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{"created":"2022-01-31T16:46:24.489169+00:00","id":"lit36481","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler, M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 12: 304-306","fulltext":[{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\ni\u00c4tteraturbericht.\nvon einem Augenblicke zum anderen sieb bewegender sei und somit nur eine andere Bezeichnung f\u00fcr wirkliche Dauer gefunden sei, w\u00e4hrend ein bleibender Punkt im Sinne von James eine Abstraktion sei und die Flucht der Zeit vernachl\u00e4ssige, ohne welche Zeit nicht Zeit sei. Kurz zusammengefafst, kommt der Verfasser somit zu dem Ergebnis, dafs \u201edie Wirklichkeit nichts sei, als eine immer wechselnde Gegenwart\u201c.\nSodann spricht der Verfasser \u00fcber das Verh\u00e4ltnis des Bewufstseins zur bewufsten Zeit. Obwohl ersteres nur in der Gegenwart vorhanden und diese eine sich bewegende Grenzlinie ist, so ist doch die Zeit, die uns bewufst zu sein scheint, ein wirklicher Zwischenraum, dessen Teile uns nicht successiv, sondern zu gleicher Zeit gegeben sind. Ein zeitloses Zeitbewufstsein anzunehmen, ist ein Widerspruch. \u201eDie wirkliche Aufeinanderfolge mufs der Erkennung derselben vorangehen.\u201c Die letztere ist somit stets eine retrospektive, denn die Succession wird nicht in der zwischen den beiden Untergef\u00fchlen liegenden Zeit erkannt, sondern aus den Erinnerungsbildern, welche diese hinterlassen.\nMit diesen Ausf\u00fchrungen glaubt der Verfasser sich mit Dr. Ward im Einverst\u00e4ndnisse zu befinden, der sich in seinem \u201eBritannica article\u201c (jEncycl. Brit., 9th ed. art., Psychology, S. 64\u201465) in \u00e4hnlichem Sinne ausgesprochen.\tFriede. Kiesow (Turin).\nJ. Mourly Vold. Exp\u00e9rience sur les r\u00eaves et en particulier sur ceux d\u2019origine musculaire et optique. K\u00e9impr. de la Rev. de \u00cfHypnot. Janv. 1896. Christiania, 1896. 16 S.\nDie vorliegende Abhandlung bezeichnet einen bemerkenswerten Fortschritt der experimentellen Traumpsychologie. Es kam dem Verfasser darauf an, die Beziehungen zwischen bestimmten Sinnesempfindungen und den sich daran anschliefsenden Traumvorstellungen systematisch festzustellen. An Stelle vor\u00fcbergehender Stimuli verwendete er solche, welche die ganze Nacht hindurch wirkten. Seine Versuchspersonen banden sich Schnuren und B\u00e4nder um bestimmte Teile der H\u00e4nde und F\u00fcfse, um dadurch bestimmte Beize auszu\u00fcben, bestimmte Kr\u00fcmmungen hervorzurufen, sie zogen Handschuhe bald \u00fcber die rechte, bald \u00fcber die linke Hand. Verfasser selbst \u00fcbte dadurch Druckempfindungen auf seinen B\u00fccken aus, dafs er nachts einen G\u00fcrtel trug, an dessen B\u00fcck-seite Korke eingen\u00e4ht waren. Er schlief, durch die Umst\u00e4nde gezwungen, 6 Monate lang im Auslande auf einem Sofa, das so kurz war, dafs seine Beine auf die Lehne zu liegen kamen. Um \u00e4hnliche Wirkungen zu erzielen, liefs er seine Versuchspersonen w\u00e4hrend des Schlafes ein Brett unter die F\u00fcfse legen. \u00dcberhaupt hat sich Verfasser mit anerkennenswerter Ausdauer und feinem Geschick seinem Problem gewidmet.\nDurch solche Experimente erhellte zun\u00e4chst, dafs der Tastsinn weniger Einflufs auf die Traumbilder aus\u00fcbt als der Muskelsinn. Als Hauptresultat fand Verfasser, dafs die Tr\u00e4umenden die mehr oder weniger bemerkliche Tendenz besitzen, die Kr\u00fcmmungen der Glieder wahrzunehmen, in der Weise, dafs die hervorgerufene Stellung einen integrierenden Bestandteil des Traumbildes bildet. Die Einzelergebnisse waren folgende: 1. Die Stellungen der Glieder finden sich im Traume","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Litt\u00e8rakirbericht.