e4t Freiburg i. B.)\nZur Frage der Lokalisation von Schmerzempfindungen\nVon\nEmil v. Skramlik (Freiburg i. B.)\nIn zwei j\u00fcngst erschienenen Aufs\u00e4tzen wenden sich Kiesow 1 2 3 und Ponzo 2 gegen einige Bemerkungen in einer Arbeit von mir s sowie gegen die Ergebnisse einer Untersuchungsreihe, die B. Mayer4 5 durchgef\u00fchrt hatte. Es handelt sich im wesentlichen um die Bek\u00e4mpfung unserer Feststellung, dafs die Hautstellen, an denen ein Schmerzreiz gesetzt wird, schlechter lokalisiert werden, als diejenigen, an denen ein Tastreiz eingewirkt hat.\nPonzo, der unter der Leitung von Kiesow arbeitete, hatte n\u00e4mlich 19115 gerade das Gegenteil ermittelt. Nach seinen Befunden werden die Schmerzreizorte besser lokalisiert. Er erkl\u00e4rt seine Feststellung unter dem Gesichtspunkt der Zweckm\u00e4fsigkeit. Der Organismus sch\u00fctzt sich leichter gegen\u00fcber Sch\u00e4digungen, wenn er imstande ist, Schmerzreizstellen mit grofser Sicherheit ausfindig zu machen.\nNach Ponzos Ansicht beruht der Unterschied zwischen seinen und unseren Feststellungen haupts\u00e4chlich auf der Wahl der\n1\tKiesow, F., Zur Frage nach der Lokalisation der Hautempfindungen. Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 56, 322. 1925.\n2\tPonzo, M., Sulla localizzazione delle sensazioni tattili e dolorofiche. Arch. ital. di psicol. 4, 88. 1925.\n3\ty. Skramlik, E., \u00dcber die Lokalisation der Empfindungen bei den niederen Sinnen. Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 56, 69, 194.\n4\tMayer, B., Beitrag zur Lokalisation von Schmerzempfindungen. Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 56, 141. 1924.\n5\tPonzo, M., Recherches sur la localisation des sensations tactiles et dolorifiques. Arch. ital. de biol. 55, 1. 1911.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Lokalisation von Schmerzempfindungen\n29\nMethode zur Ermittlung des Reizortes. Dadurch, dafs wir den vermeintlichen Reizort nur zeigen liefsen, h\u00e4tten wir nach dem Verfahren von Volkmann gearbeitet, w\u00e4hrend er nach Webeb vorgegangen w\u00e4re, der den Reizort mittels einer geeigneten Vorrichtung suchen liefs. Wenn der Vp. gestattet ist, ihre erste Angabe zu revidieren und den urspr\u00fcnglichen Eindruck durch Erzeugung leichter Schmerzempfindungen mittels einer geeigneten Zeigevorrichtung zu vergleichen, werden nach seiner Ansicht die Lokalisationsfehler geringer.\nZur Kritik von Ponzos Arbeit aus dem Jahre 1911 m\u00f6chte ich erneut bemerken, dafs man mit Hilfe der zugespitzten Nadel, deren sich Ponzo und Kiesow als Reizmittel bedienten, nur in den seltensten F\u00e4llen eine reine Schmerzempfindung erzeugt. Sie ruft vielmehr zumeist einen psychischen Komplex hervor, der aus einer Druckempfindung besteht, an die sich in einem sehr kurzen Intervall eine Schmerzempfindung anschliefst. Auf diese Weise werden also nicht die Lokalisationsfehler bei reinen Schmerzreizen bestimmt. Weiter m\u00f6chte ich darauf hin weisen, dafs die von Ponzo gefundenen Unterschiede zwischen den Lokalisationsfehlern bei Druck- und Stichschmerzreizen zum grofsen Teil aufserordentlich gering sind. In 17 von 25 untersuchten Hautgegenden betragen sie nur 0,0\u20142,0 mm, was nat\u00fcrlich gar nichts besagt. Nur an 8 Hautpartien sind sie so ausgepr\u00e4gt, dafs man Ponzos Schlufs ziehen kann.\nEs ist m\u00fcfsig, mit Worten zu argumentieren, wer in der gegebenen Frage recht hat, wer unrecht. Deshalb habe ich Frl. Mayek veranlafst, das Problem erneut in Angriff zu nehmen, wobei uns die Mitwirkung eines sehr gewiegten Beobachters, des Herrn De. Steuohold, sehr zustatten kam. Bei diesen Untersuchungen, \u00fcber die in der folgenden Arbeit berichtet wird1, hat sich ganz unzweideutig herausgestellt, dafs die Lokalisationsfehler bei Schmerzreizen erheblich h\u00f6her sind als bei Druckreizen, ob man nach der Methode von Volkmann oder von Webeb vorgeht. Unsere fr\u00fcheren Feststellungen erfahren eine volle Best\u00e4tigung. Somit ist auch der Schlufs gerechtfertigt, den ich in einer fr\u00fcheren Abhandlung gezogen habe, als ich feststellen konnte, dafs die Raumschwellen des Schmerzsinns\n1 Mayer, B., \u00dcber die Ortsbestimmung von reinen Schmerzempfindungen. Zeit sehr. f. Sinncsphysiol. 