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{"created":"2022-01-31T16:49:34.975102+00:00","id":"lit36135","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schumann, F.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 18: 1-48","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"(Aus dem psychologischen Institut der Universit\u00e4t Berlin.)\nZur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen Schalleindr\u00fccken\nbegrenzter Zeiten.\nVon\nF. Schumann.\nBei Untersuchungen \u00fcber die Sch\u00e4tzung leerer Zeiten kommt in erster Linie die Frage in Betracht, ob das Urtheil ein unmittelbares oder mittelbares ist. Da die L\u00f6sung dieser Frage bei dem jetzigen Stande der Psychologie durch theoretische Er\u00f6rterungen jedenfalls nicht herbeigef\u00fchrt werden kann, sind wir1 auf die Ergebnisse der experimentellen Forschung angewiesen. Durch meine Untersuchungen bin ich nun zu der Ueber-zeugung gelangt, dafs mindestens das genaue ^'rtheii ein mittelbares ist, dafs insbesondere die Einstellung der Aufmerksamkeit eine grofse Rolle dabei spielt. Die vorliegende Abhandlung soll meine Ansicht gegen die von. anderer Seite erhobenen Einw\u00e4nde vertheidigen und ausf\u00fchrlicher, als es fr\u00fcher geschehen, begr\u00fcnden. Da meine Theorie mehrfach mifsver-standen ist, werde ich zun\u00e4chst die Hauptpunkte noch einmal kurz darsteiien.\nI.\nWerden mir drei kurze Signale gegeben mit dem Auftrag,\ndas L\u00e4ngenverh\u00e4ltnifs der eingeschlossenen Intervalle zu beur theilen, so erwarte ich zun\u00e4chst gespannt das erste Signal Nach Eintritt desselben h\u00f6rt bei nicht zu kleinen Zeiten in der Regel f\u00fcr einen Augenblick die Aufmerksamkeitsspannung auf, um gleich darauf wieder anzuwachsen ; dasselbe wiederholt sich nach dem zweiten Signal. Je gr\u00f6fser das Intervall, zu desto gr\u00f6fserer\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XVIU.\t1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nF. Schumann.\nIntensit\u00e4t schwillt auch die Erwartungsspannung an. Tritt andererseits das zweite Signal ein, so lange die Aufmerksamkeit noch entspannt ist, so ruft, es einen Nebeneindruck der Ueber-r&schung hervor. Ich habe nun die Ansicht ausgesprochen und zu beweisen gesucht, dafs diese Nebeneindr\u00fccke der Erwartungs-Spannung und der Ueberraschung die Sch\u00e4tzung der Intervale vermitteln und zwar in der Weise, dafs \"ein Intervall, vor dessen Endsignal eine lebhaftere Erwartungsspannung auftritt, l\u00e4nger erscheint als ein Intervall, bei welchem sich nur ein\u00a9 schw\u00e4chere Erwartungsspannung geltend macht und dafs jedes durch Erwartungsspannung ausgef\u00fcllte Intervall f\u00fcr l\u00e4nger gehalten wird als \u00a9in Intervall, dessen Endsignal unerwartet kommt.\nGest\u00fctzt habe ich diese Annahme durch \u00a9in\u00a9 Reihe von Versuchsthatsachen, welche durch sie ihre Erkl\u00e4rung finden. Hierher geh\u00f6ren erstens die Contrasterscheinimgen. Operirt man bei Versuchen \u00fcber die UnterscMedseinplindlichkeit \u00f6fter hintereinander mit einer und derselben Normalzeit, so pafst sich (innerhalb gewisser Grenzen) die Aufmerksamkeit dem Intervall an. Nach dem ersten Signal setzt z. B, bei gr\u00f6fseren Intervallen die neue Erwartungsspannung allm\u00e4hlich sp\u00e4ter und sp\u00e4ter ein, bis das abschliefsende Signal immer gerade in dem, Momente, wo es \u00a9intritt, erwartet wird. Geht nun der Experimentator zu einer nur1 wenig kleineren Normalzeit \u00fcber (z. B. von 0,8 Secunden zu 0,6 Secunden), so erscheint dieselbe der Versuchsperson beim ersten Male auffallend kurz, und die innere Wahrnehmung er-giebt, dafs das abschliefsende Signal eine besonders lebhafte Ueberraschung hervorruft. Bei den n\u00e4chsten Wiederholungen derselben kleineren Normalzeit h\u00f6rt dann die Ueberraschung allm\u00e4hlich auf, indem die Aufmerksamkeit sich von Neuem an-pafst, und die Normalzeit scheint gr\u00f6fser zu werden. Wird andererseits pl\u00f6tzlich zu einer verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig wenig gr\u00f6fseren Normalzeit \u00fcbergegangen (z. B. von 0,8 zu 1,0 Secunden), so erscheint dieselbe bei den ersten Versuchen auffallend grofs; und die innere Wahrnehmung ergiebt, dafs vor dem Endsignal des Intervalls eine besonders lebhafte Erwartungsspannung sich geltend macht. Allm\u00e4hlich l\u00e4fst dann wieder die Erwartungsspannung nach, und das Intervall scheint kleiner und kleiner zu werden.\nNach vollzogener Einstellung der Aufmerksamkeit kann man also eine Vergr\u00f6fserung der\tor mal zeit an der eintretenden Er-","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen Schalleindr\u00fccken begrenzter Zeiten. 3\nWartungsspannung und ihre Verkleinerung an dem. Eintritt der Ueberraschung erkennen. Verh\u00e4lt sich nun die Aufmerksamkeit der Vergleichszeit gegen\u00fcber in derselben V eise, so wird (bei unmittelbar auf einanderfolgenden Intervallen) die Erwartung des dritten Signals eintreten, wenn nach dem zweiten Signal eine der Normalzeit gleiche Zeit verflossen ist, .und das Urtheil \u00fcber das Verhfiltaifs der Vergleichszeit zur Normalzeit kann sich auf dieselben Nebeneindr\u00fccke st\u00fctzen. Dafs dies nun wirklich der Fall ist, daf\u00fcr spricht die innere Wahrnehmung. Wenn ich di\u00a9 Urtheile \u201eVergleichszeit gr\u00f6fser\u201c oder \u201eVergleichszeit kleiner4\" mit Sicherheit abgeben konnte, glaubte ich auch immer die entsprechenden Nebeneindr\u00fccke zu bemerken. Dafs ich mich bei der Selbstbeobachtung nicht get\u00e4uscht habe, daf\u00fcr spricht eine zweite wichtige Versuchsthatsache. Bei Versuchen, weiche ich nach der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle ausgef\u00fchrt habe, gaben die Versuchspersonen von selbst an, sie w\u00fcfsten h\u00e4ufig nicht, ob das dritte Signal, fr\u00fcher als gew\u00f6hnlich eingetreten oder ob es st\u00e4rker als gew\u00f6hnlich gewesen sei. Da ein st\u00e4rkeres Signal ebenfalls Ueberraschung hervorruft, so erkl\u00e4rt sich \u00fcese Aussage in einfacher Weise durch meine Theorie. Nun stand aber dieser Erkl\u00e4rung eine Angabe Mehner\u2019s entgegen, nach welcher das zweite Intervall l\u00e4nger erscheinen, soll, wenn das ab schlief\u00bb en de Signal einmal objectiv st\u00e4rker ist. Ich pr\u00fcfte deshalb die Wirkung des objectiv st\u00e4rkeren Schalles noch weiter, indem ich in eine Reihe gleich starker und in gleichen Intervallen aufeinanderfolgender Schalleindr\u00fccke pl\u00f6tzlich ein st\u00e4rkeres Signal einschaltete. S\u00e4mmtiiche Versuchspersonen gaben an, dafs Ihnen das dem st\u00e4rkeren Signal vorangehende Intervall k\u00fcrzer erschiene. Hiernach glaubte ich die Angaben Mbhne\u00e4\u2019s als ein Versehen betrachten zu d\u00fcrfen. Dafs ich die Versuch\u00a9 nicht mit drei Signalen machte, sondern mit einer l\u00e4ngeren Reihe, lag an sp\u00e4ter zu er\u00f6rternden Gr\u00fcnden.\nDrittens sprechen f\u00fcr meine Annahme die Resultate von Versuchen, welche Vieb\u00f6rbt zuerst angestellt hat. Er forderte Versuchspersonen auf, di\u00a9 verschiedenen Schlagfolgen eines Metronoms dem subjectiven Eindr\u00fccke nach in die Kategorieen: \u201esehr langsam\u201c, \u201elangsam\u201c, \u201em\u00e4fsig langsam\u201c, \u201ead\u00e4quat\u201c, \u201em\u00e4fsig schnell\u201c, \u201eschnell\u201c, \u201esehr schnell\u201c einzuordnen. Die innere Wahrnehmung ergiebt bei. derartigen Versuchen, dafs wir diejenige ScHagfolge f\u00fcr ad\u00e4quat halten, bei der die Aufmerk-","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\n.F. Schumann.\nsamkeit sich nach jedem. Eindruck gerade eben bequem wieder\nauf den folgenden vorbereiten kann. Bei den langsameren ist Anfangs die Erwartungsspannung bemerkbar und bei den schnelleren Anfangs die Ueberraschung. Allm\u00e4hlich pafst sich die Aufmerksamkeit dann der langsamen oder raschen Aufeinanderfolge an, aber bei letzterer macht sich nachher noch eine Aufregung bemerkbar, bei ersterer die Langewe\u00fce.\nViertens erkl\u00e4rt sich in einfacher Weise die Thatsache, dafs ein Intervall kleiner erscheint, wenn man mehr apathisch zuh\u00f6rt, als dann, wenn man besser aufpafst. Denn mit der gr\u00f6fseren Aufmerksamkeit ist ja eine lebhaftere innere Spannung verkn\u00fcpft. Auch ist beim apathischen Zuh\u00f6ren die Aufmerksamkeit nicht so rasch wieder auf den folgenden Eindruck vorbereitet\nF\u00fcnftens ist noch die Thatsache anzuf\u00fchren, dafs von zwei gleichen leeren Intervallen, die durch eine Pause von mehreren Secunden von einander getrennt waren, mir selbst und zwei anderen Versuchspersonen das zweite deutlich Meiner erschien, vorausgesetzt, dafs die Aufmerksamkeit die Pause hindurch lebhaft auf den Eintritt des folgenden Signals gespannt war. Dadurch dafs die Aufmerksamkeit verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig lange gespannt ist, tritt n\u00e4mlich leicht eine Erm\u00fcdung ein, welche bewirkt, dal\u2019s nach dem dritten Signal die Aufmerksamkeit nicht so fr\u00fch wie sonst wieder eintritt.\nSechstens wird durch die von mir behauptete Anpassung der Aufmerksamkeit an die Intervalle verst\u00e4ndlich, dafs wir die F\u00e4higkeit besitzen, fast gleichzeitig mit Schalleindr\u00fccken, welche sich in constanten Intervallen wiederholen, Registrirbewegungen auszuf\u00fchren. Denn mit dem Eintritt der Erwartung gehen ja die verschiedensten Innervationen einher, und viele Versuchspersonen begleiten schon von selbst die Schl\u00e4ge eines Metronoms mit kleinen ruckartigen Bewegungen.1\n1 Ich habe fr\u00fcher noch eine weitere Versuchsthatsache ' anfthren zu k\u00f6nnen geglaubt (a. a. O, S. 31): \u201eVergleicht man n\u00e4mlich \u00f6fter hinter einander dieselben, zwei unmittelbar auf einander folgenden Zeitintervalle, von denen das zweite etwas l\u00e4nger oder k\u00fcrzer als das erste ist, so scheint . . . . der Unterschied der beiden Intervalle, auch wenn man ihn bei den ersten Versuchen deutlich wahrgenommen hat, allm\u00e4hlich kleiner m werden und selbst (bei nicht zu grofsen Differenzen) ganz zu verschwinden.\u201c Ich sch lofs hieraus, dafs die Aufmerksamkeit sich auch zwei verschiedenen","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen Schalleindr\u00fccken begrenzter Zeiten.\t\u00a7\nAufserdem habe ich dann noch zur Unterst\u00fctzung meiner Theorie Beobachtungen herangezogen, welche ich nebenher bei Ge-d\u00e4chtnifsuntersuchungen nach EBBXNGHAus\u2019scher Methode gemacht habe. Bei diesen Versuchen erschienen in dem Meinen Ausschnitte eines Schirmes der Reihe nach sinnlose Silben in bestimmten constanten Zwischenzeiten und wurden von einer vor dem. Schirme sitzenden Versuchsperson laut vorgelesen. Obwohl nun die Aufmerksamkeit ganz auf das Auswendiglernen der Silben eoncentrirt war, bemerkten die. Versuchspersonen es doch sofort, wenn der betreffende Apparat die Silben einmal rascher oder langsamer als gew\u00f6hnlich vorf\u00fchrte. Aufserdem traten unter bestimmten Umst\u00e4nden T\u00e4uschungen auf, aus denen hervorging, dafs die Sch\u00e4tzung der Geschwindigkeit der Aufeinanderfolge gleichfalls auf der Einstellung der Aufmerksamkeit beruhte.\nWenn ich nachzuweisen gesucht habe, dafs die Nebeneindr\u00fccke der Erwartungsspannung und der Ueberraschung eine Grundlage bilden f\u00fcr die Sch\u00e4tzung kleiner Intervalle, so habe ich doch keineswegs behauptet, dafs sie allein f\u00fcr die Beur-theilung in Frage kommen. Nur soll auf der Einstellung der Aufmerksamkeit die so au\u00dferordentlich feine Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr kleine Zeiten beruhen, welche sich bei vielen Versuchspersonen zeigt, wenn man l\u00e4ngere Versuchsreihen hinter einander mit derselben Normalzeit macht. Auf die Wahrscheinlichkeit, dafs weitere (mir damals noch unbekannte) Factoren bei\nunmittelbar auf einander folgenden Intervallen anpassen k\u00f6nnte. Inzwischen halbe ich mich jedoch \u00fcberzeugt, dafs dieser Schlufs nicht berechtigt ist. Wenn ein Unterschied, welcher anfangs deutlich merkbar ist, bei \u00f6fterer Wiederholung derselben, beiden Intervalle kleiner zu werden scheint, so kann dies verschiedene Gr\u00fcnde haben. Einmal kommt der constante Zeitfehler in Betracht, Sind z. B. die Intervalle gr\u00f6fser als 0,6 Sec., so macht sich bei den ersten Versuchen leicht vor dem dritten Sign,al, eine besonders lebhafte Erwartungsspannung geltend, die dann bei weiteren Versuchen nachl\u00e4fst (vgl. unten III, 3). Falla daher das zweite Intervall gr\u00f6fser ist als das erste, kann der Unterschied anfangs besonders deutlich erscheinen und nachher weniger merklich werden, In gleicher Weise kann auch bei den ersten Versuchen mit sehr kleinen Intervallen \u00ab 0,4 Sec.) ein constanter Zeitfehler auftreten, der das zweite Intervall besonders klein erscheinen l\u00e4fst und der bei den folgenden Versuchen sich allm\u00e4hlich verliert. Aufserdem kommen dann noch die rhythmische Auffassung mit ihrem. Binflufs auf das Zeiturtheil und andere Factoren in Betracht.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nF, Schumann.\nder Sch\u00e4tzung mitwirken, habe ich aufmerksam gemacht und\nauf einen, bestimmten anderen Factor habe ich direct hingewieseiL Viele Versuchspersonen begleiten n\u00e4mlich die Schl\u00e4ge eines Metronoms mit Bewegungen des Zeigefingers, indem sie, -die Hand ruhig auf dem Tische liegen lassend, mit jedem Schlage ruckweise eine Senkbewegung des Fingers ausf\u00fchren und dann denselben langsamer wieder bis zu einer bestimmten H\u00f6he heben. Wenn diese nun (unterst\u00fctzt durch den motorischen Automatismus) die Bewegungen immer in m\u00f6glichst gleicher Weise wiederholen, k\u00f6nnen sie das rechtzeitige Eintreffen eines Schlages nach dem Zusammentreffen mit den ruckwei\u00dfen Finger-bewegungen beurtheilen. Dieses Hilfsmittel bezw. ein \u00e4hnliches wird dann auch gelegentlich bei der Beurtheilung des Verh\u00e4ltnisses zweier unmittelbar auf einander folgender Zeiten angewendet\nFerner habe ich auch noch darauf hinge wiesen, dafs bei Zeiten, welche 2 Secunden wesentlich \u00fcberschreiten, wohl noch ganz andere indirecte Kriterien in Frag\u00a9 kommen.\nII.\n1. Diese Theorie ist nun von Meumann einer eingehenden Kritik unterzogen worden.1 In Folge seiner eigenartigen, von mir an anderer Stelle (Zeitschr.f. Psych,, Bd. 17, S. 141 ff.) schon besprochenen theoretischen Anschauungen, miifete er meinen Versuch, die \u201eEinstellung der Aufmerksamkeit\u201c zur Erkl\u00e4rung des mit voller Aufmerksamkeit abgegebenen Zeiturtheils heranzuziehen, von vornherein als verfehlt betrachten. Aufserdem glaubt er aber auch, meine Theorie durch zahlreiche Gr\u00fcnde vollst\u00e4ndig widerlegen zu k\u00f6nnen. Um Mifsverst\u00e4ndnisse, wie sie fr\u00fcher vorgekommen, m\u00f6glichst zu vermeiden, .werde ich seine Einwendungen in allen wesentlichen Punkten wortgetreu wiedergeben.\nVon den Ein w\u00fcrfen sucht der eine, meine Ansicht geradezu\n1 Da ich meine fr\u00fcheren Untersuchungen im, psychologischen Institut zu G\u00f6ttingen ausgef\u00fchrt habe, hat man Herrn Prof. M\u00fcller f\u00fcr meine Arbeit verantwortlich machen wollen, indem man die Berechtigung von Mbumann*s Kritik ohne Weiteres vorausaetite. Ich m\u00f6chte deshalb nicht unterlassen, darauf hinzu weisen, dafs ich die Verantwortung ganz allein eu tragen habe. Herrn Prof. M\u00fcllib verdanke ich zwar meine ganze psychologische Ausbildung, aber bei der in Frage stehenden Arbeit hat er sich absichtlich all und jeder Einwirkung enthalten.","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen Schallein dr\u00fccken begrenzter Zeiten. 