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{"created":"2022-01-31T14:31:27.694939+00:00","id":"lit36452","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Schumann","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 12: 154-155","fulltext":[{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nLitter aturbericht.\nsind (S. 438) 1. eine relativ best\u00e4ndige Gruppe innerer Zust\u00e4nde (Gemeinempfindungen, Gef\u00fchle); 2. das Gef\u00fchl der freien \u00dcberwachung (Beherrschung) des allgemeinen Verlaufs der inneren Zust\u00e4nde; 3. die Erwartung eines zuk\u00fcnftigen, die Erinnerung an ein vergangenes Selbst, welches als mehr oder minder genau dem gegenw\u00e4rtigen Selbst gleichend vorausgesetzt wird; 4. eine Summe \u00e4ufserer Beziehungen von Macht, Hecht, Ehre, Stellung, Pflicht etc. zu den Nebenmenschen, den sozialen Gruppen und eventuell zu Gott.\nDie sozialen Beziehungen sind insofern der entscheidende Faktor, als ihr Vorhandensein oder Fehlen daf\u00fcr entscheidend ist, ob eine Gruppe von Gemeinempfindungen auf das Selbstbewufstsein bezogen wird oder nicht. So ist z. B. bei Kolik eine heftige St\u00f6rung der Gemeinempfindungen vorhanden, ohne auf das Selbstbewufstsein einzuwirken; denn Leibschmerzen verm\u00f6gen nicht die Vorstellung einer sozialen Lage hervorzurufen. Dagegen bewirkt die allgemeine Depression nach einer Grippe die Vorstellung von sozialem Mifsgeschick, Verwirrung und Machtlosigkeit, und damit eine \u00c4nderung des Selbstbewufstseins.\nSo gut wie alle anderen Faktoren des Selbstbewufstseins kann nun auch der soziale Faktor erkranken. Ein Beispiel einer solchen Erkrankung wird im zweiten Teil der Arbeit gegeben.\nDer Grundgedanke der Arbeit ist sicherlich sehr anregend, nur der Titel ist ein wenig irref\u00fchrend. Es handelt sich bei allen diesen Er\u00f6rterungen weit mehr um die richtige oder falche Vorstellung von der eigenen Pers\u00f6nlichkeit, als um das, was man gew\u00f6hnlich Selbstbewufstsein nennt. Das eigentliche Selbstbewufstsein, d. h. die Gegen\u00fcberstellung eines \u201eIch\u201c und eines \u201eNicht-Icha, wobei das \u201eNicht-Ich\u201c ebensogut als \u201eSache\u201c wie als \u201efremde Pers\u00f6nlichkeit\u201c charakterisiert sein kann, wird dabei \u00fcberall schon vorausgesetzt. Es wird gezeigt, wie f\u00fcr die n\u00e4here Ausgestaltung und Bewertung dieses \u201eIch\u201c die sozialen Motive entscheidend werden. Diese Bemerkung soll die Arbeit durchaus nicht tadeln, sondern ihr nur ihren wissenschaftlichen Ort anweisen.\nJ. Cohn (Berlin).\nA. Binet et V. Henri. La m\u00e9moire des mots. Vann\u00e9e psychol. Bd. I. S. 1\u201423. 1895.\n\u2014 La m\u00e9moire des phrases. L\u2019ann\u00e9e psychol. Bd. I. S. 24\u201459. 1895.\nEs wird berichtet \u00fcber Versuche, welche mit Schulkindern angestellt sind. Bei einer ersten Gruppe von Versuchen wurde den Kindern eine Eeihe von Worten, welche keinen inneren Zusammenhang hatten, vorgelesen und ihnen die Aufgabe gestellt, unmittelbar nach dem Aussprechen des letzten Wortes alles niederzuschreiben, was sie behalten hatten. Er ergab sich:\n1.\tDer Umfang des (prim\u00e4ren) Ged\u00e4chtnisses w\u00e4chst ein wenig mit zunehmendem Alter.\n2.\tMit der Anzahl der vorgesprochenen Worte w\u00e4chst auch die Anzahl der behaltenen Worte.","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n155\n3.