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{"created":"2022-01-31T16:49:37.233232+00:00","id":"lit36175","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Meyer, Max","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 18: 274-293","fulltext":[{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag zu meiner Abhandlung \u201eUeber Tonverschmelzung und die Theorie der\nConsonanz\u201c.\nVon\nMax Mbybb.\nIn meiner Abhandlung \u00fcber Tonverschmelzung (diese Zeitechr. XVII\u00bb S. 401\u2014421) babe ich mich bem\u00fcht, meinen Standpunkt m\u00f6glichst kurz zum Ausdruck zu bringen. Die Zweifel jedoch an der Richtigkeit meiner Ausf\u00fchrungen, die Herr Prof, Stumpf (diese Ze\u00fcsckr. XVII, S, 422\u2014435) ge\u00e4ufsert hat\u00bb haben mich \u00fcberzeugt\u00bb dafs ich in einigen Punkten zu kurz gewesen bin. Ick will das Vers\u00e4umte daher Mer nachholen,\n1. F\u00fcr die von Stumpf und Faist festgestellten Urtheile der Unmusikalischen \u00fcber Einheit und Mehrheit von T\u00f6nen sind hw jetzt zwei Erkl\u00e4rungen versucht worden\u00bb die eine von Stumpf\u00bb dafs die Klaeganalyse durch die Consonanz bald mehr\u00bb bald weniger erschwert sei\u00bb die andere von mir, dafs die I nmusikalischen gr\u00f6fsere Neigung zur Abgabe des Urtheils \u201e1 Ton\u201c h\u00e4tten\u00bb wenn der Klang den Eindruck der Consonanz gew\u00e4hrt\u00bb des Urtheils \u201emehrere T\u00f6ne\u201c, wenn dieser Eindruck fehlt. F\u00fcr Me Be* urtheilung der Untersuchungsmethoden ist es nicht gleichg\u00fcltig\u00bb sondern vielmehr von grunds\u00e4tzlicher Bedeutung\u00bb von welchem der beiden Standpunkte aus man. die Sache betrachtet Ist mm n\u00e4mlich mit Stumpf der Ansicht\u00bb dafs durch h\u00f6here Grade der Consonanz die lOanganalyse erschwert wird, so hat es nicht riel zu sagen, wenn man zu Versuchen mit Unmusikalischeil mm Zweck der Bestimmung der verscMedenen Consonanzgrade nicht einfache\u00bb sondern Obert\u00f6ne enthaltende T\u00f6ne anwendet. Es wird dann ja \u00fcberhaupt nur das Heraush\u00f6ren der beiden st&rkstA T\u00f6ne\u00bb der Grundt\u00f6ne, verlangt. Di\u00a9 Obert\u00f6ne k\u00f6nnen aber auf die Leichtigkeit oder Schwierigkeit des Heraush\u00f6rens der","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag tu meiner Abhandlung \u201eUi\u00e8gy Tonverschmelzung ek.H 275\nGrundt\u00f6ne kaum, einen Einfiuia aus\u00fcben. Vielleicht w\u00e4re es sogar in der That vortheilhaft , unter solchen I mst\u00e4nden nicht die ungewohnten einfachen T\u00f6ne, sondern T\u00f6ne von musikali-scher Klangfarbe anzuwenden. Ich wird\u00a9 aus diesen Gr\u00fcnden an der Anwendung der milderen Orgelregister bei Stumpf\u2019s Versuchen keinen Anstoss genommen haben, wenn ich die Urfhe\u00fc\u00a9 der Unmusikalischen durch die mehr oder weniger grofse Schwierigkeit der Analyse erkl\u00e4rt glaubte.\t*\nGanz anders mufs man \u00fcber die Verwendbarkeit verschiedener Klangfarben urtheilen, sobald man sich auf den Standpunkt stellt, den ich selber \u00a9.innehme. Wenn der st\u00e4rkere oder geringer\u00a9 Eindruck der 'Consonanz oder Dissonanz f\u00fcr 'die Ur-theile der Unmusikalischen von ausschlaggebender Bedeutung ist, so darf man nat\u00fcrlich kein\u00a9 Beit\u00f6n\u00a9 h\u00f6ren lassen, da\u2019 der Eindruck der Consonanz von diesen unzweifelhaft mitbedingt wird. Machen doch selbst Einzelkl\u00e4nge gewisser musikalischer Instrumente einen unharmonischen, hohlen, n\u00e4selnden Eindruck in Folge der St\u00e4rke unharmonischer Obert\u00f6ne.\nDafs die Obert\u00f6ne f\u00fcr die Urtheile der Unmusikalischen durchaus nicht irrelevant sind, hat nun schon Faist mit Recht an der Hand seiner Tabellen gezeigt Faist erhielt bei scharfer \u25a0uni milder Klangfarbe folgende Zahlen von Binheitsurtheilen (f\u00fcr die aufser der Octave und Quinte innerhalb dos Bereichs einer Octave Hegenden Intervall\u00a9 gebe ich den Durchschnittswerth) :\n\tOctave t i\tQuinte\t\u00dcbrig\u00a9 Intervalle\nmilde Klangfarbe\t25\t21\t13 V.\nscharfe Klangfarbe\t40\t2\u00a9\t10 */4\nAuff\u00e4llig ist, dafs die Zahlenenterschiede bei der scharfen Klangfarbe (namentlich zwischen Octave und Quinte) so sehr viel gr\u00f6sser sind als bei der milden. Ich habe in meiner Abhandlung (8. 418, Anna,) gezeigt, dafs dies von meinem Standpunkt\u00a9 aus ganz, erkl\u00e4rlich ist Wie dies von dem anderen Standpunkte aus erkl\u00e4rt, werden mufs, ist mir weniger klar.\nDer Unterschied der Zahlen ist bei scharfen Klangfarben woM. gr\u00f6fser ; aber was hilft dieser Vortheil, wenn man aus den Zahlen keine Schl\u00fcsse auf den Consonanzgrad der beiden Grundt\u00f6ne allein ziehen darf?\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\t\u25a0 Max Meyer.\n\u25a0 Man kann nun wohl schliefsen, dafs bei der Verwendung ganz einfacher T\u00f6ne der Unterschied zwischen Octave und Quinte' wahrscheinlich noch geringer werden d\u00fcrfte, so dafs ein solcher Unterschied erst bei einer \u00fcberaus grofsen Gesammtzahl von Versuchen mit Deutlichkeit auftreten wurde. Die Richtigkeit dieses Schlusses scheint mir best\u00e4tigt zu werden durch meine eigenen Versuche mit dem unmusikalischen Dr. It, bei \u00ab denen sich ein Unterschied zwischen Octave und Quinte \u00fcberhaupt .nicht zeigte, der wahrscheinlich erat bei betr\u00e4chtlicher Vermehrung der Gesammtzahl der F\u00e4lle aufgetreten w\u00e4re. Zur weiteren Fortsetzung dieser wegen der schwierigen Technik \u00e4ufserst m\u00fchsamen Versuche hatte ich jedoch keine Veranlassung, da sie kaum zu einem Resultat f\u00fchren konnten, das nicht bereits ans St\u00fcmff\u2019s und Faist\u2019s Versuchen zu erschliefsen wire.\nIch hatte bei diesen Versuchen die T\u00f6ne an beide \u00d6hren vertheilt, um Differenzt\u00f6ne zu vermeiden. Das einzige methodische Bedenken, das hiergegen geltend gemacht werden k\u00f6nnte, wire, dafs die Analyse hierdurch erleichtert wird, so dafs unter Umst\u00e4nden in jedem Kinzelfalle Analyse stattfinden k\u00f6nnte und dann nat\u00fcrlich nur Urtheile auf \u201e2 T\u00f6n\u00a944 abgegeben w\u00fcrden. Indessen wird dies Bedenken Niemandem kommen, daraus meiner Abhandlung ersehen hat, dafs mir die Verk\u00fcrzung der Klangdauer bis zu jeder beliebig kleinen Zeit frei stand und dadurch jede gew\u00fcnschte Erschwerung der Analyse m\u00f6glich war.