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{"created":"2022-01-31T15:29:00.172132+00:00","id":"lit36204","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Merkel, Julius","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 12: 226-242","fulltext":[{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"\nDie Abh\u00e4ngigkeit zwischen Reiz und Empfindung.\nVon\nDr. Julius Merkel in Zittau.\nUnter der Aufschrift: \u201e\u00dcber die Bedeutung des WEBERschen Gesetzes\u201c, hat A. Meinong im XI. Bande dieser Zeitschrift eine \u00fcberaus eingehende Untersuchung \u00fcber die Psychologie des Yergleichens und Messens ver\u00f6ffentlicht. In dieser wertvollen Arbeit wird viefach zu den theoretischen Ausf\u00fchrungen Stellung genommen, welche ich in meinen Arbeiten \u00fcber \u201edie Abh\u00e4ngigkeit zwischen Beiz \u00fcnd Empfindung411 entwickelt habe. Ich stimme in vielen Dingen mit den Ansichten Meinongs \u00fcberein, w\u00e4hrend ich in einzelnen Punkten eine andere Auffassung vertrete. Da diese letzteren gerade von fundamentaler Bedeutung sind, und da es w\u00fcnschenswert erscheinen d\u00fcrfte, nach jahrzehntelangen K\u00e4mpfen \u00fcber das FECHNERsche logarithmische Gesetz endlich ins Klare zu kommen, will ich auch an dieser Stelle und zwar in unmittelbarer Anlehnung an die Ausf\u00fchrungen Meinongs meine Ansichten entwickeln. Ich komme\ndabei in erster Linie auch dem Wunsche des genannten Autors\n> \u00ab\nnach, der auf S. 94 seiner Abhandlung bemerkt: \u201e\u00dcbrigens hat J. Merkel selbst eine n\u00e4here Untersuchung der psychologischen Seite der Sache versprochen,1 2 und die Wichtigkeit der Angelegenheit l\u00e4fst eine baldige Erf\u00fcllung dieser Zusage hoffen.\u201c\n1\tWundt, Philos. Studien. IV. S. 541; V. S. 245, 499; Xs S. 140, 203, 369, 507.\n2\tAufgaben und Methoden der Psychologie in der G-egenwart. IF\u00efss. Beil. z. Jahresber. d. K\u00f6nigl. Bealgymnasiums in Zittau. 1895. S. 24.","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Die Abh\u00e4ngigkeit zwischen Heiz und Empfindung.\t227\nIch. beginne mit dem Satze, den Meinqng in \u00a7 21 n\u00e4her begr\u00fcndet: \u201eEs ist unstatthaft, \u201eUnterschied\u201c und \u201eVerschiedenheit\u201c in gleichem Sinne zu gebrauchen.\u201c Auch ich habe diesen Satz bereits fr\u00fcher vertreten. Im VII. Bande der Philos. Studien. S. 560 sage ich w\u00f6rtlich: \u201eAllerdings ist mir nicht beigekommen, den Empfindungsunterschied so aufzufassen, wie es von Mttnsterbebg geschieht, als ein Ergebnis der Subtraktion. Das Wort Unterschied kann hier nur eine \u00e4hnliche Bedeutung haben, wie in der Definition des Winkels als des Bichtungsunterschiedes zweier Graden. Wir fassen selbstverst\u00e4ndlich die einzelnen Beize auf und sprechen von einem gr\u00f6fseren Unterschiede, wenn die einzelnen Beizst\u00e4rken mehr abweichen, von einem geringeren Unterschiede, wenn die einzelnen Beize eine geringere Verschiedenheit zeigen. \u00dcber die Gr\u00f6fse der Differenz, als Subtraktionsergebnis auf-gefafst, haben wir keinerlei Vorstellung.\u201c Die Gr\u00fcnde, die mich zu dieser Auffassung bewogen, waren folgende:\nAngenommen, die Empfindungen seien proportional den Beizen, es gelte also die Formel E \u2014 pP. Wirken dann zwei wesentlich verschiedene intensive Beize, etwa Schallreize, auf uns ein, so beurteilen wir jeden f\u00fcr sich und bestimmen dann erst den Grad ihrer Verschiedenheit. Eine Auffassung der Differenz, also eines Beizes J) = Px \u2014 P findet nicht statt und ist v\u00f6llig unm\u00f6glich. Beurteilen wir extensive Gr\u00f6fsen, also z. B. Baumstrecken, so kann derselbe Fall eintreten, namentlich, wenn die Strecken nacheinander beurteilt werden. Man kann aber hier unter Umst\u00e4nden auch so verfahren, dafs man sich die kleinere Strecke \u00abB auf der gr\u00f6fseren P\u00b1 abgetragen denkt und nach der Differenz D \u2014 Px-\u2014P die Verschiedenheit beurteilt; oder, wenn Bx wesentlich gr\u00f6fser als P ist, dafs man entscheidet, wie oft etwa P in Bx enthalten sein d\u00fcrfte.\nDie Hauptfrage besteht aber darin, ob und wie die Verschiedenheit gemessen werden kann ; denn dafs es verschiedene Grade der Verschiedenheit zwischen je zwei Empfindungen giebt, d\u00fcrfte keinem Zweifel unterliegen.\nMeinong- f\u00fchrt zun\u00e4chst aus, dafs die Verschiedenheit durch die Differenz der Beize nicht zum Ausdruck gebracht werden k\u00f6nne, und zwar aus folgenden Gr\u00fcnden :\n1. Die Differenz versagt, wenn die kleinere der beiden\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nJulius Merhel.\nGr\u00f6ls\u2019en den Wert 0 erlangt. Zwei Zentimeter sind von 0 nicht doppelt so verschieden, wie 1 cm von 0.\n2. 1 cm ist von 2 cm erheblich verschiedener als 6 cm von 7 cm und dieses wieder verschiedener als 1000 cm von 1001 cm u. s. w.