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{"created":"2022-01-31T16:44:04.817813+00:00","id":"lit36097","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Granit, Ragnar","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 58: 95-110","fulltext":[{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"95\n(Aus dem Physiologischen Institut der Universit\u00e4t Helsingfors)\n\u00dcber eine Hemmung der Zapfenfunktion durch St\u00e4bchenerregung beim Bewegungsnachbild\nVon\nRagnar Granit\nUnter Mitwirkung von T. J\u00e4ntti, S. Lindstr\u00f6m, P. P\u00e4iwi\u00f6\nund L. Salmenharju\nMit 6 Abbildungen\nAuf Grund einiger Versuche \u00fcber das foveale Skotom beim D\u00e4mmerungssehen hat P. von Liebermann die Annahme aufgestellt, dafs die Erregung der St\u00e4bchen einen hemmenden Einflufs auf die Zapfenfunktion aus\u00fcbt. Seine Gedanken und Experimente hat G. E. M\u00fcller 1 ver\u00f6ffentlicht, der sie nicht nur theoretisch und experimentell best\u00e4tigt und z. T. auch weiterentwickelt hat, sondern auch einige Versuche von Kovi.cs1 2 3 und von Vogelsang8 \u00fcber die Empfindungszeit \u2014 von M\u00fcller \u201eFr\u00f6hlichsehe Zeit\u201c benannt \u2014 mit Hilfe dieser \u201evon Liebermannschen Hemmung\u201c (G. E. M\u00fcller) erkl\u00e4rt.4 In einer sp\u00e4teren Arbeit5 hat M\u00fcller auch einige von Engelking6 * anl\u00e4fslich einer Untersuchung \u00fcber\n1\tG. E. M\u00fcller, Darstellung und Erkl\u00e4rung der verschiedenen Typen der Earbenblindheit. G\u00f6ttingen 1924. S. 141 ff.\n2\tA. Kovacs, \u00dcber den Einflufs der Dunkeladaptation auf die Emp-flndungszeit usw. Diese Zeitschr. 54, S. 161. 1923.\n3\tK. Vogelsang, Der Einflufs der Dunkeladaptation auf den zeitlichen Verlauf der Gesichtsempfindung bei Verwendung farbiger Pr\u00fcflichter. Pfl\u00fcgers Archiv f. d. ges. Physiol. 203, S. 1. 1924.\n1 Dagegen hat sich jedoch Vogelsang neuerdings ge\u00e4ufsert. Diese\nZeitschr. 58, S. 56 Fufsnote. 1926.\n6 G. E. M\u00fcller, Ein weiterer Beitrag zur v. Liebermannschen Hemmung. Nachrichten der Gesellsch. d. Wissenschaften zu G\u00f6ttingen. Math.-phys. Kl,\nS. 1. 1924.\n6 E. Engelking, \u00dcber den Stereo wert und Zeitdifferenz wert verschiedenfarbiger Lichter usw. Klin. Monatshl. f. Augenheilkunde 73, S.15. 1924.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nRagnar Granit\ndas sog. Stereoph\u00e4nomen erzielte Ergebnisse durch die Annahme einer derartigen von den St\u00e4bchen ausgehenden Hemmung der Zapfenfunktion verst\u00e4ndlich gemacht. Im folgenden sollen einige Versuche \u00fcber das Bewegungsnachbild beschrieben werden, die im Hinblick auf die von Liebermannsche Hemmung von Interesse sind, sei es, dafs die unten geschilderten Ph\u00e4nomene wirklich Ausdr\u00fccke einer ganz gleichartigen St\u00e4bchenhemmung der Zapfenfunktion sind, sei es, dafs sie sich nur in Analogie zur Liebermannschen Hemmung abspielen.\nZwecks Erhaltung eines guten Bewegungsnachbildes haben wir uns folgender einfacher und viel gebrauchter Methodik bedient. Auf die gew\u00f6hnliche Kymographiontrommel ist ein mit je 1 cm breiten, abwechselnd schwarzen und weifsen Streifen bezeichnetes Papier aufgezogen. Eine kleine Fixationsmarke ist, an einem d\u00fcnnen Faden auf geh\u00e4ngt, vor der Trommel in der Mitte ihrer vertikalen Achse angebracht. Den Kopf auf einer Kinnst\u00fctze haltend, fixiert die Versuchsperson (Vp.) das Fixierzeichen nicht nur w\u00e4hrend der Rotationszeit der Trommel \u2014 in unseren Versuchen konstant 30 Sek. \u2014, sondern auch, bis das nachher einsetzende, der prim\u00e4ren Bewegung entgegengerichtete Bewegungsnachbild vollst\u00e4ndig abgeklungen ist. Diese Zeit wird mit einer Stoppuhr gemessen. Wir haben uns demnach einer quantitativen Vergleichung der Dauer (Duration) des Bewegungsnachbildes bedient, wie sie fr\u00fcher von z. B. Borschke und Hescheles *, Basler * und Wohlgemuth1 * 3 4 vorgenommen worden ist. Dabei kann es Schwierigkeiten bereiten, das Ende der Bewegung genau zu bestimmen, weil die Scheinbewegung zum Schl\u00fcsse aufserordentlich langsam aufh\u00f6rt. Basler bemerkt aber: \u201eTrotz dieser Schwierigkeit l\u00e4fst sich . . . das Ende des Nachbildes in den meisten F\u00e4llen verh\u00e4ltnism\u00e4fsig sicher festzustellen\u201c (a. a. O. S. 151\u201452), eine Beobachtung, deren Richtigkeit durch die unten berechneten mittleren Variationen (S. 110) unserer Versuchsreihen zur vollen Evidenz best\u00e4tigt wird. Diesen Variationen liegen in einigen F\u00e4llen f\u00fcnf (n = 5), in anderen drei (n = 3) Einzelbestimmungen zugrunde.