7\nals unsinnig hinzustellen: \u201eEs l\u00e4fst sich zeigen\u00bb dafs diese Aufstellungen rein logisch betrachtet vollkommener Nonsens sind, Schumann verspricht die Inhalte naher zu bezeichnen, auf die wir uns beim Vergleichen kleiner Zeiten st\u00fctzen, Nun st\u00fctzen wir uns beim Vergleichen doch nat\u00fcrlich auf die Inhalte, welche mit einander verglichen werden. Schumann rnufs also entweder die Absurdit\u00e4t behaupten, dafs wir Ueberraschung und Erwartung mit einander vergleichen, oder er mufs zugeben, dafs bei einem Urtheil, das sich auf Erwartung und Ueberraschung st\u00fctzt, von Vergleichen keine Rede sein kann. Schon aus diesem logischen Grande ist also die ganz\u00a9 Theorie geradezu unsinnig.\u201c \u2014 Ich vermag in dieser Er\u00f6rterung nur Wortklauberei zu erblicken. Im Wesentlichen handelt es sich bei meiner Theorie um das Zustandekommen des Zeiturtheils unter den speciellen Bedingungen des Zeitsinn Versuchs. Dafs das Urtheil aber in der von mir angegebenen Weise durch die Nebeneindr\u00fccke der Erwartungsspannung und der Ueberraschung \u00fcberhaupt bestimmt sein kann, unterliegt keinem Zweifel, auch gesteht dies Meumann selbst zu. Ob man noch von einem \u201eVergleichen\u201c reden kann, wenn das Urtheil in solcher Weise zu Stande kommt, ist eine nebens\u00e4chliche Frage, Angenommen, es k\u00f6nnt\u00a9 wirklich von \u201eVergleichen\u201c keine Rede sein, so brauchte doch sachlich nichts an meiner Theorie ge\u00e4ndert zu werden, \u00a9s w\u00fcrde sich vielmehr nur um, eine Corrector des Ausdruckes handeln.\nEin zweiter Einwurf wirft mir eine \u201eh\u00f6chst durchsichtige Erschleichung\u201c vor, \u201eWas ist es denn\u00bb das uns \u00fcberrascht, wenn Ueberraschung bei Intervall Vergleichung \u00a9intritt? Doch nat\u00fcrlich das fr\u00fchere Eintreten des letzten Schalleindrucks! Also die Perception des zeitlichen Verh\u00e4ltnisses \u00bbfr\u00fcher\u00ab geht nothwendig der Ueberraschung als ihre Ursache voraus und nur weil die Ueberraschung in diesem speciellen Falle eine Ueberraschung \u00fcber das \u00bbfr\u00fcher\u00ab ist, konnte der Schein entstehen\u00bb als wenn mit Ueberraschung, die ja an sich nur' ein emotioneller Zustand ist, der specie!le psychologische Thatbestand angegeben w\u00e4re, aus dem ein ganz bestimmtes Zeiturtheil hervorgehen kann.\u201c \u2014 Hieraus geht hervor, dafs Meumann den fundamentalen Unterschied zwischen sinnlicher und intellectuelle!\u2019 Ueberraschung nicht kennt Wird mir das Eintreten eines unerwarteten Ereignisses berichtet (etwa einer Kriegserkl\u00e4rung), so tritt allerdings erst nach vollzogener Auffassung des Berichtes di\u00a9 Ueberraschung","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"\u00ab\nF, Schumann,\nein. Ganz anders verh\u00e4lt es sich dagegen bei der sinnlichen Ueberraschung. Bin ich in Gedanken versunken, so kann ein verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig leises Ger\u00e4usch hinter meinem R\u00fccken Ueber-raschung hervorrufen, mich .zusammenfahren lassen. In diesem Falle fasse ich nicht zuerst das Ger\u00e4usch auf und bin dann \u00fcberrascht durch die Geringf\u00fcgigkeit desselben, sondern die innere Wahrnehmung zeigt, unmittelbar, dafs das die sinnlich\u00a9 Ueberraschung Charakterisirende der Auffassung vorangeht. Auch Wunbt \u00e4ufsert sich in diesem Sinne. Nach ihm ist die Ueberraschung aufser durch die verlangsamte Auffassung noch durch die \u201eungew\u00f6hnliche Dauer 'und Intensit\u00e4t des \u00fcberall das erste Stadium der Apperception kennzeichnenden Gef\u00fchles des Erleidens44 charakterisirt (Phjs. Psych. 4. Auf!., H, S. 281), Ob hierdurch das Wesen der sinnlichen Ueberraschung genau und vollst\u00e4ndig angegeben ist, lasse ich hier dahingestellt. Jedenfalls ist aber bei der Ueberraschung durch ein zu fr\u00fch \u00a9intretendes Signal etwas Charakteristisches (ein Nebeneindruck) vorhanden, das nicht durch \u201edie Perception des zeitlichen Verh\u00e4ltnisses fr\u00fcher\u201c bedingt ist.\nDrittens wendet sich Me\u00fcmann dagegen, dafs ich die Erscheinungen des Contrastes heranziehe, um wahrscheinlich zu machen, dafs sich das Zeiturtheil auf die Nebeneindr\u00fccke st\u00fctzt : \u201eEine unvoreingenommene Analyse kann nun unzweifelhaft in diesen Ph\u00e4nomenen nur das finden, dafs die Nebeneindr\u00fccke Ueberraschung und Erwartung St\u00f6rungserscheinungen sind, Begleiterscheinungen gewisser Urtheilst\u00e4uschungen, welche in dem Maafse vorhanden sind, als das Urtheil irre geht, aber in dem Maafse verschwunden, wie das Urtheil richtiger wird.\u201c \u2014 That-sadhe ist, dafs die Nebeneindr\u00fccke den falschen Urtheilen paralei gehen. Ein unvoreingenommener Forscher wird daher sowohl die M\u00f6glichkeit in Rechnung ziehen, dafs beide Erscheinungen paralei laufen, obwohl kein innerer Zusammenhang vorhanden ist, als auch die zweite M\u00f6glichkeit, dafs die Nebeneindr\u00fccke die falschen Urtheil\u00a9 veranlassen. Da nun f\u00fcr die erste M\u00f6glichkeit nichts spricht, w\u00e4hrend durch die Annahme der zweiten eine ganze Reihe weiterer Erscheinungen verst\u00e4ndlich werden, so hat man sich selbstverst\u00e4ndlich f\u00fcr die letztere zu entscheiden.\nViertens beruft sich Mki mann auf meine Angabe, dafs sich bei kleinen Differenzen zwischen Haupt- und Vergleichszeit jene Nebeneindr\u00fccke durch Selbstbeobachtung nicht mehr constatiren","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen Sch alleindr \u00fccken begrenzter Zeiten,\t9\nlassen, und er sucht nachzuweisen, dafs sie bei den kleinen Differenzen \u00fcberhaupt nicht vorhanden sein, k\u00f6nnen. \u201eWenn ich zun\u00e4chst einmal von Erwartung absehe und mich lediglich an die Ueberraschung halte, so tritt die letztere nach Schumann\u2019s eigener Meinung immer ein, wenn wir mit 'unserer Erwartung auf andere Eindr\u00fccke als die objectiv ein tretenden gefafst (\u00bbeingestellt\u00ab in diesem Sinne) waren. Wir erwarten nun in der Hegel sowohl ein\u00a9 bestimmte Normalgr\u00f6fse, die uns als constant gehaltene Gr\u00f6fse w\u00e4hrend des Versuches ganz besonders vertraut wird, als auch Vergleichsgr\u00f6fsen von einem gewissen mittleren, den Versuchsumst\u00e4nden entsprechenden Unterschiede von der Normalgr\u00f6fse. Und es giebt zweifellos auch eine Adaptation der Aufmerksamkeit an di\u00a9 im Experiment gehandhabten Unterschiede, ebenso ist unsere Erwartung durchaus auf das Eintreten einer kleineren oder gr\u00f6fseren Vergleichsgr\u00f6fse gefafst, und es ist undenkbar, dafs wir von einer Vergleichszeit \u00fcberrascht werden, die sich in dem Durchschnitt der gew\u00f6hnlich im Laufe des einen Experimentes vorkommenden Vergleichsgr\u00f6fsen h\u00e4lt. Kommt aber einmal ein Unterschied, der diesen Durchschnitt betr\u00e4chtlich. \u00fcberschreitet, so werden wir in der That \u00fcberrascht. Wechselt man regelm\u00e4fsig mit grofsen Unterschieden, so ist dann auch sehr bald von Ueberraschung nichts mehr zu sp\u00fcren.\u201c \u2014 Bei dieser Schlufsfo 1 gerung ist \u00fcbersehen, dafs sorgf\u00e4ltig auseinander zu halten ist einerseits die allgemeine Erwartung, welche dem. Versuche vorausgeht und welche etwa in dem Gedanken besteht, dafs eine erheblich gr\u00f6fsere Vergleichszeit kommen wird, und andererseits die specielle Erwartung eines bestimmten Signals in einem, bestimmten Momente. Nach meinen Ausf\u00fchrungen tritt nach vollzogener Anpassung der Aufmerksamkeit in einem bestimmten Zeitintervall nach dem ersten Signal die Erwartung des zweiten Signals ein und dann wieder nach dem zweiten Signal in einem bestimmten Momente die Erwartung des dritten Signals. Diese Anpassung der Aufmerksamkeit vollzieht sich ganz unwillk\u00fcrlich, sie ist relativ unabh\u00e4ngig von der dem Versuche vorausgehenden Erwartung d. h, von dem Gedanken, dafs die Hauptzeit gr\u00f6fser oder Heiner als bisher sein wird. Habe ich z. B\u201e eine Versuchsperson auf eine Hauptzeit von 300 a einge\u00fcbt und gehe ich dann zu einer Hauptzeit von 200 a \u00fcber, so kann ich vorher ganz ruhig die Ver\u00e4nderung ank\u00fcndigen: das zweite Signal ruft trotzdem bei den n\u00e4chsten Versuchen die Ueberraschung","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nF. Schumann.\nhervor, Oder operire ich zuerst l\u00e4nger mit Vergleichszeiten, die nur\nwenig von der Hauptzeit sich unterscheiden und gehe ich dann zu gr\u00f6fseren Differenzen \u00fcber, so sind bei vorheriger Ank\u00fcndigung die Mebeneindr\u00fccke im. Allgemeinen ebenso deutlich wie bei einer unerwarteten \u00c4endenmg der Differenzen. Operirt man dann l\u00e4nger mit den grofsen Differenzen, so lassen allerdings die Nebeneindr\u00fccke im Allgemeinen wohl etwas nach. Dafs dann aber von Ueberraschung bald \u00fcberhaupt nichts mehr zu sp\u00fcren sei, mufs ich entschieden bestreiten. Ich habe die Nebeneindr\u00fccke z. B, bei einer Hauptzeit von 300 a und einer Differenz + 10 o auch bei l\u00e4ngeren Versuchsreihen in vielen F\u00e4llen noch deutlich zu bemerken geglaubt und in den F\u00e4llen, wo ich sie nicht besonders constatirte, k\u00f6nnen sie nat\u00fcrlich trotzdem vorhanden und wirksam gewesen sein. Wissen wir doch h\u00e4ufig bei unsicheren Ur-theilen nicht, wodurch sie veranlasst sind. Um di\u00a9 Nebeneindr\u00fccke bei so kleinen Differenzen constat!ren zu k\u00f6nnen, dazu geh\u00f6rt allerdings grofse Uebung und zwar sowohl im Zeitschltzen wie in der Selbstbeobachtung. Das Nachlassen der Nebeneindr\u00fccke zu erkl\u00e4ren, bietet aber weiter keine Schwierigkeiten. Wird l\u00e4nger mit derselben Hauptzeit operirt und wird dabei hin und wieder eine gr\u00f6fsere oder eine kleinere eingeschaltet, so sind die Nebeneindr\u00fccke sehr deutlich; wechselt man dagegen fortw\u00e4hrend mit der Gr\u00f6fse der Hauptzeit, so werden die Nebeneindr\u00fccke weniger deutlich. Das r\u00fchrt einfach daher, dafs eine pr\u00e4cise Einstellung auf ein bestimmtes Intervall sich nicht ausbilden kann, und ebenso haben wir anzunehmen, dafs durch die grofsen Differenzen die Einstellung auf eine der Hauptzeit gleiche Vergleichszeit mehr oder weniger gest\u00f6rt wird.\nF\u00fcnftens werden Fhatsachen in das Feld gef\u00fchrt, welche zeigen sollen, dafs Ueberraschung nichts mit dem Zeiturtheil zu thun haben kann: \u201eBr. K\u00fclpe theilte mir aus seinen Erfahrungen beim Vergleichen von Schallintensit\u00e4ten mit, dafs, wenn der intensive Schall zuerst kam, eine Ueberraschung und damit Uebersch\u00e4tzung des betreffenden Schalleindruckes stattfand. Ueberraschung kann sich mit jedem beliebigen Urtheil \u00fcber die m\u00f6glichen experimentellen Verh\u00e4ltnisse verbinden; wo sie aber auftritt, ist sie stets mit St\u00f6rungserscheinungen verbunden. St\u00f6rt sie die Urtheilsbildung bei Schallintensit\u00e4ten, so wird das Urtheil \u00bbst\u00e4rker\u00ab \u00fcbertrieben, st\u00f6rt sie die Urtheilsbildung bei Zeitsinn Verh\u00e4ltnissen, so wird das Urtheil \u00bbkleiner\u00ab \u00fcbertrieben \u2014","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen Schalleindriicken begrenzter Zeiten. |X\nwenn die Ueberraschung bei Verk\u00fcrzung des zweiten Intervalls \u2014 das Urtheil \u00bbgr\u00f6fser\u00ab, wenn sie unter geeigneten Versuchs-umst\u00e4nden bei Verl\u00e4ngerung des Intervalles auftritt. Bei meinen Versuchen mit intensiver Verst\u00e4rkung eines Schlages habe ich sowohl wenn der erste, wie wenn der zweite oder dritte Schlag verst\u00e4rkt wurde, stets Ueberraschung und Verl\u00e4ngerung eines von beiden Intervallen gefunden. Und was hindert, dafs dies stattfinden k\u00f6nne? Endlich wenn in M\u00fclleb\u2019s und Schumann\u2019s Gewichtsversuchen Ueberraschung eintrat, so wurde das \u00bbleichter\u00ab oder auch das Urtheil \u00bbschwerer\u00ab \u00fcbertrieben! Und diese allgemeine Begleiterscheinung gest\u00f6rter Urtheilsbildung soll, f\u00fcr unser Bewufstsein die Bedeutung eines specifischen Kriteriums f\u00fcr ein bestimmtes Zeiturtheil besitzen?\u201c \u2014\nDarauf habe ich Folgendes zu erwidern. Beabsichtige ich die Qualit\u00e4t eines kurz dauernden Tones zu beurtheilen und tritt derselbe dann unerwartet fr\u00fch ein, so vermag ich vielfach kein Urtheil abzugeben. Hat man ferner eine Versuchsperson zun\u00e4chst Intervalle von 0,4 Secunden sch\u00e4tzen lassen und geht dann pl\u00f6tzlich zu Intervallen von 0,2 Secunden \u00fcber, so wird sie vom zweiten und dritten Signal \u00fcberrascht und vermag kein Urtheil \u00fcber das Verh\u00e4ltnifs der Intervalle abzugeben, auch wenn der Unterschied relativ grofs war; oft vermag sie sogar nicht einmal zu beurtheilen, ob zwei oder drei Signale da waren. Solche und \u00e4hnliche Beispiele zeigen, dafs allerdings mit der Ueberraschung eine St\u00f6rung der Urtheilsbildung verbunden ist, aber diese St\u00f6rung ist dadurch charakteri-sirt, dafs gar kein Urtheil bezw. ein sehr unsicheres Urtheil cintritt. Falsch ist es aber, die St\u00f6rung in einer Uebertreibung des Urtheiles zu suchen. Denn, nehmen wir zun\u00e4chst die Zeit--sinnversuche, so w\u00fcrde mit Meumann\u2019s Behauptung zwar \u00fcbereinstimmen, dafs nach l\u00e4ngerem Operiren mit einer constanten Hauptzeit schon eine verhlltnifsm\u00e4fsig geringe Verk\u00fcrzung derselben das Urtheil \u201eauffallend klein\u201c hervorru.fi, aber unerkl\u00e4rt bliebe die Thatsache, dafs bei Gleichheit beider Intervalle oder sogar bei Vergr\u00f6\u00dferung des zweiten Intervalls eine durch Verst\u00e4rkung des dritten Signals hervorgerufene sinnliche Ueberraschung das, Urtheil \u201eMeiner\u201c bewirkt. Dafs dies wirklich stattfindet, daf\u00fcr werde ich im n\u00e4chsten Abschnitt die Beweise bringen. Meu-maxk behauptet allerdings, dafs das Urtheil \u201egr\u00f6fser\u201c \u00fcbertrieben wurde, wenn, die Ueberraschung bei Verl\u00e4ngerung des Intervalls","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nF, Schumann.\nauftritt Er beruft sich dabei auf Versuche mit intensiver Verst\u00e4rkung eines Schlages, bei denen er stets Ueberraschung und Verl\u00e4ngerung eines von beiden .Intervallen gefunden habe, sowohl wenn der erste wie wenn der zweite oder dritte Schlag verst\u00e4rkt wurde, Ueber diese Versuche berichtet er in einer weiteren Abhandlung (Phil. Stud. IX. S. 292 ff.), aber ich suche in dem Berichte vergeblich den Nachweis, dafs durch die Ueberraschung' eine Uebertreibung des UrtheUs \u201egr\u00f6fser\u201c bewirkt wird. Bei den betreffenden Versuchen wufsten die Versuchspersonen vorher, dafs ein bestimmtes Signal objectiv st\u00e4rker sein w\u00fcrde. Auch wurde bei einer ganzen Reihe von Versuchen dasselbe St\u00e4rkeverh\u00e4ltnifs festgehalten, so dafs die Versuchspersonen sich jedenfalls an die gr\u00f6fsere St\u00e4rke des betreffenden Signals gew\u00f6hnten und im Allgemeinen wohl nicht \u00fcberrascht wurden. Nur bei intensiver Verst\u00e4rkung des ersten Signals wurde bei einer Versuchsperson die Ueberraschung sicher constatirt und die Wirkung war, dafs das dem intensiven Signal nachfolgend\u00a9 Intervall \u00fcbersch\u00e4tzt wurde. Es steht dies ganz in Ueberem-stimmung' mit der von Meumann gefundenen Thatsache, dafs bei unerwarteter Einschaltung eines sehr intensiven Signals in eine Reihe gleicher und in gleichen Zeiten sich wiederholender Signale, das dem intensiven Signal nachfolgende Intervall verl\u00e4ngert erscheint, In diesen F\u00e4llen verh\u00e4lt es sich aber nicht so, dafs ein objectiv gr\u00f6fseres Intervall etwa nur in \u00fcbertriebener Form f\u00fcr auffallend grofs erkl\u00e4rt wird \u2014 das m\u00fcfste man doch nach der angef\u00fchrten Aeufsemng Meumann\u2019s erwarten, sondern die Ueberraschung bewirkt erst, dafs das objectiv gleiche (bezw. kleinere) Intervall l\u00e4nger erscheint. Die Erkl\u00e4rung dieser Thatsache wird im n\u00e4chsten Abschnitt erfolgen,\nEbenso willk\u00fcrlich ist die Behauptung, dafs bei den Gewichtsversuchen, welche ich in Gemeinschaft mit Prof. M\u00fcller ausgef\u00fchrt habe, in Folge der Ueberraschung die Urtheile \u201eleichter\u201c und \u201eschwerer44 \u00fcbertrieben worden w\u00e4ren. Wir1 haben die Urtheile \u201eauffallend leicht44 und \u201eauffallend schwer44 in anderer Weise erkl\u00e4rt Ueber die Versuche mit Schallintensit\u00e4ten endlich vermag ich zwar aus eigener Erfahrung nicht zu ur~ theilen, doch gestattet die angef\u00fchrte Thatsache eine andere Erkl\u00e4rung, Wir wissen aus Erfahrung, dafs ein Schalleindmck, der eine sinnliche Ueberraschung (ein Zusammenfahren) bedingt, im Allgemeinen st\u00e4rker ist als ein anderer, der nicht von Ueber-","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen Schalleindriicken begrenzter Zeiten. 