\nHier beurteilen wir offenbar die Verschiedenheit nach dem Verh\u00e4ltnis. 2 cm und 1 cm sind im Verh\u00e4ltnis zu 0 beide sehr grofs, ebenso ist 2 cm im Verh\u00e4ltnis zu 1 cm wesentlich gr\u00f6fser als 7 cm im Verh\u00e4ltnis zu 6 cm. Denken wir uns aber 1 cm auf 2 cm abgetragen, und ebenso 6 cm auf 7 cm, so d\u00fcrfte uns die Verschiedenheit als gleich erscheinen. Das ist jedoch bei intensiven Gr\u00f6fsen nicht m\u00f6glich. Aber auch das WEBERsche Gesetz verschafft sich Geltung. 1000 cm und 1001 cm w\u00fcrden wir \u00fcberhaupt nicht mehr als verschieden erkl\u00e4ren k\u00f6nnen.\nVon dem Verh\u00e4ltnis sagt Meinong im \u00a7 22, dafs es dem gew\u00fcnschten Ziele n\u00e4her komme, ohne es zu erreichen. Bei\nH\nder Quotientenformel ergiebt sich bekanntlich f\u00fcr f\u00fcr die\nVerschiedenheit der Wert 1, wenn B\u00b1 und B gleich sind, w\u00e4hrend doch die Verschiedenheit nur den Wert 0 haben kann. Ich vermute, dafs dieses Fehlschlagen darin begr\u00fcndet liegt, dafs wir die Verschiedenheit thats\u00e4chlich nach dem Verh\u00e4ltnisse beurteilen. Dafs dies bis zu einem gewissen Grade m\u00f6glich ist, geht ja aus der Anwendbarkeit der Methode der doppelten Reize hervor. Freilich k\u00f6nnte man hier auch vermuten, dafs bei gleichen Reizen der Unterschied konstatiert wird, der ja selbstverst\u00e4ndlich 0 ist.\nMeinong untersucht nunmehr den relativen Unterschied, von dem er zeigt, dafs er zwar besser geeignet ist, als das Verh\u00e4ltnis, dafs er aber gleichwohl entweder zu Widerspr\u00fcchen oder zu sehr komplizierten Ergebnissen f\u00fchrt.\nUntersuchen wir die beiden in Frage kommenden F\u00e4lle an\nJJ Ji\neinem Beispiele. F\u00fcr A) \u2014- ^\u2014 ergeben sich, wenn Bt \u2014 1,\n2, 3, 4 u. s. w. gesetzt wird, der Reihe nach die Werte: 0, 1, 2, 3..... Das kommt thats\u00e4chlich auf die \u00fcnterschiedsformel\nhinaus, da man sich ^ mit dem Proportionalit\u00e4tsfaktor ver-\n\u2022\u2022\t-j-\t#\neinigt denken kann. \u00c4hnliches ergiebt sich, wenn B einen anderen Wert hat.","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Die Abh\u00e4ngigkeit zwischen Beiz und Empfindung.\n229\nF\u00fcr B) *\u2014------- sind die entsprechenden Werte: 0, V2, 2/3,\niii\n3A...... Schwerlich d\u00fcrften durch diese ganz langsam gegen\n1 konvergierenden W\u00e8rte die Verschiedenheiten, welche die Empfindungen darbieten, zum Ausdruck gebracht werden.\nF\u00fcr drei Reize ergiebt A) :\nB B B2~B1\nA)~xb~= V>, \u2019\noder umgeformt: B. B9 ,\t.\ne\t^ oder B1 y B B21 d. h. das geome-\nJlv\ntrische Mittel f\u00fcr den mittleren Reiz. Hierbei wird gewissermafsen der eine Mafsstab ge\u00e4ndert ; B1 \u2014 B wird im Vergleich zu B, B2 \u2014 Bx im Vergleich zu B\u00b1 gemessen. K\u00f6nnte nicht auch der mittlere Reiz den gemeinsamen Mafsstab abgeben? Dann w\u00fcrde man erhalten:\nBh \u2014 B __ B2 \u2014 Bx B1 ~\tB^~~\nund k\u00e4me wieder auf die Unterschiedsformel. Meinonu zeigt, dafs der Fall A) bereits bei 3, und der aus B) sich ergebende analoge Fall bei mehr als 4 G-r\u00f6fsen zu unannehmbaren Folgerungen f\u00fchrt. Ich glaube jedoch, dafs dieser Nachweis nicht unanfechtbar ist. Die vorgenommenen Additionen d\u00fcrften von vorn herein nicht berechtigt sein, wenn man als Mafs f\u00fcr die Verschiedenheiten Verh\u00e4ltnisse oder relative Unterschiede ein-f\u00fchrt. Die Additionen sind nur bei Benutzung des Unterschiedes (Formel C) berechtigt und f\u00fchren dann zu widerspruchsfreien Ergebnissen.\nWeiter folgert Meinong-: \u201eSo wenig das geometrische Verh\u00e4ltnis oder der relative Unterschied zweier G-r\u00f6fsen mit der Gr\u00f6fse ihrer Verschiedenheit zusammenf\u00e4llt, so ist doch dem geometrischen Verh\u00e4ltnisse wie dem relativen Unterschiede uur eine Verschiedenheitsgr\u00f6fse zugeordnet, so dafs aus Gleichheit des Quotienten stets auf Gleichheit der Verschiedenheit gefolgert werden kann und umgekehrt. Sind also zwei Gr\u00f6fsen-paare gleich verschieden, so sind sie auch proportional. Aus der durch das WEBERsche Gresetz garantierten Verschiedenheitsgleichheit folgt bez\u00fcglich der extensiven Empfindungen deren","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nJulius Merkel.\nProportionalit\u00e4t.u F\u00fcr verschiedenheitsgleiche intensive Gr\u00f6fsen wird die Bezeichnung quasiproportional eingef\u00fchrt und das WEBERsche Gesetz in die Form gekleidet:\n\u201eProportionalen Beizen entsprechen proportionale (extensive) oder quasiproportionale (intensive) Empfindungen, und es liegt nahe auf Grund dessen Proportionalit\u00e4t oder Quasiproportionalit\u00e4t zwischen Beiz und Empfindung zu vermuten.\u201c Auf ganz analogem elementaren Wege, wie er von mir1 eingeschlagen worden ist, leitet sodann Meinono die logarithmische Formel :\nD) E\u201e \u2014 E=e \u25a0 l0g R; \u2014l0g -\nlog?