Open Access
{"created":"2022-01-31T15:45:41.203468+00:00","id":"lit36107","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie","contributors":[{"name":"Prandtl, A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Sinnesphysiologie 58: 263-307","fulltext":[{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"263\n\u00dcber gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung\nin gitterartigen Mustern\nVon\nA. Prandtl (W\u00fcrzburg)\nMit 20 Abbildungen im Text\nInhaltsverzeichnis\tSeite\n\u00a7 1.\tDie F\u00e4rbung eines schmalen Streifens auf andersfarbigem\tGrunde\t268\n\u00a7 2.\tParallele Streifen auf andersfarbigem Grund...............271\n\u00a7 3.\tDie F\u00e4rbung eines Streifens, der ein Parallelenmuster\tschneidet\t280\n\u00a7 4.\tZwei Scharen sich schneidender paralleler Streifen........286\n\u00a7 5.\tDie Kreuzungsstellen in gitterartigen Mustern.............293\n\u00a7 6.\tDie \u201eSpinnwebf\u00e4den\u201c.......................................296\n\u00a7 7.\tDie Lagen I und II........................................^00\n\u00a7 L Die F\u00e4rbung eines schmalen Streifens auf andersfarbigem Grunde\nWenn wir eine d\u00fcnne, weifse Linie auf schwarzem Grunde betrachten, so wird sie uns ziemlich regelm\u00e4fsig nicht eigentlich weifs, sondern etwas verdunkelt Vorkommen, besonders dann, wenn die Beleuchtung, bei der wir die Betrachtung vornehmen, keine sehr gute, sondern \u2014 an einem tr\u00fcben Tag etwa, in der D\u00e4mmerung oder bei Lampenlicht bis zu einem gewissen Grade herabgesetzt ist. Nat\u00fcrlich erscheint uns ein Bogen weifsen Papiers in diesem Falle ebenfalls dunkler, als wenn wir ihn bei guter Beleuchtung ansehen, aber es besteht ein Helligkeits-unterschied zwischen der d\u00fcnnen weifsen Linie auf schwarzem Grund und dem weifsen Papierbogen, der im allgemeinen bei guter Beleuchtung nicht so deutlich hervorzutreten pflegt, wie dann, wenn das Licht ged\u00e4mpft ist. Verbreitert man die d\u00fcnne Linie etwas, so wird sie gleichzeitig heller und man kann sich von diesem Zusammenhang zwischen Breite und Helligkeit leicht \u00fcberzeugen, wenn man der weifsen Linie an ihrem einen End-","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\nA. Prandtl\npunkt die Breite Null und an ihrem anderen Ende eine Breite von einigen Millimetern gibt. Als Ursache der Erscheinung wird allgemein die Irradiation bezeichnet, d. h. der Umstand, dafs auf Grund verschiedener dioptrischer M\u00e4ngel unseres Auges auch bei optimaler Akkommodation die Abbildung auf der Netzhaut nie streng punktm\u00e4fsig ausf\u00e4llt, so dals also die von einem objektiven weifsen Streifen ausgehenden Strahlen ein relativ verbreitertes, \u00fcber die Nachbarfl\u00e4chen \u00fcbergreifendes Netzhautbild ergeben, dem im allgemeinen auch ein verbreitertes und eben deshalb dunkleres Wahrnehmungsbild entspricht.\nSteigern wir in allm\u00e4hlichem \u00dcbergang die Breite unseres weifsen Streifens, so wird er die Helligkeit des weifsen Papiers bald erreicht haben, auf dem wir ihn entwerfen, oder er erscheint infolge des Kontrasts sogar noch heller, als das weifse Papier an sich ist (Abb. 1, S. 303). Der Punkt, an dem der Umschlag eintritt, l\u00e4fst sich kaum n\u00e4her angeben, da viel, wie gesagt, von der jeweils herrschenden Beleuchtung abh\u00e4ngt. Abgesehen von der kontrastiven Aufhellung l\u00e4fst sich aber noch etwas anderes an dem Streifen beobachten, zumal wenn man den Kontrast durch entsprechende Beleuchtung zur\u00fcckdr\u00e4ngt Man sieht dann n\u00e4mlich leicht einen verwaschenen dunkleren Strich sich in seiner Mitte hinziehen, der besonders dann deutlich hervortritt, wenn man durch Vorhalten der Hand einen leichten Schatten aufs Papier wirft. Auch wenn man die angrenzenden schwarzen Fl\u00e4chen auf zwei schmale Streifen einengt und damit die Kontrastwirkung herabsetzt, l\u00e4fst sich der graue Strich ebenfalls gut beobachten. Der Blick kann sich dabei ungezwungen \u00fcber die Abbildung hin bewegen, es ist nicht notwendig, dafs starr ein bestimmter Punkt fixiert wird; woraus jedenfalls hervorgeht, dafs das Ph\u00e4nomen nicht als Erm\u00fcdungserscheinung aufzufassen ist.\nDenn wer sich mit dem Sichtbarwerden des dunkleren Striches in der Mitte des weifsen Streifens noch nicht n\u00e4her be-fafst hat, k\u00f6nnte zun\u00e4chst geneigt sein, ihn als Wirkung von Augenbewegungen und der von Hering als simultane Lichtinduktion bezeichneten Erscheinung zu deuten : fixiere ich w\u00e4hrend l\u00e4ngerer Zeit, z. B. 30 Sekunden lang einen bestimmten Punkt des Streifens, so wird allm\u00e4hlich der ganze Streifen mit einem an Dunkelheit zunehmenden Grau sich \u00fcberziehen, w\u00e4hrend gleichzeitig das angrenzende Schwarz, besonders an den R\u00e4ndern","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n265\nheller und weifslieher wird. Wenn ich nun mit meinem Blick nur ein wenig von dem Fixationspunkte abirre, so wird die Linie, l\u00e4ngs welcher diese durch Induktion erzeugten F\u00e4rbungen, Dunkel und Hell, aneinanderstofsen, in die Fl\u00e4che des objektiven weifsen Streifens hereingetragen werden, so dafs sich also ein dunklerer Strich auf hellem Grunde zeigen mufs.\nDafs die Erscheinung, von der wir sprechen, mit Herings \u201esimultaner Lichtinduktion\u201c irgendwie in Zusammenhang steht, ist m\u00f6glich oder vielmehr, wie wir weiterhin zu zeigen versuchen werden, wahrscheinlich ; aber doch nicht im Sinne der Deutung, die ihr soeben gegeben wurde. Denn der dunklere Strich in der Mitte des weifsen Streifens ist sofort, wenn man den Blick auf die Abbildung richtet, vorhanden und kann also nicht als Erm\u00fcdungsph\u00e4nomen aufgefafst werden. Voraussetzung ist nur, dafs die Beleuchtung eine angemessene ist und nicht kontrastive Aufhellung den geringen Helligkeitsunterschied \u00fcbert\u00f6nt. Dafs er aber nicht von Augenbewegungen in der gekennzeichneten Weise abh\u00e4ngt, l\u00e4fst sich leicht demonstrieren, wenn man die Streifenbreite nach dem einen Ende zu sich etwas verj\u00fcngen l\u00e4fst: der dunklere zentrale Strich h\u00e4lt dann gleichen Abstand von den beiden Grenzen, w\u00e4hrend ein negatives, durch Augenbewegung in den Streifen hereingebrachtes Nachbild je nachdem der linken oder der rechten Kante parallel laufen m\u00fcfste. Deutlich erkennt man auch die andersartige Beschaffenheit des grauen, in der Mitte des objektiv weifsen Streifens sich hinziehenden Streifens, wenn man dem weifsen Streifen einen unregelm\u00e4fsigen, mit Vorspr\u00fcngen und Einbuchtungen versehenen Verlauf gibt. Der zentral auftretende Strich zeigt dann seinerseits nicht die verschiedenen Unregelm\u00e4fsigkeiten, durch die der objektive Kontur charakterisiert ist, und wird somit auch nicht als Nachbild von ihm gedeutet werden k\u00f6nnen.\nIst der Streifen schwarz auf weifsem Grunde, so ist analog dem vorher Gesagten bei den geringsten Breiten \u2014 in erster Linie wieder als Folge der Irradiation \u2014 eine starke Aufhellung und bei zunehmender Breite ein \u00dcbergang zu immer tiefer erscheinendem Schwarz zu konstatieren. Und wieder wird bei Breiten von etwa 1 mm oder etwas dar\u00fcber bei g\u00fcnstiger, nicht allzu heller Beleuchtung in der Mitte, ziemlich verschwommen, eine Linie kenntlich, die durch gr\u00f6fsere Helligkeit sich von dem \u00fcbrigen Schwarz abhebt, im allgemeinen aber nicht so deutlich","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nA. Prandtl\nhervortritt wie die entsprechende Linie bei weifsen Streifen auf schwarzem Grunde. Leichter ist die Beobachtung, wenn der schwarze Streifen auf farbigem Grund steht, wobei das Schwarz sich meist mit einem feinen Hauch der Farbe \u00fcberzieht, die dann h\u00e4ufig sich in der Mitte zu einer \u2014 etwas verschwommenen \u2014 Linie verdichtet. Fast regelm\u00e4fsig f\u00e4llt die Erscheinung bei weifsen Streifen auf farbigem Grund in die Augen. Ist der Streifen farbig auf farbigem Grund, so ist die Beobachtung gew\u00f6hnlich leicht, wenn der Streifen erheblich heller als die angrenzenden Fl\u00e4chen ist, im umgekehrten Fall aber meist unsicher.\nZur Erkl\u00e4rung dieser Erscheinungen k\u00f6nnte, \u00e4hnlich wie bei den ganz d\u00fcnnen Streifen, zun\u00e4chst an Irradiation gedacht werden. Nur m\u00fcfste in diesem Fall die Lichtverteilung eine andere sein, z. B. bei dem objektiv weifsen Streifen auf schwarzem Grund die Mittellinie am hellsten, der Rand links und rechts am dunkelsten erscheinen, w\u00e4hrend doch das Gegenteil tats\u00e4chlich zutrifft. Und \u00e4hnliches gilt auch von den \u00fcbrigen Streifen.\nEs kann dies der Annahme einer Irradiationswirkung widersprechende Verhalten auch nicht durch die Mitwirkung des Randkontrastes erkl\u00e4rt werden. Denn der Randkontrast erkl\u00e4rt zwar wrohl, warum im Falle des objektiv weifsen Streifens die R\u00e4nder, wie wirklich der Fall ist, hell erscheinen, macht aber doch nicht die Dunkelheit in der Mitte verst\u00e4ndlich. Denn diese Dunkelheit besteht ja nicht nur relativ zu den hellen R\u00e4ndern des Streifens, sondern, eine geeignete Beleuchtung vorausgesetzt, auch beim Vergleich mit dem weifsen Papiergrund, der ringsum die ganze Abbildung umgibt. Man braucht die Abbildung nur ein wenig mit der Hand zu beschatten, so sieht man, dafs tats\u00e4chlich der zentrale Streifen das weifse Papier, auf dem die Abbildung sich befindet, an Dunkelheit entschieden \u00fcberbietet.\nEs m\u00fcfste also eine weitere Annahme hinzugef\u00fcgt werden. Man m\u00fcfste annehmen, dafs die Irradiation in unserem Fall der-mafsen stark in die Erscheinung tritt, dafs eine merkliche Heilig-keitsverminderung sogar in der Mitte des weifsen Streifens noch besteht, w\u00e4hrend die Randpartien gleichzeitig durch Kontrast aufgehellt wurden. Aber erstens sind die Beobachtungen, von denen wir sprechen, alle bei diffuser Beleuchtung an Papierfl\u00e4chen angestellt worden, die es von vornherein nicht wahrscheinlich machen, dafs die Irradiation bei angemessener Akkommodation irgendwie merklich ins Gewicht f\u00e4llt. Zweitens ist","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n267\nausdr\u00fccklich hervorgehoben worden, dafs die Sichtbarkeit des grauen zentralen Streifens zunimmt, wenn \u2014 innerhalb gewisser Grenzen \u2014 die allgemeine Beleuchtung nachl\u00e4fst, und umgekehrt schwerer zu beobachten ist oder \u00fcberhaupt verschwindet, wenn der objektiv weifse Streifen von den umgebenden schwarzen Fl\u00e4chen in starkem Kontraste absticht. Schliefslich l\u00e4fst sich die Erscheinung sehr gut auch an objektiv grauen Streifen beobachten, die sich durch keinen besonders grofsen Helligkeitsunterschied von ihrer Umgebung abheben. So habe ich die beiden einzelstehenden grauen Streifen der Abbildung 6 auf weifsem und auf schwarzem Grunde verschiedenen Personen vorgelegt, die von dem Ziel der Untersuchung nicht das geringste wufsten und jeder Besch\u00e4ftigung mit optischen Dingen \u00fcberhaupt fernstanden, mit der Frage, was ihnen an den Streifen auffalle, und wurde sofort, wenigstens bei vertikaler Lage der Streifen (vgl. S. 301), auf die dunkle bzw. helle Linie, die in der Mitte des Streifens sich hinzieht, verwiesen.\nDafs die Erscheinung auch nicht einfach als Wirkung der simultanen Lichtinduktion, so wie uns dieselbe von Heeing beschrieben wird 1, betrachtet werden kann, ist ebenfalls im vorausgehenden schon angedeutet worden : die simultane Lichtinduktion hat nach Heeing eine l\u00e4nger dauernde Einwirkung der Farb-reize, also ein starres Fixieren zur Voraussetzung, w\u00e4hrend der zentrale Streifen, von dem wir sprechen, \u00e4hnlich dem Randkontrast sofort und gleichg\u00fcltig, ob wir fixieren oder die Augen bewegen, in die Erscheinung tritt. Zudem macht sich die simultane Induktion nach Heeing haupts\u00e4chlich an den R\u00e4ndern der aneinanderstofsenden Farbfl\u00e4chen geltend, w\u00e4hrend unser Streifen, der Induktionsstreifen, wie wir sagen wollen, l\u00e4ngs der Mittellinie der schmalen Fl\u00e4che und gleichzeitig mit der Phase des Kontrastes erscheint, also vermutlich einem fr\u00fcheren Moment im Ablauf des Farbenerregungsvorganges entstammt.\nVielleicht aber f\u00fchrt folgende Vorstellung zum Verst\u00e4ndnis der Erscheinung.\nEs w\u00e4re denkbar, dafs an der Grenze zweier Farbfl\u00e4chen auf diejenige Zone, welche durch das Vorherrschen von Randkontrast charakterisiert ist, eine zweite Zone von unbestimmter\n1 E. Hering, Zur Lehre vom Lichtsinne. Sitzungsberichte der Wiener Akademie. Mathem-naturwiss. Klasse 66\u201470 (Jahrg. 