Open Access
{"created":"2022-01-31T16:45:48.944320+00:00","id":"lit36096","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Basler, A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 58: 88-94","fulltext":[{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\n(Aus dem Rassenbiologischen Institut T\u00fcbingen)\n\u00dcber die Abh\u00e4ngigkeit der Verschmelzungsfrequenz von der Dauer der zwischen Farbreizen liegenden\nPause bei Scheibenversuchen\nVon\nProfessor A. Baslek (Sun-Yat-Sen University Canton China)\nMit 2 Abbildungen\nWird die Haut an einer Stelle ber\u00fchrt, dann nehmen wir diese Ber\u00fchrung wahr, f\u00fchlen aber nichts mehr, wenn dieselbe auf geh\u00f6rt hat. Von dem unter bestimmten Bedingungen auftretenden Nachhalten der Empfindung sehe ich, weil das f\u00fcr den Zusammenhang der vorliegenden Untersuchung belanglos ist, ab. Die analoge Erscheinung l\u00e4fst sich auch f\u00fcr das Geh\u00f6r nach-weisen. Anders verh\u00e4lt sich der Gesichtssinn. Wird dem Auge im Hellen ein farbiges Objekt vorgelegt, etwa ein rotes Papier, dann sieht es die Farbe, solange sie vorhanden ist. Wird das Objekt entfernt, dann h\u00f6rt nicht, wie in den anderen Sinnesgebieten, jeder Reiz auf, sondern an seine Stelle tritt ein neuer andersartiger Reiz, n\u00e4mlich der des unter dem Papier liegenden Gegenstandes, also etwa der gelbe Anstrich der Tischplatte.\nAuch hier sehe ich wie beim Tastsinn von Nachwirkungen des roten Reizes, wie dem Abklingen der Erregung, negativen und positiven Nachbildern v\u00f6llig ab; ich spreche nur von dem objektiv, physikalisch vorhandenen Reiz, der in der spezifischen von einem Objekt ausgehenden Strahlung besteht. Diese Reize sind so kr\u00e4ftig, dafs sie, wie die Erfahrung lehrt, die erw\u00e4hnten subjektiven Empfindungen fast vollst\u00e4ndig \u00fcberdecken.\nZusammenfassend l\u00e4fst sich sagen: Mit dem Auge sehen wir im Hellen also unter normalen Bedingungen immer etwas. Ist","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Die Abh\u00e4ngigkeit- der Verschmelzungsfrequenz von der Dauer usw. 89\ndie gesehene Farbe nicht rot, dann ist sie eben gr\u00fcn, oder gelb oder weifs, aber eine Empfindung ist immer vorhanden. Mit dem Ohre dagegen h\u00f6ren wir entweder etwas, oder wir h\u00f6rep nichts.\nDieser Unterschied macht sich dann bemerkbar, wenn untersucht wird, wie rasch f\u00fcr ein Sinnesorgan ad\u00e4quate Reize einander folgen m\u00fcssen, damit eine Verschmelzung der Empfindungen auftritt. Intermittierende Schallreize von gleicher H\u00f6he werden als ein glatter Ton empfunden, wenn die zwischen ihnen liegende Pause unter einem bestimmten Wert bleibt.1\nIm Gebiete des Gesichtssinnes liegt der Fall anders. Helmholtz2 sagt: \u201e\u00dcbrigens hat Plateau schon bemerkt, dafs wenn man das Verh\u00e4ltnis zwischen der Breite der weifsen und der der schwarzen Sektoren ver\u00e4ndert, aber die Zahl der Sektoren konstant l\u00e4fst, die Umlaufszeit dieselbe ist, bei der der Eindruck gleich-\nm\u00e4fsig wird---------. Es ist also wohl besser, bei den Messungen\nnach der Gr\u00f6fse einer ganzen Periode der Beleuchtungs\u00e4nderung zu fragen, d. h. nach der Summe der Dauer des Vor\u00fcbergangs eines weifsen und schwarzen Sektors.\u201c\nBei Ausf\u00fchrung der im folgenden beschriebenen Versuche sollte es (wenigstens soweit dies m\u00f6glich) erreicht werden, dafs das auf Weifs folgende Schwarz, das auf Rot folgende Gr\u00fcn, das auf Gelb folgende Blau wirklich eine Pause darstellt und nicht einen gegenteiligen Reiz.\nMethodik.