\tDie Anzahl der vergessenen Worte nimmt in den ersten Minuten nach Beendigung des Yorlesens aufserordentlich rasch zu.\n4.\tDie Worte, welche am Anfang und Ende der Reihen stehen, werden am besten behalten.\n5.\tWorte, deren Sinn schwieriger zu verstehen ist, werden leichter behalten, weil sie die Aufmerksamkeit mehr anregen.\n6.\tEs kommt viel h\u00e4ufiger vor, dafs ein Wort ganz ausf\u00e4llt als dafs es durch ein anderes, welches \u00e4hnlich klingt oder eine \u00e4hnliche Bedeutung hat, ersetzt wird.\nBei den Versuchen, \u00fcber welche die zweite Abhandlung berichtet, wurden den Kindern sinnvolle S\u00e4tze von variabler L\u00e4nge vorgelesen. Es ergaben sich folgende (vorauszusehende) Resultate:\n1.\tDie Zahl der behaltenen Worte nimmt mit der L\u00e4nge der S\u00e4tze zu.\n2.\tDie Fehler betreffen haupts\u00e4chlich nur Worte, welche f\u00fcr den Sinn der Erz\u00e4hlung nebens\u00e4chlich sind.\n3.\tBei kurzen Erz\u00e4hlungen kommt die Ersetzung eines Wortes durch ein anderes von derselben Bedeutung h\u00e4ufiger vor als das g\u00e4nzliche Auslassen eines Wortes. Bei l\u00e4ngeren Erz\u00e4hlungen ist es umgekehrt.\n4.\tDas Kind hat die Tendenz, S\u00e4tze von komplizierterem Aufbau durch einfachere Konstruktionen, welche mit seiner gew\u00f6hnlichen Ausdrucksweise mehr \u00fcbereinstimmen, zu ersetzen.\nAm Schlufs der ersten Abhandlung werden noch Aussagen mitgeteilt, welche einige erwachsene Personen \u00fcber die Art und Weise, wie die geh\u00f6rten Worte beim Besinnen in das Bewufstsein zur\u00fcckkehren, gemacht haben.\tSchumann (Berlin).\nGf. Ferrero. Arrested Mentation. The Monist. Vol. 6. S. 60\u201475.\nDas Denken des naiven Menschen arbeitet oft nach ganz anderen Gesetzen, als die wissenschaftliche Logik sie beschreibt. Ein solches Ph\u00e4nomen des volkst\u00fcmlichen Denkens ist es, das F. beschreiben will. \u201eArrested Mentation\u201c (vielleicht am besten als \u201eunvollst\u00e4ndige Gedankenentwickelung\u201c zu \u00fcbersetzen) bedeutet, \u201edafs in der Analyse einer Ph\u00e4nomenenreihe, mit der ein anderes Ph\u00e4nomen durch Kausalit\u00e4t verkn\u00fcpft ist, das menschliche Denken Halt macht (\u201eis arrested\u201c) bei den Ph\u00e4nomenen, welche Empfindungen erwecken k\u00f6nnen und direkt den Sinnen zug\u00e4nglich sind, dagegen diejenigen vernachl\u00e4ssigt, welche nur durch Reflexion und Vergleichung entdeckt werden k\u00f6nnen.\u201c So schreibt der Wilde dem Papier und den krausen Zeichen darauf die geheimnisvolle Macht der Mitteilung und des Befehlens zu. Auf diese Erscheinung f\u00fchrt F. zahlreiche Irrt\u00fcmer und Fehlschl\u00fcsse des naiven Denkens zur\u00fcck. Schliefslich sieht F. in dem deduktiven, aprioristischen Forschungsverfahren im Gegens\u00e4tze zu dem induktiven beobachtenden Verfahren eine Art von \u201earrested mentation\u201c, indem es wesentlich nur auf Bequemlichkeit und L\u00e4ssigkeit des Denkens beruhe, das gar zu gern das Prinzip des kleinsten Kraftmafses befolge. W. Stern (Berlin).","page":155}],"identifier":"lit36452","issued":"1896","language":"de","pages":"154-155","startpages":"154","title":"A. Binet et V. Henri: La m\u00e9moire des mots. L'ann\u00e9e psychol. Bd. I. S. 1-23. 1895 / - La m\u00e9moire des phrases. L'ann\u00e9e psychol. Bd. I. S. 24-59. 1895","type":"Journal Article","volume":"12"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:31:27.694945+00:00"}