Open Access
{"created":"2022-01-31T16:47:47.411857+00:00","id":"lit36137","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Zehender, W. von","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 18: 91-98","fulltext":[{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die Entstehung des Kauinbegriffes.\nVon\nW. von Zbhendbb,\nKant sagt: \u201eDer Raum ist kein empirischer Begriff, der von \u00e4ufseren Erfahrungen abgezogen worden.\u201c Er behauptet, dals Raum und Zeit nicht aus Erfahrung stammen, sondern aus angeborenen Geistesgesetzen hervorgehen; es seien jedoch nur die Gesetze angeboren, nicht die fertig bewufsten Vorstellungen von Raum und Zeit Diese werden im Laufe der Zeit erst aus-gebildet.\nDie Kamt sehen Ideen von Raum und. Zeit sind, jedenfalls sehr schwer zu verstehen, sonst w\u00fcrde wohl nicht eine ganze Literatur dar\u00fcber entstanden sein, an der die hervorragendsten Philosophen unserer Zeit sich betheiligt haben, und in der sie sich gelegentlich gegenseitig des Nichtverstehens, oder des Nicht-richtig- oder Falschverstehens beschuldigen.\nAuch Kant mufs sich zuweilen, von Anh\u00e4ngern wie von Gegnern, einen derben Tadel gefallen lassen. Sein\u00a9 Auseinandersetzungen werden, bald da, bald dort: unklar und unrichtig, schief und verschroben, schwerf\u00e4llig 'und verworren etc. genannt Einer seiner w\u00e4rmsten Anh\u00e4nger (EL Vai hingeb) spricht sogar von einem alten, oft vorkommenden Fehler Kant\u2019s, von einer \u201eVerwechselung verschiedener Begriffe\u201c \u2014 wie von einer ganz bekannten Bache.\nIn diese kritischen Auseinandersetzungen werden wir uns nicht einmischen. Die hohen Verdienste, welche Kant sich durch seine philosophischen Arbeiten errungen hat, sichern ihn vollst\u00e4ndig gegen jede nachtheilige Wirkung solcher tadelnden Wort\u00a9 !\nNach unserer Auffassung bedeutet das Wort \u201eRaum\u201c alles\ndas, was nach drei auf einander senkrecht stehenden Richtungen Ausdehnung hat, und folglich nach diesen drei Richtungen hin","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nW. von Zehender.\ngemessen werden kann. Wir halten daher den Sim uni die Bedeutung des Wortes Raum f\u00fcr ein Product begrifflichen Nachdenkens. \u2014 Denken \u2014 im gesunden Sinne dieses Wortes kann der Mensch aber nur auf Grund, sinnlicher Erfahrung; sonach mufs auch die Vorstellung, die wir mit dem Worte \u201eRaum\u201c verbinden, urspr\u00fcnglich aus Erfahrung hervorgegangen und durch Erfahrung begr\u00fcndet sein,\nFun ist es freilich auch denkbar, dafs der Raum nach nur zwei auf einander senkrechten Richtungen Ausdehnung habe, dafs also die dritte Ausdehnung (die wir ja so klein nehmen k\u00f6nnen wie wir wollen) ganz verschwinde und gleich NuM wird. Dieser Gedanke kommt in der That zu theoretisch hochwichtiger Geltung bei allen planimetrischen Demonstrationen, Wir sind aber nicht im Stande einen so beschaffenen. Raum uns deutlich vorzustellen; es fehlt uns dazu jede \u00e4ufsere Erfahrung. In diesem Falle ist das Gedachte logisch zwar vollkommen richtig, aber es ist nicht richtig im Sinne lebendiger Wirklichkeit, denn es giebt in Wirklichkeit nichts Derartiges; es \u00a9Mstirt in Wirklichkeit nach menschlicher Erfahrung ein so beschaffener Raum, nicht. Wenn wir planimetrische Lehrs\u00e4tze auf praktische Lebensverh\u00e4ltnisse anwenden, dann sind wir immer gezwungen eine, wenn auch noch so verschwindend kleine dritte Dimension zu H\u00fclfe zu nehmen.