\nEin genau gehendes Uhrwerke besitzt eine horizontale Achse a, deren Tourenzahl sich innerhalb der Grenzen 3 und 35 variieren l\u00e4fst ; sie tr\u00e4gt eine mit farbigem Papier \u00fcberzogene Metallscheibe b, die immer das in Abb. 2 skizzierte Aussehen hatte; nur die Farben waren in den einzelnen Versuchsreihen verschieden. Die Scheibe ist durch einen konzentrischen Kreis k in 2 Bezirke geteilt, einen zentralen mit kleinen weifsen Sektoren und in eine Randzone mit grofsen weifsen Sektoren. Wird das mit der beschriebenen Scheibe armierte Uhrwerk in raschen Gang versetzt, dann sieht man nach den bekannten Mischungsgesetzen eine zentrale dunkle und eine periphere hellgraue Fl\u00e4che. Wird die\n1\tK. L. Sch\u00e4fer, Nagels Handb. d. Physiol., Bd. Ill, S. 476 (506). 1905.\n2\tH. v. Helmholtz, Handb. d. physiol. Optik. 3. Aufl. Bd. 2, S. 179. 1911.","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nA. Basler\nDrehungsgeschwindigkeit der Scheibe durch Verstellen des Uhrwerkes allm\u00e4hlich langsamer gemacht, dann tritt auch in beiden Feldern der Zustand des Flimmerns ann\u00e4hernd gleichzeitig auf.\nAbbildung 1\nVersucbsanordnung schematisch\nAbbildung\nw = weifser Teil der Scheibe s = schwarzer \u201e\t\u201e\t\u201e\nK = Kreis, der die Scheibe in einen zentralen und peripheren Bezirk teilt. Punktiert angedeutet:\n1\t= schwarzer Karton,\nund n = Ausschnitte darin. Sie sind um die Darstellung zu erleichtern, h\u00f6her gezeichnet als sie in Wirklichkeit sind, o = Br\u00fccke zwischen diesen Ausschnitten.\n2\nDas Ergebnis gestaltete sich aber anders, wenn die sogleich zu beschreibenden Nebenapparate zur Anwendung kamen. An einem vom Uhrwerk ausgehenden kr\u00e4ftigen Arm d befindet sich ein senkrecht stehender Rahmen e. In diesen l\u00e4fst sich ein schwarz \u00fcberklebtes Kartonblatt 1 von 6X6 cm Ur\u00f6fse schieben, das mit 2 nahe beisammenliegenden rechteckigen Ausschnitten m und n versehen ist. Diese Ausschnitte haben eine solche Lage, dafs die sie trennende Br\u00fccke o gerade die Trennungslinie k der Scheibe b deckt, wie es in der Abbildung 2 punktiert angedeutet ist. Etwa 1\u20142 cm von dem Rahmen e entfernt steht ein grofser schwarzer Schirm f mit einem quadratischen Loch von 3 cm","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Die Abh\u00e4ngigkeit der Verschmelzungsfrequenz von der Dauer ustv. 91\nSeitenl\u00e4nge. Die Projektion dieses Loches ist in Abb. 1 bei g angedentet. Der Schirm f wird so gestellt, dafs durch das Loch g nur der mittlere Teil des in dem Rahmen e steckenden schwarzen Kartonblattes 1 mit den beiden rechteckigen Ausschnitten m und n sichtbar wird.\nWird die ganze Anordnung so aufgestellt, dafs das volle Tageslicht auf die Fl\u00e4che f f\u00e4llt, dann sieht der durch das Auge h angedeutete Beobachter nur den schwarzen Schirm f und in dessen Ausschnitt g den ebenfalls schwarzen Karton 1. In den beiden rechteckigen L\u00f6chern m und n kommen die zwei Bezirke der Scheibe b zum Vorschein. Steht die Scheibe b so, dafs die schwarzen Sektoren hinter den Ausschnitten von 1 liegen, dann ist das ganze Gesichtsfeld schwarz. Dreht sich die Scheibe, werden je nachdem beide Ausschnitte hell oder nur der eine davon. Bei dieser Anordnung stellt der weifse Sektor den Reiz, der schwarze die Pause dar. Ebenso wurde eine Scheibe aus blauen und gelben Sektoren hergestellt, dann war der Karton e und der Schirm f mit dem gleichen blauen Papier \u00fcberklebt wie es zur Scheibe verwendet wurde. F\u00fcr eine rote und gr\u00fcne Scheibe wurde ein gr\u00fcner Schirm f und ein gr\u00fcnes Kartonst\u00fcck 1 f\u00fcr den Rahmen e verwendet.