The Virtual Laboratory - Resources on Experimental Life Sciences
  • Upload
Log in Sign up

Open Access

Einige Bemerkungen über das sog. Punktschwanken: Erste Mitteilung

beta


JSON Export

{"created":"2022-01-31T13:51:31.963010+00:00","id":"lit36093","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Ziehen, Th.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 58: 59-72","fulltext":[{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"59\nEinige Bemerkungen \u00fcber das sog. Punktschwanken\nVon\nTh. Ziehen Erste Mitteilung\nTrotz ziemlich zahlreicher Untersuchungen ist eine befriedigende Aufkl\u00e4rung des von A. v. Humboldt, Schweizer, Charpentier u. a. beschriebenen sog. Punktschwankens, d. h. der Scheinbewegungen eines leuchtenden Punktes im sonst dunklen Gesichtsfeld noch nicht gelungen. Als sicher kann nur betrachtet werden, dafs die restlose Zur\u00fcckf\u00fchrung auf unwillk\u00fcrliche Augenbewegungen nicht m\u00f6glich ist. Namentlich die Untersuchungen von E. Marx 1 mit Hilfe der Nachbildmethode sind in dieser Beziehung beweisend. Sie ergaben, dafs unter 80 Beobachtungen 30 mal ganz genau fixiert wurde und in den anderen F\u00e4llen die gr\u00f6fste Abweichung der Fixation 30' nicht \u00fcberstieg und die mittlere Abweichung sowohl in horizontaler wie in vertikaler Richtung nie mehr als 10' betrug. Verf. nimmt aber doch mit Wahrscheinlichkeit an, dafs sehr kleine unwillk\u00fcrliche Augenbewegungen den Ausgangspunkt des Ph\u00e4nomens bilden. Er denkt sich, dafs diese sehr kleinen Abweichungen \u201edurch besondere (sei es reflektorisch, sei es willk\u00fcrlich zu nennende) Innervationsimpulse wieder korrigiert werden\u201c, und dafs, wenn jene Abweichungen und somit auch diese korrigierenden Impulse \u00fcberwiegend oder ausschliefslich in einem bestimmten Sinne statthaben, dadurch der Eindruck entsteht, dafs das Auge einem sich bewegenden Punkte folge. Bei absoluter Ruhe des Auges m\u00fcfsten also die autokinetischen Erscheinungen ausbleiben. M. versucht auch \u2014 allerdings in einer weniger befriedigenden Weise \u2014 die\n1 Zeitschr. f. Sinnesphys. 47, S. 91. 1918.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 58.\n5","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nTh. Ziehen\nTatsache zu erkl\u00e4ren, dafs das Punktschwanken nur unter den bekannten aufsergew\u00f6hnlichen Bedingungen eintritt.\nDiesem Erkl\u00e4rungsversuch von Marx steht vor allem die ExNERsche Theorie1 2 3 * * * * gegen\u00fcber. Exner geht davon aus, dafs unser Urteil \u00fcber die Richtung des Fixationspunktes zu unserem Kopf (Lage des Gesichtsfeldes bzw. Fixationspunktes im Blickfeld bei gegebener Kopf- und Rumpfstellung) ein sehr unsicheres ist, w\u00e4hrend die relative Lage der Objekte zum Fixationspunkt, also im Gesichtsfeld ausgezeichnet beurteilt wird. Er f\u00fcgt hierzu die weitere Tatsache, dafs eine r\u00e4umlich sehr beschr\u00e4nkte oder sehr schwache Netzhauterregung so wirkt, als breitete sich die Erregung auf die benachbarten Netzhautstellen oder auch auf die zugeordneten Nachbargebiete der Zentralorgane aus. Dies Ausbreitungsgebiet wird von E. als \u201eAktionskreis\u201c bezeichnet. Seine Existenz beruht nach E. auf der mangelhaften Lokalisation der Netzhauterregung. Diese \u201eMangelhaftigkeit der Lokalisation einer an der Grenze der Wahrnehmbarkeit stehenden Netzhauterregung\u201c soll sich nun auch darin zeigen, dafs \u201ewir dieselbe innerhalb ihres Aktionskreises in verschiedenen Zeiten an verschiedene Orte verlegen\u201c. Durch einen besonderen Versuch (a. a. O. S. 326) glaubt E. sich \u00fcberzeugt zu haben, dafs unwillk\u00fcrliche Augenbewegungen, an die Schweizer 2 schon 1858 gedacht hatte, nicht beteiligt sind. Nun ist aber E. selbst \u00fcberzeugt, dafs diese Erkl\u00e4rung f\u00fcr die sehr erheblichen Exkursionen des Lichtpunkts, die Charpentier, Aubert u. a. beobachtet haben8, nicht ausreicht, er gibt daher f\u00fcr diese eine andere Erkl\u00e4rung. Er nimmt an, dafs die Vp. bei Eintritt einer kleinen Scheinbewegung (in dem eben beschriebenen Sinne) die Blicklinie nicht bewegt, d. h. \u201edie subkortikalen Zentren in ihren Tonuszust\u00e4nden im Sinn der Fixation beharren\u201c, w\u00e4hrend \u201edas Sensorium bei seinem Interesse, das Objekt zu beobachten, den\n1\tZeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorg. 12, S. 313.\t1896.\n2\tSchweizers Arbeit kenne ich nur aus den Mitteilungen von Exner\nund von de Parville (Comptes rend. Acad. d. sc. 102, S. 1309.