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{"created":"2022-01-31T16:38:04.536133+00:00","id":"lit36438","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Roemer, E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 12: 131-143","fulltext":[{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der psychischen Zeitmessungen\nbei Geisteskranken.\nVon\nDr. E. Boemer.\nEs ist schon oft ausgef\u00fchrt worden, dafs Messungen der Beaktionszeit, insbesondere der Assoziationszeit, bei Geisteskranken aufserordentliehen Schwierigkeiten unterliegen, und viele Psychiater hielten oder halten sie f\u00fcr g\u00e4nzlich unm\u00f6glich. Noch vor zwei Jahren sprach sich z. B. Ziehen ganz entschieden in diesem Sinne aus.1 Die \u00e4lteren Versuche von Buccola2 und Walitzkaja3 sind nun in der That ziemlich unbrauchbar, und sie sind bis in die neueste Zeit die einzigen der Art gewesen. Die Schwierigkeiten, die sich derartigen Messungen entgegenstellen, liegen einmal in den Kranken selbst, die dem psychologischen Experimente sehr oft vollst\u00e4ndig unzug\u00e4nglich sind, sodann aber auch in den Methoden der Zeitmessung, in den Apparaten, die oft ziemlich kompliziert und difficil sind, so dafs ein rasches Experimentieren ausgeschlossen ist. Eine halbwegs exakte Messung ist zudem nicht gut m\u00f6glich, aufser wenn auch der Beagierende einen Apparat handhabt, wozu die\n1\tZiehen, \u00dcber St\u00f6rungen des Vorstellungsablaufes bei Paranoia. Arch. f. Psychiatr. Bd. XXIV. S. 320. Sowie sein Lehrt). d. Psychiatr. Berlin 1894. Er schreibt in diesem (S. 85): \u201eDa auch psychophysische Messungen uns hier im Stiche lassen und zudem bei Geisteskranken bislang un\u00fcberwindlichen Schwierigkeiten begegnen, so ist der Arzt bei Beurteilung der Geschwindigkeit der Ideenassoziation mehr oder weniger auf eine Sch\u00e4tzung angewiesen.\u201c\n2\tBuccola, La legge del tempo nei fenomeni del pensiero.\n3\tM. K. Walitzkaja, Zur Frage der psychophysischen Messungen bei Geisteskranken. Arch. f. Min. u. gerichtt. Psychiatr. von Merschejewski.\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nE. Boemer.\nmeisten Patienten nicht im st\u00e4nde sind. Nun liegt ja f\u00fcr die Psychiatrie ganz gewifs nicht das einzige Heil darin, dafs gerade die Assoziationsgeschwindigkeit gemessen wird, sondern es giebt eine ganze Beihe anderer Ph\u00e4nomene, deren experimentelle Ergr\u00fcndung nicht minder wichtig und nicht minder aussichtsreich ist. Ich erinnere nur an das qualitative Verhalten der Ideenassoziation und seine elementare Bedeutung f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der Ideenflucht1 oder an die psychischen Einwirkungen der Arzneimittel, besonders des Alkohols,2 oder an die Auffassungsf\u00e4higkeit, die Erm\u00fcdbarkeit u. s. w. Aber auch umfassendere Messungen der Assoziationsgeschwindigkeit unter abnormen und pathologischen Verh\u00e4ltnissen sind haupts\u00e4chlich von Kr\u00e4pelin (a. a. O. S. 51 ff.), sowie von Aschaffenburg, der die Erm\u00fcdung und die Ideenflucht eingehend untersucht hat, vorgenommen worden. Letzterer fafste seine Besultate dahin zusammen: \u201eEine Beschleunigung des Assoziationsvorganges bei der Ideenflucht ist bisher nicht nachgewiesen und ist ebenso unwahrscheinlich wie eine objektiv nachweisbare gr\u00f6fsere intellektuelle Leistung.\u201c\nEs w\u00e4re nun verfehlt, zu hoffen, dafs wir dereinst auch nur bei dem gr\u00f6fseren Teile aller Geisteskranken psychische Zeitmessungen werden ausf\u00fchren k\u00f6nnen. Aber das ist schliefs-lich auch nicht n\u00f6tig. Die hochgradige manische Erregung z. B. wird sich dem messenden psychologischen Experimente nie zug\u00e4nglich erweisen, ebensowenig wie der schwere Stupor. Wohl aber die Hypomanie, die leichtere manische Exaltation und die weniger schweren Formen der Hemmung. Qualitativ bieten uns diese Zust\u00e4nde ja dasselbe wie jene. Ihre experimentelle Analyse mufs daher jedenfalls der erste Schritt sein bei einem Versuche, das Wesen der St\u00f6rung bei der Manie oder im zirkul\u00e4ren Irresein zu ergr\u00fcnden. Ich w\u00e4hle gerade dieses Beispiel, weil sich einige neuere Untersuchungen speziell auf diese Psychosen beziehen. Aufser den Arbeiten von Aschaffenburg, die erst zum Teil ver\u00f6ffentlicht sind, liegt neuerdings eine Arbeit von Ziehen vor, in der er \u00fcber Ver-\n1\tAschaffenburg, \u00dcber Ideenfluckt. Bericht \u00fcber die XIX. \u2019Wanderversammlung der S\u00fcdwestdeutscben Neurologen und Irren\u00e4rzte. Arch, f. Psychiatr. Bd. XXVI. Hft. 2.