\nDie Versuche wurden so ausgef\u00fchrt, dafs die Vp. vor dem Schirm f Platz nahm und den Ausschnitt g ins Auge fafste. Der Versuchsleiter setzte die Scheiben, mit der langsamsten beginnend, in immer schnellere Bewegung. W\u00e4hrend dieser Zeit mufste die Vp. angeben, was sie sah. Mitunter wurde auch mit der schnellsten Bewegung angefangen, dann sah nat\u00fcrlich die Vp. beide Felder glatt, wurde jetzt der Lauf immer langsamer gemacht, dann trat \u2014 in den beiden Feldern nach verschiedener Zeit \u2014 \u201eFlimmern\u201c, dann \u201eFlackern\u201c auf.\nWichtig ist es, dafs der Schirm f, wie das leicht geschehen kann, nicht schwankt oder auch zitternde Bewegungen ausf\u00fchrt, dadurch wird die richtige Beurteilung erheblich erschwert.\nBeurteilung der Versuchsanordnung\nEs kann keine Rede davon sein, dafs durch diese Versuchsanordnung das auf Rot folgende Gr\u00fcn gar keine objektiv bedingte Empfindung ausl\u00f6st. Denn Gr\u00fcn nach Rot mufs immer als Reiz wirken. Der Gr\u00fcnreiz ist aber zweifellos in einer dauernd gr\u00fcnen\nZeitschrift f. Sinnesphysiol. 58.\t*","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\n.4. Basler\nUmgebung geringer als bei der gew\u00f6hnlichen Anordnung f\u00fcr Farbenmischungen, n\u00e4hert sich also mehr der \u201ePause\u201c. Aus dem gleichen Grunde kann auch von dem Schwarz der schwarzweifsen Scheibe und dem Blau der blaugelben nur erwartet werden, dafs es als Reiz zur\u00fccktritt, nicht aber, dafs es \u00fcberhaupt keinen Reiz darstellt.\nErgebnis\nDas Ergebnis der im Sommersemester 1926 ausgef\u00fchrten Untersuchungen bestand f\u00fcr alle Vpn. \u00fcbereinstimmmend darin, dafs die Randzone der Scheibe fr\u00fcher, d. h. bei kleinerer Periodenzahl, eine einheitliche Farbe bekam als der innere Bezirk.\nAls Beispiel einer meiner Versuche.\nFarbe\tPerioden- zahl\tEmpfindung\t\tBeleuch- tung\n\t\tZentrales Feld\tPeripheres Feld\t\nweifs- (\t36,1\tstarkes Flimmern\tglatt\theller\nschwarz \\\t51,1\tglatt\tglatt\tSonnentag\n\t36,1\tstarkes Flimmern\tgl\u00e4tter\t\ngfelb-\t1\t\t\t\t\no\t1\t40,9\tFlimmern\tglatt\t\nblau\t1\t\t\t\t\n\t61,4\tglatt\tglatt\t\nrot-\t(\t47,2\tglatt\tglatt\t\ngr\u00fcn\t\\\t36,1\tFlimmern\tglatt\ti i i\n1\t6,14\tFlackern\tFlimmern\t\ngelb- |\t\t1 | .\t\tRegen-\n\t12,3\tFlimmern\tnahezu glatt\t\nblau\t;\t\t\t\twetter\n{\t25,6\tglatt\tglatt\t\nDie Angaben von zahlreichen meist unbefangenen Vpn. waren unter den gegebenen Bedingungen so \u00fcbereinstimmend, dafs an ihrer Richtigkeit wohl nicht gezweifelt werden kann. Wie ich sie deute, geht aus meinen einleitenden Bemerkungen hervor. Mit R\u00fccksicht auf andere Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeiten sei an die schon lange beobachtete Abh\u00e4ngigkeit der Verschmelzungsfrequenz von der Gesamthelligkeit der aus der Mischung resultierenden Farbe1, von der Gr\u00f6fse des Gesichtsfeldes2, von der\n1\tE. G. Baader, \u00dcber die Empfindlichkeit des Auges f\u00fcr Lichtwechsel. Diss. Freiburg 1891. S. 29.\n2\tE. G. Baader a. a. O. S. 34.","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Die Abh\u00e4ngigkeit der Verschmelzungsfrequenz von der Dauer usw. 93\nBeleuchtung und dem Adaptationszustand1 des Auges erinnert Die zuletzt genannten Momente d\u00fcrften schwerlich eine Rolle spielen, denn f\u00fcr die beiden Ausschnitte, hinter denen die Farbenmischung zustandekommt, ist die Gr\u00f6fse des Gesichtsfeldes, die Beleuchtungsintensit\u00e4t und der Adaptationszustand des Auges gleich. Verschieden ist nur die resultierende Helligkeit. Die \u00e4ufsere Zone der beschriebenen Scheibe (vgl. Abb. 2) wird bei der Mischung heller als das zentrale Feld.