\t1886).\n3\tExner schl\u00e4gt vor, nur die kleinen Schwankungen innerhalb de\u00bb\nAktionskreises als Punktschwanken zu bezeichnen. Soviel ich sehe, hat\ndieser weder sachlich noch historisch gerechtfertigte Vorschlag wenig An-\nklang gefunden. Die Frage, ob die kleinen Schwankungen prinzipiell\nanders zu deuten sind als die grofsen, bzw. ob die kleinen den grofsen zu-\ngrunde liegen, ist noch nicht spruchreif.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber das sog. Punktschwanken\n61\nEindruck einer Bewegung desselben erh\u00e4lt\u201c. So kommt es, dafs wir bei dem Bestreben, den Punkt in der Fixation zu halten, ihm mit dem Blick zu folgen glauben, und alle diese vermeintlichen Blickbewegungen gewissermafsen aneinander f\u00fcgen, so dafs schliefslich die bekannten grofsen Exkursionen bis zu 20 und 30\u00b0 zustande kommen, wobei unser ganz unzul\u00e4ngliches Urteil \u00fcber die Blickrichtung bei Ausschlufs der Kontrolle durch anderweitige Netzhautbilder entscheidend mitwirkt.1\nDie Schw\u00e4che der ExxERschen Hypothese liegt darin, dafs das Ph\u00e4nomen durchaus nicht daran gebunden ist, dafs die Netzhauterregung \u201ean der Grenze der Wahrnehmbarkeit\u201c steht, und dafs die Beteiligung kleiner unwillk\u00fcrlicher Augenbewegungen ohne ausreichende Gr\u00fcnde \u2014 der S. 326 mitgeteilte Versuch reicht nicht aus \u2014 ausgeschlossen wird. Auch bleibt dunkel, worauf die wechselnden Verlegungen innerhalb des Aktionskreises beruhen. Im \u00fcbrigen hat sie mit der MARxschen Deutung gemein, dafs das Ph\u00e4nomen in seiner ausgepr\u00e4gten Gestalt hergeleitet wird aus einer Summation kleiner Schwankungen, die bei Exner auf Irradiationen innerhalb des Aktionskreises beruhen, also im sensiblen Funktionsbereich liegen, w\u00e4hrend sie von Marx auf unwillk\u00fcrliche Augenbewegungen bezogen werden; die Summation selbst entsteht nach Marx aus einem Korrektionsbed\u00fcrfnis gegen\u00fcber den kleinen Schwankungen, nach Exner aus dem Bed\u00fcrfnis der Erhaltung der Fixation, was wohl im wesentlichen auf dasselbe hinausl\u00e4uft. Sehr plausibel ist eine solche Summation von Korrektionsimpulsen nicht ; denn man sollte annehmen, dafs, wenn beispielsweise eine kleine nasalw\u00e4rts gerichtete Schwankung durch einen gegensinnigen Impuls korrigiert worden ist, dann neue kleine Schwankungen in anderer Richtung zu anderen Impulsen f\u00fchren, so dafs eine Gelegenheit zu erheblichen regelm\u00e4fsigen Summationen gar nicht gegeben ist.\nDiese Sachlage hat mich bewogen, selbst einige Versuche anzustellen, die vielleicht geeignet sind, den Tatbestand nach dieser und jener Richtung weiter aufzukl\u00e4ren. Einzelne Beobachtungen liegen schon viele Jahre zur\u00fcck.\nZun\u00e4chst habe ich mich wie Marx \u00fcberzeugt, dafs die groben Schwankungen, die auch bei mir zuweilen 20\u00b0 und mehr be-\n1 Vgl. auch Aubert, Arch. f. d. ges. Physiol. 40, S. 459. 1887, namentlich S. 473.\n5*","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nTh. Ziehen\ntragen, bei weitem nicht in ihrer vollen Ausdehnung auf unwillk\u00fcrliche Augenbewegungen zur\u00fcckgef\u00fchrt werden k\u00f6nnen. Ich habe zu diesem Zwecke verschiedene Wege eingeschlagen, \u00fcber die ich im folgenden zuerst berichte.\nVor allem habe ich den von Exnek angegebenen Versuch __ Fixation einer Nadelstich\u00f6ffnung innerhalb eines schwarz ausgef\u00fcllten Kreises von 1 cm Durchmesser auf weifsem Grund in schwach erhelltem Kaum * \u2014 wiederholt, aber ihn bald dahin abge\u00e4ndert, dafs ich statt des schwarzen Kreises ein schwarzes Quadrat verwendete. Da es sich bei dem Versuch darum handelt, festzustellen, ob die Schwankungen der Stich\u00f6ffnung und der schwarzen kleinen den Stich umgebenden Fl\u00e4che gleichsinnig erfolgen, so ist, um die Beobachtung zu erleichtern, die quadratische oder irgendeine eckige Figur sicher im allgemeinen vorzuziehen. Dabei ergab sich bei mir selbst im Widerspruch mit den Angaben Exnebs durchaus \u00fcberwiegend ein gleichsinniges grobes Schwanken des Punktes und der schwarzen Fl\u00e4che. Daneben f\u00fchrte allerdings ziemlich oft der Punkt auch kleine Bewegungen innerhalb der Fl\u00e4che aus. In diesem Befund stimmen auch alle meine Vpn. \u00fcberein, nur ist das \u00dcberwiegen der gleichsinnigen Schwankungen nicht immer gleich stark ausgesprochen. Es kann also das Ergebnis dieses Versuches nicht, wie Exner es