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{"created":"2022-01-31T15:42:06.663915+00:00","id":"lit36170","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Deffner, Karl","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 18: 218-249","fulltext":[{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"(Aus dem psychologischen Seminar in M\u00f6nchen.)\nDie Aehnlichkeitsassociation.\nVon\nDr, Karl Dbfpnbb.\n\u201eJeder selbst\u00e4ndige Psychologe pflegt seine eigenen Associa tionsgesetze zu haben,44 Mit diesen Worten eharacterisirt K\u00fclfe1 nicht ganz unrichtig den gegenw\u00e4rtigen Stand der Associations-psychologie, K\u00fclpb selbst ist einer dieser \u201eselbst\u00e4ndigen Psycho* logeiy4; er leugnet in ganz eigenartiger Weise die Aehnlichkeitsassociation und sucht sie theils auf die Erfahrungsassociation \u25a0zur\u00fcckzuf\u00fchren, theils anderweitig zu erkl\u00e4ren. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, nicht Mos das Mifslingen dieses Versuches zu erweisen, also der Aehnlichkeitsassociation neben der Erfahrungsassociation ihr altes gutes Recht zu wahren, sondern zugleich auch den Begriff der ersteren zu erweitern. Hierbei stehe ich ganz auf dem Boden der von Lipps vertretenen Anschauung, dessen psychologischen Vorlesungen ich auch die Anregung zu vorliegender Arbeit verdanke,\n1\nBei der Vieldeutigkeit des Associationsbegriffes ist es n\u00f6thig vorauszuschicken, in welchem Sinne ich mit demselben operiren werde. Dieser Begriff l\u00e4fst im Allgemeinen eine doppelte Auffassung zu.\nAls Association kann bezeichnet werden die Weise, wie in unserem Bewufstsein die psychischen Inhalte sich folgen oder sich aneinanderf\u00fcgen. So Hume, Wundt u, A. Durch derartige Bezeichnungen wird jedoch nur die Aufsenseite der Association getroffen, d. h. nur der fhatbestand, wie er erfahnmgsgemifs vorliegt, gekennzeichnet.\n1 Gnindriffl der Psychologie S. 192.","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Die Aehnlichkeitsassociatio)!.\n219\nDie andere, tiefer greifende Definition, die den Associations-begriff bei der Wurzel fafst, bezeichnet die Association als dasjenige, was bewirkt, dafs die psychische Bewegung von einem psychischen Vorgang zum andern sich wendet und somit die aus diesen Vorg\u00e4ngen resultirenden Bewufstseinsinhalte in einem. besttmm.ten Zusammenhang auftreten. Association ist also hier-nach Ursache des simultanen oder success\u00eeven Daseins von Bewufstseinsinhalten.\nIch schliche mich dieser letzteren Auffassung an und werde in ihrem Sinne meine Aufgabe zu l\u00f6sen versuchen. Die Association ist zu betrachten als jene psychische Potenz oder Disposition , verm\u00f6ge deren dann, wenn von zwei Bewufstseins-elementen das eine gegeben ist, eine Tendenz besteht, das andere zu ihm zu gesellen. Dieser einheitliche Doppelvorgang spielt sich gesetzm\u00e4fsig ab, weshalb man auch von Associationsgesetzen spricht Das associirende Band, das die betreffenden Bewufst-seinsinhalte als miteinander verkn\u00fcpft erscheinen l\u00e4fst kann freilich als solches nicht empirisch auf gezeigt werden. Will jedoch die Psychologie auf das Verst\u00e4ndmfg des hier vorliegenden psychischen Vorgangs nicht verzichten, so mufs sie zur Annahme eines solchen ihre Zuflucht nehmen.\nAlles psychische Geschehen spielt sich zun\u00e4chst im Un-bewufsten ' ab. Nur die Wirkungen dieses Geschehens finden sich, falls das Geschehen gen\u00fcgende \u201epsychische Kraft44 gewinnt, in der Region des Bewufstseins. Wenn also Bewufstseinsinhalte in unmittelbarer Folge auftreten, liegt diesem Thatbestand eine gleiche Folge an sich unbewusster psychischer Vorg\u00e4nge zu Grunde.\nDiese Folge und damit auch die Folge der Bewufstseinsinhalte kann eine doppelte Ursache haben; sie kann sich gr\u00fcnden entweder auf Erfahrung oder auf Aehnlichkeit. Es giebt also eine Erfahrungs- und eine Aehn\u00fcchkeitsassociatiom\nDas \u201ealte, gute Recht\u201c der Aehnlichkeitsassociation, wie ich es eingangs bezeichnet\u00a9, schreibt sich schon von Aristoteles her, der in der kleinen Schrift nm^\u00ee fmfrirjg etc.\u201c deutlich ausgesprochen hat, dafs bei der Erinnerung die Aehnlichkeit einen selbst\u00e4ndigen reproductive!! Factor neben anderen Factoren bildet2\n1 \u201eDer Begriff des Unbewufsten in der Psychologie*4. Vortrag im Psychologencongrefs 1896 zu M\u00fcnchen von Lipfs.\n1 Ariel, de memoria II. Bekker S. 451b 16ff. und 8. 452h 4 ff.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nKarl Dc.ffner.\nDoch keine Geschichte der Theorie der Aehn\u00fcehkeite-association will ich bieten und \u00fcbergehe deshalb, was insbesondere Hume 1 und Herbart - hier\u00fcber zu sagen wufsten. Ich wende mich gleich zu den lebenden Psychologen. Unter diesen haben sich mit der Associationsfrage besonders W\u00fcmbi, H\u00f6ffding, -K\u00fclpe und Lipps besch\u00e4ftigt.\nW\u00fcnbt\u2019s3* 'weitverzweigte Classification der Associationsarten geht, wie schon gesagt, von einem anderen Gesichtspunkte aus. F\u00fcr meine Untersuchung ist sie darum belanglos.\nH\u00f6ffding f\u00fchrt uns drei Associationsgesetze vor. Die Vor-\nstellungsVerbindung findet hiernach statt a) mittels Aehnlichkeit, b) zwischen Th eil und Totalit\u00e4t, c) mittels \u00e4ufseren Zusammenhangs.\nBez\u00fcglich der \u00c2ehn\u00eeiehkeit unterscheidet H\u00f6ffding drei Grade. Der h\u00f6chste ist die Deckungsgleichheit. Diese liegt offenbar vor bei dem Wiedererkennen, das wir als eine, sei es bewufste oder unbewufste, Ineinssetzung zweier psychischen Inhalte zu denken haben.\nDer n\u00e4chst geringere Grad der Aehnlichkeit ist die Qualit\u00e4ts-\u00c4hnlichkeit\u00ab Es handelt sich hier beispielsweise um zweierlei\nT\u00f6ne, zweierlei Farben, zweierlei Formen, die verschieden sind, aber doch Aehnlichkeit auf weisen. Offenbar ist der vorige Fall, die Deckungsgleichheit, nur \u00a9In Grenzfall dieser Aehnlichkeit Diese schliefst ja alle ihre m\u00f6glichen Grade ein. Es ist also die Heraussonderang der Deckungsgleichheit wissenschaftlich von keinem Belang.\nAus dem gleichen Grunde kann es auch f\u00fcr das Associations-problem nicht viel bedeuten, wenn H\u00f6ffding eine Aehnlichkeit\n\u2018dritten und letzten Grades constatirt, n\u00e4mlich diejenige, die in der \u201eAnalogie11 vorliege. Wir sehen dabei davon ab, dafs sich dar\u00fcber streiten l\u00e4fst, ob das Analogon wirklich diese Hintansetzung verd i ent.\nDie andere Art der Vorstellungs Verbindung, diejenige zwischen Theil und Totalit\u00e4t, die H\u00f6ffding als selbst\u00e4ndige Associationsart neben der Aehnliehkeits- und Erfahrungsassdcia-\n1 Hums, Treatise on human nature Sect. IV.\n8 Hbrbabt\u2019s Schriften zur Psychologie, herausgeg. v. G. Habtinsti\u00bb, 1. Theil, S. 24, 09 u. 144.\na Grundrifs der Psychologie S. 262 ff.","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Die Aehnlichkeitsassociation.\n221\ntion figuriren Iftfst, kann unm\u00f6glich diesen ihr vindieirten Platz behaupten. Dafs \u00fcberhaupt bei dieser Dreitheilung etwas nicht ganz in Ordnung ist, bleibt auch H\u00f6ffding nicht verborgen, wie wir gleich nachher sehen werden.\nDie dritte Art der Vorstellungsverbindung mittels \u00e4ufseren Zusammenhanges (Ber\u00fchrung) deckt sich vollst\u00e4ndig mit dem, was man auch als Erfahrungsassociation bezeichnet.\nGegen den Versuch, alle die verschiedenen Associations* gesetze auf ein einziges Gesetz zur\u00fcckzuf\u00fchren, tritt H\u00f6ffding entschieden auf. Mit Recht spricht er sich insbesondere gegen das Pallenlassen der Aehnlichkeitsassociation aus. Wenn er aber sein zweites Associationsgesetz neben der Erfahrungsassociation mit der Begr\u00fcndung aufrecht erh\u00e4lt, dafs es sich bei der letzteren um einen Uebergang zu einer von der gegebenen durchaus verschiedenen Vorstellung handle, so \u00fcbersieht er, dafs das auch beim Uebergang Tom 11 heil zur Totalit\u00e4t der Fall ist, sofern es sich nicht etwa um eine Totalit\u00e4t handelt, deren Theile durch Aehnlichkeit verbunden sind. Umgekehrt ist jede Erfahrungsassociation eine Verkn\u00fcpfung zu einem Ganzen. H\u00f6ffding denkt freilich an. Totalit\u00e4ten besonderer Art, n\u00e4mlich an Totalit\u00e4ten, deren Theile objectiv zusammen geh\u00f6ren. Aber auch eine solche Totalit\u00e4t ergiebt sich f\u00fcr uns nicht von selbst, sie ist nicht durch di\u00a9 Wahrnehmung gegeben, sondern wir machen die Totalit\u00e4t, indem wir die Theile zu einem Ganzen zusammenfassen. Ohne unser Zuthun w\u00fcrden auch die Theile eines organischen Ganzen f\u00fcr unser Bewufstsein auseinander fallen, ebenso wie die Theile, die wir erst k\u00fcnstlich zu einem Ganzen vereinen. Der einzige Unterschied ist nur der, dafs wir das, was objectiv zusammengeh\u00f6rt, leichter zusammenordnen als lediglich \u00e4ufserlich Benachbartes; aber die Art der psychischen Arbeit ist in beiden F\u00e4llen ganz die gleiche: Einheitsbildung, d. L Zusammenfassen dessen, was vorher f\u00fcr uns noch nicht zusammengeh\u00f6rt.\nNachdem H\u00f6ffding vermeintlich nachgewiesen, dafs sich die drei Associationsgesetze weder auf die Erfahrungsassociation, noch auch auf die Aehnlichkeitsassociation allein zur\u00fcckf\u00fchren lassen, will er das Gesetz des Uebergangs von dem Theile zur Totalit\u00e4t doch schliefslich als das Grundgesetz aller Association aufgefafst wissen, aus welchem sich die Aehnlichkeits- und Ber\u00fchrangs-association als specieJJe F\u00e4lle ableiten lassen. Dieses Grundgesetz nennt er \u2022 Total ititsgesetz. Ob er damit etwas Wichtiges ge*","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nKarl Deffner.\nWonnen li\u00e2t, wird sich sp\u00e4ter zeigen. Dafs er mit diesem Hauptgesetz seine drei Arten der Vorstellungsverbindung preis-giebt, liegt aber auf der Hand, wenn er dies auch nicht ausdr\u00fccklich sagt\nMit K\u00fclpe habe ich mich l\u00e4nger auseinanderzusetzen. Vorl\u00e4ufig beschr\u00e4nke ich mich auf seine allgemeinen Bemerkungen \u00fcber die Association.