1872\u20141874). \u00a7\u00a7 15\u201417.","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268\nA. Prandtl\nAusdehnung folgt, in der umgekehrt die Tendenz herrscht, die Farbe, welche den Kontrast hervorrief, noch ein zweites Mal schwach zur Geltung zu bringen. F\u00fcr gew\u00f6hnlich w\u00fcrde die Erscheinung unbemerkt bleiben, bei schmalen Streifen aber, wo der Prozefs von zwei Seiten her gleichzeitig erfolgt und eine Summation demnach eintritt, unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden auch die M\u00f6glichkeit der Wahrnehmung gestatten. Die Auffassung w\u00e4re nicht neu, da Plateau bereits eine \u00e4hnliche Vorstellung \u00fcber die r\u00e4umliche Anordnung der Erregungsvorg\u00e4nge beim Farbensehen hatte, und d\u00fcrfte heutzutage noch weniger als zu Plateaus Zeiten befremden, da insbesondere die Untersuchungen von Hess uns gelehrt haben, dafs auch zeitlich das Sehen, wenigstens bei kurzdauernden Reizen, sich nicht in einem glatten An- bzw. Abstieg, sondern phasisch unter einem wellenartigen Sichheben und Senken vollzieht.\nDie Erfahrung, auf welche Plateau seine Anschauung st\u00fctzte, wird von ihm selber folgendermafsen beschrieben : \u201eMan bringe zwischen Fenster und Auge ein Blatt rotes Papier an, und halte in einem gewissen Abstand vor dem Blatt einen etwa 10\u201412 mm breiten Streif weifser Pappe. Sind nun die Lagen des roten Papiers, des weifsen Streifens und des Auges zweckm\u00e4fsig gew\u00e4hlt, so werden die R\u00e4nder des weifsen Streifens gr\u00fcn erscheinen und der mittlere Teil desselben sich sehr schwach, aber vollkommen sichtlich rot f\u00e4rben.\u201c 1\nBei dem Versuch, die beschriebene Anordnung zu wiederholen, ist es mir indes nicht gelungen, die gleichen Wahrnehmungen zu machen, welche Plateau hier angibt. Bei Streifen von der oben genannten Breite (10\u201412 mm) zeigt die Mitte nicht die charakteristische induktive F\u00e4rbung, sondern erst nach einiger Zeit \u00fcberzieht sich der ganze Streifen infolge der eintretenden Erm\u00fcdung gleichm\u00e4fsig mit der Farbe der angrenzenden Fl\u00e4chen. Wenn man dabei den Streifen mit der Hand h\u00e4lt, wie es bei Plateau offenbar der Fall war, und die Hand kleine, unwillk\u00fcrliche Bewegungen ausf\u00fchrt, so mufs an den R\u00e4ndern nat\u00fcrlich Kontrastf\u00e4rbung auftreten und demnach ein \u00e4hnliches Gesamtbild entstehen, wie es bei unbewegten, schmalen Streifen die Induktionswirkung gleich im ersten Augenblick der Be-\n1 Plateau, \u00dcber das Ph\u00e4nomen der zuf\u00e4lligen Farben. Poggendorfs Annalen 32, S. 551. 1834.","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n269\ntrachtung bewirkt. Plateaus Versuch d\u00fcrfte also wenig beweisen im Sinn der von ihm auf gestellten These.1\nWenn mir demnach ein Zusammenhang der Angaben Plateaus mit den oben beschriebenen Erscheinungen fragw\u00fcrdig zu sein scheint, so glaube ich andererseits eine gewisse Best\u00e4tigung meiner Beobachtungen in einem bekannten von Hess beschriebenen Versuch zu erblicken.2 Um das Abklingen einer kurzdauernden Netzhauterregung zu beobachten, bewegte er eine horizontale, m\u00e4fsig helle, rotgelbe Leuchtlinie, die in der Mitte eine Unterbrechung von 5 mm L\u00e4nge aufwies, in einem Abstand von etwa 30\u201450 cm vor dem Auge. Die von dem rotgelben Reizlicht \u00fcberstrichenen Fl\u00e4chen ergaben demnach in dem verdunkelten Raum eine \u00e4hnliche Anordnung, wie wir sie in den vorausgehend angegebenen Mustern verwirklicht haben : zwei schwach leuchtende Fl\u00e4chen mit einem schmalen, dunklen Streifen zwischen ihnen.\nDie Farbenerscheinungen, welche Hess dabei feststellte, sind in Abbildung 2 (S. 303) in roh schematischer Weise wiedergegeben, indem das prim\u00e4re Licht und die ihm gleichfarbigen Nachbilder durch horizontale Strichlagen, die gegenfarbigen Nachbilder durch vertikale Striche angedeutet sind; in den leeren, durch keine Striche bezeichneten Intervallen herrschten dunkle Phasen.\nWas nun an diesen Erscheinungen uns vor allem auff\u00e4llt, das sind die Farben, die in dem vertikalen, objektiv dunklen Streifen sich zeigten : ein dem rotgelben prim\u00e4ren Licht gleich-\n1\tDie Angaben von E. Br\u00fccke, Untersuchungen \u00fcber subjektive Farben.\nPoggendorfs Annalen 84, S. 424.\t1851. H Aubert, Physiologie der Netzhaut,\nS. 385 f. 1865 und H. von Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik. 2. Aufl. S. 555, welche \u00e4hnliche Beobachtungen mit farbigen Gl\u00e4sern im durchfallenden Lichte machten, wenn vor diese eine kleine schwarze Scheibe gehalten wird, sind nicht entscheidend f\u00fcr die Existenz einer gleichfarbigen Induktion zu gebrauchen, da bei der gr\u00f6fseren Intensit\u00e4t des hier verwendeten Lichtes an die Wirkung von Irradiation im Verein mit Randkontrast gedacht werden mufs. Vgl. den Nachweis der Irradiation im gleichen Fall bei H. Kuhnt, \u00dcber farbige Lichtinduktion. Gr\u00e4fes Archiv f. Ophthalmologie 27, Abt. Ill, S. 22.\t1881. Andererseits aber darf vielleicht\nin Erinnerung gebracht werden, dafs H. Pretori und M. Sachs einen schwarzen Streifen (Breite 17 mm, Entfernung vom Auge 1,5 m) auf farbigem Papi ergr\u00fcnd schwach in der Farbe dieses Grundes get\u00f6nt sahen, da die Wirkung der Irradiation hier kaum sehr merkbar sein konnte. (Messende Untersuchungen des farbigen Simultankontrastes. Pfl\u00fcgers Archiv 60. 1895.)\n2\tC. Hess, Zur Kenntnis des Ablaufs der Erregung im Sehorgan. Zeitschr. f. Psychologie 27. 1902.","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nA. Prandtl\nartiger Fleck (von Hess \u201eKopf\u201c genannt), der anftritt, noch ehe das gegenfarbige Nachbild einsetzt, und an ihn anschliefsend ein Schweif in der Kontrastfarbe (von Hess \u201eKomet\u201c genannt). Es wird keine allzu k\u00fchne Annahme sein, die wir machen, wenn wir den gleichfarbigen \u201eKopf\u201c zu dem zentralen gleichfarbigen Strich in Beziehung setzen, der in unseren Streifenmustern, wie wir gesehen haben, eine so charakteristische Erscheinung ist.1\nDafs dieser zentrale Strich am Streifen auf andersfarbigem Grund nicht einfach als simultane Induktion anzusprechen ist, in dem Sinne, wie sie Hering beschreibt, ist bereits betont worden. Andererseits mufs aber doch hervorgehoben werden, dafs trotzdem zweifellos ein Zusammenhang damit besteht. Beobachtet man z. B. einen schmalen, objektiv weifsen Streifen auf schwarzem Grund w\u00e4hrend einiger Zeit, indem man einen bestimmten Punkt dabei fixiert, so l\u00e4fst sich h\u00e4ufig wahrnehmen, wie der Strich an Breite zunimmt oder den Charakter des Strichartigen g\u00e4nzlich einb\u00fcfst, w\u00e4hrend gleichzeitig der Streifen in seiner ganzen Breite zusehends dunkler wird. So w\u00e4re der zentrale Strich vielleicht als erster Anfang der simultanen Induktion zu deuten und von dem von Hering so bezeichneten Vorgang nur dadurch verschieden, dafs er noch nicht die Ausdehnung der voll entwickelten Erscheinung aufweist und demnach auch r\u00e4umlich anders beschaffen ist: die T\u00f6nung in der Farbe des angrenzenden Feldes beginnt in einer Zone, die jenseits der Zone des Randkontrastes liegt, um aber in demselben Mafs, in wTelchem die Kontrastwirkung aufh\u00f6rt, allm\u00e4hlich den ganzen Raum, mit Vorzug jedoch die Randpartien in ihm zu erf\u00fcllen.2\n1\tVgl. F. W. Fr\u00f6hlich, Zur Analyse des Licht- und Farbenkontrasts. Zeitschr. f. Sinnesphysiologie 52, 1921, der die Erscheinung allerdings auf Irradiation zur\u00fcckf\u00fchrt. \u2014 Noch auf einen anderen Versuch von Hess ist hier zu verweisen, welcher zeigt, dafs bei Reiz\u00e4nderungen unter Umst\u00e4nden auch r\u00e4umlich die Farbenerscheinungen eine phasenartige Struktur aufweisen: 0. Hess, Untersuchungen zur Lehre von der Wechselwirkung der Sehfeldstellen. Pfl\u00fcgers Archiv 179, S. 61. 1920.\n2\tDie herrschende Ansicht ist der Annahme einer gleichsinnigen Induktion in dem oben angegebenen Sinn wenig g\u00fcnstig. Siehe A. v. Tschermak, \u00dcber Kontrast und Irradiation. Ergebnisse der Physiologie. Bd. 2. 1903. Dafs beispielsweise aneinander grenzende kleine Farbfl\u00e4chen sich gegenseitig angleichen, sowie ihr Gesichtswinkel unter eine bestimmte Grenze herabgeht, und demnach eine Mischung benachbarter, wenig ausgedehnter","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usiv.\n271\n\u00a7 2. Parallele Streifen auf andersfarbigem Grund\nAbbildung 3 (Seite 303) zeigt uns links eine Gruppe schwarzer Streifen auf weifsem Grund, rechts einen einzelnen Streifen, der hinsichtlich seiner objektiven Beschaffenheit, haupts\u00e4chlich was Breite und Dunkelheit der Farbe betrifft, jenen anderen Streifen vollst\u00e4ndig gleich ist. Und doch scheint er, dar\u00fcber herrscht wohl kein Zweifel, dunkler und deutlicher als jener Komplex von parallelen Streifen. Diese sind in h\u00f6herem Grad durch das Weifs des angrenzenden Papiergrundes beeinflufst, die Induktion kommt bei ihnen st\u00e4rker zur Geltung.\nAuch sonst zeigen sich in dem Parallelenkomplex Erscheinungen, die man an dem einzelnen Streifen nicht findet. Sieht man mit starrer Fixation eines bestimmten Punktes, z. B. des Mittelpunktes des mittleren weifsen Intervalles auf das Muster, so wird sofort, wenn man zu fixieren beginnt, eine Verwandlung in seinem Aussehen bemerkbar. Zun\u00e4chst ist das objektiv weifse Intervall, auf das wir fixierend unseren Blick richten, von grauem Licht \u00fcberflutet, das von den angrenzenden objektiv schwarzen Streifen einbricht, in der Mitte evtl, zu einem Induktionsstreifen verdichtet. Oft l\u00e4fst der Kontrast die R\u00e4nder als besonders helle Partien hervortreten. Im \u00fcbrigen sind die Erscheinungen stark von der jeweils herrschenden Beleuchtung abh\u00e4ngig, die den Kontrast verst\u00e4rken oder abschw\u00e4chen und damit den ganzen Vorgang betr\u00e4chtlich ver\u00e4ndern kann. Immer aber sieht man, wie in k\u00fcrzester Zeit schon eine gewisse Umschichtung des grauen\nFarbreize eintritt, ist eine bekannte Erscheinung ; aber hier ist denkbar, dafs die gleichfarbige Beeinflussung schon rein physikalisch durch Irradiation zustande gebracht wird, so dafs Versuche wie die von K. Birch-Reichenwald Aars nichts Entscheidendes zugunsten einer Induktionswirkung beweisen. (Untersuchungen \u00fcber Farbeninduktion. Skrifter udgivne af Videnskabselskabet i Christiania 1895. Mathem.-naturwissensch. Klasse. \u00dcber Farbenmischung im Auge, ebenda Jahrg. 1897. \u00dcber Farben-synkrasie. 8. internat. Kongrefs f\u00fcr Psychologie (1896) 1897. S. 188. In vorliegender Arbeit soll die Aufmerksamkeit dagegen auf F\u00e4lle gelenkt werden, die eindeutig nur auf eine physiologisch bedingte Angleichung benachbarter Farbfl\u00e4chen hinweisen, und es sind daher die eben ber\u00fchrten Probleme der Assimilation und Verschmelzung bei kleinstem Sehwinkel gar nicht in den Bereich unserer Betrachtungen miteinbezogen worden. Auch alle Angleichungserscheinungen, die irgenwie auf \u201ekollektiver Auffassung\u201c (G. E. M\u00fcller) oder \u201eGestaltauffassung\u201c (W. Fuchs, Gelb und Granit) beruhen, m\u00fcssen hier unber\u00fccksichtigt bleiben.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\nA. Prandtl\nLichtes in dem objektiv weifsen Intervall eintritt, nachdem es im ersten Augenblick dieses der L\u00e4nge nach gleichm\u00e4fsig erf\u00fcllt hat. Es bricht in eine Anzahl von Schollen gewissermafsen auseinander, indem \u00fcbereinander besonders dunkle Flecke hervortreten, die durch hellere Partien voneinander getrennt sind. Gleichzeitig bemerkt man, dafs in den Nachbarintervallen genau derselbe Prozefs vor sich geht, in einer Weise jedoch, dafs sichtlich ein Zusammenhang zwischen allen diesen Prozessen besteht. Die Lage eines grauen Fleckes ist immer von den Lagen der grauen Flecke in den n\u00e4chstbefindlichen Intervallen abh\u00e4ngig, so, dafs sich diese zu breiten Streifen ordnen, die transversal \u00fcber das ganze Muster hinweggehen. In gleicher Weise schliefsen sich auch die helleren Stellen aneinander und der ganze Parallelenkomplex gewinnt so ein streifiges, fleckiges Aussehen. \u00dcber die Zahl der Streifen, die sich bilden, und die genauere Richtung, die sie einschlagen, wird kaum N\u00e4heres zu ermitteln sein: der \u201eZufall\u201c spielt hier offenbar eine grofse Rolle.\nDafs f\u00fcr das Ausmafs, in dem sich die induktive Durchdringung in der geschilderten Weise bei parallel geh\u00e4uften Streifen entwickelt, die Breite der Streifen nicht ohne Bedeutung ist, l\u00e4fst sich von vornherein annehmen. So sind in Abbildung 4 a, b und c drei Muster nebeneinander gestellt, die, bei konstant gehaltener Breite der schwarzen Streifen, in der Breite der weifsen Streifen voneinander differieren und eben damit, wie man sieht, verschiedene Helligkeitseffekte bedingen. Was zun\u00e4chst die weifsen Streifen in den Mustern betrifft, so zeigt sich bei a das Weifs derselben zweifellos am st\u00e4rksten vergraut, weniger stark bei b, und bei c ist der Unterschied der Helligkeit gegen\u00fcber dem Papiergrund, der aufsen die Figur rings umgibt, so gering, dafs man zweifeln kann, ob \u00fcberhaupt irgendein Unterschied besteht. Wieder ist es wichtig, wie schon fr\u00fcher gesagt wurde, dafs man die Abbildungen bei nicht zu heller Beleuchtung ansieht und die n\u00f6tige D\u00e4mpfung evtl, durch Vorhalten der Hand herstellt.