58, S. 28. 1926.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nEmil v. Skramlik\nwesentlich h\u00f6her sind als die des Drncksinns; dafs n\u00e4mlich die Lokalisation eines Reizortes und die Unterscheidung zweier Reizorte beim Schmerzsinn wie bei den \u00fcbrigen Hautsinneswerkzeugen einander parallel gehen. Bei den Untersuchungen von Mayer hat sich aber auch die eigent\u00fcmliche Tatsache ergeben, dafs Reize, die zu einem psychischen Erfolg f\u00fchren, in welchem sich nacheinander Druck und Schmerz bemerkbar machen, besser lokalisiert werden als reine Druckreize. Das d\u00fcrfte der Grund sein, warum Ponzo bei seinen mittels einer Nadel erzeugten Stichschmerzreizen in vielen F\u00e4llen zu kleineren Lokalisationsfehlern kam als bei reinen Druckreizen.\nZuletzt m\u00f6chte ich noch auf einen Punkt eingehen, auf den Ponzo einen grofsen Wert legt. Nach seiner Ansicht ist in der besseren Lokalisation der Schmerzreize eine Schutzeinrichtung f\u00fcr den Organismus zu erblicken. Wenn das wirklich der Fall ist, so gilt das nur f\u00fcr die Empfindungskomplexe aus Druck und Schmerz, die allerdings im t\u00e4glichen Leben bei Verletzungen viel h\u00e4ufiger Vorkommen als reine Schmerzreize. F\u00fcr die letzteren trifft das sicher nicht zu. Dies lehren ganz einfache Beispiele aus dem t\u00e4glichen Leben. Jeder, der sich einmal durch Zufall einen ganz feinen Dorn in die Haut gestofsen hat, wird zugeben, wie schwer es ist, die Verletzungsstelle ausfindig zu machen. Wenn sich der Dorn nicht durch seine F\u00e4rbung von dem umgebenden Gewebe unterscheidet, so hat man auch bei Verwendung des Auges grofse Schwierigkeiten, seinen Sitz zu ermitteln. Man behilft sich bei seinem Aufsuchen meist so, dafs man so lange herumtastet, bis man auf die Stelle st\u00f6fst, bei deren Betasten der Schmerz am lebhaftesten ist. Man findet also die Reizstelle nur durch Verfolgung des Intensit\u00e4tsgef\u00e4lles, und nicht direkt, wie auf Grund von Ponzos Ansicht zu erwarten w\u00e4re.\nAuch d\u00fcrfte man \u2014 wenn Ponzo Recht h\u00e4tte \u2014 beim Suchen nicht jenen Irrt\u00fcmern verfallen, auf die ich an anderer Stelle aufmerksam gemacht habe.1 Jede Stelle der Haut, die eine oberfl\u00e4chliche Verf\u00e4rbung auf weist, wird n\u00e4mlich unter solchen Bedingungen als Reizort angesehen, auch wenn sie sonst ganz unversehrt ist. Diese irrt\u00fcmlichen Wahrnehmungen, die besonders auch bei der fehlerhaften Lokalisation von Zahnschmerzen\n1 y. Skramlik, E., \u00dcber irrt\u00fcmliche Wahrnehmungen. Ergebnisse der Physiol. 24, 648. 1925.","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der Lokalisation von Schmerzempfindungen\n31\neine grofse Rolle spielen, kommen durch Sinneswerkzeuge zustande, die denReizort nur unsicher zu bestimmen gestatten. Diese Erfahrungen best\u00e4tigen von neuem unsere Feststellung von den grofsen Lokalisationsfehlern bei reinen Schmerzreizen.\nAuf Grund dieser Beobachtungen, vor allem der Feststellungen der neuen Untersuchungsreihe l\u00e4fst sich nunmehr nicht bezweifeln, dafs reine Schmerzempfindungen erheblich schlechter lokalisiert werden als Druckempfindungen. Damit ist die Polemik f\u00fcr mich beendet.","page":31}],"identifier":"lit36090","issued":"1927","language":"de","pages":"28-31","startpages":"28","title":"Zur Frage der Lokalisation von Schmerzempfindungen","type":"Journal Article","volume":"58"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:45:36.308553+00:00"}