\nab, in Welcher die nicht einwandfreie Differenz En \u2014 E durch das Yerschiedenheitssymbol ersetzt wird. So gelangt er unter Einf\u00fchrung einer zweckm\u00e4fsig gew\u00e4hlten Einheit zu der Formel :\nEl E VE \u2014l\u00b0gjj\u00bb\t(P h.\n&) v \u2014 log 2\t>\n\u201eDie Gr\u00f6fsenverschiedenheit zweier Empfindungen ist gleich der Differenz der Logarithmen ihrer Beize dividiert durch den Logarithmus von 2, falls man sie in Einheiten mifst, welche der Verschiedenheit des zum Beize 2 geh\u00f6rigen Inhalts von den zum Beize 1 geh\u00f6rigen gleich sind.\u201c\nPr\u00fcfen wir diese Formel an einigen Zahlenbeispielen. Ba habe best\u00e4ndig den Wert 10, Eh die Werte: 100, 1000, 1000000. Dann wird: Eb V Ea = 3,33; 6,7; 16,7. Bei einer Druckempfindung, die durch 10 oder 100 g verursacht wird, soll also die Gr\u00f6fsenverschiedenheit durch 3,3 zum Ausdruck gebracht werden, bei 10 g und 1 kg durch den doppelten Wert und bei 10 g und 1000 kg nur durch den f\u00fcnffachen Betrag! Ein Licht von 10 Normalkerzen soll von dem von einer Normalkerze um 3,3 verschieden sein, ein Licht von 100 Normalkerzen um den doppelten und ein Licht von 100000 Normalkerzen nur um den f\u00fcnffachen Wert!\nWir sind der unersch\u00fctterlichen \u00dcberzeugung, dafs auch diese logarithmische Formel zu v\u00f6llig ungereimten und unfafs-baren Ergebnissen f\u00fchrt.\nWundt, Philos. Stud. X. S. 151.","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Die Abh\u00e4ngigkeit zwischen Heiz und Empfindung.\n231\nMeinong bemerkt1 im Hinblick auf die von mir vertretene einzig berechtigte Anwendungsweise der Logarithmen:\n\u201eAnders nat\u00fcrlich, wenn dem einzelnen E keine andere Bedeutung beigemessen wird, als anzugeben, wieviel Empfindungsstufen oder Merklichkeitsstufen der Empfindung bis zu einem gegebenen Beize liegen, ohne gewissermafsen \u00fcber den Inhalt dieser Stufen etwas anzusagen. Aber eine derart bedingte Behabilitierung der Logarithmenformel kann den Anspr\u00fcchen gegen\u00fcber, die man sich einmal an diese Formel zu stellen gew\u00f6hnt hat, doch nur zu MifsVerst\u00e4ndnissen f\u00fchren.\u201c\nEs ist gerade meine Absicht gewesen, endlich die Anspr\u00fcche als v\u00f6llig unberechtigte zur\u00fcckzuweisen, die man an diese Formel gestellt hat und von verschiedenen Seiten gegenw\u00e4rtig noch stellt. Da nun die \u201eUnbegreiflichkeit\u201c der Zahlen, zu denen diese Formel in ihren verschiedenartigen Gestaltungen f\u00fchrt, in denen sie in den psychologischen Werken und Lehrb\u00fcchern auftritt, nicht hinreicht, um ihre Unbrauchbarkeit darzuthun, will ich zun\u00e4chst die Brauchbarkeit und Bedeutung meiner Formeln an Zahlenbeispielen erh\u00e4rten.\nIch verstehe unter q das Verh\u00e4ltnis zweier Beize, die eben verschieden erscheinen. Nach meinen Versuchen \u00fcber Schallund Lichtempfindungen w\u00fcrden diese Werte 1,3 und 1,05 sein. Unter der Voraussetzung, dafs der Ausgangsreiz 11=1 gesetzt wird, ergiebt sich die Formel:2\nF) Rn = Qn.\nWelchen Wert hat diese Formel? Wollte man auf die Anwendung derselben Verzicht leisten, so m\u00fcfste man zun\u00e4chst zum Beize R = 1 denjenigen Beiz M1 aufsuchen, welcher eben verschieden erscheint, dann zum Beize R1 den Beiz jR2, welcher wiederum eben verschieden erscheint u. s. w. Das w\u00fcrde sehr zahlreiche Versuche erheischen, namentlich im Gebiete des Lichtsinnes. In Wirklichkeit pr\u00fcft man das WEBEEsche Gesetz etwa bei den Beizen 1, 2, 5, 10, 20, 50, 100, 200, 500, 1000, 2000, 5000 u. s. w. Im er st er en Falle erh\u00e4lt man s\u00e4mtliche aufeinander folgende Beizverh\u00e4ltnisse, die eben verschiedene Empfindungen ausl\u00f6sen. Diesen entsprechen ebensoviele Empfin dungs Verh\u00e4ltnisse oder Empfindungsunterschiede oder Empfin dungs ver-\n1\tA. a. O. \u00a7 30.\n2\tWukdt, Thilos. Stud. X. S. 152.","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nJulius Merkel.\nschiedenheiten. Ich nenne sie Empfindungsstufen oder Merk-lichkeitsstufen der Empfindung, ohne \u00fcber ihren Inhalt etwas auszusagen. Hat man die Versuche aber nur bei den genannten 12 Eeizen ausgef\u00fchrt und will man wissen, ob eine beliebige Empfindungsstufe noch in das untersuchte Gebiet geh\u00f6rt, so .wendet man Formel F) an. F\u00fcr n = 2, 5, 10, 20, 50 giebt diese Formel folgende Schallreize: 1,69; 3,71; 13,8; 190; 497800. Hier w\u00fcrde also bereits der 50. Empfindungsstufe ein Eeiz entsprechen, der aufserhalb des untersuchten Gebietes liegt. Anders bei Lichtreizen, hier giebt die genannte Formel f\u00fcr n \u2014 5, 10, 50, 100, 200 die Werte: 1,28; 1,63; 11,5; 132 und 17300; es liegt also erst der der 200. Empfindungsstufe entsprechende Eeiz aufserhalb des oben genannten Gebietes.