\nK\u00fclpk will die Aehnlichkeitsassociation beseitigen und durch eine andere \u00c4ssociationsart ersetzen. Zun\u00e4chst sucht er zu zeigen,\ndafs auch ohne \u201eAssociation\u201c Reproduction m\u00f6glich sei Er f\u00fchrt\ndrei Punkte ins Feld:\na)\tDie freisteigende Vorstellung. Ich frage aber, mit welchem Recht spricht man von frei, steigenden Vorstellungen? Wir k\u00f6nnen h\u00f6chstens behaupten, dafs wir den Anlafs des Aufsteigens einer Vorstellung1 nicht kennen; aber zu behaupten, dafs ein solcher Anlafs auch dann und wann fortbleiben k\u00f6nne, dazu fehlt jede wissenschaftliche Berechtigung. Die \u201efrei steigende Vorstellung\u201c ist ein ebenso unwissenschaftlicher Begriff wie der \u201eZufall\u201c.\nb)\tDie Reproduction von Vorstellungen ohne \u201evorhergegangene\u201c Association. K\u00fclpe meint, noch niemand habe beispielsweise den Reichthum der unterscheidbaren, Helligkeitsgrade ersch\u00f6pft und sie associativ gegenseitig verkn\u00fcpft, und dennoch, sei es m\u00f6glich, dafs wir' durch einen bestimmten Helligkeitsgrad an einen anderen Helligkeitsgrad erinnert werden, der mit dem ersteren in unserem ganzen Leben noch nicht associativ verkn\u00fcpft war. Also, schliefst K\u00fclpe, giebt es Reproduction en, denen keine vorausgegangene Association zu Grunde liegt.\nHiermit hat K\u00fclpe zweifellos recht Aber er operirt hier mit einem Associationsbegriff ganz eigener Art, mit einem Associationsbegriff, der eine Voraussetzung in sich schliefst, die zu. machen kein Recht besteht. Diese Voraussetzung liegt in dem Worte \u201evorausgegangene11' Association. Damit ist die Aehnlichkeitsassociation schon von vornherein geleugnet Der Associationsbegriff erh\u00e4lt liier eine ganz specie!le, engere Deutung, die wir von unserem Standpunkte aus ab lehnen m\u00fcssen. K\u00fclpe","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"Die Aehnlichkei teassocia tion.\n223\nspricht von einer Reproduction, der eine Association vorausgegangen ist, w\u00e4hrend wir im Gegensatz dazu auch eine Association anerkennen, die von Hause aus gegeben ist, also keineswegs vorausgegangen, d. k. geworden oder gekn\u00fcpft zu sein braucht, um wirken zu k\u00f6nnen, und das ist eben die Aehnlichkeitsassociation. Gerade bei der Er\u00f6rterung dieses Mangels einer der Reproduction vorausgegangenen Association h\u00e4tte K\u00fclpe, wie man meinen sollte, auf die Anerkennung der Aehnlichkeitsassociation nothwendig verfallen m\u00fcssen, denn was in diesem Falle reproductiv zu leisten ist, das gerade leistet die Aehnlichkeitsassociation. c) Alle Abstufungen der St\u00e4rke (Intensit\u00e4t) r\u00e4umlicher und zeitlicher Bestimmungen eines Eindrucks erm\u00f6glichen eine Reproduction, obwohl sie nur zum Theil erfahren und associativ verkn\u00fcpft sind. Es leuchtet ein, dafs Mer der gleiche Fall vorliegt wie in Punkt b). Beide F\u00e4lle m\u00fcssen sich durch Aehnlichkeitsassociation erkl\u00e4ren lassen.\nUnd was schliefst K\u00fclpe aus diesen drei Erw\u00e4gungen? Eine mittelbare Reproduction an Stell\u00a9 der Reproduction durch \u00c4rmlichkeit\nII.\nIm letzten Grunde bestehen nach unserer Meinung nur zwei M\u00f6glichkeiten einer Association; die erst\u00a9 basirt auf Aehnlichkeit, die andere auf Erfahrung. Wenn mich ein Geeicht, das ich sehe, an ein \u00e4hnliches Gesicht erinnert, so liegt hier eine Aehn-liehkeitsassociation vor. Ich h\u00f6re ein ander Mal den Klang einer mir bekannten menschlichen Stimme, deren Urheber mir auch von Angesicht bekannt ist, und ich werde durch diesen blofsen Klang m das Gesicht dieses Menschen erinnert. Das int ein Beispiel einer Erfahrungsassociation. Klang der Stimme und Gesichtsbild associirten sich auf Grund ihres gleichzeitigen Sichauf-dr\u00e4ngens, daher die Association der Erfahrung auch als Association der Gleichzeitigkeit bezeichnet wird : Die Erfahrungs-Inhalt\u00a9 sind, bezw. waren gleichzeitig f\u00fcr unser Bewufstsein gegeben. Hiermit ist eine Beziehung zwischen beiden geschaffen, di\u00ab nun als Disposition weiter besteht, bis ihr ein Anlafs zu neuer Wirksamkeit gegeben wird, d. h. bis sich dem Bewufstsein","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nEarl Deffner.\nein beliebiger von jenen beiden Bewusstseinsinhalten neuerdings vergegenw\u00e4rtigt Und diese Wirksamkeit giebt sich dadurch kund, dafs, wenn die sonstigen Bedingungen g\u00fcnstig sind, auch der andere Bewufstseinsinhalt sich einstellt Dies l\u00e4fst sieh allgemein (als psychisches Gesetz) so ausdr\u00fccken : Bestimmte psychische Inhalte oder Vorg\u00e4nge seien in einer und derselbe! Psyche gleichzeitig gegeben. Von diesem Momente an besteht zwischen ihnen eine an sich unbekannte Beziehung, sie sind, durch diese Beziehung mit einander zu einem Ganzen verwoben oder zur Einheit verbunden. Dies zeigt sich in der Folge: Wenn sp\u00e4ter das eine Element dieser Einheit gegeben ist, das Einheitliche also reproducirt zu werden angefangen hat, so besteht eine Tendenz zum weiteren Vollzug der Reproduction desselben.\nBei der Aehnlichkeitsassociation dagegen besteht schon von Haus aus eine Beziehung zwischen den betreffenden sich asso-ciirenden Bewufstseinsinhalten. Es geh\u00f6rt zur Natur der Psyche die Tendenz, von Erregung zu gleichartiger Erregung fortzugehen. Es liegt in ihr ein Gesetz, das auf aufserpsyehologi-schem Gebiete sein Analogon hat, ein Gesetz der Constanz oder der Tr\u00e4gheit (vis inertia\u00a9). Wenn ein K\u00f6rper einen Stofs erf\u00e4hrt und dadurch in gewisser Richtung und in gewisser Schnelligkeit bewegt wird, dann hat er die Tendenz, in. derselben Richtung und mit derselben Geschwindigkeit weiter m gelten. Analoges gilt von den psychischen Vorg\u00e4ngen. Wenn die Psyche irgend ein\u00a9 Leistung vollbringt, eine Wahrnehmung, Vorstellung oder einen Gedanken, wenn sie also in diesem Sinne Tr\u00e4gerin einer Bewegung geworden ist, dann eignet auch dieser Bewegung dl\u00a9 Tendenz, in gleicher Weise sich fortzusetzen. Mit jeder Art der psychischen Th\u00e4tigkeit, mit jedem, psychischen Vorgang ist verbunden die Tendenz des Fortgangs der Psyche zu gleichen Vorg\u00e4ngen, die Tendenz, in der gleichen Art der Bewegung zu verbleiben. Wenn ich z. B. ein Gesicht sehe, so ist in der Wahrnehmung desselben eine bestimmt\u00a9 Art der psychischen Th\u00e4tigkeit, ein\u00a9 bestimmte Bewegung verwirklicht. Es besteht dann in der Psyche di\u00a9 Tendenz, von der Wahrnehmung dieses Gesichtes zur Wahrnehmung von \u00e4hm liehen Gesichtem \u00fcberzugehen, falls nicht ein anderweitiges Interesse das Gesetz der Constanz durchbricht In dieser Tendenz liegt die Thatsache der Aehnlichkeitsassociation enthalten.","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"jDie Aehniichkeittatsociation.\n225\nV \u00e4hrend also bei der Aehnlichkeitsassociation die Beziehung zwischen., \u00e4hnlichen Bewufstseinsinhalten Urspr\u00fcnge I \u00ee c h oder a priori, besteht, demnach in der Art der psychischen Bath\u00e4tigung selbst begr\u00fcndet liegt, also nicht gekn\u00fcpft zu werden braucht, ist die Beziehung der psychischen Inhalte bei der Erfahrungsassociation eine gewordene, erat bei der Auffassung von. V- ahmehmungsobjecten ins Leben, getretene.\nDie Erfahrung kann ganz heterogene Bewufstseinsinhalte ver-kn\u00fcpfen. Auch hierin unterscheidet sich die Erfahrungsassociation von der Aehnlichkeitsassociation. Freilich werden, in der Erfahrung auch \u00e4hnlich\u00a9 Bewufstseinsinhalte aneinander gekn\u00fcpft; dann wird eben die Erfahrungsassociation durch die Aehnlichkeitsassociation, bezw. umgekehrt, unterst\u00fctzt Bei der Erfahrungsassociation ist es, wie gesagt, n\u00f6thig, dafs die Bewu\u00dftseinsinhalte zugleich, oder in unmittelbarer Folg\u00a9 gegeben, sind, damit sie zu einander in Beziehung treten und so \u00a9in einheitliches Ganze bilden k\u00f6nnen. Biese Beziehung ist eine psychische Wirk-Hchkeit, ein besonderes, eigenartiges Erlebnifs neben den zwei anderen. Erlebnissen, di\u00a9 in Beziehung treten. So oft wir zweierlei zugleich (a und b) erleben, \u00a9rieben wir genau genommen immer dreierlei\n(auch a b). Dieses dritte Erlebnifs ist ein Einheitserlebnifs. Statt dessen kann ich auch sagen: Ich erlebe nicht zweierlei,\nsondern eigentlich Eines, n\u00e4mlich das einheitlich\u00a9 a k Aber dieses stellt sich, mir zugleich als eine Zusammenfassung von zwei Momenten a und b dar. Von diesem einheitlichen. Erlebnifs oder dieser einen psychischen Bewegung bleibt eine Ged\u00e4chtnifs-spur auf bewahrt, d. h. f\u00fcr die Psyche besteht eine Disposition, diese Bewegung, so bald der Anstofs dazu durch die sp\u00e4ter wieder einmal auftretende Empfindung a gegeben ist, als Ganzes ablaufen zu lassen, wie es ehemals ablief. Die Tendenz dieses Ablaufes schliefst ohne Weiteres di\u00a9 Tendenz des Auftretens der Vorstellung von by bezw. \u2014 wenn b \u00a9ine Empfindung war \u2014 die-Erwartung der Empfindung b in sich.\nSo Har nun der Mer vertragene Unterschied der beiden genannten Associationsarten ist, glauben doch manche Psychologen mit der Erfahrungsassociation au.szukomm.en. Unter den deutschen Psychologen ist es, wie wir schon sahen, K\u00fclpev der am entschiedensten die Aehnlichkeitsassociation abweist, indem er nur eine gewisse Art scheinbarer Aehnlichkeitsassociation zu*\nZeitschrift fttr Psychologie XVIII.\t15","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nJKarl JPfjf\u00aben\nMat, die eich in Wirklichkeit in, Erfahr\u00f9ngsassociation auf\u00ee\u00f4sen lassen soli Ein ae erinnert an ein ihm \u00e4hnliches ab durch dag gemeinsame fl.1 Es ist also meine n\u00e4chste Aufgabe, Ktus gegen\u00fcber die Aehnlichkeitsassoeiation in ihrer Selbst\u00e4ndigkeit aufrecht zu erhalten.\n-Zun\u00e4chst ist damit, dafs sich manche scheinbare F\u00e4lle einer Aehnlichkeitsassoeiation auf Erfahrungsassociation zur\u00fcckf\u00fchren lassen, nicht erwiesen, dafs 'dies f\u00fcr alle F\u00e4lle einer Aehnlichkeita-association gilt Beispiele sollen dies klar1 machen.\nich sehe einen und denselben Menschen heute im Arbeitekittel und in der M\u00fctze, morgen im Ffack und Cylinder. Beide Bilder, so kann, ich sagen, sind einander \u00e4hnlich, und das ein Bild, der Mann im Frack, erinnert mich an das andere, dem Mann im Arbeitskittel ; also liegt, hier eine Aehnlichkeitsassodar tion, vor.