13\nraschung begleitet ist. Dementsprechend urtheiien wir auch, wenn 'die Ueberraschung nicht durch die gr\u00f6fsere Intensit\u00e4t, sen dem etwa durch das zu fr\u00fche Eintreten bedingt ist\nRichtig ist demnach zwar, dafs die sinnliche Ueberraschung von Wrtheilsst\u00f6rangen begleitet ist, indem sie vielfach das Zustandekommen eines unmittelbaren Urtheils \u00fcber den Eindruck, welcher uns unvorbereitet getroffen hat, verhindert. Das hindert dann aber nicht, dafs die Ueberraschung als ein mittelbares Crit\u00e9rium f\u00fcr das Urtheil von uns benutzt wird. Ebenso steht es mit der Erwartungsspannung. Auch sie tritt bei allen m\u00f6glichen experimentellen Verh\u00e4ltnissen auf, trotzdem kann sie nat\u00fcrlich bei Zeitsch\u00e4tzungen als ein mittelbares Hauptcriterium f\u00fcr das Urtheil dienen.\nSechstens soll sich nach meiner Theorie das Gleichheit\u00bb-urtheil nicht erkl\u00e4ren lassen : \u201eSchumann mufa also entweder das Gleichheitsurtheil aus dem Fehlen von Ueberraschung und Erwartung erkl\u00e4ren, das w\u00e4re geradezu falsch, denn wir haben nicht nur ein negatives, sondern auch ein positives, aus dem positiven Bewufstsein der Gleichheit hervorgehendes Gleichheitsurtheil; oder er mufs hier lediglich die \u00bbEinstellung\u00ab bezw. die automatische Wiederemeuerung des zweiten Schalles als Grundlage unserer Kenntnifs der Gleichheit annehmen, wozu dann die \u00bbNebeneindr\u00fccke\u00ab beim Unterschiedsurtheil ? Sind diese nicht nach Schumann\u2019s eigener Theorie eine v\u00f6llig \u00fcberfl\u00fcssig\u00a9 Annahme?14 \u2014 Hierzu habe ich Folgendes zu bemerken. Es kommen nach meinen neueren Erfahrungen zwei Arten von Gleichheits-urtheilen vor. Bei der ersten Art w\u00fcrde die Versuchsperson auch statt \u201egleich\u201c etwa sagen k\u00f6nnen \u201eich habe keine Verschiedenheit bemerkt\u201c. Diese Urtheile w\u00fcrden sich sehr gut aus dem Fehlen von Erwartungsspannung und Ueberraschung erkl\u00e4ren lassen. Daneben kommt allerdings, wenn auch in weniger zahlreichen F\u00e4llen, ein \u201epositives\u201c Gleichheitsurtheil vor. Ich selbst habe in solchen F\u00e4llen immer den Eindruck gehabt, dafs die drei Signale ein angenehmes, wohlgeordnetes Ganzes bildeten, deren Theile in jeder Beziehung genau gleich erschienen. Es kam also noch ein \u00e4sthetischer Eindruck hinzu. Demnach w\u00fcrde meine Theorie hinsichtlich des Gleichheitsurtheiles zu erg\u00e4nzen sein und wenn ich auch zur Zeit diese Erg\u00e4nzung noch nicht geben kann, so liegt darin doch kein Beweis gegen mein\u00a9 Theorie,","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nF, Schumann.\nDer letzte The! von Mbumann\u2019s Bemerkung beruht auf\neinem Mifsverst\u00e4ndnifs, das auch noch bei einer anderen Schlufs-folgerung von Bedeutung ist Meine Annahme, dafs in einem bestimmten Momente eine Erwartung des dritten Signals eintritt, wird n\u00e4mlich dahin ausgelegt, dafs in dem bestimmten Momente eine bewufste Vorstellung des dritten Signals auftauchen soll. Ich habe aber nur als wahrscheinlich hingestellt, dafs in dem Momente ein Frocefs in den betreffenden centrosensorischen Par-tieen des Gehirnes eintritt, welcher \u2022 dem erwarteten Eindruck entspricht, habe damit aber nicht eine bewufste Vorstellung gemeint.\nSiebentens soll es falsch sein \u201eUeberraschung und Erwartung zu coordiniren als zwei ebenb\u00fcrtige Bestandteile der Grundlage des Zeiturtheils\u201c. Erwartung sei immer da, Ueberraschung aber nicht; es k\u00f6nne sich also nur um einen Erwartungszuwachs handeln, der der Ueberraschung gegen\u00fcberzustellen sei. \u2014 Ich mufs entschieden bestreiten, dafs der Nebeneindruck der Erwartungsspannung, von dem ich rede, immer da ist. Bei gr\u00f6fseren Intervallen\" (\u00fcber 0,4 Sec.) h\u00f6rt die Erwartungsspannung nach jedem Signal f\u00fcr eine mehr oder weniger grofse Zeitpaus\u00a9 auf. Allerdings liegt bei kleinsten Zeiten di\u00a9 Sache vielleicht anders und ich habe selbst (a. a. O. S. 4 Anmerkg.) hervorgehoben, dafs bei diesen -die Aufmerksamkeit dem subjectiven Eindruck nach gespannt bleibt, bis alle drei Signale erfolgt sind, und dafs daher die in diesem F\u00e4lle vor dem abschlief senden Signale noch besonders auftretende Erwartungsspannung vielleicht nur als ein Zuwachs zur ersten aufzufassen ist. Ich habe aber zugleich auf eine zweite M\u00f6glichkeit hingewiesen. Der allgemeine Eindruck, die Aufmerksamkeit sei w\u00e4hrend des ganzen#Versuches gespannt, kann durch Spannungsempfindungen der Muskeln bedingt sein, w\u00e4hrend es sich bei der das Zeiturtheil bedingenden Erwartungsspannung vieleicht um ein innerlich erzeugtes Gef\u00fchl handelt, welches nat\u00fcrlich nicht mit den Muskelempfindungen zu verschmelzen braucht. Endlich kommt aber auch noch eine dritte M\u00f6glichkeit in Frage. Die w\u00e4hrend des ganzen Versuchs andauernde Spannung bleibt mehr im Hintergr\u00fcnde des Bewufst-seins, w\u00e4hrend die bei Verl\u00e4ngerung eines Interval len auftretende Spannung durchaus im Vordergr\u00fcnde sich befindet: sie bildet mit den zeitbegrenzenden Signalen ein einheitliches Ganzes. Es ist nun denkbar, dafs bei Verl\u00e4ngerung eines Intervals die zu-","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen Schalleindr\u00fccken begrenzter Ernten, J\u00df\nn\u00e4chst im, Hintergr\u00fcnde befindlich\u00a9 Spannung in den 'Vordergrund tritt und dadurch den Einflufs auf das Urtheil gewinnt Achtens wendet sich Meumann dagegen, dafs ich Beobachtungen bei Ged\u00e4chtnifsversuchen nach Eb bi ngh aus\u2019 scher Methode herangezogen habe. Bei den fraglichen Versuchen erschienen sinnlos\u00a9 Silben in constanten Zwischenzeiten der Reihe nach einzeln in dem Ausschnitte eines Schirmes und wurden von einer vor dem Schirm sitzenden Versuchsperson laut vorgelesen. Es ergab sich dabei, dafs die Versuchspersonen die constanten Intervalle in gewissen F\u00e4llen \u00fcbersch\u00e4tzten, in anderen F\u00e4llen untersch\u00e4tzten, und ich konnte nach weisen, dafs auch bei diesen T\u00e4uschungen die Einstellung der Aufmerksamkeit \u00a9ine grofse Rollo spielte. Meumann behauptet nun, dafs aus derartigen Versuchen sich nichts schliefsen lasse in Bezug auf die eigentlich\u00a9 Intervallvergleichung, da die sinnlosen Silben die Aufmerksamkeit der Versuchsperson ganz in Anspruch n\u00e4hmen, w\u00e4hrend bei der eigentlichen Intervallsch\u00e4tzung die zeitlichen Erlebnisse gelbst Gegenstand der Aufmerksamkeit w\u00e4ren. Dieser Einwand tr\u00e4fe ja zu, wenn, man mit Meumann als selbstverst\u00e4ndlich voraus-setzen k\u00f6nnte, dafs di\u00a9 zeitlichen Verh\u00e4ltnisse besonder\u00a9 Bewufst seinsinhalte w\u00e4ren, die sich durch die Aufmerksamkeit im Bewusstsein relativ iso\u00fcren liefsen. Da aber eine solch\u00a9 Annahme bisher in keiner Weise begr\u00fcndet ist, da ferner bisher auch nicht im Geringsten wahrscheinlich gemacht ist, dafs bei Zeitsinnversuchen, wenn die Aufmerksamkeit auf die zeitlichen Verh\u00e4ltnisse gerichtet ist, \u00fcberhaupt ein unmittelbares Zeiturtheil eintritt, so wird man mit der M\u00f6glichkeit eines mittelbaren Zeiturtheils unbedingt rechnen k\u00f6nnen. Es liegt daher mindestens nahe, dasselbe mittelbar\u00a9 Crit\u00e9rium, auf welches di\u00a9 bei Ged\u00e4chtnifsversuchen gefundenen T\u00e4uschungen hinweisen, auch zur Erkl\u00e4rung der analogen bei eigentlichen Zeitsmnversuchen, auftretenden T\u00e4uschungen heranzuziehen.\nBei Besprechung der Ged\u00e4chtnifsversuche habe Ich noch folgende Bemerkung gemacht (a. a. O. S. 13): \u201eWie grofs nun die Unterschieds-emp\u00e4ndlichkeit bei lingerer Ein\u00fcbung auf eine bestimmte Geschwindigkeit werden kann, zeigt die oben an zweiter Erteile erw\u00e4hnte Thatsache, dafs Aendernngen der gewohnten Geschwindigkeit um Vs 0 schon h\u00e4ufig unangenehm stark empfunden wurden.\u201c Meumann giebt den Inhalt dieser Bemerkung entstellt wieder, indem er behauptet, ich h\u00e4tte aus der erw\u00e4hnten Thatsache auf die \u201eUnterschiedsempfindlichkeit des Zeitsinnes\u201c geschlossen, indem er unter \u201eZeitsinn\u201c Mer das direct\u00a9 Zeitbewufstsein ver-","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nF. Schumann.\nsteht. Meumakm hat aber die gesperrt gedruckten Worte einfach Main-gesetzt. Auch geht aus den Ausf\u00fchrungen des betreffenden Paragraphen\ngen\u00fcgend hervor, dafe ich die bei den Ged\u00e4chtnifsversuchen abgegebenen Zeiturtheile als mittelbare Zeiturtheile betrachtet habe.\nEndlich ist noch das schwerste Gesch\u00fctz zu erw\u00e4hnen,, welches Mettmann gegen meine Theorie in den Kampf .f\u00fchrt Zwei wichtige Versuchsthatsachen, von denen di\u00a9 eine gerade eine Hauptst\u00fctze meiner Theorie ist, werden als falsch Mngeste\u00fcl Ich habe n\u00e4mlich erstens behauptet, dafe eine unerwartete Verst\u00e4rkung eines Signales in Folge des Nebeneindruckes der Ueber-raschung eine Untersch\u00e4tzung des vorangehenden Intervalles hervorraft. Mettmann giebt diese Untersch\u00e4tzung nur zu f\u00fcr den FaU, dafe in eine Reihe gleicher und in gleichen Intervallen sich wiederholender Signale pl\u00f6tzlich ein st\u00e4rkeres Signal eingeschaltet w\u00fcrde, behauptet aber, dafs nach seinen Versuchen bei der Vergleichung unmittelbar auf einander folgender Intervale eine objective Verst\u00e4rkung des dritten Signals im Gegentheil \u00a9in\u00a9 Uebersch\u00e4tzung hervorriefe. Um diese Widerspr\u00fcche aufzukl\u00e4ren, habe ich neue Versuche angestellt, \u00fcber deren Ergebnis ich im, n\u00e4chsten Abschnitt ausf\u00fchrlich berichten werde. Ich glaube, die Aufkl\u00e4rung ist mir v\u00f6llig gelungen.\nFerner stellt Meumann die von mir behauptete Thatsache in\nAbrede, dafs von zwei gleichen leeren Intervallen, die durch eine Pause von mehreren Secunden von einander getrennt sind, das zweite untersch\u00e4tzt wird \u2014 vorausgesetzt dafs die Aufmerksamkeit die Pause hindurch lebhaft auf Eintritt des dritten Signales gespannt bleibt. Er behauptet dagegen, Versuche mit Zwischenzeiten von 10\u201426 Becunden gemacht, aber keine T\u00e4uschung gefunden zu haben. \u2014 Da ich \u00fcber die fraglichen Versuche n\u00e4here Einzelheiten nicht mitgetheilt habe, so ist es mir besonders angenehm, dafs ich Herrn Professor M\u00fcller als Zeugen anrafen kann, der gerade nur bei diesen Versuchen Versuchsperson war. Aufserdem war ich selbst noch Versuchsperson. Ich hatte damals zun\u00e4chst eine durch mehrere Signale ausgef\u00fcllte Zeit mit einer nach einer gr\u00f6fseren Pause (ca. 10 Sec.) nachfolgenden objectiv gleichen aber leeren Zeit verglichen ; dabei war mir aufgefallen, dafe die leere Zeit nicht nur kleiner erschien als die vorangehende volle, sondern auch viel Meiner, als leere Z\u00e9iten von gleicher Gr\u00f6fse mir sonst wohl erschienen 'waren. Ich verglich\u201d daher zwei gleiche leere Zeiten unter denselben Bedingungen, und in der","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen Schalleindr\u00fccken begrenzter Zeiten. 17\nThat zeigte sich die auffallende Untersch\u00e4tzung der zweiten Zeit in gleicher Weise. Dasselbe sagte Herr Professor M\u00fcller aus, uni zwar hatten wir beide bei einer Reibe von Versuchen die T\u00e4uschung immer mit gr\u00f6fster Deutlichkeit. Bei gr\u00f6\u00dferen Pausen entschwand zwar das erste Intervall fast ganz dem Ge-d\u00e4chtnifs, doch erschien das zweite Intervall so auffallend kurz, dafs trotzdem ein sicheres UrtheM entstand. Dabei fiel uns beiden auf, dafs w\u00e4hrend der greisen Zwischenzeit (ca. 10 Sec.) die Erwartungsspannung eine aufserordentliche Intensit\u00e4t erreichte; wir vermutheten daher, dafs dadurch vielleicht eine Erm\u00fcdung der Aufmerksamkeit hervorgerufen w\u00fcrde, welche dann die Untersch\u00e4tzung des zweiten Intervalles bewirkte. Wir pr\u00fcften dies, indem wir absichtlich w\u00e4hrend der Pause die Aufmerksamkeit etwas ablenkten, w\u00e4hrend ein kurz vor dem zweiten Intervall eintretendes Signal eine Vorbereitung der Aufmerksamkeit erm\u00f6glichte. In'der That h\u00f6rte unter diesem Umst\u00e4nden die T\u00e4uschung im Wesentlichen auf.\nNeuerdings habe ich diese Versuche mit Intervallen von 2 Secunden und Pausen von ca. 5\u201412 Secunden wiederholt. Ich war1 selbst Versuchsperson und ich konnte wieder in zahlreichen F\u00e4llen eine auffallende Verk\u00fcrzung des zweiten Intervalles constatiren, Auch ergab die innere Wahrnehmung mit Sicherheit, dafs in diesen F\u00e4llen die sonst bei Intervallen von 2 Secunden sehr lebhaft auftretende Erwartungsspannung innerhalb des zweiten Intervales fast ganz ausblieb, ja dafs das ab-scMiefsende Signal mich sogar vielfach noch bei ganz unvorbereiteter Aufmerksamkeit antraf. Allerdings habe ich 'diesmal auch oft andere F\u00e4lle constatirt, wo die Erwartungsspannung das ganze zweite Intervall hindurch anhielt, dann war die fragliche T\u00e4uschung nicht vorhanden.\nWenn nun Mbumann die T\u00e4uschung nicht gefunden hat, so beweist das nichts gegen meine Theorie. Denn diese verlangt nur, dafs \u00a9in gr\u00f6fseres Interval (\u00fcber 0,6 Sec.) auffallend Mein erscheint, wenn etwa in Folge von Erm\u00fcdung die Aufmerksamkeit dem, Endsignal noch nicht entgegenkommt ; sie verlangt aber nicht, dafs unter den bestimmten \u00e4ufseren Umst\u00e4nden etwa das Entgegenkommen der Aufmerksamkeit stets und bei allen Versuchspersonen ausbleiben mufs. Ob eine Spannung auftritt oder nicht, das h\u00e4ngt eben zum The il von subjectiven Be-dingungen ab, die wir nicht in der Gewalt haben. Die Aussage\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XVIII.\t2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nF. Schumann.\neiner nicht nur in Selbstbeobachtung im Allgemeinen, sondern\nspecie!i auch bei Zeitschatzung ge\u00fcbten Versuchsperson wird daher nicht umgestofsen, wenn andere Personen nicht das Gleich\u00a9 auszusagen verm\u00f6gen. Nun habe ich allerdings fr\u00fcher noch behauptet, dafs die T\u00e4uschung, welche \u00a9intritt, wenn man ein\u00a9 durch mehrere Signale ausgef\u00fcllte Zeit mit einer nach l\u00e4ngerer Pause folgenden leeren Zeit vergleicht, allgemein in gleicher Weise zu erkl\u00e4ren sei, Vielleicht habe ich da zu viel behauptet M\u00f6glicherweise war nur bei mir und Prof, M\u00fclle\u00bb damals derselbe Factor wirksam, w\u00e4hrend bei .anderen Versuchspersonen vielleicht \u00a9in ganz anderer Factor mitspielt Bas ist 'indessen eine Frage, die f\u00fcr die Theorie der Vergleichung leerer Intervale, die Mer in Frage steht, nur geringe Bedeutung hat.\nWie stark eine gr\u00f6fsere Erm\u00fcdung der Aufmerksamkeit auf die Zeitsch\u00e4tzung wirkt, das habe ich bei anderen Versuchen sicher constatiren k\u00f6nnen. Als eines Tages Herr Prof. M\u00fclle\u00bb Versuchsperson war bei Versuchen, welche die Wirkung eines st\u00e4rkeren Schlages innerhalb einer Reihe gleicher und in gleichen Intervallen sich wiederholender Schl\u00e4ge betrafen, operirten wir zun\u00e4chst mit einem Interval von 0,67 Seeunden. Darauf machten wir eine grofs\u00a9 Pause, w\u00e4hrend welcher Herr Professor M\u00fclleb andere Versuche leitete, die ihn sehr erm\u00fcdeten. Als wir dann unsere Versuche mit einem erheblich gr\u00f6fseren Intervall von 1,0 Seeunden fortsetzten, glaubte er, das Intervall w\u00e4re erheblich verk\u00fcrzt Er war \u00e4ufserst \u00fcberrascht, als ich ihm von der erheblichen Vergr\u00f6fserung Mittheilung machte.