Open Access
{"created":"2022-01-31T16:45:09.638970+00:00","id":"lit36205","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Guillery","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 12: 243-274","fulltext":[{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"Vergleichende Untersuchungen \u00fcber Raum-, Licht- und Farbensinn in Zentrum und Peripherie\nder Netzhaut.\nVon\nDr. Guilleky,\nStabsarzt in K\u00f6ln.\n(Mit 4 Kurven im Text.)\nDer anatomische Bau der Netzhaut und die Uerschieden-artigkeit derjenigen Gebilde, die wir als die lichtempfindenden ansehen, hat schon oft zu dem Versuche angeregt, die einzelnen Qualit\u00e4ten der Wahrnehmungen unseres Sehorganes mit bestimmten Formen jener Gebilde zu verkn\u00fcpfen. Die schon bei gr\u00f6berer Betrachtung in die Augen fallende ungleichm\u00e4fsige Verteilung der St\u00e4bchen und Zapfen \u00fcber die Netzhaut Oberfl\u00e4che und die Ausnahmestellung, welche das Zentrum einnimmt durch das ausschliefsliche Vorhandensein der letzteren, schien zu der Hoffnung zu berechtigen, dafs man \u00fcber die Bedeutung dieser Teile Aufschlufs w\u00fcrde gewinnen k\u00f6nnen durch sorgf\u00e4ltigen Vergleich der physiologischen Leistungen von Zentrum und Peripherie. Fanden sich hier prinzipielle Unterschiede , so lag es nahe, dieselben auf die erw\u00e4hnten anatomischen Verh\u00e4ltnisse zur\u00fcckzuf\u00fchren. Leider kann man nicht sagen, dafs es bis jetzt gelungen w\u00e4re, die anatomische Struktur der Netzhaut mit ihrer physiologischen Th\u00e4tigkeit in Einklang zu bringen, denn so oft einzelne Forscher solche Unterschiede gefunden haben wollten, sind diese von anderer Seite wieder bestritten, und behauptet, dafs es sich hier nur um quantitative Differenzen handeln k\u00f6nne, im \u00fcbrigen aber das Zentrum dieselben Empfindungen habe, wie die Peripherie, und umgekehrt.\n16*","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nGuillery.\nDer einzige Unterschied, der sich einer gewissen Anerkennung zu erfreuen hat, d\u00fcrfte die Farbenblindheit der \u00e4ufseren Netzhautzonen sein, wenn auch selbst diese nicht ein wandsfrei geblieben ist, da sie von manchen Autoren nur auf ungen\u00fcgende Gr\u00f6fse und Lichtintensit\u00e4t der Untersuchungsobjekte zur\u00fcckgef\u00fchrt wird.\nWir wissen, dafs jede optische Wahrnehmung eines Gegenstandes der Aufsenwelt gebunden ist an eine gewisse Gr\u00f6fse der erregten Netzhautfl\u00e4che, und k\u00f6nnen durch Zugrundelegen der Werte des reduzierten Auges diese Gr\u00f6fse leicht ermitteln. Vergleichen wir diese letzteren an verschiedenen Stellen der Netzhautoberfl\u00e4che, so gewinnen wir dadurch einen Ausdruck f\u00fcr das mehr oder weniger zahlreiche Vorhandensein der die betreffende Empfindung ausl\u00f6senden Elemente an den untersuchten Stellen. Nehmen wir an, einzelne Empfindungsqualit\u00e4ten, z. B. die blofse Helligkeitsempfindung einer-, die Farbenempfindung andererseits, seien an bestimmte Teile gebunden, so erh\u00e4lt man \u00fcber die anatomische Verteilung der letzteren ein Urteil, indem man, bei im \u00fcbrigen unver\u00e4nderter Beschaffenheit des erregenden Objektes, die Gr\u00f6fse desselben in Betracht zieht, die erforderlich ist, um die betreffende Wahrnehmung an verschiedenen Punkten der Netzhaut hervorzurufen. So l\u00e4fst sich feststellen, eine wie gr\u00f6fse Fl\u00e4che erforderlich ist, um eine Farbe von bestimmtem Tone und bestimmter S\u00e4ttigung zentral eben noch zu erkennen, und dieselbe Untersuchung auf beliebig viele Punkte der Peripherie ausdehnen, sowie auf beliebig viele Farben. Diese Pr\u00fcfung wird f\u00fcr die verschiedenen Farbent\u00f6ne ungleich ausfallen, da wir wissen, dafs die Empfindlichkeit des Auges nicht f\u00fcr alle Farben die n\u00e4mliche ist. Der Vergleich der gefundenen Werte giebt uns Aufschlufs dar\u00fcber, ob die r\u00e4umliche Verteilung der den betreffenden Empfindungen zu Grunde liegenden Elemente (seien es nun anatomische oder chemische) \u00fcber die ganze Netzhaut eine relativ gleiche ist. Die Ausdehnung derjenigen Fl\u00e4che, welche erforderlich ist, um die Empfindung \u00fcber die Schwelle zu bringen, mufs im umgekehrten Verh\u00e4ltnisse stehen zu dem Vorhandensein der anatomischen Teile, an welche sie gebunden ist, oder derjenigen Stoffe, welche die Empfindlichkeit dieser Teile bedingen.\nH\u00e4tten wir, um eine beliebige Gr\u00f6fse zu w\u00e4hlen, gefunden, dafs die Blauempfindung im Zentrum eine doppelt so gr\u00f6fse","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Baum-, Licht- und Farbensinn der Netzhaut.\t245\nFl\u00e4che beansprucht, als diejenige, welche f\u00fcr Eot erforderlich ist, und dafs dieses Verh\u00e4ltnis im ganzen Gebiete der Netzhaut dasselbe bleibt, so sind wir zu dem Schl\u00fcsse berechtigt, dafs auch die anatomische Anordnung der betreffenden Elemente eine analoge ist. Welcher Art diese letzteren sind, kann vorl\u00e4ufig unentschieden bleiben. Die Gleichheit der \u00e4ufseren Form beweist nicht, dafs die physiologische Leistungsf\u00e4higkeit auch dieselbe ist, so dafs man annehmen m\u00fcfste, dafs etwa alle St\u00e4bchen u. s. w. \u00fcberall dieselbe Funktion haben. Es ist ja m\u00f6glich, dafs die f\u00fcr unsere jetzigen Untersuchungsmittel anscheinend gleichartigen Elemente doch feinere Verschiedenheiten ihres Baues oder ihrer chemischen Zusammensetzung besitzen, die sie zu der Fortpflanzung der ihnen zugehenden Erregungen in ungleichem Mafse bef\u00e4higen.\nDieselbe Untersuchung l\u00e4fst sich, ebenso wie f\u00fcr die Farben, auch durchf\u00fchren f\u00fcr die einfache Helligkeit semp fin dung. Wir nehmen zwei Fl\u00e4chen von einem bestimmten Helligkeitsunterschiede und stellen fest, welche Ausdehnung wir denselben f\u00fcr die verschiedenen Netzhautstellen geben m\u00fcssen, damit ihr Unterschied eben noch erkannt wird. Findet sich z. B., dafs diese Gr\u00f6fse nach der Peripherie nicht in demselben Sinne w\u00e4chst, wie wir es f\u00fcr die Farbenempfindung festgestellt haben, so w\u00fcrde daraus der Schlufs zu ziehen sein, dafs die Elemente f\u00fcr Farben- und Helligkeitsempfindung nicht in demselben Verh\u00e4ltnisse in der Netzhaut verteilt, also diese beiden Empfindungsqualit\u00e4ten wohl auch nicht an dieselben Elemente gebunden sind. Wir m\u00fcfsten denn annehmen, dafs die Empfindlichkeitskurve f\u00fcr jeden der beiden Heize in demselben Substrate (anatomischen oder chemischen) sich in verschiedenem Sinne ver\u00e4ndert, was aber doch auch nur denkbar w\u00e4re bei einer entsprechenden \u00c4nderung dieses Substrates selbst.\nEinen bequemen Mafsstab f\u00fcr den Vergleich dieser verschiedenen Werte w\u00fcrde die Gr\u00f6fse des \u201ephysiologischen Punktes\u201c (Aubebt) darstellen, d. h. der geringsten Ausdehnung des eben wahrnehmbaren Netzhautbildchens. Es ist diese Gr\u00f6fse f\u00fcr jede beliebige Netzhautstelle immer leicht zu ermitteln durch allm\u00e4hliche Ann\u00e4herung kleiner dunkler Objekte auf hellem Hintergr\u00fcnde. Setzt man dieselbe = 1 und vergleicht damit die Gr\u00f6fse derjenigen Fl\u00e4chen, die f\u00fcr die anderen Wahrnehmungen erforderlich sind, so mufs man ein \u00fcbersichtliches Bild","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nGuillery.\nerhalten \u00fcber das Verh\u00e4ltnis, in welchem die Elemente f\u00fcr Raum-, Licht- und Farbensinn \u00fcber Zentrum und Peripherie verteilt sind. Eine auff\u00e4llige Ab- oder Zunahme der einen oder anderen dieser Vorrichtungen an beliebigen Netzhaut stellen mufs eine deutliche \u00c4nderung des betreffenden Verh\u00e4ltnisses zur Folge haben, und so wird das Ergebnis uns eine Pr\u00fcfung der verschiedenen Theorien \u00fcber die Verteilung der empfindlichen Substanzen im Sehorgane erm\u00f6glichen.\nNach diesem Plane sind die folgenden Untersuchungen angestellt. Es ist zun\u00e4chst f\u00fcr Zentrum und Peripherie in regel-m\u00e4fsigen Abst\u00e4nden (ich habe je 10\u00b0 gew\u00e4hlt) die Gr\u00f6fse des physiologischen Punktes ermittelt, alsdann die Gr\u00f6fse derjenigen Fl\u00e4che, welche f\u00fcr die Wahrnehmung einer bestimmten Helligkeitsdifferenz, und schliefslich derjenigen, die f\u00fcr eine bestimmte Farbenempfindung erforderlich ist. Das gegenseitige Verh\u00e4ltnis dieser Werte wird, wie gesagt, Aufschlufs dar\u00fcber geben, ob die Elemente f\u00fcr .Raum-, Licht- und Farbensinn eine gleiche r\u00e4umliche Verteilung \u00fcber die Netzhautoberfl\u00e4che haben, oder ob f\u00fcr bestimmte Empfindungen Zentrum bezw. Peripherie mehr bevorzugt sind.\nZum Teil handelt es sich hier um bekannte Gegenst\u00e4nde. So ist f\u00fcr das Zentrum schon vielfach die Gr\u00f6fse des physiologischen Punktes (ph. P.) untersucht, und f\u00fcr die Peripherie neuerdings von Geoenouw.1 Vergleiche von Licht- und Farbensinn in Zentrum und Peripherie sind auch nichts Neues, doch sind mir vergleichende Untersuchungen \u00fcber die r\u00e4umliche Verteilung dieser drei Empfindungsqualit\u00e4ten nicht bekannt. Die in der Litteratur vorliegenden Untersuchungen \u00fcber den Raumsinn sind nicht zu verwerten, da man sich dazu in der Regel komplizierter Formen (Haken, Schriftzeichen u. dergl.) bedient hat, mittelst deren schon f\u00fcr das Zentrum keine sicheren Ergebnisse zu gewinnen sind, geschweige denn f\u00fcr die Peripherie.\nEs d\u00fcrfte zun\u00e4chst nicht \u00fcberfl\u00fcssig sein, sich zu vergegenw\u00e4rtigen, welche Funktionen der Netzhaut durch die angedeuteten Methoden gepr\u00fcft werden. Gehen wir von der einfachsten und r\u00e4umlich beschr\u00e4nktesten Erregung aus, so ist diese durch die Erregung eines einzelnen selbst\u00e4ndigen Netzhautelementes gegeben, als welche in der Fovea centralis, nach der am meisten\n1 Arch. f. AugenhMe. XXVI. 2.","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Baum-, Licht- und Farbensinn der Netzhaut. 