\nEbenso ist auch ein Raum von vier oder mehr als vier Dimensionen zwar denkbar \\ aber nicht vorstellbar. Wir erd-geborenen Menschen haben von solcher Raumbeschaffenheit absolut keine Vorstellung, weil, wir nun. einmal nach tri-dimensionalen Verh\u00e4ltnissen angelegt sind. Ob auf anderen Sonnensystemen vielleicht andere Verh\u00e4ltnisse obwalten, kann ein Erdbewohner weder bejahen noch verneinen.\nAuch die Unendlichkeit des Raumes ist kein Gegenstand menschlicher Vorstellung; wir k\u00f6nnen, uns aber leicht \u00fcber die allerweitesten Grenzen des vorstellbaren Raumes hinaus-denken. Wie unermefslich weit diese weiteste Grenz\u00a9 genommen werden m\u00f6ge \u2014 immer und immer wieder kann man fragen: was liegt denn nun noch hinter dieser Grenze? -----Diese Frage kann Niemand beantworten ; dennoch kann man\n1 Siehe Helmholtz, lieber den Ursprung und die 'Bedeutung der geometrischen Axiome. Vortrag, gehalten i. J. 1870. (Popul\u00e4re Vortr\u00e4ge dritte\u00ae Heft.) Abgedraekfe in \u201e Vortr\u00e4ge und Reden\u201c Bd. II, S. 1.","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Ueher die Entstehung im Rammhegriffes,\n98\nnicht umhin zuzugeben, dafs Muter dieser Grenz\u00a9 \u2014 wie weit sie auch hinausger\u00fcckt werde ----- immer noch etwas Hegen mufs, oder liegen kann. \u2014 Der Raum in seiner Eigenschaft als reines Gedankending hat eben keine bestimmbare Grenze; der Raum, oder das Raumsein, als eine allen k\u00f6rperlichen Dingen anhaftende Eigenschaft ist dagegen immer begrenzt Ein wirkliches Unendlich giebt es f\u00fcr den erdgeborenen Menschen, ebensowenig, wie es f\u00fcr ihn in Wirklichkeit einen Raum von mehr oder weniger als drei Dimensionen giebt; in Gedanken und auf den Fl\u00fcgeln der Phantasie kann der Mensch aber leicht in alle Unbegrenztheiten von Himmel und H\u00f6lle ein-dringen !\nEine andere auf die Raumvorstellung bez\u00fcgliche Frage, der wir nicht ausweiehen d\u00fcrfen, lautet:\nWie hat man sich die thie rische Raumempfindung vorzustellen? \u2014\nDafs alle Thiere, welche f\u00e4hig sind sich fortzubewegen, ein\u00a9 Vorstellung von der Entfernung eines Ortes von einem anderen Ort\u00a9 haben m\u00fcssen, wird sich nicht gut bestreiten lassen. \u2014 Ein Pferd, welches \u00fcber \u00a9inen breiten Graben springt, oder \u00fcber eine Barriere hinwegsetzt, mufs doch woM eine vermittelnde Vorstellung besitzen, wonach es die Breite des Grabens oder die H\u00f6he der Barriere in Vergleichung bringt mit dem Kr\u00e4fte-aufwand dessen es bedarf, um \u201edas Hmdemifs zu nehmen\u201c. Die Sicherheit, mit der ein Pferd \u2014 wie auch jedes andere be-wegungaf\u00e4hige Thier \u2014 dergleichen Hindernisse \u00fcberwindet, oder zu \u00fcberwinden vielleicht sich weigert, wenn die Gr\u00f6fs\u00a9 des Hindernisses seme Kr\u00e4fte zu \u00fcbersteigen droht, darf wohl als Beweis daf\u00fcr1 gelten, dafs auch die Thiere eine sehr genau\u00a9 Vorstellung von Verschiedenheit der Raumesdimensionen besitzen.