\nBetrachten wir dann das Schwarz der vertikalen Striche, die auf dem weifsen Papier gezogen sind, so ist es vielleicht nicht immer leicht zu entscheiden, ob es bei a oder bei b dunkler wirkt. Doch haben verschiedene Beobachter, denen die Abbildungen vorgelegt wurden (in schwarzer Tusche auf weifsem Karton gezeichnet), die vertikalen Striche bei a als dunkler be-","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n273\nurteilt. Andererseits ist sicher, dafs sie bei c dunkler als bei b sind. Nat\u00fcrlich mufs mit der Verdunkelung, welche das Weifs durch Induktion erf\u00e4hrt, auf der anderen Seite eine Aufhellung des Schwarz Hand in Hand gehen und wenn das Weifs bei c zweifellos am wenigsten durch Induktion verf\u00e4rbt ist, so ist es begreiflich, wenn auch das Schwarz hier am tiefsten erscheint und bei b entsprechend der st\u00e4rkeren Vergrauung der weifsen Fl\u00e4chen sich merklich heller darstellt. Der Umstand schliefslich, dafs bei a die Schw\u00e4rze der Striche f\u00fcr einzelne Beobachter gegen\u00fcber b wieder zunimmt, mufs wohl auf Kontrastwirkung zur\u00fcckgef\u00fchrt werden: w\u00fcrde die Schwarzerregung im gleichen Umfang wie bei b in die schmalen, objektiv weifsen Fl\u00e4chen einbrechen, so m\u00fcfsten diese ann\u00e4hernd so dunkel wie die schwarzen Striche selber erscheinen und das ganze Muster w\u00e4re ann\u00e4hernd eine homogen dunkle Fl\u00e4che. Andererseits ist klar, dafs die Helligkeit der beiden alternierenden Streifen auch nicht blofs von dem Kontrastgesetz abh\u00e4ngt. Denn tats\u00e4chlich ist der objektiv weifse Grund, wie jederzeit ein Blick auf das Papier aufserhalb der Abbildung beweist, bei a nicht nur, sondern auch bei b und sogar, je nachdem, bei c noch verdunkelt. Es handelt sich bei Kontrast und Induktion um zwei Prozesse, die miteinander gleichzeitig ablaufen, um nur die Resultante jeweils sichtbar hervortreten zu lassen.\nUm die geschilderten Verh\u00e4ltnisse sinnf\u00e4lliger zu machen, haben wir in jedem der drei Muster einen horizontalen Querstrich angebracht, der genau dieselbe Dicke besitzt wie die vertikalen Striche. Was es mit diesem Querstrich f\u00fcr eine Bewandtnis hat, soll ausf\u00fchrlich noch im folgenden Paragraphen er\u00f6rtert werden. Zun\u00e4chst f\u00e4llt jedenfalls auf, dafs er in allen drei F\u00e4llen deutlich schw\u00e4rzer als die vertikalen Linien ist und zwar diese an Schw\u00e4rze am st\u00e4rksten im Falle von a \u00fcbertrifft, worauf mit einem ebenfalls sehr deutlichen Unterschied b und schliefslich c kommt. Wir k\u00f6nnen den horizontalen Querstrich somit zur Kontrolle unserer vorher gemachten Feststellungen benutzen und bemerken jetzt insbesondere, dafs auch die vertikalen Striche bei c, die uns eben noch am schw\u00e4rzesten von den Strichen in den drei Mustern vorkamen, doch ebenfalls schon ganz erheblich durch den Einflufs der umgebenden weifsen\nFl\u00e4chen aufgehellt sind.\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 58.","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\nA. Prandtl\nDabei mufs beachtet werden, dafs nat\u00fcrlich auch die horizontalen Linien selber dem Vorgang der Induktion ausgesetzt sind und in verschiedenem Grad bereits einer Aufhellung unterliegen, je nachdem sie eine gr\u00f6fsere oder kleinere weifse Fl\u00e4che umgibt. So erkl\u00e4rt es sich vielleicht, dafs die vertikalen Linien bei a, obwohl nach dem Urteil einiger Beobachter dunkler als diejenigen des Musters b, dennoch sich st\u00e4rker von der Schw\u00e4rze des horizontalen Striches hier abheben, als im Falle von b zu beobachten ist. Andererseits mufs, um die Induktionswirkung bei den Vertikalen von c richtig zu beurteilen, dem Umstande Rechnung getragen werden, dafs hier die Horizontale, obwohl entschieden dunkler als die Vertikalen dennoch ihrerseits am st\u00e4rksten unter den Horizontalen der drei Muster aufgehellt sein mufs.\nWir m\u00fcssen wegen des Gebrauchs, den wir von dem horizontalen Striche gemacht haben, hier noch eine Bemerkung anf\u00fcgen. Bekannt ist, dafs die optimalen Akkommodationsweiten f\u00fcr vertikale und f\u00fcr horizontale Striche bei den meisten Augen nicht gleich sind, indem bei bequemer Akkommodation f\u00fcr nahe gelegene Objekte die Vertikalen meist sch\u00e4rfer, also auch schw\u00e4rzer erscheinen als die Horizontalen, die ihrerseits verschwommener und verblafster aussehen und n\u00e4her an das Auge heranzubringen sind, um ebenfalls maximale Sch\u00e4rfe zu erhalten. Zeichnet man sich also auf ein Blatt Papier nebeneinander horizontale und vertikale Strichlagen, so wird die Abbildung um einen bestimmten Betrag gedreht werden m\u00fcssen, damit beide zugleich in derselben Sch\u00e4rfe und Dunkelheit sich darstellen. In der Regel wird diese Lage bei einer Drehung von ungef\u00e4hr 45\u00b0 erreicht sein. Um demnach korrekt zu verfahren, m\u00fcssen auch unsere drei Muster (Abb. 4) zun\u00e4chst in diese Lage gebracht werden, wenn wir \u00fcber die Schw\u00e4rze der vertikalen und horizontalen Linien ein zutreffendes Urteil abgeben wollen. Tun wir dies aber, so wird die induktive Aufhellung, welche die Vertikalen unter dem Einflufs der weifsen angrenzenden Fl\u00e4chen aufweisen, sich noch deutlicher als bei unserer ersten Betrachtung darstellen, da bei dieser die horizontalen Querstriche selber schon durch eine mangelhafte Akkommodation nicht unerheblich aufgehellt waren.\nWir bemerken, dafs alle Figuren, von denen im folgenden zu sprechen sein wird, soweit darin neben vertikalen Linien auch","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n275\nhorizontale auf ihre F\u00e4rbung hin zu beurteilen sind, immer in der hier angegebenen Weise betrachtet werden m\u00fcssen, so dafs die Deutlichkeitsunterschiede, die der regul\u00e4re Astigmatismus \u2014 zum Unterschied von Induktionseinfl\u00fcssen \u2014 bedingt, eben damit wieder aufgehoben werden.\nDie vorangehenden Beobachtungen an parallelen Streifen haben ergeben, dafs das Mafs der gegenseitigen induktiven Durchdringung in bestimmter Weise von der Breite der Streifen abh\u00e4ngt: wenn die Breite zunimmt, so wird die Induktionswirkung im allgemeinen geringer, d. h. die Streifen sondern sich sch\u00e4rfer voneinander in ihrer farbigen Bestimmtheit. Umgekehrt steigt das Mafs der induktiven Beeinflussung, wenn die Streifen in dichter Folge aneinander gereiht werden, ohne dafs jedoch dieser Einflufs immer proportional mit abnehmender Streifenbreite zun\u00e4hme, indem innerhalb eines bestimmten Bereichs besonders schmaler Streifen der Kontrast gegen\u00fcber der Tendenz eines induktiven Ausgleichs ein Gegengewicht bildet oder letztere unter Umst\u00e4nden sogar g\u00e4nzlich unterdr\u00fcckt. Dafs der Beleuchtungsst\u00e4rke dabei eine entscheidende Rolle zuf\u00e4llt, ist wiederholt gesagt worden.\nSo kl\u00e4rt sich nun auch die Beobachtung, die wir an den Anfang dieser Er\u00f6rterung gestellt haben: der einzeln stehende schwarze Streifen (Abb. 3) ist nicht in demselben Mafs wie der Komplex von parallel geh\u00e4uften, im \u00fcbrigen aber objektiv gleich beschaffenen Streifen einer induktiven Beeinflussung ausgesetzt, weil er von besonders breiten, andersfarbigen Fl\u00e4chen, welche hier der Papiergrund darstellt, beiderseits begrenzt wird. Beim Parallelenkomplex dagegen erscheint der Papiergrund zwischen den schwarzen Streifen selber in Gestalt von schmalen Streifen und man versteht nach dem Gesagten, dafs der Austausch der chromatischen Energien sich demnach hier soviel lebhafter vollzieht: alle die flimmernde Unruhe, das Auftreten von Flecken und quer verlaufenden, hellen und dunklen Streifen mufs als Ausdruck dieses hoch gesteigerten Vorganges aufgefafst werden.\nDa wir aber soeben den regul\u00e4ren Astigmatismus erw\u00e4hnt haben und zugeben mufsten, dafs gewisse Verf\u00e4rbungen, die an Linien und Streifen auf treten, unstreitig durch ihn verschuldet sind, so k\u00f6nnte m\u00f6glicherweise hier nochmals die Vermutung ankn\u00fcpfen, dafs \u00fcberhaupt die Erscheinungen einer gleichfarbigen","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nA. Prandtl\nDurchdringung nur durch eine ungenaue Abbildung auf der Netzhaut bedingt werden, zumal ja wohl unsere Akkommodation best\u00e4ndigen Schwankungen ausgesetzt ist und also nicht immer optimal sein kann. Dafs freilich das Zustandekommen des von uns sog. Induktionsstreifens damit nicht erkl\u00e4rt wird, glauben wir hinl\u00e4nglich im Vorausgehenden (S. 266 f.) gezeigt zu haben. Immerhin aber k\u00f6nnte man geneigt sein, wenigstens \u00fcberhaupt die farbige Beeinflussung, die aneinander grenzende Fl\u00e4chen aufeinander aus\u00fcben, auf diesen Umstand allein zur\u00fcckf\u00fchren zu wollen. Wir m\u00fcssen daher auf die Frage hier nochmals eingehen, ohne dafs wir fr\u00fcher Gesagtes dabei noch ein zweites Mal Vorbringen.\nIn erster Linie bildet der regul\u00e4re Astigmatismus selber das schwerwiegendste Argument gegen die Annahme einer ausschlaggebenden Irradiationswirkung. Denn wenn wir beispielsweise Muster c Abbildung 4 in vertikaler Lage betrachten, d. h. also ohne jene Drehung vorzunehmen, bei der die vertikalen und horizontalen Linien sich auf der Netzhaut mit gleicher Sch\u00e4rfe abbilden, so sind die Zerstreuungskreise f\u00fcr die horizontale Querlinie im allgemeinen gr\u00f6fser als f\u00fcr die vertikalen Linien und die letzteren m\u00fcfsten demnach sch\u00e4rfer und dunkler hervortreten als die Querlinie. Wenn umgekehrt die horizontale Querlinie dunkler und die vertikalen heller gef\u00e4rbt sind, so mufs dies notwendigerweise auf eine andere Ursache als Irradiation zur\u00fcckgef\u00fchrt werden. Auch die Kontrastwirkung kann den Unterschied in diesem Falle nicht bedingen, da wenigstens bei Muster c die Umst\u00e4nde sowohl bei der Horizontalen wie bei den Vertikalen f\u00fcr den Kontrast ungef\u00e4hr gleich g\u00fcnstig sind und dieser somit den durch den regul\u00e4ren Astigmatismus gesetzten Helligkeitsunterschied nicht allein schon ins Gegenteil umkehren kann.\nWir sahen aufserdem (Abb. 3), dafs ein einzelner schwarzer Streifen auf hellem Grunde sich dunkler darstellt als eine Gruppe solcher Streifen, wenn diese parallel in nicht zu grofsen Abst\u00e4nden aneinander gereiht sind. Die Irradiationswirkung vermag auch in diesem Fall den Unterschied nicht zu erkl\u00e4ren, da sie auf beiden Seiten ja genau dieselbe sein m\u00fcfste, oder wenn man schon annimmt, dafs die Voraussetzungen f\u00fcr die Wahrnehmbarkeit der Irradiation in unserem Fall \u00fcberhaupt g\u00fcnstige sind, auf der rechten Seite wegen der gr\u00f6fseren Ausdehnung der","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n277\nden schwarzen Streifen umgebenden weifsen Fl\u00e4che vielleicht sogar noch st\u00e4rker in die Augen fallen m\u00fcfste. Nimmt man andererseits noch die Kontrastwirkung zu Hilfe, so kann man zwar darauf hinweisen, dafs diese, wegen der gr\u00f6fseren Ausdehnung der weifsen Fl\u00e4che auf der rechten Seite, sich hier im Sinn einer dunkleren F\u00e4rbung des schwarzen Streifens geltend machen d\u00fcrfte; aber demgegen\u00fcber mufs bedacht werden, dafs auf der linken Seite wegen der gr\u00f6fseren Menge Schwarz, die hier sich findet, umgekehrt das Weifs der Zwischenr\u00e4ume zwischen den schwarzen Streifen vermutlich kontrastiv eine Steigerung erf\u00e4hrt, so dafs im Gesamteffekt also die schwarzen Streifen auf beiden Seiten ungef\u00e4hr in gleicher Dunkelheit erscheinen m\u00fcfsten.\nIn \u00e4hnlicher Weise zeigt auch Abbildung 5, dafs die Irradiation zur Erkl\u00e4rung der an unseren Parallelenmustern auftretenden Farb'enangleichungen in keiner Weise ausreicht. Man sieht in der linken und in der rechten H\u00e4lfte der Abbildung das n\u00e4mliche Streifenmuster, einmal auf schwarzem und einmal auf weifsem Grund. Die Farben der alternierenden Streifen sind auf beiden Seiten objektiv die gleichen, und aufserdem ist das Schwarz der schwarzen Streifen objektiv das gleiche wie dasjenige, aus dem das linke Umfeld besteht, und entsprechend ist auch alles in der Abbildung vorkommende Weifs von objektiv genau derselben Beschaffenheit. Wir wollen der Einfachheit halber das linke Streifenmuster (Infeld) a, das rechte b nennen.\nMan sieht zun\u00e4chst nun, dafs a als Ganzes heller als b ebenfalls als Ganzes genommen \u2014 ist, entsprechend der bekannten Erfahrung, dafs eine homogen graue, nicht allzusehr ausgedehnte Fl\u00e4che auf schwarzem Grunde aufgehellt, auf weifsem umgekehrt verdunkelt erscheint. Weiter aber sieht man, dafs in a nicht nur die weifsen Streifen, sondern ebenso die schwarzen entschieden heller als die entsprechenden Streifen in b sind, und umgekehrt in b nicht nur die schwarzen, sondern ebenso die weifsen Streifen eine gewisse Verdunkelung, wie sie im ganzen Muster herrscht, auf weisen.1\nOhne weiteres ist klar, dafs die Irradiation als Erkl\u00e4rungsprinzip diesem Sachverhalt gegen\u00fcber wiederum vollst\u00e4ndig ver-\n1 Wenn der Unterschied nicht sofort deutlich hervortntt, wird es gut sein, eine weniger hell beleuchtete Stelle im Zimmer aufzusuchen, oder die D\u00e4mmerung abzuwarten und dergleichen.","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nA. Prandtl\nsagen mufs. Denn sie mufs links und rechts ja vollkommen gleich sein, da auch die beiden Muster von derselben objektiven Beschaffenheit sind. Lediglich der Umstand, dafs das linke Muster beiderseits mit einem weifsen, das rechte mit einem schwarzen Streifen abschliefst, um innerhalb des umgebenden Feldes \u00fcberhaupt sichtbar zu sein, hat eine kleine Verschiedenheit in der Zahl der Streifen bedingt, indem links die weifsen, rechts die schwarzen Streifen je um eins in der \u00dcberzahl sind. Von irgendeiner Bedeutung, die hinsichtlich des Hell und Dunkel der einzelnen Streifen ins Gewicht fiele, wird der Umstand aber kaum sein.