247\nverbreiteten Ansicht, die Zapfen anzusehen sind. Bekanntlich hat man neuerdings den Versuch gemacht, dieselben als blofse dioptrische Apparate zu deuten, welche das Licht auf die in ihrem Brennpunkte liegende, eigentlich empfindliche Schicht des Pigmentepithels leiten. F\u00fcr unsere Betrachtung kann diese Frage g\u00e4nzlich aus dem Spiele bleiben, denn da es hier nur auf die r\u00e4umliche Ausdehnung des betreffenden Beizes ankommt, so gen\u00fcgt die l\u00e4ngst festgestellte Thatsache, dafs es m\u00f6glich ist, einen Beiz wahrzunehmen, der in seiner Ausdehnung nicht gr\u00f6fser ist als die Oberfl\u00e4che eines Zapfens. Was der Zapfen mit dem entstandenen Netzhautbildchen macht, k\u00f6nnen wir ihm \u00fcberlassen.1\nWenn wir diesen Versuch anstellen, m\u00fcssen wir ber\u00fccksichtigen, dafs die ausschliefsliche Erregung eines einzelnen empfindenden Elementes nicht m\u00f6glich ist, In einem erhellten Baume ist immer die ganze Netzhaut durch von aufsen kommende Lichteindr\u00fccke affiziert, und selbst im Dunkelzimmer verr\u00e4t uns das sog. Eigenlicht der Netzhaut die Fortdauer eines gewissen Erregungszustandes. Wir k\u00f6nnen somit den Versuch nur so gestalten, dafs die Erregung eines einzelnen Elementes sich von derjenigen der \u00fcbrigen unterscheidet.\nIn dieser seiner einfachsten Form giebt uns der Vorgang keine weiteren Aufschl\u00fcsse, als dafs an einer bestimmten Stelle im Baume sich etwas befindet, was einen anderen optischen Eindruck hervorruft, als seine n\u00e4chste Umgebung. Bei einer eine gewisse Intensit\u00e4t nicht \u00fcberschreitenden Erregung eines einzelnen Netzhautelementes bleiben wir noch im Unklaren \u00fcber die n\u00e4heren Qualit\u00e4ten des erregenden Gegenstandes, wie seine Farbe und dergleichen, und wohl immer \u00fcber seine Gestalt ; denn auch dem sch\u00e4rfsten Auge d\u00fcrfte es nicht m\u00f6glich sein, bei einem so kleinen Netzhautbildchen die Form zu erkennen. Um besondere Qualit\u00e4ten zu unterscheiden, bedarf es in der Regel der Erregung einer gr\u00f6fseren Fl\u00e4che, und prst*. durch Unterst\u00fctzung anderer Elemente k\u00f6nnen wir unser Urteil\"' in der bezeichneten Bichtung vervollst\u00e4ndigen. Eine solche Unterst\u00fctzung findet nicht nur f\u00fcr die unmittelbar aneinandergrenzenden Elemente statt, sondern auch f\u00fcr r\u00e4umlich ge-\n1 A. K\u00f6nig, \u00dcber den menschlichen Sehpurpur und seine Bedeutung f\u00fcr das Sehen. Sitzgs.-Ber. d. \u00c4kad. d. Wiss. 21. Juni 1894.","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nGu\u00fclery.\ntrennte, wie die Versuche von Fick u. a. beweisen. Betrachtet man z. B. einen farbigen Punkt und verkleinert die Fl\u00e4che, welche er erregt, durch allm\u00e4hliche Vergr\u00f6fserung seines Abstandes, so wird er zuletzt farblos. Werden aber alsdann mehrere andere solcher Punkte gleichzeitig dem Gesichtsfelde dargeboten, so erscheinen sofort wieder alle farbig.\nEs wird nat\u00fcrlich nicht erforderlich sein, dafs jedes Mal die ganze Oberfl\u00e4che eines empfindenden Elementes erregt wird, um \u00fcberhaupt eine Wahrnehmung hervorzurufen, Es kann auch ein Beiz \u00fcber die Schwelle treten, der nur einen Teil jener Oberfl\u00e4che trifft, vorausgesetzt, dafs er stark genug ist, um einen deutlichen Unterschied zwischen dem Erregungszust\u00e4nde dieser Stelle und dem ihrer Nachbarschaft hervorzurufen. Theoretisch w\u00fcrde es ja sogar denkbar sein, dafs Strahlen, welche sich in einem mathematischen Punkte auf der Netzhaut vereinigen, das getroffene Element so stark erregen, dafs die entsprechenden Ver\u00e4nderungen der Nervensubstanz zum Bewufst-sein kommen. Praktisch ist indessen ein solcher Versuch unausf\u00fchrbar wegen der optischen Fehler des Auges, welche bekanntlich sogar den Bildern der Fixsterne eine gewisse Fl\u00e4chenausdehnung geben. Es gelingt in der That nicht, die erregende Fl\u00e4che viel unter den Querschnitt eines Zapfens zu verkleinern, soweit sich nach den ziemlich schwankenden Messungsergebnissen der letzteren beurteilen l\u00e4fst.\nDiese Beizung eines einzelnen Elementes mufs in dem Sehorgane qualitativ dieselben Vorg\u00e4nge hervorrufen, wie diejenige einer gr\u00f6fseren Gruppe derselben. Der Unterschied besteht eben nur in der verschiedenen r\u00e4umlichen Ausdehnung. Betrachten wir z. B. eine gr\u00f6fsere runde schwarze Fl\u00e4che (etwa 1 cm Durchmesser) auf weifsem Hintergr\u00fcnde und denken uns diese allm\u00e4hlich verkleinert, bis eben noch ein feiner Punkt unterschieden werden kann, so wird am Schl\u00fcsse des Versuches offenbar keine andere Funktion der Netzhaut in Anspruch genommen, als zu Anfang desselben. Die Vorg\u00e4nge im Sehorgane m\u00fcssen im ganzen Verlaufe der Erregung ihrem Wesen nach dieselben bleiben, nur werden allm\u00e4hlich immer weniger Elemente in Mitleidenschaft gezogen.\nFragen wir nun, wie diese Funktion der Netzhaut zu bezeichnen ist, durch welche ein schwarzer Punkt auf weifsem Hintergr\u00fcnde zur Wahrnehmung kommt, so ber\u00fchren wir damit","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Raum-, Licht- und Farbensinn der Netshaut. 249\neinen in letzter Zeit mehrfach, er\u00f6rterten Gegenstand, der zu Irrtumern Veranlassung gegeben hat. Meines Wissens hat bisher niemand behauptet, dafs bei Wahrnehmung eines gr\u00f6-fseren schwarzen Gegenstandes, sagen wir einer runden Fl\u00e4che, auf weifsem Hintergr\u00fcnde der Lichtsinn wesentlich beteiligt sei. Versteht man unter Lichtsinn die F\u00e4higkeit, Helligkeitsunterschiede zu erkennen, so ist auch klar, dafs derselbe schon ganz erheblich herabgesetzt sein m\u00fcfste, um die Wahrnehmung von Schwarz auf Weifs zu beeintr\u00e4chtigen. Gerade durch die Wahl eines m\u00f6glichst lebhaften Helligkeitskontrastes zwischen Objekt und Hintergrund macht man sich von dem Lichtsinn unabh\u00e4ngig, wie denn auch die Objekte, mit denen man den Lichtsinn pr\u00fcft, sich nur durch allm\u00e4hlich abgestufte Nuancen von dem Hintergr\u00fcnde unterscheiden d\u00fcrfen. Der Lichtsinn eines Auges, welches nicht mehr Schwarz von Weifs unterscheidet, m\u00fcfste so gut wie erloschen sein. Man kann daher eine solche Wahrnehmung nur als eine r\u00e4umliche auffassen, bei welcher der Lichtsinn keine andere Holle spielt, als insofern das Verm\u00f6gen, hell und dunkel zu unterscheiden, \u00fcberhaupt bei jedem optischen Eindr\u00fccke vorhanden sein mufs.\nObschon nun bei r\u00e4umlicher Verkleinerung des Reizes die in Betracht kommende Netzhautfunktion sich nur quantitativ \u00e4ndern kann, war es bis vor kurzem ein feststehender Satz, dafs die Wahrnehmung eines kleinen dunklen Punktes auf hellem Hintergr\u00fcnde eine Funktion des Lichtsinnes sei. Wie klein dieser Punkt sein mufs, und an welcher Grenze dieser \u00dcbergang aus dem Gebiete des Raumsinnes in dasjenige des Lichtsinnes stattfindet, hat allerdings bis jetzt noch niemand festgestellt, und ist auch nicht ersichtlich, nach welchen Gesichtspunkten eine derartige Feststellung zu erfolgen h\u00e4tte. Meine wiederholten Widerlegungen1 2 dieses Irrtumes, sowie die eingehenden Untersuchungen von Gboenouw 2 \u00fcber diesen Gegenstand w\u00fcrden mir gestatten, hier nicht n\u00e4her darauf einzugehen, wenn nicht bis in die neueste Zeit immer wieder von verschiedenen Autoren der Beweis geliefert w\u00fcrde, dafs nichts schwieriger ist, als eingewurzelte Vorurteile zu beseitigen.\nDer Gedankengang, auf den sich diese Lichtsinntheorie\n1\tArch. f. AugenhJcde. XXVI. 1. XXVIII. 3. XXXI. 3.\n2\tArch. f. AugenhJcde. XXVI. 2.","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nGuillery.\n(s. y. v.) st\u00fctzt, findet sich bei yon Helmholtz1 folgender -mafsen ausgesprochen: \u201eKann das Auge bei der angewandten Beleuchtungsst\u00e4rke Unterschiede der Lichtintensit\u00e4t von Vso erkennen, so w\u00fcrde ein dunkles Bildchen, dessen Fl\u00e4cheninhalt 7\u00f6o von dem eines empfindenden Elementes ist, noch wahrgenommen werden k\u00f6nnen.\u201c \u00dcbersetzen wir dieses theoretische Beispiel in die Praxis, so mufs bei guter Beleuchtung das Auge ein dunkles Bildchen erkennen k\u00f6nnen, dessen Fl\u00e4cheninhalt h\u00f6chstens Vi67 eines empfindenden Elementes ist, denn nach Helmholtz\u2019 eigener Angabe ist die geringste wahrnehmbare Helligkeitsdifferenz 1/iw, nach anderen Autoren noch weniger (Y200\u20147220). Ja, der Bruchteil m\u00fcfste sogar noch kleiner werden in Anbetracht, dafs derjenige Teil der Zapfen-oberfi\u00e4che, welcher Hell empfindet, noch durch die Helligkeitsempfindung der Nachbarschaft unterst\u00fctzt wird. Der kleinste Sehwinkel, den man unter den g\u00fcnstigsten Umst\u00e4nden f\u00fcr ein dunkles Bildchen aufWeifs erreichen kann, wird von Aubert2 auf 25\" angegeben, und ist dieser wohl thats\u00e4chlich als die \u00e4ufserste Grenze anzusehen. Das diesem Winkel entsprechende Netzhautbildchen w\u00fcrde einen Durchmesser Yon 0,0017 mm haben. Unter den nicht unerheblich schwankenden Zahlen, welche f\u00fcr den Durchmesser eines Netzhautzapfens angegeben werden, sind die gr\u00f6fsten, mir bekannten, die von Vintschg-au (0,0068). Aber selbst, wenn wir diese zu Grunde legen, bleibt doch eine so erhebliche Kluft zwischen Theorie und Experiment, dafs dieselbe wohl nicht anders, als durch einen Fehler der ersteren erkl\u00e4rt werden kann.\nDieser ergiebt sich sofort, wenn wir uns die Bedeutung des obigen Bruches, welcher die geringste wahrnehmbare Helligkeitsdifferenz ausdr\u00fcckt, klar machen. Derselbe ist in der Weise festgestellt, dafs gr\u00f6fsere Fl\u00e4chen, seien es Schatten oder rotierende Mischungen u. s. w., von verschiedener Helligkeit dargestellt und so lange variiert werden, bis bei abwechselnder Betrachtung eben noch ein Unterschied erkennbar ist. Will man die Ergebnisse dieser Versuche auf das einzelne Netzhautelement \u00fcbertragen, so kann man von diesem doch nur dasselbe verlangen, d. h. man m\u00fcfste ihm Fl\u00e4chen von derselben Helligkeitsdifferenz darbieten, die aber so klein w\u00e4ren,\n1 Physiol. Opt. 2. Aufl. S. 255.