\nDagegen darf mit Recht geltend gemacht werden: Hier ist doch das Bild des Menschen dasselbe, nur ist es in dem einen Falle mit dem Arbeitskittel, in dem anderen mit dem .Frack verkn\u00fcpft. Wenn mich also der Mensch, der heute ausnahmsweise einmal \u00a9inen Frack, an. hat, an den Menschen mit dem Kittel erinnert, dann ist der Vorgang folgender: Ich sehe jetzt dem Menschen, ohne auf sein Kleid, den Frack, m achten, und werde durch ihn erinnert an den Kittel, den er gestern trug, Mit dem Menschen hat sich gestern der Kittel verkn\u00fcpft, Der Vorgang kann wenigstens diesen Verlauf genommen haben, und dann hat es mit der Erfahr\u00f9ngsassociation Mer seine Richtigkeit; er kann aber auch in der Weis\u00a9 stattgefunden haben, dafs die Wirkung der Aehn\u00fcchkeitsassociation zu Recht besteht\nNun aber einen anders gearteten Fall, in dem sich. K\u00fclpk nicht auf die Erfahr\u00f9ngsassociation berufen kann, ohne mit der Erfahrung in Widersprach zu gerathen. Aehn\u00fcche Farben erinnern an einander, besonders wenn sie etwas Eigenartiges an sich haben. Die Farbe der Rosenmuschel erinnert mich z. B, an die Farbe des Rosenquarzes, oder ein Majolik&gef\u00e4fs kann so bemalt sein, dafs es mich an den Perlmutterglanz erinnert, obwohl, ich denselben bisher nie an derlei Gef\u00e4fsen gesehen, sondern immer nur an der Perlmutterschale beobachtet habe. Die F\u00e4rbt, die ich jetzt gerade vor mir habe, setzt sich auch nicht aus zwei\n1 K\u00fclpb, Gnindrifs der Psychologie S. 195 f,","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Die Aehnlichkeitsa\u00ea\u00eaociation.\n227\nin concreto unterscheidbaren Elementen zusammen, wie dies oben bei dem befrackten Menschen der Fall war, Man kann also nicht sagen, -das diesen beiden Farben (ab und ac) in abstracto gemeinsame Element (\u00ab), das ehemals durch Erfahrung mit einem andern Element verkn\u00fcpft war, weckt in mir diese\u00ab andere Element, sondern hier liegt die Aehnlichkeitsassociation offen zu Tage, Die Farbe, die ich jetzt sehe, erinnert mich an die \u00e4hnliche Farbe, Hier giebt es kein Entrinnen. Dessenungeachtet leugnet K\u00fclpe, dafs ein derartiges Erinnern verkomme.\nEs wird also n\u00f6thig sein, vorerst K\u00fclpe\u2019s AehnliehkeitsbegrifD einer n\u00e4heren Pr\u00fcfung zu unterziehen. Er unterscheidet dreierlei Aehnlichkeiten :\na)\tgeringe Verschiedenheit, wie sie z. B. bei zwei unterscheidbaren Nuancen des Indigoblau im Spectrum bestellt ;\nb)\tpartielle Gleichheit, wie sie zwei Farbent\u00f6ne von verschiedener S\u00e4ttigung, Ausdehnung oder Datier bei gleicher Qualit\u00e4t reprftsentiren ;\nc)\tGleichheit der Gattung, wie bei roth und gr\u00fcn, welch\u00a9\nbeide das Wort \u201eFarbe\u201c reproduciren.\t. :\nDiese drei Bestimmungen k\u00f6nnen mannigfach verbunden auftreten, ja auch sich widersprechen; der Ausdruck \u201e\u00e4hnlich44 ist also sehr vieldeutig und deshalb, meint K\u00fclpe, kein passender Terminus f\u00fcr ein Gesetz. Scharfe Grenzen iiefsen sich nur f\u00fcr die partielle Gleichheit ziehen, falls man nicht auch das partiell Ungleiche nach einem weiteren Gesichtspunkt f\u00fcr \u00e4hnlich: erkl\u00e4rt, Und da man insbesondere auch jedes Contrast-verh\u00e4ltnifs als Aehnlichkeitsverh\u00e4ltnifs betrachten k\u00f6nne, so sei schliefslich Alles einander \u00e4hnlich. Auch die raumzeitliche Ber\u00fchrung begr\u00fcnd\u00a9 am Ende eine Art der AehnJichkeit\nDagegen ist Folgendes geltend zu machen. Die Dehnbarkeit des Aehnlichkeitsbegriffes ist kein Grund daf\u00fcr, diesen Begriff wissenschaftlich fallen zu lassen. Die Aehnlichkeit hat unendlich viele Grade. Daraus folgt nur, dafs auch die Aehnlichkeitsassociation \u2014 die f\u00fcr uns mit der Aehnlichkeit gleichbedeutend ist \u2014 unendlich viele Grad\u00a9 hat. Andererseits k\u00f6nnen psychische Inhalte einander \u00e4hnlich sein in vielerlei Hinsicht. Der Aehnlich-\n1 A. a O. S. 194 f.\n16*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nKarl Defiher,\nkeitsbegriff besitzt also einen gro\u00dfen Umfang, Unter anderem erstreckt er sich auch auf den Constrast Der Begriff der Aehn-lichkeit ist schliefslieh nicht blos ein weiter, sondern er mufs noch wesentlich \u00fcber das von K\u00fclpe anerkannte Maafs hinaus erweitert werden.\nZun\u00e4chst mufs ich der Stellungnahme K\u00fclve\u2019s zum Contrast einige Beachtung schenken, KfjnPB ist sichtlich unzufrieden dar\u00fcber, dafs insbesondere das Oontrastirende noch unter die Rubrik des Aehnlichen fallen soll.1 Aber ist denn das gar so verwunderlich? Man braucht das Gebiet des Aehnlichen, um., das Oontrastirende darunter unterzubringen, durchaus nicht besonders auszudehnen. Nur das Aehnliehe kann contrastiren; es kann z. B. nicht contrastiren sehr grofse Wirme mit einem sehr tiefen Ton, wohl aber grofse Hitze mit grofser K\u00e4lte oder die hohe Tenorlage mit der tiefen Ba\u00dflage. Das Oontrastirende mufs also demselben Gebiet angeh\u00f6ren, etwas (Jebereinstimmendes haben. In den angef\u00fchrten Beispielen ist die Temperatur, bezw. die Tonlage, das Uebereinstimmende. In vielen F\u00e4Een ist aber neben der Gleichheit des Gebietes auch noch die Au\u00dferordentlichkeit des Auftretens zweier Bewu\u00dftseinsinhalte das Gemeinsame, Au\u00dferordentliche Hitze und au\u00dferordentliche K\u00e4lte sind beides au\u00dferordentliche Naturerscheinungen. Dm Verbindende ist hier die au\u00dferordentliche Inanspruchnahme psychischer Kraft Die \u00e4u\u00dfersten Extreme haben immer das Gemeinsame, extrem zu sein.\nDie neuere Psychologie hat sich dieser Einsicht bez\u00fcglich des Contrastes nicht verschlossen und hat deswegen die sogenannte Contrasfassociation der Aehnlichkeitsassociation untergeordnet,\nK\u00fcnPE meint ferner, von einem, sicheren Nachweis der Wirksamkeit einer Association sei nur bei der Erfahrung, nicht aber bei der AehnUchkeit die Rede. Dies behauptet er besonders von seiner ersten Art der Aehnlichkeit, der geringen Verschiedenheit Wenig verschiedene (also qualitativ benachbarte) T\u00f6ne, sagt er, erinnern an einander. Sie erinnern aber an einander nicht mehr, als es T\u00f6ne von gr\u00f6\u00dferer Ver-\n1 \u00c4, a. O. 8. 195: \u201eEs leuchtet ein,, dafs unter diesen Verh\u00e4ltnissen Alles einander \u00c4hnlich sein, namentlich aber auch jedes Cootrastverhtltnif\u00bb zugleich als ein Aehnlichkeitsverh\u00e4ltnifs betrachtet werden kann.\u201c","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Die AeknlicKkeiiemmciatiM.\n229\nschiedenheit thun (\u201eabgesehen von anderen Reproductions\u00ab' tootiven\u201c). Hiernach w\u00e4re es also v\u00f6llig gleichg\u00fcltig, ob die Verschiedenheit iramerklich klein oder sehr grofs w\u00e4re, die Erinnerung tr\u00e4te in gleicher Weise ein, und die Sicherheit der Reproduction h\u00e4tte mit dem Grade der Aehnlichkeit nichts zu schaffen.\nDagegen ist einzuwenden, dafs die Aehnlichkeit, bei der wir keine Verschiedenheit mehr1 bemerken, .also die Beckungsgleich-heit, wie sie beim Wiedererkennen vorliegt, denn doch eine ganz, andere reproductive Wirkung hervorruft als eine gr\u00f6fsere, merkliche Verschiedenheit Es kann also nicht so ohne Weiteres zugegeben werden, dafs der Grad der Aehnlichkeit f\u00fcr die Reproduction belanglos sei. Aber auch die F\u00e4lle, in denen man K\u00fcub recht geben mufs, zeigen nicht, dafs sich die Wirkung der Aehnlichkeit nicht nach deren Grade bemifst. Wenn ein Gesetz der Aehnlichkeitsassociation besteht, so heilst das nicht, dafs dies Gesetz in jedem Falle rein zur Wirkung gelangt. Es k\u00f6nnte ja ein Gesetz oder es k\u00f6nnte Gesetze geben, die jenes Gesetz kreuzten. In der That giebt es ein solches Gesetz, n\u00e4mlich das Gesetz des Vorstellnngsabfiusses oder der psychischen Abilufstendenz, f\u00fcr dessen genauere Bestimmung ich auf Lirrs, \u201eGrandthatsachen des Seelenlebens\u201c S. 330 ff. verweise. Mit einem .sachlich unzutreffenden, aber popul\u00e4ren Ausdruck k\u00f6nnen wir es auch als Gesetz der psychischen Erm\u00fcdung bezeichnen. Wir erm\u00fcden f\u00fcr allzu gleichartige psychische Erlebnisse, so dafs sich die seelische Bewegung scheinbar leichter fremdartigen Erlebnissen zuwendet\nIm \u00fcbrigen giebt es, wie schon gesagt, \u00c4rmlichkeiten in verschiedenen Hinsichten. Zwei Vorstellungen k\u00f6nnen sich in einer Hinsicht einander sehr \u00e4hnlich,, in anderer daf\u00fcr einander sehr fremdartig sein. Dann kann die Wirkung jener Aehnlichkeit durch diese Fremdartigkeit durchkreuzt werden; es kann das scheinbar Aehnlichere eine geringere Associationswirkung \u00fcben. Ich will hier gleich bemerken, dafs qualitative Nachbarschaft von T\u00f6nen \u2022\u2014- die Nachbarschaft der Tonh\u00f6hen \u2014 zu den psychisch relativ wirkungslosen Aehnlichkeiten geh\u00f6rt\nK\u00fclpb h\u00e4tte bei der Auswahl seiner Beispiele nicht gerade solche w\u00e4hlen sollen, die f\u00fcr seinen Zweck g\u00fcnstig liegen, es giebt auch andere, die ihm weniger g\u00fcnstig sind. Was also den Nachweis der M\u00f6glichkeit einer Wirkung der Aehnlichkeitsasso-ciation betrifft, so kann man nicht sagen, dafs K\u00fclbb diesen","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"23\u00d4\nKarl Dcffner.\nauch nur versucht h\u00e4tte, Um zu zeigen., dafs die Aehnlichkeita-association nicht wirkt und nicht besteht, h\u00e4tte er vor Allem die verschiedenen Arten, der Aehnlichkeit an Beispielen durchgehen m\u00fcssen,\n\u2022 Was soll denn aber bei K\u00fclve an die Stelle der Aehnlich-keitsassociation treten? Es bleibt nur die Erfahrungsassociation. Wie soll dies aber bei jenem Beispiel vom Majolikagef\u00e4fs, 4m an den Perlmutterglanz erinnert, m\u00f6glich sein, da doch Hei keine Erfahrungsassoziation vorliegt, denn den Perlmutterglanz habe ich immer nur an der Perlmuschel gesehen.