\nSo bliebe also, wenn man schon eine Induktion in dem von uns angegebenen Sinn nicht gelten lassen will, als einziger Faktor, von dem die Helligkeit der Farben subjektiv abh\u00e4ngt, allenfalls die Wirkung des Kontrastes zur Erkl\u00e4rung noch \u00fcbrig. Dieser aber mufs durch die Wirkung des grofsen Umfelds bei a das Weifs zun\u00e4chst in der Richtung einer gr\u00f6fseren Helligkeit, bei b das Schwarz in der Richtung eines besonders tiefen Dunkels beeinflussen, wie ja tats\u00e4chlich auch in beiden Mustern der Fall ist. Wenn der Helligkeitsgrad der Streifen aber ausschliefs-lich nur von der Kontrastwirkung und nicht auch von der induktiven Durchdringung abh\u00e4ngt, so m\u00fcfste weiterhin das besonders helle Weifs auf der linken Seite das Schwarz der schwarzen Streifen wiederum verdunkeln und auf der rechten Seite andererseits die gesteigerte Dunkelheit der schwarzen Streifen kontrastiv auf die weifsen Streifen wirken, \u2014 und der Endeffekt m\u00fcfste wohl der sein, dafs die beiden Muster und in ihnen die einander entsprechenden Streifen beil\u00e4ufig in der gleichen Helligkeit bzw. Dunkelheit erschienen. Es ist nat\u00fcrlich bei dem heutigen Stand der Forschung nicht m\u00f6glich, einerseits die Kontrastwirkung der beiden Umfelder, andererseits die der alternierenden, ineinander gelegenen Streifen gegeneinander abzuw\u00e4gen und quantitativ zu bestimmen. Wenn aber jene vermutlich durch ihre gr\u00f6fsere Ausdehnung eine st\u00e4rkere kontrastive Wirksamkeit entfalten, so haben diese ihrerseits den Vorteil der gr\u00f6fseren N\u00e4he voraus, und man darf also wohl annehmen, dafs die beiden Wirkungen einander beil\u00e4ufig aufwiegen d\u00fcrften. Auf keinen Fall aber d\u00fcrfte das Schwarz der schwarzen Streifen links sogar noch heller als das Umfeld oder das Weifs der weifsen Streifen rechts dunkler als die grofse umgebende Fl\u00e4che erscheinen, \u2014 wie","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n279\ntrotzdem aber, wie man sieht, der Fall ist: dies kann also nur durch die Wirksamkeit eines anderweitigen Vorgangs erkl\u00e4rt werden.\nSehr lehrreich sind auch Beobachtungen, die an Abbildung 6 anzustellen sind. Die Abbildung zeigt uns eine \u00e4hnliche Anordnung wie Abbildung 3 : eine Gruppe von grauen parallelen Streifen und einen einzelstehenden grauen Streifen, das eine Mal auf schwarzem, das andere Mal auf weifsem Grund. Die objektive Beschaffenheit der grauen Streifen ist \u00fcberall die gleiche.\nZun\u00e4chst zeigen die einzeln stehenden Streifen das bekannte durch Kontrast bestimmte Verhalten: der graue Streifen auf schwTarzem Grund erscheint heller als der gleiche graue Streifen, wenn er auf weifsem Grunde liegt. Andererseits ist aber kaum ein Zweifel, dafs die Streif en g r u p p e n dem Kontrastgesetz nicht folgen, sondern auf schwarzem Grund dunkler, auf hellem aber entschieden heller sind.\nGanz Analoges l\u00e4fst sich beobachten, wenn man anstatt der grauen Streifen irgendwie farbige nimmt.\nEs ist also klar, dafs dem Kontrast hier eine deutliche Grenze seiner Wirksamkeit gesetzt ist und es kann auch die Irradiation nach allem, was dar\u00fcber schon gesagt wurde, nicht mehr entscheidend daf\u00fcr ins Gewicht fallen, sondern nur durch die Annahme eines induktiven Ausgleichs wird das Verhalten der objektiv gleichartigen Streifen in unserer Abbildung verst\u00e4ndlich: die Induktion beim einzeln stehenden Streifen und bei der Gruppe parallel aneinander gereihter Streifen kann sich nicht in gleicher St\u00e4rke auswirken, weil dort der Streifen von breiten Fl\u00e4chen, dem schwarzen bzw. weifsen Grunde begrenzt wird, w\u00e4hrend hier sich zwischen die Streifen der Grund selber in Gestalt von schmalen schwarzen bzw. weifsen Streifen einschiebt. So mufs auch der Widerstand, der dem Kontrast entgegengesetzt wird, auf beiden Seiten verschieden stark ausfallen und kann dort einen Sieg des Kontrastes bedingen, w\u00e4hrend hier die Induktion den sinnf\u00e4llig werdenden Eindruck bestimmt. Nur die Resultante der beiden gegeneinander gerichteten Vorg\u00e4nge f\u00e4llt direkt in die Augen und scheint je nachdem Angleichung oder Kontrast zu bedeuten. In Wahrheit sind aber immer die bei den Kr\u00e4fte vorhanden und nebeneinander wirksam, wie auch im Falle des einzelnen, kontrastiv herausgehobenen Streifens, neben der Kontrast-","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nA. Prandtl\nWirkung eine induktive Durchdringung statthat, wof\u00fcr das Sichtbarwerden des \u201eInduktionsstreifens\u201c der deutliche Beweis ist.\nNat\u00fcrlich k\u00f6nnen unter Umst\u00e4nden die Helligkeitseffekte in dem Schema unserer Abbildung auch anders ausfallen, wenn man das St\u00e4rkeverh\u00e4ltnis zwischen Kontrast und Induktion entsprechend \u00e4ndert, z. B. dadurch, dafs man eine andere objektive Helligkeit f\u00fcr die Streifen der Abbildung w\u00e4hlt. So habe ich gefunden, dafs anstatt der Angleichung sich vielmehr Kontrast zeigt, wenn der Helligkeitsgrad der \u2014 grauen oder farbigen \u2014 Streifen entweder dem Schwarz des schwarzen Grundes bedeutend n\u00e4her steht als der Helligkeitsstufe der weifsen Fl\u00e4che oder aber umgekehrt ein erheblich mehr weifsliches als schw\u00e4rzliches Aussehen hat. Nur dann, wenn die Helligkeit der Streifen sich beil\u00e4ufig in der Mitte zwischen den Helligkeitsgraden der beiden Felder h\u00e4lt, scheint die Induktion die Oberhand \u00fcber den Kontrast zu behaupten und die an Abbildung 6 demonstrierte Umkehrung des Kontrasteffekts zu bedingen.\n\u00a7 3. Die F\u00e4rbung eines Streifens, der ein Parallelenmuster\nschneidet\nWir haben bereits von dem Fall gesprochen, wo ein Parallelenmuster von einem Streifen im rechten Winkel oder \u00fcberhaupt in schr\u00e4ger Verlaufsrichtung geschnitten wird. Die Parallelen zeigen dabei die Verf\u00e4rbung, wie sie durch den InduktionsVorgang bedingt wird, die Querlinie aber scheint, wenigstens beim ersten Blick, den man darauf wirft, wie unber\u00fchrt durch die Farbe der angrenzenden kl\u00e4chen (Abb. 7). Nat\u00fcrlich kommt zun\u00e4chst in Betracht, dafs die Induktion bei einem einzelnen Streifen auf andersfarbigem Grund nicht in der gleichen St\u00e4rke auftritt, wie wenn eine gr\u00f6fsere Anzahl gleicher Streifen parallel aneinander gereiht werden, \u2014 wie soeben ausf\u00fchrlich dargelegt wurde. Aufserdem k\u00f6nnte daran gedacht werden, dafs der Querstreifen, eben weil er die Parallelen schneidet, l\u00e4ngs eines gewissen Teils seiner Erstreckung nicht von dem hellen Grunde begrenzt wird und demnach hier, wie man wohl annehmen m\u00fcfste, auch keiner Beeinflussung von seiten dieser unterliegt.\nIndes l\u00e4fst sich zeigen, dafs die \u00dcberlegung nicht v\u00f6llig zutrifft, oder jedenfalls noch nicht das eigentlich Wesentliche des vorliegenden Sachverhalts ausspricht.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n281\nWir wollen zn diesem Zweck Abbildung 8 n\u00e4her ins Auge fassen, die in ihrer rechten H\u00e4lfte aus horizontalen parallelen Streifen, links abwechselnd aus horizontalen und vertikalen Parallelen besteht. Die Vertikalen stofsen nirgends direkt an die Horizontalen und sind in ihrer L\u00e4nge so bemessen, dafs die Summe der Einzell\u00e4ngen in je einer horizontalen Reihe genau der L\u00e4nge des horizontalen Streifens entspricht, der in der rechten H\u00e4lfte den gleichen Raum ausf\u00fcllt. Da aufserdem die Dicke und objektive F\u00e4rbung der Streifen in der ganzen Figur \u00fcberall vollst\u00e4ndig gleich ist, so folgt, dafs in der linken und in der rechten H\u00e4lfte genau dasselbe Mafs objektiven Dunkels neben derselben Menge eines objektiven Hell steht und die Chancen f\u00fcr die induktive Durchdringung, da eine gegenseitige Ber\u00fchrung der Streifen nirgends statt hat, auf beiden Seiten also ann\u00e4hernd die n\u00e4mlichen sind. Zwar sind die Abst\u00e4nde zwischen den horizontalen Parallelen links doppelt so grofs gehalten wie in der rechten H\u00e4lfte, was an sich eine Schw\u00e4chung des induktiven Vorgangs bedingen m\u00fcfste. Wenn aber in dieser Richtung das Weifs der Zwischenr\u00e4ume sonach nur wenig vergraut wird, so erliegt es andererseits in horizontaler Richtung noch ein zweites Mal einem vergrauenden Einflufs, der hier von den vertikalen kurzen Streifen ausgeht, so dafs insgesamt die eintretende Verdunkelung also ungef\u00e4hr in gleicher St\u00e4rke wie auf der rechten Seite ausfallen m\u00fcfste. Bei einer gleich starken Verdunkelung der objektiv weifsen Partien darf andererseits aber auch ein gleiches Mafs von Aufhellung der objektiv schwarzen Streifen auf beiden Seiten vorausgesetzt werden.\nUnd dennoch sieht man, dafs in der linken H\u00e4lfte das Schwarz entschieden dunkler, das Weifs heller als in der rechten H\u00e4lfte aussieht, wobei man nur darauf zu achten hat, dafs die Beleuchtung, bei der man die Figur betrachtet, nicht zu hell ist. Denn sonst beginnt die H\u00e4lfte mit den horizontalen Parallelen zu flimmern und das Urteil \u00fcber die F\u00e4rbung wird unsicher oder g\u00e4nzlich unm\u00f6glich. Andererseits bemerkt man, dafs die linke H\u00e4lfte \u00fcberhaupt nie flimmert, sondern immer deutlich und scharf bleibt, \u2014 eine Beobachtung, die an sich ebenfalls sehr interessant ist und zweifellos irgendwie zusammenh\u00e4ngt mit der dunkleren F\u00e4rbung in dieser H\u00e4lfte.\nWir k\u00f6nnen also sagen, dafs die Weifs- und die Schwarzerregung in der linken H\u00e4lfte beil\u00e4ufig auf die durch die geome-","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nA. Prandtl\nirische Bestimmtheit der objektiven Farben ihnen vorgegebenen Fl\u00e4chen beschr\u00e4nkt bleiben, w\u00e4hrend die rechte H\u00e4lfte alle Erscheinungen einer starken induktiven Durchdringung aufweist. Offenbar ist es die Einschiebung der vertikalen Querlinien, welche auf der linken Seite eine solche st\u00e4rkere, in die Augen fallende Wirksamkeit der Induktion inhibiert.\nAbgesehen von diesem Tats\u00e4chlichen, das unsere Abbildung aufweist, l\u00e4fst sie aber auch noch einiges hinsichtlich der Bedingungen erkennen, von denen dasselbe abh\u00e4ngt. Jedenfalls ist es eine merkw\u00fcrdige Erscheinung, dafs abgesehen von den horizontalen und vertikalen Streifen in der linken Abbildungsh\u00e4lfte hier noch ein drittes System von Linien besteht, dem freilich nichts Objektives im Muster selber entspricht. Man sieht deutlich : das Muster ist durchzogen von etwas diffusen, besonders hellen Streifen, die in diagonaler Richtung die Eckpunkte der einzelnen Rechtecke miteinander verbinden und wie ein Netz von feinen Spinnwebf\u00e4den \u00fcber die ganze Abbildung ausbreiten. Beachtung verdient, dafs in einem Rechteck nie die beiden Diagonalen gleichzeitig, sondern immer nur eine von ihnen hervortritt, und zwar in der Regel so, dafs sie in gleichem Zuge noch \u00fcber mehrere andere Rechtecke sich fortsetzt. Die Vorg\u00e4nge in benachbarten Rechtecken verlaufen demnach nicht unabh\u00e4ngig voneinander, sondern arbeiten zusammen im Sinne einer Tendenz, sich gegenseitig zu verst\u00e4rken, so dafs also gerade, durchgehende Linienz\u00fcge auf diese Weise sich bilden.\nWas den Ursprung dieser weifsen Spinnwebf\u00e4den anlangt, so wurzeln sie sichtlich an den besonders hellen Stellen, die sich da zeigen, wo ein vertikaler Streifen einem horizontalen Streifen sich n\u00e4hert und nur einen kleinen weifsen Raum zwischen sich und ihm frei l\u00e4fst. Man sieht, dafs es diese Kontraststellen sind, zwischen denen sich die Spinnwebf\u00e4den ausspannen, und so werden sie wohl auch als die Ursache f\u00fcr ihr Auftreten anzusehen sein. Offenbar sind sie beherrscht von dem Bestreben, sich in ihrer chromatischen Eigenart gegenseitig zu unterst\u00fctzen, und haben die Tendenz, sich l\u00e4ngs der k\u00fcrzesten Verbindungsstrecke aufeinander zu auszudehnen, womit eben die helleren Streifen oder \u201eSpinnwebf\u00e4den\u201c gegeben sind.1\n1 Es w\u00e4re hier die Frage aufzuwerfen, warum es zu einem solchen Zusammenschlufs der Kontraststellen nur in diagonaler, nicht auch in transversaler Kichtung l\u00e4ngs der horizontalen und vertikalen Parallelen","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usio.