\nWie erw\u00e4hnt war ich auf den eben besprochenen constanten Zeitfehler dadurch gekommen, dafs ich zun\u00e4chst \u00a9in durch mehrere Signale ausgef\u00fclltes Intervall mit einem nach einer gr\u00f6fseren Pause folgenden leeren Interval verglichen hatte. Es handelte sich dabei um eine Orientirang \u00fcber Versuche, welche St. Hall und Jastbow angestelt haben, um festzustellen, ob eine ausgef\u00fcllte Zeit ebenso wie eine getheilt\u00a9 Linie \u00fcbersch\u00e4tzt wird. Ba sich meine Untersuchungen damals nur auf di\u00a9 Vergleichung leerer Intervalle erstreckten, erhielten diese Versuche erst dadurch einiges Interesse f\u00fcr mich, dafs ich durch sie auf den ZeitfeMer aufmerksam wurde. In meiner fr\u00fcheren Abhandlung habe ich demnach diese Versuche nur bei Gelegenheit eines kritischen Berichtes \u00fcber die Ergebnisse fr\u00fcherer Untersuchungen ganz nebenbei erw\u00e4hnt und habe dabei auf einige","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, van einfachen Schalleindriicken begrenzter Zeiten. J9\nFehlerquellen aufmerksam gemacht, die mir bei der Nachpr\u00fcfung au fgefallen waren. Meine Bemerkungen \u00fcber die fraglichen Versuche hat nun Mettmann in so heftiger Weise angegriffen, d&fs ich mich ausf\u00fchrlich vertheidigen mufs, obwohl die in Betracht kommenden Fragen g\u00e4nzlich nebens\u00e4chlich sind.\nSt. Hall und Jastbow haben gefunden, dafs die Ueber-seh\u00e4tzung der ausgef\u00fcllten Zeit besonders bei grossen und bei sehr kleinen \u00ab 8/4 Sec.) Zwischenzeiten ein,tritt und zwar vor Allem dann eintritt, wenn die leere Zeit nachfolgt. Wurde dagegen das leere Intervall zuerst genommen, so reducirte sich die T\u00e4uschung auf ein Minimum 'und verschwand bei einigen Versuchspersonen g\u00e4nzlich. Meumann behauptet nun erstens, ich h\u00e4tte einen falschen Bericht gegeben. Er schreibt: \u201eIndem Sch\u00fcmann dann die ganze Erscheinung auf den Zeitfehler zu reduciren versucht, wird Seite 68 die Thatsache, dafs die T\u00e4uschung bei kleinsten Zeiten ein Maximum erreicht, einfach ignorirt, indem Schumann hier berichtet: \u00bbDa die T\u00e4uschung nicht (?) bei der umgekehrten Zeitlage der beiden Intervall\u00a9 ein-tritt und ausserdem, nur bei gr\u00f6fseren Pausen von mehreren Secunden, so liegt die Vermuthung nahe, dafs sie durch den (konstanten Zeitfehler hervorgerufen ist\u00ab (I). In der letzten H\u00e4lfte des Satzes wird eine Thatsache ignorirt, in der ersten aufseriem \u00a9in falscher Bericht erstattet\u201c \u2014 Der von Meumann citirte Satz befindet sich nun aber gar nicht in meinem Bericht \u00fcber die Versuche von St. Hall und Jastbow, denn dieser Bericht findet sich auf Seite 42 meiner Abhandlung, w\u00e4hrend der von Meumann citirte Satz auf Seite 66 steht Auf Seite 42 habe ich ganz richtig angef\u00fchrt, dafs die T\u00e4uschung auch bei den kleinsten Zeiten ein Maximum erreicht, Zugleich habe ich dort bemerkt, dafs die T\u00e4uschung, soweit sie bei gr\u00f6fseren Pausen stattfindet, auf den constanten Zeitfehler zur\u00fcckzuf\u00fchren sei, und ich habe hinsichtlich der Erkl\u00e4rung auf einen folgenden Paragraphen verwesen. Bei Gelegenheit des Erkl\u00e4rungsversuches, dem der von Meumann citirte Satz entnommen ist, habe ich mich dann allerdings zu kurz ausgedr\u00fcckt, indem ich di\u00a9 Thatsache \u00fcberging, dafs die T\u00e4uschung auch noch bei sehr kleinen Zeiten ein Maximum erreicht Aber f\u00fcr meine Schlu\u00dffolgerung war dies ohne alle Bedeutung; auch bei Ber\u00fccksichtigung der \u00fcbergangenen Thatsache h\u00e4tte ich in genau derselben Weise sch\u00fcefsen\nk\u00f6nnen. Wenn ich ferner geschrieben habe: \u201eDa di\u00a9 T\u00e4uschung\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nJF. Schumann.\nnicht bei umgekehrter Zeitlag\u00a9 \u00a9intritt\u201c, w\u00e4hrend im Original bericht\nsteht: \u201eBei umgekehrter Zeitlag\u00a9 reducirt sich die T\u00e4uschung auf ein Minimum und verschwindet bei einigen Personen ganz,\u201c -so ist das eine geringf\u00fcgige Aenderung, auf die wiederum nicht das Geringste ankommt.\nMEUmann greift noch weiter kritische Bemerkungen an,\ndie ich an die Versuche mit den kleinsten Zwischenzeiten \u00ab 8/4 Sec.) angekn\u00fcpft habe. Es mag durchaus richtig sein, wie Meumann behauptet, dafs diese Bemerkungen f\u00fcr die mit ausgedehnten Versuchsreihen erhaltenen Resultate nicht passen, weil sie Fehlerquellen betreffen, die durch Uebung beseitigt werden. Es ist aber zu ber\u00fccksichtigen, dafs Hale und Jastbow hei der Mittheilung der Ergebnisse ihrer Untersuchungen alle Angaben \u00fcber Einzelheiten unterlassen haben. Der ganze Bericht umfafst nur wenige Zeilen; es ist mit keinem Worte erw\u00e4hnt, dafs die Resultate erst durch l\u00e4ngere Versuchsreihen gewonnen sind. Ich nahm daher an, dafs diese T\u00e4uschung, ebenso wie die analoge Gesichtst\u00e4uschung, sich sofort bei den ersten Versuchen zeigen sollte. Dementsprechend glaubte ich mich berechtigt, auf Factoren aufmerksam zu machen, die bei den ersten Versuchen in Frage kommen. Weiter verfolgt habe ich \u00fce Bache nicht, weil die Vergleichung einer ausgef\u00fcllten Zeit .mit einer leeren f\u00fcr mich nicht in Frage kam.\nBo steht es mit dieser Angelegenheit, die Mettmann zu einem Capitalverbrechen aufgebauscht hat.\nIndem ich hiermit die Besprechung der Einw\u00e4nde Metjmann\u2019s\nbeschliesse, will ich nur noch eine kurze Bemerkung Mnzuftgen. Einem Manne, der sich nicht scheut, dem Gegner das wissentliche Verschweigen einer mit dessen Theorie unvereinbaren Thaf-sache vor zu werten; der sich zu dem Satze versteift: \u201eUnf\u00e4hig zum Verst\u00e4ndnis der Absichten Anderer und pr\u00e4tenti\u00f6s in der Kritik \u2014 das Charakteristik meinen Gegner,\u201c h\u00e4tte ich am liebsten \u00fcberhaupt nicht geantwortet Da ich indessen einerseits die Untersuchungen \u00fcber Zeitwahrnehmung fortzusetzen gedenke, und da andererseits Mettmann* s Ausf\u00fchrungen f\u00fcr denjenigen, der nicht \u00fcber reiche Erfahrungen auf diesem Gebiete verf\u00fcgt, wohl etwas Bestechendes haben k\u00f6nnten, durfte ich \u00a9ine eingehend\u00a9 Erwiderung nicht unterlassen. Wie man gesehen haben wird, habe ich die Entgegnung in durchaus sachlichem, Tone gehalten. Sollte","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen Schalleindriicken begrenzter Eeiim, 21\naber Meumann In. seinen pers\u00f6nlichen Angriffen fortfahren, so werde ich sie unbeachtet lassen.\n2. Aufser Meumann haben auch noch Wundt und K\u00fclpe Einwinde erhoben, die sich jedoch im Wesentlichen gegen eine 'Theorie richten, die nicht die meinige ist. Ich soll n\u00e4mlich, wie Ich des schon an anderer Stelle besprochen habe, \u201ein der Einstellung der sinnlichen Aufmerksamkeit die eigentliche Zeitvorstellung erblicken\u201c und \u201edie zeitliche Eigenschaft an eine besondere Bewufstseinsqualit\u00e4t binden\u201c. W\u00e4hrend aber Wundt seine Kritik gegen eine Ansicht richtet, die ich auch nicht entfernt irgendwo angedeutet habe, hat er seine eigene Ansicht im Sinne meiner wirklichen Ausf\u00fchrungen erheblich ge\u00e4ndert. In der neuesten Auflage seiner \u201ePhys. Psych.\u201c f\u00fchrt er aus, dafs die Zeitsch\u00e4tzung nur bei sehr kleinen Intervallen bis ca. 0,5 Sec. eine unmittelbare sei (ohne indessen diese Behauptung eingehender zu begr\u00fcnden), bei gr\u00f6fserem Zeiten dagegen eine mittelbare. F\u00fcr letztere schildert er den wahrscheinlichen Verlauf des Sch\u00e4tzungsvorganges folgernlermaafsen : \u201eBei dem Eintritt des Anfangseindmckes der zweiten Zeitstrecke wird der Anfangseindruck der ersten assimilirend reprodueirt und es wird nun mit dieser Reproduction die n\u00e4mliche Folge der Aufmerksamkeits-Spannung eingeleitet, welche das erste Zeitintervall begleitete, so dafs der Endeindruck der zweiten Zeitstrecke in einem. Moment erwartet wird, der ann\u00e4hernd dem Endeindruck der ersten Zeitstrecke entspricht Offenbar handelt es sich hier nicht mehr um eine unmittelbare, sondern um eine mittelbare Zeitvergleichung ; denn nicht die Zeitstreeken selbst werden verglichen, sondern die Vergleichung resultirt erst aus der Reproduction des Aufmerksamkeitsvorganges/1 \u2014 Ganz klar ist mir aus dieser Beschreibung nicht geworden, wie sich Wundt den Vorgang im Einzelnen denkt, doch ist die Aehnlichkeit mit meiner Anschauung deutlich zu erkennen : Wenn nach dem zweiten Signal ungef\u00e4hr eine der Hauptzeit gleiche Zeit verflossen ist, soll doch auch eine Erwartung des dritten Signals eintreten und der recht* zeitige Eintritt dieser Erwartung soll dadurch erm\u00f6glicht werden, dafs sich der w\u00e4hrend der Hauptzeit stattfindende Aufmerksamkeitsvorgang w\u00e4hrend der Vergleichszeit wiederholt\nNoch mehr n\u00e4hert sich Wundt meinen Anschauungen in. dem sp\u00e4ter erschienenen \u201eGrundrifs der Psychologie\u201c. Bei der Auffassung einer Reihe regelmifsiger Tactschl\u00e4ge soi jedes leer\u00a9","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nJP, Schumann.\nIntervall durch ein \u201eallm\u00e4hlich wachsendes Gef\u00fchl gespannter\nErwartung14 ausgef\u00fcllt sein, das bei Eintritt des n\u00e4chsten Eindruckes \u201epl\u00f6tzlich von seinem Maximum auf Null herabsinkt, um dem sehr rasch steigenden und wieder sinkenden Gef\u00fchl der Erf\u00fcllung Platz zu machen, worauf dann der n\u00e4mliche Verlauf von Neuem beginnt44. Auch wird angenommen, dafs von zwei objectiv gleichen Intervallen dasjenige l\u00e4nger erscheint, welches durch eine intensivere Erwartungsspannung ausgef\u00fcllt ist. Von Mer aus ist, wie man leicht \u00fcbersieht, nur noch ein kleiner Schritt bis zu meiner Anschauung n\u00f6thig. Man hat nur noch hinzuzuf\u00fcgen, dafs nach jedem Eindruck eine je nach Umst\u00e4nden mehr oder weniger kurze Zeit vertiefst, bis die Erwartungsspannung wieder ein-setzt, und dafs ein innerhalb dieser Zeitspanne eintretender Eindruck von einem Nebeneindruck der Ueberraschung, einem Gef\u00fchl des Erleidens (oder wie man sonst das innerlich Erlebte bezeichnen will) begleitet ist.\nK\u00fciiPE hat in derselben Weise wie Wubdt meine Ausf\u00fchrungen mifsverstanden. Aufserdem erhebt er noch drei Ein-w\u00e4nde, von denen der erste, n\u00e4mlich die Behauptung, dafs sich die Uebersch\u00e4tzung Meiner und die Untersch\u00e4tzung grofser Zeiten nicht durch meine Theorie erkl\u00e4ren lasse, im n\u00e4chsten Abschnitt seine Erledigung finden wird. Der zweite Einwand beruht auf einem Mifsverst\u00e4ndnifs. Ich habe n\u00e4mlich nie behauptet, dafs bei kleinsten Zeiten, wo die UnterscMedsempfindlichkeit am gr\u00f6fsten ist, die Nebeneindr\u00fccke kaum bemerkt werden k\u00f6nnten, sondern ich habe dies nur f\u00fcr kleinste Differenzen erw\u00e4hnt. Auch der dritte Einwand bietet keine Schwierigkeiten: Die Nebeneindr\u00fccke sollen keine eindeutige Beziehung zu den Urtheilen \u201egr\u00f6fser44 und \u201eMeiner\u201c haben, da wir auch \u00fcber eine zu lange Dauer eines Intervalls \u00fcberrascht sein k\u00f6nnten und unsere Erwartung sich nicht nothwendig auf ein dem ersten Intervall folgendes, ihm, gleiches zu richten oder ganz emzustellen brauchte. Hier \u00fcbersieht K\u00fclfb, dafs die Ausdr\u00fccke \u201eUeberraschung44 und \u201eErwartung\u201c nicht eindeutig sind. Wenn Jemand \u00fcber eine zu lange Dauer \u00fcberrascht ist, so heilst das mit anderen Worten: er wundert sich. Dem eintretenden psychischen Zustand\u00a9 fehlt aber ganz das Charakteristische der sinnlichen JJeber-raschung, die ein unerwarteter Eindruck hervorruft und nur von letzterer ist bei meiner Theorie die Rede. Ferner kann zwar di\u00a9","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von ein fachet% Scha\u00dceitidriicken begrenzter Zeiten. 23\nErwartung einer gr\u00f6fseren oder kleineren Vergleichszeit ein-treten, doch handelt es sich clabei um die dem Versuche vorausgehend\u00a9 Erwartung, von der die in einem bestimmten Moment\u00a9 eintretende Erwartung des dritten Signals verschieden ist, wie ich dies schon oben (S. 71) ausf\u00fchrlich auseinander gesetzt habe.\nin.\nSind nun schon die Einwind\u00a9 gegen meine Theorie wenig stichhaltig, so wird dieselbe durch die folgenden Versuchsthat-\nsachen und Aussagen von Versuchspersonen \u00fcber innerlich Erlebtes geradezu bewiesen.\n1. Sehr erfreut bin ich, dafs ich mich auf Beobachtungen von Hbbbabt 1 berufen kann, der doch gewifs ein ganz unverd\u00e4chtiger Zeuge ist Er hat schon festgestellt, dafs es bei Schlagfolgen einen Unterschied des Bequemen im Gegens\u00e4tze des Langsamen und dos Geschwinden giebt, indem \u00a9r beobachtete, dafs bei den langsamen Schlagfolgen ein Gef\u00fchl des Aufschubs und des Wartens erzeugt wird, bei den schnellen \u00a9in Gef\u00fchl der Aufregung. Er bemerkt hier\u00fcber: \u201eGesetzt der n\u00e4chstfolgende Schlag komme sp\u00e4ter: so hat'sich, weil derselbe schon innerlich vorgebildet wurde, ein Gef\u00fchl des Aufschubs und des Wartens erzeugt., welches selbst ein Gegenstand der inneren Apperception wird; die Folge der Schl\u00e4ge wird nun als mehr oder weniger langsam empfunden. Der n\u00e4chstfolgende Schlag kommt fr\u00fcher: so beschleunigt er die Reproduction und es entsteht ein Gef\u00fchl der Aufregung; f\u00fcr die Apperception die Empfindung des Schnellen und Eilenden.\u201c Diese Gef\u00fchle sollen uns dann auch als Zeitmaafs dienen. So sollen wir beim Versuch, im \u00e4ufseren Handeln eine Schlagfolge hervorzubringen, welche einer ge-i h\u00f6rten \u00e4hnlich ist, zun\u00e4chst probiren. Wenn wir nun nicht zuf\u00e4llig gleich das rechte Maafs tr\u00e4fen, so entst\u00e4nde nicht dasselbe Gef\u00fchl des Langsamen oder Schnellen oder Bequemen, und wir probirten dama durch Ab\u00e4nderung des Versuchs weiter, bis eine dasselbe Gef\u00fchl hervormfende ScMagfolge entst\u00e4nde. F\u00fcr die \u201ebequeme\u201c Schlagfolge giebt dann Hebbabt ungef\u00e4hr denselben Werth an wie Vibbobbt f\u00fcr die \u201ead\u00e4quate\u201c Zeit : Eine bequeme\n1 Herbabt* s s\u00e4mmtliche Werke, herausgegeben von Hartenstein Bd. VII,\nS. 310.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nF, Schumann.\nSchlagfolge erh\u00e4lt man nach ihm, wenn man zwischen je zwei\naufeinander folgenden Schl\u00e4gen der Secundenuhr noch einen in Gedanken einschaltet Geschieht 'dies Einsehalten nicht, so findet man ihre Schl\u00e4ge eher etwas langsam, sie lassen auf sich warten,\nDiese Ausf\u00fchrungen stimmen mit den meinigen gut \u00fcberein, nur nimmt Hebbabt statt des Nebeneindruckes der Ueherrasch ung ein Gef\u00fchl der Aufregung1 am, Dieser Unterschied verschwindet, wenn man in R\u00fccksicht zieht, dafs Hebbabt von l\u00e4ngeren Schlagfolgen redet, bei denen auch nach meiner Ansicht der Nebeneindruek der Ueberraschung nur bei den ersten Schl\u00e4gen eintritt, w\u00e4hrend \u00a9in Gef\u00fchl der Aufregung andauernd besteht. Ich halte nun durchaus f\u00fcr wahrscheinlich, dafs dies Gef\u00fchl das Urtheil mit beeinflusst, doch kenne ich keine That-Sachen, durch die diese Annahme bewiesen werden k\u00f6nnte.