\nSelbstverst\u00e4ndlich ist, dafs mein Beobachter, Dr. R., aid beiden Ohren gleich gut h\u00f6rt Ebenso selbstverst\u00e4ndlich ist (was ich gar nicht erst erw\u00e4hnen zu m\u00fcssen glaubte), dafs ich dem Beobachter vor den Versuchen die angewandten T\u00f6ne zu h\u00f6ren, gab und ihn selber dar\u00fcber urtheilen Hefs, ob er sie gleich stark h\u00f6rte. Wie die T\u00f6ne auf beide Ohren vertheilt waren, habe ich auf S. 411 ganz genau angegeben.\nAuf S. 412 meiner Abhandlung findet sich der mifsverst\u00e4nd-liche Ausdruck \u201eindirecte Beobachtung\u201c, mifsverst\u00e4ndlich wegen des Wortes \u201eindirect\u201c. Ich will daf\u00fcr sagen: \u201evom Versuchs-letter nicht verlangte und noch dazu durch eine unzutreffende\nsprachliche Bezeichnung (\u201eTon11 bezw. \u201eT\u00f6ne\u201c) zum Ausdruck gebrachte Beobachtung14. Freilich sind wir uns dar\u00fcber einig, dafs die Unmusikalischen nicht die. Consonanz der Kl\u00e4nge beob*","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag zu meiner Abhandlung \u201e lieber Tonvenchmeleung ete,a 277\nachten sollten, Th&ts\u00e4chlich haben sie es aber unzweifelhaft geth&n.\nZum Schl\u00fcsse dieses Abschnitts mufs ich noch eine Bemerkung dar\u00fcber Mnzuftgen, dafs die Consonanzunterschiede, di\u00a9 \u00fcbrigens nach meiner Anschauung auf den von mir so genannten Verschmelzungsunterschieden nicht beruhen1, sondern mit ihnen identisch sind, seit undenklicher Zeit an Kl\u00e4ngen statt an T\u00f6nen beobachtet worden sind. Aber man weif\u00bb, dafs auf diese Weise in der Praxis nur die allergr\u00f6bsten Ctonsonani-unterschiede festgestellt worden sind, die auch bei Mitwirkung der Obert\u00f6ne nicht in ihr Gegentheil verkehrt werden. F\u00fcr die Bewerthung der zur Feststellung feinerer Consonanzunterschiede von Zweikl\u00e4ngen angewandten Methoden ist jene Thatsache ohne jede Bedeutung.\n2. Um das Mifsverstlndnifs auszusehliefsen, als seien meine Ausf\u00fchrungen \u00fcber die Urtheile der Unmusikalischen ein, Ge-hoimnifs, das mir von dem unmusikalischen Beobachter Br. B. verrathen worden sei, bemerke ich, dafs ich eine grofse Zahl von Unmusikalischen in Bezug auf die vorliegenden Fragen gepr\u00fcft und ausgefragt habe. Hierbei zeigte sich jedoch, dafs auf die Aussagen der Unmusikalischen in dieser Hinsicht recht wenig Gewicht gelegt werden kann. Wenn man mit ihnen \u00fcber die vorliegenden Probleme spricht, so ist es nicht ganz, aber fast so, als spr\u00e4che man mit einem Blinden von der Farbe. Ich habe mich daher bei der Zergliederung der Uriheilsbedingungen viel mehr als auf die Aussagen Jener auf meine eigenen Er-fahrungon beim Analysiren von Kl\u00e4ngen gest\u00fctzt\n1 In der Musik pflegt man mehr Gewicht auf den Unterschied zwischen, Conaoman\u00ae und Dissonanz zu legen, als auf die Abstufung der Consonanz-unterschiede von sehr hohen bis zu sehr niedrigen Graden. Da nun \u201eConsonant\u201c und \u201eDissonanz\u201c wegen ihrer gegens\u00e4tzlichen Bedeutung zum Ausdruck einer graduell abgestuften Eigenth\u00fcmlichkeit wenig geeignet sind, so habe ich mich des mir gel\u00e4ufig gewordenen Ausdruckes \u201eVerschmelzung\u201c bedient. Da ich jedoch unter Verschmelzung nichts Anderes verstehe als unter Consonant und der Ausdruck Verschmelzung fast von jedem Autor in anderem Sinne gebraucht wird, so werde ich mich jetzt hier nur der Bezeichnungsweise \u201emehr oder weniger consonant\u201c bedienen.\nUebrfgens schreibt auch Stumpf (Tonpsychologie II, S, 333 Anm.) : \u201eIch identificire (I) hier wie auch an anderen Stellen dieses Bandes Gonsonanz bereits mit h\u00f6heren Vewchmelzungsstufen und rechne die Dissonanzen zur niedrigsten,.\u201c","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nMax Meyer.\nF\u00fcr diese unsere Hauptfrage, ob n\u00e4mlich die Urtheile der unmusikalischen Beobachter bei Stumpf und Faut so oder so m Stande gekommen sind, ist nun freilich meine angebliche \u201eDefinition\u201c des Begriffe \u201eUnmusikalisch\u201c auf S, 412, und deren zu eng\u00a9 oder zu weite Formulirung ohne jede Bedeutung, Denn jene Frage betrifft etwas rein Thats&chliches und l\u00e4ngst vergangen\u00a9 Ereignisse, die durch \u00a9ine nachtr\u00e4gliche \u201eDefinition\u201c nicht um* gestaltet werden. So gleichg\u00fcltig also f\u00fcr die Hauptfrage jene \u201eDefinition11 auch sein, mag, so steht sie doch andererseits mit den Thatsachen in vollstem Einkl\u00e4nge, und es l\u00e4fst sich an ihr, wie ich im Einzelnen zeigen werde, kein Widerspruch nachweisem\n\u201eUnter Unmusikalischen verstehe ich solche Personen, die bei beschr\u00e4nkter Klangdauer nur ausnahmsweise im Stande sind zu analysiren, cL h. jeden einzelnen thats\u00e4chlich h\u00f6rbaren einfachen Ton als wirklich geh\u00f6rt zu beurtheilen.\u201c Diese Bemerkung1 auf S. 412 habe ich nur deshalb gemacht, damit man bei den Versuchspersonen von Stumpf, Faist und mir, von denen ich dann weiterhin spreche, den Mangel musikalischer Bef\u00e4higung nicht etwa darin erblicke, dafs sie nur kein absolutes Geh\u00f6r be-s\u00e4fsen oder noch keine Fuge componirt h\u00e4tten, Dafs ich mit diesem Hinweise keine falsch\u00a9 Richtung \u00a9inschlag\u00a9, ersieht man aus Stumpfs Angabe (Tonpsychologie II, S. 158), dais er einem. Individuum, obwohl dieses sich selbst als unmusikalisch bezeichnte, doch eine gewisse musikalische Bildung zuerkannt uni es deshalb von der Theilnahme an den Versuchen ausgeschlossen habe, weil es eine zu grofse Uebung im Analysiren besafs.\nH\u00e4tten nun die von Stumpf benutzten Versuchspersonen immerhin noch eine so betr\u00e4chtliche Uebung im Analysiren besessen und zur Anwendung gebracht, wie Stumpf sie ihnen zuschreibt, so h\u00e4tten die Urtheile \u201emehr als 1 Ton\u201c sich entweder gleichm\u00e4\u00dfig auf consonant\u00a9 und dissonante Kl\u00e4nge vertheilen, oder sie h\u00e4tten sich,, vorzugsweise bei den consonant\u00a9n Klingen zeigen m\u00fcssen, da die Consonanz, wenn sie \u00fcberhaupt \u00a9inen Einflufs auf das Analysiren hat, beg\u00fcnstigend darauf einwirken d\u00fcrfte. Da die Urtheile anders ausgefallen sind, so mu\u00fcis man annehmen, dafs die von Stumpf benutzten Versuchspersonen die ihnen vorgelegten .Kl\u00e4nge von beschr\u00e4nkter Dauer nur ausnahmsweise analysirt haben, und dafs die Vertheilung der \u201erichtigen\u201c und \u201efalschen\u201c File nicht durch verschiedene Leichtigkeit des Ana-lysirens, sondern auf andere Weise m erkl\u00e4ren ist Dies\u00a9 sein\u00a9","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag zu meiner AbhanMwng \u201eUeber Tonverschmelzung eie.