\nEs kommt also gerade wesentlich auf den Wert q an, den .man entweder gar nicht, oder nicht in der erforderlichen Weise ber\u00fccksichtigt hat. F\u00fcr JE \u2014 0, B \u2014 1, s= 1 giebt Formel D):\nG) En = V \\ log?\nwelche mit der von mir1 abgeleiteten logarithmischen Formel \u00fcbereinstimmt. Sie dient dazu, um f\u00fcr irgend einen Eeiz die zugeh\u00f6rige Empfindungsstufe zu berechnen. F\u00fcr die Schallreize 2,10, 100, 1000, 5000 giebt sie die Werte: 2,6; 8,8; 17,6; 26,3 und 32,5; f\u00fcr dieselben Lichtreize jedoch: 14,2; 47,2; 94,4; 142 und 175. Um also das Gebiet von 1 bis 5000 vollst\u00e4ndig zu untersuchen, m\u00fcfste man die Versuche \u00fcber das WEBE\u00dfsche Gesetz bei Schallreizen f\u00fcr 32 Eeize, bei Lichtreizen aber f\u00fcr 175 Eeize ausf\u00fchren.\nWenn ich an Formel G) dieselben Anforderungen stellen wollte, \u201edie man sich nun einmal an diese Formeln zu stellen gew\u00f6hnt hat\u201c, so w\u00fcrde ich folgern m\u00fcssen:\nDem Eeize 2 entspricht einmal die Empfindung 2,6, das andere Mal die Empfindung 14,2, dem Eeize 5000 aber entsprechen die Empfindungen 32,5 und 175. W\u00e4hrend die Eeize den 2500fachen Wert erreichen, steigen die Empfindungen nur auf das 12,3fache.\nUnbegreiflich ist hier zun\u00e4chst, dafs dem Eeize 2 die\n1 Wundt, Philos. Stud. X. S. 152.","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Die Abh\u00e4ngigkeit. zwischen Beiz und Empfindung.\ngr\u00f6fseren Empfindungen 2,6 bezw. 14,2 entsprechen sollen, doch hier k\u00f6nnte man entgegnen, diese Unbegreiflichkeit k\u00f6nne dadurch beseitigt werden, dafs man dem s f\u00fcr verschiedene Sinnesgebiete verschiedene Werte beilege. Meines Erachtens k\u00f6nnte man mit demselben Rechte vermuten, s, d. h. der Wert der eben merklichen Verschiedenheit, m\u00fcsse f\u00fcr verschiedene Sinnesgebiete gleich grofs sein. Die Unbegreiflichkeit liegt weiter vor allem darin, dafs dem 2500fachen des Reizes nur das 12,3fache der Empfindung gegen\u00fcberstehen solle.\nDie Formel :\nlog B + 4 ^\t0,0414\t\u2019\nwelche Che. Wxenee1 f\u00fcr den absoluten Wert der Empfindungsst\u00e4rke aufstellt, liefert f\u00fcr R \u2014 2 und R1 = 5000 die Werte E \u2014 103,9 und E1 = 186, also noch nicht den doppelten Betrag; die Formel E) von Meinong liefert f\u00fcr die Gr\u00f6fsen-verschiedenheit der durch die genannten Reize verursachten Empfindungen den Wert 11,3.\nDafs alle diese Werte nicht nur unbegreiflich, sondern thats\u00e4chlich unrichtig sind, dafs man die Gr\u00f6fsenverschieden-heiten nicht in dieser Weise beurteilt, liegt auf der Hand.\nDagegen haben die aus Formel G) sich ergebenden Werte, als Empfindungsstufen aufgefafst, ihre unantastbare Bedeutung. Geht man bei Schallreizen von dem Reize 1 aus, so w\u00fcrde man bei Ausf\u00fchrung der WEBEEschen Versuche zun\u00e4chst 1,3 erhalten, dann 1,69, dann 2,2 u. s. w. Der Reiz 2 liegt also zwischen der zweiten und dritten Empfindungsstufe, die Formel G ergiebt dementsprechend auch den Wert 2,6.\nWichtig ist vor allem auch, dafs dem Reizgebiet bis 5000 bei Schallempfindungen nur 32, bei Lichtempfindungen aber 175 Stufen entsprechen. Die Zahl der Empfindungsstufen f\u00fcr ein bestimmtes Reizintervall ist also um so gr\u00f6fser, je kleiner die Schwelle ist. W\u00e4re die Schwelle 0, oder q = 1, so w\u00fcrde En unendlich grofs werden. Dann k\u00f6nnte man nur auf Proportionalit\u00e4t zwischen Reiz und Empfindung schliefsen.\nZum Schlufs kritisiert Meinong den von mir gegen\u00fcber der Verh\u00e4ltnishypothese eingenommenen Standpunkt und kommt\n1 Ann. d. JPhys. u. Chem. N. F. XLVII. S. 659.","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nJulius Merkel.\nzu dem Ergebnis: \u201eSo wird es doch wohl mehr sein als Voreingenommenheit f\u00fcr die eigene Ansicht, wenn ich trotz der MERKELschen Versuche die Verschiedenheits- gegen\u00fcber der Differenzannahme in erheblichem Vorteile finde. Die Verschiedenheitsannahme hat die Theorie des Vergleichens, sie hat zugleich die Thatsachen der relativen Unterschiedsempfindlichkeit in Bezug auf die Schwelle oder \u00dcbermerkliches uneingeschr\u00e4nkt und ohne H\u00fclfshypothesen f\u00fcr sich und ist mit den Thatsachen der Konstanz des absoluten Beizunterschiedes bei Merkels Mittensch\u00e4tzungen durch die Vermutung in Einklang zu bringen, dafs hier statt der Distanzen Strecken verglichen werden, bei denen an Stelle der einfachen Vergleichung die Teilvergleichung eintreten und dadurch der Unterschied im eigentlichen Wortsinne zu seinem Bechte gelangen kann. Vielleicht treffe ich, wie \u00fcbrigens schon ber\u00fchrt, doch auch wieder einigermafsen mit der Meinung Merkels zusammen, der wiederholt die Beurteilung \u201enach Unterschieden\u201c und die Beurteilung nach Verh\u00e4ltnissen auseinanderh\u00e4lt.