\nSoll man nun auch den Thieren Kant\u2019s \u201esynthetische Apriorit\u00e4t\u201c der Raumesanschauung zuerkennen? soll man am nehmen, dafs auch den Thieren die \u00e4ufsere Erfahrung nur durch \u25a0die zu Grunde liegende Vorstellung der Form des Raumes allererst m\u00f6glich ist? oder soll mit diesen Worten (in positiver Form) nur gesagt sein, dafs jede Vorstellung k\u00f6rperlicher Dinge unm\u00f6glich w\u00e4re, wenn das, was wir Raum nennen, nicht \u00a9xistirte ?\nDi\u00a9 Thiere werden den Raum vermuthlich nur als eine Eigenschaft empfinden an denjenigen Dingen, mit denen, sie in","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"w. von Zdunder.\n94\nortsverschiedene Beziehung gerathen. Diese Qualit\u00e4t der Ortsverschiedenheit an den Dingen verstehen die Thier\u00a9 (als Zwischenraum oder als Entfernung) offenbar ebenso gut zu bemessen und zu beurtheilen wie wir Menschen, Wir k\u00f6nnen aber mehl wohl annehmen, dafs Thiere den Raum als solchen, d. h., dafs sie den Raum als das Product dreier Dimensionen, deren jede jeden Werth von 0 bis oc annehmen kann, sich anschaulich vorstellen k\u00f6nnen.\nDer Keim zum sp\u00e4teren Verst\u00e4ndnifs dessen was \u201eRaum\u201c genannt wird, ebenso wie, allgemeinhin, der Keim alles dessen, was im Bereiche einer sp\u00e4teren menschlichen Entwiekelungs-m\u00f6glichkeit liegt, ist ohne Zweifel physisch und psychisch im Mutterleibe schon enthalten \u2014 \u00e4hnlich wie im Apfelkern der k\u00fcnftige Apfelbaum schon enthalten ist Zur Reife (zur voUen Entwickelung) kann jeder Keim nur dann erst gelangen, wenn ftufsere Erfahrungen zuvor erst gesammelt, durch Nachdenken geordnet und mit einander verbunden worden sind. Auch der Apfelkern kann nur unter g\u00fcnstigen \u00e4uf seren Umst\u00e4nden sich zum Apfelbaum entwickeln; er kann auch zuvor schon vertrocknen, von den V\u00f6geln gefressen, oder zertreten und dadurch verhindert werden, sich in einen wohlgestalteten Apfelbaum zu verwandeln.\nAeufsere Erfahrungen sammelt aber jedes neugeborene Gesch\u00f6pf, sogleich mit dem ersten Athemzuge nach seiner Geburt. Schon das Aufsuchen der Mutterbrust ist eine (woM die erste) Veranlassung zur Sammlung ortsverschiedener Erfahrung ; es wird aber noch jahrelanger Erfahrung und. jahrelangen Nachdenkens bed\u00fcrfen, bevor das Kind, mit seinem noch unentwickelten Verstand, im Stande ist sich einen Raum, vorzustellen, aus welchem alle Gegenst\u00e4nde \u201egleichsam herausgepumpt\u201c sind, oder bevor es im Stand\u00a9 ist, sich den Raum als unbegrenzt, oder als unendlich denken zu k\u00f6nnen. Das Kind beginnt damit, vermuthlich ebenso wie jedes bewegungsf\u00e4llige Thier, das \u201eRaumsein\u201c oder das \u201eRaumeinnehmen\u201c als eine Eigenschaft, an den Dingen wahrzunehmen und kennen zu lernen. Wollte man dem Kinde \u2014 um ihm die Bedeutung des Wortes Raum begreiflich zu machen \u2014 sagen: \u201eDenke dir einmal alle Gegenst\u00e4nde hinweg, die in diesem Zimmer sind, dann bleibt dir nur noch der (leere) Zimmer raum \u00fcbrig\u201c \u2014 das Kind w\u00fcrde, .in einer","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Entstehung des Raumbegriffes.