\u201c 279\nVersuchspersonen nun bezeichnet Stumpf als \u201eUnmusikalische41, Und um dies mm Ausdruck zu bringen, dafs meine Er\u00f6rterungen \u00fcber Unmusikalisch\u00a9 sich eben auf derartige Personen beziehen, wie sie Stumpf als brauchbar zu seinen Versuchen a\u00fcserw\u00e4hlt hat, habe ich S, 412 gesagt, was in diesem Falle unter Unmusi-kalischen zu verstehen sei. Eine allgemeing\u00fcltige Definition des Begriffs \u201eUnmusikalisch44 zu geben, lag mir g\u00e4nzlich fern, - as sollte ich dazu auch f\u00fcr eine Veranlassung gehabt haben?\nFreilich enth\u00e4lt jener Satz den unbestimmten Ausdruck \u201ebeschr\u00e4nkte Klangdauer44. Nun werden jedoch auch b\u00fcrgerlich\u00a9 Gesetze manchmal zu kurz und in Folge dessen zu: allgemein gef&fst Sache des Richters ist es dann, das Gesetz im Sinne des Gesetzgebers auszulegen. Sache des Lesers w\u00e4re es also Mer, meinen Satz in meinem Sinne auszulegen, bezw. zu erg\u00e4nzen, also so, dafs er mit meinen sonstigen Ausf\u00fchrungen widerspruchslos zusammen bestehen kann; denn dafs Jemand sich selbst widerspricht \\ pflegt man sobald Niemandem zuzu-teauen: M\u00f6glich ist es ja immer, eine etwas unbestimmte Formulirung durch nicht ganz Sinngem&fses zu erg\u00e4nzen und dann Widerspr\u00fcche aufzuzeigen, Ich will deshalb, nachdem ich auf' di\u00a9 Gefahr aufmerksam geworden bin, der ich mich durch die an jener Stelle nicht n\u00e4her begr\u00fcndete Unbestimmtheit des Ausdrucks \u201ebeschr\u00e4nkte Klangdauer44 ausgesetzt habe, nun selbst Mer einige Erl\u00e4uterungen dazu geben.\nEine falsche Erg\u00e4nzung meines Satzes w\u00e4re es z. B., wenn man an die Stelle des Ausdrucks \u201ebeschr\u00e4nkte Klangdauer44 setzen wollte: \u201eauf einige Seeunden beschr\u00e4nkte Klangdauer44. Wenn, aus dem- so entstehenden Satze Unsinn folgt4, so f\u00e4llt dieser nicht mir zur Last\n1 Indem er z. B. musikalische und unmusikalische Menschen unterscheidet und gleichzeitig unter den Unmusikalischen \u201edie ganze Menschheit\u201c versteht.\n\u2022 Man kann dann. z. B. folgenden Schlafs daraus ziehen: \u201eEin Musiker, der nicht jeden ein.ieln.en Ton eines zw\u00f6lfstimmigen Zusannncnkl anges und jeden Oberton und Differenzton, mag er noch, so schwach sein, in einigen Seen n d e n heran bzu h\u00f6ren vermag, ist ein unmusikalischer Musiker !\u201c\nUebrigens weift ich nicht, mit welchem Rechte Stumpf behauptet (S. 427), daft man. bei einem gew\u00f6hnlichen Molldreiklange \u201ein mittlerer Region, des Claviers gegen 25 T\u00f6ne h\u00f6re. Ist das durch A n a 1 y s e dieses Klanges festgeitel.lt worden, oder ist es eine b ho fae* * Behauptung?","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nMax Meyer.\nZur Analyse eines Zweiklanges wird ein Musikalischer eine gewisse Zeit brauchen, zur Analyse eines Dreiklanges im Allgemeinen eine l\u00e4ngere Zeit, zur Analyse eines zw\u00f6lfstimmigei Accordes sammt Differenz- und Obert\u00f6nen sicher eine sehr lange Zeit, vielleicht eine halbe Stunde. Unter beschr\u00e4nkter Klangdauer kann also keine absolute, sondern nur \u00a9in\u00a9 relative Zeit verstanden werden. Eine absolut\u00a9 Zeit in den fraglichen Satz aufzunehmen, ist wider den Sinn, und Messungen der zur Analyse eines bestimmten Klanges erforderlichen Zeit liegen aufser den wenigen von mir gemachten \u00fcberhaupt noch nicht vor.\nill man jenem Satz eine kurze Erg\u00e4nzung \u00a9inf\u00fcgen, so kann man h\u00f6chstens einsetzen: \u201ebei beschr\u00e4nkter, aber f\u00fcr jeden Musikalischen unter gleichen Bedingungen vollkommen ausreichender .Klangdauer41.\nNun wird man freilich sagen: \u201eDas ist ja gar keine Definition,\u201c Indessen \u2014 es sollte ja auch gar keine Definition sein, sondern nur der Ausdruck dessen, dafs man bei den in Frage kommenden Versuchen sich die Personen nach Maafsgabe ihrer Uebung imAnalysiren so ausw\u00e4hlt, wie die Methode der Versuche es erfordert. Ob man diesen Versuchspersonen dann den Namen Musikalische oder Unmusikalische (wie Stump? es gethan hat) oder sonst \u00a9'inen Namen giebt, ist f\u00fcr das Experi\u00ab ment und sein Ergebnis gleichg\u00fcltig.\nAllerdings kann ich nicht leugnen, dafs die etwas ungeschickte und zu kurze Ausdrucksweise einem solchen Leser zu Mifsverst\u00e4ndnifs Anlafs geben konnte, der von dem Vorurtheil beherrscht wird, dafs die Consonanz das Analysiren erschwere und der in Folge dessen bei den in den Urthefisreihen der Unmusikalischen enthaltenen Mehrheitsurtheilen eine, wenn auch nur unvollst\u00e4ndige, Analyse des Klanges voraussetzt.\nHier mufs ich auf meine Definition der Analyse ein-gehen. Analysiren nenne ich: jeden einzelnen thats\u00e4ch-iieh h\u00f6rbaren einfachen Ton als wirklich geh\u00f6rt beurtheilen.\nDas Wort \u201eAnalyse\u201c ist am gebr\u00e4uchlichsten in der Chemie, Hat Jemand in einem Stoffe nur einige der ihn zusammensetzen-\nMeine Analyse eines MolldreiUanges von Stimmgabelt\u00f6nen in nat\u00fcrlich. \u00a9 r Stimmung kommt hier gar nicht in Betracht, und vis an Par* tialflinuBschwingungen physikalisch \u00a9xistirt, geht uns hierbei nichts an.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag m meiner Abhandlung \u201elieber Tonverschmelzung etc\u201c 281\nden. ; lemente nachge wiesen, so wird das kein Chemiker eine Analyse des Stoffes schlechthin nennen, sondern h\u00f6chstens eine unvollst\u00e4ndige Analyse. Ich glaube daher dem. gew\u00f6hnlichen Sprachgebrauch\u00a9 zu folgen, wenn ich unter Analyse das Heraus-h\u00f6ren s\u00e4mmtlicher \u00fcberhaupt h\u00f6rbaren T\u00f6ne verstehe, 1st nur ein Tfaeil der f\u00fcr den Beobachter \u00fcberhaupt h\u00f6rbaren T\u00f6ne als wirklich geh\u00f6rt beurthoilt worden, so w\u00fcrde ich das nur\u2019 eine unvollst\u00e4ndige Analyse nennen, Bei der Fragestellung \u201e1 Ton oder mehr als einer?\u201c gen\u00fcgt nat\u00fcrlich eine unvollst\u00e4ndige Analyse, das Heraush\u00f6ren von nur zwei einfachen T\u00f6nen,1\nD\u00fcrfte meine Definition der Klanganalyse mit dem gew\u00f6hnlichen Sprachgebrauch \u00fcbereinstimmen, so doch nicht mit Stumpf (Tonpsychologie II, 8, 7), der das, was ich Analyse schlechtweg (d. h. vollst\u00e4ndige Analyse) nenne, \u201eeine vollst\u00e4ndige und vollkommen deutliche Analyse\u201c nennt, w\u00e4hrend er das, was ich \u201eunvollst\u00e4ndige Analyse\u201c nenne, schlechtweg \u201eAnalyse\u201c nennt Auf diesen Unterschied, der aus meiner Definition klar hervorgeht, weise Ich ausdr\u00fccklich hin, um etwaige Wortstreitigkeiten zu vermeiden.