\u201c\nIch glaube die Differenzpunkte zwischen unseren Ansichten am besten dadurch hervorzuheben, dafs ich meinen Standpunkt nochmals im Zusammenh\u00e4nge entwickele. Zudem d\u00fcrfte vielleicht die Mitteilung der Hauptformeln der im Folgenden zu charakterisierenden Methode manchem Leser dieser Zeitschrift erw\u00fcnscht sein.\nIch beginne mit den Versuchen, welche die G\u00fcltigkeit des WEBERschen Gesetzes in Bezug auf die Schwelle zu erweisen suchen. Hier ergeben sich in verschiedenen Beizgebieten f\u00fcr gewisse Beizintervalle bei eben unterscheidbaren Empfindungen\nEs fragt sich nun, wie sich die entsprechenden Empfindungen\nverhalten; offenbar wird jedem Beizverh\u00e4ltnis ein Empfindungs-\n. E\t..\nVerh\u00e4ltnis \u2014 c entsprechen, dessen Wert jedoch unbekannt\nist. Bei dieser Annahme ergiebt sich f\u00fcr En die Formel:1\nn\n1 Wundt, Philos. Stud. X, S. 156.","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Die Abh\u00e4ngigkeit zwischen Beiz und Empfindung.\n235\nE IE \\s\nMan kann aber ebensowohl die Annahme ~ \u2014 machen, welche zu der Gleichung:\nK) En = K\nf\u00fchrt. Uber die Werte von r\\ und e geben die WEBERschen Versuche keinerlei Aufschl\u00fcsse, sie setzen nur konstante Werte f\u00fcr t\\ und s voraus.\nDiese Formeln lassen sich vom rein mathematischen Standpunkte aus zun\u00e4chst noch etwas genauer pr\u00fcfen. Die erste giebt f\u00fcr ij \u2014 Iden Wert En \u2014 _\u00dfn,also Proportionalit\u00e4t zwischen\nReiz und Empfindung, f\u00fcr r\\ = ~ aber En \u2014 1, und zwar f\u00fcr\n(J\njedes beliebige B. (Die zweite Formel giebt die n\u00e4mlichen Werte f\u00fcr s = 1 und s \u2014 0.) Ist aber f\u00fcr jedes B der Wert\nE\nE\u2014 1, so mufs auch: \u2014J = 1 sein. Thats\u00e4chlich w\u00fcrde hieraus\nE\nhervorgehen, dafs auf Grund der gemachten Annahme eine Zunahme der Empfindung gar nicht stattfinde. F\u00fcr p <C -i oder\nG\nE B\ns *< 0 w\u00fcrde sogar >> werden, was ebenso ungereimt w\u00e4re.\nDieses Fehlschlagen w\u00fcrde aber darauf hinweisen, dafs die Verh\u00e4ltnishypothese durch die Unterschiedshypothese ersetzt werden mtifste, die dann zur logarithmischen Abh\u00e4ngigkeit f\u00fchren w\u00fcrde.\nF\u00fcr welche Annahme sprechen aber die bei den Versuchen\ngewonnenen Erfahrungen? Meine neuesten Versuche \u00fcber das\nWEBERsche Gesetz lassen mich vermuten, dafs wir in einzelnen\nSinnesgebieten die Verschiedenheiten thats\u00e4chlich nach den\neinzelnen Verh\u00e4ltnissen beurteilen. Bei Anwendung der Methode\nder Gleichheits- und Ungleichheitsf\u00e4lle habe ich n\u00e4mlich bei\nSchallreizen, Druckreizen, Lichtreizen und im Gebiete des\nRaummafises zum Teil wesentlich kleinere Schwellen erhalten,\nals fr\u00fcher bei der Methode der Minimal\u00e4nderungen. Ich glaube,\ndafs man bei letzterer Methode nicht den Punkt bestimmt, bei\n*\nwelchem die Verschiedenheit gerade beginnt, sondern einen Punkt, bei welchem das Empfindungsverh\u00e4ltnis einengewissen, wenn auch kleinen Wert erreicht hat. Nur wird dieser bei verschiedenen","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nJulius Merkel.\nAnsgangsreizen m\u00f6glichst konstant erhalten. Eine sichere Entscheidung ist mir indes bei diesen Versuchen noch nicht m\u00f6glich geworden.\nSprechen also schon diese Versuche jedenfalls in st\u00e4rkerem Grade f\u00fcr die Verh\u00e4ltnishypothese als f\u00fcr die Unterschiedshypothese, so ist das in h\u00f6herem Grade der Fall bei allen Versuchen, welche sich auf \u00fcbermerkliche Heize beziehen. Ich denke da in erster Linie an M\u00fcnsterbergs Versuche und an die Versuche nach der Methode der doppelten Heize von An gell1 \u201eund mir.2\nVon allen diesen Versuchen w\u00fcrden aber nur die nach der Methode der doppelten Heize eine Berechnung von s gestatten, wenn es m\u00f6glich w\u00e4re, die doppelte Empfindung genau abzusch\u00e4tzen. Ich habe diese Versuche indes lediglich ausgef\u00fchrt, um \u00fcber die FECHNERsche Formel zu entscheiden. Angenommen, sie sei richtig, dann m\u00fcfsten nach dieser Methode der Reihe nach die Reizverh\u00e4ltnisse 2, 4, 16, 256, 65 536 u. s. w. f\u00fcr das konstante Empfindungsverh\u00e4ltnis 2 sich ergeben. F\u00fcr dieses EmpfindungsVerh\u00e4ltnis ist aber niemals der \"Wert 4 als Heizverh\u00e4ltnis erreicht worden, f\u00fcr welchen s erst 0,5 betragen w\u00fcrde.\nDie eben genannten, von vornherein schon unbegreiflichen Werte, wie denn \u00fcberhaupt die Unm\u00f6glichkeiten, welche bereits fr\u00fcher aus dem logarithmischen Gesetz abgeleitet wurden, sprechen in letzter Linie gegen die Unterschiedshypothese und f\u00fcr die Verh\u00e4ltnishypothese zur Messung der Verschiedenheiten eben merklicher Empfindungen.