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{"created":"2022-01-31T16:40:36.133789+00:00","id":"lit36472","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wallaschek","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 12: 288-290","fulltext":[{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nLitteraturbericht.\nbeiden Seiten empfunden zu werden. Dies zeigte sieb besonders bei den als Kontrollexperiment benutzten Affen. Diese Schmerzempfindungen scheinen auf der nicht-paralysierten Seite rascher zu erfolgen, und das Tier kann die schmerzhafte Stelle auf der verletzten Seite lange nicht mit derselben Genauigkeit lokalisieren, wie auf der unverletzten. Tastempfindung erfolgte nur auf der nicht paralysierten Seite. Die Probe mit kaltem \"Wasser ergab dasselbe Resultat. Die mikroskopische Untersuchung des B\u00fcckenmarkes, das nach dem Tode des Tieres nach Marches Methode behandelt wurde, ergab, dafs die absteigenden Degenerationen sich fast ausschliefslich auf die verletzte Seite beschr\u00e4nkten. Sie zeigten sich an den direkten Pyramidenstr\u00e4ngen und der Pyramidenkreuzung; Wenige degenerierte Fasern zeigten sich zerstreut in den Vorder- und Seitenstr\u00e4ngen beider Seiten, besonders in F\u00e4llen, wo ein kleiner Teil der anderen Seite des B\u00fcckenmarkes zuf\u00e4llig verletzt wurde. Nach oben zeigten sich die meisten Degenerationen in den GoLLschen Str\u00e4ngen, dem direkten Kleinhirnstrang, den Vorder- und Seitenstr\u00e4ngen. Einige degenerierte Fasern fanden sich gew\u00f6hnlich im GoLLschen Strang, den Vorder- und Seitenstr\u00e4ngen der unverletzten Seite.\nWallaschek (Wien).\nF. W. Mott u. C. S. Sherrington. Experiments upon the Influence of Sensory Nerves upon Movement and Nutrition of the Limbs. Proceedings Boy. Soc. Vol. LVII. No. 345. S. 481\u2014488. 1895.\nIm Anschlufs an Experimente von Claude Bernard haben die Verfasser an Affen Bewegungsst\u00f6rungen untersucht, die entstanden sind durch Durchschneidung der sensorischen Wurzeln der B\u00fcckenmarksnerven.\n1. Bewegung. Durchschnitten wurde in der Brachialregion vom 4. Hirnnerv bis zum 4. Brustnerv (inklusive), in der Lumbarregion vom 2. bis zum 10. hinteren Brustnerv inklusive.\nDer Effekt, der von den Verfassern ausf\u00fchrlich beschrieben wird, l\u00e4fst sich dahin zusammenfassen, dafs die Beweglichkeit der Peripherie der Gliedmafsen fast g\u00e4nzlich aufh\u00f6rte, w\u00e4hrend sie gegen die Basis der Verletzung zu allm\u00e4hlich zunahm, wenn auch immer gest\u00f6rt war. In dieser Beziehung \u00e4hnelt diese Erscheinung jener Bewegungsst\u00f6rung, die auf eine Entfernung der entsprechenden, die Bewegung vermittelnden Begion des Cortex cerebri folgt, doch ist beim Affen die erstere St\u00f6rung auffallender. Unter aufsergew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden k\u00f6nnen sogar die feineren Glieder am \u00e4ufseren Ende der Gliedmafsen noch bewegt werden, \"wenn das Tier sich zur Wehre setzt und gewaltsame rasche Bewegungen -zu machen gen\u00f6tigt ist. Die Verfasser schliefsen daraus, dafs die Mitbewegungen bei dem Verlust der Empfindung der Gliedmafsen verh\u00e4ltnis-m\u00e4fsig wenig in Mitleidenschaft gezogen werden, w\u00e4hrend diejenigen Bewegungen, deren Ausf\u00fchrung durch gewisse Partien des Cortex vermittelt wird (willk\u00fcrliche Bewegungen), sehr schwer beeinflufst sind und manchmal ganz entfallen; ja, die Verfasser sagen direkt: die W illens-macht zur Ausf\u00fchrung der Griffbewegung der Hand und \u00e4hnliches hat ganz aufgeh\u00f6rt durch den lokalen, experimentell herbeigef\u00fchrten Verlust jeder Empfindung. Die Willensmacht h\u00f6rte auf gleich nach der Operation","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n289\nund ist w\u00e4hrend der ganzen Zeit der Operationen nicht wiedererlangt worden (vier Monate). Die Verfasser erkl\u00e4ren, sie seien sich der Gefahr bewufst, die dadurch entstehen k\u00f6nnte, dafs sie eine Terminologie, die sonst nur auf Bewufstseinserscheinungen anwendbar ist, in ihre Beschreibung rein motorischer Reaktionen einf\u00fchren.