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{"created":"2022-01-31T14:25:03.061314+00:00","id":"lit36493","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Barth, P.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 12: 402-403","fulltext":[{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nLitter aturbericht.\nDen Schlufs bildet eine genaue Zusammenstellung der einschl\u00e4gigen Litteratur, aus der man ersieht, dafs Verfasser neben seiner vielj\u00e4hrigen praktischen Erfahrung auch umfangreiche theoretische Studien seiner Abhandlung zu G-runde gelegt hat.\nGr\u00fcndlichkeit und konsequentes Nachdenken kennzeichnen in der That die vorliegenden Ausf\u00fchrungen. Trotzdem kann ich ihnen nach langer und eingehender Besch\u00e4ftigung mit diesem Thema vom psychologisch-erkenntnistheoretischen Standpunkte aus nicht zustimmen. Den G-rundirrtum erblicke ich in der Definition des Z\u00e4hlens durch ein Vergleichen zweier Reihen. Zu diesem Satze gelangte Verfasser offenbar durch seine p\u00e4dagogische Th\u00e4tigkeit und durch die Art, wie wir kunst-gem\u00e4fs das Z\u00e4hlen lernen. Will man jedoch die letzten psychologischen Grundlagen des Z\u00e4hlaktes auf decken, so wird man sich fragen m\u00fcssen, wie gelangen wir zu dem Mafsstabe, zu der Z\u00e4hlreihe selbst. Man wird dann erkennen, dafs diese bereits ein Z\u00e4hlen voraussetzt. Nicht von der Z\u00e4hlreihe, sondern von der \u201eVielheit\u201c, von dem Wahrnehmen des Diskreten, mufs die Untersuchung anheben und \u2014 darin pflichte ich Verfasser bei \u2014 die beziehende Th\u00e4tigkeit der Seele vor allem ber\u00fccksichtigen. In gewissem Sinne ergiebt sich dann auch die Zahl als eine Eigenschaft der Dinge, nur nicht der einzelnen, sondern eines Ding-Komplexes. Die Thatsache, dafs man \u00e4ufsere wie innere Objekte z\u00e4hlen kann, ist durchaus kein haltbarer Einwurf. Dagegen ergiebt sich dann von selbst, dafs es keine reinen, sondern nur benannte Zahlen giebt \u2014 eine durchaus richtige Bemerkung des Verfassers. Auch der Zweck des Z\u00e4hlens wird dann ersichtlicher. Es wird nicht blofs ein Unverst\u00e4ndliches auf ein anderes, gel\u00e4ufigeres zur\u00fcckgef\u00fchrt, sondern ein Kompliziertes auf ein Einfaches, die Vielheit auf eine Einheit. Endlich sei noch bemerkt, dafs eine grofse Zahl wichtiger Fragen Verfasser \u00fcbergangen hat. Zun\u00e4chst die Entwickelungsstufen des Z\u00e4hlens; denn die Unterscheidung zwischen Zahl als Summe und als Multiplikator ist eine \u00e4ufserliche und keine psychogenetisch verwertbare. Sodann, warum ist die Reihenfolge der gez\u00e4hlten Objekte gleichg\u00fcltig? Warum und inwiefern ist die Zahleinheit willk\u00fcrlich ? Indes, noch mehr auf Einzelheiten einzugehen, f\u00fchrte zu weit, und es sei daher nur noch darauf hingewiesen, dafs die Schriften von Paul du Bois-Reymond, Dedekind, Stolz, Husserl (Philosophie der Arithmethik), Grassmann dem Verfasser dankenswerte Anregungen gegeben h\u00e4tten.\nArthur Wreschner (Berlin).\nWilliam W. Carlile. The Conscience, its Nature and Origin. Intern.\nJourn. of Ethics. VI. No. 1. S. 63\u201476. 1895.