\nIch komme zur Methode der mittleren Heize. In Bezug auf diese werde ich immer mehr in der \u00dcberzeugung best\u00e4rkt, dafs alle meine Vorg\u00e4nger die Beurteilung in anderer Weise ausgef\u00fchrt haben als ich. Sind die drei Heize Bu Bm und _\u00df0, so vermute ich, dafs man erst die beiden Heize Bm und Bu f\u00fcr sich beurteilt hat und dann die beiden Heize B0 und Bm) und dafs man dann erst \u00fcber Verschiedenheit oder Gleichheit entschieden hat. Dann liegt es, mit R\u00fccksicht auf das \u00fcber die WEBERschen Versuche Gesagte, n\u00e4her, dafs man die Verh\u00e4ltnisse B B\n~ und \u201cbeurteilt hat, aber nicht die Unterschiede Bm\u2014Bu und\n1\tW\u00fcndt, Philos. Stud, vn, S. 468.\n2\tEbenda IV, S. 562, V, S. 264, 515.","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Die Abh\u00e4ngigkeit zwischen Beiz und Empfindung.\n237\nB0\u2014~Bm. Zudem sind diese Versuche zum Teil f\u00fcr zu wenig verschiedene Werte von B0 und Bu ausgef\u00fchrt worden, so dafs sich arithmetisches und geometrisches Mittel nur wenig unterscheiden, zum Teil gerade f\u00fcr Werte, welche eine Beurteilung nach Verh\u00e4ltnissen beg\u00fcnstigen; wie z. B. f\u00fcr Bu \u2014 la und B0 = 4a, wo die Verh\u00e4ltnisse 2 sind. Gesetzt aber, es w\u00e4ren wirklich die Verh\u00e4ltnisse beurteilt worden, so kann immer noch\nExponent s in der Gleichung E=Be bliebe ebenfalls wieder unbekannt. Ich bemerke ausdr\u00fccklich, dafs mir diese Beurteilungsweise bei Benutzung dreier Beize nicht gelingen' will und dafs sich mir das folgende Verfahren von vornherein als das naturgem\u00e4fse und wesentlich leichter durchf\u00fchrbare aufgedr\u00e4ngt hat. Ich lasse die. drei Beize aufeinander folgen, beurteile jeden einzelnen f\u00fcr sich und entscheide dann m\u00f6glichst rasch, ob der Beiz Bm dem einen oder anderen Grenz-\nBe\n\\B,\ngesetzt werden, und der\n\nstatt ]i\u2122 = ~ der Wert\nreize n\u00e4her lag, oder ob er die Mitte einzunehmen schien. Eine Vergleichung von Strecken oder eine Superposition, wie Meinong- vermutet, findet hierbei sicher nicht statt, das w\u00e4re bei intensiven Empfindungen gar nicht denkbar. Auch . Angell hat erst die arithmetischen Mittel erhalten und erst nach vielfachen Bem\u00fchungen und wesentlichen \u00c4nderungen der Methode die geometrischen Mittel erreicht. Selbst im Gebiete des Baummafses l\u00e4fst sich eine solche Beurteilung der beiden Differenzen vermeiden, wie mich bereits Versuche gelehrt haben, die vor dem Erscheinen der Abhandlungen von Meinong und Witasek1 ausgef\u00fchrt wurden.\nDa ich nun bei solchen Versuchen f\u00fcr drei Gattungen intensiver Beize und neuerdings auch f\u00fcr Baumstrecken bei\nwenig verschiedenen Werten von B0 und Bu die arithmetischen Mittel erhielt, da ich weiter bei gr\u00f6fseren Verschiedenheiten der Grenzreize Werte erhielt, die dem arithmetischen Mittel viel n\u00e4her lagen, als dem geometrischen, so war die Aufstellung der folgenden Gleichung theoretisch berechtigt und praktisch gefordert:\nL) Bf\nBf + RS\n2\n1 Versuche \u00fcber das Vergleichen von Winkelverschiedenheiten, Diese Zeitschr. XI. S. 321.","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\tJulius Merkel.\nr\nDiese Gleichung gestattet die Berechnung von s unter Benutzung des H\u00fclfswinkels X nach der Formel :\n2 log sin X 0,301 J \u2022 _ log B. \u2014 log Bm \u25a0\nUm X zu bestimmen, setze man:\n. . log sin X -f 0,1505 log cos X -f- 0,1505\nund berechne aus dieser Gleichung f\u00fcr X = 45\u00b0 bis 90\u00b0 den Wert A1. F\u00fcr den jeweils erhaltenen Wert llm bestimme man A aus der Gleichung:\n0V A \u2014 _ log \u2014 log jv\n1 ^\tlog Ba - log BJ\nentnehme aus der Tabelle f\u00fcr die A1 den entsprechenden Wert X und bestimme e aus der Gleichung M).\nDiese Gleichung liefert aber f\u00fcr solche Werte von Uu) Jim und B01 welche eine arithmetische Beihe bilden, den Wert \u20ac = lj wie von vornherein erwartet werden mufs; f\u00fcr solche Werte aber, welche eine geometrische Beihe bilden, thats\u00e4ch-lich den Wert e = 0. Hierin liegt die Bedeutung des Wertes \u00a3 = 0, den Meinong f\u00fcr unzul\u00e4ssig erkl\u00e4rt. Da er erhalten wird, wenn die Beize eine geometrische Beihe bilden, wird man wieder auf die logarithmische Formel gef\u00fchrt, gegen die alle meine Versuche nach der Methode der mittleren Beize sprechen. Gerade, weil der Wert \u20ac = 0 niemals erreicht wurde und weil s = 1 sich nur unter gewissen Bedingungen ergab, ist die Anwendung der Formel L) einzig und allein berechtigt. Es gereicht ihr \u00fcberhaupt nur zum Vorteil, dafs sie zugleich das Kriterium enth\u00e4lt, welches auf die Unterschiedshypothese und die logarithmische Abh\u00e4ngigkeit hinf\u00fchrt.2\n1 Tabelle hierzu siehe Philos. Stud. X. S. 147.\n* Die unter der Annahme s == 0 ausgef\u00fchrte Ableitung der Fechker-schen Fundamentalformel halte auch ich nicht f\u00fcr streng, wiewohl das Ergebnis richtig ist. Ich sage an der betreffenden Stelle (Philos. Stud. X. S. 142) seihst : \u201eDie Bedenken, welche sich gegen die \u00dcberf\u00fchrung in die Differentialformeln und gegen die Konstantenbestimmung erheben lassen, sollen im n\u00e4chsten Abschnitt er\u00f6rtert werden.