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{"created":"2022-01-31T16:48:03.317707+00:00","id":"lit36483","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler, M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 12: 308-309","fulltext":[{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\tLitter a turbericht.\nmit. ihrer durchaus abstrahierenden Th\u00e4tigkeit \u2014 die ja auch nur eine Th\u00e4tigkeit des Subjektes ist \u2014 von der Wirklichkeit, w\u00e4hrend uns \u201evielleicht die unmittelbare Empfindung am n\u00e4chsten an sie heranf\u00fchrt?\u201c Trotzdem bleibt die Subjektivit\u00e4t |)ei den Empfindungsqualit\u00e4ten bestehen, dieselben spiegeln .unseren K\u00f6rper und seine Affektionen und indirekt die Aufsenwelt. Dieser eigentliche Sinn jener Lehre kann aber empirisch durch - die Naturwissenschaft nicht best\u00e4tigt werden. Endlich sucht der Verfasser die Objektivit\u00e4t von Kaum und Zeit zu erweisen und.gelangt somit am Schl\u00fcsse dieser Betrachtung zu einem ^dualistischen R ealismus\u201c. \u201eDie Welt, r\u00e4umlich zeitlich, beherrscht von dem G-esetz der Kausalit\u00e4t auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Bewufst-seine, die sie spiegeln und die sich f\u00fcr die wesentlichen Fakturen der transcendenten Welt durch Entwickelung herangebildet habem Daher sie nunmehr Kaum, Zeit und Kausalit\u00e4t a priori zur Auffassung der Welt mitbringen. \u201c\nDen so gewonnenen Standpunkt bezeichnet der V erfasser im 3, Teile ^ls. \u201eWir klich.keitsstandpunkt\u201c, den nicht nur, wie er weiter durchf\u00fchrt, die Physik, die Biologie etc., sondern auch die philosophischen Einzeldisziplinen, wie die; Psychologie, voraussetzen Damit bl\u00e7ibt das R\u00e4tsel.der Welt f\u00fcr den Verfasser bestehen, es gilt ihm \u201egenau im gleichen Sinne, in dem es die Metaphysik noch stets formuliert .und zu .l\u00f6sen versucht hat\u201c. Doch bleibt unsere Erkenntnis eine relative; denn das Wesen der Dinge bleibt uns verschlossen, aber nicht, weil es im \u201eDing an sich\u201c liegt, \u201esondern weil wir \u00fcber die Erscheinungswelt, d. h. \u2014 von unserem Standpunkte aus -\u2014 \u00fcber die uns allein gegebene \u00e4ufsere Wirklichkeit der Welt, nicht hinauskommen\u201c. Zum Schl\u00fcsse verwahrt Sich der Verfasser einmal gegen den Vorwurf, mit seinen Ausf\u00fchrungen in die Annahme einer Welt der Erscheinungen im Sinne Kants zur\u00fcck-gefallen zu sein,' sodann gegen eventuelle Einw\u00e4nde des kritischen Subjektivismus, der gesammte Erkl\u00e4rungsversuch geschehe mittelst der logischen Denkformen, deren Herkunft zu erkl\u00e4ren er sich zur Aufgabe setze, Dem letzteren Ein w\u00fcrfe h\u00e4lt der Verfasser entgegen, dafs die Logik, das -absolut Indiskutable sei. \u201eSchon das erste Wort, das wir sprechen, gehorcht ihr.\u201c\nEs sei noch erw\u00e4hnt, dafs die Abhandlung als Quaestio inauguralis .am 13. Juli 1895 an der Universit\u00e4t M\u00fcnchen vorgetragen wurde.\nFrie\u00f6r. Kiesow (Turin).\nE. Egger. Le moi des mourants. Rev. philos. Bd. XI\u00c4. S. 26\u201438. (Jan. 1896.)\nEs handelt sich um die psychischen Erlebnisse derer, welche im Begriff waren, zu sterben, sei es, dafs sie dem Ertrinken nahe kamen, sei es, dafs sie von betr\u00e4chtlicher H\u00f6he herabst\u00fcrzten, sei es, dafs sie in anderer Weise momentan in Todesgefahr schwebten. Diese Leute ^erlebten angesichts des Todes die haupts\u00e4chlichsten Szenen ihres vergangenen Lebens noch einmal geistig wieder. Der Schweizer Professor \u201eBeim hat bei den abgest\u00fcrzten Keisenden Erkundigungen eingezogen und .folgende \u00fcbereinstimmende psychische Vorg\u00e4nge, als von dem Augenblicke des Abst\u00fcrzens bis zum Aufschlagen des K\u00f6rpers sich vollziehend,","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturiericht.\n309\ngefunden: erstens ein Gef\u00fchl der Gl\u00fcckseligkeit, zweitens Empfindungslosigkeit des Tastsinnes und des Sinnes f\u00fcr den Schmerz, w\u00e4hrend Gesicht und Geh\u00f6r ihre normale Sch\u00e4rfe beibehalten, drittens eine \u00e4ufseror.dent-liche Schnelligkeit des Gedankens und der Einbildung, viertens sieht die Seele in vielen F\u00e4llen den ganzen Verlauf ihres vergangenen Lebens. Egger bemerkt mit Recht, dafs es sieb in letzterem Falle nur um die charakteristischen Szenen handeln k\u00f6nne. \u2014 Der Tod ist das gewaltsame Sistieren der Reihe von Bewufstseinszust\u00e4nden, welche im Ged\u00e4chtnisse aufbewahrt werden. Die Idee, dafs diese Reihe im Begriff ist, zu endigen, erweckt die Idee dessen,: was diese Reihe enthielt. Letztere besteht in einer raschen Folge von Gem\u00e4lden. , Jedem derselben .entspricht eine Erregung, eine spezielle Nuance von Freude und Traurigkeit. Kommt der Tod langsam, so pflegen die Sterbenden Ausspr\u00fcche zu thun, in denen sie das Facit ihres vergangenen Lebens ziehen. Kommt der Tod unvorhergesehen und pl\u00f6tzlich, so sieht man sich unter der konkreten. Form einer Reihe von visuellen Erinnerungen. Beim Kinde und beim Wilden ist es nicht so. Das Kind bleibt sorglos in Todesgefahr. Ein Kind von 8 Jahren war w\u00e4hrend eines Sturzes aus betr\u00e4chtlicher H\u00f6he nur darauf bedacht, ein kleines Messer nicht zu verlieren, welches ihm sein Vater zum Geschenk gemacht hatte. Das Ich des Kindes ist arm, zerstreut. Je \u00e4lter es wird, um so mehr bereichert es sich, konzentriert sich, organisiert sich. \u2014 Eine besondere Form, in der das Ich verschwindet, ist das Moralische. Nach Cicero bleibt beim Nahen des Todes nur das zur\u00fcck, was wir durch gute Thaten erreicht haben. Also die moralischen Konzeptionen vereinfachen die Idee des .Ich, so clafs sie dieselbe beinahe allein ausf\u00fcllen. Von diesem Gesichtspunkte aus. betrachtet, bleibt die. Seele nur ein bestimmter Grad des Guten und Schlechten.\nDie Abhandlung zeichnet sich durch eine Reihe sehr feiner Bemerkungen aus. Ich selbst kam als Student einmal dem Tode nahe, als ich bei Sturm auf dem Tegernsee, allein in einem, kleinen Kahne sitzend, vergebens am gegen\u00fcberliegenden Ufer zu landen suchte. Die Brandung trieb meinen Kahn immer wieder zur\u00fcck, so dafs ich schon verzagte. Da pl\u00f6tzlich fafste eine grofse Welle meinen Kahn und setzte ihn an einer seichten Stelle nieder.. Genau entsinne ich mich, dafs mich das Gef\u00fchl der Gl\u00fcckseligkeit erf\u00fcllte dar\u00fcber, dafs ich dem so tief eingreifenden Ereignisse des leiblichen Todes so nahe war. (Dies konnte ich um so mehr, da ich an eine Fortdauer glaube.) Ich f\u00fchlte nichts mehr von dem Eindringen der Wellen in meinen Kahn. Deutlich h\u00f6rte ich das dumpfe Grollen in der Tiefe. Dabei durcheilte eine grofse Zahl von. Gedanken mit fieberhafter Geschwindigkeit meine Seele> Gedanken an meine Eltern, meine Studien und an meine Kinderzeit. \u2014 Was Egger von den Kindern und den Wilden sagt, gilt in gewissem Sinne wohl auch von den Ungebildeten. Ich habe \u00fcber den vorliegenden Punkt verschiedene Anstreicher und Dekorationsmaler gefragt, welche von betr\u00e4chtlicher H\u00f6he herabgefallen waren. Sie alle versicherten, dafs sie nur darauf bedacht gewesen w\u00e4ren, die St\u00e4rke des Falles durch geeignete K\u00f6rperbewegungen abzuschw\u00e4chen, dafs sie aber keine Phantasiebilder gesehen h\u00e4tten.\tM. Giessler (Erfurt).","page":309}],"identifier":"lit36483","issued":"1896","language":"de","pages":"308-309","startpages":"308","title":"E. Egger: Le moi des mourants. Rev. philos. Bd. XLI. S. 26-38. Jan. 1896","type":"Journal Article","volume":"12"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:48:03.317712+00:00"}