\n2\tKr\u00e4pelin, \u00dcber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorg\u00e4nge durch einige Arzneimittel. Jena 1892.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der psychischen Zeitmessungen lei Geisteskranken. 133\nsuche berichtet, die er an einem Falle von zirkul\u00e4rem Irresein angestellt hat.1 Er giebt bei dieser Gelegenheit sogar eine neue experimentelle Methode an, was um so interessanter ist, als er, wie ich oben erw\u00e4hnte, noch vor kurzem die Ausf\u00fchrbarkeit derartiger Untersuchungen angezweifelt hat. Da er in seiner Arbeit andere bew\u00e4hrte Methoden verwirft und \u00fcberdies die prinzipielle Frage des psychologischen Experimentes in der Psychiatrie ausf\u00fchrlich er\u00f6rtert, so verlohnt sich wohl an dieser Stelle ein n\u00e4heres Eingehen auf seine Ausf\u00fchrungen.\nZiehen benutzte zur Messung der Assoziationsgeschwindigkeit ein Uhrwerk, das bereits von M\u00fcnsterberg beschrieben worden ist. Dasselbe giebt Hundertstelsekunden an und unterscheidet sich vom Hippschen Chronoskop aufserdem besonders dadurch, dafs die Einkuppelung der Zeiger nicht durch einen Magneten erfolgt, der seinerseits direkt durch den Heiz und die Reaktion wirksam wird, sondern durch einen Taster, den der Registrierende mit der Hand niederdr\u00fcckt, sobald er die Reaktion der Versuchsperson wahrnimmt. Dafs das Uhrwerk nur Hundertstelsekunden anzeigt, ist gewifs kein Nachteil, wenn es sie exakt anzeigt. Dafs aber die Versuche, die man nach der von Ziehen vorgeschlagenen Methode damit anstellt, so gut wie unbrauchbar sind, weil sie grofse und v\u00f6llig unkontrollierbare Fehlerquellen enthalten, ist f\u00fcr jeden klar, der einige Erfahrung in solchen Messungen hat. Derartige Fehler kann man wohl bei stupo-r\u00f6sen, bei stark gehemmten Patienten mit in Kauf nehmen, deren Reaktionszeiten oft so verl\u00e4ngert sind, dafs man sie mit der F\u00fcnftelsekundenuhr messen kann, aber nicht bei Manischen. Die von Ziehen gemessene Zeit enth\u00e4lt, wie er selbst sagt, nicht nur die Reaktion des Patienten, sondern noch die einfache Reaktion des Registrierenden. Beide unterliegen nach Disposition, Tageszeit und anderen Verh\u00e4ltnissen gr\u00f6fseren Ver\u00e4nderungen, als Ziehen zu glauben scheint. Aufserdem wird es dem Registrierenden nur sehr schwer, jedenfalls nicht immer m\u00f6glich sein, muskul\u00e4r zu reagieren, weil er die Aufmerksamkeit in erster Linie auf den erwarteten Sinnesreiz, d. i. die Antwort des Patienten, richten mufs; ein Umstand, der bekanntlich die sensorische Reaktion sehr beg\u00fcnstigt.\n1 \u00dcber Messungen der Assoziationsgesckwindigkeit bei Geisteskranken, namentlicb bei zirkul\u00e4rem Irresein. Neurol. Centralbl. 1896. No. 7.","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nE. Boemer.\nEndlich aber setzt er das Uhrwerk niemals gleichzeitig mit dem Aussprechen des Reizwortes in Gang, sondern entweder fr\u00fcher oder sp\u00e4ter. Auf Grund eigener Erfahrungen mufs ich bestreiten, dafs bald das eine, bald das andere der Fall ist, so dafs sich in einer l\u00e4ngeren Serie die Fehler etwa aus-gleichen k\u00f6nnten. Sondern, wer einmal die Neigung hat, vorzeitig die eine Bewegung auszuf\u00fchren, der f\u00fchrt sie in der Regel so aus, sogar ohne dafs er es weifs oder glaubt. Man kann das sehr deutlich sehen, wenn man Messungen, die verschiedene Beobachter nach einer derartigen Methode an derselben Versuchsperson ausgef\u00fchrt haben, mit einander vergleicht. Ich habe auf