\nOder versetzen wir uns in die Seele eines rheinischen Wem\u00ab probers. Ein solcher vermag Dutzende von Weingeschmacken zu unterscheiden. Auf Grund des Geschmackes kann er an-geben, wo der Wein gewachsen ist. Er wird durch den Geschmack erinnert an den \u00e4hnlichen Geschmack eines Weines, den er an diesetm oder jenem Orte einmal vorgefunden hat Wenn derselbe Weinprober 25 verschiedene Weinsorten zu pr\u00fcfen hat und es kommen darunter zwei einander sehr \u00e4hnliche Sorten vor, so ward er gleichfalls verm\u00f6ge der Aehmlichkeitassociation beide herausfinden. Dabei ist es nicht n\u00f6thig, dafs er den Namen der ersten Sorte kennt, so dafs dieser etwa die Vermittlerrolle \u00fcbern\u00e4hme, wie K\u00fclve vielleicht \u00a9inwenden k\u00f6nnte. Der Name kann ihm ja entfallen sein, wenn er 'ihn \u00fcberhaupt gewufst hai Die Reproduction ist dann Mer als eine unvermittelte anzusehen.\nKehren wir wieder zu den T\u00f6nen zur\u00fcck K\u00fclve sagt, dafs benachbarte T\u00f6ne nicht ausgesprochen aneinander erinnern. Das ist richtig. Anders verh\u00e4lt es sich mit der Aehnlichkeit der Klangfarbe. Menschliche Stimmen z. B. sind unendlich verschieden im Tonfall Ich h\u00f6re etwa eine weinerliche Stimme und 'werde durch sie erinnert an \u00a9inen \u00e4hnlichen Tonfall Oder eine Melodie in tiefer Lage erinnert mich an dieselbe, aber in hoher Lage geh\u00f6rte Melodie. Nehmen wir an, diese beiden Meiodieen l\u00e4gen so 'weit auseinander, dafs in ihnen kein gleicher Ton vorkommt. Dann kann man durch keinen Fon der einen Melodie an die andere erinnert werden, und doch findet eine Erinnerung statt.\nK\u00fclve belehrt uns, dafs diese Association vermittelt sei. Die\nMelodie, die ich jetzt h\u00f6re, soll mit dem gleichen Gef\u00fchl verbunden sein, das ich ehemals gehabt habe, als ich die h\u00f6her","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Die \u00c2ehnHchkeiiscmociation.\n281\ngelegene Melodie geh\u00f6rt habe, Dem Gef\u00fchle Ist also Mer eine vermittelnde Rolle zugedacht1\nDagegen ist dreierlei einzuwenden :\n1.\tVon einer Gleichheit der Gef\u00fchle ist hier keine Rede* Das Gef\u00fchl, das sich an die Melodie in h\u00f6herer Lage kn\u00fcpft, ist von dem mit der Melodie in der tieferen Lage verbundenen Gef\u00fchle relativ verscMeden. Es ist ihm nicht gleich, sondern \u00e4hnlich Dann liegt in diesem. Falle immerhin eine Aehnlichkeitsassociation, n\u00e4mlich zwischen Gef\u00fchlen, vor. AelmLichkeitsassociation aber bleibt Aehn-\nMchkeitsassociation. Das Gleiche gilt, wenn man etwa\n*\nan die Stelle der Gef\u00fchle die Stimmungen setzen wollte, Gef\u00fchl und Stimmung nehme ich dabei nicht als identisch, Lust und Unlust z, B. nennen wir Gef\u00fchle, Stimmung dagegen ist der psychische Gesammtzustand ; eine Melodie beispielsweise kann unseren jeweiligen Zustand in seinem Charakter derartig beeinflussen, dafs wir in eine gedr\u00fcckte oder gehobene Stimmung versetzt werden. Gef\u00fchl ist ein eigenartiges Bewufstseinserleben, Stimmung die Weise des psychischen Ge-sammtvorganges, die mitbestimmend ist f\u00fcr das Gef\u00fchl.\n2.\tDem Gef\u00fchl ist \u00fcberhaupt die psychomotorische Kraft abzustreiten. In ihm haben wir einen passiven, unwirksamen Begleiter der in der Psyche wirkenden Factoren und Beziehungen zu einander. Die Gef\u00fchle haben ihren Grund in Empfindungen und Vorstellungen, sind aber nicht selbst wieder Grund von etwas, auch nicht von einer Associationswirkung.\n3.\tAuch wenn uns mit der Substitution im Sinne K\u00fclpb\u2019s geholfen w\u00e4re, so dafs sich also die AehnHchkeitsassocia-tion in eine Erfahrungsassociation aufl\u00f6ste, so k\u00f6nnte von einer Beseitigung der Aehnlichkeitsassociation dennoch keine Rede sein. Vielmehr ist bei jeder Erfahrangs-association, also auch bei der Substitution, eine Art von Aehnlichkeitsassociation vorausgesetzt. Lassen wir einmal in dem eben erw\u00e4hnten Beispiel beide Gef\u00fchle sich v\u00f6llig gleichen. So sind sie doch nicht numerisch identisch. Das jetzt bestehende Gef\u00fchl, das an die jetzt ge-\n1 A. a. O. S. 218 f.","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nKarl Ikffntr,\nh\u00f6rte Melodie sieh heftet, ist nicht das Gef\u00fchl, das sich ehemals an die ehemals geh\u00f6rte Melodie heftete. Sei .also von dem jetzigen Gef\u00fchle ans durch Erfahrung* association eine reproducirende Wirkung auf die ehemalige Melodie ge\u00fcbt werden, so mufs dies\u00a9 Wirkung nothwendig durch das ehemalige Gef\u00fchl, hindurch gehen. Dieses muJj wieder in Activit\u00e4t versetzt werden. Wag das jetzige Gef\u00fchl hierzu bef\u00e4higt, ist sein\u00a9 Ueberek-stimmung mit \u25a0 dem ehemaligen Gef\u00fchle. Ueberein* Stimmung oder Gleichheit ist aber auch eine Aehnlich* keit, n\u00e4mlich eine vollkommene. Es giebt also eine Aebn lichkeitsassociatioh im Sinne der Gleichheitsassociation so gewifs, als es eine Erfahrungsassociation giebt Das Gleiche gilt auch in den F\u00e4llen einer Erfahrungsassociation, die durch kein Gef\u00fchl vermittelt ist, d. h. der Erfahrung* association, wie sie thats\u00e4chlich vorliegt\nDi\u00a9 Stimme eines Menschen, di\u00a9 ich eben h\u00f6re, erinnert mich an dessen Gestalt Das ist ein (schon oben erw\u00e4hnter) Fall der Erfahrungsassociation. Sage ich aber : Die Stimme, die ich jetzt h\u00f6re, hat sich ehemals mit der Wahrnehmung der Gestalt verkn\u00fcpft, so liegt hierin eine Ungenauigkeit Ich will zun\u00e4chst voraussetzen, die Stimme, die ich jetzt h\u00f6re, sei genau dieselbe, die ich ehemals geh\u00f6rt- habe, d, k der Urheber derselben sei d\u201ej\u00a9 gleiche Person, welche sie damals war, es seien dieselben Worte wie ehedem, diese seien in derselben Tonlage, mit demselben Accent, mit derselben Stimmmodulation, in demselben Tempo und mit derselben Lautheit gesprochen. Bann, ist doch beides wiederum, nicht numerisch identisch. Das ehemalige Erlebnifs habe ich vielleicht vor Wochen vollzogen, es ist dahin und kehrt nicht wieder. Jetzt vollziehe ich ein neum Erlebnifs. Ich sage zwar, ich h\u00f6re ganz dieselben Worte, aber die Identit\u00e4t ist doch nur eine qualitative, eine Gleichheit Nicht mit dem. gegenw\u00e4rtigen Wahmehmungserlebnifs hat sich vor Wochen die Wahrnehmung der Gest-alt verkn\u00fcpfen k\u00f6nnen, sondern nur mit dem ehemaligen gleichzeitig mit ihr auf tretenden W ahmehmungsbild. Die Wahrnehmung der Worte nun, \u25a0die ich jetzt erlebe, reproducirt die Gestalt, die ich ehemals wahrgenommen habe, zweifellos nur durch die ehemalige Wahrnehmung der Worte hindurch. Das ist aber nur m\u00f6glich auf Grund der Gleichheit dessen, was ich jetzt h\u00f6re, mit dem, was","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Die AehnlichkeUsatisociation.\n233\nIch ehemals geh\u00f6rt habe. Also erst durch dieses Moment der Gleichheit hindurch vollzieht sich die Reproduction, von der * man sagt, sie beruhe einzig und allein auf dem Gesetz der Er-fahrungsassociation : Es giebt also zum mindesten eine Association der Gleichheit\nNun haben wir aber die Gleichheit der beiden zu verschiedenen Zeiten geh\u00f6rten Stimmen nur vorausgesetzt, ohne dafs sie jemals in allen Punkten gegeben sein k\u00f6nnte. Denn thats\u00e4ch\u00fcch handelt es sich bei beiden Stimmen doch immer um etwas Verschiedenes. Der Klang, die Tonh\u00f6he, die Lautheit, die Modulation der Stimme, so wie die Worte selbst, werden nie ganz gleich, sondern einander immer nur \u00e4hnlich sein. Nie ist ein psychischer Vorgang einem andern absolut gleich. Dennoch werde ich durch das jetzt Geh\u00f6rte an das ehemals Geh\u00f6rte und dadurch an die Gestalt erinnert. Damit ist die Aehnlichkeits-association nicht blos erwiesen, sondern es ist zugleich anerkannt, dafs ohne di\u00a9 Association der Aehn\u00fcchkeit eine Erfahrungsassociation gar nicht zur Wirksamkeit gelangen k\u00f6nnte.\nMan sage nicht, dafs damit di\u00a9 Aehnlichkeitsassociation als selbstst\u00e4ndige Association neben der Erfahrungsassociation preis-gegeben ist Es besteht ja zwischen der Wirkung der Aehn-lichkeit einerseits in der Erfahrungsassociation und andererseits in der eigentlichen Aehnlichkeitsassociation ein unverkennbarer Unterschied. Bei der Erfahrungsassociation werde ich mir der Wirkung der Aehnlichkeit in der Regel nicht bewufst; das Mittelglied, die ehemals geh\u00f6rte Stimme, kommt mir selten zum Be-wufstsein. Allerdings kann dieses Mittelglied recht wohl in be-wufste psychische Mitwirkung treten; ich kann mir sagen, ein\u00a9 solche Stimme hast du schon einmal geh\u00f6rt, und dann erst gesellt sich 'die Gestalt hinzu. Es bleibt aber doch bestehen, dafs bei derjenigen Aehnlichkeitsassociation, welch\u00a9 von jeder Br-fahrungsassociation vorausgesetzt wird, das Bewusstsein der in jedem Falle stattindenden Mitwirkung des Mittelgliedes aus\u00ab fallen kann.\nNoch er\u00fcbrigt mir in diesem Zusammenhang\u00a9 des schon oben angedeuteten Versuches H\u00f6ffding\u2019s zu gedenken, der die beiden Associationsgesetze wenigstens unter einen gemeinsamen Familiennamen bringen m\u00f6chte, n\u00e4mlich unter den h\u00f6heren Begriff des Gesetzes der Totalit\u00e4t.\nBez\u00fcglich der Aehnlichkeitsassociation h\u00e4tte man sich die\n%","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nKarl Ekffket*\n\u2022Erg\u00e4nzung zur Totalit\u00e4t so zu denken. Zwei psychische Inhalte sind einander \u00e4hnlich, das heilst, sie haben etwas Gemeinsames. .Wir d\u00fcrfen dabei jedoch nicht denken, die einander \u00e4hnlichen psychischen Inhalte seien je aus diesem Gemeinsamen und aus dem Nichtgemeinsamen (ab, ac) zusammengesetzt; dieses .Gemeinsame k\u00f6nnen wir nur in unseren Gedanken durch Abstraction herausheben. Orange und Purpurfarbe sind einander \u00e4hnlich, sie haben etwas gemeinsam., das Roth, das in ihnen steckt. Im Orange Hegt aufserdem noch das Gelb, wir k\u00f6nnen bei Orange also unterscheiden das Orange, sofern es roth und sofern es gelb ist Ebenso unterscheiden wir bei Purpur roth und blau. Das Roth kehrt also in beiden in gewisser Weise wieder. Angenommen nun, Orange (ab) erinnert mich m Purpur (ac), dann kann man sagen: In dem. Orange befindet sich das Element u, das ihm mit dem Purpur gemeinsam ist, und dieses Element sucht sich zur Totalit\u00e4t ac zu erg\u00e4nzen, oder: indem das Orange (ab) gegeben ist, ist zugleich ein. Element (a) \u25a0und damit die Tendenz gegeben, das Ganze, n\u00e4mlich das Purpur (ac) psychisch zu verwirklichen.