\n283\nWas nun aber den Umstand anlangt, dafs die Induktionstendenz in der linken H\u00e4lfte unserer Abbildung, wie wir gesehen haben, gehemmt ist d. h. die schwarzen Streifen, so wie sie objektiv sind, relativ schwarz l\u00e4fst, w\u00e4hrend in dem Parallelenmuster rechts die Farben ineinander fliefsen und die ganze Erscheinung voll flimmernder Unruhe ist, so k\u00f6nnte es sein, dafs die Kontraststellen und die zwischen ihnen sich ausdehnenden hellen F\u00e4den daran schuld sind. Es scheint, dafs die vorhandene Weifserregungsenergie sich vorzugsweise in dieser einen Richtung konzentriert und eben damit die induktive Bewegung, die \u00fcber die schwarzen und weifsen Abbildungsteile hinweggeht zu einem verh\u00e4ltnism\u00e4fsigen Stillstand gelangt. Denn wenn an den Kontraststellen und l\u00e4ngs ihrer diagonalen Verbindungslinien das Weifs an Helligkeit alles \u00fcbrige Weifs in den Rechtecken \u00fcberbietet, so scheint ph\u00e4nomenologisch diese Zusatzhelligkeit nicht einfach aus einem Nichts entsprungen, sondern aus dem Beh\u00e4ltnis gleichsam von Weifserregungsenergie gesch\u00f6pft, welches jedes einzelne Rechteck darstellt. Sammelt sich aber die vorhandene Weifserregungsenergie an ganz bestimmten Orten, so kann sie nicht auch gleichzeitig, der induktiven Tendenz folgend, sich \u00fcber die Bezirke der Schwarzerregung ausdehnen.\nWir haben die induktive Bewegung in Abbildung 8 durch die Einf\u00fchrung vertikaler Streifen neben den gegebenen horizontalen bis zu einem gewissen Grad beseitigt. Der gleiche Effekt l\u00e4fst sich aber auch auf anderem Weg noch erreichen.\nAbbildung 9 zeigt uns wieder einen Komplex von horizontalen parallelen Streifen, die aber nicht durch die ganze Breite der Abbildung sich hindurchziehen, sondern in regelm\u00e4fsigen Abst\u00e4nden durch L\u00fccken unterbrochen sind. Die Abbildung ist frei von Flimmern und m\u00e4fsig vergraut in den Intervallen zwischen den horizontalen Streifen. Dabei erscheint sie deutlich dreifarbig, indem neben dem Schwarz der Streifen und dem m\u00e4fsig vergrauten Weifs der Intervalle noch eine dritte Farbe hervortritt, ein besonders helles, silberig und past\u00f6s wirkendes Weifs an den Unterbrechungsstellen der Streifen. Zeichnet man sich die Abbildung in gr\u00f6fserem Mafsstab mit Tusche auf weifsem Grunde\nkommt. Doch d\u00fcrfte es schwer sein, die Frage ohne besondere ad hoc zu machende Annahmen zu erkl\u00e4ren, solange der ganze Tatsachenkomplex, um den es sich handelt, nicht genauer durchforscht ist, als in dieser ersten Beschreibung hier sein kann. Vgl. S. 296 ff.","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nA. Prandtl\n(vielleicht ist es gut, die Striche dann etwas d\u00fcnner zu nehmen), so l\u00e4fst sich aufserdem beobachten, dafs die Kontraststellen geometrisch sich keineswegs als blofse Fortsetzung der schwarzen Streifen darstellen, sondern vielmehr, wie unregelm\u00e4fsig geformte Tupfen oder Flecke aussehend, manchmal betr\u00e4chtlich \u00fcber die Streifenbreite in die objektiv weifsen Intervalle hineinreichen.\nMan wird kaum zweifeln k\u00f6nnen, dafs es auch hier die Kontraststellen sind, welche der induktiven Bewegung Einhalt gebieten, indem sie zu Anziehungsmittelpunkten f\u00fcr die Weifserregungsenergie werden, w\u00e4hrend andererseits die induktive Bewegung zu der St\u00e4rke des Kontrasteffekts an den Unterbrechungsstellen vielleicht auch nicht unwesentlich beitr\u00e4gt.\nAbweichend aber von dem Verhalten, das an Abbildung 8 zu konstatieren war, sind bei gew\u00f6hnlicher Betrachtung die Kontraststellen hier nicht durch \u201eSpinnwebf\u00e4den\u201c miteinander verbunden. Dafs trotzdem eine gewisse Kooperation auch zwischen ihnen statt hat, l\u00e4fst sich nachweisen, indem man nach kurzer Fixation des Musters das Nachbild beobachtet: man sieht dann in der Regel von den objektiv vorhandenen Bestandteilen der Abbildung zun\u00e4chst \u00fcberhaupt nichts, sondern daf\u00fcr ein System von schr\u00e4gen dunklen Linien, welche die k\u00fcrzesten Verbindungen der Kontrastflecke sind. Erst sp\u00e4ter werden gew\u00f6hnlich auch die Nachbilder der objektiven, horizontalen Streifen erkennbar.\nEtwas anders f\u00e4llt die Erscheinung aus, wenn man die Lage der Abbildung um ungef\u00e4hr 45 0 ver\u00e4ndert. Wenn die Kontraststellen bei der ersten Betrachtung wie hell leuchtende kleine Lichter aussahen, so sind diese Lichter jetzt merklich ged\u00e4mpft und man beobachtet gleichzeitig, namentlich im ersten Moment nach der Drehung, \u00e4ufserst zarte Striche, die die Unterbrechungsstellen miteinander verbinden, indem sie von einer Unterbrechungsstelle jeweils zu der n\u00e4chsten links \u00fcber ihr (bei der I. Lage) befindlichen L\u00fccke laufen. Es handelt sich wohl um \u201eSpinnwebf\u00e4den\u201c von \u00e4hnlicher Art wie bei Abbildung 8, nur dafs sie viel fl\u00fcchtiger und nicht so leicht wie diese zu beobachten sind.\nWas zun\u00e4chst die D\u00e4mpfung der eben genannten \u201eLichter\u201c betrifft, so steht sie sicher teilweise mit dem regul\u00e4ren Astigmatismus in Zusammenhang. Bei der I. Lage der Abbildung waren die L\u00fccken in den parallelen Streifen durch vertikale Linien begrenzt, f\u00fcr die in gew\u00f6hnlicher Sehweite die meisten Augen besser akkommodieren als f\u00fcr gleichzeitig sichtbare horizontale Linien:","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n285\nalso erschien die Grenze sch\u00e4rfer und beg\u00fcnstigte den Kontrast. Nach der Drehung von 45\u00b0 wurde die Akkommodation daf\u00fcr vermutlich schlechter und damit auch die Voraussetzung f\u00fcr das Auftreten der Kontrastwirkung. Dreht man dann noch weiter, so dafs die Parallelen jetzt vertikal stehen, so bleiben die \u201eLichter\u201c ged\u00e4mpft, leuchten aber sofort wieder auf, wenn man die Abbildung noch n\u00e4her ans Auge heranbringt und damit die f\u00fcr die horizontalen Linien g\u00fcnstigste Sehweite herstellt.\nIndem wir jetzt zur Betrachtung von Abbildung 7 zur\u00fcckkehren, so sind fr\u00fcher schon zwei Gr\u00fcnde genannt worden, die bewirken, dafs die vertikale Linie sich so auffallend dunkler als die parallelen Horizontalen darstellt: einmal der Umstand, dafs sie nicht im gleichen Mafse wie die Parallelen von weifser Fl\u00e4che begrenzt und daher auch nicht im gleichen Mafse wie diese einer induktiven Beeinflussung ausgesetzt ist; und dann der weitere, noch bedeutsamere Umstand, dafs die weifse Fl\u00e4che, welche den vertikalen schwarzen Streifen umgibt, nach links und nach rechts, wenigstens im Bereich der Abbildung, ohne eigentliche Grenze ist, w\u00e4hrend die horizontalen schwarzen Streifen durch schmale weifse Fl\u00e4chen begrenzt werden, die eine st\u00e4rkere Angleichung der alternierenden Farbfl\u00e4chen bedingen, als bei dem isolierten Streifen der Fall ist. Dafs aber der Helligkeitsunterschied der beiden Streifenarten damit noch nicht ersch\u00f6pfend erkl\u00e4rt ist, wird durch die Erscheinungen der Abbildung 8 zum mindesten nahegelegt.\nIn der Tat l\u00e4fst sich ein gewisser Zusammenhang damit leicht entdecken, wenn man den Parallelen einen gr\u00f6fseren Abstand als in Abbildung 7 gibt, so dafs die Kreuzungsstellen leichter als dort zu beobachten sind (Abb. 10). Man sieht dann, entgegen der Erwartung, die man zun\u00e4chst wohl hegen mufste, dafs diejenigen Strecken der Vertikalen, welche die weifsen Intervalle \u00fcberqueren, aufgehellt, die Kreuzungspunkte dagegen in tieferem Schwarz erscheinen w\u00fcrden \u2014, dafs umgekehrt an den letzteren ein heller Fleck auf tritt, die \u00fcbrigen Strecken aber ein betr\u00e4chtlich dunkleres Schwarz zeigen.\nEs liegt nahe, dafs diese hellen Flecke hinsichtlich der farbigen Erscheinung der objektiv schwarzen und weifsen Abbildungsteile eine \u00e4hnliche Polle wie die Kontraststellen in Abbildung 8 spielen und vermutlich eine Ansammlung von induziertem Licht sind, so wie zweifellos auch in Abbildung 8 die","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\nA. Pran\u00e0t\nKontrastwirkung der hellen Stellen teilweise durch Induktionsvorg\u00e4nge mitbedingt wird. Demnach werden also wohl auch in Abbildung 10 die hellen Flecke an den Kreuzungsstellen des vertikalen Streifens mit daran schuld sein, dafs die \u00fcbrigen Teile desselben durch Induktion so wenig tangiert scheinen. Wenn die induktive Bewegung auf die eine bestimmte Stelle konzentriert ist, k\u00f6nnen eben deswegen die \u00fcbrigen um so mehr unber\u00fchrt von ihr bleiben.\n\u00a7 4. Zwei Scharen sich schneidender paralleler Streifen\nAnstatt dafs nur eine vertikale Linie, wie in Abbildung 10 den Komplex der horizontalen Parallelen \u00fcberschneidet, ist in Abbildung 11 auch in vertikaler Richtung eine Schar von Parallelen gezogen, so dafs also ein regelm\u00e4fsig aus quadratischen Feldern sich zusammensetzendes Gitter entsteht.\nWir wollen die Abbildung zun\u00e4chst betrachten, so wie sie auf dem gerade gehaltenen Blatte sich darbietet, die eine Streifenlage in vertikaler, die andere in horizontaler Richtung. Dann beobachtet man zun\u00e4chst wieder an den Kreuzungsstellen die \u201eLichter\u201c, von denen im vorausgehenden schon die Rede gewesen ist. Die Deutlichkeit und Helligkeit derselben wird vermutlich von verschiedenen Umst\u00e4nden abh\u00e4ngen: von der Helligkeit des Papiergrunds und der Dunkelheit der Streifen, vor allem auch von der Dicke der Streifen. Wer auf die Erscheinung einmal aufmerksam geworden ist, vermag sie in der Gr\u00f6fse eines feinen Nadelstichs selbst bei ganz d\u00fcnnen sich schneidenden Geraden an den Schnittpunkten noch zu erkennen (vgl. z. B. Abb. 4). Andererseits wird sie schw\u00e4cher und bleibt schliefslich ganz aus, wenn man die Streifen dicker und dicker nimmt und die Ausdehnung der umschlossenen weifsen Quadrate daneben immer mehr zur\u00fccktritt.\nAufserdem aber sehen wir wieder \u201eSpinnwebf\u00e4den\u201c, die sich zwischen den Kreuzungsstellen der schwarzen Streifen ausspannen, ganz entsprechend den an Abbildung 8 zu machenden Beobachtungen: meist nur eine Diagonale, nicht beide Diagonalen in einem Quadrat gleichzeitig. Die beiden Enden scheinen heller als die Mitten der Diagonalen, woraus jedenfalls hervorgeht, dafs keine Superposition je zweier Spinnwebf\u00e4den eintritt: die Weifserregungsenergie konzentriert sich entweder in der einen oder in der anderen Richtung, die Mitte des von den schwarzen","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n287\nStreifen umrahmten Quadrats geniefst keine Bevorzugung. L\u00e4fst man die eine Streifenlage die andere in einem von 90\u00b0 abweichenden Winkel \u00fcberschneiden, so dafs das ganze Muster aus Rhomben besteht, so ist es leichter, die Spinnwebf\u00e4den in der k\u00fcrzeren als in der l\u00e4ngeren Diagonale zu sehen, obwohl auch in letzterer Richtung die Beobachtung unter Umst\u00e4nden nicht schwer f\u00e4llt.\n\u201eLichter\u201c sowohl wie \u201eSpinnwebf\u00e4den\u201c, namentlich aber die letzteren, wTerden schw\u00e4cher oder g\u00e4nzlich unsichtbar, sowie man unmittelbar den Blick darauf richtet; sie sind insbesondere im indirekten Sehen und namentlich im ersten Augenblick der Beobachtung oder nach vorausgegangener Augenbewegung sichtbar.\nIm \u00fcbrigen ist die Lichtverteilung in unserem Muster auch sonst nicht vollst\u00e4ndig regelm\u00e4fsig. Der Papiergrund erreicht kaum die Helligkeit der Partien, die aufserhalb der Abbildung gelegen sind; doch ist die zus\u00e4tzliche Dunkelheit, die sich findet, nicht gleichm\u00e4fsig \u00fcber das ganze Muster verbreitet, sondern erscheint hier und dort in Gestalt von verwaschenen grauen Flecken oder aber diffusen, breiten Streifen, neben denen wieder hellere Streifen hervortreten, die in diagonaler Richtung \u00fcber die ganze Abbildung hinweggehen und den Charakter jenes Flimmerlicht& zeigen, das wir bei einfachen Reihen paralleler Streifen bereits, freilich st\u00e4rker in die Erscheinung tretend, kennen gelernt haben. Auch bei unseren Gittermustern mit zwei Reihen paralleler Gerader ist die induktive Durchdringung also nicht vollkommen aufgehalten, obwohl merklich geschw\u00e4cht, verglichen mit dem Verhalten einfacher Parallelenreihen.\nWir m\u00f6chten in diesem Zusammenhang \u00fcbrigens noch auf eine Erscheinung hinweisen, die an einfachen Parallelenreihen zu beobachten ist und f\u00fcr die eben ber\u00fchrten Eigent\u00fcmlichkeiten von Gittern mit zwei Reihen sich schneidender Parallelen offenbar ebenfalls eine gewisse funktionale Bedeutung besitzt.