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{"created":"2022-01-31T16:40:47.555905+00:00","id":"lit36469","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ziehen","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 12: 284-286","fulltext":[{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nLitteraturberkht.\nund Temperaturempfindung identisch sind. Der Fall, welchen er zum Beweise mitteilt, scheint mir zwar nicht beweisend, ist aber jedenfalls sehr interessant. Bei einer Hemiplegie besteht normale Ber\u00fchrungsempfindlichkeit und gesteigerte Schmerzempfindlichkeit. Die Temperaturempfindlichkeit ist absolut erloschen; jede Abweichung von einer Mitteltemperatur nach oben oder unten wird als Schmerz gef\u00fchlt, ohne dafs der Kranke zu sagen vermag, ob ein K\u00e4lte- oder ein W\u00e4rmereiz eingewirkt hat.\tZiehen (Jena).\nB. Stern. \u00dcber periodische Schwankungen der Hirnrindenfunktionen.\nArch. f. Psychiatr. Bd. 27. (3.) S. 850\u2014917. 1895.\nIn drei F\u00e4llen, welche dem Verfasser in weniger als zwei Jahren zu Gesicht gekommen sind, trat intermittierend eine Herabsetzung der Sensibilit\u00e4t auf allen Sinnesgebieten, eine Parese mit gleichzeitiger Ataxie der willk\u00fcrlichen Muskulatur und eine Abnahme der intellektuellen Leistungsf\u00e4higkeit ein. In allen drei handelt es sich um die Folgezust\u00e4nde von Kopfverletzungen. Zwei F\u00e4lle werden ausf\u00fchrlich mitgeteilt.\nIm ersten Falle lag eine traumatische L\u00e4sion der linken vorderen Zentralwindung vor. Die dauernden Symptome waren folgende: Parese der rechtsseitigen K\u00f6rpermuskeln, sp\u00e4ter allgemeine Muskelschw\u00e4che, Hyper\u00e4sthesie der rechten K\u00f6rperh\u00e4lfte, sp\u00e4ter auch geringe Herabsetzung der Sensibilit\u00e4t links, hochgradige beiderseitige Herabsetzung des Geruches und Geschmackes, rn\u00e4fsig starke des Geh\u00f6rs (namentlich rechts), geringere der Sehsch\u00e4rfe, allm\u00e4hlich zunehmende, schliefslich sehr hochgradige konzentrische Einengung des Gesichtsfeldes, endlich Abnahme der geistigen Leistungsf\u00e4higkeit und psychische Depression. Dazu kommen anfallsweise klonische und tonische Kr\u00e4mpfe, anfangs nur in den rechtsseitigen Extremit\u00e4ten, zuletzt ganz allgemein und vom Charakter der Jacksonschen Epilepsie, ferner intermittierende Schmerzen im Kopfe, in den rechtsseitigen Extremit\u00e4ten, Blitzen vor den Augen und Ohrensausen. Wohl mit Hecht betrachtet Verfasser die sensorischen St\u00f6rungen zum Teil als funktionell, w\u00e4hrend die rechtsseitige Hemiparese auf eine organische L\u00e4sion zu beziehen ist. Das interessanteste Symptom waren die Schwankungen der Funktionen. Es wechselten n\u00e4mlich Zeitr\u00e4ume herabgesetzter und relativ normaler Funktion regelm\u00e4fsig ab. Die Dauer der ersteren betrug an einem Tage 3\u201412 Sekunden (einmal 28 Sekunden), diejenige der letzteren 21/*\u201410 Sekunden. Zur Pr\u00fcfung der Sensibilit\u00e4t wurden Beize gew\u00e4hlt, welche sich nur wenig \u00fcber die tiefste Beizschwelle erhoben. Der Kranke hatte nur anzugeben, ob er etwas empfinde oder nicht. Genauere Messungen der Dauer der Empfindungsschwankungen wurden durch Begistrierung an einem Kymographion vorgenommen. Der \u00dcbergang von der Schwankung zum Intervall fand allm\u00e4hlich statt (1\u20143\")- Die Schwankungen zeigten sich sowohl in der taktilen, wie in der akustischen und optischen Sensibilit\u00e4t, verliefen jedoch f\u00fcr die acht Sinnesgebiete nicht gleichm\u00e4fsig. Die Schwankungen der Schmerzempfindlichkeit waren erheblich gr\u00f6fser als diejenigen der \u00dfeizschwelle. Auch die Temperaturempfindlichkeit nahm an den Schwan-","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n285\nkungen teil. Passive Bewegungen wurden w\u00e4hrend der Schwankungen nur bei Exkursionen \u00fcber 20\u201430\u00b0, sp\u00e4ter \u00fcberhaupt nicht mehr empfunden; im Intervall lag die Reizschwelle links bei 3\u20144\u00b0, rechts noch tiefer. Die Schwankungen im Bereich des G-esichtssinnes waren so erheblich, dafs der Kranke w\u00e4hrend st\u00e4rkerer Schwankungen stehen blieb, um nicht irgendwo anzustofsen; es wurde dann \u201eganz finster\u201c. Die Ge-sichtsfelder ergaben den F\u00f6rsterschen Yerschiebungstypus. Die konstante Einengung war f\u00fcr Blau am st\u00e4rksten (5 \u20146\u00b0). Zur Zeit der st\u00e4rkeren Schwankungen reduzierte sich das Gesichtsfeld auf Null. Die H\u00f6rweite f\u00fcr IJhrenticken betrug im Intervall rechts 2 cm, links 15 cm; w\u00e4hrend der Schwankung wurde die Uhr auch beim Andr\u00fccken an das Ohr beiderseits nicht geh\u00f6rt. Geruch und Geschmack waren auch im Intervall beiderseits v\u00f6llig erloschen.\nSehnenph\u00e4nomene und Pupillenreflexe blieben sich w\u00e4hrend der Schwankungen und Intervalle gleich. Dagegen zeigten der W\u00fcrg- und der Sohlenreflex sehr deutliche Intensit\u00e4tsschwankungen, welche mit den Sensibilit\u00e4tsschwankungen synchron waren. Der Bauch- und Kremasterreflex blieben unver\u00e4ndert. Der Palpebral-, Conjunctival- und Cornealreflex zeigte die Schwankungen nur andeutungsweise. Der reflektorische Lidschlufs bei rascher Ann\u00e4herung eines Gegenstandes war abgeschw\u00e4cht, aber doch auch dann noch erhalten, wenn Patient angab, den Gegenstand gar nicht gesehen zu haben.\nDer Gang wurde w\u00e4hrend der Schwankungen ataktisch. Ebenso bestand ein intermittierendes Rombergsches Ph\u00e4nomen. Die motorische Kraft nahm w\u00e4hrend der Schwankungen so erheblich ab, dafs das Dynamometer \u00fcberhaupt keinen Ausschlag gab. Sp\u00e4ter beteiligte sich auch die Atmung an den Schwankungen. Zur Zeit der Schwankung wurde die Atmung oberfl\u00e4chlicher, und mit dem Aufh\u00f6ren der Schwankung erfolgte eine tiefe Inspiration. Sp\u00e4ter sistierte die Atmung w\u00e4hrend der Schwankung oft ganz (Mittelstellung zwischen In- und Exspiration). Es bestand sonach ein dem Cheyne-Stokesschen Ph\u00e4nomen \u00e4hnliches Bild.\nDas Sprechen und Denken fiel dem Kranken w\u00e4hrend der Schwankung schwer. Zuletzt sprach er h\u00f6chstens noch im Beginn oder gegen Ende der Schwankung, sonst nur im Intervall. Auch das Ged\u00e4chtnis war w\u00e4hrend der Schwankungen deutlich herabgesetzt. Soll er z. B. die Zahlenreihe hersagen, so macht er mit Eintritt der Schwankung eine Pause und giebt auf Befragen an, er habe die letzte Zahl oder sogar den Auftrag zu z\u00e4hlen vergessen. Ausdr\u00fccklich gab der Kranke an, dafs er auch in den Zeiten, in denen er gar nicht sehe und h\u00f6re, noch Bewufstsein habe, \u201evon sich wisse\u201c. \u2014 Das Pulsbild blieb unver\u00e4ndert, desgleichen die Pulsfrequenz. Auch die F\u00fcllung der Netzhautgef\u00e4fse zeigte keinen Wechsel.\nBez\u00fcglich des zweiten Falles verweise ich auf das Original. Hier lag kein Anlafs vor, neben den funktionellen St\u00f6rungen auch eine organische L\u00e4sion anzunehmen. In den Intervallen war die Sensibilit\u00e4t intakt. Auf motorischem Gebiete bestand ein dem Paramyoclonus multiplex \u00e4hnliches Bild. Die Zuckungen standen in keiner zeitlichen Beziehung zu den Schwankungen. Sehr auff\u00e4llig sind die Gesichts-","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\nLitter aturbericht.