\nNoch einfacher verh\u00e4lt es sich bei der Erfahrungsassociation, .die sich ohne Anstand unter dem Namen des Gesetzes der Totalit\u00e4t befassen l\u00e4fst. Ich habe eine Gestalt gesehen und zugleich deren. Stimme geh\u00f6rt. Beides ist zu, einem, einheitlichen Erlebnifs zusammengewachsen. Wenn ich nun diese Stimme wieder h\u00f6re, so ist damit die Tendenz verbunden, die Vervollst\u00e4ndigung des ehemaligen Erlebnisses herbeizuf\u00fchren, und die Gestalt tritt wieder in mein Bewufstsein.\nDas Gesetz der Totalit\u00e4t l\u00e4fst sich darnach so formuliren: Wenn in irgend einem psychischen Inhalte \u00a9in Element gegeben ist, das auch als Element in einem anderen psychischen Inhalt vorkommt, so sucht sich dieses Element zu dem anderen psychischen Inhalt zu vervollst\u00e4ndigen oder zur Totalit\u00e4t dieses anderen psychischen Inhaltes zu werden; in Buchstaben ausgedrtckt: das a des ah sucht sich mit dem. c des ac zu ac zu. erg\u00e4nzen Hiernach besteht allerdings eine gewisse Berechtigung, den gemeinsamen Namen f\u00fcr beide Associationen in Anwendung zu bringen, aber damit wird der Unterschied, der hier vorliegt, eben doch nicht aufgehoben. Wir h\u00e4tten ja auch schon den gemeinsamen Namen der \u201eAssociation\u201c, wenn uns damit gedient w\u00e4re. Was den Unterschied ein f\u00fcr allemal unaufhebbar macht, ist,","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Die Aehnlichkeitsassociation.\n285\ndafs der Begriff des \u201eGanzen44 in beiden F\u00e4llen einen verschiedenen Sinn hat Bei der Erfahrungsassociation sind zwei an sich selbst\u00e4ndige Vorg\u00e4nge durch Erfahrung zu einem Ganzen zusammengewachsen. Davon ist bei dem Ganzen, \u2022das bei der AehnMchkeitsassociation in Frage kommt, keine Bede. Oder wie ich schon oben betonte : Die Einheit, die durch die associative Verkn\u00fcpfung zweier in der Erfahrung gegebenen psychischen Inhalte gegeben ist, ist erst geworden, dagegen die Einheit psychischer Inhalt\u00a9 bei der Aehnlichkeitsassociation ist eine urspr\u00fcngliche, mit dem Dasein gewisser psychischer Inhalte von selbst gegebene, somit u n geworden e.\nSoweit es sich also um den Ursprung beider Associationen handelt, stehen sie einander ebenso gegen\u00fcber wie die Begriffe \u201eurspr\u00fcnglich44 und \u201eerworben44. Hinsichtlich ihrer Wirksamkeit .jedoch, bez\u00fcglich der ihnen innewohnenden Tendenz besteht .zwischen ihnen durchaus kein Unterschied. Hier wie dort besteht, falls das eine Element der Einheit gegeben ist, die Tendenz der Reproduction des anderen Elementes.\nIII.\nDie Aehnlichkeit unserer psychischen Erlebnisse ist von doppelter Art Wir unterscheiden eine Aehnlichkeit zwischen Bewufstseinsinhalten, wie z. B. zwischen zwei Farben, zwei T\u00f6nen oder zwei Formen, und eine Aehnlichkeit zwischen den gewissen Bewufstseinsinhalten zu Grunde liegenden an sich un--bewufsten Vorg\u00e4ngen. Letzterer Art ist z. B. die Aehnlichkeit zwischen einem tiefen Ton und einer tiefen Farbe. Nur die erster\u00a9 ist in den betreffenden Empfindungsinhalten als , solchen begr\u00fcndet oder fundirt Das Fundament der Aehnlichkeit ist das dem Aehnlichen Gemeinsame. Erlebt werden beide Arten der Aehnlichkeit, aber nur bei der ersteren wird das Fundament bewufst erlebt Jedes Bewufstsein ist ein Erleben, aber nicht jedes Erleben \u00a9in Bewufstsein. Ich erlebe bei jeder Empfindung mehr als ich im Bewufstsein vorfinde, n\u00e4mlich den Vorgang, der dem Empfindungsinhalt zu Grunde liegt. In einer Tonempfindung z. B. erlebe ich bewufst einen Ton von bestimmter H\u00f6he, Intensit\u00e4t und Klangfarbe. Diese geh\u00f6ren dem Empfindungsinhalt an. Aber ich erlebe auch den Vorgang, durch welchen dieser in den drei Richtungen bestimmte Ton zu Stande kommt. Dieser Vorgang geh\u00f6rt nicht mehr zum bewufsten Ein-","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nKmt\u00ee Deffner.\nptindungsinhalt, und doch ist er eine psychische Thatsache, die gerade in der Frage der Aehnlichkeit und ihrer associative! Wirkung nicht minder in Frage kommt, als die Aehnlichkeit, die sich in den Empfindungsinhalten aufzeigen lifst Und in diesen Vorg\u00e4ngen k\u00f6nnen Aehnlichkeiten begr\u00fcndet liegen, die in den zugeh\u00f6rigen Bewufstseinsinhalten nicht Vorkommen.\nSo sind z. B. die Bewusstseinsinhalte Farbe und Ton v\u00f6llig unvergleichlich. Wir finden in diesen beiden Bewufstseinsinhalten als solchen nichts Gemeinsames. Trotzdem l\u00e4fst sielt ein Vergleich zwischen einem tiefen Ton und einer tiefen Farbe an* stellen. Die Aehnlichkeit, die hier vorliegt, kann nur in der Aehnlichkeit der psychischen Vorg\u00e4nge liegen, die den beiden Bewufstseinsinhalten zu Grunde liegen. Sie giebt sich zu erkennen durch die eigenartige Weise, wie die Seele bei Gelegenheit der verschiedenen Inhalte des Bewusstseins erregt wird, wie uns zu Muthe ist dann, wenn die verschiedenen Bewusstseinsinhalte in uns da sind, kurz durch das begleitende Gef\u00fchl Und sie giebt sich zu erkennen darin, dafs der tiefe Ton und die tiefe Farbe aneinander erinnern. Jene Gleichartigkeit der Gef\u00fchle und diese Reproduction m\u00fcssen aber ihren Grand haben; und derselbe kann nur liegen in den Vorg\u00e4ngen, die den Em-pfindungsinhalten, tiefer Ton und tiefe Farbe genannt, zu Grunde liegen, in ihrer Weise in uns aufzutreten und abzulaufen. In diesen Vorg\u00e4ngen ist also ein Gemeinsames, eine Aehnlichkeit Schliefslich m\u00fcssen wir zwischen tiefen T\u00f6nen und tiefen Farben, die doch verschiedenen Empfindungsgebieten angeh\u00f6ren, sogar eine gr\u00f6fsere Aehnlichkeit constatiren, als etwa zwischen zwei T\u00f6nen, obgleich diese einem und demselben Gebiet angeh\u00f6ren. Es ist, wie wir bereits gesehen haben, sogar bezweifelt worden, ob eine Farbe uns erinnern k\u00f6nne an eine ihr benachbarte, das Roth z, B. an ein \u00e4hnliches Roth, das wir einmal irgendwo gesellen haben. Dagegen hat man nie bezweifelt, dafs gewisse Farben an gewisse T\u00f6ne, Kl\u00e4nge, z. B, eine rothe Farbe an Trompetenkl\u00e4nge, eine blaue an den Waldhomklang erinnern.\nSolche Aehnlichkeiten sind, wie bei den \u201etiefen\u201c Farben und den \u201etiefen44 T\u00f6nen, so auch sonst mehrfach sprachlich festgelegt Ein weiteres Beispiel giebt die Intensit\u00e4t der Ton- bezw. Farbenempfindungen. Wir nennen einen gewissen Ton einen starken oder intensiven, ebenso eine gewisse Helligkeit der Farbe stark oder intensiv (auch schreiend). Welchen Grund hat man,","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Dm AehnlichkeitM88ociation\u00bb\n237\nden lauten Ton als den Ton von gr\u00f6fserer St\u00e4rke zu bezeichnen\u00bb und ebenso die gr\u00f6fsere Helligkeit der Farbe als gr\u00f6fsere St\u00e4rke {des Lichtes) anzusprechen? Was hat der laute Ton mit der hellen Farbe zu thun, daft man beides mit demselben Namen der St\u00e4rke bezeichnen, darf ? So weit sie als Empfindungsinhalte in Betracht kommen\u00bb haben sie nichts miteinander gemein; die .Lautheit des Tones ist eine qualitative Bestimmtheit des Tones genau so gut wie Klangfarbe und Tonh\u00f6he; und so ist die Helligkeit des Lichtes ein\u00a9 qualitative Bestimmtheit desselben genau so gut wie dessen F\u00e4rbung und S\u00e4ttigungsgrad, Di\u00a9 Ge\u00bb memsamkeit der Bezeichnung \u201eSt\u00e4rke\u201c enth\u00e4lt des Rithsels L\u00f6sung. Woher stammen die Begriffe der Intensit\u00e4t\u00bb Kraft\u00bb St\u00e4rke? Sie haben einen und denselben Sinn und entstammen aus dem\u00bb was wir erleben\u00bb wenn wir psychisch th\u00e4tig sind; wir erleben Willenskraft\u00bb Willensst\u00e4rke\u00bb* Anstrengung des Wollens. Nun \u00fcbertragen wir dieses subjective Eriebnifs oder vielmehr den Merans gewonnenen Begriff auf die Objecte\u00bb bezw, Bewufstseins-inhalte ; wir nennen auch dasjenige stark, intensiv\u00bb was unserem Willen einen bestimmten Widerstand entgegensetzt, was auf uns mit gewisser Energie eindringt, uns psychisch besonders in An-Spruch nimmt Der laute Klang und das helle Lieht haben das Gemeinsame\u00bb mit gewisser Energie auf mich einzudringen, meine Aufmerksamkeit in besonderem Maafse in Anspruch zu nehmen. Auch JVI\u00fcnsterbkrg erkl\u00e4rt\u00bb dafs die gemeinschaftliche Bezeichnung \u201eSt\u00e4rke\u201c auf einen und denselben Grund zur\u00fcckzuf\u00fchren sei\u00bb aber er meint\u00bb dieser eine Grand m\u00fcsse sich als ein neuer und besonderer Empfindungsinhalt darstellen, und nennt denselben Muskelempfindung. Das trifft nicht zu. Das Gleichartige\u00bb was Mer bewufst erlebt wird, ist di\u00a9 Weise, wie ich in Anspruch genommen werde\u00bb ist das Gef\u00fcM, dafs an mich eine besondere Zumuthung gestellt wird\u00bb dafs ich mir etwas gefallen lassen mufs, es ist mit einem Wort, das Gef\u00fchl der Passivit\u00e4t einem besonders Activen gegen\u00fcber, Um uns aber diese Gleichartigkeit der hier erlebten Gef\u00fchle erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen, werden wir auch Mer mit der gleichartigen Weise der psychischen Erregungen\u00bb die den Bewufstseinsinhalten zu Grande liegen, zu rechnen haben\u00bb wenn auch diese Bewufstseinsinhalte selbst total verschieden sind. Auch diese Aeimlichkeit zwischen den an \u00bbich unbewufsten psycWsehen Vorg\u00e4ngen oder ihrer \u201eRhythmik\u201c","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nMarl Drffnrr.\nwirkt nicht bios gelegentlich reproductiv, sondern ist ein Vorzugs* weise reproductiv Wirksames.