\nBetrachtet man n\u00e4mlich einen Komplex einfacher, dicht aneinandergereihter paralleler Streifen, so wird nach einiger Zeit ein eigenartiges Bewegungsph\u00e4nomen sichtbar, indem ein feines Fluidum, ein schwer beschreibbares Etwas sich ungef\u00e4hr im rechten Winkel gegen die Richtung der Streifen bewegt. Wichtig ist es f\u00fcr den Eintritt der Erscheinung, dafs sich das Muster \u00fcber einen gr\u00f6fseren Teil des Sehfeldes ausdehnt, und vorteilhaft auch, wenn die Streifen und die Intervalle zwischen ihnen","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nA. Prandtl\nverh\u00e4ltnism\u00e4fsig schmal und ungef\u00e4hr von gleicher Breite sind. Im Nachbild zeigt sich das Ph\u00e4nomen meist noch deutlicher als w\u00e4hrend der direkten Betrachtung.1\nEs scheint eine naheliegende Annahme, dafs irgendein, freilich unbekannter Zusammenhang zwischen diesem Bewegungsph\u00e4nomen und den an Parallelenmustern sich zeigenden Induktionsvorg\u00e4ngen besteht, und es ist vielleicht eine gewisse Best\u00e4tigung daf\u00fcr, dafs das Ph\u00e4nomen nahezu ausbleibt, sowie man, wie in unserer Abbildung 11, unter einem Winkel von 90\u00b0 \u00fcber die Parallelen noch einen zweiten Komplex von Parallelen legt2, in welchem Fall ja auch die induktive Bewegung so merklich inhibiert wird. Es scheinen sonach die gleichen Umst\u00e4nde zu sein, welche die Induktion und jenes Bewegungsph\u00e4nomen beg\u00fcnstigen oder einschr\u00e4nken, und man wird daher wohl auch einen Zusammenhang zwischen beiden voraussetzen m\u00fcssen. Nach Rollett soll eine schwache Spur des Bewegungsph\u00e4nomens bei Gittern, deren St\u00e4be so breit wie die umschlossenen quadratischen Felder sind, noch l\u00e4ngs der Diagonalen und an den Kreuzungsstellen der Streifen zu finden sein, was vielleicht auf eine Beziehung zu unseren Spinnwebf\u00e4den und Lichtern hindeuten w\u00fcrde.\nIndem wir aber nun in der Betrachtung unseres Gittermusters (Abb. 11) wieder fortfahren, wollen wir die Lage desselben jetzt um 45\u00b0 ver\u00e4ndern, so dafs also von den beiden diagonalen Richtungen die eine zur Vertikalen, die andere zur Horizontalen wird. Es ist \u00fcberraschend, wie das Aussehen des Musters bei der Drehung sich verwandelt. Der Eindruck des Unruhigen, Fleckigen und Streifigen, der bei der ersten Lage konstatiert werden mulste, ist mit einem Schlag verschwunden und anstatt dessen erscheint eine klare, gleichm\u00e4fsig weifse Fl\u00e4che, von der sich die schwarzen Streifen deutlich und ohne Unruhe abheben. Die \u201eLichter\u201c an den Kreuzungsstellen sind auf einen kleinen, manchmal winzig kleinen Fleck reduziert, so dafs es gelegentlich aussehen kann, als seien sie \u00fcberhaupt ganz verschwunden. Daf\u00fcr sind die Spinnwebf\u00e4den jetzt dominierend,\n1\tA. von Szily, Erscheinungen am engen Streifenmuster. Sitzungsberichte d. Wiener Akademie. Mathem.-naturwiss. Klasse 121, III Abt. 1912. H. Rollett, \u00dcber ein subjektives optisches Ph\u00e4nomen bei der Betrachtung gestreifter Fl\u00e4chen. Zeitschr. f. Sinnesphysiologie 46. 1912.\n2\tH. Rollett, a. a. O., S. 209 ff.","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n289\nindem \u00fcber das ganze Gitter in diagonaler Richtung sich ein Netz von feinsten, scharf sich abhebenden Linien ausspannt.\nDie chromatischen Energien sind durch die Drehung also, wie es scheint, in anderer Weise verteilt worden. W\u00e4hrend bei der I. Lage die beiden konkurrierenden Farbenerregungen noch verh\u00e4ltnism\u00e4fsig stark einander durchdrangen, wof\u00fcr die grofse Ausdehnung und Helligkeit der Lichter an den Kreuzungsstellen, andererseits das fleckige und streifige Aussehen des ganzen Musters ein deutlicher Beweis war, hat sich bei der II. Lage eine reinlichere Scheidung der heterogenen Prozesse vollzogen: die objektiv weifsen Felder sind heller geworden und die Weifserregungsenergie hat sich l\u00e4ngs der Diagonalen konzentriert; andererseits ist innerhalb der schwarzen Streifen die Dunkelheit gestiegen und die Weifserregungsenergie hat sich auf einen minimalen Betrag an den Kreuzungsstellen reduziert.\nNat\u00fcrlich lassen sich die beschriebenen Erscheinungen, insbesondere das Auftreten der Lichter an den Kreuzungsstellen und die Spinnwebf\u00e4den sowie der Unterschied der beiden Lagen auch an farbigen Mustern beobachten. Man schneidet sich zu diesem Zweck aus farbigem Papier nach Art der Abbildung 11 ein Gitter, welches man \u00fcber eine entsprechende \u00d6ffnung in einem grofsen, m\u00f6glichst starken Karton klebt. Breitet man dann auf einen Tisch grofse farbige Papierbogen und h\u00e4lt in einigem Abstand den Karton mit dem Gitter dar\u00fcber, so kann man ohne M\u00fche die beliebigsten Farbenkombinationen herstellen, und, wenn man das Gitter verschieden gegen das Licht neigt, ohne weiteres auch diejenigen Helligkeitsstufen ermitteln, welche zur Erzielung der Spinnwebf\u00e4den und Lichter sich am wirksamsten erweisen. Als zweckm\u00e4fsig habe ich dabei f\u00fcr das Gitter folgende\nMafse gefunden: Seitenl\u00e4nge des ganzen Gitters 78 mm, Dicke\n\u2022 \u2022\nder St\u00e4be 1,5 mm, Seitenl\u00e4nge der quadratischen \u00d6ffnungen zwischen den St\u00e4ben 7 mm.\nWir begn\u00fcgen uns, da wir auf farbige Wiedergaben verzichten m\u00fcssen, als Beispiel der m\u00f6glichen Kombinationen wenigstens ein Gitter mit weifsen Streifen auf schwarzem Grunde zu zeigen (Abb. 12): die Spinnwebf\u00e4den sind zu tief schwarzen Linien geworden, die besonders in der II. Lage scharf hervortreten, und was wir bisher als Lichter bezeichnet haben, wird in Gestalt von dunklen Flecken an den Kreuzungsstellen der objektiv weifsen Streifen sichtbar. Es sei indes gestattet, dafs\nZeitschr. f. Sinnespliysiol. 58.\t20","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\nA. Prandtl\nwir den im vorausgehenden gew\u00e4hlten Sprachgebrauch trotzdem festhalten und die an den Kreuzungsstellen auftretenden Verf\u00e4rbungen, um einen kurzen Ausdruck zu haben, auch weiterhin wie bisher als Lichter bezeichnen.\nEs d\u00fcrfte wohl kaum einem Zweifel unterliegen : der ganze Gang unserer Betrachtungen dr\u00e4ngt zu der Auffassung, dafs die eben beschriebenen Erscheinungen von der gleichen Art wie die vorher behandelten Ph\u00e4nomene sind und auf die gleichen Kr\u00e4fte wie diese zur\u00fcckgef\u00fchrt werden m\u00fcssen : in erster Linie auf den Prozefs einer induktiven Durchdringung der aneinander grenzenden Farbfl\u00e4chen. Die herk\u00f6mmliche Erkl\u00e4rung, wenigstens was die Lichter anlangt, ist freilich eine andere gewesen, seitdem durch L. Hebmann erstmals auf die eigent\u00fcmlichen Flecke aufmerksam gemacht wurde, die an den Kreuzungsstellen von Gitterst\u00e4ben auf treten.* 1 * Die Spinn webf\u00e4den sind, soweit mir bekannt, \u00fcberhaupt noch von keiner Seite beachtet oder n\u00e4her beschrieben worden, so dafs auch die Erkl\u00e4rung der mit ihnen zweifellos zusammenh\u00e4ngenden Lichter kaum richtig ausfallen konnte.\nSo sagt z. B. Hebing, indem er sich ungef\u00e4hr an Hebmann anschliefst; ,,An jeder indirekt gesehenen Kreuzungsstelle zweier weifser Streifen erscheint bei bewegtem Blick ein sehr verwaschener, grauer Fleck, weil diese Stelle in viel umfassenderer Weise von gleich lichtstarken Teilen umgeben ist, als jede andere gleich grofse Stelle der weifsen Streifen/12 Die Erkl\u00e4rung l\u00e4uft also hinaus auf den sog. Binnenkontrast, d. h. auf die Behauptung , dafs in einer gr\u00f6fseren homogen gef\u00e4rbten Fl\u00e4che die zentral gelegenen Teile einem hemmenden, von den mehr peripher gelegenen feilen ausgehenden Einflufs unterliegen, so dafs die F\u00e4rbung bis zu einem gewissen Grad im Sinne der antagonistischen Erregung modifiziert wird, also Weifs demnach etwas dunkler, Schwarz etwas heller erscheint usw.3\nL. Hermann, Eine Erscheinung simultanen Kontrastes. Pfl\u00fcgers Archiv 3. 1870.\n1 E. Hering, Grundz\u00fcge der Lehre vom Lichtsinn. 1920. S. 139.\nSt. Blachowski, Studien \u00fcber den Binnenkontrast. Zeitschr. f\u00fcr Sinnesphysiologie 47. 1913, suchte die Tats\u00e4chlichkeit des Binnenkontrasts zu erweisen, indem er vor einem ausgebreiteten schwarzen Hintergrund an objektiv gleich hellen Scheiben von verschiedener Ausdehnung die Empfindlichkeit f\u00fcr Helligkeitsunterschiede bestimmte. Das Ergebnis war, dafs bei gr\u00f6fseren Scheiben die Empfindlichkeit eine feinere ist als\nbei weniger ausgedehnten Scheiben, aufserdem in der Mitte einer Scheibe","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\t291\nEs l\u00e4fst sich indes mit einer Reihe von Gr\u00fcnden dartnn, dafs diese Erkl\u00e4rung bei unseren Gittermustern unm\u00f6glich zutrifft und die Erscheinung sicher von ganz anderer Art ist.\nDenn vorausgesetzt, dafs der Binnenkontrast wirklich mehr als eine theoretische Konstruktion, n\u00e4mlich eine tats\u00e4chlich zu machende Beobachtung darstellt, so m\u00fcfste er noch deutlicher als an den objektiv schwarzen Kreuzungsstellen (wir wollen uns wieder an das Beispiel des schwarzen Gitters auf weifsem\nfeiner als am Rande derselben, und er glaubt daraus den Schlufs ableiten zu d\u00fcrfen, dafs die gr\u00f6fseren Scheiben, da sie offenbar weniger hell scheinen, durch Binnenkontrast verdunkelt sind. Von dem grofsen schwarzen Hintergrund soll nach Ansicht Blachowskis eine aufhellende Wirkung nicht ausgehen und von dieser Seite her also kein Unterschied in dem Aussehen der grofsen und kleinen Scheiben bedingt sein. \u201eErscheint . . . eine kleine Lichtfl\u00e4che auf einem Grunde, der ihr an Helligkeit nachsteht, heller als auf einem Grunde, der ihr helligkeitsgleich ist, so haben wir gar keinen Grund dies durch eine besondere aufhellende Wirkung des Kontrastes zu erkl\u00e4ren, sondern wir erkl\u00e4ren dieses Verhalten einfach daraus, dafs die kleine Lichtfl\u00e4che selbstverst\u00e4ndlich seitens des lichtschw\u00e4cheren Grundes eine geringere verdunkelnde Kontrastwirkung erf\u00e4hrt als seitens des helligkeitsgleichen Grundes\u201c (S. 329). \u2014 Man k\u00f6nnte selbstverst\u00e4ndlich, wenn dies aus irgendeinem Grunde zweckm\u00e4fsig sein sollte, die Begriffe Erhellend == wenig Verdunkelnd und Verdunkelnd = wenig Erhellend als reine Relativbegriffe beliebig vertauschen. Da aber ein absolutes Dunkel erfahrungsm\u00e4fsig nicht vorkommt, so kann die erhellende = wenig verdunkelnde Wirkung des Hintergrundes bei Blachowskis Versuchsanordnung nie gleich Null sein und demnach auch die \u201ewenig verdunkelnde\u201c Wirkung des gr\u00f6fseren schwarzen Hintergrundes bei kleinen Scheiben der \u201ewenig verdunkelnden\u201c Wirkung eines betr\u00e4chtlich kleineren Hintergrundes bei grofsen Scheiben nicht einfach gleichgesetzt werden. \u00dcberdies ist die Deutung, die Blachowski seinen Befunden gegeben hat, auch nach den Versuchsergebnissen von F. Dittmers (\u00dcber die Abh\u00e4ngigkeit der Unterschiedsschwelle f\u00fcr Helligkeiten von der antagonistischen Induktion. Zeitschr. /. Sinnesphysiologie 51. 1920) nicht gerechtfertigt. Siehe K. Seffers, Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Untersuchung der Abh\u00e4ngigkeit der Unterschiedsschwelle f\u00fcr Helligkeiten von der antagonistischen Induktion. Zeitschr. /. Sinnesphysiologie 53. 1922; vgl. auch M. Eberhardt, \u00dcber Wechselwirkungen zwischen farbigen und neutralen Feldern. Psychologische Forschung 5. 1924. S. 164 f. G. E. M\u00fcller, \u00dcber den Einflufs des Weifsgehaltes des Infeldes und des Umfeldes auf die dem Infelde entsprechenden Erregungen. Zeitschrift f. Psychologie 98. 1926. S. 24 ff. \u2014 \u00c4hnlich wie Bl achowski stellt auch A. v. Tschermak eine konstrastiv auf hellende Wirkung schwarzer Fl\u00e4chen in Abrede: \u00dcber Kontrast und Irradiation. Ergebnisse der Physiologie. Bd. 2. 1903. S. 772.\n20*","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292\nA. Prandtl\nGrunde halten) in den Mitten der r\u00e4umlich ja viel ausgedehnteren objektiv weifsen Quadrate erscheinen, was aber nicht der Fall ist ;\noder es m\u00fcfsten anstatt der weifsen Spinnwebf\u00e4den in den weifsen Quadraten vielmehr graue Linien auftreten, da die Diagonalen als Orte des relativ gr\u00f6fsten Abstandes von den n\u00e4chst benachbarten Streifen, zugleich auch Orte des relativ st\u00e4rksten Binnenkontrasts sein m\u00fcfsten;\nund es m\u00fcfste der Binnenkontrast aufserdem an den Kreuzungsstellen um so st\u00e4rker hervortreten, je dicker die Streifen und je ausgedehnter eben damit die Kreuzungsquadrate gemacht werden, w\u00e4hrend doch tats\u00e4chlich das Gegenteil der Fall ist: macht man die Streifen immer dicker und umgekehrt die eingeschlossenen weifsen Felder kleiner, so wird die Aufhellung im gleichen Mafse schw\u00e4cher und f\u00e4llt schliefslich ganz weg;\nauch w\u00e4re es schwer verst\u00e4ndlich, wie ein Binnenkontrast selbst dann noch entstehen sollte, wenn man die Striche der schwarzen Gitter etwa 0,2 mm breit oder noch feiner macht, in welchem Falle die Lichter an den Kreuzungsstellen ebenfalls, unter Umst\u00e4nden sogar besonders hell aufleuchten (vgl. Abb. 4). Denn wenn ein Quadrat von 0,2 mm Seitenl\u00e4nge schon zu grofs ist, als dafs die F\u00e4rbenerregungsprozesse sich der supponierten Hemmung gegen\u00fcber zu behaupten verm\u00f6chten, so mufs gefragt werden, wann oder wo \u00fcberhaupt noch ein Sehen objektiv gegebener Farben m\u00f6glich wird;\nschliefslich aber mufs die Annahme eines Binnenkontrastes hoffnungslos versagen gegen\u00fcber der Tatsache, dafs, wenn das schwarze Gitter beispielsweise auf rotem Grunde steht, an der Kreuzungsstelle ein roter Tupfen und nicht ein weifslicher auftaucht, wie doch durch jene Annahme gefordert werden w\u00fcrde;\nund es m\u00fcfste auch g\u00e4nzlich r\u00e4tselhaft bleiben, wie bei Herstellung der beiden Lagen (I und II) die Lichter ein so verschiedenes Verhalten zeigen, \u2014 da geometrisch sich doch nichts an dem Muster selber \u00e4ndert und der Binnenkontrast ausschliefs-lich auf geometrische Eigenschaften einer gegebenen Farbfl\u00e4che zur\u00fcckgef\u00fchrt wird.