\nEs entsteht nun die Frage, welchen Einflufs hat die Durchschneidung der Nervwurzel am R\u00fcckenmark auf Reaktionen, die von der Glied-mafsenregion des Cortex ausgehen? Schon fr\u00fcher hat Sherixgtox (Phil. Trans. Vol. 184. B. S. 690. 691) gezeigt, dafs der cortex infolgedessen eine gr\u00f6fsere Reizbarkeit besitze. Auch jetzt zeigte sich, dafs, wenn die vom Cortex ausgehenden willk\u00fcrlichen Bewegungen infolge der Durchschneidung der Wurzel wochenlang ausblieben, die experimentelle Reizung noch immer wirksam war und entsprechende Bewegungen ausl\u00f6ste. Die Verfasser versuchten dies durch elektrische Reizung (Faraday) und Einspritzung von Absynth (Epilepsy); ja, das ap\u00e4sthetische (zum Unterschied von an\u00e4sthetisch) Glied wurde ebensoleicht, sogar mit einem schw\u00e4cheren faradischen Strom bewegt, als das normale. Aus diesen Thatsachen schliefsen die Verfasser auf den tiefgreifenden Unterschied zwischen feineren willk\u00fcrlichen Bewegungen und solchen, die durch experimentelle Reizung des Cortex ausgel\u00f6st werden, sie zeigen auch ferner den Einflufs der Empfindung auf den Willen und deuten darauf hin, dafs nicht nur der Cortex allein, sondern auch die ganzen Bahnen der Empfindungsnerven von der Peripherie bis zum Cortex bei willk\u00fcrlicher Bewegung in Aktion sind.\t5\nDie zweite der Schlufsfolgerungen wird man den Verfassern ohne weiteres zugeben, gegen die erstere jedoch habe ich meine Bedenken. Nehmen wir an, es sei richtig, dafs nach Durchschneidung der Nervwurzeln der Wille zur Bewegung gefehlt habe, und halten wir uns an die Thatsache, dafs experimentell, durch k\u00fcnstliche Reizung, jene Bewegungen doch ausgef\u00fchrt werden, darf man dann mit den Verfassern schliefsen. dafs experimentelle Bewegung von willk\u00fcrlicher Bewegung grundverschieden sei? Kann man da nicht ebensogut schliefsen, dafs die experimentelle Reizung dem Tier genau dasselbe gegeben hat, was fr\u00fcher der Wille war? H\u00e4tten die Verfasser nicht unn\u00f6tig die Terminologie der experimentellen Forschung \u00fcberschritten und den \u201eWillen\u201c eingef\u00fchrt, dann k\u00f6nnten sie jetzt sagen: die willk\u00fcrliche Bewegung ist unm\u00f6glich (der Wille braucht deshalb nicht verschwunden zu sein, nur die M\u00f6glichkeit, ihn auszuf\u00fchren), die experimentelle aber wird trotzdem ausgel\u00f6st, folglich ist der experimentelle Impuls etwas anderes, als der Willensimpuls. Nach ihrer eigenen verfr\u00fchten Schlufs-folgerung auf den Willen verdunkeln sie sich, wie mir scheint, den Stand der Thatsachen. Ich weifs sehr wohl, dafs auch meine Schlufsfolgerung die Frage nicht entscheidet, aber sie zeigt, wie ich glaube, dafs dieses Experiment am Tier, das man \u00fcber seinen Willen nicht befragen kann, nicht gen\u00fcgt, uns dar\u00fcber aufzukl\u00e4ren, ob zwischen dem experimentellen und dem willk\u00fcrlichen Impuls ein so tiefgreifender Unterschied bestehe.\nDie Durchschneidung einer einzelnen Nervenwurzel hat einen wesentlich anderen Effekt, ein Einflufs auf die Bewegung kann mit Be-\n19\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XII.","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\nLitter aturb ericht.