diesem Wege Unterschiede bis zu 200 und 300 0\u201d konstatieren k\u00f6nnen. Eine weitere Fehlerquelle der Ziehens eben Methode liegt darin, dafs eine gewisse Zeit vergeht, bis der Taster niedergedr\u00fcckt ist. Wenn die Strecke, um die der Taster dabei abw\u00e4rts bewegt werden mufs, bis der betreffende Hebel angreift und das Werk in Gang setzt, nur wenige Millimeter betr\u00e4gt, so w\u00fcrde das schon eine recht betr\u00e4chtliche Zeit beanspruchen, und je nachdem man die Bewegung schnell oder langsam ausf\u00fchrt, wird diese Zeit gr\u00f6fser oder kleiner sein. Kk\u00e4pelin hat gelegentlich1 die Zeit berechnet, die zwischen Sprechbewegung und Stromschlufs vergeht, wenn man den letzteren durch Herabdr\u00fccken eines Morsetaster erzeugt. Bei einem Abstande der Kontaktfl\u00e4chen von nur 2 mm betrug sie bereits 43 tf, mit einem wahrscheinlichen Fehler von zb 18. Zu diesem Fehler kommt noch die Sprechzeit des Reizwortes, die bei einsilbigen Worten schon 100\u2014200 a betr\u00e4gt; und je nachdem der Taster des Uhrwerkes vor dem Sprechen, nach demselben, oder in irgend einem Zeitpunkte w\u00e4hrend desselben niedergedr\u00fcckt wird, entsteht ein Fehler von sehr grofser und sehr schwankender Breite. Aufserdem giebt Z. selbst an, dafs er bei der dritten von ihm angewandten Versuchsanordnung bei sich die Neigung zu vorzeitigen Reaktionen bemerkt habe. Wenn er aber glaubt, solche Beobachtungswerte leicht ausschalten zu k\u00f6nnen, so ist das ein Irrtum. In extremen F\u00e4llen wird das vielleicht m\u00f6glich sein. Meist aber ist der Beobachter absolut nicht im st\u00e4nde, zu entscheiden, ob er zu fr\u00fch oder rechtzeitig reagiert hat. Ein willk\u00fcrliches\n1 A. a. O. S. 19.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der psychischen Zeitmessungen hei Geisteskranken.\n135\n^ Ausschalten\u201c solcher Werte aber ist selbstverst\u00e4ndlich ganz\nunzul\u00e4ssig. Gegen\u00fcber den aufgez\u00e4hlten M\u00e4ngeln der Z.sehen\nkann man die alte \u00d6ATTELLsche oder die Lippenschl\u00fcsselmethode,\ndie jetzt nur noch selten angewandt werden, als geradezu ideal\nbezeichnen. Besonders die letztere wurde im Laboratorium\nder Heidelberger Klinik bis vor kurzem fast ausschliefslich zu\nZeitmessungen benutzt. Bez\u00fcglich ihrer genauen Beschreibung\n\u2022 \u00ab\nverweise ich auf Kb\u00e4pelin \u201e Uber die Beeinflussung\u201c . . u. s. w., wo auch die dem Apparate anhaftenden M\u00e4ngel geschildert sind. Wenn auch die Resultate, die mit demselben gewonnen wurden, vollst\u00e4ndig brauchbar sind, so ist der Apparat doch nicht in allen F\u00e4llen bei Patienten anwendbar, wo es w\u00fcnschenswert erscheint. Ich habe nun vor einiger Zeit zwei neue Apparate angegeben, die, wie ich glaube, erstens allen Anspr\u00fcchen an Exaktheit gen\u00fcgen und zweitens bei Kranken sehr leicht zu handhaben sind.1 Der erste Apparat (sog. Plattenapparat) wird ausschliefslich zum Geben des Reizes benutzt. Er besteht im wesentlichen aus einer rechteckigen, l\u00e4nglichen Platte, die um eine horizontale Achse drehbar ist. An den schmalen R\u00e4ndern ist eine Art Rahmen befestigt, in den man Karten einschieb en kann, die mit irgend einem Reizwort e be. druckt sind. Zu Beginn des Versuches steht die Platte so, dafs die Karte mit diesem Reizworte dem Auge des Reagierenden entzogen ist. Dr\u00fcckt man jetzt auf einen Hebel, so schnellt die Platte infolge des von einer Spiralfeder ausge\u00fcbten Zuges herum und schliefst in dem Momente, wo das Reizwort sichtbar wird, durch Anschl\u00e4gen an einen Kontakt einen Strom. Der zweite Apparat, der zum Reagieren dient, ist ein sog. Schallschl\u00fcssel, der entfernte \u00c4hnlichkeit mit dem von Cattell angegebenen2 besitzt. Durch die Ersch\u00fctterung, in die der erste Vokal eines Wortes eine Fourniermembran versetzt, wird ein leichter Hebel, der der Membran anliegt, abgestofsen, und dadurch vor\u00fcbergehend der Strom ge\u00f6ffnet. Durch einen magnetischen Unterbrecher wird diese momentane \u00d6ffnung zu einer dauernden. Vermittelst einer einfachen Umschaltung kann man anstatt Strom\u00f6ffnung Stromschlufs erzeugen, so dafs man den\n1\tYergl. meine ausf\u00fchrliche Beschreibung der Apparate in den \u201ePsychol. Arbeiten\u201c Bd. 1. Heft 4: \u201eBeitrag zur Bestimmung zusammengesetzter .Reaktionszeiten\u201c.