\nBasler (a. a. O. S. 165) und Kinoshita 4 geben bez\u00fcglich der Duration des Bewegungsnachbildes an, dafs sie innerhalb gewisser Grenzen sich mit der Geschwindigkeit der Vorbewegung ver-\n1 A. Borschke und L. Hescheles, \u00dcber Bewegungsnachbilder. Zeitschr.\nf. Psychol. u. Physiol, d. Sinnesorgane 27, S. 387. 1902.\n3 A. Basler, \u00dcber das Sehen von Bewegungen. III. Mitteilung. Pfl\u00fcgers Archiv f. d. ges. Physiol. 128, S. 145. 1909.\n3\tA. Wohlgemuth, On The After-Effect of Seen Movement. Brit. Journ. of Psychol. Monogr. Suppl. 1. 1911.\n4\tT. Kinoshita, \u00dcber die Dauer des negativen Bewegungsnachbildes. Diese Zeitschr. 43, S. 434.","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Hemmung der Zapfenfunktion durch St\u00e4bchenerregung usiv. 97\nl\u00e4ngert.5 Da diese Beobachtung f\u00fcr unsere Versuche von fundamentaler Bedeutung erschien, wollten wir sie durch nochmalige \u00dcberpr\u00fcfung mit unserer Anordnung erh\u00e4rten. Unten (Abb. 1) sind einige Kurven verschiedener Vpn. (I, II und IV) dargestellt, welche alle in prinzipiell gleicher Weise verlaufen. In der Abszisse ist die Geschwindigkeit des Vorbildes in cm/sec dargestellt, die Ordinate dr\u00fcckt die Duration des Bewegungsnachbildes aus.\nAbbildung 1\nGesichtswinkel:-------= 3,0\u00b0\t\u2014---------- 5,6\u00b0\t= 17,2\u00b0\nOrdinate = Duration des Bewegungsnachbildes in Sek. Abszisse = Geschwindigkeit der Vorbildbewegung in cm/sec.\nDie zwei oberen Kurven (I u. IV) sind bei einem Gesichtswinkel des bewegten Objektes von 3,0\u00b0 erhalten, die mittlere Kurve (II) bei 5,6\u00b0 und die zwei unteren (II u. IV) bei 17,2\u00b0 bestimmt worden.6 Wie ersichtlich, nimmt die Dauer des Bewegungsnachbildes mit der Geschwindigkeit des Vorbildes zu. Von Bedeutung im Hinblick auf unsere Versuche erscheint\n5\tNach Wohlgemuth (a. a. O. S. 50) nimmt die Duration des Nachbildes zuerst schnell zu, \u201ebut soon reaches a maximum and then gradually\ndiminishes with further increase in speed\u201c.\n6\tDie Trommel ist in allen Versuchen dieselbe. Den verschiedenen Winkelgr\u00f6fsen entsprechen verschiedene Beobachtungsabst\u00e4nde.","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nRagnar Granit\nnoch ein anderes Resultat Baslers (a. a. O. S. 159), dafs n\u00e4mlich die Duration des Bewegungsnachbildes mit der Ausdehnung der prim\u00e4ren Bewegung im Gesichtsfeld zunimmt.\nWenn dem so ist, mufs erwartet werden, dafs eine Vergr\u00f6fse-rung des Beobachtungsabstandes einer Verk\u00fcrzung der Nach-bildduration gleichk\u00e4me. Denn angenommen, dafs bei einem Beobachtungsabstand von 50 cm das Netzhautbild einen Durchmesser von etwa 15 mm h\u00e4tte, so w\u00e4re die retinale Geschwindigkeit des Vorbildes f\u00fcr eine 1 Sekunde dauernde halbe Umdrehung der Trommel gleich 15 mm/sec, w\u00e4hrend in einem Vergleichsfall mit einem Beobachtungsabstand von 200 cm das Netzhautbild kleiner w\u00e4re, etwa 3 mm im Durchmesser, und daher die retinale Geschwindigkeit bei derselben Umdrehungszeit nur gleich 3 mm/sec Die schwarzen und weifsen Streifen des Vorbildes bewegen sich in jenem Falle in der Zeiteinheit um eine viel gr\u00f6fsere Strecke auf der Netzhaut als in diesem. Die retinale Geschwindigkeit wird also bei Beobachtung aus der N\u00e4he viel gr\u00f6fser werden als bei Beobachtung aus einiger Entfernung. Wenn nun wirklich die retinale Geschwindigkeit als reizphysikalische Bedingung den Geschwindigkeitseindruck fundiert \u2014 und dies m\u00fcssen wir wenigstens prim\u00e4r annehmen \u2014, so mufs offenbar das Bewegungsnachbild in jenem Falle l\u00e4nger dauern als in diesem, denn die Duration des Nachbildes nahm ja mit der Geschwindigkeit der Vorbildbewegung zu. Auch die Netzhautbild Verkleinerung an sich wirkte verk\u00fcrzend auf die Duration des Bewegungsnachbildes ein. Es w\u00fcrden demnach bei einer Verl\u00e4ngerung des Beobachtungsabstandes zwei Faktoren im Sinne einer Verk\u00fcrzung der Nachbildduration wirken: erstens die Verminderung des Gesichtswinkels bei konstanter Umdrehungszeit der Trommel, d. h. die verminderte retinale Geschwindigkeit, zweitens die Gesichtswinkelverminderung der bewegten Fl\u00e4che an sich. Falls wir nun die Gr\u00f6fse des Gesichtswinkels als Abszisse betrachten, als Ordinate wie oben (Abb. 1) die Duration des Bewegungsnachbildes, so m\u00fcssen wir also auch denselben Kurven verlauf wie oben erhalten.