\nFerner kann ich mich auf die Aussagen einer gr\u00f6lseren Zahl von Studenten berufen, die an den von mir im hiesigen Institut abgehaltenen Uebungen theilgenommen haben. So betheilgten sich z. B. im Winter-Semester 1895/96 f\u00fcnf Studenten, die sich schon n\u00e4her mit Psychologie besch\u00e4ftigt hatten, an einigen kurzen Versuchsreihen \u00fcber Zeitsch\u00e4tzung. Vorher hatte ich mit ihnen die algemeine Psychologie der Zeitanschauung durch-genommen, wobei von mir auf die M\u00f6glichkeit einer unmittelbaren Zeitsch\u00e4tzung hingewiesen war. Auch hatte ich besonders auf die Ansicht aufmerksam gemacht, nach welcher jedes Signal noch einige Zeit im Bewufstsein bleibt und dabei eine qualitative Ver\u00e4nderung erleidet, ein Zeitzeichen erh\u00e4lt Dagegen kannte von den f\u00fcnf Herren nur einer meine Ansicht \u00fcber die Bedeutung der Erwartungsspannung und der Ueberraschung f\u00fcr das Zustandekommen des Zeiturtheiles, den \u00fcbrigen war sie v\u00f6llig fremd. Trotzdem gaben schon nach einer kurzen Versuchsreihe mit einer Hauptzeit von 400 & und mit verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig grofsen Differenzen (+ 1/i0), die nur unsicher beurtheilt wurden, zwei Herren an, dafs sie das dritte Signal in einem bestimmten Momente erwarteten und nun \u201el\u00e4nger\u201c oder \u201ek\u00fcrzer\u201c urtheilten \u2014 das Urtheil bezieht sich auf das zweite Intervall \u2014 je nachdem es fr\u00fcher oder sp\u00e4ter als erwartet eintr\u00e4te. Unmittelbar w\u00fcrde das Urtheil nicht hervorgerufen. Dieser Aussage schlossen sich gleich darauf nach einer weiteren kurzen Versuchsreihe noch zwei Herren an, w\u00e4hrend nur der f\u00fcnfte behauptete, nichts","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, ron einfachen Schatteindr\u00fccken begrenzter Zeiten,\t25\nSicheres aussagen zu k\u00f6nnen. Gerade dieser letztere (Stud, philos. K. Bbhabdt) hatte sich aber vorher mit der Literatur \u00fcber die Frage der Zeitsch\u00e4tzung bekannt gemacht und war speeie\u00fc, wie er sp\u00e4ter erkl\u00e4rte, durch das Studium von Mettmann* s Arbeiten, di\u00a9 f\u00fcr Anf\u00e4nger viel Bestechendes haben, gegen meine Theorie eingenommen. Erst sp\u00e4ter hat er sich auf Grund seiner Erfahrungen bei eigenen Untersuchungen meiner Ansicht angeschlossen.\nIn den folgenden Semestern habe ich dann noch \u00f6fter mit neuen Versuchspersonen kurze Versuchsreihen angestellt und immer fanden sich einige, welche nach wenigen Versuchen in ganz gleicher Weise aussagten. Besonders zu erw\u00e4hnen sind Aussagen des Herrn stud, phil K\u00fche, der sich \u00f6fter an kurzen Versuchsreihen betheiligte. Er sagte: \u201edas dritte Signal klingt anders, wenn das zweite Intervall k\u00fcrzer erscheint14. Zu verschiedenen Zeiten gab er an, das dritte Signal w\u00e4re ihm bei Verk\u00fcrzung des zweiten Intervalles \u201esch\u00e4rfer44 erschienen. Ein anderes Mal sprach er von einem Eindruck des \u201eStechens\u201c. Auch behauptete er bei einer Versuchsreihe mit gr\u00f6fseren Zeiten, dafs er bei kleineren Vergleichszeiten \u00f6fter \u201ezusammengefahren\u201c w\u00e4re.\nDafs bei einer kleineren Vergleichszeit das dritte Signal \u201eunerwartet k\u00e4me\u201c, w\u00e4hrend bei einer gr\u00f6fseren die Erwartung schon einige Zeit vor dem dritten Signal vorhanden w\u00e4re, sagten weiter Dr. phil. Weinmann und stud. phil. Speck aus, die sich an l\u00e4ngeren Versuchsreihen betheiligten und denen meine Theorie zu damaliger Zeit unbekannt war. Ersterer zeigte von vornherein ein ausgezeichnetes Schfttzungsverm\u00f6gen. Er machte die Aussage schon am allerersten Versuchstage nach der zweiten Versuchsreihe mit einer Hauptzeit von 400 0; er be-urtheMte an diesem Tage schon Differenzen + 1jm fast aus-nahmlos richtig. Nachdem er dann mehrere Monate Versuchsperson gewesen war, sprach \u00a9r die Ueberzeugung aus, dafs seine Sch\u00e4tzung noch immer auf denselben Grundlagen beruhe. Allerdings seien die Nebeneindr\u00fccke bei den kleinsten Differenzen nicht mehr so deutlich, dafs er ein ganz sicheres Urtheil abgeben k\u00f6nne. \u2014 Herr Speck machte seine Aussage am zweiten Tage bei Vorversuchen, nachdem er nur wenige Mal\u00a9 mit einer Hauptzeit von ca 400 o verschiedene Vergleichszeiten verglichen hatte.","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nF. Schumann.\nAlle diese Herren haben also gleich nach Beginn der Versuche\u00bb nachdem sie nur eine kurze Versuchsreihe mit unver\u00e4nderter Hauptzeit gemacht hatten, meine Ansicht, von der sie vorher nichts geh\u00f6rt hatten\u00bb best\u00e4tigt-. Ich betone dies besonders, weil Me\u00fcmann behauptet, dafs h\u00f6chstens bei massenhafter ( l\u00e4ufung der Versuche die Versuchspersonen allm\u00e4hlich auf die Nebeneindr\u00fccke verfallen k\u00f6nnten.\nVon der Bedeutung der Erwartungsspannung hat sich endlich auch noch Herr Professor M\u00fcller \u00fcberzeugt\u00bb der so freundlich war, sich an einigen Versuchsreihen zu betheiligen. Er gab gelegentlich an, dafs er in den F\u00e4llen\u00bb in denen ihm das zweite Intervall deutlich l\u00e4nger erschienen w\u00e4re, auch die Erwartungsspannung subject!v deutlich gehabt h\u00e4tte. Ferner gab er bei Zeiten von 1 See. zu Protokoll, dafs die Spannungsverh\u00e4ltnisse bei der Hauptzeit und Vergleichszeit nicht gleich w\u00e4ren, und er wies selbst auf di\u00a9 Bedeutung dieser Thatsache f\u00fcr die Erkl\u00e4rung des constanten Zeitfehlers hin. Bei Zeiten von 0,7 und 1,0 Sec. dr\u00e4ngte sich ihm sodann die Wahrnehmung auf\u00bb dafs beim, Ur-theil \u201ek\u00fcrzer\u201c die vom dritten Hammerschlage hervorgerufene Empfindung st\u00e4rker war, und er sprach selbst die Vermuthung aus, dafs der Nebeneindruck der Ueberraschung bei ihm vielleicht nur in einer Verst\u00e4rkung der Empfindung best\u00e4nde. An einem der folgenden Tage gab er zu Protocol, \u201eder dritte Schall klingt anders als die \u00fcbrigen bei einer Verk\u00fcrzung des zweiten Intervalles44. Diese Aussagen beziehen aber nur auf die Versuch\u00a9 mit Zeiten \u00fcber 0,4 Sec. Bei den kleineren Zeiten hatte seine Sch\u00e4tzung andere Grundlagen : es machte sich n\u00e4mlich eine rhythmische Auffassung geltend. Mit aller Bestimmtheit machte er gleich am, ersten Tage, an dem Versuche mit einer Hauptzeit von 300 a gemacht wurden, die Aussage\u00bb dafs er im Wesentlichen nur nach dem Eindruck des dritten Signals urtheile. Habe er von dem dritten Schall einen, bestimmten Eindruck, so sage \u00a9r \u201ezweites Intervall, l\u00e4nger\u201c, habe er einen bestimmten anderen Eindruck, so sage er \u201ek\u00fcrzer44. In den folgenden Tagen stellte er dann fest, dafs das dritte Signal st\u00e4rker oder schw\u00e4cher erschien\u00bb je nach dem. das zweite Intervall l\u00e4nger oder k\u00fcrzer war, Im letzteren Falle falle das dritte Signal gleichsam ab. Eine rhythmische Auffassung war also bei ihm eingetreten und er konnte nur schwer gegen di\u00a9 subjective Betonung ank\u00e4mpfen. Dafs aber die subjective Verst\u00e4rkung oder","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen Schalleinthiicken begrenzter Zmtm* 27\nSchw\u00e4chung des Schalls in diesen F\u00e4llen ganz allein f\u00fcr das Urtheil maafsgebend gewesen w\u00e4re\u00bb m\u00f6chte ich bezweifeln. Prof. M\u00fcller hatte n\u00e4mlich kurz vorher angegeben, das Urtheil \u201ek\u00fcrzer\u201c schiene h\u00e4ufiger dadurch veranlafst, dafs zwischen dem zweiten und dritten Signal ein leeres Intervall nicht merkbar w\u00e4re. Nun sahen wir, dafs bei den anderen Versuchspersonen eine Aufmerksamkeitsspannung zwischen dem zweiten und dritten Signal bemerkbar wurde, wenn das zweite Intervall l\u00e4nger war. Dies\u00a9 Spannung wird aber jedenfalls auch bei rhythmischer Auffassung vorhanden sein, da sich ja die Aufmerksamkeit dein betonten dritten Signal besonders zuwendet; sie bedingt dann das Urtheil, dafs zwischen dem zweiten und dritten. Schall ein merkbares leeres Intervall ist. Mit der Verk\u00fcrzung des zweiten Intervalles tritt aber die Spannung zur\u00fcck und der Eindruck eines leeren Intervalles schwindet, w\u00e4hrend das dritte Signal gleichzeitig eine subjective Schw\u00e4chung erleidet. Da nun die Verst\u00e4rkung des Signales immer mit dem deutlich erkennbaren leeren Intervall, die Schw\u00e4chung ohne ein solches erkennbares Intervall auftritt, so bilden sich Associationen aus und. das Urtheil kn\u00fcpft sich sp\u00e4ter auch an die scheinbare St\u00e4rke oder Schw\u00e4che des dritten Signals. Dafs dies bei Professor M\u00fcller der Fall war, daf\u00fcr spricht die weitere Thatsache, dafs bei ihm eine objective Verst\u00e4rkung des dritten Signales das Urtheil \u201el\u00e4nger\u201c auffallend beg\u00fcnstigte.\nDies Vorherrschen der rhythmischen Auffassung bei Professor M\u00fcller, stimmt nun mit dem \u00fcberein, was Heitmann gefunden hat Wenn aber bei seinen s\u00e4mmtlichen Versuchspersonen die rhythmische Auffassung stets eingetreten ist, so d\u00fcrfte das zuf\u00e4llig gewesen sein oder aber an besonderen Umst\u00e4nden gelegen haben. Denn von meinen Versuchspersonen war Professor M\u00fcller der einzige, bei dem eine \u00fcberwiegende rhythmische Auffassung hervortrat. Gerade bei ihm waren aber Versuche mit absichtlicher rhythmischer Auffassung vorangegangen, so dafs sich diese Auffassung vielleicht erst durch Gew\u00f6hnung festgesetzt hatte. Da nun Meumann viele Versuche \u00fcber rhythmische Auffassung angestellt hat, k\u00f6nnen seine Versuchspersonen in \u00e4hnlicher Weise beeinflufst sein. Gelegentlich hat sich die rhythmische Auffassung allerdings auch bei einigen anderen Versuchspersonen noch gezeigt. So gab Dr. Weinmann einige Male zu Protokoll, dafs sie sich bemerkbar gemacht h\u00e4tte; er glaubt\u00a9","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nF. Schumann,\naber bestimmt versichern zu k\u00f6nnen, dafs es nur ausnahmsweise der Fall gewesen w\u00e4re. Ferner habe ich selbst als Versuchsperson die rhythmische Auffassung h\u00e4ufiger bemerkt ; und so wird, es wohl auch bei den anderen in Selbstbeobachtung weniger ge\u00fcbten Herren gewesen sein. Dafs sie aber bei allen anderen Versuchspersonen nur in geringem Maafse aufgetreten ist, geht aus deren Aussage hervor, dafs bei einer Verk\u00fcrzung des zweiten Intervalles das dritte Signal st\u00e4rker erschiene, denn bei rhythmischer Auffassung ruft im Gegentheil eine Verk\u00fcrzung des zweiten Intervalles eine subjective Schw\u00e4chung des dritten Signales hervor, w\u00e4hrend gerade die Verl\u00e4ngerung eine Verst\u00e4rkung bewirkt Man kann die beiden, verschiedenen F\u00e4ll\u00a9, in denen die Verst\u00e4rkung auf tritt, im Bewufstsein sehr woM unterscheiden. Tritt sie bei Verk\u00fcrzung des zweiten Intervalles auf, so hat das dritte Signal gleichzeitig etwas Unerwartetes, das im anderen Fall\u00a9 ausbleibt ; auch ist im zweiten F\u00e4lle ein merkbares leeres Intervall vorhanden, im ersten nicht. Ich glaub\u00a9 als Versuchsperson diese beiden, F\u00e4lle sicher beobachtet zu haben. Einige Male hatte ich nur die Verst\u00e4rkung bemerkt, dann kam ich zu keinem, bestimmten Urtheil. In den Protokollen sind diese F\u00e4lle mehrfach vermerkt und zwar mit dem Urtheil. \u201el\u00e4nger oder k\u00fcrzer\u201c.\nHinsichtlich der kleinsten Zeiten sind also meine fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen zu erg\u00e4nzen. Es sind, wie sich jetzt ergeben hat, zwei Factoren, welche bei ihnen in Frage kommen, und. je nachdem bei einer Versuchsperson der eine oder der andere Factor \u00fcber wiegt, sind die Versuchsresultate erheblich verschieden. Es zeigt dies, wie wenig Werth. Versuche haben, bei denen man einfach Zahlenresultat\u00a9 zu erhalten Bucht und etwa bei einer oder einigen, wenigen Versuchspersonen, feststellt, welchen Ein\u00ab flufs verschiedene \u00e4ufsere Umst\u00e4nde auf die Resultate haben; denn der Einflufs \u00e4ufserer Umst\u00e4nde f\u00e4llt ganz verschieden aus, je nach der psychischen Verfassung. Das Wichtigste ist daher 'immer eine sorgf\u00e4ltige Selbstbeobachtung. Eine solche kann man aber nur von sorgf\u00e4ltig ausgew\u00e4hlten Versuchspersonen erwarten, denn gar viele Personen haben aufserordentlich wenig Anlage zur Selbstbeobachtung. Kurze Versuchsreihen mit richtig ausgew\u00e4hlten Versuchspersonen ergeben im Allgemeinen viel wichtigere Resultate als zahlreiche Versuche, die man mit einer beliebigen Person anstellt.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, to# einfachen Schallein driieken begrenzter ,Zeiten.\t29\nAuf die rhythmische Auffassung gedenke ich in einer weiteren Abhandlung ausf\u00fchrlicher einzugehen ; ich werde daher im Folgenden nur1 die Resultate von Sch\u00e4tzungsversuchen behandeln., bei\ndenen die rhythmische Auffassung keine bezw. nur eine ganz nebens\u00e4chliche Rolle spielt\nWeitere Aussagen von Versuchspersonen habe ich'bei Re\u00ab productionsversuchen erhalten, bei denen die Versuchsperson durch eine kleine Bewegung die zweite Zeit selbst zu begrenzen hatte. Bei kleineren Zeiten z\u00e4hlten die Versuchspersonen innerlich mit oder sie begleiteten die Signale mit irgend welchen \u201emotorischen Rucken14 (Muskelcontractionen des Kehlkopfes u. dgl. m.). Der Automatismus f\u00fchrte dann einen, dritten Ruck herbei, mit dem sie gleichzeitig die Registrirbewegung auszuf\u00fchren suchten. Dabei traten aber bei kleinsten Zeiten verh\u00e4ltnilsm\u00e4fsig greise Fehler auf, ohne dafs die Versuchspersonen es merkten. So habe ich z. B. Dr. Weinmann Hauptzeiten von 400 und 300 a re-produciren lassen, indem ich in derselben Versuchsstunde noch zum Vergleich Versuche nach der Methode der r. u. t F\u00e4lle machte. W\u00e4hrend er nun bei den Sch\u00e4tzungsversuchen am ersten ''age eine Differenz, welche den dreifsigsten Theil der Hauptzeit betrug und an dem folgenden Tage sogar eine Differenz, welche den sechzigsten The\u00fc der Hauptzeit betrug, fast immer richtig erkannte, betrag die mittlere Variation bei den Repro-ductionsversuchen immer mehr als das Doppelte der sicher erkannten Differenz, Dabei habe ich s\u00e4mmtliehe Fille gestrichen, in denen Dr, Weinmann selbst erkannt hatte, dafs die Vergleichs-zeit zu lang oder zu kurz ausgefallen war. Dies Resultat ist nun leicht erkl\u00e4rlich. Das genaue Zeiturtheil bei den kleinsten Zeiten ist n\u00e4mlich nur m\u00f6glich, wenn das Bewufstsein ganz f\u00fcr die Signale frei bleibt. Es wird durch begleitende motorische Innervationen bezw. durch die damit verbundenen Muskelempfin-dungen gest\u00f6rt. So erkl\u00e4rte Br. Weinmann, dafs er bei den Reproductions vers u eben viel unsicherer w\u00e4re als bei den eigentlichen Sch\u00e4tzungsversuchen. Andere Versuchspersonen sagten dasselbe aus.\nSchliefslich ist noch zu erw\u00e4hnen, dafs bei einigen Versuchspersonen Gesichtsvorstellungen als Begleiterscheinungen auftraten. So sah Professor M\u00fclles innerlich 2 Bogen, Bei dem Versuch, bei. dem es ihm zum ersten Male auffiel, hatte er zun\u00e4chst eine Tendenz gesp\u00fcrt, \u201el\u00e4nger44 zu urtheilen. Gleich darauf bemerkte","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nF, Sehummm,\ner aber die beiden Bogen, von denen der zweite kleiner war, und dadurch wurde er unwillk\u00fcrlich veranlafst, das Uriheil \u201ek\u00fcrzer44 abzugeben. Solche begleitende Gesichtsvorstellungen k\u00f6nnen also auch noch beim Zustandekommen des Urtheiis eine gewisse Rolle spielen.\n2. Die Wirkung eines unerwartet starken Signales auf die Sch\u00e4tzung. Wird in eine Reihe gleicher und in gleichen Intervallen auf einander folgender Signale ein st\u00e4rkeres Signal eingeschaltet, ohne dafs die Versuchsperson es vorher weifs, so ist nach meiner Theorie zu erwarten, dafs das dem intensiveren Signal vorangehende Intervall im Allgemeinen f\u00fcr k\u00fcrzer gehalten wird, da ja die pl\u00f6tzliche Verst\u00e4rkung \u00a9ine Ueberrascbung bewirkt Biese Vermuthung habe ich schon fr\u00fcher durch besondere Versuche gepr\u00fcft und best\u00e4tigt gefunden. Ebenso hat man nat\u00fcrlich auch zu erwarten, dafs bei Versuchen mit .zwei unmittelbar auf einander folgenden Intervallen eine Verst\u00e4rkung des dritten Signales im Sinne einer Untersch\u00e4tzung des zweiten Intervalles wirkt. \u25a0 Doch braucht dies nur der I \"aE zu sein, wenn das zweite Intervall dem ersten objectiv gleich oder nur ganz wenig gr\u00f6fser ist, da ja sonst die Erwartungs-Spannung vor dein dritten Signal eintritt und den Eindruck der l\u00e4ngeren Zwischenzeit bedingt. Nun hatte ich fr\u00fcher indessen die Wirkung einer objectiven Verst\u00e4rkung des dritten Signales nicht durch besondere Versuche gepr\u00fcft. Ich konnte mich zur1 Begr\u00fcndung nur auf die Aussagen meiner Versuchspersonen berufen, welche angegeben hatten, sie w\u00fcfsten h\u00e4ufig nicht, ob das dritte Signal fr\u00fcher als gew\u00f6hnlich eingetreten oder ob es st\u00e4rker als gew\u00f6hnlich gewesen w\u00e4re. Biese Verst\u00e4rkung war aber nur subjectiv gewesen, objectiv waren die Signale bei den betreffenden Versuchen immer gleich gewesen. Die A ichtigkeit dieser Aussage f\u00fcr meine Theorie kam mir indessen ' erst lange nach Beendigung der betreffenden Versuche bei der Ausarbeitung der Abhandlung zum Bewufstsein und ich kam dadurch erst auf den Gedanken, dafs die unerwartete Verst\u00e4rkung eines Signales die Untersch\u00e4tzung des vorangehenden Intervalles bewirken m\u00fcfste. Da mir nun zu dieser Zeit keine ge\u00fcbte Versuchsperson mehr zur Verf\u00fcgung stand, so pr\u00fcfte ich die Vermuthung nur mit einer l\u00e4ngeren Reihe in gleichen Intervallen auf einander folgender Signale, weil sich bei einer solchen Reihe die Ein-","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen SchaUeindr\u00fccken begrenzter Zeiten. 