\n95\nfr\u00fchen noch unentwickelten Lebensperiode, auf solche Frage vielleicht antworten: \u201eDas kann ich ja nicht Den grofsen schweren Kleidersehrank., das alte Clavier kann ich ja nicht tragen; das ist mir zu schwer\u201c. Und wenn, ihm dann gesagt wird: so sei es nicht gemeint; die Gegenst\u00e4nde sollten nur \u201ein Gedanken\u201c hinausgetragen werden, dann wird es vielleicht mit ganz erstaunter Men\u00a9 fragen: \u201ekann man denn auch in Gedanken etwas forttragen?\u201c \u2014 Nun erst, oder vielleicht auch jetzt noch lang\u00a9 nicht, wird der aprior\u00eest\u00eeseh in ihm schlummernde Begriffskeim eines leeren Raumes in ihm aufd\u00e4mmern.\nWir k\u00f6nnen uns das Entstehen und Zustandekommen des Raumbegriffes nicht anders als in der Mer geschilderten Weise vorstellen, wonach schon in der ersten Zelle, aus der eine Menschengestalt hervorgehen soll \u2014 also schon lange vor seiner Geburt \u2014 Ailes a priori bereits da sein mufs, was k\u00f6rperlich und geistig in der Natur des Menschen liegt, und sp\u00e4ter in ihm zur Entwickelung kommen kann. \u2014 \u2014 Wer diese These bestreiten will, der m\u00f6ge zuvor die Consequenzen \u00fcberlegen, die aus der Negation derselben gezogen werden m\u00fcfsten.\nN\u00e4her hierauf einzugehen ist heute nicht unsere Absicht1\nDer Mensch ist unmittelbar nach seiner Geburt das h\u00fclf-loseste aller neugeborenen Gesch\u00f6pfe ! \u2014 Ein H\u00fchnchen, welches sich kaum von seinen Ei sehaalen befreit hat, beginnt schon mit seinen E \u00fcfsen zu .kratzen um Futter zu suchen, auch wenn man es auf einen glattpolirten Tisch setzt, wo alles Kratzen erfolglos ist Es kann diese Th\u00e4tigkeits\u00e4ufserung offenbar nicht erst erlernt, es mu.fe sie mit auf die Welt gebracht haben. \u2014 Ein\u00a9 Ente1, die eben erst aus dem Ei hervorgekrochen ist, schwimmt schon vortrefflich, wenn a\u00efe ins Wasser geworfen wird ; sie kann diese F\u00e4higkeit unm\u00f6glich zuvor erlernt oder durch Erfahrung erborgt haben; sie mufs sie zweifellos a priori (angeboren) schon, besitzen.\nDas in gr\u00f6fster H\u00fcLQosigkeit geborene Menschenkind mufs dagegen solche F\u00e4Mgkeiten durch lange Hebung und Er-\n1 Unsere besten, heutigen Mikroskopiker sind nicht im Stande In dem ersten Entwickelungskeim den. physischen Bau desjenigen Gesch\u00f6pfes zu erkennen, welches daraus hervorgehen, wird. Wer aber die mikroskopischen Arbeiten aus dem Anf\u00e4nge unseres Jahrhunderts vergleicht mit dem, was heile auf diesem Gebiete geleistet wird, dem wird man die hoffende Freude nicht nehmen k\u00f6nnen, dale das kommende Jahrhundert noch viele Fragen l\u00f6sen, wird, die heute in undurchdringlichen Schleier geh\u00fcllt sind.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nW. von gehender.