\n3 Graefe-Saemisch. Bd. 2. S. 578.","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"0 \u2014\nUntersuchungen \u00fcber Baum-, Licht- und Farbensinn der Netzhaut. 251\ndafs sie nur die Oberfl\u00e4che eines Elementes deckten. Dafs der betreffende Bruch in diesem Falle der n\u00e4mliche sein w\u00fcrde, wie bei den obigen Versuchen, ist nun zun\u00e4chst nicht nur nicht bewiesen, sondern im G-egenteil h\u00f6chst unwahrscheinlich. Es ist somit vollkommen willk\u00fcrlich, zu sagen, dafs, wenn \u201edas Augeu Helligkeitsdifferenzen von bestimmter Intensit\u00e4t unterscheiden kann, dies bei dem einzelnen Elemente sich ebenso verh\u00e4lt.\nNun ist aber in der obigen HELMHOLTZschen Deduktion die Helligkeitsempfindung des einzelnen Zapfens in diesem Sinne gar nicht gemeint, sondern die Versuchsbedingungen sind ganz andere. Wenn ein minimaler dunkler Punkt in heller Umgebung erkannt werden soll, so wird der Zapfen nicht mehr durch verschiedene Nuancen Grau erregt, die sich eben unterscheiden, sondern es handelt sich um einen r\u00e4umlich m\u00f6glichst beschr\u00e4nkten Heiz, w\u00e4hrend der Helligkeitskontrast ein thun-lichst grofser ist. In dem einen Falle bedeutet der Bruch den Helligkeitsunterschied zweier in ihrer Lichtintensit\u00e4t m\u00f6glichst \u00e4hnlicher, im anderen den r\u00e4umlichen Unterschied zweier in ihrer Lichtintensit\u00e4t m\u00f6glichst verschiedener Fl\u00e4chen, so dafs also zwei Dinge verglichen werden, die geradezu in einem gewissen Gegens\u00e4tze stehen.\nDasselbe, was sich hier auf dem kleinsten Gebiete abspielt, betrachten wir, wenn es ein gr\u00f6fseres Areal betrifft, als physiologisch zum Baumsinne geh\u00f6rig, und niemand denkt daran, wenn er einen gr\u00f6fseren schwarzen Punkt auf Weifs betrachtet, zu berechnen, welchen Bruchteil die Dunkelempfindung des betroffenen Teiles von der Weifsempfindung der \u00fcbrigen Netzhaut einnimmt. Offenbar geh\u00f6rt also auch die Wahrnehmung eines kleinen Punktes in das Gebiet des Baumsinnes und wird eine Pr\u00fcfung der Feinheit des letzteren nicht anders m\u00f6glich sein, als indem man die erregende Fl\u00e4che auf die kleinste r\u00e4umliche Ausdehnung zu reduzieren sucht. Damit die Empfindung vollst\u00e4ndig auf diesem Gebiete bleibt, sind andere Funktionen, wie Farben-, Licht- und Formensinn, auszuschliefsen, und entspricht diesen Anforderungen ein schwarzer Punkt auf weifsem Hintergr\u00fcnde.\nDurch fr\u00fchere Versuche1 und auch von mir2 ist festgestellt,\n1\tCharpentier, Arch, d\u00efophthalm. Juillet-ao\u00fbt 1882.\n2\tArch. f. AugenhlMe. XXXI. 3.","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nGuillery.\n*\ndafs die Intensit\u00e4t eines Reizes, bezw. der Gegensatz zu seiner Umgebung in bestimmten Wechselbeziehungen seine r\u00e4umliche Ausdehnung ersetzen kann, so dafs die Wahrnehmbarkeit dieselbe bleibt, wenn die eine ab- und die andere entsprechend zunimmt. Man wird also sicher sein, dafs eine weitere Verkleinerung der Fl\u00e4che nicht zu erzielen ist, wenn der Kontrast von vorne herein m\u00f6glichst grofs gew\u00e4hlt ist. Indessen schliefst dies nat\u00fcrlich nicht aus, dafs auch schon bei weniger scharfem Kontraste diese Grenze des physiologischen Punktes sich feststellen liefse. Denken wir uns einen hellgrauen Punkt auf weifsem Hintergr\u00fcnde so grofs, dafs er in einer beliebigen Entfernung eben bemerklich wird, und lassen denselben immer kleiner werden, indem gleichzeitig die f\u00fcr die Wahrnehmung erforderliche Steigerung des Kontrastes eintritt, so w\u00e4re es denkbar, dafs die Grenze des physiologischen Punktes erreicht w\u00fcrde, bevor der Helligkeitskontrast bis an die \u00e4ufserste Steigerung gelangt w\u00e4re ; d. h. also, es w\u00e4re theoretisch denkbar, dafs ein Objekt von der Ausdehnung des physiologischen Punktes noch zur Empfindung k\u00e4me, welches einem gewissen Grau (auf weifsem Hintergr\u00fcnde) entspricht. Durch eine weitere Abt\u00f6nung des Grau nach der Seite des Schwarz wird sich das Netzhautbild nicht mehr verkleinern lassen, weil es alsdann unter die Grenze des physiologischen Punktes f\u00e4llt.\nF\u00fcr die Peripherie ist diese theoretische Ableitung auch l\u00e4ngst praktisch best\u00e4tigt, indem verschiedene Autoren feststellen (Ole Bull u. A.), dafs die Grenzen f\u00fcr die Wahrnehmbarkeit eines Objektes dieselben sind, wenn man dasselbe Schwarz auf Weifs (oder umgekehrt) nimmt, wie wenn man statt dessen den Helligkeitsunterschied bis zu einem gewissen Grade abt\u00f6nt. Statt mit weifsen Vierecken z. B. kann man ebensogut mit grauen bis zu einer bestimmten Nuance perimetrieren, ohne dafs die Gesichtsfeldgrenzen sich merklich verengern. Es ist klar, dafs dies f\u00fcr die Peripherie noch viel mehr hervortreten mufs, als f\u00fcr das Zentrum, weil auf jener der physiologische Punkt gr\u00f6fser und daher seine Wahrnehmung noch weniger an einen m\u00f6glichst grofsen Kontrast gebunden ist. Ich habe mich aber auch f\u00fcr das Zentrum \u00fcberzeugt, dafs ein grauer Punkt, dessen Nuance einer Mischung von 185\u00b0 Schw. -(-175\u00b0 W. entspricht, unter ebenso kleinem Winkel erkannt wird, wie ein schwarzer. Aubert hat ja auch bereits mit m\u00f6glichster Ge-","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Baum-, Licht- und Farbensinn der Netzhaut 253\nnauigkeit festgestellt, dafs der Helligkeitsunterschied zwischen Objekt nnd Hintergrund in weiten Grenzen schwanken kann, ohne dafs die Erkennbarkeit des ersteren wesentlich erschwert wird. Die analogen Untersuchungen Groenouws mit kleinen Punkten ergeben dasselbe. Aus den Beziehungen zwischen der Helligkeit eines Reizes einer- und seiner r\u00e4umlichen Ausdehnung andererseits, sowie aus der unver\u00e4nderlichen Gr\u00f6fse des physiologischen Punktes ist diese Thatsache ohne weiteres verst\u00e4ndlich. Es ergiebt sich daraus, wie unbegr\u00fcndet es ist, aus dem Umstande, dafs man graue Punkte bis zu einer gewissen Helligkeit ebensogut erkennen kann, wie schwarze, schliefsen zu wollen, dafs diese Wahrnehmung eine Funktion des Lichtsinnes sei, wie dies neuerdings auch zu Gr\u00fcnsten dieser Theorie geschehen ist.\nGehen wir nun von dieser einfachsten Eunktionspr\u00fcfung, deren .Natur durch das Gesagte hinreichend erl\u00e4utert sein d\u00fcrfte, zu komplizierteren \u00fcber, so w\u00e4re die n\u00e4chst h\u00f6here Leistung, die wir von dem Sehorgane verlangen k\u00f6nnen, die Ermittelung des kleinsten Zwischenraumes, in dem zwei Punkte noch getrennt empfunden werden k\u00f6nnen. Damit diese Empfindung zu st\u00e4nde kommt, mufs mindestens ein nicht gereiztes Element zwischen den beiden gereizten liegen, da im anderen Palle der Eindruck ein kontinuierlicher sein wird. Wir ermitteln durch eine solche Pr\u00fcfung die sog. Empfindungskreise der Netzhaut. Vergleichen wir, die Vorg\u00e4nge, die sich dabei am Sehorgane abspielen, mit den bisher betrachteten, so ist offenbar die Qualit\u00e4t des Prozesses, sowie der physiologische Eindruck, welchen er hervorruft, derselbe geblieben. Er ist lediglich vervielf\u00e4ltigt und auf eine neue Stelle im Raume \u00fcbertragen, und es wird nur auf eine Versch\u00e4rfung der Aufmerksamkeit ankommen, um denselben an beiden Stellen gleichzeitig zu beobachten.\nBleiben wir also bei der einzelnen Wahrnehmung, so brauchen wir uns mit der Thatsache, dafs irgendwo im Raume ein sich von seiner Umgebung unterscheidendes Objekt vorhanden ist, nicht zu begn\u00fcgen, sondern k\u00f6nnen uns nunmehr ein Urteil \u00fcber bestimmte Eigenschaften desselben zu bilden suchen, indem wir z. B, seine Helligkeit mit derjenigen eines anderen vergleichen. Es wird sich dabei zun\u00e4chst heraussteilen, ob dazu dieselbe Ausdehnung der Fl\u00e4che gen\u00fcgt, oder","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\nGuillery.\nob eine weitere Ann\u00e4herung erforderlich ist. Diese Empfindung imponiert uns als etwas Neues, in dem Mafse, dafs man sie sogar an besondere anatomische Elemente (St\u00e4bchen) gebunden hat. Freilich handelt es sich hier auch nur um verschiedene Grade von Erregungszust\u00e4nden der schwarz-weifsen Substanz im Sinne Herings, und wenn wir ein Mafs h\u00e4tten, um diese elementaren Vorg\u00e4nge auszudr\u00fccken und abzusch\u00e4tzen, so w\u00fcrden die Vorg\u00e4nge bei Wahrnehmung eines schwarzen Punktes und diejenigen bei Wahrnehmung zweier grauen nur quantitative Unterschiede aufweisen. Trotzdem sind beide vollkommen voneinander unabh\u00e4ngig bez\u00fcglich ihrer) physiologischen Schwellenwerte, denn es kann Vorkommen, dafs die Empfindlichkeit f\u00fcr Helligkeitsdifferenzen eine sehr lebhafte ist (Nachttiere), ohne dafs darum die Wahrnehmung einzelner kleiner Gegenst\u00e4nd\u00a9 eine besonders feine sein mufs. Wissen wir doch, dafs das Auge in seinem niedrigsten Entwickelungs-zustande (Pigmentfleck) sehr wohl hell und dunkel unterscheidet, w\u00e4hrend jede weitere Differenzierung nebst den dazu erforderlichen Einrichtungen fehlt. Unbeschadet ihrer physikalischen \u00c4hnlichkeit sind wir daher gen\u00f6tigt, diese verschiedenen Wahrnehmungen, welche die Erregungszust\u00e4nde der schwarz-weifsen Substanz ausl\u00f6sen, f\u00fcr sich getrennt zu studieren, und den physiologischen Eindruck, den sie hervor-rufen, als mafsgebend festzuhalten. Demnach ist die M\u00f6glichkeit, Helligkeitsdifferenzen zu unterscheiden, als eine besondere Funktion der Netzhaut anzusehen, und bezeichnen wir dieselbe als den Lichtsinn.