tut, schlechthin gegen die Beteiligung von unwillk\u00fcrlichen Augenbewegungen ins Feld gef\u00fchrt werden; man wird vielmehr die M\u00f6glichkeit zugeben m\u00fcssen, dafs die groben gleichsinnigen Bewegungen von Punkt und Fl\u00e4che auf analogen groben unwillk\u00fcrlichen Augenbewegungen beruhen, und erst auf Grund anderer Versuche \u2014 der MARXschen und der unten zu berichtenden \u2014 diese M\u00f6glichkeit ausschliefsen. Andererseits wird man die kleinen isolierten, d. h. nicht auf die schwarze Fl\u00e4che \u00fcbergreifenden Schwankungen des Punktes innerhalb der schwarzen Fl\u00e4che allerdings mit Exner, gerade weil die schwarze I l\u00e2che an ihnen nicht teilnimmt, nicht auf Augenbewegungen zur\u00fcckf\u00fchren wollen. Ich gebe aber zu bedenken, dafs eine absolute Nichtbeteiligung der schwarzen Fl\u00e4che an diesen kleinen Exkursionen kaum mit Sicherheit festgestellt werden kann; man wird also vorsichtiger schliefsen, dafs das \"Wandern des Punkts innerhalb der Fl\u00e4che wenigstens zumTeil von unwillk\u00fcrlichen Augenbewegungen unabh\u00e4ngig sein k\u00f6nnte.\n1 Bez\u00fcglich der Einzelheiten verweise ich auf Exnebs Beschreibung.","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber das sog. Punktschwanken\n63\nWenn somit dieser ExNERsche Versuch nicht geeignet ist, eine endg\u00fcltige Entscheidung herbeizuf\u00fchren, so scheint mir dagegen der folgende Versuch mit grofser Sicherheit zu zeigen, dafs in der Tat \u2014 in \u00dcbereinstimmung mit dem Ergebnis der MABXschen Nachbild versuche \u2014 den groben Punktschwankungen unseres Ph\u00e4nomens entsprechend grobe unwillk\u00fcrliche Augenbewegungen nicht zugrunde liegen. Die Versuchsanordnung war folgende. In einem schwarzen, \u00fcberdies von schwarzem Tuch eingeh\u00fcllten Kasten befindet sich eine Gl\u00fchlampe (die Lichtst\u00e4rke wurde variiert). Die Vorderseite des Kastens, die der in bestimmter Entfernung (auch diese wurde bis zu einem Maximum von 5 Metern variiert) befindlichen Vp. zugekehrt ist,\nist offen und wird w\u00e4hrend des Versuchs durch einen schwarzen\n\u2022 \u2022\nPappvorhang, in dem sich eine kleine runde \u00d6ffnung von variiertem Durchmesser befindet, geschlossen.1 Zwischen Vp. und Vorhang wird eine schwarze Scheibe aufgestellt, die ebenfalls eine kreisrunde, aber gr\u00f6fsere \u00d6ffnung hat. Die Vp. stellt nun diese Scheibe so ein, dafs sie (Vp.) durch die \u00d6ffnung derselben, ungef\u00e4hr in ihrer Mitte den leuchtenden Punkt des Vorhangs sieht. Man kann dann leicht feststellen, dafs sehr oft Schwankungen des Lichtpunkts von einer Exkursionsweite ein-treten, die so grofs sind, dafs, wenn ihnen entsprechend grobe Augenbewegungen zugrunde l\u00e4gen, der Lichtpunkt v\u00f6llig verschwinden m\u00fcfste. Bei einiger \u00dcbung gelingt es die Fortdauer grofser Exkursionen des Lichtpunkts auch dann festzustellen, wenn die Scheibe relativ weit von der Vp. entfernt und ihre \u00d6ffnung relativ klein ist. Auf genauere Zahlenangaben kann ich an dieser Stelle verzichten, da die Ergebnisse nichts \u00fcber diejenigen der MARXschen Versuche hinausgehendes Neues lehren.\nEs lag ferner nahe, zum gleichen Zweck (d. h. zum Nachweis, dafs grobe Augenbewegungen nicht beteiligt sind) auch Hemianopiker heranzuziehen. Herr Prof. Clausen, dem ich f\u00fcr sein Entgegenkommen bestens danke, war so freundlich, mir 2 homonyme Hemianopiker mit keinem bzw. relativ geringem Intelligenzdefekt zur Verf\u00fcgung zu stellen. Nach den Gesichtsfeldaufnahmen von H. Koll. Clausen war bei dem einen Patienten das Makulagebiet in bekannter Weise v\u00f6llig ausgespart,\n1 Im \u00fcbrigen war die Versuchsanordnung die \u00fcbliche (Dunkelzimmer usw.). Alle Beobachtungen wurden sowohl doppel\u00e4ugig wie rechts-und links\u00e4ugig angestellt.","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nTh. Ziehen\nbei dem anderen scheint es auf dem einen (linken) Auge wenigstens zum Teil in den hemianopischen Defekt einbezogen. In beiden F\u00e4llen war die nicht von der Blindheit betroffene Gesichtsfeldh\u00e4lfte konzentrisch eingeengt, wie dies nach meinen Erfahrungen Regel ist; in dem einen Fall betrug die Ausdehnung der normalen Gesichtsfeldh\u00e4lfte horizontal auf dem linken Auge nur 40\u00b0, auf dem rechten ca. 25\u00b0. Begreiflicherweise erforderten die Versuche sehr viel Geduld, es gelang aber schliefslich doch mit Sicherheit nachzuweisen1, dafs zuweilen das Punktschwanken sich weit in die hemianopische Gesichtsfeldh\u00e4lfte hinein erstreckte. Ob es gelegentlich auch \u00fcber die Grenzen der erhaltenen, konzentrisch eingeengten Gesichtsfeldh\u00e4lfte hinausging, blieb mir zweifelhaft; doch schien es bei dem einen Pat. mit der starken konzentrischen Einengung nicht unwahrscheinlich. Jedenfalls w\u00fcrde es vom Standpunkt der Annahme, dafs die groben Schwankungen durch grobe unwillk\u00fcrliche Augenbewegungen zustande kommen, sehr schwer sein ihr \u00dcbergreifen auf das hemianopische Gebiet zu erkl\u00e4ren. Allerdings wird ein sicheres Urteil erst auf\n4\t_\nGrund der systematischen Untersuchung zahlreicher F\u00e4lle m\u00f6glich sein.