\n2\tPhilos. Studien. Bd III. S. 313.","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nE. Boemer.\nApparat auch als akustischen Reiz apparat verwenden kann. Im allgemeinen empfehlen sich aber optische Reize, schon wegen der Vielseitigkeit, die man damit der Methode geben kann. Auf den Karten f\u00fcr den Plattenapparat habe ich nicht nur ein- und zweisilbige Worte, sondern auch einzelne Buchstaben und Zahlen, sowie einfache Rechenaufgaben und Farben anbringen lassen, so dafs Assoziations-, Wahl- und Erkennungsreaktionen der verschiedensten Art ausgef\u00fchrt werden k\u00f6nnen. Zugleich hat diese optische Methode den Vorteil, dafs selbst zweisilbige Worte und primitive Rechenaufgaben in ihrer ganzen Ausdehnung momentan und gleichzeitig mit dem Stromschlusse gegeben werden, was nat\u00fcrlich beim Vor sprechen des Wortes nicht der Pall ist. Die ganze Aufgabe des Reagierenden bei diesen Versuchen besteht darin, dafs er seine Antwort (Zahl, Buchstabe, Farbe, Wort etc.) gegen die Membran des Schallschl\u00fcssels spricht. Als zeitmessendes Instrument dient durchweg das Hippsche Chronoskop, dessen Zeiger jedesmal vom Stromschlufs durch den Plattenapparat bis zur Strom\u00f6ffnung durch den Schallschl\u00fcssel kreist. Es wird also bei dieser Versuchsanordnung die Zeit gemessen, die vergeht zwischen dem Sichtbarwerden des Reizes und dem ersten Vokal des reagierten Wortes.\nWas nun die Bearbeitung der Versuche anbetrifft, die Ziehen angestellt hat, so w\u00fcrde ich es f\u00fcr richtiger halten, wenn er in Anbetracht der M\u00e4ngel seiner Methode nur gr\u00f6fsere Versuchsreihen, also niemals unter 50 Einzelmessungen, benutzt h\u00e4tte, in denen sich gewisse Fehler einigermafsen ausgleichen k\u00f6nnten, und wenn er durchweg das wahrscheinliche Mittel etwa nach der von Ke\u00e4pelin a. a. 0. besprochenen Methode berechnet h\u00e4tte. Denn die Methode, die er bei mehreren Versuchen, in denen sich die extremen Werte nicht ausgleichen, angewandt hat, ist im vorliegenden Falle ebenso \u00fcbertrieben genau und zudem umst\u00e4ndlich, wie die des arithmetischen Mittels-, das er in den meisten F\u00e4llen berechnet hat, ungenau ist. Es ist klar, dafs das letztere nur da am Platze sein kann, wo jeder Einzelversuch einer Reihe dem anderen prinzipiell an G\u00fcltigkeit gleichkommt. Das ist aber bei derartigen Experimenten keineswegs der Fall; sondern eine Reihe von Messungen, die wir deshalb noch nicht zu streichen berechtigt sind, fallen vielmehr stets infolge von Einfl\u00fcssen, die aufserhalb der eigent-","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der psychischen Zeitmessungen hei Geisteskranken. 137\nliehen Versuchsbedingungen liegen, zu kurz oder zu lang aus. Berechnet man das wahrscheinliche Mittel, so fallen alle derartigen Werte entsprechend weniger ins Gewicht als die in der Mitte liegenden.\nDer Einflufs von \u00dcbung und Erm\u00fcdung ist unbegreiflicherweise in der vorliegenden Arbeit gar nicht, bei anderen Versuchen nur in bestimmten F\u00e4llen speziell ber\u00fccksichtigt worden. Es ist ohne weiteres klar, dafs vor allem die Kenntnis davon, wie sich die betreffenden Werte unter dem Einfl\u00fcsse der Erm\u00fcdung gestalten, mindestens ebenso wichtig ist, wie die Bestimmung der blofsen Assoziationszeit.\nDie Versuche, \u00fcber die Z. in der vorliegenden Arbeit berichtet, sind angestellt worden an einer Frau, die \u201eerblich belastet ist\u201c, \u201efr\u00fcher chronischem Alkoholismus verfallen war\u201c, von \u201eseltenen epileptischen Anf\u00e4llen\u201c heimgesucht wird, \u201ejetzt einen leichten Intelligenzdefekt zeigt\u201c, und \u201eseit vielen Jahren an zirkul\u00e4rem Irresein leidet\u201c. Jedenfalls eine aufs er ordentlich \u201ezusammengesetzte\u201c Psychose. Es ist klar, dafs der Fall f\u00fcr eine erste Ver\u00f6ffentlichung derartiger experimenteller Resultate nicht gerade gut gew\u00e4hlt ist.