\nEin Schritt weiter in der Betrachtung der Eigenschaften der Objekte, welche unser Sehorgan erregen, f\u00fchrt uns zu den verschiedenen F\u00e4rbungen derselben. Auch bei dieser Empfindung handelt es sich nicht um einen prinzipiellen Gegensatz zu den vorhergehenden. Ja, wir wissen, dafs die Farbenempfindung durch Abschw\u00e4chung ihrer Intensit\u00e4t sich in einfache Helligkeitsempfindung \u00fcberf\u00fchren l\u00e4fst. Der materielle Prozefs, welcher der Farbenempfindung zu Grunde liegt, wird seinem Wesen nach den Erregungen der schwarz - weifsen Substanz analog sein, denn es handelt sich jedesmal um Bewegungsvorg\u00e4nge, die durch \u00c4therschwingungen von verschiedener Wellenl\u00e4nge hervorgerufen werden. Trotzdem hat die Farbenempfindung wieder ihre besondere physiologische","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Baum-, Licht- und Farbensinn der Netzhaut. 255\nQualit\u00e4t, und wir sind ebenso berechtigt, den Farbensinn vom Lichtsinne zu trennen, wie z. B. bei den Hautgef\u00fchlen den Temperatursinn von der einfachen Tastwahrnehmung, um so mehr, als Lichtsinn ohne Farbensinn Vorkommen kann. Die anatomischen oder chemischen Substrate der betreffenden Empfindungen bed\u00fcrfen bestimmter ad\u00e4quater Beize, welche im st\u00e4nde sind, sie so zu alterieren, dafs die entsprechende Wahrnehmung \u00fcber die Schwelle tritt. Ich glaube daher nicht, dais es ein Gewinn w\u00e4re, von der \u00fcblichen Definition des Wortes \u201eLichtsinn\u201c abzugehen und der Helligkeits- und Farbenempfindung gemeinschaftlich diese Bezeichnung beizulegen (Wolffberg).\nEndlich nehmen wir an den Objekten der Aufsenwelt eine bestimmte Gr\u00f6fse und Gestalt wahr. Schliefsen wir die Farbe aus und nehmen wir an, der Gegenstand erscheine schwarz auf weifsem Hintergr\u00fcnde, so sind die Elementarerregungen wiederum qualitativ dieselben, wie sie das Hetzhautbild eines einzelnen Punktes hervorruft. Sie k\u00f6nnen sogar auch quantitativ \u00fcbereinstimmen, wenn der Punkt eine ebenso grofse Fl\u00e4che deckt, also ebenso viele einzelne Elemente erregt, wie die kompliziertere Form. Der Unterschied ist nur der, dafs wir in dem letzteren Falle eine verwickelte psychische Leistung verlangen, denn die Kombination der verschiedenen Hetzhauterregungen zu einer bestimmten Gestalt spielt sich auf psychischem Gebiete ab.\nBaum-, Licht- und Farbensinn sind, solange es eine physiologische Optik giebt, vielfach untersucht und ihre Verh\u00e4ltnisse nach den verschiedensten Bichtungen klargestellt. Dem Formensinne dagegen hat man bisher noch keine bestimmte physiologische Unterlage geben k\u00f6nnen, eben weil er zu sehr von psychischen Momenten beeinflufst wird. Die Versuche von mir1 und Stettler2 haben den Beweis geliefert, dafs die Erkennbarkeit von Formen in keinem n\u00e4her definierbaren Zusammenh\u00e4nge mit den dabei auf der Hetzhaut sich ab spielenden Vorg\u00e4ngen steht, und dafs insbesondere ein r\u00e4umliches Mais f\u00fcr den Schwellenwert derselben nicht zu finden ist.\nAnmerkung: Merkw\u00fcrdigerweise ist gerade diese komplizierteste und der Untersuchung am wenigsten zug\u00e4ngliche Funktion des Auges\n1 Arch. f. Augenhlkde. XXVIII. 3.\n8 Beitr. z. Augenhlkde. Heft XVIII.","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\nGu\u00fclery.\nder \u00fcblichen Pr\u00fcfungsmetbode f\u00fcr die Festsetzung der Sehsch\u00e4rfe zu Grunde gelegt worden. Man ging von einer ganz willk\u00fcrlichen Annahme aus und gab sich nicht einmal die M\u00fche, den Beweis zu versuchen. Die physiologische Voraussetzung der Methode findet sich ausgesprochen in dem Satze von Dokders {Arch. f. Ophthalm. XXIII), dafs: die Erkennbarkeit eines Schriftzeichens proportional ist dem Sehwinkel in jeder Dichtung. Durch die oben erw\u00e4hnten Versuche ist der Beweis erbracht, dals dieser Satz falsch ist. Im Jahre 1891 machte ich den Vorschlag, die Sehsch\u00e4rfe mit einzelnen Punkten zu bestimmen, d. h. also durch das kleinste eben noch wahrnehmbare Netzhautbildchen, weil ich mich \u00fcberzeugt hatte (und ich \u00fcberzeuge mich noch t\u00e4glich davon), dafs es keine Art von Herabsetzung der Sehsch\u00e4rfe giebr, die sich nicht auf diese Weise sofort zu erkennen g\u00e4be. Das Gegenteil hat bis jetzt niemand bewiesen, ja nicht einmal behauptet, sondern sind mir nur die oben beleuchteten theoretischen Bedenken bez\u00fcglich des Verh\u00e4ltnisses dieser Wahrnehmung zum Lichtsinne entgegengehalten worden. Wenn, trotzdem dieser Einwand auch von anderer Seite gen\u00fcgend zur\u00fcckgewiesen ist, an einer Methode festgehalten wird, deren praktische M\u00e4ngel nicht nur l\u00e4ngst unangenehm empfunden, sondern deren physiologische Voraussetzungen erweislich falsch sind, so ist dies wiederum ein typisches Beispiel f\u00fcr das Beharrungsverm\u00f6gen im Irrtume.\nWollen wir nnn die Empfindlichkeit einzelner Netzhaut-steilen f\u00fcr diese verschiedenen Arten der Wahrnehmung bestimmen (vom Formensinn m\u00fcssen wir vorl\u00e4ufig absehen), so wird es sich zun\u00e4chst darum handeln, ein gemeinschaftliches Mafs zu finden, wonach wir dieselbe absch\u00e4tzen. Eine Wahrnehmung ist abh\u00e4ngig von der r\u00e4umlichen Ausdehnung des Objektes, seiner Helligkeit, seinem Kontraste zum Hintergr\u00fcnde, bei Farben noch von der S\u00e4ttigung u. s. w. Allen gemeinsam ist die Abh\u00e4ngigkeit von der r\u00e4umlichen Ausdehnung, und wird dieses Mafs wohl die einzige M\u00f6glichkeit bieten, die Schwellen f\u00fcr die verschiedenen Funktionen zu vergleichen. Wir k\u00f6nnen anders keine Parallele ziehen zwischen der Empfindlichkeit, die dazu geh\u00f6rt, um z. B. einen einzelnen schwarzen Punkt zu erkennen, und derjenigen, die erforderlich ist, um eine Farbe von bestimmtem Tone und S\u00e4ttigung wahrzunehmen.\nMit dem gemeinschaftlichen Mafse des Netzhautbildchens kann zun\u00e4chst die Empfindlichkeit des Zentrums festgestellt werden in den bezeichneten Bichtungen. Wir messen also die Grr\u00f6fse des physiologischen Punktes (Schwarz auf Weifs), alsdann, eine wie grofse Ausdehnung eine Fl\u00e4che haben mufs, um einen Helligkeitsunterschied, und eine wie grofse, um eine","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Baum-, Licht- und Farbensinn der Netzhaut. 257\nbestimmte F\u00e4rbung an ihr wahrzunehmen. Die gefundenen Werte k\u00f6nnen alle auf den physiologischen Punkt reduziert, und dieser also gleichsam als Mafs f\u00fcr die betreffende Empfindlichkeit benutzt werden.\nSetzen wir denselben Vergleich fort f\u00fcr die Peripherie in bestimmten Abst\u00e4nden, so erhalten wir eine fortlaufende Reihe von Werten, die ein Urteil dar\u00fcber gestatten, in Bezug auf welche Wahrnehmungen, an welchen Stellen und in welchem Mafse die Empfindlichkeit der Peripherie sich von derjenigen des Zentrums unterscheidet. Gestaltet sich die Kurve f\u00fcr einzelne Wahrnehmungen verschieden, so w\u00fcrde man daraus schliefsen m\u00fcssen, dafs die Elemente, welche dieselben bedingen, in verschiedenerWeise \u00fcber die Netzhaut verteilt sind. Ist die Erregbarkeit f\u00fcr einzelne Wahrnehmungen die gleiche, so w\u00fcrde man daraus ableiten d\u00fcrfen, dafs diese entweder an die n\u00e4mlichen empfindlichen Organe gebunden, oder, wenn verschiedene zu Grunde liegen, diese wenigstens in gleicher Weise \u00fcber die Netzhaut verteilt sind. Ob es sich dabei um bestimmte anatomische Einrichtungen handelt, oder um chemische Stoffe, bleibt, wie gesagt, ganz dahingestellt.\nEin Vergleich w\u00fcrde nicht m\u00f6glich sein f\u00fcr solche Funktionen , die etwa nur dem Zentrum, oder nur der Peripherie zuk\u00e4men, und k\u00f6nnen infolgedessen die \u00e4ufsersten Teile der Peripherie nicht mehr in Betracht kommen, weil sie eine Farbenwahrnehmung, wenigstens bei den \u00fcblichen Pr\u00fcfungsmethoden, nicht haben. Ebenso mufs man einen gewissen Gegensatz zwischen Zentrum und Peripherie erwarten bez\u00fcglich der Blauempfindung, wie sich unten auch ergeben wird.\nSpeziell f\u00fcr das Zentrum sind die betreffenden Einzeluntersuchungen schon h\u00e4ufig gemacht worden und gaben dieselben wertvolle Anhaltspunkte. F\u00fcr unseren Zweck lassen sich die Ergebnisse aber nicht schechthin verwerten, denn es ist klar, dafs die ganze Reihe der Versuche an demselben Auge und mit denselben Objekten mufs vorgenommen werden, und sind daher die fr\u00fcheren einschl\u00e4gigen Versuche im Gebiete des Farbensinnes nicht zu verwenden, weil die Natur der angewandten Pigmente zu unbestimmt ist. Vergleichende Untersuchungen \u00fcber die notwendige r\u00e4umliche Ausdehnung der verschiedenen Reize zur Erregung der gleichen Wahrnehmung f\u00fcr Peripherie und Zentrum, in dem Sinne, wie sie hier an-\n17\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XII.","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\nGu\u00fclery.\ngestellt, sind mir bisher nicht bekannt. Gewissermafsen w\u00fcrden f\u00fcr das Zentrum allein hierher geh\u00f6ren die Versuche von Charpentier,1 welcher f\u00fcr die Lichtempfindung fand, dafs die Intensit\u00e4t sich durch die Fl\u00e4chenvergr\u00f6fserung genau kompensieren l\u00e4fst, so dafs also bei Verminderung der Lichtintensit\u00e4t um das achtfache die Fl\u00e4che um das achtfache wachsen mufs, damit dieselbe Wahrnehmung bleibt. Bei der Farbenempfindung und dem Z\u00e4hlen von Punkten bestehe ein solches Verh\u00e4ltnis nicht.2 Fick3 konnte diese Ergebnisse nur zum Teil best\u00e4tigen. In einer anderen Versuchsreihe fand Charpentier,4 dafs die Elemente der Lichtempfindung viel reizbarer sind, als die der Farbenempfindung, dagegen zeigten die letzteren dasselbe Verhalten wie die Elemente des deutlichen Sehens (?), so dafs auf die Identit\u00e4t beider zu schliefsen sei. Die Empfindlichkeit wurde gemessen durch die photometrisch festgesteilten Lichtminima, welche f\u00fcr die betreffende Empfindung erforderlich waren.