\nMan kann drei Methoden der Analyse eines Klanges unterscheiden :\na)\tEs gelingt, s\u00e4mmtiiche \u00fcberhaupt h\u00f6rbaren T\u00f6ne gleichzeitig und doch von einander unterschieden zu h\u00f6ren. Leider ist eine derartige Analyse bei sehr zusammengesetzten .Klingen nicht ausf\u00fchrbar. Mir selbst ist es bisher nur \u00e4ufserst selten gelungen, mehr1 als drei T\u00f6ne gleichzeitig und doch von einander unterschieden zu h\u00f6ren.\nb)\tMan h\u00f6rt die einzelnen \u00fcberhaupt h\u00f6rbaren T\u00f6ne successor heraus. Ist man dabei zur Annahme berechtigt, dafs w\u00e4hrend dieser ganzen Zeit die Vorg\u00e4nge sowohl aufserhalb als auch im Sinnesorgan unver\u00e4ndert waren, so kann, man auch unter diesen Umst\u00e4nden von einer Analyse des Klanges sprechen, obwohl der psychologische Vorgang ein ganz anderer als im ersten Falle ist\nc)\tMan verbindet die beiden ersten Methoden mit einander, indem, man zun\u00e4chst die einzelnen T\u00f6ne successiv heraush\u00f6rt\n1 Dafs 8. 4.18 meiner Abhandlung, unten, \u00a9in\u00a9 \u201eunvollst\u00e4ndig\u00a9 Analyse\" gemeint Ist, geht aus dem Sinn der Stelle ohne jeden Zweifel hervor. Auf \u201eein\u00a9 vollst\u00e4ndige und vollkommen deutliche Analyse\" kam es ja bei den Veramehen tberhanpt nicht an.","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nMax Meyer,\nund dann versucht, sie in den verschiedensten Gruppirungen gleichzeitig und doch von einander unterschieden zu h\u00f6ren. Die Gruppen w\u00e4hlt man so grofs als m\u00f6glich. Wer also dazu im Stande sein sollte, sucht je vier oder f\u00fcnf Einzelt\u00f6ne durch Ver-theilung der Aufmerksamkeit auf sie gleichzeitig und doch von einander unterschieden zu. h\u00f6ren. Auf diese Weise kann man, wenn andere Gr\u00fcnde fehlen, das unter b geforderte Gleichbleiben des Klanges sich zum Mindesten wahrscheinlich machen.1\nGanz ablehnend, mufs ich mich verhalten gegen die Definition der Analyse, die Stumpf Tonpsychologie II, S. 334ff. giebt, wo er unter Analyse noch etwas Anderes versteht, \u201edas Urtheil, ob ein. oder mehrere T\u00f6n\u00a9 vorliegen\u201c. Dies sei \u201edi\u00a9 Analyse im engsten Sinn\u201c. Zu dieser \u201eAnalyse im engsten Sinn\u201c ist nach Stumpf das Heraush\u00f6ren eines Tones durchaus nicht erforderlich, da dieses Heraush\u00f6ren vielmehr \u201edie Analyse im engsten Sinn\u201c voraussetze. Diese Definition scheint mir kaum haltbar zu sein: Erstens' mufs ich bestreiten, dafs das Heraush\u00f6ren, eines Tons ein Mehrheitsurtheil voraussetze; ich bin oft genug erst durch das Heraush\u00f6ren mehrerer T\u00f6ne \u00fcberhaupt zu einem Mehrheits-urtheile gelangt Zweitens k\u00f6nnen wiederum Urtheile dar\u00fcber, ob ein oder mehrere T\u00f6ne vorliegen, durchaus ohne jede Analyse (wie ich das Wort verstehe und wie man es wohl auch sonst versteht) zu. Stande kommen und. sind meiner Ueberzeugung nach bei den Urtheilen der Unmusikalischen in Stumpf*\u00bb, Fakts und meinen Versuchen \u00fcberaus h\u00e4ufig vorgekommen.\nWenn ich mich freilich dieser Definition der Analyse an-schliefsen k\u00f6nnte, so k\u00f6nnte ich sogar zugeben, dafs durch die\n1 Stumpf behauptet Tonpsychologie II, S, 11 : \u201eFactiscli wird sich derjenige, dem die Analyse eines Dreiklangs gelingt, nachdem sie unmittelbar vorher mifslang, oft deutlich erinnern, dafs das Tonmaterial, welches er vorher im Bcwufstsein hatte, keineswegs ein. qualitativ gr und wesentlich anderes war, als das jetzige.\u201c Ich verstehe nicht, was es heifsen soll, sich an das Tonmaterial eines nicht analysirten Klanges erinnern. Was ist hier als Tonmaterial, bezeichnet? Die einzelnen einfachen T\u00f6ne jedenfalls nicht, denn wenn ich mich an diese erinnerte, so w\u00fcrde ja eine Analyse vorausgegangen sein, was der Voraussetzung widerspricht. Der physikalische Vorgang kann auch nicht darunter verstanden sein; denn, von ihm brauche ich ja gar nichts zu wissen und kann doch Klinge h\u00f6ren und analysiren. Woran ich mich erinnern k\u00f6nnte, w\u00e4re eine gewisse H\u00f6henlage, oder Klangintensit\u00e4t, oder Conionani des Klanges., Was aber 1st \u201eTon-material\u201c?","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag zu meiner Abhandlung ,, lieber Tonverschmelzung eic,u 283\nConsonanz \u201edi\u00a9 Analyse im. engsten Sinn\u201c erschwert wird, das Zustandekommen eines Mehrheitsurtheils n\u00e4mlich. Dais Letzteres durch die Consonanz erschwert wird, behaupte ich ja gerade. Nur scheue ich mich, einem solchen (Jrtheile die Bezeichnung \u201eAnalyse\u201c zu geben, da ich f\u00fcrchte, es k\u00f6nnte Confusion daraus entstehen,\nStumpf sagt Tonpsychol\u00f4gie H, S, 5: \u201eWie von der physikalischen Zerlegung so haben wir die Anaiyse schon fr\u00fcher auch von dem blofsen Wissen um Empfindungstheile (umsomehr also von blofsen Hypothesen in. dieser Beziehung) unterschieden, Ich betone es aber nochmals, weil inzwischen von, hervorragender Seite (Mach.) gerade dieser entgegengesetzte Sprachgebrauch adoptirt worden ist\u201c Hiernach m\u00f6chte ich annehmen, dafs Stumpf auch dann nicht von Analyse sprechen will, wenn, ein Wissen von der Mehrheit auf Grand mittelbarer Kriterien vorliegt, sondern nur dann, wenn, ein wirkliches Heraush\u00f6ren statt gefunden hat, Aber seine Bemerkung auf S. 335, wonach das Her aus-h\u00f6ren vielmehr eine Folge der Analyse ist, macht auf mich den. Eindruck, als habe Stumpf selber diesen von ihm verworfenen Sprachgebrauch adoptirt. Da ich diesen Widersprach, nicht xu l\u00f6sen, vermag, so mufs ich zugeben, \u00fcberhaupt nicht begriffen zu haben, was Stumpf eigentlich unter Analyse versteht\nDie verschiedenen psychologischen Vorg\u00e4nge beim H\u00f6ren von Klingen, bei denen es nicht ge 1 ingt, einzelne ein-fache T\u00f6ne als existirend zu beurtheilen, also eine Analyse (auch \u00a9ine unvollst\u00e4ndige) ausgeschlossen ist, sind bisher noch gar nicht n\u00e4her untersucht worden. Verwunderlich ist dies nicht Denn um \u00fcber diese Vorg\u00e4nge etwas aussagen zu k\u00f6nnen, mufs man eine hervorragende Uebung im Beobachten haben (wie sie auf tonpsychologischem Gebiet wohl nur Wenige besitzen), ohne dafs man 'diese Uebung zur Analyse selbst anwenden d\u00fcrfte. Jedenfalls k\u00f6nnte ich. es nicht als eine L\u00f6sung dieses schwierigen Problems ansehen, wenn man etwa alle diese Vorg\u00e4nge in einen Topf werfen wollte mit den Vorg\u00e4ngen bei der Analyse und decretiren wollte, es handle sich in allen diesen F\u00e4llen nur um mehr oder weniger vollkommene und deutliche Analyse, Dies wird\u00a9 mich an gewisse Philosophen erinnern, die alle Verschiedenheit in der Welt durch die gr\u00f6fsere Deutlichkeit oder Verworrenheit unserer Vorstellungen erkl\u00e4ren wollten.