\nEs wird demnach, das scheint mir ziemlich sicher, nicht \u201eBinnenkontrast\u201c, sondern irgendein anderer Faktor, nach allem, was wir bereits gesehen haben, vermutlich Induktion sein, was die Verf\u00e4rbung der Kreuzungsstellen in unseren Mustern be-","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n293\ndingt und zugleich auch der Anlafs f\u00fcr das Auftreten der Spinnwebf\u00e4den ist.\n\u00a7 5. Die Kreuzungsstellen in gitterartigen Mustern\nMan findet in Abbildung 13 die Kreuzungsstelle eines Gittermusters in yergr\u00f6fsertem Mafsstab gezeichnet und sieht also je einen vertikalen und einen horizontalen weifsen Streifen auf schwarzem Grund von der Art, wie Abbildung 1 war. Es lassen sich demgem\u00e4fs auch die gleichen Beobachtungen hier wiederholen, die wir an Abbildung 1 machten: man sieht (bei ged\u00e4mpftem Licht) eine gewisse Vergrauung in den weifsen Streifen und in der Regel l\u00e4ngs der Mittellinien eine Verdichtung derselben, unseren sog. Induktionsstreifen. Daneben aber ist da, wo die beiden Streifen einander schneiden, noch ein besonders dunkler Tupfen zu konstatieren, entsprechend den Beobachtungen, die wir an Gittermustern gemacht haben, und vielleicht wundert man sich jetzt, dafs dieser Tupfen hier \u00fcberhaupt aaftritt. Denn bezeichnen wir die vier Teile, aus denen unsere Abbildung gebildet wird, mit dem Buchstaben a, b, c und d, so k\u00f6nnte man meinen, dafs die induktive Durchdringung in der oberen H\u00e4lfte nur von a nach d und umgekehrt geht, links die Felder a und b, weiterhin b und c und schliefslich c und d miteinander verbindet, so dafs also die Kreuzungsstelle selber von der Induktion g\u00e4nzlich unber\u00fchrt und demnach als reines Weifs sich darstellen m\u00fcfste.\nDa der graue Tupfen zweifellos durch das Zusammenwirken der vier schwarzen Felder mit den weifsen Streifen entsteht, so wollen wir je zwei dieser Felder f\u00fcr sich isoliert aus der Abbildung herausheben und zusehen, was an der Kreuzungsstelle daraus resultiert. Fassen wir zun\u00e4chst die Teile a und b zusammen (Abb. 14), dann beobachten wir am linken und am rechten Ende des horizontalen weifsen Streifens einen grauen Fleck, der deutlich dunkler als der Streifen selbst ist. Indes gelingt die Beobachtung nur bei indirektem Sehen, also wenn man den Blick etwas seitw\u00e4rts neben die zu beobachtende Stelle richtet.\nDas Auftreten des grauen Flecks wird verst\u00e4ndlich, wenn wir annehmen, dafs Vergrauungseinfl\u00fcsse von den schwarzen Feldern nicht nur im Bereich des schmalen weifsen Streifens l\u00e4ngs ihrer horizontalen Grenzlinien, sondern ebenso auch","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nA. Prandtl\nvon ihren vertikalen Kanten ausgehen, nur dafs sie hier im allgemeinen unsichtbar sind, weil sie in der grofsen weifsen Fl\u00e4che links und rechts der Abbildung sich verlieren (siehe S. 268). An den Stellen aber, wo der weifse Streifen in den Papiergrund einm\u00fcndet, mufs es zu einer \u00dcbereinanderlagerung der von den beiden Seiten her ausge\u00fcbten Induktionswirkung kommen und es wird ein grauer Fleck sichtbar, der nicht nur dunkler ist als der weifse Papiergrund aufserhalb der Abbildung, sondern auch den horizontalen weifsen Streifen an Dunkelheit \u00fcbertrifft, in dem \u00fcbrigens die Kontrastwirkung f\u00fcr gew\u00f6hnlich st\u00e4rker als die In-duktions Wirkung ist.\nDerselbe Vorgang wie zwischen den Teilen a und b mufs sich nat\u00fcrlich auch an den Streifenenden der Felder b und c, c und d sowie d und a wiederholen.\nBetrachten wir jetzt auch die beiden Felder a und c miteinander (Abb. 15), so wird ebenfalls, den weifsen Raum links unten mit dem rechts oben befindlichen weifsen Raum verbindend, ein diffuser dunkler Streifen zwischen ihnen sichtbar, der auf genau die gleiche Weise wie der graue Fleck in Abbildung 14 entstanden sein mufs und nicht nur zwischen a und c, sondern ebenso auch zwischen b und d hervortritt. \u2014 So kommt es also nach 6 Richtungen gleichzeitig an den Kreuzungsstellen zu einer Verdichtung der induktiv erzeugten F\u00e4rbung und es entsteht damit die Erscheinung, welche an Gittermustern (Abb. 11) ein so charakteristisches und \u00fcbrigens l\u00e4ngst bekanntes Ph\u00e4nomen ist.\nWie schon erw\u00e4hnt, gelingen die beschriebenen Beobachtungen nur bei indirektem Sehen, wie ja auch bei Gittermustern, wenigstens wenn sie in gr\u00f6fserem Mafsstab gehalten sind, die Lichter sowohl wie die Spinnwebf\u00e4den ziemlich regelm\u00e4fsig verschwinden, wenn man den Versuch macht, sie einer direkt fixierenden Beobachtung zu unterwerfen. Es ist in diesem Zusammenhang nicht uninteressant, dafs auch die von Hering beschriebene simultane Licht- und Farbeninduktion besonders stark und zun\u00e4chst in den mehr seitlichen Teilen des Sehfeldes auftritt.1 Es kann beispielsweise bei starrer Fixation ein schmaler Schatten, den man auf weifsem Papiergrund durch einen entsprechenden Gegenstand hervorruft, sich in kurzer Zeit dem Grunde dermafsen angleichen, dafs er \u00fcberhaupt verschwindet,\n1 E. Hering, Grundz\u00fcge der Lehre vom Lichtsinn. 1920. S. 265.","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die lAehtverteilung usiv.\n295\nund dieser Effekt pflegt sich unter sonst gleichen Umst\u00e4nden um so fr\u00fcher einzustellen, je weiter der Fixationspunkt von dem Schatten selber entfernt ist. Nun haben wir weiter oben schon die Ansicht ge\u00e4ufsert, dafs es in den von uns demonstrierten F\u00e4llen einer gleichfarbigen Beeinflussung sich letzten Endes um Vorg\u00e4nge der gleichen Art wie bei Herings simultaner Licht-und Farbeninduktion handelt, nur dafs sie einem fr\u00fcheren, von Hering nicht ber\u00fccksichtigten Stadium dieses Vorgangs entstammen und daher auch von einer teilweise abweichenden Eigenart sind. Jedenfalls scheint es eine gewisse Best\u00e4tigung unserer Ansicht, dafs die Spinnwebf\u00e4den und die Lichter sich dem fixierenden Betrachten gegen\u00fcber wie die F\u00e4lle von Herings simultane Licht- und Farbeninduktion verhalten und meistens ganz verschwinden, sowie man den Blick auf sie unmittelbar richtet.\nImmerhin mufs hier ein Unterschied gemacht werden. Sind die Muster n\u00e4mlich in grofsem Mafsstab gehalten, etwa nach Art der Abbildung 13, so sind die \u201eLichter\u201c an den Kreuzungsstellen allerdings immer radikal verschwunden, sowie man den Blick darauf heftet. Betrachtet man aber kleinere Muster, wie z. B. Abbildung 11, so kann man die Kreuzungsstellen fixieren und findet trotzdem noch eine Spur der charakteristischen Umf\u00e4rbung; die \u201eLichter\u201c sind zwar stark ged\u00e4mpft, aber doch nicht ganz verschwunden.\nNun stimmt es gut damit zusammen, dafs auch die induktive Durchdringung und eventuell die Induktionslinie bei Streifen, die sich auf andersfarbigem Grunde befinden, am besten bei schmalen Streifen, mit einem Optimum etwa bei 1 bis 2 mm Breite, beobachtet werden k\u00f6nnen (eine g\u00fcnstige Beleuchtung, wie immer, dabei vorausgesetzt), w\u00e4hrend bei zunehmender Dicke der Streifen die Wahrnehmbarkeit der Erscheinung allm\u00e4hlich aufh\u00f6rt. Dieses Verhalten wird ohne weiteres verst\u00e4ndlich, wenn wir annehmen, dafs die Induktionswirkung im allgemeinen so schwach ist, dafs sie sichtbar \u00fcberhaupt nur hervortritt, wenn sie gleichzeitig von zwei Seiten aus ein Feld angreift und der Abstand zwischen den induktiv wirkenden Jl\u00e4chen nicht \u00fcber ein gewisses H\u00f6chstmafs hinausgeht. Ist aber die induktive F\u00e4rbung bei zunehmender Streifenbreite f\u00fcr das direkte Sehen schon unsichtbar geworden, so ist es innerhalb eines gewissen Bereichs immer noch m\u00f6glich, sie mit Hilfe mehr seitw\u00e4rts gelegener","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nA. Prandtl\nNetzhautteile zu konstatieren, in denen der Prozefs sich offenbar st\u00e4rker entwickelt.\nAuch unter teleologischem Gesichtspunkt ist dieser Unterschied leicht verst\u00e4ndlich: offenbar ist die induktive Durchdringung ein funktionell verh\u00e4ltnism\u00e4fsig primitiver Vorgang, der um so st\u00e4rker zur\u00fccktritt, je mehr sich, vornehmlich in den mittleren Netzhautgebieten, Bedingungen f\u00fcr ein sch\u00e4rferes, differenzierteres Sehen ausbilden. Sicherlich w\u00e4re es wenig zweckm\u00e4fsig, wenn auch an solchen Stellen des subjektiven Sehfeldes, die vorzugsweise bestimmt sind uns \u00fcber das Aussehen der Umwelt zu unterrichten, die Eindr\u00fccke im gleichen Mafse wie seitw\u00e4rts einer gegenseitigen farbigen Beeinflussung unterl\u00e4gen.\nNoch auf eine weitere Folgerung aus den Beobachtungen dieses Paragraphen m\u00fcssen wir hier hin weisen.\nWir haben zu Beginn unserer Ausf\u00fchrungen im ersten Paragraphen es dahingestellt gelassen, ob bei feinsten Linien auf andersartigem Grund die sichtliche Verf\u00e4rbung derselben entsprechend der allgemeinen Annahme wirklich ausschliefslich durch Irradiationsvorg\u00e4nge bewirkt sei. Nun aber haben wir gesehen, dafs auch bei ganz feinen Gittern oder \u00fcberhaupt an \u00dcberschneidungsstellen d\u00fcnnster Linien auf andersfarbigem Grund die Erscheinung eines induktiv hervorgerufenen \u201eLichtes\u201c noch deutlich auftritt (Abb. 4), und so wird es jetzt nicht l\u00e4nger mehr zweifelhaft sein k\u00f6nnen, dafs auch bei jenen feinen Linien die deutlich merkbare Verf\u00e4rbung nicht ausschliefslich das Werk von Irradiationsvorg\u00e4ngen ist, sondern gleichzeitig auch von zentralen, auf eine gegenseitige Durchdringung der Farben-erregungsprozesse abzielenden Vorg\u00e4ngen abh\u00e4ngt.\n\u00a7 6. Die \u201eSpinnwebf\u00e4den\u201c\nWir wenden uns jetzt zu der Frage, wodurch die Spinnwebf\u00e4den bedingt werden, und k\u00f6nnen mit Sicherheit zun\u00e4chst das eine feststellen, dafs in den bisher behandelten Mustern ihre Lage sichtlich immer von der Lage der Lichter abhing: erscheinen die letzteren als Eckpunkte von Rhomben, so sind die Spinnwebf\u00e4den die Diagonalen von Rhomben; ist die Anordnung der Gitterst\u00e4be eine quadratische, so folgen, als Diagonalen, auch die Spinnwebf\u00e4den dieser Anordnung usw.\nNicht wesentlich ist, dafs die Lichter, in der Art wie bei Abbildung 11, auf einem ob j ektiv andersfarbigen Grund e,","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usiv.\n297\nz. B. als helle Flecke auf schwarzen Streifenkreuzungen in der beschriebenen Weise sich bilden. Man kann die Kreuzungsquadrate der Abbildung auch vollst\u00e4ndig aussparen (Abb. 16), so dafs an ihrer Stelle ein kleines weifses Feld ist, das jetzt aber ebenfalls als besonders helles Licht wirkt, einmal wegen der Kontrastwirkung, dann aber wegen der induktiven Bewegung, die wir nach allem, was vorausgehend er\u00f6rtert wurde, auch hier als sicher wirksam annehmen m\u00fcssen. Auch bei dieser Anordnung sind sehr sch\u00f6n die Spinnwebf\u00e4den zu sehen.\nNebenbei lehrt uns dieses Muster, dafs auch bei der Bildung von Lichtern auf andersfarbigem Grund dem Kontrast eine gewisse, funktionell wichtige Rolle zuf\u00e4llt. Denn die induktive Bewegung, die das helle Licht auf der Kreuzungsstelle sammelt, erh\u00e4lt offenbar einen weiteren Impuls durch den Umstand, dafs dieses auf vier Seiten durch Felder von einem dunkleren, induktiv nicht im gleichen Mafs auf gehellten Schwarz begrenzt wird. So wird durch den Kontrast die Weifserregungsenergie sich noch st\u00e4rker in dem Kreuzungsquadrat konzentrieren, als an sich durch Induktion allein schon bedingt w\u00e4re, und damit weiterhin wieder die Bewegung der chromatischen Energien in dem grofsen, von den vier schwarzen Streifen umr\u00e4nderten weifsen Quadrate verst\u00e4rkt.