\u201c Mit Differentialen bezw. unendlich kleinen Gr\u00f6fsen l\u00e4fst sich eben gelegentlich auf nicht streng richtigem Wege etwas Brauchbares ableiten.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Die Abh\u00e4ngigkeit zwischen Beiz und Empfindung.\n239\nDiejenigen meiner Versuche, welchen gerade die meiste Bedeutung beizumessen ist, da bei ihnen die st\u00f6renden Kontrasteinfl\u00fcsse jedenfalls am wenigsten zur Geltung kamen, haben in allen Sinnesgebieten f\u00fcr s den Wert 1 ergeben. Es waren die Versuchsreihen, bei denen das Verh\u00e4ltnis zwischen B0 und Bu den Wert 5 nicht \u00fcberschritt. Da nun f\u00fcr solche Beiz-verschiedenheiten Proportionalit\u00e4t zwischen Beiz und Empfindung sich ergab, d\u00fcrften diese Versuche von neuem f\u00fcr die G\u00fcltigkeit der Verh\u00e4ltnishypothese bei den WEBEEschen Versuchen sprechen. Denn bei letzteren geben die zwei jeweils in Frage kommenden Beize ein wesentlich kleineres Verh\u00e4ltnis als 5, so dafs also Kontrasteinfl\u00fcsse in st\u00e4rkerem Mafse ausgeschlossen, bezw. besser eliminiert werden k\u00f6nhen. F\u00fcr \u00a3 ist zugleich auch bei den WEBEEschen Versuchen der Wert 1 anzunehmen, da sie nur in diesem Falle Proportionalit\u00e4t zwischen Beiz und Empfindung ergeben.\nUnterscheiden sich die Werte B0 und Bu in h\u00f6herem Mafse, so treten zun\u00e4chst Kontrastwirkungen auf ; namentlich erscheint bei der Zeitfolge B0 Bm Bu der letzte Beiz bedeutend in seiner St\u00e4rke herabgesetzt. Bei wesentlich verschiedenen Werten der Grenzreize scheint dann eine teilweise Beurteilung nach Verh\u00e4ltnissen sich Geltung zu verschaffen.Immerhin aber sprechen auch diese Versuche keineswegs zuGunsten des logarithmischenGesetzes. Gerade weil bei ihnen der Unterschied zwischen geometrischem und arithmetischem Mittel ganz bedeutend ist, tritt die Abweichung der Bm vom geometrischen Mittel unzweifelhaft zu Tage. Ich habe auch versucht, die Einfl\u00fcsse der Zeitfolge und des Kontrastes auf anderem Wege zu ermitteln.1 Das Hineinspielen der Beurteilung nach Verh\u00e4ltnissen kann nur in der Verkleinerung der s zur Darstellung kommen.\nSo lassen diese Versuche erkennen, dafs bei der Methode der mittleren Beize eine Beurteilung gleicher Verschiedenheiten eintreten kann, welchen gleiche Unterschiede oder Differenzen der Beize entsprechen. Ich glaube auch nicht, dafs das von Meinong oft benutzte Beispiel allgemein best\u00e4tigt werden d\u00fcrfte, nach welchem die Verschiedenheit zwischen 1 und 2 cm gleich derjenigen zwischen 2 und 4 cm .sein soll. F\u00fcr gr\u00f6fsere Verschiedenheiten (z. B. 1 und 5 cm und 5 und 25 cm) gilt\n1 Philos. Stud. X, S. 380 f.","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nJulius Merkel.\ndas zweifellos nicht mehr. Falls aber nnr zwei Reize in Frage kommen, d\u00fcrfte eine Beurteilung der Verschiedenheit nach dem Unterschiede erst in zweiter Linie*,, die Beurteilung nach dem Verh\u00e4ltnis aber in erster Linie in Frage kommen. Ich gebe zur Begr\u00fcndung dessen eine Ableitung, der ich selbst zwingende Kraft nicht beimesse. Da offenbar durch die verschiedenen Umwandlungen und Widerst\u00e4nde, welche der Reiz erf\u00e4hrt, die intensive Empfindung auch f\u00fcr s = 1 nicht gleich dem Reize sein kann, mufs man E==p R setzen, worin p ein echter Bruch ist. Handelt es sich nun um die Beurteilung der Verschiedenheit zweier Reize, so kann einmal als Mafs der Unterschied :\nE\u00b1 \u2014 E = p (R1 \u2014 R)\nin Frage kommen, das andere Mal das Verh\u00e4ltnis:\nE1 p R\u00b1_____R1\n~\u00eb = ~pR=\u00b1=W\nDas Verh\u00e4ltnis der Empfindungen ist also gleich dem Verh\u00e4ltnis der Reize; die Differenz der Empfindungen aber gleich der Differenz der Reize multipliziert mit dem unbekannten Faktor p. K\u00f6nnte nicht hierin vielleicht die Bevorzugung des Verh\u00e4ltnisses als Mafs f\u00fcr die Verschiedenheit zweier Reize begr\u00fcndet liegen?\nNach meinen neuesten Erfahrungen kann ich auf G-rund der Selbstbeobachtung wohl als sicheres Ergebnis hinstellen, dafs mir eine Beurteilung der Differenz nicht m\u00f6glich ist, also eine Auffassung von D in dem Ausdrucke D = p [Rt \u2014 R). Ich beurteile die einzelnen Reize und vermag dann eben nur \u00fcber p Rt und p R auszusagen, ob diese Empfindungen wenig oder ziemlich oder sehr verschieden waren, vor allem w\u00fcfste ich die Verschiedenheiten nicht durch Zahlen zum Ausdruck zu bringen. Genauer gelingt mir die Angabe des Verh\u00e4ltnisses, nat\u00fcrlich auch nur angen\u00e4hert. Ich sch\u00e4tze also etwa die zweite Empfindung f\u00fcr nahezu doppelt so stark als die erste, oder 4 bis 6 mal so stark oder 10 bis 15 mal so stark u. s. w., so dafs also der richtige Wert innerhalb dieser sich erweiternden Grenzen liegt.