\nfahrung erst erlernen. Gemeiniglich yerfliefst wohl ein ganzes Jahr, bevor der Mensch nur erst stehen und gehen kann. \u2014 Wie will man behaupten, dafs dem Menschen, der, von der ersten Minute seines Eintrittes in das \u00e4ufsere Leben, Erfahrungen macht und machen mufg, auch wenn es wider seinen Willen geschehen sollte, diese Erfahrungen alle erst m\u00f6glich sind durch eine a priori ihm gegebene Vorstellung der Form des Raumes? Wird man nicht vielmehr annehmen d\u00fcrfen, dafs der Mensch die Eigenschaften der sichtbaren und fafsbaren Dinge dieser Welt \u2014 ebenso wie das Thier \u2014 zun\u00e4chst durch \u00e4ufsere Erfahrung1 kennen lernt, durch die wunderbar in einander .greifende gemeinsame Arbeit von Vernunft und sinnlicher Wahrnehmung: \u2014 durch Beobachten, Nachdenken, Probiren und Experimentiren \u2014 demn\u00e4chst sich von der K\u00f6rperhaf\u00fcgkeit, als einer Eigenschaft alles Sichtbaren und alles Fafsbaren \u00fcberzeugt, und dann \u2014 vielleicht sehr viel spater \u2014 auf den Gedanken kommt, dafs jeder K\u00f6rper einen Platz einnimmt, der auch von einem anderen K\u00f6rper eingenommen werden k\u00f6nnte, wenn jener erster\u00a9 seinen urspr\u00fcnglichen Platz verl\u00e4fst. Zuletzt wird ihm durch diese und viele andere \u00e4hnliche Erfahrungen klar werden, dafs das was von jedem einzelnen K\u00f6rper gilt, auch gelten niufs von der Ge-sammtheit alles Sichtbaren und alles Fafsbaren, so dafs er nun erst versteht was. allgemeinhin mit dem Worte \u201eRaum\u201c gesagt sein soi. Nun wird er auch \u00a9insehen, dafs man, alle Gegenst\u00e4nde aus dem Raum wegdenken kann, ohne jedoch im Stand\u00a9 zu sein, den Raum selbst wegdenken zu k\u00f6nnen. Die Nicht-hinweg-Denkbarkeit ist allerdings eine sehr merkw\u00fcrdige Eigenschaft des Raumes, deren Apriorit\u00e4t nicht bestritten werden soi. Als Beweis einer Apriorit\u00e4t der Raumes-Anschauung im Menschen (Kant*s zweites Raumargument) kann sie \u2014 unseres Erachtens \u2014 nicht gelten; wohl aber mag sie als Beglaubigung einer nunmehr richtigen Einsicht in die Bedeutung des Wortes Raum dienen.\nAllerdings bek\u00e4mpft Kant selbst die Lehre von den angeborenen Ideen und sagt insbesondere, dafs Raum und Zeit keine angeborenen Vorstellungen sind. Was ist dann aber jenes dunkle a priori, welches als \u201eVorstellung der Form des Raumes\u201c aller \u00e4ufsoren Erfahrung zu Grunde liegt?\nDer Gedanke, der durch diese Worte ausgedr\u00fcckt werden soll, kann wohl kein anderer sein, als der, dafs schon in den","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"lieber im Entstehung des Raumbegriffes.\n97\nallerersten keimliehen Uranf\u00e4ngen lebender Gesch\u00f6pfe alle\" k\u00f6rperlichen 'und geistigen Unterschiede verborgen liegen, welche: den fertig entwickelten Menschen vom Thier, und die TMere* wieder unter sich, als Gesch\u00f6pfe verschiedener Art erscheinen l\u00e4fsti Wenn dem aber so ist, dann ist wieder nicht recht ersichtlich, warum ganz besonders nur- Raum und Zeit diejenigen Vorstellungen sein sollen, die a priori synthetisch vorhanden sein: m\u00fcssen, um \u00fcberhaupt auf sere Erfahrung \u201eallererst m\u00f6glich11 zu machen. \u2014 Wird man nicht Alles was\u201d das menschliche Seelenleben in seiner Ansentwickelung vor dem, Seelenleben der Thier# auszeichnet, als keimiieh in jenen- Uranf\u00e4ngen bereite\u2022 enthalten, denken md voraussetzen m\u00fcssen? Wird man nicht sagen*' m\u00fcssen, d&fs die Vorstellung von Mein und Dein, von