\nMan mufs nicht etwa denken: weil die fraglichen Vorg\u00e4nge","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nMax Meyer.\nam h\u00e4ufigsten bei solchen Personen auffcreten, die keine oder geringe Uebung im An&lysiren besitzen, so k\u00f6nne man das vorliegende Problem der genauen Beschreibung jener Vorg\u00e4nge am leichtesten vermittelst der Aussagen Unmusikalischer l\u00f6sen. Dieser Meinung w\u00fcrde ich nicht beistimmen k\u00f6nnen. Vielmehr w\u00fcrde ich die Aussagen von Unmusikalischen in dieser Hinsicht \u2014 ohne sie g\u00e4nzlich verwerfen und f\u00fcr werthlos erkl\u00e4ren zu wollen \u2014 mit sehr mifstrauischen Blicken betrachten, da Mer Mi\u00dfverst\u00e4ndnisse schon des sprachlichen Ausdrucks kaum zu vermeiden sind.\nDafs die von Stumpf, Faist und mir benutzten unmusikali-sehen Beobachter \u00fcberhaupt zu jeder, sei es auch der allerleichtesten (z. B. Piccolo und Bafsgeige) Analyse 'unf\u00e4hig seien, ist an keiner Stelle meiner Abhandlung behauptet worden. Wohl aber habe ich geleugnet, dafs diese Personen die ihnen bei den Versuchen in Wirklichkeit vorgelegten Kl\u00e4nge (von beschr\u00e4nkter Dauer!) auch nur theilweise analysirt h\u00e4tten, es sei denn ausnahmsweise. Und zu dieser Behauptung hatte ich meine guten Gr\u00fcnde.\nDie Unmusikalischen Stumpf\u2019s machten nach Tonpsycho-logie II, S. 152 folgende Aussagen \u00fcber das Zustandekommen ihrer Urtheile: \u201eDie einen (T\u00f6ne) heben sich nur besser ab, streben gleichsam aus einander. Es ist dies schwer zu beschreiben. Sie zeigen sich eben als zwei Empfindungen, die anderen nicht\u201c Wenn nun, in den F\u00e4llen, wo Mehrheitsurtheile abgegeben wurden, stets eine wirkliche (wenn auch nur unvollst\u00e4ndige) Analyse stattgefunden hatte, wenn also die Beobachter zwei Tonh\u00f6hen als gleichzeitig empfunden beurtheilt h\u00e4tten, so ist schlechterdings nicht zu sagen, was daran schwer zu beschreiben sein soll. Wm w\u00fcrde man von einem Menschen denken, der einem anderen gegen\u00fcbersteht und sagt, er unterscheide zwar in dem Gesicht seines Gegen\u00fcber zwei Augen, wie er aber zu dein Urtheile komme, dafs es nicht ein Auge, sondern zwei seien, das sei schwer zu beschreiben. Keinem naiven Menschen (und als solche sind Unmusikalische in tonpsychologischen Fragen zu betrachten) f\u00e4llt es ein zu sagen, die Sache sei schwer zu beschreiben, wenn er wirklich zwei Empfindungen unterscheidet. Anders ist es aber, wenn die Unmusikalischen auf Grund des consonanten bezw. dissonanten Eindrucks ur-iheilen. Dann fehlt ihnen die Terminologie und sie ergehen","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag zu meiner Abhandlung \u201e lieber Tonversehmehung etc, u\t285\nsich in den gewundensten Ausdr\u00fccken, wof\u00fcr ich sogleich Beispiele nennen werde: \u201eSie heben sich ab, sie streben aus einander,14 Ungl\u00fccklicherweise kann man bei dieser Aussage nicht einmal wissen, wieviel davon durch die Art der Fragestellung (oder durch vorhergehendes Gespr\u00e4ch) suggerirt ist, was leicht genug geschieht. So erkl\u00e4rte mir z\u201eB. ein 1 Inmusikalischer, nachdem mit ihm \u00fcber die Sache gesprochen worden war, ganz direct, er habe \u201e1 Ton\u201c geurtheilt, wenn der Klang ihm einen eonsonanten, \u201emehrere T\u00f6ne44, wenn er einen dissonanten Eindruck gemacht habe. Diese Aussage k\u00f6nnte ich gerade f\u00fcr meine Anschauung verwerthen. Doch vermag ich ihr nicht sehr viel Gewicht beizulegen. Ferner machten Stumpfs Versuchspersonen (Tonpsychologie II, S. 172) die Aussage: \u201eEssei ihnen 'dies (n\u00e4mlich Einheit und Mehrheit) als ein eigent\u00fcmlicher IJnterscMpd der Kl\u00e4nge aufgefallen44, woran Stumpf selber die Bemerkung anschliefst, sie h\u00e4tten das Problem der Verschmelzung (d, h. der Consonanz) in sich selbst direct wahrge-nommen \u2014 ganz wie ich es behaupte. \u00c4ndere Unmusikalische erkl\u00e4rten, in solchen F\u00e4hen, wo sie ein Einheitsuiiheil abzugeben pflegten, sei bei dem Klange alles in Ordnung gewesen, m den anderen F\u00e4llen dagegen h\u00e4tte etwas nicht gestimmt Ein Anderer sagte, im einen Falle seien die Kl\u00e4nge ihm rein, im anderen unrein erschienen, f\u00fcgte aber sogleich hinzu, \u201erein14 und \u201eunrein44 seien nicht die richtige Bezeichnung; er wisse nicht, wie er sich ausdr\u00fccken solle. Fast alle Unmusikalischen, die ich befragte, gaben mir die Antwort, es sei schwer zu beschreiben.\nAuf Grand der Aussagen der Unmusikalischen (es waren bei mir \u00fcbrigens s\u00e4mmtlich Personen aus akademischen Kreisen, einige mit speciell psychologischer Vorbildung und namentlich keine extrem Unmusikalischen darunter) kann man so ziemlich Alles behaupten, was man will. Ich behaupte jedoch nur das Eine, dafs es unm\u00f6glich ist, aus diesen Aussagen den Nachweis zu f\u00fchren, die Unmusikalischen h\u00e4tten in den F\u00e4llen eines Mehr-lieitsurtheils eine \u2014 wenn auch nur unvollst\u00e4ndige \u2014 Analyse (nach meiner Definition) vollzogen.\nWenn ich dagegen positiv behaupte, die Unmusikalischen h\u00e4tten die ihnen in Wirklichkeit bei den Versuchen vorgelegten, nicht unbeschr\u00e4nkt lange dauernden Kl\u00e4nge nur ausnahmsweise","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\nMax Meyer.\nanalysirt1, so st\u00fctze ich mich allein auf die Beobachtungen\u00bb die ich seit Jahren an mir selber gemacht habe. Ich habe als Knabe nur wenig Musik getrieben und w\u00fcrde vielleicht noch vor 4 oder 6 Jahren \u00a9in zur Noth brauchbares Versuchsobject zu. \u201eTon verschmelzungsversuchen an Unmusikalischen\u201c dargestellt haben. Die Erfahrungen nun, die ich bei der (viele Jahre hindurch und auch jetzt noch von mir1 mit gr\u00f6fstem Interesse beobachteten) Fortentwickelung meiner eigenen F\u00e4higkeit im Analysiren gemacht habe\u00bb haben es mir ganz unwahrscheinlich gemacht, d&b die Mehrheitsurtheile der Unmusikalischen von Stumpf, Faist und mir in der Regel auf Grund einer (unvollst\u00e4ndigen) Analyse m Stande gekommen seien. Es w\u00e4re sicherlich erw\u00fcnscht, wenn Andere, denen die Entwickelung ihrer F\u00e4higkeit im Analysiren ebenso frisch im Ged\u00e4chtnifs ist, ebenfalls ihre durch eigene Beobachtung gewonnen\u00a9 Ueberzeugung in betreff der vorliegenden Frag\u00a9 aussprechen w\u00fcrden.