\nDie Hauptversuche waren folgende:\n1.\tDie Kranke hatte auf Zuruf einer Zahl zwischen 1 und 11 mit der n\u00e4chsten Zahl zu antworten.\n2.\tDie Kranke hatte auf Zuruf einer Zahl zwischen 1 und 10 mit der nachn\u00e4chsten zu antworten.\n3.\tDie Kranke hatte auf den Zuruf \u201ejetzt\u201c mit dem Hersagen der Zahlenreihe 1, 3, 5, 7, 9 oder 2, 4, 6, 8, 10 zu antworten.\nNach den in der ersten Tabelle mitgeteilten Werten besteht w\u00e4hrend einer Depression einmal zwischen zwei aufeinander folgenden Mittelzahlen eine Differenz von 30 Hunderstel-sekunden, zwischen dem niedrigsten Werte in der Depression und dem h\u00f6chsten in der Exaltation eine von 6, zwischen dem niedrigsten in der Depression und dem niedrigsten in der Exaltation eine von 18. Ich kann nicht sagen, dafs \u201ediese Zahlen bez. die Hauptergebnisse keines Kommentars bed\u00fcrfen.\u201c In der zweiten Tabelle ist der Ausschlag erheblich deutlicher. Den fehlenden Ausschlag in der dritten Tabelle erkl\u00e4rt Z. so, dafs bei diesen Versuchen \u201edie motorische Assoziation die Hauptrolle \u00fcbernimmt.\u201c \u201eDie gesamte As soziations-","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nE. Boemer.\nth\u00e4tigkeit in den maniakaliselien Exaltationszust\u00e4nden ist beschleunigt, die motorische Assoziationsth\u00e4tigkeit zuweilen noch weniger als die nicht motorische Ideenassoziation.\u00fc Zun\u00e4chst setzen wir f\u00fcr motorisch wohl richtiger mechanisch. Denn der Unterschied der besagten Assoziationsformen liegt absolut nicht auf motorischem Gebiete \u2014 die eine ist so gut ein psychischer Vorgang wie die andere \u2014, sondern die eine ist mehr einge\u00fcbt als die andere, sie ist mechanisiert. Und derartige mechanisierte psychische Vorg\u00e4nge unterliegen, eben weil sie fester einge\u00fcbt sind, erfahrungsgem\u00e4fs weniger leicht Ver\u00e4nderungen ihrer Dauer als kompliziertere. Z. nimmt hier den Ausdruck \u201emotorisch\u201c ganz anders als Kr\u00e4pelin bei seiner psychologischen Theorie der Manie. Nach Kr\u00e4pelin liegt das Motorische hier darin, dafs die Umsetzung von Willensimpulsen in Bewegungen erleichtert ist. Mit dem BROCAschen Zentrum aber, wie Z. ihr gern unterschieben m\u00f6chte, hat die K.sche Theorie nichts zu thun, und \u201edas Abenteuerliche\u201c, das eine solche Annahme zweifellos besitzt, bleibt ganz auf Ziehens Seite.\nSchliefslich ist es nun die Frage, ob die vorliegenden Resultate \u00fcberhaupt so eindeutig sind, wie Z. versichert. Nach seinen Tabellen kann man eigentlich nur sagen, was man schon vorher wufste, dafs die Assoziationsreaktion w\u00e4hrend einer Verstimmung sehr verlangsamt ist, w\u00e4hrend eine Beschleunigung in der Manie gegen\u00fcber einem anfallsfreien Stadium \u00fcberhaupt nicht nachgewiesen ist. F\u00fcr das erstere spricht auch die gr\u00f6fsere St\u00f6rung der Aufmerksamkeit in der Depression, die Z. in dem von ihm untersuchten Falle konstatiert hat. \u00dcberhaupt haben derartige Versuche h\u00f6chstens dann einen Wert, wenn sie mit Normalversuchen verglichen werden, ganz abgesehen davon, dafs es nicht gen\u00fcgt, einen, und noch dazu einen solchen Fall zu untersuchen, wie Z. es gethan hat. Aus zahlreichen, noch nicht ver\u00f6ffentlichten Versuchen, die gr\u00f6fstenteils von Kr\u00e4pelin und Aschaeeenburo im Laboratorium der Heidelberger Klinik angestellt worden sind, weifs ich, dafs die Normalwerte f\u00fcr die gleichen Zahlenassoziationen, wie Ziehen sie unter 1 und 2 anf\u00fchrt, weit niedriger sind, als die k\u00fcrzesten, die Z. f\u00fcr die Exaltation gefunden hat. (Ungef\u00e4hr 400\u2014500 a.)\nNach alledem glaube ich nicht, dafs durch die Z.\u2019sche","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der psychisehen Zeitmessungen bei Geisteskranken. 