\nAnders und wesentlich leichter gestalten sich die Dinge, wenn es sich nicht mehr um die Beurteilung der Verschieden-","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"Die Abh\u00e4ngigkeit zwischen Beiz und Empfindung.\n241\nheit zweier Reize handelt, sondern um die Konstatierung der Gleichheit oder Verschiedenheit zweier Empfindungsunterschiede oder zweier Empfindungsverh\u00e4ltnisse. Hier f\u00e4llt beiderseits in den mathemathischen Ausdr\u00fccken p fort. Diese Entscheidungen lassen sich treffen, ohne dafs man die Gr\u00f6fse jedes einzelnen Unterschiedes oder Verh\u00e4ltnisses zu beurteilen vermag. Daher erkl\u00e4rt sich vor allem der Vorteil der von mir charakterisierten Methode der mittleren Reize !\nNach meinen Erfahrungen, die indes hier noch nicht abgeschlossen sind, ist die erste Aufgabe leichter als die zweite, vor allem deshalb, weil sie bereits bei drei Reizen ausf\u00fchrbar ist (mithin auch schon in technischer Beziehung), w\u00e4hrend die andere besser mit vier Reizen arbeitet.\nIn einer eingehenden Besprechung meiner Arbeiten von Victor Henri1 wurde n gegen die Aufstellung der Formel L) Bedenken erhoben, die im Vorstehenden zugleich beseitigt worden sein d\u00fcrften. Der Verfasser erblickt den Hauptwert meiner Abhandlungen in dem Nachweise, dafs die FECHNERsche Formel nicht exakt sein k\u00f6nne. Die Formel JE=pHe aber h\u00e4lt er lediglich f\u00fcr eine Hypothese. Ich kann dem nicht zustimmen. Ist s auf Grund der Gleichung L) ermittelt, so giebt die eben genannte Formel eben thats\u00e4chlich auf Grund der Versuche Auskunft \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit zwischen Reiz und Empfindung. Eine absolute Gr\u00f6fsenbestimmung der Empfindungen halte freilich auch ich f\u00fcr unm\u00f6glich. F\u00fcr die Reizgebiete also, f\u00fcr welche s konstant sich erweist, wachsen die Empfindungen proportional mit den Reizen; nehmen aber von einer bestimmten Grenze an die s ab, so wachsen die Empfindungen langsamer als die Reize. Es k\u00f6nnte aber ebensowohl eine Zunahme von s eintreten, wie z. B. beim \u00dcbergang einer gew\u00f6hnlichen Druckempfindung in eine Schmerzempfindung.\nW\u00fcnschenswert w\u00e4re es aber vor allem, wenn auch von anderer Seite der Wert s auf Grund der angegebenen Formeln nach der Methode der mittleren Reize gepr\u00fcft w\u00fcrde; wenn man sich namentlich auch damit befassen wollte, diejenigen Reizgebiete zu erforschen, f\u00fcr welche das Webers che Gesetz nicht gilt. (Vielleicht bieten hierzu meine Abhandlungen \u00fcber : \u201eTheoretische und experimentelle Begr\u00fcndung der Fehler-\n1 Ann\u00e9e psychol. II, 1895, S. 751\u2014764.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XII.\n16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nJulius Merkel.\nmethoden\u201c,1 2 \u201eDie Methode der mittleren Fehler, experimentell begr\u00fcndet durch Versuche aus dem G-ebiete des Raummafsesa2\nM\nund die fr\u00fcher erw\u00e4hnte Abhandlung \u201eUber die Aufgaben und Methoden der Psychologie in der Gegenwart^ einige Anweisungen \u00fcber die einzuschlagende Methode und die Berechnung der Versuchsergebnisse.) Namentlich in den zuletzt genannten Gebieten kann man eine Vertiefung und Erweiterung unserer psychologischen Erkenntnisse erwarten!\nIeh gebe mich der Hoffnung hin, dafs man sich endlich entschliefsen wird, die Logarithmenformel mit ihrem Kardinalwerte der Empfindung in jedweder Gestalt, in der sie \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit zwischen Reiz und Empfindung oder \u00fcber die Gr\u00f6fsenverschiedenheit zweier Empfindungen oder gar \u00fcber die absolute Empfindungsst\u00e4rke Auskunft geben soll, \u00fcber Bord zu werfen, und dafs man lediglich die yon mir gegebene Form beibehalten wird, die nur eine Verallgemeinerung der That-sachen des WEBE\u00dfschen Gesetzes bezweckt.\nIch leitete meine Abhandlungen \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit zwischen Reiz und Empfindung vor etwa 10 Jahren mit den Dichterworten ein:\n\u201eDer Worte sind genug gewechselt,\nLafst mich nun endlich Thaten seh\u2019n! :\nich mufs jetzt mit Bedauern sagen, dafs dieser Wunsch nicht in Erf\u00fcllung gegangen ist. Geschrieben hat man zwar in dem letzten Jahrzehnt \u00fcber den fraglichen Gegenstand wiederum sehr vieles, aber entscheidende Versuche sind mir nicht bekannt geworden.\n1\tWundt, Philos. Stud. VII, S. 558 f., VIII, S. 97 f.\n2\tEbenda IX, S. 53 f., 176 f., 400 f.","page":242}],"identifier":"lit36204","issued":"1896","language":"de","pages":"226-242","startpages":"226","title":"Die Abh\u00e4ngigkeit zwischen Reiz und Empfindung","type":"Journal Article","volume":"12"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:29:00.172137+00:00"}