\n3. S. 413 spreche ich von \u201emehreren menschlichen Stimmen oder mehreren Instrumenten\u201c. Dafs hierunter auch mehrere Tasten des Claviers, mehrere Klappen der Ziehharmonika u. a, w. gemeint sind, ist f\u00fcr jeden Leser selbstverst\u00e4ndlich.\nDann spreche ich von der Klangeigenth\u00fcmlichkeit, die mein Beobachter Gi\u00e4rdig mit dem Wort\u00a9 \u201eharmonisch\u201c bezeiehneta Dafs Giebing mit \u201eharmonisch\u201c die Gef\u00fchlswirkung (Erregung von Lust oder Unlust) meinte, geht aus keiner Stell\u00a9 meiner Abhandlung hervor; vielleicht aber d\u00fcrfte ein unbefangener Leser aus meinen Bemerkungen auf S. 407, oben, und S. 414 entnehmen k\u00f6nnen, dafs damit eine Eigent\u00fcmlichkeit der Empfindung selbst bezeichnet sein sollte, (G. best\u00e4tigt mir soeben auf \u00a9in\u00a9 nochmalige Anfrage, d&fs ich ihn hier durchaus nicht mife-verstanden habe.) Das Wort \u201eharmoniseli\u201c bezieht sich also nicht auf die Gef\u00fchlswirkung. Es d\u00fcrfte daher keine Veranlassung vorliegen, durch eine solche Deutung die an sich Mars Sache In ein mysteri\u00f6ses Dunkel zu versetzen.\nSTUMPF sprich,! Tonpsychologie II, 8. 83 f. (und auch sonst h\u00e4ufig) von einem \u201eelementaren, rein sinnlichen Klanggef\u00fchl .\n1 Selbst wenn die Versuchspersonen bei angestrengter Be-m fl hu a g dazu im Stande gewesen waren, wenigstens ein\u00a9 unvollst\u00e4ndige Analyse der Kling\u00a9 aussuffthren, so ist damit noch lange nicht be wie*\u00bb, dafs sie es dann thatstchlich stets oder auch nur in der Regel gelhan hatten\u00bb wenn sie ein Mehrheitsurtheil abgaben.","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag m meiner Mkamdkmg \u201elieber Tonverschmelzung etc\u201c 287\n\u201eEin Klang kann uns anmuthen, als w\u00e4re er zusammengesetzt uni sogar in bestimmter Weise zusammengesetzt,\u201c Nur m\u00fcssen Meran nach Stumpf gewisse Erfahrungen vorausgehen. Ich unterschreibe dies durchaus; doch w\u00fcrde ich das, was Stumpf meint, nicht ein Gef\u00fchl nennen, sondern eine Eigent\u00fcmlich' keit der Klangempfindung.\n4.\tAuf Grund meiner Erfahrungen w\u00fcrde ich einem Unmusikalischen, der da behauptet, beim H\u00f6ren eines .Klanges \u00a9in\u00a9 (unvollst\u00e4ndige) Analyse ausgef\u00fchrt, also mindestens zwei T\u00f6ne herausgeh\u00f6rt zu haben, erst dann glauben, dafs er sie wirklich herausgeh\u00f6rt und nicht indirect \u00fcber die Mehrheit geurtheilt habe, wenn er die beiden T\u00f6ne in Stimmgabel t\u00f6nen wiederzuerkennen vermag. (Nachsingen ist einfacher ; dazu ist aber nicht Jeder im Stande.)\n5.\tConsonant\u00a9 Kl\u00e4nge machen auf mich einen Eindruck von EtnheitBchkeit Ich finde es jedoch nicht im Mindesten \u201eselbstverst\u00e4ndlich\u201c, dafs die Einheitlichkeit, die ich unter Oonsonanz verstehe, die Analyse erschweren musse. Oonsonanz ist nach meiner ausdr\u00fccklichen Angabe (S. 414, Anna. 1) eine Einheitlichkeit in \u00e4hnlichem Sinne, wie auf r\u00e4umlichem Gebiet\u00a9 \u00a9in regul\u00e4res Polygon mir einheitlicher erscheint als \u00a9In unregel-m\u00e4fsiges. Bei einem Bauwerk beispielsweise scheint mir ein erheblicher Theil der \u00e4sthetischen Wirkung davon abzuh\u00e4ngen, ob \u00a98 einheitlich ist oder nicht. Ist \u00a9ine gewisse Regelm\u00e4\u00dfigkeit der Linienf\u00fchrung vorhanden, so habe ich den Eindruck der Einheitlichkeit, der Zusammengeh\u00f6rigkeit der Theil\u00a9, und als Begleiterscheinung ein angenehmes Gef\u00fchl. Ebenso nun, wie es bei einem r\u00e4umlichen Gebilde 'viel leichter ist, seine einzelnen Theil\u00a9 zu unterscheiden, wenn diese Theil\u00a9 gewisse Beziehungen zu einander aufweisen, ist es mir wahrscheinlich, dafs man auch Zusammenklinge (bei sonst gleichen Schwierigkeiten) um so leichter zu analysiren vermag, je con-\u00abonanter sie sind. Wenn die Oonsonanz \u00fcberhaupt \u00a9inen Ein flufs auf 'die Analyse hat, so kann, es meiner Ansicht nach, nur dieser sein. Dafs di\u00a9' Oonsonanz die Analyse erleichtert, darauf deuten auch meine Tabellen der \u00fcrtheile musikalischer Beobachter hin.\nHerr Dr. Hennig wie Herr Gibbihg sind beide hinreichend musikalisch gebildet, um, sofern sie \u00fcberhaupt zwei T\u00f6ne deut ich unterschieden haben, auch das Intervall, richtig angeben zu","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nMm Meyer.\nk\u00f6nnen. Da sie bei der Benennung des Intervalls durch keine Beschr\u00e4nkung der Zeit gehindert waren, so w\u00e4ren alle Intervallurtheile richtig ausgefallen, wenn ihnen stets eine deutlich\u00a9 Analyse m\u00f6gMch gewesen w\u00e4re. Dais \u00fcberhaupt falsch\u00ab IntervaUurtheil\u00a9 vorkamen, 'wird man wTohl darauf zur\u00fcckf\u00fchren m\u00fcssen, dais ihnen das (gleichzeitige oder successive) Heraush\u00f6ren der beiden Intervallt\u00f6ne eben nicht immer (und zwar bei den am wenigsten consonanten Intervallen am seltensten) gelang,\nSollte man. meine Methode, auch bei musikalischen Beobachtern zwecks Einf\u00fchrung erschwerender Versuehsumst\u00e4nde die Kl\u00e4nge so weit zu verk\u00fcrzen, bis falsche Urtheile auf* treten, f\u00fcr verwerflich halten, so m\u00f6chte ich auf K\u00fclpb hin-weisen, der in seiner Psychologie eben diese Methode als ein\u00a9 brauchbare empfiehlt. Doch w\u00fcrde ich die Mangelhaftigkeit der Methode Jedem gern, zugeben, der auf Grund einer besseren Methode gewonnene Ergebnisse vorlegt Uebrigens scheint auch Stumpf fr\u00fcher besser von dieser Methode gedacht zu haben, 'da er Tonpsychologie, Bd. Il, S. 329 unter c) schreibt:- \u201eDie Verschmelzungsstufen. Den Einflufs derselben auf die Andys\u00a9 haben wir bereits ausf\u00fchrlich an Unmusikalischen und Unge\u00fcbten kennen gelernt An M'usikalsehen (I) tritt er nur im Fal\u00a9 ungleicher St\u00e4rke oder bei sehr kurzer Dauer (1) der Eindr\u00fcck\u00a9 oder bei sonst ung\u00fcnstigen Umst\u00e4nden hervor, wobei dann Octaven und Quinten auch von solchen gelegentlich als Einheit aufgefafst werden.41 Dafs eine im Uebrigen einwandfreie Method\u00a9 nicht zu dem. von. einer Theorie geforderten Ergebnisse f\u00fchrt, kann ich nun nicht als einen Fehler der Methode, sondern vielmehr nur als einen. Fehler der Theorie ansehen.\n\u201eSelbstverst\u00e4ndlich11 ist es nat\u00fcrlich, dafs die \u201eVerschmelzung\u201c die Analyse erschwert, wenn man Verschmelzung von. vornherein so definirt wie Stumpf (Tonpsychologie II, S. 128): \u201eVerschmelzung ist dasjenige Verh\u00e4ltnifs zweier Empfindungen, in Folge dessen mit h\u00f6heren Stufen desselben der Gesammt* eindruek sich unter sonst gleichen Umst\u00e4nden immer mehr dem, Einer Empfindung n\u00e4hert und immer schwerer analyglrt wird.