\nSehen wir nun, zu welchem Ergebnisse wir auf dem oben bezeichneten Wege kommen, der uns mit Bequemlichkeit gestattet, den Vergleich auch auf die Peripherie auszudehnen.\nA. Baumsinn.\nWir wissen, dafs ein schwarzer Punkt auf weifsem Hintergr\u00fcnde ein hinreichend starker Beiz ist, um noch eine Empfindung hervorzurufen, wenn sein Netzhautbild kaum die Oberfl\u00e4che eines Zapfens deckt. Ja, es ist nicht einmal notwendig, dafs der Kontrast zwischen Objekt und Hintergrund ein so scharfer ist, denn schon Aubert hat gezeigt, dafs die Hellig-keitsdiffierenz zwischen denselben in weiten Grenzen schwanken kann, ohne dafs die Wahrnehmung besonders beeintr\u00e4chtigt wird. Dasselbe fand Groenouw bei seinen Kontrollversuchen und konnte die n\u00e4mliche Thatsache auch f\u00fcr die Peripherie best\u00e4tigen, dafs n\u00e4mlich die Grenzen f\u00fcr die Erkennbarkeit eines einzelnen Punktes in der Peripherie erst verengert werden, wenn die Helligkeitsdifferenz (durch Herabsetzung der\n1\tArch, tfophthdlm. Juille-ao\u00fbt. 1892.\n2\tConf. Guillery, Arch. f. Augenhkde. XXXI. 8.\n8 Pfl\u00fcgers Arch. 1878. 1886. 1888.\n4 Arch. d'Ophthalm. IV. 4.","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Baum-, Licht- und Farbensinn der Netzhaut. 259\nBeleuchtung) so weit gesunken ist, dafs die Sehsch\u00e4rfe unter der H\u00e4lfte der normalen bleibt. Wie oben bereits bemerkt, bin ich im st\u00e4nde, einen dunkelgrauen Punkt, entsprechend 185 S 4\" 175 W, bei derselben minimalen Gr\u00f6fse des Netzhautbildes wahrzunehmen, wie einen tiefschwarzen. Hieraus ergiebt sich wiederum, in wie hohem Mafse diese Untersuchung unabh\u00e4ngig ist von dem Lichtsinne.\nF\u00fcr den vorliegenden Zweck ist es zun\u00e4chst erforderlich, die Gr\u00f6fse unseres gemeinschaftlichen Mafses, d. h. des ph. P., zu finden f\u00fcr Zentrum wie Peripherie. Groenouw war in der Weise vorgegangen, dafs er zu einem gegebenen Punkte die Grenzen suchte, innerhalb deren er erkannt werden konnte. Unsere Aufgabe wird es sein, bestimmte Grenzen zu w\u00e4hlen und f\u00fcr diese den zugeh\u00f6rigen Punkt zu finden. Ich hielt es f\u00fcr ausreichend, in den vier Hauptmeridianen in Abst\u00e4nden von 10\u00b0 zu 10\u00b0 die betreffenden Feststellungen zu machen, und zwar so weit nach der Peripherie, als ein Vergleich mit dem Farbensinne noch m\u00f6glich ist. Auf die Frage, ob die \u00e4ufserste Peripherie noch farbenempfindlich ist bei gen\u00fcgender Gr\u00f6fse und Intensit\u00e4t der Objekte, bin ich nicht eingegangen, sondern habe mich nur bestimmter Pigmente bedient, wie sie auf dem Farbenkreisel jederzeit leicht herstellbar sind. Die \u00e4ufsersten Grenzen mufsten also auch im wesentlichen denjenigen entsprechen, welche wir bei den \u00fcblichen Perimeteruntersuchungen finden. Demgem\u00e4fs wurde auf dem inneren Netzhautmeridiane bis 60\u00b0 untersucht, auf dem \u00e4ufseren bis 50\u00b0, auf dem oberen und unteren bis 40\u00b0. Auf dem inneren Meridiane wurde von den angegebenen Abst\u00e4nden insofern ab gewichen, als 25\u00b0 statt 20\u00b0 genommen wurden, um dem blinden Flecke und der ihn umgebenden Zone verminderter Empfindlichkeit m\u00f6glichst aus dem Wege zu gehen. Von da wurde zu 35\u00b0 und alsdann zu 50\u00b0 und 60\u00b0 \u00fcbergegangen. Diese Einteilung ist nat\u00fcrlich bei allen Versuchen gleichm\u00e4fsig innegehalten.\nDie n\u00e4here Anordnung war folgende: Der Untersucher safs mit dem B\u00fccken dicht an einem grofsen Fenster, und diesem gegen\u00fcber standen die zu untersuchenden Objekte in einem Abstande, der nie mehr als einen Meter betrug, so dafs die Beleuchtung derselben m\u00f6glichst wenig schwankte. Die Beobachtung fand statt durch eine innen geschw\u00e4rzte Metallr\u00f6hre von 25 cm L\u00e4nge, welche an ihrem dem Auge zugewandten\n17*","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\nGuillery.\nEnde einen schwarzen Schirm mit Seitenklappen trug in der Gr\u00f6fse, dafs die Bilder anderer Objekte als der gerade zu untersuchenden, nicht auf die Netzhaut fallen konnten. In der Bohre waren passend angebrachte Blenden, durch welche das Gesichtsfeld diejenige Gr\u00d6fse erhielt, dafs nur die gew\u00fcnschten Bilder sich dem Auge darboten. Auch bei den exzentrischen Pr\u00fcfungen fiel das Bild der Objekte durch diese Bohre, und als Fixierpunkt diente ein mattweifser, etwa 2 mm grofser Punkt, welcher an einem Gradbogen bewegt werden konnte. Um ihn sichtbar zu machen, ohne das Auge von der Bohre zu entfernen, war diese in einer schmalen Linie einige Zentimeter lang aufge-schnitten und in der Projektion derselben ebenfalls der Schirm, welcher Schlitz durch Drehung des Apparates nach innen, aufsen, oben oder unten eingestellt werden konnte. Durch Schiebervorrichtungen wurde er immer so weit verdeckt, dafs aufser dem weifsen Punkte in der Blickrichtung des Auges nichts zu sehen war, so dafs also, abgesehen von dem Fixierpunkte und dem Bilde des Untersuchungsobjektes, sich dem Auge nur schwarze Fl\u00e4chen darboten. Der Fixierpunkt war immer so weit vom Auge entfernt, wie dem Abstande des Objektes von diesem entsprach, so dafs die Akkommodation f\u00fcr das letztere eingestellt war.\nDie Herstellung so feiner Objekte, wie sie f\u00fcr die Pr\u00fcfung des Zentrums erforderlich waren, bietet technisch einige Schwierigkeiten. Man kann sich ja allerdings jedes beliebig kleine Netzhautbild verschaffen durch Zunahme des Abstandes, \u00ee^ann h\u00e4tten die Objekte aber allzuweit von dem Fenster entfernt werden m\u00fcssen, wodurch erhebliche Schwankungen der Beleuchtung entstanden w\u00e4ren, was namentlich f\u00fcr die farbigen Objekte sehr st\u00f6rend ist. Es gelang aber auch, in dem gew\u00e4hlten Abstande die erforderliche Verkleinerung zu erzielen durch eine dem VoLKMANNschen Makroskope entsprechende Einrichtung, indem in das vordere Ende der Bohre eine Konvexlinse von 25 mm Fokaldistanz eingesetzt wurde, welche die gew\u00fcnschte Verkleinerung herbeif\u00fchrte. Der Ort, wo das Luftbild des Objektes hinter dieser Linse entsteht, ist nach der bekannten Formel 1/f\u2014 -f- 1/b leicht zu berechnen, die Gr\u00f6fse derselben nach der Proportion a\\g = A:G, wo a der Abstand des Bildes, A der des Objektes von der Linse, g die Gr\u00f6fse des Bildes und G diejenige des Objektes bedeutet.","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Baum-, Licht- und Farbensinn der Netzhaut. 261\nAns diesem Werte und dem leicht zu bestimmenden Abstande vom Auge ergiebt sich alsdann die Grr\u00f6fse des Netzhautbildes.\nDer Punkt selbst wurde 2 mm grofs gemacht, was mit einem feinen Zirkel leicht gelingt. In den \u00e4ufseren Teilen der Peripherie mufste ohne Linse operiert werden (etwa von 30\u00b0 bis 40\u00b0), weil hier die kleineren Punkte nicht mehr zur Wahrnehmung gelangen.\nDiese Anordnung konnte f\u00fcr Baum- und Lichtsinn unver\u00e4ndert beibehalten werden, f\u00fcr den Farbensinn erschienen einige Modifikationen zweckm\u00e4fsig, die unten n\u00e4her erl\u00e4utert sind. Die in den Tabellen angegebenen Zahlen sind Durchschnittswerte, f\u00fcr jeden einzelnen Fall aus zehn Bestimmungen gewonnen.\nDie ermittelten Durchmesser f\u00fcr den physiologischen Punkt sind nun folgende: Bei zentraler Fixation war das Mittel aus zehn Bestimmungen: 0,0035 als Durchmesser des Netzhautbildchens, welche Gr\u00f6fse etwas weniger betr\u00e4gt, als der Durchmesser eines Zapfens der Fovea (0,0045). Wenn ich einen geringen Astigmatismus meines Auges korrigiere, kann ich noch kleinere Werte erhalten, ich zog es indessen vor, darauf zu verzichten, da bei den seitlichen Blickrichtungen die Grl\u00e4ser mehr gehindert als genutzt h\u00e4tten. Der kleine Fehler d\u00fcrfte wohl vernachl\u00e4ssigt werden k\u00f6nnen, da derselbe alle Bestimmungen in demselben Sinne beeinflussen mufs, und es sich ja nur um Vergleiche handelt.\nDie Durchmesser f\u00fcr die physiologischen Punkte der Peripherie sind folgende:\t\u00ab\nTabelle 1.\n\tI\tA\tO\tU\n19\u00b0\t0,0182\t0,019\t0,022\t0,024\n20\u00b0\t\u2014\t0,035\t0,037\t0,037\n25\u00b0\t0,037\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n30\u00b0\t\u2014\t0,05\t0,049\t0,046\n35\u00b0\t0,042\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n40\u00b0\t\u2014\t0,07\t0,057\t0,062\n50\u00b0\t0,065\t0,095\t\u2014\t\u2014\n60\u00b0\t0,08\t\u2014\t\u2014\t*\u2014","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262\nGuillery.\nJ, A, 0, JJ bezeichnen die Netzhautmeridiane.\nDer erste Blick auf die Tabelle lehrt, dafs, wie zu erwarten war, der physiologische Punkt f\u00fcr den inneren Meridian am kleinsten ist. Bei 50\u00b0 hat er ungef\u00e4hr denselben Wert, wie auf den anderen bei 40\u00b0, und bei 60\u00b0 ist er noch kleiner, als auf dem \u00e4ufseren bei 50\u00b0.\nMit den Versuchen von Groenouw ist ein genauer Vergleich nur m\u00f6glich an denjenigen Stellen, wo seine Grenzen mit den unsrigen zusammenfallen. So reicht die Kurve f\u00fcr einen Punkt von 0,25 mm bei Groenouw fast \u00fcberall bis zu 10\u00b0, f\u00fcr den \u00e4ufseren Meridian auffallenderweise am weitesten. Das Netzhautbild eines solchen betr\u00e4gt f\u00fcr die Entfernung des F\u00f6RSTERschen Perimeters (314 mm) 0,012 mm, was f\u00fcr meinen \u00e4ufseren und inneren Meridian ziemlich gut stimmt, nach oben und unten ist die Empfindlichkeit bei mir entschieden geringer. Bei 50\u00b0 nach A hat Groenouw 0,096, stimmt also mit mir bis auf 0,001 mm. Eine weitere Stichprobe l\u00e4fst sich bei 30\u00b0 unten und oben machen, welche Stelle bei Groenouw genau, bezw. fast genau von der 1,0 mm-Kurve geschnitten wird. Das zugeh\u00f6rige Netzhautbild ist = 0,048, also mit dem meinigen \u00fcbereinstimmend. Bei 40\u00b0 nach oben (im Gesichtsfelde) ist es bei Groenouw=0,096, also gr\u00f6fser als beimir. Bei 65\u00b0 auf dem inneren Meridian hat Groenouw 0,096, ich bei 60\u00b0 0,08. \u00dcberhaupt ergiebt sich im allgemeinen, abgesehen von einzelnen Schwankungen, welche wohl auf individuellen Unterschieden beruhen, eine so gute \u00dcbereinstimmung, wie sie bei derartigen Untersuchungen \u00fcberhaupt zu erwarten ist.