\nWeiteren Aufschlufs suchte ich durch Untersuchungen von Patienten mit Augenmuskell\u00e4hmungen zu gewinnen. Besonders interessant w\u00e4ren F\u00e4lle einer vollst\u00e4ndigen und absoluten Ophthalmoplegia externa. Mir stand keiner zur Verf\u00fcgung, es w\u00e4re aber \u00e4ufserst w\u00fcnschenswert, wenn Ophthalmologen oder Neurologen solche allerdings sehr seltenen F\u00e4lle in bezug auf das Punktschwanken genau untersuchen w\u00fcrden. Ich mufste mich auf die genaue Pr\u00fcfung eines Falles von einseitiger L\u00e4hmung des Rectus superior beschr\u00e4nken, den mir ebenfalls Herr Prof. Clausen freundlichst zur Verf\u00fcgung stellte. Man sollte erwarten, dafs in einem solchen Falle, wenn grobe Augenbewegungen den groben Punktschwankungen zugrunde liegen, diese Schwankungen in bestimmten Richtungen wegfallen. Ich glaube mich \u00fcberzeugt zu haben, dafs dies nicht der Fall ist, lege aber selbstverst\u00e4ndlich auf eine Beobachtung keinen Wert und m\u00f6chte nur zu weiteren Untersuchungen in solchen F\u00e4llen anregen. Doppelbilder scheinen sich, wenn sie bei der\n1 Die Versuchsanordnung war die oben angegebene, nur fiel die Zwischenscbeibe fort.","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber das sog. Punktschwanken\n65\nprim\u00e4ren Fixation gefehlt haben, auch w\u00e4hrend des Schwankens nicht einzustellen; doch mufs auch dies an einer gr\u00f6fseren Zahl von Patienten nachgepr\u00fcft werden.\nViel wichtiger scheinen mir andere Beobachtungen, die zu einer positiven Aufkl\u00e4rung des Ph\u00e4nomens etwas beitragen k\u00f6nnen. An die Spitze m\u00f6chte ich die Beobachtung an leuchtenden Linien und gr\u00f6fseren leuchtenden Fl\u00e4chen1 stellen. Ich war sehr erstaunt, dafs der Versuch auch an solchen mit vielen Vpn. ausgezeichnet gelang. Ich selbst sehe z. B. noch bei einer Linienl\u00e4nge von 12 cm und mehr sehr starke Exkursionen. Bemerkenswert ist nun, dafs diese durchweg so stattfinden, dafs der Neigungswinkel der Linie zur Horizontalen bis auf sehr kleine ruckweise Abweichungen konstant bleibt. Nicht selten kommt es dabei zu welligen, schl\u00e4ngelnden Ausbuchtungen der Linie (auch von Bourdon beobachtet).2 Dafs, wie Bourdon von sich selbst berichtet, die Fixation des einen Endes der Linie, z. B. des oberen, das Zustandekommen des Ph\u00e4nomens beg\u00fcnstigt (und zwar bei oberer Fixation in der Richtung nach oben), ist mir zweifelhaft. Vom Standpunkt sowohl der MARxschen wie der ExNERschen Theorie h\u00e4tte man wohl zun\u00e4chst eine solche Konstanz nicht erwartet. Dasselbe ist auch sehr deutlich bei eckigen Leuchtfl\u00e4chen (Quadraten usw.) : Die groben Schwankungen vollziehen sich durchweg im Sinne einer Parallelverschiebung ohne erheblichere Drehung. Selbst bei gr\u00f6lseren Figurkomplexen und multiplen Punkten kann man dasselbe feststellen. Die kleinen Abweichungen, die man \u00f6fters sowohl bei Linien wie bei Figuren beobachtet, sind ganz unregelm\u00e4fsig und in ter individuell und hin und wieder auch i n t r a individuell verschieden. Verwendet man zwei leuchtende Punkte, so ist das Erhaltenbleiben der groben Gesamtorientierung besonders deutlich ; die ruckweisen Drehungoverschiebungen (Steigen des einen Punkts und Senkung des anderen, zuweilen auch nur ersteres oder nur letzteres) und die ruckweisen Ann\u00e4herungen und Entfernungen (voneinander) beschr\u00e4nken sich auf relativ sehr kleine Exkursionen. Nur bei einer k\u00fcrzlich untersuchten Vp. mit Nystagmus waren letztere (Ann\u00e4herungen und Entfernungen) erheblicher.\n1\tEinige Angaben finden sich, bei Bourdon, La perception visuelle de l\u2019espace, Paris 1902, S. 335, und bei Aubert, a. a. O., z. B. S. 477.\n2\tVgl. auch Schilder, Arch. f. d. ges. Psychol. 25, S. 36. 