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{"created":"2022-01-31T15:06:29.572589+00:00","id":"lit36482","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kiesow, Friedr.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 12: 306-308","fulltext":[{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nLitteraturbericht\nEinmal hatte ich kurz vor dem Einschlafen meine Bhantasieth\u00e4tigkeit mit dem Erzeugen von blattgr\u00fcnen Laubg\u00e4ngen besch\u00e4ftigt, um dadurch leichter Schlaf zu gewinnen. Infolgedessen tr\u00e4umte ich von einem Laubgange, welcher aber von hellgr\u00fcnem Lichte durchflossen war. Das Schauen nach den zu grofsem Teile dunkel erscheinenden Fensterscheiben eines Hauses am Tage wiederholte sich im Traume. Doch erschienen hier die fixierten Scheiben silbergl\u00e4nzend und gew\u00f6lbt. Die Besch\u00e4ftigung mit Diffraktionserscheinungen und Berechnungen \u00fcber rote, orange und violette Farben am Tage hatten zur Folge, dafs ich von einem grofsen goldgelben Kreise mit hellblauen Stellen tr\u00e4umte.\nAus diesen und \u00e4hnlichen Beobachtungen folgt, dafs die am Tage oder am Abend zuvor fixierten Farben in den Tr\u00e4umen der folgenden Nacht, falls die Farben in den Blickpunkt des Bewufstseins treten, in helleren und teilweise gl\u00e4nzenden Nuancen wiederkehren. Diese Formulierung w\u00fcrde auch eine Best\u00e4tigung meines zweiten Traumgesetzes bilden, welches lautet: \u201eDie Perzeption der Empfindungen ist im allgemeinen mit Qualit\u00e4tsver\u00e4nderungen und Dislokalisationen, dagegen die Apperzeption derselben mit Intensit\u00e4tserh\u00f6hungen und Irradiationen verbunden.\u201c (Yergl. Giessler: Die physiologischen Beziehungen der Traumvorg\u00e4nge. Halle, Niemeyer. 1896.) Zum Schlufs m\u00f6chte ich den Herren Traumpsychologen noch folgenden interessanten Traum mitteilen. Kurz vor dem Erwachen hatte ich k\u00fcrzlich einen akustischen Eindruck, wie vom Bellen eines kleineren Hundes, ohne dafs sich dabei ein entsprechendes Gesichtsbild herausbildete. Der Traum hielt nur einen foment an, und die Vorstellung, dafs ein Hund bellte, gelangte erst beim Erwachen in den Blickpunkt des Bewufstseins. Beim Erwachen Stellte sich zugleich heraus, dafs ein kleiner Hund \u00fcberhaupt nicht gebellt hatte, sondern zwei grofse Hunde, deren gleichzeitiges Bellen in tieferem Ton nach meinem Erwachen noch anhielt. Die Qualit\u00e4tsver\u00e4nderung des tieferen Tones in den h\u00f6heren Ton und somit die entsprechende Vorstellung des kleineren Hundes waren durch die Thatsache veranlagst worden dafs in meinem Hause eine Familie mit einem kleineren Hunde wohnte, dessen Erinnerungsbild durch die Gewohnheit meiner Reproduktionsth\u00e4tigkeit nahe lag.\tM. Giessler (Erfurt).\nRudolf Weinmann. Wirklichkeitsstandpunkt. Eine erkenntnis-theoretische Skizze. Hamburg und Leipzig, Leopold Voss. 1896. 37 S.\nDie Arbeit gliedert sich in die drei Teile: 1. Orientierung. 2. Apriorit\u00e4t und Subjektivismus. 3. Wirklichkeitsstandpunkt. Einige Anmerkungen, auf die der Verfasser im Texte verweist, sind der Darstellung aufserdem in einem besonderen Abschnitte angeh\u00e4ngt.\nIm allgemeinen sei vorausgeschickt, dafs der Verfasser sich mit der vorliegenden Abhandlung das Ziel gesetzt hat, \u201eeinen energischen Beitrag zu liefern zum Kapitel \u201eEmanzipation von Kant\u201c. \u201eAuch die gr\u00f6fsten Geister k\u00f6nnen einmal historisch werden. F\u00fcr Kant d\u00fcrfte","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n307\ndieser Punkt gekommen sein; wenigstens, was seinen Subjektivismus betrifft.