\u201c Es fragt sich dann nur, ob diese Definition mehr ist als eine blofse Zusammenstellung von Worten, ob so etwas, was das Analysiren eines aus T\u00f6nen von beispielsweise gleicher Empfin-dungsst\u00e4rke zusammengesetzten Klanges erschwert, in Wirklichkeit oxistirt. Dieser Nachweis aber kann nur durch Versuchs-","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag mu meiner Abhandlung \u201elieber TonvtrSchmelzung etc, 11\t289\nreihen mit Musikalischen gef\u00fchrt werden, wie ich sie gemacht habe \u2014 freilich mit einem, von Stumpf nicht erwarteten Ergebnisse,\nStumpf giebt ebendaselbst noch eine andere Definition der \u201eVerschmelzung\u201c: \u201eWir nannten Verschmelzung dasjenige Verhaltnifs zweier Inhalte, speciell Empfindimgsmhalte, wonach sie nicht eine blofse Summe, sondern ein Ganzes bilden.\u201c Dazu beachte man folgende Bemerkung auf Seite 04: \u201eAuf einander folgende Empfindungen bilden als Empfindungen eine blofse Summe, gleichzeitige schon als Empfindungen ein Ganzes.\u201c Dieses Verhiltnifs der Empfindungen nennt Stumpf auf Seite 65 \u201eVerschmelzung\u201c. Daraus folgt, soviel ich sehe, dafs Octaven-t\u00f6ne bei gleichzeitigem H\u00f6ren starker verschmelzen als bei suc-eessivem, und da Stumpf S. 333 Verschmelzung mit Consonanz identificirt, so folgt ferner, dafs successive Octavent\u00f6ne weniger consonant sind als gleichzeitige. Ob die Musiker, die meines Erachtens mit Recht Melodie als zeitlich aufgel\u00f6ste Harmonie beteachten, dies zugeben werden, scheint mir zweifelhaft.\nIch habe einmal (Zeitsehr. f. Psychol. XVI, S. 5) angef\u00fchrt, ich k\u00f6nne beim H\u00f6ren von Bifferenzt\u00f6nen im Octavenintervall (von denen der eine in der Contra-, der andere in der Grofson Octave lag) nicht recht sagen, wieviel von dem tiefen Differenztone auf 1, wieviel auf 2 kommt. Nat\u00fcrlich kann man diese Bemerkung nicht daliin verwerthen, als bitte ich gesagt, ich k\u00f6nne den Klang '.nicht analysiren, Woher h\u00e4tte ich denn \u00fcberhaupt wissen sollen, dafs ich sowohl den Ton 1 als auch den Ton 2 h\u00f6rte, wenn ich nicht h\u00e4tte analysiren k\u00f6nnen? Ich habe weiter nichts berichtet, als dafs ich in Folge best\u00e4ndiger Schwankung des Urtheils nicht im Stande war zu sagen, ob der Ton 1 st\u00e4rker als der Ton 2 oder 2 st\u00e4rker als 1 war, und habe dies auch damals (S. 4, Zeile 8 v. u.) bereits ausdr\u00fccklich ausgesprochen. In mittleren Tonlagen ist mir \u00c4ehnliehes aufgefallen, wenn auch nicht so ausgepr\u00e4gt, wie in jener Tiefe. Es scheint mir leichter zu sein, \u00fcber das St\u00e4rkeverh\u00e4ltnifs zweier T\u00f6ne zu urtheilen, wenn sie ein dissonantes, als wenn sie ein consonantes Intervall bilden. Ich glaube dies darauf zur\u00fcckf\u00fchren zu k\u00f6nnen, dafs es bei dissonanten T\u00f6nen, die man gleichzeitig und doch von einander unterschieden h\u00f6rt, leichter sei, ein Urtheil \u00fcber die St\u00e4rke lines Tones nur durch diesen selbst herbeif\u00fchren zu lassen, wahrend bei consonanten gleichzeitig und doch von einander\neitnehrift f\u00fcr Psychologie XVIII.\t1t)","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\nMax Meyer.\nunterschieden geh\u00f6rten T\u00f6nen das St\u00e4rkeurtheil auch durch den anderen Ton mitbestimmt zu sein scheint, den man im Augenblick gar nicht beurtheilen will. Analogien daf\u00fcr d\u00fcrften auf dem Gebiet\u00a9 der geometrisch-optischen T\u00e4uschungen zu Inden sein, wo Gr\u00f6feenurtheile manchmal ebenfalls durch solche Gebilde mitbedingt sein d\u00fcrften, die man eigentlich gar nicht beurtheilen will.\nHeamboltz macht einmal die Bemerkung (siehe dazu Stumpf, Tonpsychologie II, S. 183), er habe einen Ton beim Zusammenklingen mit seiner tieferen Octave (bei unbeschr\u00e4nkter Dauer) nicht mehr h\u00f6ren k\u00f6nnen. Dasselbe habe ich auch oft beobachtet und \u00a9in\u00a9 Erkl\u00e4rung daf\u00fcr zu geben versucht (Zcitschr. f. PschoL XVII, S. Iff.). Mit der Frage des Einflusses der Con* sonanz auf die Schwierigkeit der Analyse hat dies nat\u00fcrlich gar nichts zu thun.1\nMan beachte, dafs Stumtp seinen Er\u00f6rterungen in der Ton-psyehologie stete die Helmholtz sehe Theorie des H\u00f6rens zu Grunde gelegt hat, wonach jede physikalisch oxistirende Sinus* schwingung auch als Ton empfunden wird, was ich eben nicht zugeben kann. Stumpf sucht die Widerspr\u00e4che der Helmholtz\u2019* sehen. Theorie zu beseitigen (OnM-SEEBECK-Streit, Tonpsychol. II S, 242) und zugleich zwischen Ohm und Seebeck zu vermitteln, indem er seinen Begriff der Tonverschmelzung auch hier ein-f\u00fchrt. Nun wurde jedoch Seebeck gegen diese Auffassung der Sache entschieden Verwahrung eingelegt haben; denn Seebeck wollte, wenn er sich auch wohl manchmal so ausgedr\u00e4ckt hat, dafs Stumpf ihn f\u00fcr seine Theorie einfangen k\u00f6nnte, nur \u00fcber die St\u00e4rke der geh\u00f6rten Obert\u00f6ne, bezw. \u00fcber ihre g\u00e4nzliche Unh\u00f6rbarkeit in gewissen F\u00e4llen, Aussagen machen, nicht aber \u00fcber gr\u00f6teere oder geringere Schwierigkeit der Analyse, abgesehen von der St\u00e4rke der geh\u00f6rten T\u00f6ne.\n6. Wenn ich den Begriff \u201eUnmusikalisch44 einen schwankenden genannt habe, so geschah dies aus dem schon oben ange-\n1 Man k\u00f6nnte hier fragen, ob man dieselbe Beobachtung auch bei anderen Intervallen machen k\u00f6nne. Man kann sie in der Thal machen. Nur\nbleibt der urspr\u00fcngliche Klang bei der Octave auch nach Mitwirkung der h\u00f6heren Tonqeelle unver\u00e4ndert (h\u00f6chstens di\u00a9 Intensit\u00e4t nimmt vielleicht etwas zu), w\u00e4hrend er bei anderen Intervallen mehr oder weniger rauh wird und Differenzt\u00f6ne auftreten.","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag zu meiner Abhandlung \u201e Deber Tonvenchmdeung eie.11 291\ndeuteten. Grunde, nicht aber, um Uebertreibungen zuzugestehen, deren ich selber mich gar nicht schuldig gemacht habe,\nDafs Unmusikalische innerhalb langer Versuchsreihen Hebung im, Analysiren erwerben, dafs in Folge dessen h\u00e4ufiger wirkliche Analyse stattfindet und daher eine etwas geringere Zahl von Einheitsurtheilen erfolgt, ist freilich selbstverst\u00e4ndlich.