31\nStallung der Aufmerksamkeit auch bei unge\u00fcbten Versuchspersonen rasch zu vollziehen pflegt.\nNun behauptet Mbumamn, ich h\u00e4tte ganz verschiedene F\u00e4lle durch einander geworfen. Die Beitt\u00e4uschung, welche durch Verst\u00e4rkung eines Signales hervorgerafen w\u00fcrde, sei in einer continuirliehen Schallreihe eine ganz andere als bei zwei unmittelbar auf einander folgenden Intervallen, Wenn der dritte Schlag objectiv st\u00e4rker sei, so erscheine nach seinen Versuchen das zweite Intervall im. Gegentheil l\u00e4nger, was ja auch schon Mehner richtig beobachtet habe. Es sei eine ganz andere Thateache, dafs der dritte ScUag, wenn, er einmal bedeutend fr\u00fcher als erwartet eintreffe, Ueberrasehung bewirke und zugleich intensiver erscheine. In diesem Falle liege keine objective Schlagverst\u00e4rkung vor, sondern eine subjective Uebersch\u00e4tzung ; diese k\u00f6nne ebensowohl wie die Ueberrasehung als ein Nebeneffect eintreten, der mit der Urtheilsbildung gar nichts zn thun habe.\nDafs nach Me\u00fcmann's Versuchen eine objective Verst\u00e4rkung des dritten Signales eine Uebersch\u00e4tzung des zweiten Intervalles hervomift, ist nat\u00fcrlich eine wichtige Versuchsthatsache, welch\u00a9 ganz, geeignet erscheint, meine Theorie zu widerlegen. Indessen es kam, wie ich schon oben (S. 74) erw\u00e4hnt habe, bei den Versuchen, \u00fcber die Meumann berichtet hat, die Verst\u00e4rkung des dritten Signals den V ersuchspersonen .nicht unerwartet Aufgeldern ist aber vor Allem noch ein zweiter Gesichtspunkt zu ber\u00fccksichtigen. Bei den kleinen Zeiten kommt aufser der Einstellung der Aufmerksamkeit noch die rhythmische Auffassung in Frage. Wir sahen schon, wie sich hierdurch entgegengesetzte Aussagen von Versuchspersonen, erkl\u00e4ren. Ist die Einstellung der Aufmerksamkeit f\u00fcr die Sch\u00e4tzung maafsgebend, so wird bei einer k\u00fcrzeren Vergleichszeit \u00abdas dritte Signal vielfach f\u00fcr st\u00e4rker gehalten; ist dagegen die rhythmische Auffassung maafsgebend, so erscheint im Gegentheil das Signal bei einer l\u00e4ngeren Vergleichszeit verst\u00e4rkt. Da nun Meumann\u2019s Versuchspersonen, wie er selbst angiebt, rhythmisch auffafsten, so kann man vermuthen, dafs bei Versuchspersonen, die rhythmisch auffassen, die Wirkung der objectiven Verst\u00e4rkung eine ganz andere ist als bei Versuchspersonen, deren Sch\u00e4tzung auf der Einstellung der Aufmerksamkeit beruht.","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nF. Schumann.\nIn der That hat sich diese Yermuthung durch meine neueren Versuche vollst\u00e4ndig best\u00e4tigt.\nIch hatte zun\u00e4chst Gelegenheit mit einer meiner fr\u00fcheren Versuchspersonen (Dr, phil. Pilzecker) neue Versuche anzu-stellen. Ich \u00fcbt\u00a9 sie wieder auf die Sch\u00e4tzung kleiner Intervalle ein, bis sie ann\u00e4hernd mit derselben Genauigkeit die Unterschiede erkennen konnte wie bei den fr\u00fcheren Versuchen. Darauf machte ich Versuchsreihen nach der Methode der r. u, f. F\u00e4lle mit regellosem Wechsel mehrerer Differenzen, indem ich in der Regel drei gleich starke Signale benutzte (Telephonknalle) und nur hin und wieder, ohne dafs die Versuchsperson es vorher wufste, das dritte Signal etwas verst\u00e4rkte. Die Resultate sind in der folgenden Tabelle enthalten. Die Zahlen in der ersten Vertiealreihe geben an, um wie viel die Vergleichszeit gr\u00f6fser bezw, kleiner war als die Hauptzeit; in der zweiten Reihe sind die Urtheile enthalten, welche bei Versuchen mit gleichstarken Signalen abgegeben wurden, und zwar beziehen sie sich auf das zweite Intervall (/ = l\u00e4nger, g = gleich, k ------ k\u00fcrzer, kl = k\u00fcrzer\noder l\u00e4nger); in der dritten folgen die Resultate der Versuche mit verst\u00e4rktem dritten Signal\nI. Hauptzeit 320 a\nDifferenz\tGleiche Signale\t3. Signal verst\u00e4rkt\n+ 16 ff\t191 13 g 1 k\ti #*** ! \u00abS\n0\t1114g 2k\tli 1 g 12 k 1 kl\n\u2014 16 ff\t12 g 14 k\t\u2022\t\n\tII. Hauptzeit 640 a\t\n+ 82 ff\t81 3g \u2014k\t\t\t\n0\t21 6g \u2014k\t\u2014 I - g 3 k 2 Ik\n\u2014 32 ff %\tIl 9g \u2014k\t1 1\n\u2014 58 ff\t\u2014 I 8 g 1 k\t\u2014\u25a0 1 \u2014 g 5 le\nDa aus diesen Resultaten die Untersch\u00e4tzung des zweiten Intervalles bei Verst\u00e4rkung des dritten Signales schon mit gr\u00f6fster Sicherheit hervorging und da ferner die Versuchsperson zum ScMufs den Zweck der Versuche errathen hatte, also nicht mehr unbeeinflufst war, brach ich die Versuche ab, Besonders be-merkenswerth ist, dafs bei den Versuchen mit der Hauptzeit 320 er einmal und bei denjenigen mit der Hauptzeit 640 a zweimal das Urtheii \u201el\u00e4nger oder k\u00fcrzer\u201c abgegeben wurde. Di\u00a9 Versuchsperson gab zu Protocol!, ein Moment h\u00e4tte zum Urtheii","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen, Schalleindr\u00fccken begrenzter Zeiten, 33\n\u201el\u00e4nger14 und ein anderes zum Urtheil \u201ek\u00fcrzer44 angetrieben. Dies wird sofort erkl\u00e4rlich, wenn wir bedenken, dafs vor dem abschliefsenden Signal mit seiner Ueberraschung event. eine Erwartungsspannung vorangeht. Hier kann die Ueberraschung zum Urtheil \u201ek\u00fcrzer\u201c, die Spannung zum Urtheil. \u201el\u00e4nger44 antreiben. Ist die Spannung sehr schwach, so kann die nachfolgende Ueberraschung bewirken, dafs sie f\u00fcr das Urtheil unwirksam wird; ist sie dagegen stark, so wird die Versuchsperson wohl das Hauptgewicht auf sie legen, weil sie den Eindruck der Dauer liefert.\nIn \u00e4hnlicher Weise habe ich dann mit einer zweiten Versuchsperson (Dr. phil. Wentscher) Versuche angestellt, indem ich sie auch erst auf die Zeitseh\u00e4tzung ein\u00fcbte, bis sie gut sch\u00e4tzen konnte. Ich operirte mit 7 verschiedenen Differenzen \u00b1 0, Vioi %o> %c> un(^ einer Hauptzeit von 330 a. Bei der H\u00e4lfte der Nullf\u00e4lle (d. h. der F\u00e4lle, in denen Haupt- und Vergleichszeit gleich waren) wurde ohne Vorwissen der Versuchsperson das dritte Signal verst\u00e4rkt. Es ergab sich f\u00fcr die Nullf\u00e4lle:\nAlle Signale gleich 19 l 16 g 3 k\nDrittes Signal verst\u00e4rkt 5 l 10 g 23 k.\nAuch diese Zahlen ergeben mit gr\u00f6fster Deutlichkeit \u00a9ine scheinbare Verk\u00fcrzung des zweiten Intervalles.\nIch bemerke noch besonders, dafs diese Versuchperson ganz unvoreingenommen war, da sie sich bis dahin mit der Frage der Zeitsch\u00e4tzung \u00fcberhaupt noch nicht befafst hatte. Vor Beendigung der Versuche haben wir auch absichtlich mit einander nicht \u00fcber die Frage der Zeitsch\u00e4tzung gesprochen.\nBei einer Hauptzeit von % Secunden, mit welcher ich vorher Versuche gern,acht hatte, erhielt ich nicht dasselbe Resultat. Dies erkl\u00e4rt sich in einfacher Weise daraus, dafs Dr. Wkntscheb, wie er angab, bei diesen gr\u00f6fseren Zeiten auf Grund eines anderen mittelbaren Kriteriums sch\u00e4tzte. Er \u201etactirte n\u00e4mlich innerlich mit\u201c und theilte die Zeiten in kleinere, durch \u201emotorische Rucke\u201c begrenzte ein. Seine Sch\u00e4tzung beruhte demnach auf dem motorischen Automatismus.\nIn demselben Sinne, sagten ferner zwei weitere unge\u00fcbte Versuchspersonen aus, die ich gelegentlich pr\u00fcfte, ohne indessen systematische Versuchsreihen mit ihnen anzustellen (Dr. Max Mbver und Stud, phil K\u00fchl). Beide Herren gaben sofort bei Verst\u00e4rkung des dritten Signales das Urtheil \u201ek\u00fcrzer44 mit gr\u00f6fster Sicherheit ab, w\u00e4hrend sie sonst nur sehr unsicher urtheilten.\nZeitschrift f\u00fcr Piyclologi\u00a9 XVIII.\t3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"84\nF Schumann.\nBei Herrn K\u00fchl zeigte sich diese Wirkung sogar noch, als ich bei einer Versuchsreihe das dritte Signal constant starker liefs. Obwohl er demnach auf die Verst\u00e4rkung vorbereitet war, sp\u00fcrte er doch w\u00e4hrend der ganzen Versuchsreihe eine Tendenz, \u201ek\u00fcrzer44 zu sagen, Indessen corrigirte er vielfach dieses zun\u00e4chst sich aufdr\u00e4ngende Urtheil, weil er wufste, dafs l\u00e4ngere Vergleichszeiten vorkamen. Offenbar hatte sich eine feste Association zwischen der scheinbaren Verst\u00e4rkung des 'dritten Signales und dem Urtheil \u201ek\u00fcrzer44 ausgebildet\nNun habe ich aber von anderen Versuchspersonen genau das entgegengesetzte Resultat erhalten, Ein st\u00e4rkeres Signal, welches unerwartet kommt, kann anch bewirken, dafs das vorangehende Intervall l\u00e4nger erscheint Ich theile zun\u00e4chst die Versuchsresultate mit.\nVersuchsperson: Professor M\u00fclleb, Es wurden zwei Versuchsreihen von je 32 Versuchen mit einer Hauptzeit von 330 cf' gemacht. Benutzt wurden Differenzen + 1/n0, l/*<> und aufserdem kamen in jeder Reihe acht Nullf\u00e4lle mit Verst\u00e4rkung des dritten Signales vor und ebenso viele ohne Verst\u00e4rkung. Vorher waren an mehreren Tagen Vorversuche gemacht, bis die Versuchsperson Differenzen, die den dreifsigsten Theil der Hauptzeit betrugen, im Allgemeinen richtig erkannte. F\u00fcr die Nullf\u00e4lle ergab sich:\nAle Signale gleich 3 l 1 g 12 L\nDrittes Signal verst\u00e4rkt 12 l 2 g 2 k.\nDie Uebersch\u00e4tzung bei Verst\u00e4rkung des dritten Signales geht deutlich aus den Zahlen hervor. Aufserdem gab Professor M\u00fclleb auch noch zu Protokoll, er urtheile \u201el\u00e4nger14, wenn der dritte Eindruck st\u00e4rker sei und \u201ek\u00fcrzer44, wenn dieser Eindruck abfalle. Schon an den vorangegangenen Tagen (an denen Vorversuche mit objectiv gleichen Signalen gemacht wurden) sei ihm diese Verst\u00e4rkung und Schw\u00e4chung aufgefafien, Es machte sich also bei Professor M\u00fclleb die rhythmische Auffassung geltend und diesem war offenbar das entgegengesetzte Resultat zu verdanken Es hatte sich eben allm\u00e4hlich eine feste Association zwischen der gr\u00f6fseren St\u00e4rke des dritten Eindruckes und dem Urtheil \u201el\u00e4nger44 ausgebildet.\nDamit ist die oben ausgesprochene Vermuthung voll best\u00e4tigt. Bei Versuchspersonen, deren Sch\u00e4tzung auf der Einstellung der Aufmerksamkeit beruht, wirkt die Verst\u00e4rkung des dritten Signales im Sinne einer Verk\u00fcrzung des zweiten Inter-","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen SchaUeindr\u00fcckm begrenzter Zeiten. 35\nvalles, w\u00e4hrend sie bei Versuchspersonen mit rhythmischer Aul* faistmg eine Verl\u00e4ngerung desselben Intervalles bewirkt.\nDas st\u00e4rkere Signal wirkt nat\u00fcrlich auch dann nicht im Sinne einer Verk\u00fcrzung des voran gegangenen Intervalles, wenn die Versuchsperson schon nach den ersten Versuchen den Zweck derselben err\u00e4th und sich innerlich auf 'die gr\u00f6fsere St\u00e4rke vorbereitet. Dann kann die zweite Zeit sogar gr\u00f6fser erscheinen, weil die Erwartung dem dritten Signal unwillk\u00fcrlich besonders lebhaft entgegenkommt. Hierauf ist es wohl zum Theil zur\u00fcckzuf\u00fchren, dafs sich bei Dr. Weinmann die Verk\u00fcrzung nicht zeigte. Aufeerdem gab er zu Protocol!, er sei sich immer bewufst gewesen, dafs das st\u00e4rkere dritte Signal nicht fr\u00fcher als erwartet eingetreten w\u00e4re. Dasselbe haben mir noch andere Versuchspersonen erkl\u00e4rt, die sich vor Kurzem an einigen Versuchsreihen betheiligten. Nur wenn sie nicht lebhaft mit der Erwartung den einzelnen Signalen entgegenkamen, sondern mehr apathisch zuh\u00f6rte n. erschien ihnen das dem st\u00e4rkeren Signal vorangehende Intervall verk\u00fcrzt Dies ist ein dritter Gesichtspunkt, der bei den in Rede stehenden Versuche in Frage kommt. Auch-wenn das st\u00e4rkere Signal eine Ueberraschung hervorgerufen hat, braucht die Versuchsperson das vorangehende Intervall doch nicht f\u00fcr k\u00fcrzer zu halten, weil sie ja wissen kann, dafs die Erwartung schon da war, als das dritte Signal eintrat.\nProf. Mulx.ee und Dt. Weinmann haben nun auch an Versuchen mit einer continuirlichen Schallreihe theilgenommen, in die pl\u00f6tzlich ein st\u00e4rkeres Signal eingeschaltet wurde. Auch bei diesen Versuchen trat keine Untersch\u00e4tzung des vorangehenden Intervalles ein. Entweder kam gar kein Urtheii zu Stande oder nur ein sehr unsicheres und zwar lautete das letztere gew\u00f6hnlich \u201eeher l\u00e4nger14. Andererseits habe ich auch von den vier erstgenannten Versuchspersonen, bei denen die scheinbare Verk\u00fcrzung auftrat, drei hinsichtlich der continuirlichen Schallreihe gepr\u00fcft: die T\u00e4uschung bestand unver\u00e4ndert. Demnach ist die Zeitt\u00e4uschung bei einer continuirlichen Schallreihe bei derselben Versuchsperson im Allgemeinen dieselbe wie bei zwei unmittelbar aufeinander folgenden Intervallen. Ich habe also nicht, wie Meumann behauptet, fr\u00fcher zwei ganz verschieden\u00a9 F\u00e4lle durcheinander geworfen. Nat\u00fcrlich ist nicht ausgeschlossen, dafs eine Versuchsperson gelegentlich in den beiden F\u00e4llen ganz verschiedene T\u00e4uschungen zeigt. Bei der continuirlichen Reihe\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"38\nF Schumann.\nkann die Einstellung der Aufmerksamkeit wirksam sein, w\u00e4hrend\nnachher bei unmittelbar aufeinander folgenden Intervallen etwa rhythmische Auffassung eintriti Ferner sagten bei Versuchen mit eontinuirlichen Reihen einige Herren aus, sie h\u00e4tten die Vorstellung, dafs Jemand mit einem Hammer in gleichm\u00e4fsigem\nTact aufschl\u00fcge und bei dem st\u00e4rkeren Schlage erst weiter ansholen m\u00fcfste. Dadurch w\u00fcrden sie veranlafst, das dem. st\u00e4rkeren Signal vorangehende Intervall f\u00fcr l\u00e4nger zu halten.\nNun hat Meumann weiter gefunden, dafs in der continuir-Hchen Reihe \u201ehinter dem intensiven Schlage ein sehr auffallend l\u00e4ngerer Zeitraum zu liegen scheint\u201c. Diese Thatsache h\u00e4lt er f\u00fcr unvereinbar mit meiner Theorie, denn dieselbe Ueberrasch un g k\u00f6nne doch nicht zugleich Verk\u00fcrzung und Verl\u00e4ngerung bewirken, \u201eOder \u2014 so fragt er ironisch \u2014 ist vielleicht sogleich nach dem intensiven Schlage (z. B. in einer Reihe von 0,2 bis 0,3 Sec. Intervallzeit!) schleunigst eine Erwartungsspannung da, mrelche das n\u00e4chste Intervall verl\u00e4ngert?