1912,","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nTh. Ziehen\nBehufs Erkl\u00e4rung des Ausbleibens grober Drehungen liegt es nahe, an das LiSTiNGsche Gesetz zu denken, doch sehe ich einstweilen keine M\u00f6glichkeit mit diesem \u2014 ohne weitere Hilfshypothesen \u2014 auszukommen. Eine schiefe Verzerrung recht-winklig-kreuzf\u00f6rmiger Figuren1 bei schr\u00e4ger Richtung des groben Schwankens habe ich nie beobachtet, \u00fcbrigens scheinen mir alle solche Erkl\u00e4rungen schon deshalb auszuscheiden, weil eben, wie vorher im Anschlufs an Marx ausgef\u00fchrt, grobe Augenbewegungen als Grundlage des Ph\u00e4nomens \u00fcberhaupt nicht in Betracht kommen. Terminologisch ergibt sich aus diesen Linien-und Figurenversuchen, dafs die Bezeichnung \u201ePunktschwanken\u201c wenig passend ist; man wird besser von Leuchtschwanken2 ' oder noch besser von H\u00fcMBOLDTscher T\u00e4uschung sprechen.\nEine grofse Reihe von Versuchen habe ich zur Ermittlung des Einflusses von willk\u00fcrlichen Augen- und Kopfbewegungen an gestellt. Exner gibt an, dafs bei Augenbewegungen das Schwanken v\u00f6llig aufh\u00f6rt. Ich habe mich hiervon nicht \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, sondern sehr bestimmt den Eindruck, dafs auch w\u00e4hrend einer Augenbewegung, die nicht allzu schnell ist, das Schwanken anh\u00e4lt, allerdings in stark vermindertem Grade. Von Kopf be wegungen gilt dasselbe. Besonders auff\u00e4llig ist die Wirkung eines raschen Kopfsch\u00fctteins : die Leuchtpunkte flattern dabei in gleichem Takt mit den Kopfbewegungen hin und her, setzen dabei aber ihre Schwankbewegung \u2014 wofern eine solche vorhanden war \u2014 in der Regel fort (vielleicht mit verminderter Schnelligkeit).\nIm Hinblick auf die MARxsche Erkl\u00e4rung habe ich versucht, ob sehr kleine willk\u00fcrliche Augenbewegungen in einer bestimmten Richtung ein Schwanken in dieser Richtung hervor-rufen. Das Ergebnis war negativ. Man wird aber vom Marx-schen Standpunkt einwenden k\u00f6nnen, dafs diese Bewegungen\n1\tVgl. z. B. W. W\u00fcndt, Grundz\u00fcge der physiologischen Psychologie. 6. Aufl., Bd. 2, S. 557 und Fig. 263. Die W\u00fcNDTsche Darstellung scheint mir \u00fcbrigens nicht einwandfrei.\n2\tGegen diese Bezeichnung k\u00f6nnte man anf\u00fchren, dafs auch ein schwarzer Punkt auf weifsem Grunde \u00e4hnliche Schwankungen ausf\u00fchrt. \u2014 Die Bezeichnung \u201eAutokinese\u201c (Aubert) wird am besten in einem weiteren Sinn gebraucht, so dafs sie alle Scheinbewegungen ruhender Objekte um-fafst. \u2014 J.n welchem Umfang sich die H\u00fcMBOLDTsche Beobachtung mit den sp\u00e4teren Experimentalbeobachtungen deckt, soll \u00fcbrigens dahingestellt bleiben.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber das sog. Punktschwanken\n67\nnicht klein genug sind und vielleicht gerade wegen ihrer Will* k\u00fcrlichkeit ohne Wirkung bleiben.\nRuhestellung der Augen in extremer Drehung nach oben oder unten oder nach einer Seite hebt das Ph\u00e4nomen nicht auf. Auch eine Abnahme der Exkursionsweite des Schwankens blieb zweifelhaft; eine Zunahme bei starker Senkung der Augenachsen schien ausnahmsweise vorzukommen. Hierauf beruht es vielleicht, dafs das Ph\u00e4nomen bei Bettlage sehr deutlich ist, wenn man, ohne den Kopf zu heben, ein Schl\u00fcsselloch in der T\u00fcr eines erleuchteten Nachbarzimmers fixiert. Im ganzen ist das Ph\u00e4nomen aber doch bei medianer Einstellung der Augen bei weitem am st\u00e4rksten ausgepr\u00e4gt. Sehr unsicher ist der Einflufs der Konvergenz. Die optimale Entfernung f\u00fcr das Zustandekommen des Ph\u00e4nomens scheint bei dem Emmetropen bei etwa 3 Meter zu liegen, die optimale Entfernung f\u00fcr maximale Exkursionsweiten des Ph\u00e4nomens bei etwa 3 Meter und mehr. Gerade in dieser Beziehung ist die Variabilit\u00e4t sehr grofs. Dafs bei extremen Augenstellungen Schwankungen in einer bestimmten Richtung (man k\u00f6nnte z. B. vermuten gegen die Medianebene hin) \u00fcberwiegen, vermochte ich nicht festzustellen. Von extremen Ruhestellungen des Kopfes gilt \u00c4hnliches.