139\nUntersuchung irgend etwas Wesentliches oder Neues klar geworden ist \u2014 wenn nicht die Unzul\u00e4nglichkeit der Methode. Und doch liegt hierin allein noch nicht das schwerste Bedenken, das seine Arbeit erwecken mufs. Wie er an einer Stelle sagt, erblickt er den Haupt wert in den \u201epsychischen Mefszahlen\u201c selbst, nicht \u201ewie Kb\u00e4pelin in der Feststellung der individuellen Pers\u00f6nlichkeit\u201c. Den Vorzug der Bequemlichkeit hat seine Auffassung gewifs vor der anderen. Das ist aber auch alles. W\u00e4hrend diese f\u00fcr die Abweichungen im einzelnen \u2014 denn das ist doch die Assoziationsgeschwindigkeit \u2014 ein zul\u00e4ngliches Kriterium erst in seinem V erhalten zur ganzen Pers\u00f6nlichkeit sieht, w\u00e4hrend es ihr allein darauf ankommt, die Bedeutung einer St\u00f6rung f\u00fcr den psychischen Mechanismus zu ergr\u00fcnden, greift jene lediglich nach einem leeren Symptom, das an sich niemals einen Einblick \u201ein den psychischen Mechanismus der einzelnen Psychosen\u201c erm\u00f6glichen wird. Die Folge wird sein, wenn auch andere den Weg beschreiten sollten, den Ziehen vorschl\u00e4gt, dafs wir aufs neue mit einer Flut von Zahlen \u00fcbersch\u00fcttet werden, die an Wert ungef\u00e4hr den statistischen Erhebungen \u00fcber das Knie- oder Ulnaris-ph\u00e4nomen gleichk\u00e4men. Ich glaube, dafs gerade auf diesem Wege der Psychiatrie nur Gefahr, aber kein Vorteil erwachsen kann. Psychologisch experimentieren kann nicht jeder, so wie jeder etwa ein Ulnarisph\u00e4nomen pr\u00fcfen kann. Und es ist gut f\u00fcr die Psychiatrie, dafs dem so ist. Wird die experimentelle Psychologie, indem man sie einseitig auf derartige Methoden beschr\u00e4nkt, jedem noch so mangelhaft Yorgebildeten zug\u00e4nglich, so wird sie nichts erreichen. Eine Zukunft wird sie nur haben, wenn sie sich streng wissenschaftlich eine umfassende Aufgabe stellt, nicht wenn sie sich in zusammenhangslosen Einzelheiten verliert.\nNicht genug aber damit, dafs Ziehen eine solche Methode, die offenbar weder neu noch gut ist, angelegentlich empfiehlt, er greift auch die Methoden, die von Kb\u00e4pelin und dessen Schule gehandhabt werden, in einer Weise an, die ich mir nur durch die Mifsverst\u00e4ndnisse erkl\u00e4ren kann, die ihm bei der Lekt\u00fcre der \u201ePsychologischen Arbeiten\u201c1 2 mit unter-\n1 Siebe bes. Bd. I. Heft 1. Kr\u00e4pelin, Der psychologische Versuch\nder Psychiatrie.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nE. JRoemer.\ngelaufen sind. Ich w\u00fcrde hierauf vielleicht nicht eingehen, wenn Ziehen diese Angriffe nicht auch an anderer Stelle\" vorgebracht h\u00e4tte, und zwar in einem Tone, der nicht immer frei ist von pers\u00f6nlicher F\u00e4rbung. Er redet da z. B. von \u201eder Chronoskop-Psychologie\u201c Kb\u00e4pelins und dem \u201eHochmute gegen\u00fcber der solche kostspieligen Apparate nicht verwendenden Psychologie.\u201c Was Z. hier Hochmut nennt, hat sich niemals gegen die Einfachheit der von Anderen ge\u00fcbten Methoden gerichtet, sondern nur dagegen, dafs Andere Arbeiten ver\u00f6ffentlichen, die an ungen\u00fcgendem Material mit ungen\u00fcgenden Methoden vorgenommen werden. Dieser Hochmut ist berechtigt. Denn da wir darauf angewiesen sind, der experimentellen Psychologie in der Psychiatrie erst eine Grundlage zu schaffen, sollte es unser vornehmstes Streben sein, sie so exakt und solid wie m\u00f6glich zu schaffen. Es ist nicht ausgeschlossen, dafs wir in absehbarer Zeit mit H\u00fclfe des Experimentes einen genaueren Einblick in den Ablauf geistiger Vorg\u00e4nge bei verschiedenen Psychosen gewinnen, und dafs wir dann mit primitiveren Methoden Weiterarbeiten k\u00f6nnen. Bis wir aber so weit sind, k\u00f6nnen nur exakte Methoden n\u00fctzen, und diese nur, wenn sie an einer grofsen Zahl von m\u00f6glichst eindeutigen F\u00e4llen angewandt werden. Sp\u00e4rliche Messungen aber an vereinzelten, unklaren F\u00e4llen eignen sich f\u00fcrs erste entschieden nicht zur Ver\u00f6ffentlichung und sind nur geeignet, Konfusion und Voreingenommenheit zu f\u00f6rdern und \u2014 hoffentlich \u2014 von ihrer \u00f6fteren Verwendung recht abzuschrecken.