\nStimmtheit nicht bemerkt werden, selbst dann nicht, wenn der wichtigste Nerv durchschnitten wird, n\u00e4mlich der 8. Hirnnerv f\u00fcr das obere, der 6. hintere Brustnerv f\u00fcr das untere Glied. Selbst wenn durch die Durchschneidung das Glied an\u00e4sthetisch wird, ist die St\u00f6rung der Beweglichkeit verh\u00e4ltnism\u00e4fsig leicht. Hingegen ist die Bewegungsst\u00f6rung des Gliedes bei Durchschneidung derjenigen Wurzel, welche die Gliedspitze versieht (Hand und Fufs), fast ebensogrofs, wie fr\u00fcher, wo die s\u00e4mtlichen Nervwurzeln durchschnitten wurden. Wenn andererseits s\u00e4mtliche Nervwurzeln durchschnitten werden, mit Ausnahme derjenigen, die Hand und Fufs versehen, entsteht eine Schw\u00e4che und Schwerf\u00e4lligkeit der Bewegung, die jedoch nur leichten Grades ist. Die Verfasser stellen weiterhin fest, dafs es m\u00f6glich ist, afferente Impulse von der Muskelempfindung so zu trennen, dafs die Beeinflussung der einen die andere intakt l\u00e4fst.\n2.\tErn\u00e4hrung. Trophische Ver\u00e4nderungen hatte die Durchschneidung der sensiblen Wurzeln nicht zur Folge.\n3.\tDegenerationen. Nach den Folgen der Durchschneidung schliefsen die Verfasser, dafs wahrscheinlich s\u00e4mtliche Fasern GoLLScher Str\u00e4nge von den Nervwurzeln ausgehen, die zur Innervation der unteren Gliedmafsen beitragen. Ein Teil der sensorischen Fasern, die die Innervation des Gliedes bewerkstelligen, bildet daher eine Bahn, die direkt zum Cortex f\u00fchrt. Andererseits bringt eine Durchschneidung von f\u00fcnf B\u00fccken- und oberen Lendennerven keine Degeneration der GoLLSchen Str\u00e4nge hervor. Dies scheint den Verfassern eine wichtige Thatsache, da die Fasern, die von den Gliedmafsen nach den GoLLSchen Str\u00e4ngen gehen, eine Bahn bilden, die \u00fcber den Nucleus gracilis zum entgegengesetzten der Thalami optici und der zentralen Windungen des Cortex f\u00fchrt. Da aber die Fasern der Wurzeln, die \u00fcber den zu den Gliedmafsen f\u00fchrenden Nerven stehen, die GoLLSchen Str\u00e4nge nicht bilden, so f\u00fchrt deren aufw\u00e4rtsleitende Bahn \u00fcber die graue Masse und m\u00f6glicherweise einen der Kleinhirnstr\u00e4nge zum kleinen Gehirn. Bei Durchschneidung der Brachial- und oberen Thorakalwurzeln zeigen sich keine Degenerationen in den Funiculi graciles, noch im Nucleus gracilis, wohl aber (sehr ausgedehnt) im Nucleus cuneatus. Als eines der wichtigsten Besultate der Experimente bezeichnen die Verfasser die Thatsache, dafs afferente Impulse von der Haut und von den Muskeln n\u00f6tig sind zur Ausf\u00fchrung von Bewegungen der h\u00f6chsten Bewufstseinsschwelle, und sie bemerken nochmals, dafs sie im st\u00e4nde sein werden, die Bedenken zu zerstreuen, die man gegen ihre Behauptung vom Verlust des Willens erheben k\u00f6nnte. Gelingt ihnen das wirklich, dann f\u00fcrchte ich, ist, so wie die Experimente jetzt stehen, erst recht die Schlufsfolgerung ausgeschlossen, dafs die experimentelle Beizung des Cortex so grundverschieden sei von der von ihm ausgehenden Willk\u00fcr der Bewegung.\nWallaschek (Wien).","page":290}],"identifier":"lit36472","issued":"1896","language":"de","pages":"288-290","startpages":"288","title":"F. W. Mott u. C. S. Sherrington: Experiments upon the Influence of Sensory Nerves upon Movement and Nutrition of the Limbs. Proceedings Roy. Soc. Vol. LVII. No. 345. S. 481-488. 1895","type":"Journal Article","volume":"12"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:40:36.133794+00:00"}