\nw\u00e4hrend des statischen Zustandes ungef\u00e4hr so, wie sie wirklich sind. 2. Man tr\u00e4umt von einer Bewegung des eigenen K\u00f6rpers in der Weise, dafs dabei die getr\u00e4umte Stellung eines Gliedes der wirklichen Stellung desselben entspricht. 3. Der Tr\u00e4umende sieht andere Personen in einer Stellung oder Bewegung, welche dem wirklichen Zustande des eigenen' K\u00f6rpers entspricht. 4. Manchmal tr\u00e4umt man, dafs die besagten Bewegungen behindert werden. 5. Bisweilen erscheint das gebogene Glied dem Tr\u00e4umenden in der Form eines Tieres oder Gegenstandes. 6. In einigen F\u00e4llen entstehen abstrakte Gedanken im Anschlufs an die Per-* zeption von bestimmten Gliedmafsen. So z. B. vermag die Perzeption einiger Finger die Veranlassung zu bilden, dafs man Dinge in einer Menge sieht, welche Einfache oder Vielfache der betreffenden Zahl sind;\nVon grofser Wichtigkeit f\u00fcr das Traumstudium sind die verschiedenen Grade der Erm\u00fcdung des ganzen K\u00f6rpers oder seiner einzelnen Teile. Ist die Erm\u00fcdung weniger stark, der Schlaf weniger tief, so vermag man das erregte Glied deutlich genug zu perzipieren, aber nicht als Teil des eigenen K\u00f6rpers, sondern als Teil einer anderen Person oder eines Tieres. Denn die Zusammenfassung der eigenen Pers\u00f6nlichkeit ist f\u00fcr den erm\u00fcdeten Geist zu schwierig. Ist die Erm\u00fcdung gering, der Schlaf oberfl\u00e4chlich, so vermag man Fufs \u00f6der Hand als Teile des eigenen K\u00f6rpers zu perzipieren. Erscheint ein Glied dem Tr\u00e4umenden bewegt> so mufs man annehmen, dafs die dabei beteiligten zentralen und peripherischen Partien einen Zustand gr\u00f6fserer Erm\u00fcdung zeigen, als in dem Falle, wo man von dem statischen Zustande des betreffenden Gliedes tr\u00e4umt. \u2014 Verfasser hat gefunden, dafs die vor dem Einschlafen geschauten Farben, besonders die schwarze und weifse Farbe, in die Tr\u00e4ume einzudringen und die entsprechenden Komplement\u00e4rfarben zu erregen suchen.\t:\nHierzu bemerke ich Folgendes: Die erw\u00e4hnten Thatsachen (1\u20145) stimmen mit meinen Beobachtungen \u00fcberein. Nur m\u00f6chte ich That-sache 2 anders erkl\u00e4ren. Verfasser behauptet, dafs ein gekr\u00fcmmtes Glied bei gr\u00f6fserer Erm\u00fcdung deshalb als in Bewegung begriffen erscheint, weil das eingeschr\u00e4nkte Feld des Bewufstseins die isoliert per-zipiert\u00eb Empfindung potenziert. Meiner Ansicht nach gen\u00fcgt dies nicht zur Erkl\u00e4rung. Vielmehr mufs man dabei immer irgend welche Beeinflussung des Traumbewufstseins durch das Gemeingef\u00fchl annehmen. In vielen F\u00e4llen wird infolge der gr\u00f6fseren Erm\u00fcdung ein gr\u00f6fserer Teil des K\u00f6rpers gegen Druckverh\u00e4ltnisse von aufsen empfindungslos, der K\u00f6rper erscheint dadurch leichter und deshalb beweglicher. In anderen F\u00e4llen bilden eine hervortretende Atembewegung oder Kreislaufbewegung, das Beunruhigende einer unbequemen K\u00f6rperlage u. s. w. bestimmende Momente f\u00fcr die Illusion der Bewegung. \u2014 Dafs die vor dem Einschlafen geschauten Farben im Traume die entsprechenden Komplement\u00e4rfarben erregen, entspricht nicht meinen bisherigen Beobachtungen. Allerdings hatte ich es nur mit Apperzeptionen zu than. Einige seien hier erw\u00e4hnt: Nachdem ich am Tage eine Dame in einem .gelben Kleide gesehen hatte, tr\u00e4umte ich in der folgenden Nacht von einer anderen Dame, welche ebenfalls ein gelbes Kleid trug, dessen fixierte Stellen aber heller waren.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XII.