\nAbbildung 2 stellt eine Pr\u00fcfung dieser Verh\u00e4ltnisse mit vier Vpn. (I, II, III und IV) dar. Bei der Verl\u00e4ngerung des Beobachtungsabstandes ist die Duration aus praktischen Gr\u00fcnden immer bei folgenden Winkelgraden gemessen worden: 33,4\u00b0,","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Hemmung der Zapfenfunktion durch St\u00e4bchenerregung usw. 99\n17,2\u00b0, 8,6\u00b0, 5,6\u00b0, 4,2\u00b0, 3,4\u00b0, 3,0\u00b0, 2,4\u00b0 und 2,0\u00b0. Zuerst wurde jeder Wert f\u00fcnfmal bestimmt, sp\u00e4ter, wenn die Vpn. sehr ge\u00fcbt waren, nur dreimal. In diesen Kurven ist bei I und II n = 3, bei III und IV n = 5. Der gr\u00f6fste Gesichtswinkel (33,4\u00b0) entspricht einem Beobachtungsabstand von 0,25 m, der kleinste (2,0\u00b0) einem solchen von 4,0 m. Die Bewegungsgeschwindigkeit der Trommel war in allen Versuchen etwa 10 cm/sec.\n2\u00b0 y 6\t8\t10 12 10 16 18 20 22 20 26 28 30 32 30\nAbbildung 2\nOrdinate \u2014 Duration des Bewegungsnachbildes in Sek.\nAbszisse = Gesichtswinkelgr\u00f6fse der verschiedenen\nBeobachtungsabst\u00e4nde.\nSogleich ist ersichtlich, dafs der Kurvenverlauf gar nicht der Erwartung entspricht. Anstatt eines allm\u00e4hlichen Abfalls gegen den Nullpunkt (vgl. oben Abb. 1) findet eine Steigerung gegen ein Maximum statt, dem ein Sinken nachfolgt. Wenn wir, um bei der Reihenfolge des Versuches zu bleiben, die Kurven von rechts nach links verfolgen, so bedeuten sie, dafs bei Betrachtung aus der N\u00e4he das Bewegungsnachbild schnell vergeht, dann bei zunehmender Verl\u00e4ngerung des Beobachtungsabstandes immer l\u00e4nger andauert, am l\u00e4ngsten bei einem Gesichtswinkel von 4\u20145,6\u00b0 \u2014 dort bis auf etwa 14 Sekunden \u2014, um bei noch","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nRagnar Granit\ngr\u00f6fseren Beobachtungsabst\u00e4nden, denen indessen verh\u00e4ltnis-m\u00e4fsig geringe Gesichtswinkelverminderungen entsprechen, wieder und zwar sehr schnell k\u00fcrzerdauernd werden. Von der Richtigkeit dieses theoretisch \u00fcberraschenden Befundes habe ich mich durch wiederholte Nachpr\u00fcfungen an im ganzen sechs verschiedenen Vpn. \u00fcberzeugt.\nEine Fehlerquelle k\u00f6nnte in den Augenbewegungen liegen. Indessen kann sie nur beim gr\u00f6fsten Gesichtswinkel von Bedeutung sein, denn nur bei einem Beobachtungsabstand von 0,25 cm, wo auch die Gesichtswinkelberechnung nicht mehr ganz exakt sein d\u00fcrfte, war es schwierig, die Marke zu fixieren. Bekanntlich wirkt ungen\u00fcgende Fixation im Sinne einer Herabsetzung des Bewegungsnachbildes l, so dafs die kurze Duration bei diesem Abstand z. T. davon abh\u00e4ngen k\u00f6nnte. Es mag sein, dafs dieser Faktor dort eine Rolle gespielt hat, den Kurvenverlauf kann er aber nicht erkl\u00e4ren. Erstens ist n\u00e4mlich zu bemerken, dafs beim Beobachten der Augen der Vpn. sich keine direkt sichtbaren Blickbewegungen konstatieren liefsen, zweitens m\u00fcfsten die nicht zu vermeidenden unmerklich kleinen Augenbewegungen bei den l\u00e4ngeren Beobachtungsabst\u00e4nden auf die Nachbild-duration in noch h\u00f6heren Grade verk\u00fcrzend einwirken, weil dort das Netz-bautbild einen viel kleineren Retinalbezirk einnahm und geringe Verschiebungen daher mehr h\u00e4tten bedeuten m\u00fcssen.\nDie Konstanz der fraglichen Erscheinung deutet meines Erachtens auf in der Netzhautstruktur begr\u00fcndete Verh\u00e4ltnisse. Es schien uns daher n\u00f6tig, den Maximalpunkt der Kurve im Hinblick auf seine Winkelgr\u00f6fse n\u00e4her zu untersuchen, und zwar um so notwendiger, als die Vpn. bei Beobachtung aus der N\u00e4he eine flatternde Nachbildbewegung in der \u00e4ufsersten Peripherie sahen, w\u00e4hrend das Zentrum sowie die Trommel still standen. Bei der Verl\u00e4ngerung des Beobachtungsabstandes griff die Bewegung immer mehr auf das Zentrum \u00fcber und erhielt eine zur prim\u00e4ren Bewegung deutlich entgegengesetzte Richtung. Zugleich wurde die ganze gestreifte Fl\u00e4che in die Bewegung mithineingerissen, bis schlielslich auch ein deutlicher Tiefeneffekt des Bewegungseindruckes entstand. Diesen Tiefeneffekt galt es zu isolieren, um den Bewegungseindruck reiner zu erhalten. Dies wurde einfach erreicht durch Vorsetzen weifslich grauer Schirme, die mit quadratischen L\u00f6chern versehen waren. Abbildung 3 sind einige derartige Bestimmungen mit einer Vp reproduziert worden. Die Seitengr\u00f6fse der quadratischen \u00d6ffnung ist (in den Kurven von oben nach unten) bzw. 12, 9 und 6 cm.