\n7. Meine Auffassung von den Unmusikalischen d\u00fcrfte nunmehr ganz Margestellt sein, Dafs sie eine Anzahl festgestellter Eigemth\u00fcmEehkeiten der Urtheile der Unmusikalischen erkl\u00e4rt, die Stumpfs Auffassung nicht zu erM\u00e4ren vermag, kann ich nur1 als einen Hinweis darauf befrachten, dafs meine Auffassung die richtigere ist, zumal sie ja auf keinen der Wirklichkeit wider-streitenden Voraussetzungen beruht\nStumpf erid\u00e4rt es freilich (S, 433 Anm.) f\u00fcr \u201everfr\u00fcht\u201c, f\u00fcr die von Faist ermittelte Thatsache, daft bei scharfen Klangfarben die Z a h lenunterschie d e bei, den verschiedenen Intervallen gr\u00f6fser seien (dazu meine Anm. S, 418), eine Erkl\u00e4rung zu suchen, da die von ihm selbst erhaltenen Zahlen\u00ab .werthe \u201ein. diesem Punkte eher das entgegengesetzte Verhalten zeigten\u201c. Aus den in der Tonpsychologie mitg\u00e8theilten Zahlen\u00ab werthen dies einwandfrei abzuleiten, ist mir jedoch nicht gelungen,1 Man k\u00f6nnte vielleicht zu diesem. Zwecke Stumpe\u2019s Bemerkung daselbst II, S. 348 verwerthen wollen: die Unterscheidungsf\u00e4higkeit (d. h, Mer nat\u00fcrlich die Zahl der Mehrheitsurtheile) der Hallenser Versuchspersonen habe sich gesteigert, als er \u201eprobeweise\u201c \u00a9in. sch\u00e4rferes Register auf zog? Nun ist es aber gar nicht wunderbar, dafs die in den Versuchsreihen an weiche Klangfarben gew\u00f6hnten Versuchspersonen die \u201eprobeweise\u201c geh\u00f6rten scharfen Kl\u00e4nge relativ oft f\u00fcr Mehrheiten erkl\u00e4rten. Dies stimmt durchaus \u00fcberein mit meinen Ausf\u00fchrungen S, 413\n1 Zu verwerthen w\u00e4re hier h\u00f6chstens Tonpsychologie II, S. 146 f., leihe I und II, W\u00e4re Stumpf's Behauptung richtig, so mOfste der Zuwachs an Mehrheitsurtheilen am gr\u00f6fsten bei den consonanteren, am kleinsten (sogar negativ) bei den weniger consonanten Intervallen sein. Rechnet man nun \u2014 um. \u00fcberhaupt vergleichen zu k\u00f6nnen \u2014 die Zahlen \u00bbo im, dafs auf jedes Intervall eine gleiche Zahl (360) von Versuchsf\u00e4llen '\u00dcberhaupt kommt, und ordnet man dann die Intervalle nach der Gr\u00f6fee des Zuwachses in eine Reihe, so erh\u00e4lt man die folgende:\nQuinte, Octave, Triton, Kl. Sept., Gr. Sec., Gr. Ten, Quarte,\n+ 48 '\t+ 12\t+ 10\t\u2014 20\t\u2014 60\t\u2014 66\t\u2014 102\nBiese Reihe mttfste dann die Reihe der Consonanzgrade darsteilen I\n19*","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292\nMax Meyer.\nmi 416 meiner Abhandlung und kann jedenfalls gegen Faist\u2019s Ergebnisse nichts beweisen,\n8. Ich habe versucht, durch eine Figur (8. 419) meinen Standpunkt kurz und Mar darzulegen, (a + li) ist im mathematischen Sinne eine symmetrische Figur, ganz gleichg\u00fcltig, ob \u00fcberhaupt Jemand dies\u00a9 Figur sieht oder nicht \\ (F\u00fcr die leider eingetretene geringe Verschiebung der Th eile durch den Drucker wird mich der Leser nicht verantwortlich machen.) Ebenso sind (h 4*f) und (a + c) symmetrisch. Dagegen kommt der Summe (a-f-6 4\u00ab) diese Eigenschaft nicht zu.\nIch wollte durch dieses Beispiel nur meiner Meinung Ausdruck verleihen, dafs es in solchen F\u00e4llen, wo Thatsachen einer Theorie widerstreiten, aussich ts voller ist, die Theorie zu indem, als die Thatsachen zu umgehen. War das Beispiel \u00fcberfl\u00fcssig\n\u2014\tum so besser.\nUebrigens vertritt auch Hugo Rieman\u00bb {diese ZeiUchr, XVII, S. 456 ff.) dieselbe Forderung wie ich, dafs man n\u00e4mlich in der Theorie der Consonanz bei ZweiM\u00e4ngen nicht stehen bleiben uni nicht glauben d\u00fcrfe, die Consonanz von Mehrkl\u00e4ngen eil\u00ab fach durch Summirung der Consonanz der Tonpaare erkl\u00e4r\u00ab zu k\u00f6nnen. Nur darin kann ich Riemahn nicht zustimm\u00ab, wenn er von der Theorie der Consonanz verlangt, dafs sie ein\u00ab principiellen Unterschied zwischen Dur- und Moll drei kl\u00e4ngen aufzeigen m\u00fcsse.\nIn Bezug auf das von Stumpf am Schl\u00fcsse seiner Ausf\u00fchrungen gebrachte Noten- und Zahlenbeispiel m\u00f6chte ich bemerken, dafs es mir fern liegt zu behaupten, der Dreiklang 3:4:7 sei eonsonanter als 3:5:8, und dafs dies auch keineswegs aw dem von mir l\u00e4ngst nach allen Richtungen Mn gepr\u00fcften2 und zwar absichtlich mit Vorbehalt in betreff seiner genau\u00ab Formulirtmg ausgesprochenen Gesetze (S. 421) folgt, da \u2014 worauf ich beil\u00e4ufig Mnweisen m\u00f6chte \u2014 8 eine Potenz you 2 'und 7 eine Primzahl ist.\nIch benutze diese Gelegenheit, um. noch folgendes Versehen\n-\tin meiner Abhandlung zu berichtigen : S. 405, Z. 5 von untea\n1 Was w\u00fcrde man dazu sagen, wenn Jemand behauptete : \u00a9in vor ihn stehender Mensch habe zwar augenblicklich einen symmetrisch gebaut\u00ab K\u00f6rper, sobald derselbe aber \u201elinksum\u201c mache, werde -sein K\u00f6rperbau unsymmetrisch !\n1 Publication wird erfolgen.","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Nachtrag tu meiner Abhandlung \u201e Ueber Tonverschmelzung etc.\u201c 293\nmufs es nat\u00fcrlich \u2014 um der Gleichf\u00f6rmigkeit der gesammten Versuchstabelle III willen \u2014 statt \u201e4:5, 5:8 oder 5:6\u201c heifsen: \u201edas Intervall 3:5\u201c.\nGewifs wird man auch in den vorstehenden Erl\u00e4uterungen Manches mifsverstehen k\u00f6nnen. In einer kurzen Abhandlung kann eben ein Autor nicht eine ganze Tonpsychologie geben. Um das, worauf es mir eigentlich ankommt, vor dem mehr Nebens\u00e4chlichen klar hervortreten zu lassen, schliefse ich mit folgenden Thesen:\n1.\tDafs durch das Consonanzverhftltnifs die Analyse erschwert wird, ist bisher nicht mit Sicherheit nachgewiesen.\n2.\tEs ist wahrscheinlich, dafs durch das Consonanzverh\u00e4ltnifg die Analyse erleichtert wird.\n3.\tDie verschiedenen Grade der Gonsonanz zweier oder mehrerer T\u00f6ne k\u00f6nnen sowohl durch die Beobachtung von Seiten Musikalischer als Unmusikalischer \u2014 freilich den bisherigen Ergebnissen nach zu urtheilen, in keinem F alle mit sehr grofser Genauigkeit in Bezug auf die feineren Unterschiede \u2014 festgestellt werden.\n4.\tUnmusikalische kann man zur Beobachtung der Con-sonanz veranlassen, indem man sie einen Klang von beschr\u00e4nkter Dauer h\u00f6ren l\u00e4fst und sie fragt, ob es Ein Ton oder eine Mehrheit von T\u00f6nen gewesen sei.\n5.\tDie Theorie der Consonanz kann nicht allein auf die Beobachtung der Consonanz von je zwei T\u00f6nen gegr\u00fcndet werden.\n(Eingegangen den 24. Juni 1898.)","page":293}],"identifier":"lit36175","issued":"1898","language":"de","pages":"274-293","startpages":"274","title":"Nachtrag zu meiner Abhandlung \"Ueber Tonverschmelzung und die Theorie der Consonanz\" [, Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorg., 1898, Bd. 17, S. 401-421]","type":"Journal Article","volume":"18"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:49:37.233238+00:00"}