\nIm Anschlufs hieran schien es mir w\u00fcnschenswert, einige Patienten mit Nystagmus zu untersuchen. Ein Kranker, den Herr Prof. Clausen mir auf meine Bitte zu wies (Nystagmus horizontalis, Visus r und 1 5/35 ; Fundus: beiderseits Macula-Kolobom) zeigte das Ph\u00e4nomen, soweit ein Urteil m\u00f6glich war, nicht besonders lebhaft. Es verging auch bei ihm einige Zeit, bis es \u00fcberhaupt auf trat. Im weiteren Verlauf der Beobachtung fehlten auch Bewegungen nach oben nicht. Auff\u00e4llig war nur, dafs, wie oben bereits erw\u00e4hnt, zwei Leuchtpunkte sich ihm w\u00e4hrend des Schwankens einander oft sehr stark zu n\u00e4hern und wieder voneinander zu entfernen schienen. Suggestion war auch bei ihm zuweilen wirksam. Die Angaben zweier anderer Patienten mit Nystagmus rotatorius waren leider so unbestimmt und unsicher, dafs sie \u2014 wenigstens bei der einmaligen Untersuchung \u2014 nicht zu verwerten waren; es kam hinzu, dafs der Nystagmus sehr schwach war bzw. nur in den Endstellungen auftrat.\nIm indirekten Sehen sind die Schwankungen weniger ausgiebig, verschwinden aber nach Aussagen ge\u00fcbter Beobachter nicht. \u2014 Uber den Einflufs wechselnder Akkommodations-","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nTh. Ziehen\neinstellung bin ich bis jetzt noch nicht zu einem sicheren Ergebnis gekommen. Sehr bemerkenswert ist, dafs Schwankungen in der Tiefenlokalisation nicht vorzukommen scheinen.1 2\nSehr schwankend ist der Einflufs von Vorstellungen. Ich habe ihn nach drei Richtungen untersucht: 1. Vorstellung einer Bewegung des Leuchtpunktes in bestimmter Richtung,\n2.\tVorstellung einer Augen- oder Kopfbewegung oder auch einer Augen- und Kopfbewegung in bestimmter Richtung und 3. Versuch, willk\u00fcrlich eine Punktbewegung in bestimmter Richtung hervorzubringen. Der psychologische Tatbestand in 1. und 3. l\u00e4fst sich bemerkenswerterweise nicht scharf trennen. Bei 1. und\n3.\twar das Ergebnis \u00f6fter positiv, als es der Zufall bedingt, jedoch bei weitem nicht so oft, als es nach den Angaben Charpentiers 2 zu erwarten w\u00e4re. Die interindividuellen Unterschiede sind sehr grofs. Bei mir selbst ist der Einflufs meistens sehr gering. Welche psychologische Disposition einen positiven Einflufs beg\u00fcnstigt, konnte ich bisher nicht mit Sicherheit feststellen. Erm\u00fcdung der Retina und allgemeine geistige und k\u00f6rperliche Erm\u00fcdung sollen nach Boukdon 3 beg\u00fcnstigend wirken, doch ist dieser Einflufs nach meinen Beobachtungen keineswegs immer nachzuweisen. \u00dcbung, d. h. l\u00e4ngeres gewohnheits-m\u00e4fsiges Beobachten des Ph\u00e4nomens scheint oft g\u00fcnstig zu wirken, sowohl innerhalb einer Sitzung als auch von Sitzung zu\nSitzung.\nAuch der Einflufs unter 2. (Vorstellung von Augen- und Kopfbewegungen) l\u00e4fst sich von 1. und 3. in der Selbstbeobachtung nicht leicht trennen. Zuweilen, aber nicht oft ist ein positiver Einflufs unverkennbar.\nDer ung\u00fcnstige Einflufs der Lichtst\u00e4rke ist von Exner \u00fcbersch\u00e4tzt worden. Ich selbst beobachte das Ph\u00e4nomen bei den schw\u00e4chsten und st\u00e4rksten Gl\u00fchlampen fast mit derselben Leichtigkeit und mit derselben Exkursionsweite. Dafs die Anwesenheit anderer Leuchtpunkte das Ph\u00e4nomen nicht wesentlich\n1\tDies hat schon Charpentier in seiner 2. Mitteilung hervorgehoben (Compt. rend. Acad. d. sc. 102, S. 1464. 1886). \u2014 Neuerdings habe ich \u00fcbrigens\neine Ausnahme beobachtet.\n2\ta. a. O., S. 1156.\n8 a. a. O., S. 334; Carr (Psychol. Review 17, S. 42. 1910) hat bei starker Erm\u00fcdung Exkursionen bis zu 65\u00b0 beobachtet. Auf andere Beobachtungen Carrs komme ich in einer 2. Mitteilung zur\u00fcck.","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber das sog. Punktschwanken\n69\nst\u00f6rt, geht schon aus den obigen Angaben hervor. Ich habe es gelegentlich bei 8 und 10 Punkten beobachtet (\u201eLeuchtregen\u201c in den verschiedensten Richtungen).\nViel wesentlicher ist die Verdunklung des Hintergrunds. Wie weit die mit dieser Hand in Hand gehende Unabgeschlossenheit des Gesichtsfelds eine Rolle spielt, mufs einstweilen dahingestellt bleiben. Bekanntlich wird das Ph\u00e4nomen auch bei Fixation eines schwarzen Punktes bzw. einer kleinen schwarzen Fl\u00e4che auf weifsem Grund beobachtet, aber es tritt hier viel weniger regelm\u00e4fsig auf und zeigt in der Regel viel geringere Exkursionen.\nGr\u00f6fste Beachtung verdient die Frage, ob die Vp. nur die Empfindung der Objektbewegung hat oder auch die Empfindung (das \u201eGef\u00fchl\u201c), dafs sie den Schwankungen mit dem Auge folgt. Bei mir selbst ist in der Regel auch die letztere vorhanden. Man ist daher sehr erstaunt, wenn man bei pl\u00f6tzlicher Aufhellung des Dunkelzimmers feststellt, dafs die Augen unver\u00e4ndert die alte Blickrichtung beibehalten haben (vgl. Bourdon a. a. O.). Gelegentlich hatte ich z. B. die bestimmte Empfindung, der Leuchtpunkt m\u00fcsse bis zu einer Zimmerecke gelangt sein, und wunderte mich sehr, dafs bei pl\u00f6tzlicher Aufhellung keinerlei Augenbewegung erforderlich war, um das Loch des Vorhangs zu fixieren. Die Vorstellung der Augenbewegung und die Empfindungst\u00e4uschung gehen also im allgemeinen durchaus parallel.