\n1 Vgl. z. B. Wohlgemuth (a. a. O. S. 27).","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Hemmung der Zapfenfunktion durch St\u00e4bchenerregung usw. 101\nNicht nur finden wir dieselbe Abh\u00e4ngigkeit zwischen Beobachtungsabstand und Nachbild duration wieder, auch der anfangs (S. 97) erw\u00e4hnte Zusammenhang zwischen der Gr\u00f6fse der bewegten Fl\u00e4che und der Nachbildduration f\u00e4llt ins Auge. Je gr\u00f6fser die Rechteckseite ist, desto h\u00f6her im Koordinatensystem liegt die Kurve, desto gr\u00f6fser ist die Duration des Nachbildes. Die Diskrepanz der beiden Gesetzm\u00e4fsigkeiten ist besonders auffallend. Einerseits dauert das Bewegungsnachbild eines gr\u00f6fseren Vorbildes l\u00e4nger als das eines kleineren, andererseits nimmt die\n8 10 12 11 16 18 20 22 21 26 28\nAbbildung 3\nGr\u00f6fse der bewegten Fl\u00e4che: ---------- 13 cm2--------9 cm2\n--------6 cm2\nO rdinate \u2014 Duration des Bewegungsnachbildes in Sek.\nAbszisse \u2014 Gesichtswinkelgr\u00f6fse der verschiedenen Beobachtungsabst\u00e4nde.\nDuration der Nachbildbewegung bei der Verminderung des Gesichtswinkels prim\u00e4r zu. In beiden F\u00e4llen haben wir es also mit einer Verminderung des Netzhautbildes zu tun, und trotzdem ist kein gleichsinniger, sondern vielmehr ein gegensinniger Effekt auf die Nachbildduration zu finden. Wenn bei konstantem Beobachtungsabstand das bewegte Objekt und damit auch der Gesichtswinkel vermindert wird, so wirkt das auf die Dauer des Bewegungsnachbildes verk\u00fcrzend ein; wenn wiederum die Verl\u00e4ngerung des Beobachtungsabstandes bei konstanter Objektgr\u00f6fse ebenfalls eine Verminderung des Gesichtswinkels herbeif\u00fchrt,","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nBagnar Granit\nsteigt die Duration des Nachbildes zuerst, um von einem gewissen kleinen Winkelmafs an eine Verk\u00fcrzung auf zu weisen. Dabei ist zu bemerken, dafs auch die Verminderung der retinalen Geschwindigkeit in diesem letzten Falle im Sinne einer Verk\u00fcrzung der Nacbbildduration h\u00e4tte ein wirken m\u00fcssen.\nUm zun\u00e4chst bei dem typischen Verlauf der hier reproduzierten Kurven zu bleiben, k\u00f6nnen wir auf Grund dieser Versuche den Maximumpunkt derselben etwas genauer bestimmen. Er liegt bei einem Gesichtswinkel von 2,3\u20143,8\u00b0. Eine gr\u00f6fsere Genauigkeit l\u00e4fst diese Methode wohl nicht zu.1 Denn wenn die Duration, wie bei dem kleinsten Rechteck, maximal etwa 5 Sek. ist, so bedeuten die zuf\u00e4lligen Fehler schon so viel, dafs eine Verminderung des Gesichtswinkels um 1\u00b0 von ihnen \u00fcberkompensiert werden kann. Am zuverl\u00e4ssigsten scheinen mir die Werte bei 12 und 9 cm2 3 der Bildgr\u00f6fse. Das Mittel dieser w\u00e4re im oben dargestellten Versuch 3,2\u00b0. Der entsprechende Wert einer anderen Vp. (IV) war genau derselbe, was z. T. auch darauf beruhen mufs, dafs die Messungen an bestimmten Gradzahlen (Abst\u00e4nden) erfolgten. Von diesem Punkte ab erhalten also die Kurven die theoretisch zu erwartende Richtung : sie sinken gegen den Nullpunkt des Koordinatensystems.\nWie verh\u00e4lt sich nun dieser Wert zur Verteilung der St\u00e4bchen und Zapfen? Der st\u00e4bchenfreie Bezirk scheint kleiner zu sein. Nach Koster2, der Augen histologisch untersucht hat, umfafst die Fovea etwa 0,5 mm; das w\u00fcrde einer Ausdehnung von ca. 2\u00b0 entsprechen. Die physiologischen Bestimmungen von v. Kries und Nagel8 ergaben kleinere Werte: 1\u00b024' bzw. 1\u00b048' im horizontalen Durchmesser, die von Dieter4 * 1\u00b0 30'. Indessen hoben die genannten Autoren hervor, dafs Fixationssehwankungen wahrscheinlich die Fovea zu klein erscheinen liefsen. Fr\u00f6hlich\n1\tEine Analyse des Kurvenmaximums unter Anwendung kleinerer Gesichtswinkelvariationen gab keine genaueren Resultate.\n2\tW. Koster, Untersuchungen zur Lehre vom Farbensinn, v. Graefes Arch. f. Ophth. 41 (4), S. 1. 1895.\n3\tJ. von Kries und W. Nagel, \u00dcber den Einflufs von Lichtst\u00e4rke und Adaptation auf das Sehen des Dichromaten. Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol. d. Sinnesorg. 12, S. 26. 1896.\n4\tW. Dieter, \u00dcber das PuRKiNJESche Ph\u00e4nomen im st\u00e4bchenfreien\nBezirk der Netzhaut, v. Graefes Archiv f. Ophth. 112, S. 141. 