\u201c\nIch w\u00fcfste nun zun\u00e4chst nicht, weshalb nicht sofort eine Er-wartungsspannung da sein sollte. Bei einer st\u00e4rkeren Ueber-raschung ist ja allerdings das Bewnfstsein zun\u00e4chst leer; bei einem so minimalen Grade dagegen, wie er im Allgemeinen bei derartigen Versuchen in Betracht kommt, ist das nicht mehr der Fall. Hier kann doch eine Erwartungsspannung sehr rasch einsetze n. So kann man z, B. auch bei Thieren, welche zun\u00e4chst schl\u00e4frig daliegen, leicht beobachten, dafs sie bei Eintritt eines verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig leisen unerwarteten Ger\u00e4usches sofort voller Aufmerksamkeit sind. Falls diese Erwartungsspannung aber wirklich noch nicht nach 0,2\u20140,3 Sec, Intervallzeit sollte eintreten k\u00f6nnen, so w\u00fcrde das auch keine Schwierigkeiten bereiten, Denn mit der Ueberraschung gehen immer Muskel-contractionen einher, welche Spannungsempfindungen hervorrufen. Diese k\u00f6nnen aber jedenfalls nach so kurzer Zeit im Bewufst-sein auftreten und k\u00f6nnen sich zwischen di\u00a9 Signale einschieben. Sie liefern dann den Eindruck, dafs zwischen den betreffenden beiden Signalen noch etwas zwischenliegt, w\u00e4hrend man im Allgemeinen bei so kleinen Intervallen nicht mehr einen Zwischenraum zwischen den Signalen erkennt1\n1 Uebrigens ist die T\u00e4uschung nicht allgemein, Herrn Prof, M\u00fculee erschien das nachfolgende Intervall im Gegentheil k\u00fcrzer. \u201eEr klebte","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, mm einfachem Schalleimdr\u00fccken begrenzter Zeiten, 37\nr\nDieselbe T\u00e4uschung tritt auf, wenn etwa das erste Signal eines Intervalles in Folge zu fr\u00fchzeitigen Eintretens Ueber-raschung hervorraft. So machte ich gelegentlich Versuche \u00fcber die Vergleichung zweier Intervalle, die durch eine Pause von wechselnder Gr\u00f6fse getrennt waren. Die Hauptzeit betrug 1,5 Sec. ; \u25a0Versuchsperson war Dr. Pilzeckbr. Als ich hierbei die Pause kleiner als die Hauptzeit nahm, wurde die Versuchsperson von dem ersten Signal des zweiten Intervalles \u00fcberrascht und es erschien ihr das zweite Intervall ganz auffallend lang. Sie gab dies unaufgefordert zu Protokoll und erkl\u00e4rte, ihr w\u00e4re bis daliin nie eine Vergleichszeit in solchem MaaXse vergr\u00f6fsert erschienen.\n3. Der constante Zeitfehler. Bei Zeiten, welche merklich gr\u00f6fser sind als die \u201ead\u00e4quate Zeit\u201c, \u00fcbersch\u00e4tzen viele Versuchspersonen anfangs die Vergleichszeit in starkem Maafse, wie ja auch schon fr\u00fchere Experimentatoren gefunden haben. Die Erkl\u00e4rung ergieht sich in einfacher Weise aus einer Aussage von Professor M\u00fcller. Am ersten Tage, an dem wir mit unmittelbar aufeinander folgenden gr\u00f6fseren Intervallen (0,7 Sec.) Versuche machten, gab er an, die inneren Spannungsverh\u00e4ltnisse w\u00e4ren w\u00e4hrend der Hauptzeit und Vergleichszeit nicht gleich. Vor dem. dritten Signal w\u00e4re eine lebhaftere Spannung und es w\u00e4re eine Tendenz vorhanden immer \u201el\u00e4nger\u201c zu sagen. Dafs sich die Aufmerksamkeit den beiden zu vergleichenden Intervallen gegen\u00fcber nicht ganz gleich verh\u00e4lt, berichtet ferner schon Mehner (.Philos. Stud. H, S. 560): \u201eIch habe n\u00e4mlich bei den Versuchen an mir folgend\u00a9 interessante Beobachtung gemacht. Bei 'Zeiten bis 5 Secunden, namentlich von 2,5 Secunden an, bemerkt man sehr leicht, dafs sich unser Bewufstsein den beiden zu vergleichenden Zeitstrecken gegen\u00fcber ganz verschieden verh\u00e4lt. W\u00e4hrend man n\u00e4mlich sich den beiden ersten Hammerschl\u00e4gen gegen\u00fcber ganz passiv verh\u00e4lt, ist man geneigt, den dritten Hammerschlag mit einer gr\u00f6fseren Spannung der Aufmerksamkeit zu erwarten, indem man den zweiten Hammerschlag als Signal f\u00fcr den dritten betrachtet ; dazu gesellt sich noch ein eigenth\u00fcmliches Gef\u00fchl der Unruhe. Je gr\u00f6fser nun die Intervalle sind d. h. je l\u00e4nger also der dritte Schlag auf\ngleichsam mit dem Bewufstsein an denn st\u00e4rkeren Signal\u201c, so dafs die Aufmerksamkeit auf das n\u00e4chste Signal nicht fr\u00fchzeitig genug wieder vorbereitet war.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nF, Schumann.\nsich warten l\u00e4fst, um so gespannter wird die Aufmerksamkeit\nund um so gr\u00f6fser die Unruhe und die Erwartung auf denselben, so dafs wir geneigt sind, das zweite Intervall gr\u00f6fser zu sch\u00e4tzen als das erste.14\nAus diesen beiden Aussagen geht deutlich hervor, dafs die gr\u00f6fsere Erwartungsspannung vor dem dritten Signal die lieber-Sch\u00e4tzung des zweiten Intervalles bewirkt.1 Die Ursache f\u00fcr die\ngr\u00f6fsere Erwartungsspannung und die Unruhe d\u00fcrfte darin zu suchen sein, dafs die Versuchsperson das erste Intervall nur aufzufassen braucht, dafs sie dagegen das zweite Intervall nicht nur\nauffassen, sondern auch in seinem Verh\u00e4ltnis zum ersten Intervall beurthe\u00fcen soll\nAuch bei Versuchen \u00fcber die Sch\u00e4tzung von F\u00fchlstrecken, welche ich \u25bcor einigen Jahren einmal austeilte, zeigte sich bei den ersten Vorversuchen, fast immer eine grofse Uebersch\u00e4tzung der Vergleichsstrecke, die auch darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, dafs sich die Aufmerksamkeit der Haupt* und der Vergleichsstrecke gegen\u00fcber nicht ganz gleich verhielt. Ich sah deutlich, wie die Versuchspersonen die Hauptstrecke ganz ungenirt mit dem Finger durchliefen, w\u00e4hrend die Vergleichssfcrecke viel bed\u00e4chtiger durchnaessen wurde. Der Unterschied in der Geschwindigkeit der Bewegung war vielfach aufserordentiieh auffallend und mit der gr\u00f6sseren Langsamkeit der Bewegung ging der constante Fehler parallel. Offenbar durchmaafsen die Versuchspersonen die Hauptstrecke viel ungenirter, weil sie nur die Gr\u00f6fse derselben auffassen sollten, bei der Vergleichsstreck\u00a9 waren sie dagegen viel gespannter, weil sie zugleich noch ihr Verh\u00e4ltnis zur Hauptstrecke beurthe\u00fcen sollten und weil sie sich dieser Aufga.be gegen\u00fcber sehr unsicher f\u00fchlten. Diese Unsicherheit gaben sie besonders zu Protokoll. Koch st\u00e4rker wurde der constante Zeitfehler bei der Aufgabe, eine der Hauptstrecke gleiche Vergleichstrecke selbst herzustellen. Da betrug die nachgemachte Strecke zuweilen nur den dritten Theil der Hauptstrecke und wieder war an der langsamen, z\u00f6gernden Bewegung die Unsicherheit der Versuchsperson deutlich zu erkennen.\nIn einigen F\u00e4llen kommt ein etwas anderer Gesichtspunkt\nf\u00fcr die Erkl\u00e4rung des constanten Zeitfehlers bei gr\u00f6sseren Zeiten\n1 Auch Estki. ist es schon auf gef allen, dafs ein Intervall, dem die Aufmerksamkeit weniger zugewandt ist, verk\u00fcrzt erscheint. Er schreibt (PMlos, Stud. II, S. 49): \u201eBei einer gewissen mittleren Gr\u00f6fse der Intervalle fassen wir eine Reihe derselben nicht gleichm\u00e4fsig auf, sondern wenden unsere Aufmerksamkeit vorzugsweise den ungeraden Intervallen zu; di\u00a9 geraden \u00fcberspringen wir und verwenden die Zeit ihres Vor\u00fcbergangs zur Verarbeitung des vorher erhaltenen Eindrucks; diese geringere Aufmerksamkeit l\u00e4fst die geraden Intervalle etwas k\u00fcrzer erscheinen, als wenn sie mit voller Aufmerksamkeit verfolgt w\u00fcrden.\u201c","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Schatzung feerer, von einfachen Schalleindr\u00fccken begrenzter Zeiten, 39\nin Frage. Sind n\u00e4mlich Versuche mit kleinen Intervallen vorangegangen, so tritt nachher bei gr\u00f6lseren Intervallen die Er-wartimgsspannung Anfangs besonders stark auf, und es ist vielleicht f\u00fcr die Uebersch\u00e4tzung des zweiten Intervalles gar nicht n\u00f6thig, dafs die Erwartungsspannung vor dem dritten Signal st\u00e4rker ist als vor dem zweiten. Denn da die Versuchsperson gew\u00f6hnt ist, haupts\u00e4chlich das zweite Intervall zu beachten und (nach vollzogener Einstellung der Aufmerksamkeit) allein auf Grund der dem dritten Signal vorangehenden Erwartungsspannung das Urtheil \u201el\u00e4nger44 abzugeben, so hat vor vollzogener Adaptation 'die starke Erwartungsspannung vor dem dritten Signal an und f\u00fcr sich schon \u00a9ine Tendenz, das Urtheil \u201el\u00e4nger44 hervorzurufen. Dies glaubte Dr. Weinmann nach der ersten Versuchsreihe mit gr\u00f6fseren Zeiten (ca. 1 Sec.) aus-sagen zu k\u00f6nnen. In ganz \u00e4hnlicher Weise hatte er schon einige Monate fr\u00fcher bei Versuchen mit einer Hauptzeit von 200 a ausgesagt. Nachdem wir zuerst Versuche mit Hammersignalen gemacht hatten, gingen wir am folgenden Tage zu k\u00fcrzer dauernden Telephonknallen \u00fcber und nun erschienen die Intervalle wesentlich l\u00e4nger als am Tage zuvor. Dr. Weinmann gab nun ebenfalls an, es w\u00e4re fast immer eine Tendenz da, \u201el\u00e4nger44 zu urtheilen ; er w\u00e4re n\u00e4mlich gew\u00f6hnt, bei einer vor dem dritten Signal eintretenden Erwartungsspannung \u201el\u00e4nger44 zu urtheilen und zwar ganz unabh\u00e4ngig von dem Eindruck, den er vom ersten Intervall gehabt h\u00e4tte.\nIn ganz analoger Weise kann, nat\u00fcrlich auch beim Ueber-gang von gr\u00f6fseren zu kleineren Zeiten der Nebeneindmck der IIoberraschiing wirken und dadurch eine Untersch\u00e4tzung des zweiten Intervalles hervorrufen. Aber auch sonst tritt bei kleinsten Zeiten anfangs leicht eine starke Untersch\u00e4tzung des zweiten Intervalles ein und hierf\u00fcr ist besonders folgender Grund mit maafsgebend. Giebt man einer Versuchsperson zum ersten Male drei aufeinander folgende Signale in Intervallen von 200 oder 300 a, so bilden die drei Empfindungen anfangs ein ganz unklares, ineinander fliefsendes Ganzes und die Versuchsperson kann h\u00e4ufig nicht einmal sagen, ob zwei oder drei Signale eilige treten waren. Aus diesem, unklar aufgefafsten Ganzen sondert \u00bbich dann bei den folgenden Versuchen zun\u00e4chst das erste Signal, auf dessen Eintritt die Aufmerksamkeit ja am besten vorbereitet","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nF. Schumann.\nist, und es erscheint isolirt, w\u00e4hrend das zweite und dritte Signal\nnoch l\u00e4nger zeitlich zusammenh\u00e4ngend erscheinen.\nDie vorstehenden Bemerkungen beziehen sich auf solche Versuchspersonen, bei denen di\u00a9 Einstellung der Aufmerksamkeit maafsgebend f\u00fcr das Urtheil ist Werden dagegen die Signale rhythmisch aufgefafst, so tritt, wie Mb\u00fcmann gefunden hat, ein\u00a9 wechselnde Neigung ein, bestimmte Tacte heraus zu h\u00f6ren, Bald ist eine Tendenz da, das dritte Signal betont zu h\u00f6ren, bald klingt es h\u00e4ufiger als Nachtact. Dementsprechend treten bald lieber- bald Untersch\u00e4tzungen des zweiten Intervalles ein.\nDer constante Zeitfehler, den man durch l\u00e4ngere Versuchsreihen erh\u00e4lt, kann ganz verschieden ausfallen, je nachdem bei der Versuchsperson allein die rhythmische Auffassung oder die Einstellung der Aufmerksamkeit oder \u2014 bei etwas gr\u00f6fseren Zeiten (> 0,4 Sec.) der motorische Automatismus die Grundlage f\u00fcr die Zeitsch\u00e4tzung abgiebt, oder die verschiedenen Factoren neben einander maafsgebend sind. Wenn Dr. Weinmann sich bei seinen Aussagen nicht geirrt hat, so war bei ihm fast allem die Einstellung der Aufmerksamkeit maafsgebend. Ein merklicher, constanter Fehler war aber bei den kleinsten Zeiten nicht vorhanden.\nVorausgesetzt habe ich bisher, dafs die beiden zu beurtheilen-den Intervalle objectiv gegeben sind. Giebt man dagegen der Versuchsperson nur zwei Signale und stellt man ihr die Aufgabe, durch eine kleine Fingerbewegung ein dem gegebenen Intervall unmittelbar folgendes gleiches Intervall zu begrenzen, so kommen noch andere Factoren in Frage. Ist das Intervall gr\u00f6fser als die ad\u00e4quate Zeit, so verl\u00e4uft bei den ersten Versuchen der Vorgang vielfach folgendermaafsen. Nach dem ersten Signal setzt die Erwartungsspannung f\u00fcr kurze Zeit aus, um gleich darauf wieder anzuwachsen, so dafs bei Eintritt des die Hauptzeit abschliefsenden Signales die Erwartungsspannung eine gewisse Intensit\u00e4t erreicht hat. Nach dem zweiten Signal wiederholt sich dann das Aussetzen und Wiederanwachsen der Aufmerksamkeit und die Versuchsperson wartet mit der Registrir-bewegung, bis ihr die innere Spannung dieselbe Intensit\u00e4t erreicht zu haben scheint. Nun wird sich aber vielfach die Aufmerksamkeit dem zweiten Intervall wieder besonders zuwenden und lebhafter anwachsen, weil das erste Intervall nur aufgefafst","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen Schallandr\u00fccken 'begrenzter Zeiten, 41\nzu werden braucht, w\u00e4hrend f\u00fcr das zweite Intervall noch die besondere Aufgabe der Registrirbewegung besteht.\nAuf einen zweiten Factor habe ich schon in meiner fr\u00fcheren Arbeit Mngewiesen. Di\u00a9 Reproduetionsversuche sind n\u00e4mlich offenbar ganz analog solchen Versuchen nach der Methode der Minimalftnderungen, bei welchen immer ein deutlich kleinerer Reiz allm\u00e4hlich vergr\u00f6fsert wird, bis er dem Hauptreiz gleich erscheint; nie dagegen \u00a9in gr\u00f6fserer Reiz verkleinert wird. Das wird nat\u00fcrlich dahin wirken, dafs die Vergleichszeit kleiner als die Hauptzeit ausf\u00e4llt\nEu diesen beiden Factoren kommen aber andere entgegengesetzt wirkende. Einmal f\u00fchlt sich die Versuchsperson bei den ersten Versuchen sehr unsicher, wodurch sie leicht veranlafst wird, eher etwas l\u00e4nger zu warten, bis dieselbe Intensit\u00e4t ganz sicher erreicht ist. Zweitens mufs sich die Versuchsperson erst innerlich sagen, dafs di\u00a9 Intensit\u00e4t wieder erreicht ist und kann dann erst den Impuls zur Bewegung geben.1 Das wirkt nat\u00fcrlich auch im Sinne einer Verz\u00f6gerung der Bewegung.\nDiese Factoren kommen haupts\u00e4chlich bei den ersten Versuchen einer l\u00e4ngeren Versuchsreihe in Frage. Bei den sp\u00e4teren macht sich dann die Einstellung der Aufmerksamkeit und der motorische Automatismus geltend. In der bestimmten Zeit nach dem ersten Signal ist die Aufmerksamkeit gerade wieder auf den Eintritt des zweiten Signales vorbereitet; nach dem zweiten Signa! tritt dann zur richtigem Zeit von Neuem eine Erwartung ein und gleichzeitig mit ihr sucht man die Registrirbe wegung auszuf\u00fchren. Aufseriem gehen aber mit der Erwartung motorische Innervationen einher. Man begleitet die Signal\u00a9 mit Finger-, Kopf- oder Fufsbewegungen, oder man z\u00e4hlt innerlich mit; der motorische Automatismus f\u00fchrt dann die dritte Innervation ungef\u00e4hr zur richtigen Zeit herbei. Vielleicht wird, jedoch der Automatismus dadurch gest\u00f6rt, dafs sich die Aufmerksamkeit dem zweiten Intervall besonders zuwendet\nBei den. kleinsten Zeiten Hegen die Verh\u00e4ltnisse etwas anders. Zuerst kommt das zweite Signal unerwartet, so dafs die Versuchsperson \u00fcberrascht wird und die Bewegung zu sp\u00e4t ausf\u00fchrt Werden l\u00e4ngere Versuchsreihen mit derselben Hauptzeit\n1 Dieser Gesichtspunkt ist auch von Wundt hervorgehoben. Vergl. Physiol. Psychol. 8. Aufl., II, S. 361.","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nF, Schumann.\ngemacht, so kommt, wie schon oben erw\u00e4hnt, der motorisch\u00a9 Automatismus in. Frage, Die Versuchsperson z\u00e4hlt innerlich \u201eeins\u201c, \u201ezwei44, \u201edrei44, oder sie begleitet die Signale mit \u201emotorischen Rucken44.\nOb nun bei l\u00e4ngeren Versuchsreihen mit derselben Hauptzeit der constante Fehler positiv oder negativ ausf\u00e4llt, dies\u00a9\nFrage hat wenig Interesse, Es k\u00f6nnen alle m\u00f6glichen Neben-umst\u00e4nde in Betracht kommen, die eventuell schwer festzustellen sind.\n4. Meumann erw\u00e4hnt gelegentlich1 *: \u201eEine gr\u00f6l sere Anzahl von Schalle indr\u00fccken scheint bei gleicher objectiver Successionsgeschwindigkeit betr\u00e4chtlich schneller zu verlaufen wie zwei oder drei Tone von gleicher Intensit\u00e4t und Qualit\u00e4t14 Ich habe diese Behauptung durch Versuche n\u00e4her gepr\u00fcft. Versuchspersonen waren Dr. Weinmann und Stud. Speck.\nZun\u00e4chst nahm ich ein Intervall von 0,4 Secunden. Verglichen wurden erst drei und dann zwei Hammerschl\u00e4ge mit zw\u00f6lf Schl\u00e4gen bei Wechsel der Zeitlage, Die Intervalle waren objectiv gleich, doch war dies den Versuchspersonen unbekannt. Ihre Urtheile waren sehr unsicher und schwankten zwischen \u201ek\u00fcrzer4, \u201egleich\u201c und \u201el\u00e4nger44 Mn und her. Eine irgend wie erhebliche T\u00e4uschung war nicht vorhanden. Indessen ergab sich aus den Aussagen der Versuchspersonen, dials Aie beim Urtheil nicht den Gesammteindrack von den zw\u00f6lf Schl\u00e4gen .in Rechnung zogen, sondern sich f\u00fcr das Urtheil das erste oder die ersten beiden Intervalle aussonderten. Kamen die zw\u00f6lf Schl\u00e4ge an zweiter Stelle, so wurde das Urtheil schon nach dem zweiten oder dritten. Schlage gebildet. Dr. Weinmann hielt bei dieser Zeitlage unter zw\u00f6lf F\u00e4llen sieben Mal die Aufeinanderfolge der zw\u00f6lf Schl\u00e4ge f\u00fcr langsamer und f\u00fcnf Mal f\u00fcr gleich. Er gab indessen zu Protokoll, dafs diese Urtheile gleich nach den ersten beiden oder ersten drei Signalen sich gebildet h\u00e4tten. Dreimal hatte er neben den von ihm medergeschriebenen l r-theiien bemerkt, von den folgenden Schl\u00e4gen h\u00e4tte er dagegen den Eindruck einer schnelleren Aufeinanderfolge gehabt\nIch ging darauf zu kleineren Intervallen \u00fcber, Dr. Wbxn-\n1 Untersuchungen zur Psychologie und Aesthetik des Rhythmus,\nHabilitationsschrift, Leipzig 1894, 8. 