\nWas nun die Vorg\u00e4nge in diesem objektiv weifsen, schwarz umrahmten Felde anlangt, so kommt zu der induktiven Bewegung, deren Wirksamkeit sich in der Umf\u00e4rbung der Kreuzungsstellen bekundet, als weiterer Faktor noch die Tendenz der Kooperation, die zwischen benachbarten gleichartigen ErregungsVorg\u00e4ngen besteht. Wenn das Vorhandensein solcher Tendenzen nicht auch durch anderweitige Erfahrungen schon belegt w\u00e4re, so w\u00fcrden mindestens die hier behandelten F\u00e4lle unzweideutig darauf hin-weisen: die Spinnwebf\u00e4den sind offenbar der Ausdruck eines derartigen Bestrebens, indem sie zwischen je zwei Lichtern d. h. durch zentrale Umschichtung der Lichterregungsenergie entstandenen gleichartigen Flecken eine k\u00fcrzeste Verbindung her-stellen. Zeichnet man sich ein einzelnes von vier schwarzen Streifen umr\u00e4ndertes weifses Quadrat, ohne dafs also die Streifen wie beim ganzen Gitter noch \u00fcber das Quadrat hinaus sich fortsetzen, so fehlen, da keine Kreuzungsstellen mehr da sind, zun\u00e4chst die Lichter; es fehlen gleichzeitig aber auch, da keine Lichter mehr zu verbinden sind, die feinen weifsen Linien, die","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\nA. Pra?idtl\nl\u00e4ngs der Diagonalen in den umr\u00e4nderten Quadraten bei ganzen Gittern die Spinnwebf\u00e4den bilden. Diese treten haupts\u00e4chlich auf, wo induktiv hervorgerufene Lichter nicht allzuweit sich voneinander entfernt finden, indem sie sich in der Richtung aufeinander zu fortsetzen und eine direkte Verbindung zwischen sich herzustellen suchen.\nDie Verbindung braucht deswegen nicht immer auch wirklich zustande zu kommen. Es ist schon erw\u00e4hnt worden, dafs die Helligkeit der Spinnwebf\u00e4den in ihrer Mitte jeweils am schw\u00e4chsten ausf\u00e4llt, und in der Regel l\u00e4fst sich das Vorhandensein eines deutlichen \u201eFadens\" an dieser Stelle \u00fcberhaupt nicht sicher angeben.\nSind die Annahmen, die wir gemacht haben, richtig, so mufs es nun aber m\u00f6glich sein, die Probe darauf zu machen, indem man in Abbildung 11 neben den Kreuzungsstellen noch eine zweite Gruppe von Anziehungszentren f\u00fcr die Weifserregungsenergie herstellt und dadurch, dafs diese letztere st\u00e4rker verteilt wird, die Bildung von Spinn webf\u00e4den \u00fcberhaupt unterbindet. Dies l\u00e4fst sich erreichen, wenn man in den schwarzen Streifen, welche als Seiten die objektiv weifsen Quadrate des Gitters umgeben, in der Mitte je eine L\u00fccke anbringt. Es m\u00fcssen dadurch Kontraststellen sich bilden, die \u00e4hnlich wie die Kontraststellen in Abbildung 16 die Weifserregungsenergie an sich ziehen, so dafs diese jetzt gleichzeitig nach zwei verschiedenen Richtungen gelenkt wird, indem sie einerseits in der Richtung der k\u00fcrzesten Verbindungslinie der Kreuzungsstellen, andererseits der durch die Unterbrechungen entstandenen Kontraststellen sich bewegt, mit dem Endeffekt, dafs wegen der gleichm\u00e4fsigeren Ausbreitung die vorhandene Weifserregung sich nirgends zu Spinnwebf\u00e4den verdichtet. In Abbildung 17 sehen wir die Best\u00e4tigung des Gesagten. Man sieht in schwacher Andeutung wohl die Lichter an den Kreuzungsstellen, es erscheinen deutlich die Unterbrechungsstellen in kontrastiver Aufhellung, aber es l\u00e4fst sich kaum eine Spur von \u201eSpinnwebf\u00e4den\u201c entdecken.\nNun ist das Auftreten von Spinnwebf\u00e4den aber keineswegs ausschliefslich auf F\u00e4lle beschr\u00e4nkt, in denen zwei gleich gef\u00e4rbte Flecke, deren F\u00e4rbung durch induktiv und kontrastiv bedingte Umschichtung der Lichterregungsenergie zustande kommt, nach einer gegenseitigen Verbindung miteinander hinstreben, wie in den eben behandelten Beispielen der Fall war. Man kann einen","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n299\nAnsatz zu einem solch feinen Faden oft bereits konstatieren, wo \u00fcberhaupt nur zwei Gerade sich schneiden, vorausgesetzt, dafs sie' sich scharf und deutlich vom Grunde abheben. Es ist also in diesem Fall schon ein Faktor wirksam, der die induktive Bewegung innerhalb des objektiv weifsen Feldes in die Richtung der Winkelhalbierenden treibt. Es wird dies aber nur der Umstand sein k\u00f6nnen, dafs l\u00e4ngs der Winkelhalbierenden die Weifserregung relativ am weitesten dem vergrauenden Einflufs der n\u00e4chstbenachbarten schwarzen Streifen entr\u00fcckt bleibt.\nAber noch sind nicht alle Bedingungen genannt, die bei der Bildung von Spinnwebf\u00e4den mitwirken. Wir haben im ersten Paragraphen, als wir von der F\u00e4rbung von Streifen auf andersfarbigem Grunde sprachen, die Vermutung ge\u00e4ufsert, dafs an der Grenze zweier verschieden gef\u00e4rbter Fl\u00e4chen zun\u00e4chst eine Zone kommt, die durch das Auftreten von Kontrasterscheinungen (Randkontrast) charakterisiert ist, worauf erst das Gebiet folgt, in welchem vorzugsweise die Induktionsf\u00e4rbung hervortritt. Nur wenn man l\u00e4ngere Zeit auf einen Streifen hinsieht, verschwindet der Kontrast wieder und die von ihm okkupierte Zone verf\u00e4llt ebenfalls der Iuduktionswirkung.\nDa unsere Gittermuster eine Abfolge von lauter parallelen Streifen darstellen, werden wir eine gleiche Verteilung der Erregungsvorg\u00e4nge auch bei ihnen voraussetzen m\u00fcssen. Wir haben in Abbildung 18 ein Gitterquadrat in grofsem Mafsstab gezeichnet und die bevorzugten Induktionszonen durch Strichelung darin angegeben. Darnach mufs das objektiv weifse Feld in der N\u00e4he der vier rechten Winkel besonders hell scheinen, w\u00e4hrend in der Mitte des ganzen Felds ein Minimum von Weifserregung besteht; man begreift so, dafs die Spinnwebf\u00e4den an ihren beiden Enden am deutlichsten hervortreten, in der Mitte aber meistens einer sicheren Konstatierung entzogen sind.\nEs ist ohne weiteres m\u00f6glich, auch die Probe aufs Exempel zu machen, wenn man nach dem Schema von Abbildung 19 noch eine dritte Induktionszone herstellt und sie so dem Muster einf\u00fcgt, dafs der eine Spinnwebfaden dadurch \u00fcberdeckt wird, mit dem zu erwartenden Erfolge, dafs dieser eine Spinnwebfaden dadurch an Deutlichkeit betr\u00e4chtlich einb\u00fcfst oder aber \u00fcberhaupt nicht mehr sichtbar ist.\nAbbildung 20 zeigt, dafs die Annahme wirklich zutrifft. Nur wenn man die II. Lage herstellt, sieht man die bei der I. Lage","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\nA. Prandtl\nvon rechts unten nach links oben laufenden Diagonalen mit einiger Deutlichkeit als weifse F\u00e4den erscheinen, bei weitem aber nicht so stark, wie die anderen Diagonalen sich zeigen. *\n\u00a7 7. Die Lagen I und II\nWir haben wiederholt im Vorausgehenden von dem Unterschied dieser beiden Lagen zu sprechen Gelegenheit gehabt: betrachtet man ein Gitter aus vertikalen und horizontalen schwarzen St\u00e4ben auf weifsem Grunde so, dafs die ersteren der Medianebene, die letzteren der Frontalebene des Kopfes parallel gehen (I. Lage), so pflegen die Lichter besonders hell zu leuchten, wogegen die Spinnwebf\u00e4den nur schwach hervortreten; dreht man dann das Muster um beil\u00e4ufig 45\u00b0, so dafs die Spinnwebf\u00e4den jetzt selber die Lage einnehmen, die vorher die objektiv schwarzen Streifen gehabt hatten (II. Lage), so sind die Lichter erheblich schw\u00e4cher und es dominieren die Spinnwebf\u00e4den im Gesamtbild.\nMan k\u00f6nnte zun\u00e4chst daran denken, diesen eigenartigen Wandel mit den Erscheinungen des regul\u00e4ren Astigmatismus in Zusammenhang zu bringen, \u00e4hnlich wie dieser bei Abbildung 9 im gleichen Fall vermutlich eine gewisse Rolle spielt. Je nachdem man die Unterbrechungsstellen hier mit optimaler oder nichtoptimaler Akkommodation betrachtet, kommt wohl auch der Helligkeitskontrast an diesen Stellen deutlicher oder weniger deutlich zur Geltung, und es wird so \u00e4hnlich wie bei unseren Gittern durch die Drehung ein Aufleuchten oder Zusammensinken der Lichter bewirkt.\nAber bei Gittern der Art, wie sie Abbildung 11 veranschaulicht, ist die Stelle, an welcher das induktiv hervorgerufene Licht auftritt, ja \u00fcberhaupt nicht durch objektiv vorhandene Grenzen gekennzeichnet, so dafs die Akkommodation unm\u00f6glich in der gleichen Weise wie bei Abbildung 9 die Helligkeit dieses Feldes beeinflussen kann. Lediglich die Konturen der Streifen, welche aufserhalb des Kreuzungsquadrates liegen, k\u00f6nnen bei verschiedener Lage in verschiedener Deutlichkeit sich auf der Netzhaut abbilden und durch Zerstreuungskreise m\u00f6glicherweise das Licht an der Kreuzungsstelle modifizieren (vgl. \u00a7 5). Jedoch m\u00fcfste voraussichtlich in diesem Fall ein Ausgleich zwischen den von den beiden sich kreuzenden Streifen ausgehenden Wirkungen eintreten, indem in demselben Mafs, in welchem f\u00fcr den einen Streifen jeweils schlechter akkommodiert wird, die Akkommo-","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n301\ndation f\u00fcr den anderen besser ausf\u00e4llt, so dafs auch die Gesamt-menge des Lichts, das auf diesem Weg in die Kreuzungsquadrate allenfalls irradiiert wird, sich ann\u00e4hernd gleich bleiben m\u00fcfste. Der Wechsel der Lagen I und II k\u00f6nnte keinen Unterschied in der Helligkeit der Lichter bedingen.\nTats\u00e4chlich aber ist ein solcher Unterschied regelm\u00e4fsig vorhanden, indem bei der Drehung des Musters an bestimmten Stellen ein Punkt erreicht wird, wo die Ausdehnung der Lichter auf ein Minimum herabsinkt, w\u00e4hrend die Spinnwebf\u00e4den gleichzeitig deutlicher werden.\nEs d\u00fcrfte schwer sein, diesen Unterschied in restlos befriedigender Weise zu erkl\u00e4ren. Jedenfalls scheint es, dafs die Deutlichkeit, mit der das Muster auf der Netzhaut sich abbildet, daf\u00fcr ganz ohne Belang ist. Auch wenn man willk\u00fcrlich ungenau akkommandiert, zeigt sich trotzdem der charakteristische Unter, schied der beiden Lagen. Schliefslich k\u00f6nnte vielleicht daran gedacht werden, dafs unter allen m\u00f6glichen Richtungen des ebenen Sehfeldes die vertikale und horizontale Richtung \u00fcberhaupt von bevorzugtem Rang sind und demnach leichter als irgendeine andere Richtung als Wahrnehmung realisiert werden. Wir h\u00e4tten dann neben den verschiedenen Tendenzen, die bei der Umschichtung der Farbenerregungsenergien mitwirken, schliefslich auch noch mit einer Tendenz zu rechnen, die beiden Hauptrichtungen des fl\u00e4chenhaft ausgebreiteten Raumes besonders stark zu betonen, und h\u00e4tten darin, abgesehen von anderen unbekannten Faktoren, einen Umstand zu erblicken, der bedingt, dafs in der II. Lage die Diagonalen st\u00e4rker hervortreten, w\u00e4hrend von den Lichtern an den Kreuzungsstellen die Energie gleichzeitig abfliefst, da die k\u00fcrzesten Verbindungslinien zwischen ihnen jetzt nicht mehr nach jenen Hauptrichtungen orientiert sind.\nIndes m\u00fcfste auch diese Annahme noch etwas modifiziert\nwerden.\n\u00c4ndert man n\u00e4mlich Abbildung 13 in der Weise, dafs die Streifen sich nicht unter einem rechten Winkel, sondern unter 450 schneiden, so zeigt der Fleck an der Kreuzungsstelle ein Maximum nur, wenn einer der beiden Streifen vertikal steht, nicht aber, wenn einer von ihnen sich in horizontaler Lage befindet. Das Minimum aber wird erreicht, wenn von den vier Winkeln, welche die Kreuzungsstelle bilden, die beiden gr\u00f6fseren so liegen, dafs ihre Halbierungslinie in die vertikale","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\nA. Prandtl\n.Richtung f\u00e4llt, wogegen der Fleck wieder deutlicher wird, wenn die kleineren Winkel in die gleiche Lage gedreht werden.\nDa das Minimum der Flecke oder \u201eLichter\u201c gleichzeitig ein Maximum f\u00fcr die \u201eSpinnwebf\u00e4den\u201c ist, so werden demnach diese, wo sie \u00fcberhaupt hervortreten, sich am deutlichsten dann zeigen, wenn die Halbierungslinien der Winkel an der Kreuzungsstelle und zwar vornehmlich die Halbierungslinien der gr\u00f6fseren Winkel in vertikaler Lage sind. Doch ist es schwer, wenn man ein vollst\u00e4ndiges Gitter mit Winkeln von 45\u00b0 betrachtet, diese Erwartung durch eine entsprechende Beobachtung best\u00e4tigt zu finden. Denn bei Gittern der angegebenen Art ist der eine Spinnwebfaden in der Richtung der l\u00e4ngeren Diagonale \u00fcberhaupt nur als \u00e4ufserst fl\u00fcchtige Erscheinung allenfalls eben noch sichtbar, der andere aber erscheint l\u00e4ngs der k\u00fcrzeren Diagonale als verh\u00e4ltnism\u00e4fsig diffuser, breiter Streifen, der sich kaum merklich \u00e4ndert, wenn das Muster nacheinander in verschiedene Lagen gebracht wird. Es scheint, dafs er widerstandsf\u00e4hig genug ist, um sich auch unter Bedingungen zu behaupten, die an sich einem Auftreten von \u201eSpinnwebf\u00e4den\u201c weniger g\u00fcnstig sind.","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw\n303\nAbbildung 1\n\nAbbildung 2\nAbbildung 3\na\nAbbildung 4\nc","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nA. Prandtl\nAbbildung 6","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n305\nAbbildung 7\nAbbildung 9\nAbbildung 8\nAbbildung 10\nAbbildung 11\nZeitschr. f. Sinnesphysiol. 58.\n21","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nA. Prandtl\nAbbildung 12\nAbbildung 14\nAbbildung 15\nAbbildung 16\nAbbildung 17","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung usw.\n307\nAbbildung 19\nAbbildung 20","page":307}],"identifier":"lit36107","issued":"1927","language":"de","pages":"263-307","startpages":"263","title":"\u00dcber gleichsinnige Induktion und die Lichtverteilung in gitterartigen Mustern","type":"Journal Article","volume":"58"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:45:41.203473+00:00"}