\nAber die Vergr\u00f6fserung der Helligkeit wirkt ja gerade in entgegengesetztem Sinn; k\u00e4me bei den erw\u00e4hnten Versuchen nur die resultierende Helligkeit in Frage, dann m\u00fcfste ja der Scheibenteil mit den kleinen schwarzen und grofsen weifsen Sektoren erst bei gr\u00f6fserer Perioden zahl verschmelzen; unter den von mir benutzten Bedingungen findet aber die Verschmelzung der hellen Zone leichter statt.\nBei den beschriebenen Versuchen bestand insofern eine Verschiedenheit f\u00fcr die beiden Felder als f\u00fcr die grofsen weifsen Sektoren der \u00dcbergang von Reiz zu Pause und von Pause zu Reiz schneller erfolgte. Denn diese Sektoren waren in der peripheren Zone meiner Scheiben angebracht, weshalb sich die Grenzlinie zwischen den beiden Fl\u00e4chen mit gr\u00f6fserer linearer Geschwindigkeit bewegte. Deshalb stellte ich auch Scheiben her, bei denen die kleinen, weifsen, roten und gelben Sektoren in den peripheren, die grofsen Sektoren der genannten Farben in dem zentralen Feld enthalten waren. Auch die mit solchen Scheiben ausgef\u00fchrten Versuche hatten das gleiche Ergebnis.\nBisher war die Anordnung immmer so getroffen, dafs die weifsen, roten, gelben Sektoren den Reiz, die schwarzen, gr\u00fcnen und blauen die Pause darstellten. Das sind die Farben, die auch den st\u00e4rksten Eindruck auf den Gesichtssinn machen und die, wenn man sich auf den Boden der HERiNGschen Theorie stellt, als die dissimilierenden bezeichnet werden m\u00fcssen.\nJetzt machte ich die gleichen Untersuchungen bei Verwendung eines weifsen, roten und gelben Schirmes. Dabei sind nach der eingangs dargelegten Theorie die ruhigen, assimilierenden Farben die Reize, die lebhaften dissimilierenden die Pausen.\n1 M. Schaternikoff, \u00dcber den Einflufs der Adaptation auf die Erscheinung des Flimmerns. Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesorg. 29, S. 241. 1902.\n7*","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94 A- Basler, Die Abh\u00e4ngigkeit der YerSchmelzungsfrequenz von der Dauer usw.\nDas Ergebnis dieser Versuche bildete f\u00fcr mich eine grofse Entt\u00e4uschung. Es war kein nennenswerter Unterschied in der Verschmelzungsfrequenz nachzuweisen, ob die Sektoren grofs oder klein waren. Was die Ursache dieses gegens\u00e4tzlichen Verhaltens ist, vermag ich noch nicht zu sagen. Untersuchungen dar\u00fcber sind im Gange.\nZusammenfassung der Ergebnisse.\n1.\tPeriodisch sich folgende engumgrenzte schwarze und weifse Fl\u00e4chen in ausgedehnter schwarzer Umgebung verschmolzen unter den gegebenen Bedingungen leichter, wenn die schwarze Fl\u00e4che relativ l\u00e4nger pr\u00e4sentiert wurde als die weifse.\n2.\tDas gleiche gilt f\u00fcr rote und gelbe Fl\u00e4chen, die mit gr\u00fcnen bzw. blauen alternierten, wenn die Umgebung gr\u00fcn bzw. blau war.\n3.\tBei einer weifsen, roten und gelben Umgebung war die Verschmelzungsfrequenz nur von der Dauer der ganzen aus den beiden Farben bestehenden Perioden abh\u00e4ngig.","page":94}],"identifier":"lit36096","issued":"1927","language":"de","pages":"88-94","startpages":"88","title":"\u00dcber die Abh\u00e4ngigkeit der Verschmelzungsfrequenz von der Dauer der zwischen Farbreizen liegenden Pause bei Scheibenversuchen","type":"Journal Article","volume":"58"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:45:48.944325+00:00"}