\nB. Lichtsinn.\nW\u00e4hrend die Leistungsf\u00e4higkeit der Netzhaut f\u00fcr alle Arten der Wahrnehmung immer mehr abnimmt, je weiter exzentrisch die Erregung f\u00e4llt, ist von verschiedenen Seiten f\u00fcr den Lichtsinn eine Ausnahmestellung beansprucht worden. Die Empfindlichkeit der Peripherie f\u00fcr Helligkeitsunterschiede sollte der des Zentrums nicht nur nicht nachstehen, sondern, dieselbe sogar \u00fcbertreffen.\nEines der beliebtesten Beispiele, um dies zu begr\u00fcnden, ist die bekannte Erfahrung der Astronomen, dafs man licht schwache Sterne weniger gut beobachtet bei direkter Betrachtung, als wenn man ihr Bild auf eine etwas seitlich von der Fovea ge-","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Baum-, Licht- und Farbensinn der Netzhaut. 263\nlegene Stell\u00a9 fallen l\u00e4fst. Treitel n. A. glauben diese und \u00e4hnliche Beobachtungen zum grofsen Teile dadurch erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen, dafs die Adaptation des Zentrums im Vergleich zu derjenigen der Peripherie erheblich langsamer vor sich geht. Wenn das Sehorgan vorher hellem Lichte ausgesetzt war, so w\u00fcrde die Peripherie infolgedessen viel fr\u00fcher in der Lage sein, auf feine Beize zu reagieren, als das Zentrum. .Das nicht adaptierte Auge sehe infolgedessen seitlich besser, als zentral, wohingegen schon F\u00f6rster betont habe, dafs eine ausgeruhte Betina im Zentrum besseren Lichtsinn habe, als in der Peripherie. Eine n\u00e4here Kritik der diesen Gegenstand betreffenden Versuche liegt nicht in meiner Absicht. Die Litteratur ist ziemlich vollst\u00e4ndig bei Treitel,1 sowie auch bei Schadow2 angegeben. Es sei nur bemerkt, dafs fast von allen Untersuchern die Objekte sehr grofs gew\u00e4hlt sind, so dafs eine eigentliche Untersuchung des Zentrums, wenigstens wenn man darunter die fast punktf\u00f6rmige Stelle des deutlichsten Sehens versteht, gar nicht stattfand. Einzelne dieser Angaben sind mir \u00fcberhaupt unverst\u00e4ndlich. Wenn z. B. Schadow behauptet, ein Licht, welches mit dem Spiegel abwechselnd auf das Zentrum und eine diesem benachbarte Stelle geworfen w\u00fcrde, erscheine im letzteren Falle heller, als im ersteren, so mufs ich umgekehrt sagen, dafs ich in dem Augenblicke, wo die Flamme das Zentrum trifft, das Gef\u00fchl einer blendenden Helligkeit habe, welches sofort aufh\u00f6rt, wenn das Bild weiter wandert. Es ist doch wohl auch eine ganz allt\u00e4gliche Erfahrung, dafs es unangenehmer ist, einen hellen Gegenstand direkt zu betrachten, als mit einer exzentrischen Stelle. Das Verhalten der Nachbilder spricht ebenso daf\u00fcr, dafs die Erregungsvorg\u00e4nge im ersteren Falle weitaus lebhafter sind, was doch nur auf einer gr\u00f6fseren Empfindlichkeit der getroffenen Stelle beruhen kann.\nWill man die Helligkeitsempfindung dem Sehpurpur und somit den St\u00e4bchen zuschreiben, so wird man zugeben m\u00fcssen, dafs f\u00fcr das Zentrum eine andere Einrichtung vorhanden ist, da dieses doch auch zweifellos Helligkeitsempfindung hat, die sich h\u00f6chstens quantitativ von derjenigen der Peripherie unterscheidet. Sind aber die St\u00e4bchen wirklich in besonderem\n1\tArch. f. Ophthalm. XXXV. 1.\n2\tPfl\u00fcgers Arch. XIX.","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\nGu\u00efllery.\nMafse bei der Helligkeitsempfindung beteiligt, so w\u00e4re es immerhin auffallend, dafs dieselben bis an die Peripherie eine gleich bleibende oder gar zunehmende Empfindlichkeit bes\u00e4fsen, die keiner der f\u00fcr die anderen Wahrnehmungen vorhandenen Einrichtungen zukommt. Der Gang der Lichtstrahlen im Auge sollte schon bedingen, dafs ein Objekt weniger hell erscheint, je weiter es sich von der G-esichtslinie entfernt, da von einem seitlich stehenden Lichte ein schmalerer Kegel in die Pupille f\u00e4llt, als von einem zentral fixierten.\nCharpentier1 hat den Einfiufs der G-r\u00f6fse des Netzhautbildchens auf die Helligkeitsempfindung f\u00fcr Zentrum und Peripherie einer vergleichenden Pr\u00fcfung unterzogen und dabei gefunden, dafs dieselbe g\u00e4nzlich unver\u00e4ndert bleiben kann zur Erzielung derselben Wahrnehmung. Er bediente sich eines Quadrates, welches in einem dunklen Kasten durch abgeschw\u00e4chtes Tageslicht beleuchtet war, und dessen Seiten sich durch gegenseitige Verschiebung verkleinern resp. vergr\u00f6fsern liefsen. Er fand, dafs die Gr\u00f6fse desselben an allen untersuchten Stellen ca. 1 mm2 betragen mufste, damit es sichtbar wurde. Nach der Versuchsanordnung handelte es sich ungef\u00e4hr um dasselbe, wie wenn man einen weifsen Punkt auf schwarzem Hintergr\u00fcnde betrachtet. Warum zu dessen Wahrnehmung auch bei zentraler Fixation ein so grofser Winkel erforderlich war, wie ihn Charpentier angiebt, ist nicht recht ersichtlich, da man sonst bei normalen Augen viel geringere Werte findet.\nBei meinen eigenen Versuchen suchte ich, entsprechend unserer Definition des Wortes \u201eLichtsinn44, die Bildgr\u00f6fse, welche erforderlich ist, um einen Helligkeitsunterschied eben wahrzunehmen. Dieser letztere sollte dabei f\u00fcr Zentrum und Peripherie gleich bleiben und nur die Gr\u00f6fse des Objektes ver\u00e4nderlich sein. Es wurden zu diesem Zwecke zwei Kreisfl\u00e4chen von 2 mm Durchmesser hergestellt, welche einen gegenseitigen Abstand von einigen Millimetern hatten, und nun durch den Versuch zwei geeignete T\u00f6ne Grau bestimmt, welche so gew\u00e4hlt waren, dafs sie auch bei m\u00f6glichst kleinen Netzhautbildern unterschieden werden konnten. Der Blick durfte dabei von der einen zur anderen wandern, um sie abwechselnd auf der Stelle des deutlichsten Sehens bezw. der gerade unter-\n1 Arch, de physiol. 1877.","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Baum-, Licht- und Farbensinn der Netzhaut. 265\nsuchten exzentrischen Stelle zu entwerfen. Um die betreffenden T\u00f6ne n\u00e4her bestimmen zu k\u00f6nnen, wurden dieselben gleich auf gr\u00f6fsere runde Scheiben \u00fcbertragen, welche zur Untersuchung am Kreisel benutzt werden konnten. Am geeignetsten schienen mir nach vielfachen Versuchen zwei T\u00f6ne, von denen der eine 120\u00b0 8 + 240\u00b0 W, der andere 220\u00b0 8 -j- 140\u00b0 W entsprach. Ein Unterschied zwischen beiden konnte noch erkannt werden bei einem Netzhautbilde von 0,0045 mm, welches also wohl ziemlich genau einen Zapfen decken mufste. Ich will nicht behaupten, dafs dies die geringste Helligkeitsdifferenz ist, die man bei dieser Gr\u00f6fse des Netzhautbildes erkennen kann, aber um den V ersuch nicht zu sehr zu erschweren und die Bestimmungen nicht zu schwankend zu machen, wollte ich nicht bis an die \u00e4ufserste Grenze gehen. Jedenfalls kann ich von derselben nicht sehr weit entfernt gewesen sein, und es ergiebt sich aus diesen Zahlen, dafs die Unterschiedsempfindlichkeit eines einzelnen Elementes nicht ann\u00e4hernd dieselbe ist wie diejenige der gesamten Netzhaut, was ja auch aus den verschiedensten Gr\u00fcnden nicht anders zu erwarten war. Die notwendige Verkleinerung fand in der oben angegebenen Weise statt, und war \u00fcberhaupt die Versuchsanordnung dieselbe wie beim Baumsinn. F\u00fcr die Peripherie wurde den beiden Punkten eine solche Lage gegeben, dafs ihre Verbindungslinie senkrecht stand auf dem zu untersuchenden Meridiane. Die tabellarische Zusammenstellung zeigt folgendes Bild.\nTabelle 2.\n\tI\tA\t0\tU\n10\u00b0\t0,029\t0,028\t0,03\t0,029\n20\u00b0\t\u2014\t0,045\t0,053\t0,051\n25\u00b0\t0,048\t\u2014\t\u2014\u25a0\t\u2014\n30\u00b0\t\u2014\t0,065\t0,06\t0,06\n35\u00b0\t0,062\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n40\u00b0\t\u2014\t0,09\t0,073\t0,081\n50\u00b0\t0,087\t0,13\t\u2014\t\u2014\n60\u00b0\t0,1\t\u2014\t\u2014\t\u2014\nDie Zahlen dieser Tabelle bedeuten den Durchmesser desjenigen Netzhautbildchens, bei welchem jedesmal dieselbe","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nGui\u00eflery.\nHelligkeitsdifferenz erkannt werden konnte, f\u00fcr die im Zentrum ein Durchmesser von 0,0045 mm erforderlich war. Es ergiebt sich somit ein stetiges Anwachsen der f\u00fcr dieselbe Wahrnehmung erforderlichen Fl\u00e4che nach der Peripherie hin. Am meisten bevorzugt ist wiederum der innere Meridian, welcher bei 60\u00b0 noch einen kleineren Wert aufweist, als der \u00e4ufsere bei 50\u00b0.\nWir m\u00fcssen somit annehmen, dafs die Einrichtungen unseres Sehorganes, welche die betreffende Empfindung vermitteln, nach der Peripherie hin auf eine stetig gr\u00f6fser werdende Fl\u00e4che verteilt sind. Im Vergleiche zum physiologischen Punkt finden wir folgende Werte.\nTabelle 3.\n\tI\tA\t0\t\u00fc\n10\u00b0\t1,5\t1,5\t14\t1,12\n20\u00b0\t\u2014\t1,34\t1,4\t1,37\n25\u00b0\t1,3\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n30\u00b0\t\u2014\t1,3\t1,23\t1,3\n85\u00b0\t14\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n40\u00b0\t1,3\t1,3\t1,3\t1,3\n50\u00b0\t\u2014\t1,36\t\u2014\t\u2014\n60\u00b0\t1,2\t\u2014\t\u2014\t\u2014.