\nIn der Chemie ist die Wirkung der Ursache nicht gleich; wir schliefsen aber auf den Kausalzusammenhang, weil die Erscheinungen an denselben Stoffen in demselben Gef\u00e4fs vor sich gehen. Im Seelenleben giebt es kein solches Gef\u00e4fs ; wo wir zwischen zwei Erscheinungen auf Kausalzusammenhang schliefsen, mufs es sich so verhalten, wie in der","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n403\nMechanik, die Ursache mufs der Wirkung gleich, in ihr enthalten sein. Dies lehrt uns, dafs das Gewissen, ein Urteil \u00fcber uns, entstanden sein mufs aus einem \u00e4hnlichen Urteil. Und zwar ist das Urspr\u00fcngliche der Trieb, einen Angreifer zu bestrafen, der weit \u00fcber die Grenzen der Menschenwelt hinaus geht. Dieser Trieb richtet sich gegen uns seihst, wenn wir die Absicht, ungerecht anzugreifen, haben. Denn wir betrachten uns selbst sub specie alius. So entsteht die negative Seite des Gewissens, die positive entsteht aus der Dankbarkeit gegen den Wohl-th\u00e4tigen, die ebenso primitiv ist wie der Zorn gegen den Gewaltth\u00e4tigen, den wir meist gegen andere, bisweilen gegen uns selbst empfinden. Der Schlufs wendet sich gegen den Irrtum, die Moral des alten Hellenentums sei unvollkommen gewesen; es stehe vielmehr eine hohe sittliche Idee im Mittelpunkte seiner Philosophie und seiner Kunst. Die kurze, nicht sehr stetig, sondern etwas sprunghaft vorgehende Abhandlung spinnt allerlei Gedanken an, aber keinen aus, wiewohl dies, wie z. B. in Bezug auf die Kausalmethode der Chemie im Gegens\u00e4tze zu derjenigen der Mechanik und der Psychologie, sehr n\u00f6tig w\u00e4re. Die zweifellos in uns vorhandene Tendenz, unser Erleben zu objektivieren, hat der Verfasser hier gl\u00fccklich verwertet; aber man w\u00fcnschte eine viel genauere Analyse und Entwickelungsgeschichte jener Tendenz. In etwas einseitiger Weise hat l\u00e4ngst Friedrich Nietzsche betont, dafs Gewissensqualen auf unserem Grausamkeitstriebe beruhen, der sich gegen uns selbst wende.\nP. Barth (Leipzig).\nA. Forel. Activit\u00e9 c\u00e9r\u00e9brale et conscience. Rev. philos. No. 11. S. 468 bis 475. 1895.\nIn der Revue g\u00e9n\u00e9rale des sciences vom 80. Jan. 1895 hat Soury die Ansichten Forels \u00fcber Struktur und Funktionen des Gehirns besprochen und dabei bez\u00fcglich der Bewufstseinsfrage einen Standpunkt eingenommen der den Begriff des Bewufstseins selbst und den des Bewufstseinsinhaltes mit einander vermengt. Hiergegen wendet sich Verfasser mit dem Nachweis, dafs das Bewufstsein und sein Inhalt als etwas durchaus verschiedenes anzusehen ist. Der Begriff des Bewufstseins ist eine ans Metaphysische grenzende Abstraktion aus der Summe des Bewufstseinsinhaltes. Ersteres ist sozusagen der Spiegel, in welchem wir letzteren erblicken; freilich sind dabei Spiegel und Bild ebenso untrennbar eins, wie der Begriff der Kraft oder Bewegung nur im Zusammenhang mit der Materie und nicht selbst\u00e4ndig existierend gedacht werden kann. Will man nicht zur Hypothese der Generatio aequivoca zur\u00fcckkehren, so muss man annehmen, dafs ein Bewufstsein auch allen niederen Lebewesen und der Materie \u00fcberhaupt zukommt, wenn auch selbstverst\u00e4ndlich in anderer Form und anderem Umfange als dem Menschen. \u2014 Den Inhalt des Bewufstseins bilden die an chemisch-physikalische Molekularbewegungen gekn\u00fcpften Arbeitsleistungen des Gehirns. Die Hirn-th\u00e4tigkeit ist entweder eine selbst\u00e4ndig gestaltende (activit\u00e9 plastique) oder automatisch-reflektorischer Natur. Die automatischen Handlungen entwickeln sich stets erst aus den plastischen Th\u00e4tigkeitsformen, und die Tendenz, letztere allm\u00e4hlich zu ersterer umzugestalten, ist eines der","page":403}],"identifier":"lit36493","issued":"1896","language":"de","pages":"402-403","startpages":"402","title":"William W. Carlile: The Conscience, its Nature and Origin. Intern. Journ. of Ethics. VI. No. 1. S. 63-76. 1895","type":"Journal Article","volume":"12"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:25:03.061320+00:00"}