1924.","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Eine, Hemmung der Zapfenfunktion durch St\u00e4bchenerregung usw. 103\nund Vogelsang1 fanden einen horizontalen Durchmesser von bzw. 2\u00b0 25' und 2\u00b0 10'. Wie ersichtlich, sind oben die Begriffe Fovea centralis und st\u00e4bchenfreier Bezirk identifiziert worden. Aufserhalb der Fovea, jedoch innerhalb der Macula lutea, findet sich aber ein Gebiet, wo die Zapfen in dem Mafse \u00fcberwiegen, dafs es von den Histologen als beinahe st\u00e4bchenfrei bezeichnet wird. Hebing2 gibt eine \u00dcbersicht der einschl\u00e4gigen Literatur und berechnet auf Grund dieser Daten den st\u00e4bchenfreien Bezirk viel gr\u00f6fser; einem Gesichtswinkel von 4\u00b0 entsprechend. Nach Kosteb (vgl. oben) und Wolfeum (zit. nach Dieter a. a. O.) w\u00e4re diese Zahl zu hoch. Mit Sicherheit d\u00fcrften wir jedoch schliefsen k\u00f6nnen, dafs innerhalb einer Area von 4\u00b0 der Anteil der St\u00e4bchen beim Sehakt im Verh\u00e4ltnis zum Anteil der Zapfen sehr gering sein mufs. D. h. unsere Kurven schlagen eine andere Richtung \u2014 und zwar die theoretisch zu erwartende \u2014 gerade dort ein, wo das Netzhautbild auf einen praktisch st\u00e4bchenfreien Bezirk f\u00e4llt und der Bewegungseindruck demnach unter Vermittlung eines ann\u00e4hernd homogenen Zapfenmechanismus entsteht.\nIm Hinblick darauf ist wohl die n\u00e4chstliegende Erkl\u00e4rung jenes eigent\u00fcmlichen Verhaltens des Bewegungsnachbildes bei Verl\u00e4ngerung des Beobachtungsabstandes in einer Hemmung der Zapfenfunktion durch St\u00e4bchenerregung zu suchen. Diese Annahme erh\u00e4lt eine gewisse Best\u00e4tigung in der oben erw\u00e4hnten ph\u00e4nomenalen Beobachtung, dafs bei Betrachtung aus der N\u00e4he in der Peripherie des Gesichtsfeldes eine Art Bewegung wahrgenommen werden konnte, obwohl ihre Richtung nicht leicht zu bestimmen war. Esw\u00fcrdenalsodieperiphergelagerten St\u00e4bchen der Entwicklung des zentralen Zapfennachbildes der Bewegung entgegen wirken, und zwar um so mehr, je weiter peripher das Vorbild ragt. Daher die kurze Nachbildduration bei den kleinen Beobachtungsabst\u00e4nden.\n1\tF. W. Fr\u00f6hlich und K. Vogelsang, \u00dcber eine physiologische Methode, die Ausdehnung der Fovea centralis zu bestimmen. Pfl\u00fcgers Arch. f. d. ges. Physiol. 207, S. 110. 1925. Dort die neuere Literatur.\n2\tE. Hering, \u00dcber angebliche Blaublindheit der Zapfen-Sehzellen. Pfl\u00fcgers Arch. f. d. ges. Physiol. 61, S. 106. 1895. Dort die \u00e4ltere Literatur. Die Arbeit von Neumann (\u00dcber die Fovea centralis bei Affen und beim Menschen. Inaug.-Diss. Leipzig 1922) ist mir nicht zug\u00e4nglich gewesen.","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nRagnar Granit\nVon diesem Gesichtspunkt aus w\u00e4re es von grofsem Interesse, den gleichen Versuch mit peripherer Bildprojektion zu machen. Bei gen\u00fcgend hoher Exzentrizit\u00e4t w\u00fcrde die Bewegungswahrnehmung unter Vermittlung eines ann\u00e4hernd homogenen St\u00e4bchenmechanismus zustande kommen und demnach ein allm\u00e4hliches Sinken der in gleicher Weise erhaltenen Kurve zu erwarten sein, weil dabei der Antagonismus zwischen St\u00e4bchen-und Zapfenerregung in Wegfall gebracht w\u00fcrde. Abbildung 4 stellt einen derartigen Versuch mit drei Vpn. dar. Die Vorbild-gr\u00f6fse ist 12 X 12 cm, die Exzentrizit\u00e4t 20\u00b0 nasal. Um eineZapfen-miterregung m\u00f6glichst vollst\u00e4ndig auszuschliefsen, ist mit der Beobachtung bei einer Gesichtswinkelgr\u00f6fse von 13,6\u00b0 angefangen worden. Die Beobachtungsabst\u00e4nde sind dieselben wie im vorigen Versuch. Es konnte jedoch aus den gr\u00f6fsten Abst\u00e4nden kein deutliches Vorbild erhalten werden, was schon daraus hervorgeht, dafs die Verl\u00e4ngerung der Kurven schon vor dem Nullpunkt die Abszisse schneidet. Wie ersichtlich, entspricht der Kurventypus der Erwartung und ist prinzipiell von demjenigen des Versuches mit zentraler Fixation verschieden. Gem\u00e4fs den eingangs erw\u00e4hnten Gesetzm\u00e4fsigkeiten nimmt hier mit der Verminderung des Gesichtswinkels und der retinalen Geschwindigkeit der Bewegung die Duration des Bewegungsnachbildes ab.1 Diese ann\u00e4hernd reine \u201eSt\u00e4bchenkurve\u201c verl\u00e4uft in prinzipiell derselben Weise wie die ann\u00e4hernd reine \u201eZapfenkurve\u201c (Abb. 2 vom Maximum bis zum Nullpunkt). Es liegt auf der Hand, dafs dieser Versuch unsere theoretischen Annahmen vollends best\u00e4tigt.\nNoch mit einer anderen Modifikation unserer Anordnungen versuchten wir den St\u00e4bchen-Zapfenantagonismus zu untersuchen. Da bekanntlich rote Strahlen die St\u00e4bchen nur schwach reizen, machten wir einige vergleichende Versuche, in denen abwechselnd die Trommel mit und ohne Rotglas bei zentraler Fixation binokular beobachtet wurde. Das Glas liefs Rot\n1 Diese Versuche best\u00e4tigen auch einen Befund von A. v. Szily (Bewegungsnachbild und Bewegungskontrast. Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnesory. 38, S. 81. 1905), dafs n\u00e4mlich die Nachbewegung in der Peripherie l\u00e4nger dauert als im Zentrum. Wohlgemuth (a. a. O. S. 70) behauptet das Gegenteil, was auf seinen besonderen Versuchsbedingungen beruhen mufs. Die grofse Bedeutung der Gesichtswinkelgr\u00f6fse f\u00fcr die Nachbild-duration macht es nicht unwahrscheinlich, dafs bei gewissen Konstellationen das zentrale Bewegungsnachbild l\u00e4nger andauert als das periphere und umgekehrt.","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Hemmung der Zayfenfunktion durch St\u00e4bchenerregung usw. 105\nund ein wenig Gelb hindurch.1 Durchweg dauerte das Bewegungsnachbild 1\u20143 Sekunden l\u00e4nger, wenn durch das rote Gl\u00e4schen aus nicht zu grofser Entfernung beobachtet wurde, bei grofsem Gesichtswinkel prozentuell eine nicht unbedeutende Verl\u00e4ngerung. Bei den kleinen Gesichts-winkelgr\u00f6fsen trat dieses Verh\u00e4ltnis nicht zutage. Eine vollst\u00e4ndige Ausschaltung der St\u00e4bchen l\u00e4fst sich bei Helladaptation wahrscheinlich nicht mit Hilfe eines Rotglases erzielen. Es blieb daher der typische Kurvenverlauf unver\u00e4ndert, wennschon die Verl\u00e4ngerung der Nachbildduration im Rotglasversucb bei Beobachtung aus der N\u00e4he unzweideutig f\u00fcr eine Abschw\u00e4chung der St\u00e4bchenhemmung spricht.\n1\u00b0 2\t3 u 5\t6\t7\t8\t9 10 H 12 13 11 15\nAbbildung 4\nExzentrizit\u00e4t = 20\u00b0 nasal.\nOrdinate = Duration des Bewegungsnachbildes in Sek.\nAbszisse = Gesichtswinkelgr\u00f6fse der verschiedenen Beobachtungsabst\u00e4nde.\n1 Die Gl\u00e4schen waren spektralphotometriscb analysiert. Ihre Absorptionskurve in meiner Arbeit: Farbentransformation und Farbenkontrast. Skandinav. Archiv /'. Physiol. 48, S. 157. 1926.","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nRagnar Granit\nObwohl die Annahme einer St\u00e4bchenhemmung der Zapfenfunktion in unserem Falle recht wohl begr\u00fcndet scheint, ist es doch notwendig, eine bisher unber\u00fccksichtigt gebliebene Fehlerquelle experimentell auszuschliefsen. Die figuralen Besonderheiten der gebrauchten Bewegungsfl\u00e4che k\u00f6nnten den Kurvenverlauf im Sinne unseres Hauptversuches (Abb. 2) beeinflussen, und zwar so, dafs die Verminderung des Netzhautbildes bei der Verl\u00e4ngerung des Beobachtungsabstandes bis zum Maximum der Kurven eine intensivere Reizung der Retina bewirkte, indem dabei dieselbe Anzahl schwarzer und weifser Streifen auf einen immer kleiner werdenden Netzhautbezirk fallen. Das nach dem Maximum folgende Sinken der Kurven w\u00e4re dann als eine Folge einer allzu grofsen \u201eZusammenpressung\u201c der als Reiz dienenden Streifen im Netzhautbilde anzusehen. Diese Behauptung ist einer Pr\u00fcfung zug\u00e4nglich. Wir stellen uns eine zweite Trommel her, die doppelt so viel Streifen hat als die erste, und machen einen vergleichenden Versuch, indem unter Vergr\u00f6fserung des Beobachtungsabstandes bei jeder gebrauchten Gesichtswinkelgr\u00f6fse zuerst drei Messungen mit der einen Trommel, dann drei mit der anderen vorgenommen werden. Das Ergebnis f\u00fcr zwei Vpn. (I u. IV) ist in Abbildung 5 zusammengestellt. Wie ersichtlich, liegen die gestrichelten Kurven (Trommel mit dichterer Streifung) bei grofsem Gesichtswinkel h\u00f6her als die zugeh\u00f6rigen ausgezogenen; ihre Maxima sind aber niedriger als diejenigen der ausgezogenen Kurven. Es bedeutet also in der Tat eine dichtere Streifung der bewegten Fl\u00e4che bei Beobachtung aus der N\u00e4he eine intensivere Reizung der Netzhaut (vgl. z. B. Wohlgemuth a. a. O. S. 42 ft. und v. Szily a. a. O. S. 149). Bei Verl\u00e4ngerung des Beobachtungsabstandes, wenn ph\u00e4nomenal die dichter gestreifte Trommel deutlich flimmert, wird auch ihr Bewegungsnachbild undeutlicher und k\u00fcrzer als das des Vergleichsfalles, trotzdem aber liegen die Maxima der Kurven in den beiden Konstellationen am selben Ort. Der spezifische Verlauf der Kurve kann also nicht auf diesen Faktor bezogen werden.