\t20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nLitteraturbericht\nEinmal hatte ich kurz vor dem Einschlafen meine Bhantasieth\u00e4tigkeit mit dem Erzeugen von blattgr\u00fcnen Laubg\u00e4ngen besch\u00e4ftigt, um dadurch leichter Schlaf zu gewinnen. Infolgedessen tr\u00e4umte ich von einem Laubgange, welcher aber von hellgr\u00fcnem Lichte durchflossen war. Das Schauen nach den zu grofsem Teile dunkel erscheinenden Fensterscheiben eines Hauses am Tage wiederholte sich im Traume. Doch erschienen hier die fixierten Scheiben silbergl\u00e4nzend und gew\u00f6lbt. Die Besch\u00e4ftigung mit Diffraktionserscheinungen und Berechnungen \u00fcber rote, orange und violette Farben am Tage hatten zur Folge, dafs ich von einem grofsen goldgelben Kreise mit hellblauen Stellen tr\u00e4umte.\nAus diesen und \u00e4hnlichen Beobachtungen folgt, dafs die am Tage oder am Abend zuvor fixierten Farben in den Tr\u00e4umen der folgenden Nacht, falls die Farben in den Blickpunkt des Bewufstseins treten, in helleren und teilweise gl\u00e4nzenden Nuancen wiederkehren. Diese Formulierung w\u00fcrde auch eine Best\u00e4tigung meines zweiten Traumgesetzes bilden, welches lautet: \u201eDie Perzeption der Empfindungen ist im allgemeinen mit Qualit\u00e4tsver\u00e4nderungen und Dislokalisationen, dagegen die Apperzeption derselben mit Intensit\u00e4tserh\u00f6hungen und Irradiationen verbunden.\u201c (Yergl. Giessler: Die physiologischen Beziehungen der Traumvorg\u00e4nge. Halle, Niemeyer. 1896.) Zum Schlufs m\u00f6chte ich den Herren Traumpsychologen noch folgenden interessanten Traum mitteilen. Kurz vor dem Erwachen hatte ich k\u00fcrzlich einen akustischen Eindruck, wie vom Bellen eines kleineren Hundes, ohne dafs sich dabei ein entsprechendes Gesichtsbild herausbildete. Der Traum hielt nur einen foment an, und die Vorstellung, dafs ein Hund bellte, gelangte erst beim Erwachen in den Blickpunkt des Bewufstseins. Beim Erwachen Stellte sich zugleich heraus, dafs ein kleiner Hund \u00fcberhaupt nicht gebellt hatte, sondern zwei grofse Hunde, deren gleichzeitiges Bellen in tieferem Ton nach meinem Erwachen noch anhielt. Die Qualit\u00e4tsver\u00e4nderung des tieferen Tones in den h\u00f6heren Ton und somit die entsprechende Vorstellung des kleineren Hundes waren durch die Thatsache veranlagst worden dafs in meinem Hause eine Familie mit einem kleineren Hunde wohnte, dessen Erinnerungsbild durch die Gewohnheit meiner Reproduktionsth\u00e4tigkeit nahe lag.\tM. Giessler (Erfurt).\nRudolf Weinmann. Wirklichkeitsstandpunkt. Eine erkenntnis-theoretische Skizze. Hamburg und Leipzig, Leopold Voss. 1896. 37 S.\nDie Arbeit gliedert sich in die drei Teile: 1. Orientierung. 2. Apriorit\u00e4t und Subjektivismus. 3. Wirklichkeitsstandpunkt. Einige Anmerkungen, auf die der Verfasser im Texte verweist, sind der Darstellung aufserdem in einem besonderen Abschnitte angeh\u00e4ngt.\nIm allgemeinen sei vorausgeschickt, dafs der Verfasser sich mit der vorliegenden Abhandlung das Ziel gesetzt hat, \u201eeinen energischen Beitrag zu liefern zum Kapitel \u201eEmanzipation von Kant\u201c. \u201eAuch die gr\u00f6fsten Geister k\u00f6nnen einmal historisch werden. F\u00fcr Kant d\u00fcrfte","page":306}],"identifier":"lit36481","issued":"1896","language":"de","pages":"304-306","startpages":"304","title":"J. Mourly Vold: Exp\u00e9rience sur les r\u00eaves et en particulier sur ceux d'origine musculaire et optique. R\u00e9impr. de la Rev. de l'Hypnot. Janv. 1896. Christiania, 1896. 16 S.","type":"Journal Article","volume":"12"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:46:24.489174+00:00"}