\u201c\nIndem der Verfasser im 1* Teile den Realismus einmal dem Positivismus, zum anderen dem Idealismus gegen\u00fcberstellt, sucht er zun\u00e4chst darzuthun, dafs der Positivismus in seinem Bestreben, auf alle Meta<-physik zu verzichten, sich den Weg zu der uns m\u00f6glichen Erkenntnis verschliefst, da die letztere ein Hinausgehen \u00fcber die unmittelbare Erfahrung in sich schliefse, \u201ewomit an die Metaphysik im eigentlichen und h\u00f6heren Sinne, die Spekulation und Weltinterpretation, noch lange nicht ger\u00fchrt ist\u201c. \u201eMit der Anerkennung einer objektiv wirklichen Welt ist nur jener, wenn man nun einmal will, \u201eMetaphysik\u201c, erkenntnistheoretischer Ausdruck gegeben, die wir mit unserem gesunden Menschenverstand nicht minder, wie durch die Errichtung der wissenschaftlichen Geb\u00e4ude der Physik, Biologie, Psychologie u. s. w. u. s. w. l\u00e4ngst vorweggenommen haben.\u201c Sodann giebt der Verfasser dem Realismus den Vorzug vor dem Idealismus, zu welchem der Positivismus unvermerkt hin\u00fcberf\u00fchre. Mit den meisten Denkern stimmt er daher dem Realismus zu. Verwiesen ist hier auf Spencer, Princ. d. Psychol. II. 7. Teil.\nIm 2. Teile behandelt der Verfasser in einem ersten Abschnitte \u2014 Raum, Zeit, Kausalit\u00e4t \u2014 folgende Punkte: den Apriorismus, das Ding an sich, Apriorit\u00e4t und Subjektivit\u00e4t, die Postulate der theoretischen Vernunft, das Subjekt und die Welt, die Entwickelung, Entwickelung und Erfahrung, die Apriorit\u00e4t bleibt unangetastet, Rationalismus und Empirismus; in einem 2. Teile \u2014 die sog. sekund\u00e4ren Qualit\u00e4ten \u2014 folgende Punkte: \u201eNur Wirkungen\u201c, die Lehre von den spezifischen Energien, die Physik, die Lehre von den sekund\u00e4ren Qualit\u00e4ten: in einem 3. Teile sind endlich die prim\u00e4ren und sekund\u00e4ren Qualit\u00e4ten einer Betrachtung unterworfen.\nDer Verfasser will im Gegens\u00e4tze zu Spencer einen Unterschied anerkannt wissen zwischen Entwickelung und genereller Erfahrung. Die Apriorit\u00e4t von Raum, Zeit und Kausalit\u00e4t (letzterer Begriff ist der Einfachheit wegen an Stelle der Verstandeskategorien durchweg gew\u00e4hlt) bleibt nach dem Verfasser bestehen, aber dieselbe ist ihm keine absolute. \u201eWenn unser Weltbild bedingt ist durch unsere Organisation, so ist eben diese unsere Organisation bedingt durch die Welt\u201c. Zwischen Rationalismus und Empirismus ist eine Vers\u00f6hnung anzustreben. \u201eDas Gesetz des Denkens ist eben zugleich Gesetz der objektiven Wirklichkeit.\u201c Die Anschauung, dafs wir in unserem Bewufstsein nicht die Dinge selbst, sondern nur deren Wirkungen erfahren, f\u00fchrt nach dem Verfasser zum Materialismus, da dieselbe auf einer Verwechselung von Empfindungen und Gehirnprozessen beruhe. Der Naturwissenschaft ist es weder durch die Lehre von den spezifischen Sinnesenergien, noch durch die Physik gelungen, die Subjektivit\u00e4t der sekund\u00e4ren Qualit\u00e4ten empirisch zu erweisen. \u00dcber den ersteren Punkt sei auf des Verfassers gr\u00f6fsere Schrift von den spezifischen Sinnesenergien verwiesen, \u00fcber welche vom Referenten in n\u00e4chster Zeit in einer Besprechung berichtet Werden soll; \u00fcber den letzteren \u00e4ufsert sich der Verfasser selbst: \u201eEntfernt uns nicht am Ende die physikalische Betrachtungsw\u00e8is\u00e8\n20*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\tLitter a turbericht.\nmit. ihrer durchaus abstrahierenden Th\u00e4tigkeit \u2014 die ja auch nur eine Th\u00e4tigkeit des Subjektes ist \u2014 von der Wirklichkeit, w\u00e4hrend uns \u201evielleicht die unmittelbare Empfindung am n\u00e4chsten an sie heranf\u00fchrt?