\nSchliefslich wird man auch fragen m\u00fcssen, ob die groben Schwankungen gewisse Richtungen bevorzugen. Ich wage in dieser Beziehung trotz der grofsen Zahl meiner Beobachtungen 1 kein bestimmtes Urteil. Sicher scheint mir nur, dafs grobe Schwankungen nach unten relativ selten sind. Auch sind ann\u00e4hernd horizontale Schwankungen wohl h\u00e4ufiger als ann\u00e4hernd vertikale. Schiefe Bewegungen nach rechts und links oben sind kaum seltener als ann\u00e4hernd horizontale.2\nBez\u00fcglich der theoretischen Sehlufsfolgerungen m\u00f6chte ich in dieser ersten Mitteilung gr\u00f6fste Zur\u00fcckhaltung beobachten.\n1\tEs liegen mir auch die Untersuchungsergebnisse einer Arbeit aus meinem psychologischen Seminar von Herrn Rudolph vor.\n2\tDafs, wie Charpentier (S. 1463) angibt, durch ein pl\u00f6tzliches die Aufmerksamkeit auf sich ziehendes Ger\u00e4usch das Schwanken in der Richtung des Ger\u00e4usches abgelenkt wird, kommt vor, aber keineswegs besonders h\u00e4ufig.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nTh. Ziehen\nSolange es nicht gelingt, fortlaufend auch kleine Augen-bewegungen in zuverl\u00e4ssiger Weise genau graphisch zu registrieren ^, fehlen sichere Anhaltspunkte f\u00fcr die Erkl\u00e4rung. \\ or-l\u00e4ufig wird man auf Grund der bisherigen Beobachtungen nur folgendes sagen k\u00f6nnen. Bei den groben Leuchtschwankungen handelt es sich um grobe Verlagerungen des Fixierpunktes und damit des Gesamtgesichtsfeldes mit Bezug auf unseren Gesamtk\u00f6rper, d. h. \u2014 erkenntnistheoretisch gesprochen \u2014 innerhalb eines Vorstellungsraumes, den wir auf Grund unserer kin\u00e4stheti-schen, optischen und taktilen Empfindungen konstruiert haben. Die Lokalisation des Fixierpunktes innerhalb dieses Raums beruht im wesentlichen auf dem Bewufstsein unserer Augenstellung, d. h. auf kin\u00e4sthetischen Empfindungen im Bereich der B ul bi.1 2 Es fragt sich also, wie bei dem in Rede stehenden Ph\u00e4nomen eine so erhebliche \u00c4nderung im Bewufstsein der Augenstellung zustande kommen kann. Da grobe wirkliche Augenbewegungen ausgeschlossen sind (Mabx u. a.), so hat man wohl nur die Wahl zwischen der Annahme kleiner unwillk\u00fcrlicher Augenbewegungen und der Annahme vorgestellter Augen- bzw. Punktbewegungen. Beide Annahmen decken sich teilweise, wenn man bei der zweiten erg\u00e4nzend hinzuf\u00fcgt, dafs die vorgestellten Augenbewegungen zu kleinen unwillk\u00fcrlichen Augenbewegungen Anlafs geben. Ob man sich die kleinen unwillk\u00fcrlichen Augenbewegungen als reflektorisch oder als Schwankungen denkt, welche unwillk\u00fcrlich3 die willk\u00fcrliche Fixation begleiten, scheint mir erst in zweiter Linie in Betracht zu kommen. Selbstverst\u00e4ndlich ist auch nicht ausgeschlossen, dafs das Schwanken bald im Sinn der ersten, bald im Sinn der zweiten Annahme entsteht.\nDie Annahme wirklicher kleiner unwillk\u00fcrlicher Augenbewegungen ist mit zwei Schwierigkeiten verkn\u00fcpft, die man in folgender Frage zusammenfassen kann: wie kommt es, dafs die sukzessiven kleinen Augenbewegungen sich nicht ausgleichen,\n1\tDie von Mabx und Trendelenburg angegebene Vorrichtung (diese Zeitschrift 45) stand mir leider nicht zur Verf\u00fcgung ; au\u00dferdem ist fraglich, ob\nsie bei unseren Versuchen anwendbar ist.\n2\tWie man sich das Zustandekommen dieser Empfindungen denkt,\nbleibt dabei offen.\n3\tKortikal oder infrakortikal. \u2014 Ich bemerke noch, dafs passive Verschiebungen des Auges bei ein\u00e4ugiger Betrachtung Scheinbewogungen hervorrufen, die yon denen des Ph\u00e4nomens weit verschieden sind.","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Einige Bemerkungen \u00fcber das sog. Punktschwanken\n71\nsondern eine sehr grobe fortgesetzte Schwankung in dieser oder jener Richtung zustande kommt? Da jene kleinen Bewegungen ihre Richtung vermutlich fortw\u00e4hrend unregelm\u00e4fsig wechseln (vgl. S. 61), kann von einer Summation im gew\u00f6hnlichen Sinne kaum die Rede sein (weder von einer Summation der unwillk\u00fcrlichen kleinen Bewegungen selbst noch von einer Summation der Korrektionsimpulse). Die bisherige Diskussion des Ph\u00e4nomens vom Standpunkt der ersten Annahme scheint mir diesen Bedenken nicht ausreichend Rechnung zu tragen. Warum \u2014 so kann man die Frage auch formulieren \u2014 beherrscht eine kleine Augenbewegung die ganze Richtung des Schwankens und erscheinen die nachfolgenden kleinen Bewegungen nur als superponierte kleine Zacken, die die Gesamtrichtung der groben Bewegung meistens nicht beeinflussen?