\nEs bleibt ganz unfafslich, wie Ziehen \u00fcberhaupt eine sog. Ohronoskop-Psychologie verdammen kann. Oder verdammt er sie nur bei Kb\u00e4pelin? Denn was er in seiner eigenen Arbeit anpreist, das ist doch weiter nichts als Chronoskop-Psychologie. Er sagt aber \u00fcber diesen Punkt in dem erw\u00e4hnten Beferate sogar: \u201eKb\u00e4pelin sollte doch die einseitige, spezielle Beschr\u00e4nkung auf einige wenige zeitmessende, kostspielige Vorrichtungen erfordernde Probleme, welche f\u00fcr seine psychologischen Arbeiten charakteristisch und f\u00fcr seine Bichtung so irref\u00fchrend gewesen ist, nicht der ganzen Psychologie und ebensowenig und erst recht nicht der Psychiatrie zumuten\u201c. Sodann weist er auf\n2 Diese Zeitsclir. Bd. X. S, 247. (Referat \u00fcber die \u201ePsychologischen Arbeiten\u201c.)","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Zur tirage der psychischen Zeitmessungen hei Geisteskranken. 141\ndie Arbeit \u00fcber clas Ged\u00e4chtnis von Ebbinghaus bin, um zu beweisen, mit wie einfachen Methoden man arbeiten k\u00f6nne H\u00e4tte er die KB\u00c4PELiNsche Arbeit mit einiger Aufmerksamkeit gelesen, so w\u00e4re ihm vielleicht nicht die Stelle auf S. 15 entgangen, in der K. darauf hin weist, dafs er die von ihm angewendeten einfachen Methoden, zumal das Auswendiglernen einstelliger Zahlen, gerade im Anschl\u00fcsse an die EBBiNGHAUssche Methode ausgebildet hat. Den Beweis, dafs die K.sche Methode \u201eeine Karrikatur der Ebbinghaus sehen\u201c ist, bleibt Ziehen nun freilich schuldig; und den Vorwurf der \u201eeinseitigen Beschr\u00e4nkung auf wenige zeitmessende Probleme\u201c (sic!), den er K. macht, widerlegt er selbst, indem er die \u00fcbrigen kontinuierlichen Methoden K.s aufz\u00e4hlt. Daf\u00fcr behauptet er allerdings, dafs \u201eder Gedanke, die Erm\u00fcdbarkeit etc. festzustellen, in keiner Weise neu sei\u201c. Es w\u00e4re nun gewifs ganz gleichg\u00fcltig, wenn das so w\u00e4re; aber es d\u00fcrfte Ziehen doch schwer fallen, nachzuweisen, wer bereits vorher z. B. die Anregbarkeit, die Obungs-f\u00e4higkeit, die Erholungsf\u00e4higkeit, die Gew\u00f6hnungsf\u00e4higkeit untersucht hat. \u2014 Keiner der Vorw\u00fcrfe, die er Kb\u00e4pelin macht, ist auch nur einigermafsen berechtigt, und einer widerspricht dem anderen. Aber damit nicht genug. In der zuerst besprochenen Arbeit h\u00e4lt sich Z. dar\u00fcber auf, dafs man nach der von Kb\u00e4pelin angegebenen fortlaufenden Methode die Assoziationsgeschwindigkeit an Geisteskranken nicht berechnen k\u00f6nnte. Dabei bezieht er sich auf das Schema des psychischen Status, das K. in den psychologischen Arbeiten aufgestellt hat; diesen Status, den K. ausdr\u00fccklich zur Feststellung \u201eder pers\u00f6nlichen Grundeigenschaften\u201c f\u00fcr Gesunde und f\u00fcr die Grenzformen zwischen Normalem und Pathologischem vorgeschlagen hat, urteilt Z. ab unter dem Gesichtspunkte einer psychometrischen Methode. Und weiter! In dem mehrfach erw\u00e4hnten Referate (S. 249) findet sich folgende Stelle: \u201eKein Wunder, dafs bei dieser Methode1 die seltsamsten Resultate zu Tage treten. So finden Kb\u00e4pelin und Aschaeeenbubg, dafs bei der Ideenflucht der Manie gar keine Beschleunigung des Vorstellungsablaufes vorliegt! Nat\u00fcrlich! Der Maniakus soll eine Viertelstunde oder eine ganze Stunde rechnen und wird\n1 Es handelt sich abermals um den psychischen Status, also um die fortlaufende Methode.","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nJE. JRoemer.\ndies vor lauter Z wisch envorstellung en nur langsam zu st\u00e4nde\nbringen.....Die ganze Widersinnigkeit der Methode tritt hier\nrecht grell zu Tage.