\nWenn wir an die psychische Wirkung dieser Aehnlichkeit glauben, dann m\u00fcssen wir damit allen Emst machen. Sobald eine Empfindung im Bewnfstsein entsteht,' haben wir auch mit einem ihr zu Grunde liegenden psychischen Vorgang von bestimmtem Charakter oder bestimmter Ablaufsform zu rechnen Dadurch werden anderweitige Vorstellungen und Vorstellungs-Zusammenh\u00e4nge rege, deren Charakter oder Ablaufsform \u00e4hnlich ist Sie werden erweckt oder zum Anklingen gebracht bewufst oder unbewnfst Sobald ein Empfindungsvorgang, der eine bestimmte Weise der psychischen Erregung in sich schliefst, zu Stande kommt, besteht die Tendenz der Ausbreitung dieser Weise der Erregung auf die ganze Psyche. So hat jede Im* pfindung sozusagen ihre Resonanz, die sie in der Psyche uni schliefs\u00fcch in unserem ganzen psychophysischen Wesen findet, vergleichbar1 der Resonanz im Klavier.\nIn noch h\u00f6herem Maafse gilt dies bei eomplieirteren Em-pfindungsinhalten, z. B. einer Melodie. Diese Betrachtungsweise ist so recht geeignet, uns von jener Gepflogenheit abzubringen, Empfindungen eben nur als Empfindungen und Complexe von solchen nur als Complexe zu betrachten, als w\u00e4ren sie nur 'diese und sonst weiter nichts. Wir werden uns jedesmal, wenn wir es bewufster Weise mit einer Empfindung oder einem Complex von Empfindungen zu thun haben, alles irgendwie Gleichartige in irgendwelchem Grade miterregt zu denken haben. Das ist aber nur m\u00f6glich, wenn ein durch Aehnlichkeit vermitteltes Fori-wirken der Erregung eines Gebietes der Seele zu anderen Gebieten stattfindet. Wie beim Anschl\u00e4gen einer Saite nicht blos diese Hingt, sondern auch allerlei Gegenst\u00e4nde der Umgebung zum. Mitklingen bringt, genau so wird in der Seele niemals blos die angeschlagene Saite in Erregung versetzt, sondern allerlei andere Saiten klingen mit. Durch diese Resonanz wird zugleich die urspr\u00fcngliche psychische Erregung verst\u00e4rkt, das psychische Gewicht der betreffenden Empfindung gesteigert, das begleitende Gef\u00fchl vertieft. Die Miterregungen im Grunde der Psyche ergeben kein eigenes Bewufstseinsresultat, die miterregten (potentiellen) Vorstellungen gelangen nicht selbstst\u00e4ndig zum Bewufst-sein, sondern, fiiefsen zusammen in eine einzig\u00a9 Stimmung, sie treten nur in dem sie begleitenden Gef\u00fchl in das Bewufstsein,","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Die Aehnlichkeitsamociation.\n239\ndas nun zu dem Gef\u00fchl, wie es die Wahrnehmung begleitet*, hinzutritt und ihm einen besonderen Charakter verleiht.\nHierbei ist dies zu bedenken: Die Nebenvorstellungen \u2014\u25a0 so nennen wir die zum Anklingen gebrachten potentiellen Vor-Stellungen \u2014 m\u00fcssen, so sehr1 sie mit der Wahrnehmung, durch die sie erregt worden sind, in ihrem Grandcharakter tberein-stimmen, unter sich verschieden gedacht werden, sie m\u00fcssen sich demgem\u00e4fs wechselseitig hemmen, sich den Eintritt ins Bewirbt sein erschweren, ja verbieten. Zugleich jedoch unterst\u00fctzen sie verm\u00f6ge jenes gemeinsamen Grandcharakters gemeinsam die Wahrnehmung, von der aus sie erregt worden sind, Diese Unterst\u00fctzung macht die \u00e4sthetische Kraft der Melodie verst\u00e4ndlich, Es l\u00f6s\u00a9 sich in ihr etwa eine disharmonische Tonfolg\u00a9 durch geeignete R\u00fcckkehr zur Tonika in Harmonie. Nun giebt es in uns Spuren von Vorstellungen und Vorstellungszusammen-h\u00e4ngen ehemaliger innerer Erlebnisse, die mit dem Charakter dieser Tonfolge etwas Wesentliches gemein haben, n\u00e4mlich Disharmonie und L\u00f6sung in Harmonie. Was ich hier w\u00e4hrend des Anh\u00f6rens der Tonfolge erlebe, habe ich schon oft in anderen F\u00e4hen erlebt Ich befand mich schon \u00f6fter in einem wissenschaftlichen Zweifel, also in einer logischen Disharmonie, die ach endlich in Klarheit l\u00f6ste. Oft habe ich erlebt, dafs die Sonne durch d\u00fcsteres Gew\u00f6lk hindurchbrach. Oder ich war in Noth und Verlegenheit, aus der ich endlich errettet wurde, Oder ich sah Kampf und Streit zwischen Menschen und erlebte die endlich\u00a9 L\u00f6sung des Conflictes, Alle diese Erlebnisse stimmen in ihrem Grundcharakter \u00fcberein mit dem, was ich bei jener obenerw\u00e4hnten Folge von T\u00f6nen erlebe: Erst Hemmung, Spannung, Gegensatz, und dann Befreiung, L\u00f6sung, Ruhe. Von allen den genannten Erlebnissen blieb eine Ged\u00e4chtnilsspur und diese werden nun durch die Melodie nach dem Gesetz der Aehnliehkeiteassociation erregt, aber die Erregung bleibt un-b\u00a9 wirfst.1\nUm noch einmal zu den einzelnen Kl\u00e4ngen zur\u00fcckzukehren, \u2022so weise ich auch noch hin auf1 die Klangfarbe. Auch diese hat 'ihre Analogie in der Vorstellungswelt Wir sprechen von einem, vollen, reichen, runden oder weichen Klang und zwar mit gutem Grande. Wenn wir etwas Weiches betasten und\n1 Vgl. Lipps, Grundthatsachen etc, 8. 234 ff.","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nKarl Deffner.\ndann beim Anh\u00f6ren eines Tones ein Gef\u00fchl haben, als h\u00e4tten wir es auch Mer mit etwas Weichem zu. thun, so dringt sich wieder, wie im bisherigen, die Annahme auf, dafs beiden Em-pfindungsinhalten ein gleichartiger Empfindlings Vorgang zu Grunde liege und dafs die Gleichartigkeit der psychischen Verginge in jener Gleichartigkeit der Gef\u00fchle ihren Ausdruck finde. Das Gleiche gilt auch von anderen bildlichen Ausdrucken, die wir zur Bezeichnung von Klangfarben verwenden. Bei der Stimmgabel haben wir eine d\u00fcnne, bei der Trompete ein\u00a9 scharfe, anspruchsvolle, bei der Fl\u00f6te oder gedachten Orgelpfeife eine schmelzende Klangfarbe u. s. w.\nHierher geh\u00f6ren auch die Stimmungen, die Farbenempfindungen begleiten. Roth uni blau unterscheiden sich fur unser Gef\u00fchl nicht blos als roth und Mau, sondern sie verhalten sich, auch wie heftige Leidenschaft, starke Erregung zur Ruhe, Sanft\u00bb muth, K\u00fchle, je nach der Nuance dieser Farben. Das Tellblau bezeichnen wir z. B, als sanft. Es leuchtet ein, dafs dies\u00a9 Bezeichnungen f\u00fcr Me Farben keinen Sinn h\u00e4tten, wenn mit der Farbe nicht noch etwas gegeben w\u00e4re, das diese .Pr\u00e4dikate' rechtfertigt, wenn nicht in der Farbe etwas l\u00e4ge, das leidenschaftlichen, sanften etc. Erregungen verwandt ist Dies liegt aber wiederum nicht in den Empfindungsinhalten, als solchen. Es kann also nur liegen in den zu Grunde liegenden Vorg\u00e4ngern Der Maler unterscheidet warme und kalte, bezw. k\u00fchle Farben. Die warmen sind roth, orange, gelb; die kalten gr\u00fcn, blau, indigo, violett Die Ausdr\u00fccke sollen zun\u00e4chst andeuten, dafs uns \u00e4hnlich zu. Muthe ist, wie wenn, wir erw\u00e4rmt werden oder K\u00fchle empfinden. Aber diese \u00e4hnliche Art, wie uns zu Muthe ist weist auf ein\u00a9 Aehnlichkeit in den Empfindungsvorg\u00e4ngen. Und eben diese Aehnlichkeit ist es, die die Erinnerung an Erw\u00e4rmung oder Abk\u00fchlung weckt Schon Goethe 1 sprach von Stimmungen, die sich an die einzelnen Farben heften. Diese Symbolik der Farben mag, was die Ausdr\u00fccke anlangt, im Laufe der Zeit gewechselt haben, der Sinn ist gewifs immer identisch geblieben.\nEs wurde oben zugestanden, dafs die qualitative Nachbarschaft von T\u00f6nen geringe reproductive Kraft habe. Um m gr\u00f6fser\u00a9 Reproductionskraft besitzt di\u00a9 Tonverwandtschaft, die gleichfalls eine Art, obzwar eine besondere Art der Aehnlichkeit\n1 Gobthx, Zur Farbenlehre, sinnlich sittliche Wirkung der Farbe,","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"Bk A\u00e9ki\u00fcichkeitsauociaH\u00fbn.\n241\ndarstellt Leicht werden wir in der Vorstellung von T\u00f6nen zu solchen, die mit ihnen musikalisch verwandt sind, hingeieitot. Freilich ist die Tonverwandtschaft nicht von alen Psychologen anerkannt Seit Jahrzehnten herrscht Streit um das Wesen der musikalischen Harmonie und Disharmonie, Ich kann auf denselben hier nicht weiter eingehen, und bemerke einfach, dafs ich mich hier der Lipps\u2019schen Theorie1 anschliefse. Ihr zufolge geht die Harmonie Hand in Hand mit der Einfachheit der Schwingungsverh\u00e4ltnisse und die Disharmonie mit der Complcirtheit derselben. Hier besteht ohne Zweifel ein Causalzusammenhang,\nAle Beispiel diene das einfachste Schwingungsverh\u00e4ltnis 1 : 2, das bei der Octave besteht Der Grundton habe in der Seconde 100 Schwingungen, dann hat dessen Octave deren 200. Zwischen diesen Schwingungsfolgen besteht eine Uebereinstimmung. Jedes Element jener Schwingungsfolge deckt sich hinsichtlich seiner Zeitdauer mit einer Einheit aus zwei Elementen dieser Schwingungsfolge. Nun d\u00fcrfen wir unbedenklich voraussetzen, dafs \u00e4hnliche physikalische Bewegungen auch \u00e4hnliche physiologische Erregungen zur Folge haben, und dafs wiederum diesen \u00e4hnlichen physiologischen Erregungen \u00e4hnliche psychologische Erregungen entsprechen. Die Verwandtschaft der physiologischen Erregungen wird sozusagen in die Sprache der unbewufsten psychischen Erregungen \u00fcbersetzt Daher die Verwandtschaft der T\u00f6ne.\nZur Begr\u00fcndung dieser Theorie l\u00e4fst sich vor Allem geltend machen, dafs durch sie allein ein klares Verst\u00e4ndnifs der Wirkung der musikalischen Harmonie und Disharmonie erm\u00f6glicht ist Sie ist ferner gefordert durch die Thatsach\u00a9 der Verwechslung sehr1 harmonischer T\u00f6ne, wie der Octaven und endlich durch die Thatsache der Verschmelzung der 1 heilt\u00f6ne des Clavterkiangg zu einer einheitlichen Empfindung. Wir wissen, dafs psychische Inhalte um so leichter verschmelzen, je \u00e4hnlicher sie sind.\nDie Verwandtschaft der T\u00f6ne ist eine Art der Aehnlichkeit. Indem, solch\u00a9 verwandte T\u00f6ne Zusammentreffen oder sich folgen, 'treten sie verm\u00f6ge der Verwandtschaft oder Aehnlichkeit in bestimmte Beziehungen. Sie verweben zu einer bestimmten Art der Einheit Diese Beziehung nun oder die Art der Verwebung\n1 Lipps Psycholog. Studien S. 92\u2014161. \u2014 Grundthatsachen etc. XI. Zeitschrift f\u00fcr Psychologie XVIJ\u00cf.\t16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nMarl Beffmgf.