65,","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung Uercr, von einfachen Schalleindmcken begrenzter Zeiten. 43\nmask hielt beim Intervall 0,3 Secunden die Aufeinanderfolge der zw\u00f6lf Schl\u00e4ge drei Mal f\u00fcr langsamer, neun Mal f\u00fcr gleich und zwei Mal f\u00fcr schneller. Aber diese Urtheile be-zogen sich wieder nur auf das erste bezw. die ersten beiden Intervalle der gr\u00f6fseren Gruppe von Schl\u00e4gen, w\u00e4hrend ihm. die folgenden Schl\u00e4ge rascher aufeinander zu folgen schienen. Dem konnte er jedoch, wie er zu ProtokoE gab, entgegen wirken, in--dem er die Schl\u00e4ge nicht passiv \u00fcber sich ergehen liefs, sondern, -von Schlag zu Schlag immer wieder von Neuern dem jeweils folgenden Schlage entgegenkam.\nIn ganz \u00e4hnlicher Weise verhielt sich Herr Speck. Auch m legte seinem Urtheil das erste Intervall der zw\u00f6lf Schl\u00e4ge zu Grunde, und aus seinen. Urtheilen war auf keine merkliche T\u00e4uschung zu sch\u00fcefsen. Doch erkl\u00e4rte er ebenfalls, dafs bei mangelnder Aufmerksamkeit die sp\u00e4teren Intervalle der gr\u00f6fseren Gruppe k\u00fcrzer erschienen.\nBei Intervallen von 0,2 Secunden endlich gelang es beiden Versuchspersonen nicht, das erste Intervall f\u00fcr die Auffassung zu Iso\u00fcren. Sie behaupteten nur schwer urtheilen zu k\u00f6nnen und beurtkeilten die Gruppe von, IntervaEen im Allgemeinen\nals k\u00fcrzer.\nWir sehen also, dafs die T\u00e4uschung durch ein Nachlassen der Aufmerksamkeit bei der gr\u00f6fseren Grupp\u00a9 von Schl\u00e4gen bedingt ist; aie tritt dann ein, wenn, die Versuchspersonen den einzelnen Schl\u00e4gen der gr\u00f6fseren Gruppe nicht mehr mit der Erwartung entgegen kommen. Dies steht in voller U\u00dcbereinstimmung mit meiner Theorie, welche ja verlangt, dafs ein Intervall, 'dessen Endsignal der Erwartung entgegenkommt, l\u00e4nger erscheint als ein Intervall, dessen Endsignal eintritt, bevor die Erwartung wieder vorbereitet ist\nEin\u00a9 analoge Erscheinung habe ich schon fr\u00fcher (Zeitschr.f. Psych, 4, 8.16) erw\u00e4hnt. Beobachtet man eine rotirende Kymographiontrommel, auf welch\u00a9 ein liniirter Bogen Papier geklebt ist, so folgen di\u00a9 Augen, falls die Ge \u00abchwlndlgkeit nicht zu grofs oder der Abstand der Linien nicht im klein ist\u00bb unwillk\u00fcrlich jeder Linie eine klein\u00a9 Strecke und springen dann zur n\u00e4chstfolgenden \u00fcber. Bei zunehmender Geschwindigkeit naufs man aber rascher und rascher die Aufmerksamkeit von jeder Linie losreifsen, bis man bei Ueberschreitung einer gewissen Grenze den Wechsel, der Empfindungen. mehr passiv \u00fcber sich ergehen l\u00e4fst, weil es nicht mehr gelingt, jeder Linie noch einen Augenblick die Aufmerksamkeit zuzuwenden. Hat man nun einige Zeit di\u00a9 Bewegung der Linien beobachtet, so scheint die","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nF. Schumann.\nGeschwindigkeit zuzunehmen, 'wenigstens wenn die Geschwindigkeit \u00abo\ngrofs ist, dafs die Einzelbeobachtung jeder Linie einige Anstrengung der Aufmerksamkeit erfordert. In Folge des Nachlassens der Aufmerksamkeit l\u00e4fst man den, Wechsel der Empfindungen auch mehr passiv fther sich ergehen.\n5. Die Vergleichung eines von intensiveren\nSchalleindr\u00fccken begrenzten Intervalles mit einem objectiv gleich grofsen aber von schw\u00e4cheren Signalen begrenzten. Meumann hat hier\u00fcber Versuche angestellt und dabei gefunden, dafs das von st\u00e4rkeren Signalen\nbegrenzte Intervall bei kleinsten Zeiten erheblich verk\u00fcrzt erscheint. Die Versuche, aus denen dies\u00a9 T\u00e4uschung hervorging, waren von doppelter Art\na.\tEine* Reihe von intensiven Hammerschl\u00e4gen in Intervallen von 0,25 Secunden aufeinder folgend wurde mit einer Reihe schw\u00e4cherer Schl\u00e4ge verglichen. Als Ursache der T\u00e4uschung gaben die Beobachter selbst an, dafs durch die gr\u00f6fsere Schall-intensit&t eine st\u00e4rkere Verschmelzung der Schalleindr\u00fccke he-1 wirkt w\u00fcrde.\nb.\tEs wurden zwei einzelne in einer Zwischenzeit von zwei Secunden aufeinander folgende Intervalle miteinander verglichen bei wechselnder Zeitlage. Kam das von st\u00e4rkeren Signalen begrenzte Intervall an zweiter Stelle, so erschien es betr\u00e4chtlich verk\u00fcrzt und zwar zeigte sich dies am st\u00e4rksten bei ganz kleinen Zeiten (0,2 und 0,3 Sec.). Nach Aussage der Versuchspersonen bewirkte die starke Schallverschmelzung der intensiven Schl\u00e4ge die Zeitverk\u00fcrzung. Wurde dagegen das von schw\u00e4cheren Signalen begrenzte Intervall an zweiter Stelle genommen, so ergab sich ein entgegengesetztes Resultat: die intensiv begrenzte Zeit erschien gr\u00f6\u00fcser. Eh machte sich einerseits, wie die Beobachter aussagten, die Schall Verschmelzung in ihrer verk\u00fcrzenden Wirkung geltend; andererseits erschien aber \u201eunter der Einwirkung des Contrastes die zweite Zeit \u00e4rmlicher als die Normalzeit\u201c. Es kam also noch ein anderer Factor f\u00fcr die Sch\u00e4tzung in Betracht Mbu-mann f\u00fcgt dann hinzu: \u201eGeht also die intensiv begrenzte Zeit voran, so wird sie subjectiv vergr\u00f6fsert, kommt sie nach, so wird sie subjectiv verkleinert. Es ist nach der Aussage der Selbst-wahmehmung die st\u00e4rkere Besch\u00e4ftigung der Aufmerksamkeit, welche diese eigenth\u00fcmliche Wirkung hervorbringt. Die Th\u00e4iig-keit der Aufmerksamkeit ist eine andere bei der Normalzeit wie","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer\u00bb von einfachen B\u00e9taUemirticken begrenzter ;Zeiten.\t45\nbei der Vergleichszeit. Alle st\u00f6renden und a Wenkenden Factoren, die man bei Zeitsinnversuchen anbringt, haben eine ganz andere Wirkung, wenn sie bei der Normalzeit angebracht werden wie wenn sie bei der Vergleichszeit stattfinden. ..... Diese eigen-th\u00fcmiiehe Wirkung der Aufmerksamkeit kann erst im Folgenden n\u00e4her erkl\u00e4rt werden.\u201c\nIch habe nun diese Versuche wiederholt, dabei aber durchaus keine irgend wie erhebliche Tendenz zur Untersch\u00e4tzung der intensiv begrenzten Zeit entdecken k\u00f6nnen.\nBetrachten wir zun\u00e4chst die Resultate, welche sich bei der Vergleichung zweier l\u00e4ngerer Reihen von Signalen ergeben haben. Die Intervalle waren immer objectiv gleich; die Versuchspersonen W\u00fclsten dies jedoch nicht.\nDie erste Versuchsperson war Dt. Weinmann, der wie schon erw\u00e4hnt, eine auffallend feine Unterschiedsempfindlichkeit besitzt Sowohl bei Hammersignalen in Intervallen von 0,3 Sec. als auch bei Telephonknallen in Intervallen von 0,16 Secunden und bei beiden Zeitlagen hielt er eigentlich die beiden Auf einanderfolgen immer f\u00fcr gleich ; nur bei den Hanunersignalen zeigt\u00a9 sich einige Male eine ganz schwache Tendenz die st\u00e4rkeren f\u00fcr rascher aufeinander folgend zu halten. Das Urtheil war sehr unsicher und die verschiedene St\u00e4rke bewirkte eigentlich nur eine St\u00f6rung des Unheiles.\nZweite Versuchsperson war Stud. Speck. Die Signale be-standeit in Telephonknallen, welche in Intervallen von 0,3 und 0,16 Secunden gegeben wurden. Auch bei mehrfacher Wiederholung der Versuche zu verschiedenen Zeiten und bei beiden Zeitl\u00e4gen erhielt ich immer das Urtheil: \u201edie starken Schl\u00e4ge langsamer\u201c.\nGelegentlich habe ich dann noch Herrn Dr. Meyeb und Herrn Stud. K\u00fchl gepr\u00fcft. Ersterer hielt bei Telephonknallen in Intervallen von 0,16 Secunden die Reihe der starken Signale immer f\u00fcr langsamer ablaufend; letzterer gab bei Versuchen mit Hammersignalen schwankende Urtheile ab.\nAu\u00dferdem habe ich noch gelegentlich bei Hebungen mit vorgeschrittenen Studenten eine gr\u00f6fser\u00a9 Anzahl von Herren gleichzeitig eine Reihe starker Hammerschl\u00e4ge mit einer Reihe schwacher (Intervalle 0,3 Sec.) vergleichen lassen. Keiner der Herren hatte eine irgendwie deutlich\u00a9 Tendenz, die starken f\u00fcr rascher aufeinander folgend zu halten; einige Herren meinten,","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nF, Schumann.\nsi\u00a9 folgten eher langsamer aufeinander. Ich selbst konnte nichts\nvon einer T\u00e4uschung bemerken.\nEs zeigt sich demnach im Gegentheil, dafs eher eine Tendenz vorhanden ist, die lauten Signale f\u00fcr langsamer aufeinander folgend zu halten. Hiermit stehen die Resultate der Versuche mit nur 2 (durch eine Pause von ca, 2 Secunden voneinander getrennten) Intervallen ganz im Einklang. Dr. Weidmann zeigte auch bei diesen Versuchen keine erhebliche T\u00e4uschung. Bei einer Versuchsreihe mit Hammerschl\u00e4gen in Intervallen von 0,3 Secunden, bei der di\u00a9 intensiv begrenzte Zeit voranging, erkannte er eine Vergr\u00f6fserang oder Verkleinerung der zweiten Zeit um 20 a fast ausschliefslich, nur wurde die zweite Zeit, wenn sie der ersten gleich war, fast immer f\u00fcr k\u00fcrzer gehalten. Es war demnach h\u00f6chstens eine- schwache Tendenz zur Untersch\u00e4tzung der von schw\u00e4cheren Signalen begrenzten Zeit zu constatiren. Bei umgekehrter Zeitlage wurden Vergr\u00f6fserungen oder Verkleinerungen von 20 oder auch 13 0 richtig erkannt, eine irgendwie deutliche Tendenz zur Unteroder Uebersch\u00e4tzung war \u00fcberhaupt nicht merkbar. Bei einer zweiten Versuchsreihe mit Intervallen von 0,4 Secunden gab er bei Differenzen von + 13 0 immer richtige Urtheile ab und auch bei Differenzen von + 7 0 kam es nie vor, dafs er eine gr\u00f6fsere Vergleichszeit f\u00fcr kleiner und eine kleinere f\u00fcr gr\u00f6fser gehalten h\u00e4tte; h\u00f6chstens hielt er sie f\u00fcr gleich. Ich habe dann dieselbe Versuchsperson noch gelegentlich Intervalle, die durch Telephon-Signale begrenzt waren, sch\u00e4tzen lassen, wobei ich allerdings die Vergleichszeit immer unver\u00e4ndert der Normalzeit gleich liefs (ohne dafs die Versuchsperson es wufste), auch hier zeigte sich bei Intervallen von 0,2 und 0,16 Secunden und beiden Zeitlagen keine deutliche T\u00e4uschung. Das UrtheiJ war immer sehr unsicher und h\u00f6chstens war eine schwache Tendenz vorhanden, die intensiveren Signale f\u00fcr langsamer aufeinander folgend zu halten. Als ich ihn. zum Schlufs fragte, ob die intensiveren Signale kein\u00a9 Schall-Verschmelzung hervorriefen, erkl\u00e4rte er, dafs ein Nachhall da w\u00e4re und dafs man sich auf Grund desselben allenfalls \u00a9inreden k\u00f6nnte, di\u00a9 Zeit w\u00e4re k\u00fcrzer. Eine urspr\u00fcngliche Tendenz zu diesem Urtheil w\u00e4re jedoch nicht vorhanden.\nHerrn Speck liefs ich gleiche Intervalle von 0,2 Secunden, die durch Telephonsignale begrenzt waren, mit einander vergleichen. Bei beiden Zeitlagen hielt er bei wiederholten Versuchen di\u00a9","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen SchaUeindr\u00fccken begrenzter Zeiten. 47\nintensiv begrenzte Zeit f\u00fcr l\u00e4nger. In gleicher Weise urtheilten auch Dr. Meybb und Stad. K\u00fchl.\n.Dafs di\u00a9 intensiv begrenzte Zeit linger erscheint, wird durch eine Angabe der Versuchspersonen erkl\u00e4rt. Die intensiven Signale scheinen sich gleichsam \u00fcber einen l\u00e4ngeren Raum zu erstrecken, jedes einzelne Signal erscheint ausgedehnter und man beurtheilt nicht die Zwischenzeit, sondern ein ausgedehntes Ganzes von l\u00e4ngerer Dauer. Dabei kommt nicht nur der Nachklang in Betracht, sondern aufserdem noch eine reflectorisch ausgel\u00f6ste Spannungsempfindung, welche sich unmittelbar an die starken Signale anschliefst und die ich schon oben besprochen habe. Daneben kommt in Betracht, dafs die von schwachen Signalen begrenzte Zeit, wenn sie der anderen nachfolgt, einen eigenartigen Eindruck macht; sie erscheint \u00e4rmlicher, wie Meu-makns Versuchspersonen sich ausdr\u00fcckten. Eine n\u00e4here Beschreibung des Eindruckes vermag auch ich nicht zu geben.\nMeine Resultate stehen demnach in .vollstem Gegensatz zu den Resultaten Meumann\u2019s. Man kann einmal daran denken, dafs meine Versuchspersonen auf Grund eines anderen Neben-eindraekes ihr Urtheii abgegeben haben als die Versuchspersonen Mn\u00fcHAira\u2019\u00e4, Es kann aber auch an einem anderen Umstande liegen. Mbumaoti operirte n\u00e4mlich mit zwei verschiedenen Schallhammem. Der eine wurde abged\u00e4mpft, indem er auf eine fingerdicke Unterlage von Filz und Watte gestellt wurde, nachdem vorher noch der st\u00e4hlerne Stiel mit Watte umwickelt war. Der zweite Hammer wurde einfach auf'1 den Tisch gestellt Da nun der letztere immer die intensiven, der erstere die weniger intensiven Schl\u00e4ge angab, so hatten die intensiveren Schl\u00e4ge einen besonders langen Nachhall, der nicht allein durch die gr\u00f6fsere Intensit\u00e4t bedingt war. Bei meinen Versuchen 'wurden s\u00e4mmtliche Signale durch denselben ged\u00e4mpften Hammer angegeben. Dafs aber Intervalle, die durch l\u00e4nger dauernde Schallempfindungen begrenzt sind, k\u00fcrzer erscheinen, davon kann man sich leicht \u00fcberzeugen, wenn man eine Versuchsperson erst Intervalle, die durch Hammerschl\u00e4ge begrenzt sind, mit einander vergleichen l\u00e4fst und dann zu Versuchen mit Telephonknallen (die in denselben Intervallen aufeinander folgen) \u00fcbergeht. Die Versuchsperson glaubt dann nicht, dafs die von Telephonknallen begrenzten Intervalle den anderen gleich sind, sie h\u00e4lt sie f\u00fcr viel l\u00e4nger. Diese Thatsache ist aber nach meiner","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nF. Schumann.\nTheorie leicht verst\u00e4ndlich. Denn die Ruhepause der Aufmerksamkeit, welche erst nach dem Aufh\u00f6ren der Schallempfindung beginnt, ist bei l\u00e4nger dauernden Reizen verk\u00fcrzt, und die Aufmerksamkeit ist demgem\u00e4fs nicht fr\u00fchzeitig genug auf den folgenden Reiz vorbereitet.\nDie vorstehenden Ausf\u00fchrungen werden gen\u00fcgen, um die Ansicht, dafs mindestens das feinere Zeiturtheil auf mittelbaren Kriterien beruht, sicher zu stellen. Um sich von der Richtigkeit dieser Ansicht durch eigene Erfahrung ganz zu \u00fcberzeugen, dazu geh\u00f6ren allerdings viele eigene Versuche, insbesondere auch viel Versuche, bei denen man selbst Versuchsperson ist. Wh* dringen hier bis zur \u00e4ufsersten Grenze der inneren Wahrnehmung vor, und da ist nat\u00fcrlich di\u00a9 gr\u00f6fste Vorsicht am Platze. Demgem\u00e4fs habe ich mich nicht nur auf meine eigene, durch langj\u00e4hrig\u00a9 Erfahrung geschulte Selbstbeobachtung verlassen, sondern ich habe noch durch andere g\u00e4nzlich 'unvoreingenommene Versuchspersonen die Ergebnisse meiner inneren Wahrnehmung controliren lassen. Da ich nun aufserdem noch zahlreiche Versuchsthatsachen durch die Theorie zu erkl\u00e4ren vermag, die sonst g\u00e4nzlich unerkl\u00e4rt bleiben, so kommt den Ausf\u00fchrungen eine Beweiskraft zu, di\u00a9 wir bisher in der Psychologie nur selten erreicht haben.\nHervorheben m\u00f6chte ich zum Schiufs, dafs di\u00a9 bisher von mir angef\u00fchrten Factoren nicht die einzigen sein sollen, welche f\u00fcr die Sch\u00e4tzung leerer Intervalle in Frage kommen. Ich halte es vielmehr f\u00fcr wahrscheinlich, dafs die weitere Forschung noch einige andere Factoren aufweisen wird. So habe ich'z. B. Grund zu vermuthen, dafs auch die Zusammenfassung von Empfindlings-complexen zu Einheiten eine gewisse Rolle spielt; doch vermag ich diese Vermuthung zur Zeit noch nicht gen\u00fcgend zu begr\u00fcnden.\n(.Eingegangen dm M, April 1898.)","page":48}],"identifier":"lit36135","issued":"1898","language":"de","pages":"1-48","startpages":"1","title":"Zur Sch\u00e4tzung leerer, von einfachen Schalleindr\u00fccken begrenzter Zeiten","type":"Journal Article","volume":"18"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:49:34.975107+00:00"}