\nDie Zahlen sind die Mafse f\u00fcr den Durchmesser des Netz-hautbildchens, wenn der des physiologischen Punktes der betreffenden Stellen = 1 gesetzt wird. Auf dieselbe Weise finden wir f\u00fcr das Zentrum 1,3, also bis auf wenige Zehntel vollkommene \u00dcbereinstimmung f\u00fcr alle Stellen. Zur Wahrnehmung eines Helligkeitsunterschiedes mufs das Netzhautbild somit an allen gepr\u00fcften Stellen um fast dasselbe Mafs gr\u00f6fser sein, als f\u00fcr das Bildchen eines eben wahrnehmbaren dunklen Punktes. Die kleinen Schwankungen d\u00fcrften auf die unvermeidlichen Beobachtungsfehler zur\u00fcckzuf\u00fchren sein. Man darf wohl annehmen, dafs innerhalb gewisser Grenzen sich dies f\u00fcr beliebige andere Helligkeitsunterschiede ebenso verhalten w\u00fcrde, d. h. also, dafs f\u00fcr Zentrum wie Peripherie ein eben sichtbares Objekt in gleichem Mafse vergr\u00f6fsert werden mufs, um an demselben die n\u00e4mliche Helligkeitsdifferenz zu unterscheiden.","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Baum-, Licht- und Farbensinn der Netzhaut. 267\nDa es sich, bei diesen Empfindungen nur um quantitativ verschiedene Erregungszust\u00e4nde der schwarz-weifs empfindenden Substanz handelt, so k\u00f6nnte man versucht sein, in derselben Weise auch die Schwellenwerte f\u00fcr andere Wahrnehmungen, die durch Erregung der schwarz-weifs en Substanz \u00fcbermittelt werden, zu suchen, z. B, diejenige Gr\u00f6fse des Netzhautbildes, die erforderlich ist, um sich \u00fcber eine bestimmte Form eines schwarzen Objektes auf weifsem Hintergr\u00fcnde ein Urteil zu bilden. Aber selbst wenn man bei den allereinfachsten Formen bleibt, kommt man zu h\u00f6chst schwankenden Werten, die nicht zu vereinbaren sind, weil der in der Sehsubstanz sich abspielende Prozefs zu viele uns unbekannte Stationen und Neben-schliefsungen auf psychischem G-ebiete durchlaufen mufs, bis die Deutung des Eindruckes zu st\u00e4nde kommt.\nC. Farbensinn.\nDie Grenzen f\u00fcr Blau und Gelb werden bei Untersuchung der Netzhautperipherie mit farbigen Papieren bekanntlich weiter gefunden, als die f\u00fcr Bot und Gr\u00fcn. Die letzteren erleiden noch dadurch eine Einschr\u00e4nkung, dafs die T\u00f6ne Bot und Gr\u00fcn bei den meisten Pigmenten eine Ver\u00e4nderung im peripheren Sehen erfahren, indem sie eine gelbliche oder bl\u00e4uliche F\u00e4rbung annehmen. Nach Hering erkl\u00e4rt sich dies in der Weise, dafs die Bot und Gr\u00fcn empfindende Substanz einer-, die Blau und Gelb empfindende andererseits ungleich \u00fcber die Netzhaut verteilt sind, so dafs die letztere am weitesten in die vorderen Abschnitte hineinreicht. An der Grenze der ersteren wird ein rotes oder ein gr\u00fcnes Pigment, wenn es homogenes Licht reflektiert, farblos werden und nur noch Helligkeitsempfindung erzeugen. Sind die T\u00f6ne aber nicht rein, sondern haben, wie gew\u00f6hnlich, einen Stich ins Gelbliche oder Bl\u00e4uliche, so. werden sie aufserhalb jener Grenzen nur die Gelb und Blau empfindende Substanz in Erregung versetzen und die entsprechende Wahrnehmung hervorrufen. Die Grenzbestimmung ist jedenfalls leichter und sch\u00e4rfer, wenn die betreffenden Papiere g\u00e4nzlich farblos werden, als wenn sie ihren Ton \u00e4ndern, und darum ist es zweckm\u00e4fsig, bei solchen Untersuchungen mit unver\u00e4nderlichen Farben, den von Hering sog. Urfarben, zu operieren. F\u00fcr unsere Zwecke war es notwendig, an den verschiedenen Netzhautsteilen die Gr\u00f6fse des Bildes zu bestimmen, bei welcher","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268\nGui\u00eflery.\ndasselbe eben farbig wird, und ist hierbei nat\u00fcrlich die Reinheit des Tones ganz besonders erw\u00fcnscht. Unter einer gr\u00f6fseren Sammlung von Pigmenten d\u00fcrften diese Urfarben wohl stets zu finden sein, doch kann man sie auch leicht hersteilen. Haben wir z. B. ein gelbliches Rot, so wird man mit demselben den Eindruck eines reinen Rots hervorrufen k\u00f6nnen, wenn so viel Blau zugemischt wird, dafs das gelbe Licht aus der Farbe verschwindet. Viel sch\u00e4rfer als bei zentraler Fixation l\u00e4fst sich das Quantum dieses Zusatzes durch den Tonwechsel in der Peripherie bestimmen. Die Farbe ist erst dann rein, wenn sie bei exzentrischer Fortbewegung lediglich an S\u00e4ttigung verliert, aber im Tone unver\u00e4ndert bleibt. Zu wenig Blau wird sich durch \u00dcbergang in einen gelblichen, zu viel durch \u00dcbergang in einen bl\u00e4ulichen Ton zu erkennen geben. F\u00fcr Gr\u00fcn gilt nat\u00fcrlich dasselbe.\nUnter den mir zur Verf\u00fcgung stehenden farbigen Scheiben suchte ich zwei m\u00f6glichst ges\u00e4ttigte aus und fand, dafs ich der roten, um sie unver\u00e4nderlich zu machen, einen Sektor von 20\u00b0 Blau zusetzen mufste, der gr\u00fcnen einen solchen von 40\u00b0 B]au. Streng genommen, m\u00fcfste man jedesmal vor Beginn eines neuen Versuches diese Mischungen kontrollieren, da sie je nach der Beleuchtung sich \u00e4ndern. Ich \u00fcberzeugte mich aber davon, dafs die Schwellenwerte ihrer Netzhautbilder dadurch nicht merklich beeinfiufst werden, und suchte diese Schwankungen auch auf die Weise einzuschr\u00e4nken, dafs ich stets zu derselben Tageszeit und bei gleicher Witterung experimentierte.\nMan kann sich von der Richtigkeit der Mischung durch einen Kontrolversuch1 \u00fcberzeugen, indem man aus dem betreffenden Rot, Gr\u00fcn und Blau eine farblose Mischung herstellt, in welcher also das Rot dem Gr\u00fcn und das Blau dem in den beiden anderen vorhandenen Gelb die Wagschale h\u00e4lt. Die drei Sektoren, welche die farblose Mischung geben, seien B1 Gr und Bl. Die Gr\u00f6fse dieses letzteren Sektors Bl ist auch aus unseren beiden ersten Mischungen zu finden. Angenommen, wir h\u00e4tten festgestellt, dafs das unver\u00e4nderliche Rot durch zwei Sektoren, r -f bl1 das unver\u00e4nderliche Gr\u00fcn durch gr -f- bl gebildet wird, so l\u00e4fst sich durch die Proportion r : bl \u2014 B : x und gr : bl \u2014 Gr : y die Gr\u00f6fse f\u00fcr den blauen Sektor\n1 Siehe Hess, Arch. f. Ophthalm. XXXY. 4.","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Baum-, Licht- und Farbensinn der Netzhaut. 269\nfinden, welcher den obigen Werten R -j- Gr entspricht. Die Summe von x -f- y mufs gleich sein J5Z, da dieses das Gelb von R Gr neutralisiert.\nMit unseren Farben konnte Grau gemischt werden aus 125 R -f- 205 Gr -f- 30 Bl. Nach der Rechnung h\u00e4tten es 32,3Blau sein m\u00fcssen, also eine Genauigkeit, die jeder, der mit solchen Versuchen vertraut ist, als ausreichend anerkennen wird.\nBlaue und gelbe Scheiben von gen\u00fcgender Reinheit sind leichter zu finden. Eine geringe Beimischung von Rot wird sich bei diesen dadurch bemerklich machen, dafs der Farbenton an der Grenze der Rotempfindung von einem r\u00f6tlich Gelb und r\u00f6tlich Blau in reines Gelb bezw. Blau \u00fcbergeht. Bei diesen beiden T\u00f6nen ist eine solche Beimischung aber weniger st\u00f6rend, da die Grenzen, innerhalb deren sie \u00fcberhaupt farbig erscheinen, dadurch nicht ver\u00e4ndert werden k\u00f6nnen. Sowie man einen farbigen Eindruck hat, mufs also auch eine Erregung der Blau-Gelb empfindenden Substanz vorliegen.\nDie Versuchsanordnung wurde, um die auf dem Farbenkreisel hergestellten Mischungen benutzen zu k\u00f6nnen, in der W eise ver\u00e4ndert, dafs in 1 m Entfernung vom Beobachter dieser rotierende Kreisel mit den passenden Sektoren aufgestellt wurde. Zwischen ihm und der R\u00f6hre, durch welche hindurchgeblickt wurde, stand ein schwarzer Schirm mit einem gr\u00f6fseren Ausschnitte, in welchen kleine Schieber mit je einer \u00d6ffnung von 2, 5, 10 und 20 mm Durchmesser eingesetzt werden konnten. Durch letztere hindurch sah man also die farbige Scheibe, und liefs sich das Netzhautbild teils durch das Einstellen verschieden grofser \u00d6ffnungen, teils durch An- und Abr\u00fccken des Schirmes vergr\u00f6fsern bezw. verkleinern. Die Anwendung der Linse war nur noch f\u00fcr das Zentrum und dessen n\u00e4here Umgebung notwendig, da ja die Wahrnehmung von Farben ein verh\u00e4ltnism\u00e4fsig grofses Netzhautbild erfordert.\nDie Ergebnisse sind \u00e4hnlich wie oben auf zwei Tabellen (4 und 5) zusammengestellt, in der Weise, dafs die erste den Durchmesser desjenigen Netzhautbildes angiebt, welches eben die betreffende farbige Empfindung an der untersuchten Stelle ausl\u00f6st; die zweite giebt das Verh\u00e4ltnis zum physiologischen Punkte, wenn dieser gleich 1 gesetzt wird.\nDie entsprechenden Werte f\u00fcr das Zentrum sind folgende : Blau 0,019, Gelb 0,007, Rot 0,007, Gr\u00fcn 0,011. Das Verh\u00e4ltnis","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nGu\u00fclery.\nzum physiologischen Punkt ist hier f\u00fcr B]au 5,4, G-elb 2,0, Bot 2,0, Gr\u00fcn 3,0.\nTabelle 4.\n\tBlau\t\t\t\tGelb\t\t\t\t\tE\to t\t\t\tGr\t\u00fcn\t\n\tI\tA\t0\tU\tI\tA\t0\t\u00fc\tI\tA\t0\t\u00fc\tJ\tA\t0\t\u00fc\n10\u00b0\t0,035\t0,037\t0,045\t0,04\t0,03\t0,033\t0,025\t0,032\t0,059\t0,06\t0,08\t0,08\t0,07\t0,08\t0,09\t0,08\n20\u00b0\t\u2014\t0,063\t0,072\t0,08\t\u2014\t0,068\t0,068\t0,079\t\u2014\t0,13\t0,18\t0,2\t\u2014\t0,17\t0,17\t0,17\n25\u00b0\t0,053\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0,067\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0,14\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0,17\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n30\u00b0\t\u2014\t0,13\t0,15\t0,15\t\u2014\t0,126\t0,15\t0,14\t\u2014\t0,28\t0,34\t0,4\t\u2014\t0,28\t0,32\t0,32\n35\u00b0\t0,084\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0,096\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0,29\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0,33\t\u2014\t\u2014\t\u25a0\u2014\no o\t\u2014\t0,17\t0,32\t0,32\t\u2014\t0,16\t0,35\t0,31\t\u2014\t0,63\t0,7\t0,6\t\u2014\t0,6\t0,6\t0,59\n50\u00b0\t0,229\t0,28\t\u2014\t\u2014\t0,21\t0,29\t\u2014\t\u2014\t0,6\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0,64\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n60\u00b0\t0,387\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0,45\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\nTabelle 5.