\nist wiederum ein neues Fundament der Aehxilichkeit oder ein neuer m\u00f6glicher Grund der Aehnlichkeitsassociation. Ein sehr complicates Beispiel dieser Aehnliehkeit ist diejenige, die 'besteht zwischen einer erst in h\u00f6herer, dann in tieferer Lage gespielten\n*\tMelodie. Das Presto der 8. Beethoven\u2019schen Sonate in F% Op. 18, Nr. 2 beginnt mit einem Thema, das sich im Verlaufe des Tqb-stttckes mehrmals in verschiedenen Tonarten bald in den Unter-,\n\u2022\tbald in den Oberstimmen wiederholt. Worin besteht hier die Aehnliehkeit? Man wird sagen, es ist ein und dasselbe Thema, das Mer wiederkehrt, die Intervalle sind dieselben ; das Wesentliche an einer Melodie ist nur die bestimmte Tonfolge, ganz unwesentlich dagegen ist die Tonh\u00f6he, bezw. Tonart. Damit ist aber nichts erkl\u00e4rt Hier beginnt f\u00fcr die Psychologie erat daa Problem. Wie kommt es, da\u00df eine Melodie immer noch dieselbe bleibt, auch wenn die Tonh\u00f6he wechselt? Wenn uns das\n\u25a0 selbstverst\u00e4ndlich scheint, so ist damit nur bewiesen, dafs wir an diese Thatsache gew\u00f6hnt sind, nicht aber, warum das so sein rnufs.\nDas \u201eIntervall14 kann in doppelter Bedeutung genommen werden; einmal als Terminus f\u00fcr den Abstand zweier T\u00f6ne, der nach seiner Gr\u00f6fse bestimmt wird; mm andern, als Bezeichnung f\u00fcr die musikalische 'Beziehung zweier T\u00f6ne, f\u00fcr die Weise, wie die T\u00f6ne zu einem einheitlichen psychischen Gesammterlebnils sich verbinden. Dieser letztere Begriff des Intervalles Ist der \u00e4sthetische. Ein Intervall in diesem Sinn ist kein Bewu\u00dftseins-erlehnifs. Im Bewu\u00dftsein sind immer nur die zwei T\u00f6ne, welche gewissermaafsen das Material zu einem Intervall liefern. I\u00dft dem blo\u00dfen Gegebensein der beiden T\u00f6ne ist aber noch keine musikalische 'Beziehung' da. Diese verdankt ihr Dasein einer an sich unbewu\u00dften und in dem begleitenden Gef\u00fchl dem Bewu\u00dftsein sich ank\u00fcndigenden Wechselwirkung der beiden Empfindung^ vorginge. Ich kann das Intervall niemals h\u00f6ren. H\u00f6ren kann ich immer nur den einen Ton und dann den anderen. Also kann ich auch nicht sagen, das Intervall sei meinem Bewu\u00dftsein gegeben. Ich habe woM ein Bewu\u00dftsein von der zeitlichen Aufeinanderfolge der T\u00f6ne, aber nicht von jener Beziehung oder W echsel Wirkung.\nIndem, ich den Uebergang von. einem Ton. zum andern oder das Zusammen beider erlebe, habe ich ein Gef\u00fchl der Harmonie, bezw. Disharmonie. Dies Gef\u00fchl der Harmonie hat seinen","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"Bk AehnlickkdtaaMociation.\t243\nGrund In der Art, wie sich die Tonempfindungsvorg\u00e4nge 'm einander in mir verhalten ; harmonische T\u00f6ne, genauer die ihnen m Grunde liegenden psychischen Vorg\u00e4nge unterst\u00fctzen sich, disharmonische st\u00f6ren sich\u00bb Diese Beziehung zweier T\u00f6ne zu einander ist ein. eigenes psychisches Briebnifs. 1s ist zugleich etwas relativ psychisch Selbst\u00e4ndiges, \u00a9in relativ selbst\u00e4ndiger, von den T\u00f6nen selbst relativ unabh\u00e4ngiger psychischer Vorgang. Wir k\u00f6nnen darauf speciell achten\u00bb Darin giebt sich 'diese relative Selbst\u00e4ndigkeit zu erkennen. Neben diesen Beziehungen sind H\u00f6he, Intensit\u00e4t und Klangfarbe der T\u00f6ne relativ so bedeutungslos, dafs eine Aenderung derselben vielleicht nicht einmal bemerkt wird. Sie sind es auch nicht, die zun\u00e4chst im Ge iichtnifs haften ; was m erster Linie gelingt, ist die .Reproduction des Intervalles. Obwohl dies\u00a9 nur In T\u00f6nen, die nach H\u00f6he, Intensit\u00e4t und Klangfarbe bestimmt sind, stattfinden kann, so ist sie doch von dieser Bestimmtheit unabh\u00e4ngig.\nJede Beziehung zweier Empfindungen, sofern sie nicht'eine r\u00e4umliche und zeitliche ist, hat man sich zu denken als Beziehung der ihnen zu Grunde liegenden Erregungen der Psyche. Diese Beziehung haftet einerseits an, den. Empfindungen, andererseits erscheint sie doch wieder als eine solche, die, von denselben unabh\u00e4ngig und souver\u00e4n, jetzt an diesen, jetzt an jenen Empfindungen psychisch sich verwirklicht\nLassen wir auf den, zweiten Ton noch \u00a9inen dritten folgen, io compliciren sich die Beziehungen\u00bb Wir haben dann vorerst drei Beziehungen,, die resultiren aus dem Fortgang der T\u00f6n\u00a9 2 zu 3, 1 zu 3, 1 + 2 zu 3, und weiterhin treten, diese drei Beziehungen oder Erlebnisse wieder unter sieh in Beziehung, so dafs wir also das einheitliche Briebnifs einer Folge von drei T\u00f6nen schon als ziemlich complicirtcs Netz von Beziehungen zu denken haben.\nTritt nun gar noch ein vierter und f\u00fcnfter Ton hinzu u. s. \u00a3,, bis wir eine einheitliche Melodie haben, dann wird die Compli-cation der Beziehungen eine immer umfangreichere. Und doch 'wirken bei der Reproduction alle diese Beziehungen mit Dies k\u00f6nnen wir auch sonst beobachten. Ein Kind habe Ms 10 z\u00e4hlen gelernt Es reproducirt dann die zehn Zahlen der Reihe nach sicher, wenn es mit 1 beginnen darf. Wenn es aber etwa mit 6 anfangen soll, kann es nicht fortfahren. Warum kommt es aber \u00fcber 6 hin\u00fcber zu 7, wenn inan es von vom a\u00fcfangen\n16*","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nKarl Deff\u00eemr\u00bb\nMit? Weil Mer schon von 1 ab die Beziehungen zu 7 functio\u00bb niren und der Beziehung von 6 zu 7 bet der Reproduction H\u00fclfe leisten., Bi\u00a9 H\u00fclfeleistung f\u00e4llt in jenem \u00a9reteren Falle weg.\nDasselbe nun findet statt, wenn, wir eine Melodie reproduciiem sollen. Wenn wir aus irgend welchem Grund\u00a9 \u201estecken bleiben\u201c, so helfen wir uns dadurch, d&fs wir 'die Melodie wieder von vorne beginnen, und nun gelingt es, die Melodie zu Ende zu f\u00fchren, weil bei der Wiederholung alle Beziehungen zur erneuten, ungehemmten Wirksamkeit gelangen k\u00f6nnen, Die Melodie stell somit ein ganzes System einander unter- und \u00fcbergeordnete musikalischer Beziehungen dar, und dieses ganze System, ist es, das reprodueirend wirkt\nDieser Tatbestand gelangt zur Wirkung in zweierlei Wem Entweder werde ich durch eine eben an mich her&ntretende Melodie an \u00a9ine ehemals in anderer Lage geh\u00f6rte, im Uebrigen aber gleiche Melodie erinnert, oder ich reproductive eine in einer bestimmten Lage geh\u00f6rte Melodie frei in anderer Lage, vielleicht gegen meinen Willen. Beide File laufen jedoch auf dasselbe Mnaus: Auf das Gesetz der Aehnlichkeitsassociation, genauer der Association der Aehnliehkeit zwischen an, sich unbewufsten Beziehungen und Systemen oder Geweben von solchen. Daratf habe ich noch etwas n\u00e4her einzugehen.\nIn der Melodie erscheinen, allgemein gesagt, abstracto Elemente von psychischen Inhalten als relativ selbstst\u00e4ndig. Dieselbe Melodie wirkt relativ unabh\u00e4ngig von den einzelnen T\u00f6nen; nicht die T\u00f6ne einer Melodie, sondern die Melodie selbst reproductif; die Melodie und damit erst die Tonelemente, welch\u00a9 aber ganz andere sein k\u00f6nnen als jene der reproducirenden Melodie. Die Melodie wird, wie es scheint, von den T\u00f6nen, an di\u00a9 sie gebunden war, losgel\u00f6st und in eine h\u00f6here Tonregion \u00fcbertragen, eie wird sozusagen in einem anderen Material realMrt, es werden ihr andere Elemente eingef\u00fcgt Es ist zweifellos, es lassen sich, abstracto Elemente, Beziehungen, Systeme oder Gewebe von Beziehungen, \u201edie gegeben waren zwischen bestimmten Elementen, \u00fcbertragen auf andere Elemente. Das k\u00f6nnen wir auch bezeichnen als combinatorische Reproduction.1 Die freie Ueber-tragung von Beziehungen, die reproductive Phantasie tritt um im h\u00f6chsten Maafse im K\u00fcnstler entgegen. Jeder Mensch er-\n:l Vgl. liBPP\u00fc,, Grundthatsachen etc. S. 108 ff.","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"Die \u00c2ehnUckkeii\u00eaassodation.\n245\nfreut sich in gr\u00f6fserem oder geringerem Grade dieser combina-torischen Reproduetionsgabe. Man verbindet damit gern den Begriff einer sch\u00f6pferischen Th\u00e4tigkeit. Hier besteht eine begriffliche Unklarheit Ich reprodueire die Melodie in h\u00f6herer Lage, aber in dem Reprodneirten liegt doch wieder etwas, was mir schon einmal gegeben war. Zugleich war mir doch die Melodie in h\u00f6herer Lage noch nicht gegeben. Umgekehrt mufs, wenn ich die Melodie in h\u00f6herer Lage reproduciren soll, dazu doch eine Disposition in mir sein. Es mufs also die Melodie in niedrigerer Tonh\u00f6he eine Disposition erzeugen, die ohne Weiteres zugleich eine Disposition ist zu einer Melodie in irgend einer beliebigen anderen Tonh\u00f6he,\nSetzen wir an Stelle der Melodie eine einfache Beziehung, dann lautet 'unsere Schlufsfolgerung so: Ist eine Beziehung in ms entstanden als Beziehung zwischen irgend welchen Elementen, so ist damit ein\u00a9 Disposition f\u00fcr diese Beziehung allgemein geschaffen, oder es ist f\u00fcr mich dispositionell diese Beziehung eine Beziehung zwischen solchen anderen Elementen, in deren Natur es liegt, falls sie in der Weise wie jene ersten Elemente gegeben sind, m dieselbe Beziehung zu treten oder dieselbe Beziehung zwischen sich entstehen zu lassen. Es seien die beiden Elemente \u00bb und b gleichzeitig gegeben. Dann entsteht eine Beziehung, die wir arb heifsen wollen. Dieselbe besteht jetzt psychisch f\u00fcr mich und dauert in mir als Disposition nach, Nun sage ich, das r ist in der Folge ohne Weiteres f\u00fcr mich da als Beziehung zwischen allen Elementen x und y\u00bb in. deren. Natur es liegt, falls sie gleichzeitig gegeben sind, in diese Beziehung r zu 'treten. Wenn ich also ein Quintintervall gebildet habe, so kann ich solche Intervalle in, jeder beliebigen Lage bilden.