\nEin Umstand soll noch erw\u00e4hnt werden, dessen experimentelle Erforschung einer sp\u00e4teren Mitteilung Vorbehalten werden mufs. Es ist dies die oben erw\u00e4hnte Diskrepanz im Verhalten der Nach-bildduration, wenn die Gesichtswinkel Verminderung einerseits bei konstantem Beobachtungsabstand unter Verminderung des Vor-","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Hemmung der Zapfenfunktion durch St\u00e4bchenerregung usw. 107\nbildes, andererseits bei konstantem Vorbild unter Verminderung des Beobachtungsabstandes erfolgt. Im ersten Fall nahm die Duration der Nachbildbewegung ab, im zweiten bis zu einem gewissen Maximum zu. In Abbildung 3 waren diese beiden Gesetzmafsigkeiten nebeneinander zu sehen. Bei den gr\u00f6fseren Figuren lag die Kurve h\u00f6her im Koordinatensystem als bei den kleineren; in allen Kurven war ihr spezifischer Verlauf unverkennbar.\nAbbildung 5\n'\t= Trommelstreifung 1 cm.------= Trommelstreifung 0,5 cm.\nOrdinate = Duration des Bewegungsnachbildes in Sek.\nAbszisse = Gesichtswinkelgr\u00f6fse der verschiedenen Beobachtungssbst\u00e4nde.\nWenn dem so ist, entsteht die folgende Frage: warum wirkt die von den St\u00e4bchen ausgehende Hemmung nicht gleich kr\u00e4ftig, wenn von einer gewissen Vor-bildgr\u00f6fse ausgehend diese durch Verl\u00e4ngerung des Beobachtungsabstandes retinal verkleinert wird, wie wenn sie bei konstantem Beobachtungsabstand objektiv und retinal verkleinert wird? In jenem Falle nahm die Duration zu, in diesem ab, obwohl die Verminderung\na\nZeitschrift f. Sinnesphysiol. 58.","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nRagnar Granit\ndes gereizten Retinalbezirkes in beiden F\u00e4llen von derselben Anfangsgr\u00f6fse ausgehend folgte. In welcher Hinsicht sind m. a. W. diese beiden retinal ann\u00e4hernd gleichwertigen Ver\u00e4nderungen verschieden? Nachdem wir schon oben (S. 106) die von den schwarzen und weifsen Streifen herr\u00fchrenden, reizphysikalischen Ver\u00e4nderungen ausschliefsen konnten, gibt es nunmehr nur einen'Unterschied der beiden Konstellationen, auf den es ankommen k\u00f6nnte: der der Gr\u00f6fsenkonstanz. Wenn der Beobachtungsabstand verl\u00e4ngert wird, bewahrt die Trommel trotz der Verminderung des Netzhautbildes ihre scheinbare Gr\u00f6fse, wenn wiederum die bewegte Fl\u00e4che bei konstantem Beobachtungsabstand vermindert wird, tritt sowohl subjektiv wie auch objektiv eine Verminderung der Bewegungsfl\u00e4che ein. Im ersten Falle h\u00e4tten wir gem\u00e4fs dem oben Gesagten nach einem Faktor zu suchen, der, falls nicht die St\u00e4bchenhemmung wirkte, dem rechten steigenden Schenkel der Kurve eine andere Richtung geben w\u00fcrde, \u2014 man gestatte diese Ausdrucksweise. Mir scheint nur eine Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeit vorzuliegen, die mit den Tatsachen gut vereinbar ist. Es w\u00e4re dies die naheliegende Behauptung, dafs die Duration des Bewegungsnachbildes zwar von den eingangs erw\u00e4hnten Gesetzm\u00e4fsigkeiten bestimmt wird, dafs aber diese Gesetzm\u00e4fsigkeiten auf die ph\u00e4nomenale Situation bezogen werden m\u00fcssen. Weil die ph\u00e4nomenale Gr\u00f6fse der Bewegungsfigur konstant ist, so ist die Duration des Bewegungsnachbildes auch eine konstante, denn sie h\u00e4ngt in bekannter Weise von der Vorbildgr\u00f6fse ab. Dazu w\u00e4re vielleicht noch zuzuf\u00fcgen: solange die bewegte Fl\u00e4che ihrer Gr\u00f6fse nach unver\u00e4ndert ist, scheint sie sich auch mit einer konstanten Geschwindigkeit zu bewegen (Geschwindigkeitstransformation!). Jedenfalls ist es schwierig, allein auf Grund ph\u00e4nomenaler Beobachtungen festzustellen, ob die Trommel wirklich in den ersten zwei Metern eine Ver\u00e4nderung ihrer Geschwindigkeit erf\u00e4hrt. Ich hoffe auf diese Fragen in einer sp\u00e4teren Arbeit eingehen zu k\u00f6nnen. Hier sei nur bemerkt, dafs fr\u00fcher festgestellt worden ist, dafs Bewegungsnachbilder auch nach vorangegangener Scheinbewegung aufrreten *, so dafs der Annahme einer Abh\u00e4ngigkeit der Nach-bildduration von ph\u00e4nomenalen Tatsachen nichts Unwahrschein-\n1 y. Szily, a. a. O. S. 131.","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Eine Hemmung der Zapfenfunktion durch St\u00e4bchenerregung usw. 109\nliches anhaftet. Auch ist es eine schon mehrmals konstatierte Tatsache, dafs die ausf\u00fchrlicher untersuchten negativen Nachbilder in mannigfacher Weise von Ver\u00e4nderungen der ph\u00e4nomenalen Situation beeinflufst werden. Analogien lassen sich \u00fcberdies heutzutage aus beinahe jedem Sinnesgebiet anh\u00e4ufen.1\nUnter Ber\u00fccksichtigung der ph\u00e4nomenalen Tatsachen ist die in Frage stehende Diskrepanz unserer Ergebnisse leicht zu erkl\u00e4ren. Wenn bei konstantem Beobachtungsabstand die Verminderung der bewegten Fl\u00e4che