\n\t\tBi\tau\t\t\tG e\tlb\t\t\tE\to t\t\t\tGr\t\u00fcn\t\n\tI\tA\t0\tU\tI\t\t0\t\u00fc\tI\tA\t0\tu\tI\tA\t0\t\u00fc\n10\u00b0\t1,6\t1,9\t2,0\t1,7\t1,6\t1,7\t1,2\t1,3\t3,3\t3,2\t3,6\t3,3\t4,0\t4,2\t4,1\t3,3\n20\u00b0\t\u2014\t1,8\t2,0\t2,1\t\u2014\t1,9\t1,8\t2,1\t\u2014\t3,7\t5,0\t5,4\t\u2014\t4,8\t4,6\t4,6\n25\u00b0\t1,43\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t1,9\t\u2014\t\u2022 \u2014\t\u2014\t4,0\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t4,7\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n30\u00b0\t\u2014\t2,6\t3,0\t3,2\t\u2014-\t2,5\t3,0\t3,0\t\u2014.\t5,6\t7,0\t8,7\t\u2014\t5,6\t6,5\t7,0\n35\u00b0\t2,0\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t2,3\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t6,9\t\u2022\u2014\t\u2014\t\u2014\t7,0\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n40\u00b0\t\u2014\t2,4\t5,6\t5,1\t\u2014\t2,3\t6,0\t5,0\t\u2014\t9,0\t12,0\t10,0\t\u2014\t8,6\t10,0\t9,6\n50\u00b0\t3,5\t3,1\t\u2014\t\u2014\t3,2\t3,2\t\u2014\t\u2014\t9,2\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t8,0\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n60\u00b0\t4,6\t\u2014\t\t\t5,6\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nAus dem Durchmesser des Netzhautbildes ergiebt sich zun\u00e4chst, dafs meine Fovea nicht blaublind ist, da derselbe ungef\u00e4hr gleich ist dem von 4 Netzhautzapfen. Man mufs sich freilich bei dieser Untersuchung vor unwillk\u00fcrlichen kleinen Bewegungen h\u00fcten, da die Blauempfindung dadurch viel deutlicher wird. Es gelingt mir aber ganz sicher, auch bei streng zentraler Fixation ein blaues Pigment bei einem Netzhautbilde zu erkennen, dessen Durchmesser den der Fovea bei weitem nicht erreicht. Es zeigt aber die Tabelle die bekannte That-","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Baum-, Licht- und Farbensinn der Netzhaut. 271\nsache, dafs die Blauempfindung im Zentrum wesentlich geringer ist, als die der \u00fcbrigen Farben, ich finde sie sogar, mit unserem Mafsstabe gemessen, geringer, als in der \u00e4ufsersten Peripherie. Man sieht deutlich auf beiden Tabellen, an welchen Stellen der farbenempfindende Stoff anf\u00e4ngt sp\u00e4rlicher zu werden, indem daselbst die gefundenen Werte ganz unverh\u00e4ltnism\u00e4fsig anwachsen. Am klarsten zeigt dies die zweite, weil sie beweist, dafs nicht nur eine absolute Zunahme, sondern auch eine relative im Yergleich zu einer anderen Wahrnehmung, n\u00e4mlich der des physiologischen Punktes, stattfindet, und habe ich zur besseren Veranschaulichung ihre Zahlen auf Kurventafeln wiedergegeben, auf welchen diese die Ordinaten, die Netzhautgrade die Abscissen darstellen.\nIm einzelnen best\u00e4tigen die Ergebnisse die Seeing sehe Ansicht im Gegens\u00e4tze zu den Angaben Kieschmanns, 1 insofern die rote Kurve der gr\u00fcnen und die blaue der gelben sehr \u00e4hnlich ist, w\u00e4hrend sie, paarweise betrachtet, grofse Verschiedenheiten darbieten. Dafs auch die Gelbkurve im Zentrum ein etwas ung\u00fcnstigeres Verh\u00e4ltnis zum physiologischen Punkte aufweist, als die n\u00e4chste Peripherie, liegt nat\u00fcrlich* nicht an einer verminderten Empfindlichkeit des ersteren gegen diese Farbe, sondern an der verh\u00e4ltnism\u00e4fsig grofsen \u00dcberlegenheit des Zentrums f\u00fcr den Kaumsinn, welche ja im Interesse der zentralen Sehsch\u00e4rfe erforderlich ist. Die Empfindlichkeit f\u00fcr Gelb nimmt hierdurch anfangs langsamer ab, als f\u00fcr den physiologischen Punkt, w\u00e4hrend die relativ schnelle Abnahme der Kot- und Gr\u00fcnempfindung das sofortige Ansteigen ihrer beiden Kurven bedingt. Das Verh\u00e4ltnis ist f\u00fcr Blau und Gelb am g\u00fcnstigsten auf der Strecke von der n\u00e4heren Umgebung des Zentrums bis etwa zu 30\u00b0. Von da ab beginnt die Kurve zu steigen, und zwar langsamer nach I und A, als nach 0 und TJ. Auf diesen letzteren Meridianen haben die Zahlen bei 40\u00b0 ungef\u00e4hr das Dreifache des Wertes, den sie bei 10\u00b0 haben, w\u00e4hrend sie dies nach A und 1 erst bei 50\u00b0 bis 60\u00b0 erreichen. Dieselbe Bevorzugung des inneren und \u00e4ufseren Meridians ergiebt sich auch bei der Kot- und Gr\u00fcnempfindung.\nDiese Kurven entwerfen, so zu sagen, ein geometrisches Bild der Verteilung der verschiedenen empfindenden Substanzen,\n1 Wundt, Philos. Stud. Bd. 8.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\nGuillery,\n-\tBlau\n-\tGelb Rom\n-\tGr\u00fcn\n\u00c4ufserer Meridian\nInnerer Meridian\nOberer Meridian\nUnterer Meridian.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungen \u00fcber Uaum-i Licht- und Farbensinn der Netzhaut. 273\nwobei wir nur von der Blauempfindung des Zentrums aus bekannten Gr\u00fcnden absehen m\u00fcssen. W\u00e4hrend die blau-gelbe Substanz bis in die mittlere Zone sich fast unvermindert erh\u00e4lt, zeigt die rot-gr\u00fcne schon von 10\u00b0 an eine bedeutende Abnahme gegen\u00fcber dem Zentrum, welche sehr schnell nach der Peripherie fortschreitet. Bei 40\u00b0 erreicht das bez\u00fcgliche Netzhautbild schon eine Gr\u00f6fse, welche beweist* dafs die empfindliche Substanz nur noch sehr sp\u00e4rlich \u00fcber die Fl\u00e4che verteilt sein kann. Jedenfalls wird jeder Punkt der Netzhautperipherie, an welchem alle vier Farben wahrgenommen werden, am leichtesten von Blau und Gelb, am schwersten von Bot und Gr\u00fcn erregt.\nBis zu 25\u00b0 bis 30\u00b0 nach allen Bichtungen zeigt das Netzhautbildchen f\u00fcr die Blaugelbempfindung fast dasselbe Verh\u00e4ltnis zum physiologischen Punkte, wie wir es f\u00fcr die einfache HelligkeitsWahrnehmung gefunden haben. Dafs die beiden Funktionen aber nicht an dieselben Elemente gekn\u00fcpft sein k\u00f6nnen, beweist das baldige Ansteigen der Kurve f\u00fcr die erstere bei weiterem Fortschreiten nach der Peripherie, w\u00e4hrend die der zweiten, wenn wir sie darstellen wollten, der des physiologischen Punktes fast parallel verlaufen m\u00fcfste.\nDie gefundenen Zahlen liefern gleichsam eine mathematische Best\u00e4tigung des von Hering aufgestellten Satzes, \u201edafs die schwarz-weifs empfindende Substanz viel reichlicher im Sehorgane enthalten ist, als die rot-gr\u00fcne und die blaugelbe, und dafs auch diese beiden untereinander nicht gleich sind\u201c. W\u00fcrde man sich der m\u00fchevollen Arbeit unterziehen, die zur Untersuchung verwandten Pigmente in Bezug auf ihre farbige Valenz und ihre Helligkeit gleich zu machen, was bei den verschiedenen Schwankungen der Tagesbeleuchtung beinahe aussichtslos ist, so w\u00fcrden die Grenzen f\u00fcr diese Verteilung der verschiedenen Substanzen wohl noch sch\u00e4rfer zu bestimmen sein, eine wesentliche \u00c4nderung des Bildes d\u00fcrfte eine solche Vervollkommnung aber schwerlich herbeif\u00fchren. Um absolute Werte zu finden, braucht man nur die Gr\u00f6fse der Netzhautbilder selbst als Ordinaten der Kurven zu nehmen. Uns kam es mehr darauf an, die relative Verteilung der den \u25a0einzelnen Empfindungen zu Grunde liegenden Substanzen an den verschiedenen untersuchten Netzhautstellen zu ermitteln.\nEs gelingt nicht, die Anordnung der histologischen Ele-\n18\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XII.","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\nGuillery,\nmente der Netzhaut, welche wir als die lichtempfindenden an-sehen, mit diesen Ergebnissen in Einklang zu bringen, so dafs wir solche von bestimmter Beschaffenheit innerhalb der Grenzen der einzelnen Wahrnehmungen an tr\u00e4fen. Wir sind daher gen\u00f6tigt, dieselben entweder dieser Bedeutung zu entkleiden und uns nach anderen umzusehen, oder anzunehmen, dafs sie in verschiedenem Umfange mit chemischen Stoffen ausger\u00fcstet sind, welche sie zu den einzelnen Empfindungen bef\u00e4higen.\nAus dem Gesagten ergiebt sich auch eine praktische Nutzanwendung, n\u00e4mlich die, dafs man, um feinere St\u00f6rungen des Licht- und Farbensinnes festzustellen, nicht eine beliebig grofse Fl\u00e4che w\u00e4hlen darf, sondern eigentlich nur eine solche, deren Ausdehnung der normalen Empfindlichkeit der betreffenden Stelle entspricht. Unsere Funktionspr\u00fcfungen werden uns die besten Aufschl\u00fcsse geben, wenn sie sich immer m\u00f6glichst den Grenzen des f\u00fcr das normale Auge Erreichbaren n\u00e4hern. Dieser Grundsatz ist in Bezug auf die Gr\u00f6fse des Netzhautbildes bei den perimetrischen Untersuchungen bisher kaum ber\u00fccksichtigt worden. Eine Ausnahme macht der Vorschlag Gkoenouws, die Netzhautperipherie mit einzelnen Punkten zu untersuchen, indem die Grenzen, innerhalb welcher solche von bestimmter Gr\u00f6fse erkannt werden k\u00f6nnen, bei Kranken und Normalen verglichen werden. Dadurch, dafs diese Methode das eben Erreichbare verlangt, erkl\u00e4rt sich ihre \u00dcberlegenheit zur Diagnose feinerer St\u00f6rungen. Es w\u00fcrde keine grofsen technischen Schwierigkeiten machen, farbige Punkte sowie solche von verschiedener Helligkeit in demselben Sinne zu verwenden, wenngleich eine derartige Pr\u00fcfung an die Intelligenz des Untersuchten nicht geringe Anforderungen stellt. Ob St\u00f6rungen des Farbensinnes Vorkommen bei normaler Empfindlichkeit der einen oder anderen der \u00fcbrigen Funktionen, und umgekehrt, d\u00fcrfte sich mit Sicherheit erst bei einer solchen Verfeinerung der Methode feststellen lassen. Inwieweit hierdurch eine Vervollkommnung der perimetrischen Untersuchung zu erzielen ist, mufs die klinische Beobachtung entscheiden.","page":274}],"identifier":"lit36205","issued":"1896","language":"de","pages":"243-274","startpages":"243","title":"Vergleichende Untersuchungen \u00fcber Raum-, Licht- und Farbensinn in Zentrum und Peripherie der Netzhaut","type":"Journal Article","volume":"12"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:45:09.638975+00:00"}