\nDiese gewifs merkw\u00fcrdige Thatsache l\u00e4fst sich noch andere formuliren. Es sei gegeben die Beziehung a \u2014 k Hier ist m psychisch kein a mehr, sondern Anfangsmoment eines Ganzen, ntm\u00fcch des a-\u2014k Damit ist ausgesprochen, dafs diesem a 'diese Beziehung/nicht blos sich zugesellt, sondern anhaftet. Nun sei ferner gegeben ein x. Dieses kann mit einem y in dieselbe Beziehung treten wie a mit 6, d. h. es liegt in der Natur1 des x und y, Mis sie in derselben Weise wie a und b gegeben sind, in dieselbe Beziehung zu treten. Ist nun x so beschaffen, dafs es mit y in dieselbe Beziehung treten kann wie a mit b, so liegt darin","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246'\nKarl Deffner,\nzweifellos eingeschlossen \u00a9ine Uebereinstimmnng zwischen xunda. In welch\u00a9 Beziehung zwei Elemente zu einander treten k\u00f6nnen, hingt ja ab von der Beschaffenheit der Elemente seihst Jedes psychische Element \u00fcberhaupt ist aber hinsichtlich seiner psychischen Wirkung ingleich Repr\u00e4sentant aller \u00e4hnlichen Elemente, soweit die Aehnliehkeit besteht Dies helfet in unserem Falle genauer : Was irgend einem psychischen Element psychisch geschieht, jede ihm zu Theil werdende Modification oder 'Bestimmtheit kommt zugleich jedem \u00e4hnlichen psychischen Elemente za Gute oder besteht f\u00fcr dasselbe zu Recht nach Maafegab\u00a9 der Aehnliehkeit Dies gilt auch fur a und x. Das helfet: Indem das a in der hier bezeichneten Weise zum Element einer Einheit geworden ist, ist auch das x nach Maafegabe seiner Aehnliehkeit mit a zum Element einer gleichartigen psychischen Einheit geworden, d. h. liegt es verm\u00f6ge der Kn\u00fcpfung' der Beziehung a\u2014b in der Natur des a, in einer bestimmten Weise zu einem, anderen (ib) fortzugehen, so besteht zugleich f\u00fcr das x die Tendenz, sofern es mit a \u00fcbereinstimmt, in gleicher Weise zu einem anderen (f) fortzugehen. Von \u00ab geht die Bewegung zu y, weil y das naturgom\u00e4fee Ziel der psychischen Bewegung ist, wenn diese Bewegung- nicht von a sondera von x ausgeht, zugleich aber derselben Art ist, wie die Bewegung von \u00ab nach k Wenn ich also das Quintenintervall C\u2014G vollzogen habe, so ist jeder beliebige Ton in gewisser Weise Anfangselement eben dieser Beziehung C\u2014G. G schliefet in der Folge di\u00a9 Tendenz des Fortgangs zu G In sich. Diese Tendenz geh\u00f6rt, nachdem die Beziehung C\u2014G gekn\u00fcpft ist, mit zum. Wesen des 0. Ist nun, jeder andere T\u00f6n in gewisser Weise dieses C, so geh\u00f6rt zu jedem anderen Ton die Tendenz dieses Fortgangs von ihm zu seiner Quint Heilst der Ton D, so besteht die Tendenz zu A fortzugehen, obwohl nur der Fortgang von C zu G actuel! war.\nDas Gleiche gilt nun auch von der Tr&nsferimng oder Transponirung einer ganzen Melodie, Hier liegt- eine complicirte psychische Bewegung von eigenartigem Charakter vor. Nachdem dieselbe einmal gegeben war, besteht eine Disposition zu ihrem Vollzug als ganzer, und als dieser eigenartigen Bewegung. Beginnt dieselbe also von irgend welchem Ausgangspunkte aus sich zu vollziehen, so besteht die Tendenz, als diese qualitativ bestimmte Bewegung sich weiter zu vollziehen. Die Bewegung sucht sich selbst die ihr' entsprechenden T\u00f6ne.","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Die \u00c2ehn Uckkd ismmcia tion.\n247\nDie einmal vollzogene musikalische Bewegung oder die einmal hergestelte abstract\u00a9 musikalische Beziehung oder Verwebung von solchen Beziehungen kann in ihrer concreten Verwirklichung nicht blos in Bezug auf die Tonlag\u00a9 als eine immer andere und andere sich zeigen, sondern es kann auch in Bezug auf Tonst\u00e4rke, Tempo und Klangfarbe ein Wechsel \u00e9intreten, der wieder mannigfache Combinationen erfahren kann. Es erinnert mich z. B. ein Marsch, den ich eben piano im Trauermarschtempo auf dem Claviere spielen h\u00f6re, an denselben Marsch, den ich ehedem im Feldschritttempo von der Milit\u00e4rmusik habe vortragen h\u00f6ren.\nDie Thatsache der Uebertragbarkeit von musikalischen Beziehungen l\u00e4fst sich verallgemeinern. Dieselben sind ja nur ein Beispiel der unz\u00e4hligen Arten von Beziehungen, di\u00a9 es giebi Ich kn\u00fcpfe gleich an die musikalischen Beziehungen selbst an, indem, ich noch einen kurzen Ausblick auf andere Gebiete er\u00f6ffne. Das An- und Absehweilen der St\u00e4rke eines Tones invol\u00ab virt wieder eine eigenartige Beziehung und erinnert durch diese etwa an das Auf- und Abwogen der Meereswelle. Ebenso k\u00f6nnen mich die Meereswellen an ein H\u00fcgelland erinnern, Wir legen dabei die Bewegung, die wir bei der 'Welle sehen, ohne Weiteres in die H\u00fcgellandschaft hinein und denken sie uns gleichsam mitten im Finis pl\u00f6tzlich erstarrt Die Beziehung des wechselnden Auf und Meder ist hierbei das abstracte Moment, das tertium eomparationis, wodurch die eine in dieser Beziehung stehende Erscheinung an die andere gleichartige Erscheinung erinnert. Wenn man ferner die chemische Verwandtschaft zweier Stoff\u00a9 ftls Liebe, ihre Abstofsung als Hals bezeichnet, wenn man in derzeit der Scholastik die Philosophie die Magd der Theologie genannt hat, wenn Gregor VII. das Verh\u00e4ltnis zwischen Papst-thum und K\u00f6nigthum mit demjenigen von Sonne und Mond verglichen hat, wenn man die Wissenschaft als ein Geb\u00e4ude betrachtet, wenn der Dichter in Gleichnissen und Bildern redet und die Wissenschaft Analoga ben\u00fctzt, um sich allgemein verst\u00e4ndlich zu machen, wenn uns die Aussprache des Englischen den Eindruck des Nivellirenden, Abgebogenen, Bequemen taacht u. s. mr,, so ist dies \u00fcberall nur m\u00f6glich auf Grund -der Aehn\u00fcchkeitsassociation zwischen Beziehungen. Jede abstracte, aber dabei psychisch selbst\u00e4ndige Beziehung, die auf Grund der Erfahrung gewonnen wurde, reproducirt nicht nur \u00e4hnlich\u00a9","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"218\nKarl ,B\u00ebffrnr,\nerfahrungsgem\u00e4Tse Beziehungen, sondern bildet zugleich die Basis f\u00fcr Neubildungen von concreten Beziehungen zwischen geeigneten Erfahrungsdaten, d. L zwischen solchen, 'die f\u00e4hig sind, in eine Beziehung von der bestimmten Art zu treten.\nWir befinden uns damit schon auf dem Gebiet\u00a9 der logischen Beziehung oder des UrkheEs* Auch hier ist die Wirkung der Aehnliehkeitsassoeiation eine Wirkung zwischen \u00e4hnlichen Be* Ziehungen. Es w\u00e4re \u00fcbel bestellt, wenn wir in unserm Denken nicht durch diese Aehn\u00fcchkeit der Beziehungen geleitet w\u00fcrden. Gedankenarmuth w\u00e4re die Folge. Der Geistesreichthum., den \u00a9in Redner entfaltet oder der den wissenschaftlichen Denker von einer Thatsache zu analogen den Weg finden Mst, so dafs er schliefslich zu einem Gesetze gelangt, basirt vor Allein auf der Aehn\u00fcchkeit von Beziehungen. Das erschlossene Gesetz ist ja eben die abstract\u00a9 allgemeine Beziehung von Grund und, Folge, welche uns unbewufst von Thatsache zu Thatsache leitet und so sich uns sch\u00fcefslich bewufst als Gesetz aufdr\u00e4ngt und uns 'bei. der Aufsuchung weiterer F\u00e4lle, auf die es \u00fcbertragbar ist, leitet1 Ja selbst in dieser psychologischen Erkl\u00e4rung von einem Gesetz und dessen Anwendung auf Thatsachen, die eben durch dieses Gesetz einander \u00e4hnlich sind und an einander erinnern, unterlegen wir bereits einer abstracten Beziehung, der zwischen Gattung und Art, der begrifflichen Beziehung, deren abstracto\u00bb' Dasein selbst wieder auf die Wirkung der Aehnliehkeitsassoeiation zur\u00fcekzuf\u00fchren ist.\nDie M\u00f6glichkeit der Aehnlichkeitsbeziehungen erweitert sieb schliefslich ins Unbegrenzte, wenn wir zur Erinnerung die \u201ePhantasie41 f\u00fcgen, wo Ordnung und Ma&fs der Vorstellungsinhalte aufgehoben scheinen. Ein solcher Fall liegt z. B, vor in dem von Hume angef\u00fchrten Phantasiebegriff \u201egoldene Berge\u201c. Bier sind Gold und Berge r\u00e4umlich vereinheitlicht, obwohl diese Vereinheitlichung \u00a9rfahrungsgemifs nie gegeben war. Ich habe diese Beziehung niemals erlebt, nur die Elemente, die hier Ln Beziehung gesetzt sind, bilden den Inhalt von Erlebnissen, Empfindungen. Aber ich habe zugleich erlebt die Beziehung zwischen Felsenmassen und Bergformen und diese \u00fcbertrage ich nun auf andere Elemente, also Mer auf Geldmassen und Bergformen. Jede r\u00e4umliche Beziehung, die wir irgend einmal\n1 Lipps, Raum&atheUk und geometriach-optische T\u00e4uschungen S. 36f.","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Die \u00c0ehnlichkeitsaRsociation.\n249\nzwischen bestimmten Elementen erlebt haben, ist zugleich der Disposition nach eben diese r\u00e4umliche Beziehung zwischen beliebigen anderen Elementen, sofern es in der Natur dieser Elemente liegt, dieser r\u00e4umlichen Beziehung zug\u00e4nglich zu sein.\nEu dem Begriff \u201egoldene Berge\u201c gelangen wir auch auf dem Wege der Vergr\u00f6fserang. Wir haben schon Meiner\u00a9 und gr\u00f6fser\u00a9 Goldmassen gesehen. Die Beziehung des Kleineren zum Gr\u00f6fseren oder die Weise des Fortganges von jenem zu diesem \u00fcbertragen wir auf die gr\u00fcfsere Masse und es liegt nur an uns, die Vergr\u00f6fserang so lange fortzusetzen, bis wir bei einem, goldenen Berg angelangt sind. Auf diesem Wege gelangen wir sch\u00fcefslich zum Begriff des unendlich Grofsen, des Unendlichen \u00fcberhaupt\nSo begr\u00fcndet denn jedes in abstracto unterscheidbar\u00a9 Moment irgend eines psychischen Vorgangs eine Aehnlichkeitsassociation. Dm weite Gebiet der Wirkung desselben haben wir freilich nicht einmal ann\u00e4hernd ersch\u00f6pft. Es mag jedoch gen\u00fcgen, auf die Wirkung dieser unendlichen Mannigfaltigkeit von Aehnlioh-keiten, die nicht im Bewufstsein fundirt sind, in der Hauptsache hingewiesen zu haben insbesondere gegen\u00fcber der Meinung, dafs Aehn\u00fcchkeiten immer im Bewufstsein fundirt sein m\u00fcssen, von welcher Voraussetzung z. B. auch Bhbbnfels bei seiner \u201eGestalt-qualit\u00e4t\u201c ausgeht\nSoweit bisher von der Wirkung der Aehnlichkeitsassocia-tion die Rede war, hatten wir nur ihre reproductive Leistung im Auge. F\u00fcr die sonstigen Leistungen derselben \u2014 die wir kurz als apperceptive bezeichnen k\u00f6nnten \u2014 insbesondere f\u00fcr die Weise, wie die Aehn\u00fcchkeit unsere \u201eAufmerksamkeit\u201c von Empfindungen zu Empfindungen oder von Wahrnehmungen zu Wahrnehmungen leitet, oder bei solchen festh\u00e4lt, dadurch Ganze aus \u00e4hnlichen Elementen heraushebt, uns in der Weit orientirt u. s. w. verweise ich auf Lifps, Grundthatsaehen etc. VI, X und XV.\n(Eingegangen am 5. Juni 1898,)","page":249}],"identifier":"lit36170","issued":"1898","language":"de","pages":"218-249","startpages":"218","title":"Die Aehnlichkeitsassociation","type":"Journal Article","volume":"18"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:42:06.663921+00:00"}