\neinengungen w\u00e4hrend der Schwankungen. Auch der Farbensinn, sowie Geschmack und Geruch waren beteiligt. Der intermittierende Atmungstypus hielt auch im Schlaf an (nach subkutaner Morphiumeinspritzung). Die Reaktionszeit f\u00fcr akustische Reize betrug im Intervall 0,190 Sekunden, w\u00e4hrend der Schwankung 0,537 Sekunden, diejenige f\u00fcr farado-kutane Reizung im Intervall 0,189 Sekunden, w\u00e4hrend der Schwankung 0,609 Sekunden. Auch schien w\u00e4hrend der Schwankung zuweilen eine leichte Seelenblindheit zu bestehen. Die intermittierende Ataxie zeigte sich namentlich auch im Sprechen und Schreiben. Die Sprachst\u00f6rung w\u00e4hrend der Schwankung \u00e4hnelte geradezu der paralytischen. Das Spontansprechen war st\u00e4rker beeintr\u00e4chtigt, als das Nachsprechen. W\u00e4hrend der Schwankungen kam es zeitweise auch vor, dafs Patient sich bei der Addition einstelliger Zahlen verrechnete oder die Zahl der ihm vorgehaltenen Finger falsch angab. Die Dauer der einzelnen Schwankungen betrug 2\u20144\u20146 Sekunden, diejenige des einzelnen Intervalls etwa ebensoviel.\nIn der Epikrise hebt Verfasser hervor, dafs die beobachteten Schwankungen nicht als Erm\u00fcdungsph\u00e4nomene zu deuten sind. Auch als pathologische Vergr\u00f6fserungen der bekannten Schwankungen in der Auffassung minimaler Sinnesreize lassen sie sich nicht auffassen. Jedenfalls ist ihr Sitz, wenn auch nicht ausschliefslich, so doch vorwiegend die Grofshirnrinde. Die Analogie mit dem Zustand des Halbwachens wird vom Verfasser f\u00fcr den ersten Fall betont. Auch manche Absencezust\u00e4nde von Epileptischen k\u00f6nnten wenigstens vergleichsweise herangezogen werden. Jedenfalls verdient die Arbeit ein eingehendes Studium.\nZiehen (Jena).\nL. Bianchi. The functions of the frontal lobes. Brain. Part LXXII.\nS. 497\u2014522. Winter 1895.\nB. hat bei 12 Alfen und 6 Hunden den Stirnlappen einseitig oder doppelseitig exstirpiert. Nach der einseitigen Exstirpation beobachtete Verfasser \u00f6fters, namentlich bei Affen, Drehbewegungen nach der Seite der Operation, jedoch nur in den ersten beiden Wochen, ferner eine vor\u00fcbergehende Schw\u00e4che des gekreuzten Vorderbeins, welche sich auf die Einzelbewegungen (Greifen etc.) beschr\u00e4nkt. Die Sensibilit\u00e4t blieb gew\u00f6hnlich unversehrt. Dagegen will Verfasser stets Sehst\u00f6rungen beobachtet haben. Wurde einem rechts operierten Tier das linke Auge verbunden und nun von rechts ein St\u00fcck Zucker in das Gesichtsfeld des rechten Auges hineingebracht, so ergriff das Tier das Zuckerst\u00fcck erst, wenn es fast im Mittelpunkte des Gesichtsfeldes angelangt war. Referent bemerkt dazu, dafs im Orginal die Bezeichnungen der Seite nicht ganz klar sind (S. 505). Diese Sehst\u00f6rungen verschwanden nach 2\u20143 Wochen. Psychische Ver\u00e4nderungen wurden nicht bemerkt.\nAusf\u00fchrlich teilt Verfasser weiterhin die Beobachtungen mit, welche er an einem Hunde und drei Affen nach doppelseitiger Exstirpation des Stirnlappens gemacht hat. Der Sektionsbefund liegt nur f\u00fcr die drei Affen vor, Verfasser beschr\u00e4nkt sich aber auf die Beschreibung der Grenzen der Zerst\u00f6rung. Unerl\u00e4fslich w\u00e4re gewesen, dafs Angaben \u00fcber","page":286}],"identifier":"lit36469","issued":"1896","language":"de","pages":"284-286","startpages":"284","title":"R. Stern: \u00dcber periodische Schwankungen der Hirnrindenfunktionen. Arch. f. Psychiatr. Bd. 27. (3.) S. 850-917. 1895","type":"Journal Article","volume":"12"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:40:47.555911+00:00"}