\u201c Es ist nat\u00fcrlich weder Kb\u00e4pelin noch Aschaffenbubg jemals eingefallen, die Geschwindigkeit des Vorstellungsablaufes bei einem Maniakus mit dieser Methode zu pr\u00fcfen, und \u201eder Einfall K.s, dafs die Ideenflucht nur Ausdruck einer Erregbarkeitssteigerung auf dem Gebiete der motorischen Sprachvorstellungen ist\u201c, beruht nicht auf den Resultaten derartiger \u201ewidersinniger\u201c Versuche, sondern auf denen zahlreicher Zeitmessungen; und wenn Z. sich bem\u00fcht, es anders darzustellen, so befindet er sich in direktem Widerspruche mit den Thatsachen. Wie er selbst in durchaus unzul\u00e4ssiger und willk\u00fcrlicher Weise mit den von ihm gewonnenen Resultaten verf\u00e4hrt, habe ich bereits oben erw\u00e4hnt. Es steht ihm also nicht zu, eine Korrektur von Werben, die K. selbst ausdr\u00fccklich angiebt,1 zu tadeln, wie er das in seinem Referate gethan hat. Auch dieser Vorwurf f\u00e4llt ja auf Z. selbst zur\u00fcck. Er bezeichnet jene von K. vorgenommene Korrektur als eine \u201eMethode der Minimal\u00e4nderungen.\u201c Die Ver\u00e4nderungen allerdings, welche die Anschauungen und Aussagen K.s in Ziehens Kritik erfahren haben, sind nicht mehr minimal.\nWer nur einen fl\u00fcchtigen Blick in die \u201ePsychologischen Arbeiten\u201c geworfen hat, mufs wissen, dafs man in Heidelberg zur Bestimmung der Assoziationsgeschwindigkeit wie \u00fcberall zeitmessende Apparate benutzt, und dafs man ebendaselbst zu diesem Zwecke eine sog. \u201ediskontinuierliche Methode\u201c bereits anwandte, lange bevor Ziehen sich von der Notwendigkeit \u00fcberzeugte, eine solche anzugeben. Es erscheint also einiger-mafsen deplaciert, wenn er \u00e4ufsert: \u201eAn die Stelle der fortlaufenden Methode mufs die Methode successiver Einzelversuche treten.\u201c Von Sch\u00fclern Kb\u00c4pelins hat nur Ohbn2 in einer Arbeit, die rein methodologischen Charakters ist, die Additionsund Lernzeit etc. aus kontinuierlichen Versuchen berechnet. Das allein giebt der Heidelberger Schule das Recht, \u00fcberhaupt als solche zu gelten, dafs sie nie in den Fehler, den Ziehen ihr zum Vorwurfe macht, verfallen ist, dafs in ihr zum ersten Male in der Psychiatrie in umfassender Weise die verschiedensten\n1\tPsychol. Arbeiten. Bd. I. Heft 1. S. 114. Anm.\n2\tPsychol. Arbeiten. Bd. I. Heft 1. S. 92.","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage der psychischen Zeitmessungen lei Geisteskranken. 143\npsychologischen Methoden angewendet worden sind \u2014 Zeitmessungen zur Bestimmung der verschiedensten Beaktions-arten, der quantitativen und qualitativen Verh\u00e4ltnisse der Ideenassoziation, kontinuierliche Versuche zur Untersuchung anderer psychischer Ph\u00e4nomene, Zust\u00e4nde und Eigenschaften. Das m\u00fcfste, wie gesagt, jeder sehen, der die betreffenden Arbeiten gelesen hat.\nIch habe im Vorstehenden die Arbeit Ziehens eingehender kritisiert, als der behandelte Gegenstand an sich erfordert haben w\u00fcrde. Ich f\u00fchlte aber zugleich die Verpflichtung, die Polemik, die Z. gegen Kr\u00e4pelin und dessen Schule gerichtet hat, einer n\u00e4heren Pr\u00fcfung zu unterwerfen und als unberechtigt nachzuweisen.\nWende ich mich hiernach wieder zur Hauptfrage zur\u00fcck, so m\u00f6chte ich meinen Standpunkt dahin pr\u00e4zisieren:\n1.\tBeaktionsmessungen aller Art sind ohne weitere Schwierigkeiten an vielen Geisteskranken mit exakten Methoden ausf\u00fchrbar und bereits ausgef\u00fchrt.\n2.\tDerartige Messungen haben f\u00fcr sich allein wenig Wert, sondern sie m\u00fcssen notwendig durch die experimentelle Untersuchung anderer geistiger Vorg\u00e4nge und Eigenschaften Kranker, sowie durch umfassende Versuche an Gesunden erg\u00e4nzt werden.\n3.\tJeder Versuch, eine bequeme, aber inexakte Methode psychischer Zeitmessungen als haupts\u00e4chlichste oder alleinige (sc. psychologische) in die Psychiatrie einzuf\u00fchren,, ist auf das strengste zur\u00fcckzuweisen.","page":143}],"identifier":"lit36438","issued":"1896","language":"de","pages":"131-143","startpages":"131","title":"Zur Frage der psychischen Zeitmessungen bei Geisteskranken","type":"Journal Article","volume":"12"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:38:04.536138+00:00"}