bei jedem Abstand (vgl. die H\u00f6he der Kurven in Abb. 3) zur Verk\u00fcrzung der Nach-bildduration f\u00fchrt, so ist dies eine direkte Folge der verminderten Ausdehnung des Reizes. Dafs dabei auch die St\u00e4bchenhemmung abnimmt, wirkt auf die allgemeine Tendenz dieser Ver\u00e4nderung nicht entstellend ein. Es ist offenbar die Reizausdehnung f\u00fcr die Dauer der Nachbewegung von gr\u00f6fserer Bedeutung als ihre Hemmung durch St\u00e4bchenerregung. Nur wenn sehr grofse Reizfl\u00e4chen gebraucht werden, tritt die Einwirkung der St\u00e4bchenhemmung auf die Nachbildduration zutage.2 Durch Vorsetzen von Brillengl\u00e4sern von -f- 10 D konnte ich in meiner Anordnung die Trommel aus einer Entfernung von etwa 6 Zentimetern beobachten, wobei kein Bewegungsnachbild entstand.\nBei der Verl\u00e4ngerung des BeobachtungsabStandes w\u00fcrde wiederum wegen der Gr\u00f6fsenkonstanz der Bewegungsfigur (und vielleicht auch wegen ihrer Geschwindigkeitskonstanz) die Nachbildduration innerhalb weiter Grenzen unver\u00e4ndert sein oder nur sehr allm\u00e4hlich k\u00fcrzer werden. Es ist klar, dafs die\n1\tVgl. z. B. die Ausf\u00fchrungen \u00fcber Farbentransformation und Feld-gr\u00f6fsens\u00e4tze in meiner oben zitierten Arbeit S. 210.\n2\tEs geben z. B. Wohlgemuth (a. a. O. S. 72) und v. Szily (a. a. O. S. 124 ff.) an, dafs die Duration der Nachbewegung bei sehr grofsen Bewegungsfl\u00e4chen wieder k\u00fcrzer wird. Die Bewegung des ganzen Gesichtsfeldes liefert nach Wohlgemuth kein Nachbild, nach v. Szily eine zur Vorbewegung gleichgerichtete Nachbewegung (paradoxe Scheinbewegung; nach v. Szily als Kontrast zu deuten). In diesem Zusammenhang hat schon v. Szily an Hemmung seitens der Peripherie gedacht. Er sagt: \u201eDie Ursache der paradoxen Scheinbewegung nach der Anschauung einer weit ausgedehnten gleichm\u00e4fsigen Bewegung liegt hingegen nur darin, dafs die reaktiven Vorg\u00e4nge in jenen Partien des Sehorgans, die zur Peripherie des Sehfeldes in Beziehung stehen, in h\u00f6herem Mafse zur Geltung gelangen, als in jenen, welchen das zentrale Gebiet des Sehens entspricht\u201c (S. 125). Er hat sich wahrscheinlich die Hemmung mehr psychologisch gedacht.\n8*","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110 Granit, Hemmung der Zapfenfunktion durch St\u00e4bchenerregung usw.\nSt\u00e4bchenhemmung in diesem Falle nachweisbar sein mufs, denn sie hat keine oder eine nur kleine Ver\u00e4nderung gegensinniger Natur zu \u00fcberwinden. Bei Beobachtung aus der N\u00e4he w\u00fcrde die Hemmung am st\u00e4rksten ausgepr\u00e4gt sein, dann bei zunehmender Entfernung allm\u00e4hlich schw\u00e4cher werden. Dabei mufs gerade die Kurve unseres Hauptversuches resultieren. Anstatt einer konstanten H\u00f6he oder eines sehr wenig ausgepr\u00e4gten Sinkens der Kurve bis zum Gebiet der ann\u00e4hend reinen Zapfenerregung mufs sich ein Steigen des Kurvenverlaufes bemerkbar machen, was auch deutlich aus unseren Versuchen (Abb. 2 u. 3) hervorgeht.\n\u2022 \u2022\nZum Schlufs sei eine \u00dcbersicht (Tabelle 1) der Werte aus verschiedenen Tafeln entnommener Kurven nebst zugeh\u00f6rigen mittleren Variationen reproduziert. Die Auswahl ist willk\u00fcrlich. Die Tabelle d\u00fcrfte ohne weiteres verst\u00e4ndlich sein.\nTabelle 1\nGesichtswinkel\tj\t| | Tafel II Vp. I n = 3\t\tTafel V Vp. IV n = 3\t\tGesichtswinkel\tTafel III Vp. III n = 5\t\tTafel III Vp. II n = 5\t\tTafel Vp. n =\tIV III = 3\n\tMittelwert\tMittlere Variation\tMittelwert\tMittlere Variation\t\tMittelwert\tMittlere Variation\tMittelwert\tI Mittlere Variation\tMittelwert\tMittlere Variation\n17,2\t5,46\t0,45\t6,0\t0,13\t13,6\t2,96\t0,31\t2,88\t0,27\t15,46\t0,99\n8,6\t10,2\t0,53\t8,81\t0,23\t6,8\t5,08\t0,59\t4,22\t0,44\t12,13\t1,24\n5,6\t12,23\t0,36\t9,9\t0,27\t4,6\t8,72\t0,34\t6,94\t0,67\t10,06\t0,35\n4,2\t10,8\t0,4\t12,5\t0,05\t3,8\t12,2\t0,56\t7,24\t1,07\t9,0\t0,53\n3,4\t8,33\t0,76\t10,03\t0,29\t2,8\t9,2\t1,4\t7,1\t0,32\t6,73\t0,38\n3,0\t7,0\t0,27\t8,83\t0,22\t2,2\t7,4\t0,28\t5,7\t0,44\t\u2014\t\u2014\n2,4\t4,86\t0,18 |\t7,86\t0,25\t2,0\t6,2\t0,52\t5,66\t0,57\t\u2014\t\u2014\n2,0\t3,93\t0,09\t5,83\t0,15\t1,5\t5,64\t0,26\t5,2\t0,48\t\u2014\t\u2014","page":110}],"identifier":"lit36097","issued":"1927","language":"de","pages":"95-110","startpages":"95","title":"\u00dcber eine Hemmung der Zapfenfunktion durch St\u00e4bchenerregung beim Bewegungsnachbild","type":"Journal Article","volume":"58"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:44:04.817818+00:00"}