\nAuch die Annahme vorgestellter Augen- bzw. Punktbewegungen st\u00f6fst auf manche Schwierigkeiten. Weshalb kommen uns meistens solche Vorstellungen gar nicht zum Bewufstsein? weshalb bleibt ihre Wirkung, wenn sie vorhanden sind, auch oft g\u00e4nzlich aus? Auch k\u00f6nnte man, wie schon Bourdon bemerkt hat, bei der Vorstellung einer Augenbewegung z. B. nach rechts gerade eine entgegengesetzte Scheinbewegung, also nach links erwarten. Die Erkl\u00e4rung, die Bourdon hierf\u00fcr gibt (a. a. 0., S. 341), ist nicht v\u00f6llig befriedigend. Die Summationsschwierigkeit f\u00e4llt bei der zweiten Annahme weg.\nIch m\u00f6chte vorl\u00e4ufig das Hauptgewicht auf die schon von Exner betonte, aber anders verwertete Tatsache legen, dafs die Empfindungen, die uns \u00fcber die Lage der Bulbi unterrichten, im allgemeinen h\u00f6chst ungenau sind. Der bekannte Nystagmus, der im Eisenbahnwagen bei dem Hinausschauen zum Fenster eintritt, kommt uns \u00fcberhaupt nicht zum Bewufstsein.1 Die Gesamtlage unseres Gesichtsfelds befindet sich daher gleichsam in sehr labilem Gleichgewicht, so dafs selbst eine wenig energische Vorstellung oder eine kleine willk\u00fcrliche oder unwillk\u00fcrliche Augenbewegung gen\u00fcgt, eine starke und anhaltende Verschiebung dieser Gesamtlokalisation herbeizuf\u00fchren. Handelt es sich um\n1 Man k\u00f6nnte einwenden, dafs die Empfindung der Bewegung der Augen mit der Fahrrichtung in der Scheinbewegung der Objekte enthalten ist; warum aber kommen uns die ruckweisen Bewegungen gegen die Fahrrichtung, durch welche das Auge immer wieder in die Prim\u00e4rstellung zur\u00fcckkehrt, nicht zum Bewufstsein ?","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nTh. Ziehen, Einige Bemerkungen \u00fcber das sog. Punktschwanken\neine kleine Augenbewegung, so nehme ich an, dafs diese sekund\u00e4r zur Vorstellung einer fortlaufenden (perseverierenden) Augen-bzw. Punktbewegung Anlafs gibt, so dafs die Erkl\u00e4rung aus\nSummationen \u00fcberfl\u00fcssig wird.\nAuch bez\u00fcglich der Frage, weshalb das Ph\u00e4nomen gerade unter den besonderen Versuchsbedingungen eintritt, gelange ich zu einer etwas abweichenden Auffassung, die ich einstweilen nur kurz formuliere.1 F\u00fcr Verlagerungen des Gesamtgesichtsfelds ist es sehr bezeichnend, dafs sie mit dem Auftauchen neuer Objekte an der einen Seite und dem Verschwinden bisher gesehener Objekte auf der anderen Seite der Gesichtsfeld p e r i p h e r i e verbunden sind. Wir haben an diesem Verhalten geradezu ein Merkzeichen, ob das Gesamtgesichtsfeld ruht oder nicht. Unter den Versuchsbedingungen des HuMBOLDTschen Ph\u00e4nomens (Leuchtpunkte usw. in Dunkelkammer, schwarzer Punkt auf grofser weifser Fl\u00e4che) sind in der Peripherie des Gesichtsfelds Gegenst\u00e4nde kaum sichtbar, das Gesichtsfeld verliert sich f\u00fcr unsere Vorstellung in ein unbestimmtes, unabgeschlossenes Dunkel. Damit f\u00e4llt ein wichtiges Beurteilungs- und Korrektionsmittel f\u00fcr die Lokalisation unseres Gesamtgesichtsfelds fort, und ich kann mir wohl denken, dafs das Ph\u00e4nomen in seiner ausgepr\u00e4gten Gestalt hierdurch wesentlich beg\u00fcnstigt, vielleicht sogar erst erm\u00f6glicht wird.\n1 In einer 2. Mitteilung hoffe ich hier\u00fcber und \u00fcber andere noch nicht abgeschlossene Versuche (Registrierung der Augenbewegungen) n\u00e4her zu berichten.","page":72}],"identifier":"lit36093","issued":"1927","language":"de","pages":"59-72","startpages":"59","title":"Einige Bemerkungen \u00fcber das sog. Punktschwanken: Erste Mitteilung","type":"Journal Article","volume":"58"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:51:31.963016+00:00"}

VL Library

Journal Article
Permalink (old)
http://vlp.uni-regensburg.de/library/journals.html?id=lit36093
Licence (for files):
Creative Commons Attribution-NonCommercial
cc-by-nc

Export

  • BibTeX
  • Dublin Core
  • JSON

Language:

© Universitätsbibliothek Regensburg | Imprint | Privacy policy | Contact | Icons by Font Awesome and Icons8 | Powered by Invenio & Zenodo