\u201c Trotzdem bleibt die Subjektivit\u00e4t |)ei den Empfindungsqualit\u00e4ten bestehen, dieselben spiegeln .unseren K\u00f6rper und seine Affektionen und indirekt die Aufsenwelt. Dieser eigentliche Sinn jener Lehre kann aber empirisch durch - die Naturwissenschaft nicht best\u00e4tigt werden. Endlich sucht der Verfasser die Objektivit\u00e4t von Kaum und Zeit zu erweisen und.gelangt somit am Schl\u00fcsse dieser Betrachtung zu einem ^dualistischen R ealismus\u201c. \u201eDie Welt, r\u00e4umlich zeitlich, beherrscht von dem G-esetz der Kausalit\u00e4t auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Bewufst-seine, die sie spiegeln und die sich f\u00fcr die wesentlichen Fakturen der transcendenten Welt durch Entwickelung herangebildet habem Daher sie nunmehr Kaum, Zeit und Kausalit\u00e4t a priori zur Auffassung der Welt mitbringen. \u201c\nDen so gewonnenen Standpunkt bezeichnet der V erfasser im 3, Teile ^ls. \u201eWir klich.keitsstandpunkt\u201c, den nicht nur, wie er weiter durchf\u00fchrt, die Physik, die Biologie etc., sondern auch die philosophischen Einzeldisziplinen, wie die; Psychologie, voraussetzen Damit bl\u00e7ibt das R\u00e4tsel.der Welt f\u00fcr den Verfasser bestehen, es gilt ihm \u201egenau im gleichen Sinne, in dem es die Metaphysik noch stets formuliert .und zu .l\u00f6sen versucht hat\u201c. Doch bleibt unsere Erkenntnis eine relative; denn das Wesen der Dinge bleibt uns verschlossen, aber nicht, weil es im \u201eDing an sich\u201c liegt, \u201esondern weil wir \u00fcber die Erscheinungswelt, d. h. \u2014 von unserem Standpunkte aus -\u2014 \u00fcber die uns allein gegebene \u00e4ufsere Wirklichkeit der Welt, nicht hinauskommen\u201c. Zum Schl\u00fcsse verwahrt Sich der Verfasser einmal gegen den Vorwurf, mit seinen Ausf\u00fchrungen in die Annahme einer Welt der Erscheinungen im Sinne Kants zur\u00fcck-gefallen zu sein,' sodann gegen eventuelle Einw\u00e4nde des kritischen Subjektivismus, der gesammte Erkl\u00e4rungsversuch geschehe mittelst der logischen Denkformen, deren Herkunft zu erkl\u00e4ren er sich zur Aufgabe setze, Dem letzteren Ein w\u00fcrfe h\u00e4lt der Verfasser entgegen, dafs die Logik, das -absolut Indiskutable sei. \u201eSchon das erste Wort, das wir sprechen, gehorcht ihr.\u201c\nEs sei noch erw\u00e4hnt, dafs die Abhandlung als Quaestio inauguralis .am 13. Juli 1895 an der Universit\u00e4t M\u00fcnchen vorgetragen wurde.\nFrie\u00f6r. Kiesow (Turin).\nE. Egger. Le moi des mourants. Rev. philos. Bd. XI\u00c4. S. 26\u201438. (Jan. 1896.)\nEs handelt sich um die psychischen Erlebnisse derer, welche im Begriff waren, zu sterben, sei es, dafs sie dem Ertrinken nahe kamen, sei es, dafs sie von betr\u00e4chtlicher H\u00f6he herabst\u00fcrzten, sei es, dafs sie in anderer Weise momentan in Todesgefahr schwebten. Diese Leute ^erlebten angesichts des Todes die haupts\u00e4chlichsten Szenen ihres vergangenen Lebens noch einmal geistig wieder. Der Schweizer Professor \u201eBeim hat bei den abgest\u00fcrzten Keisenden Erkundigungen eingezogen und .folgende \u00fcbereinstimmende psychische Vorg\u00e4nge, als von dem Augenblicke des Abst\u00fcrzens bis zum Aufschlagen des K\u00f6rpers sich vollziehend,","page":308}],"identifier":"lit36482","issued":"1896","language":"de","pages":"306-308","startpages":"306","title":"Rudolf Weinmann: Wirklichkeitsstandpunkt. Eine erkenntnis-theoretische Skizze. Hamburg und Leipzig, Leopold Voss. 1896. 37 S.","type":"Journal Article","volume":"12"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:06:29.572594+00:00"}