Gut und' B\u00f6se, von Freiheit und Gehorsam, von Wahrheit und L\u00fcge und: unz\u00e4hlbare ander\u00a9 Vorstellungen, von deren Vorhandensein beim Thier gar keine- Rede sein kann, in den heimlichen Uranf\u00e4ngen jeder Menschennatur schon da sein m\u00fcssen, bevor sie durch ftulser\u00a9 Erfahrung, und an und in und mit Aus\u00fcbung solcher - Erfahrungen, \u2022 sich \u2014 individuel \u2022 verschieden \u2014 zu dem gestalten, was, in \" der Reife des Lebens,: durch di\u00a9 menschlich\u00a9 Sprache mit solchen Worten ausgedr\u00fccktf wird?\nUnd endlich \u2014 ist nicht die Gottesidee, die heimlich in jedem Menschen schlummert, gerade dasjenige wodurch das Seelenleben des Menschen von dem. Seelenleben der TMere ganz besonders charakteristisch sich unterscheidet? Und sind alle jene vorerw\u00e4hnten Vorstellungen und Begriffe, die wir vor dem 'TMere voraus zu haben vermeinen, nicht selbst wieder gleichsam nur Spr\u00f6fslinge der Gottesidee, n\u00e4mlich Vorstellungen und Begriffe, die in der Gottesidee wurzeln, die aus der Gottes-Idee hervorgehen und ohne lebendige Gotteside\u00a9 gar keinen Sinn haben?\nWenn die Idee Gottes ausgestrichen wird aus der Weltordnung, dann sind : Recht und Unrecht, Mein und Dein, Wahrheit und Luge etc. \u2014 Worte, deren wechselvolle Bedeutung nur derjenige bestimmt, der jeweilig gerade der St\u00e4rkere ist!\nAlso, nicht Mos Raum, und Zeit, sondern auch \u2014 und zwar ganz besonders \u2014 die Gottesidee ist a priori in der Menschennatur als ein Keim enthalten, der durch lufsere und innere Lebenserfahrung' erst zu dem sich gestalten mufs, was er dem-\nZeitsehrift f\u00fcr Psfciologit XfllL\t7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nW. von Zekender.\nn\u00e4chst werden soll, der aber, durch \u00fcblen Gebrauch seiner Erfahrungen, ebensowohl auch irregeleitet uni g\u00e4nzlich zu Grunde gerichtet werden kann.\nWenn Kami's metaphysische Er\u00f6rterungen \u00fcber Raum und Zeit in diesem Sinne zu verstehen sind \u2014 uni vielleicht sind sie in diesem Sinne zu verstehen \u2014 dann w\u00fcrde wohl Niemand zum. Widersprach gegen ihn geneigt sein.\nOb die Gottesidee mit dem .Kinde zugleich auf di\u00a9 Welt kommt (ihm angeboren ist), oder ob sie nachtr\u00e4glich, und ganz besonders durch die Lebenserfahrungen im. elterlichen Hause, erat ausgebr\u00fctet wird \u2014 wenn 'dieser Ausdruck erlaubt ist \u2014, um dann, im weiteren Verlauf\u00a9 des Lebens, wirklich zu erstehen und zu erstarken \u2014 das sind Fragen, deren Beantwortung zur Zeit noch weit jenseits aller Grenzen menschlicher Erkenntnifs hegt 11 Aber :\n\u201eVeil after veil will lift - but there mmt be\nVeil open veil behind.\u201c\tThe Light of Ana.\n1 Vergleiche meine Schrift: Zehexdes, Die Welt-Religionen auf dem Columbia-Congrefs von. Chicago im Sept. 1893 , 8. 170. M\u00fcnchen, Selbst verlag (Nicolaistr. 8), 1897.\n(JBhngegangen am M. Mai 1898.)","page":98}],"identifier":"lit36137","issued":"1898","language":"de","pages":"91-98","startpages":"91","title":"Ueber die Entstehung des Raumbegriffes","type":"Journal Article","volume":"18"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:47:47.411863+00:00"}