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{"created":"2022-01-31T13:19:38.798008+00:00","id":"lit36497","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wreschner, Arthur","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 12: 405-407","fulltext":[{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Liiteraturbericht.\n405\nSchwanken statt, einmal mit Tendenz zum Gleichbleiben und einmal zum Wachsen der Fehler. Die Arbeiten der sp\u00e4teren Vormittagstunde endlich sind einmal besser und ein anderes mal schlechter als die Arbeiten der fr\u00fcheren Stunde, sodafs in dieser Beziehung kein sicheres Urteil m\u00f6glich ist. Immerhin ist selbst in dem zweiten Falle die Verschlechterung keine sehr bedeutende und keinesfalls besorgniserregend: in der zweiten Vormittagsstunde wurden 16% Verbalformen falsch gebildet, in der f\u00fcnften 21%.\tEbbinghaus.\nB. Perez. Le d\u00e9veloppement des id\u00e9es abstraites chez l\u2019enfant. Rev. philos. No. 11. S. 449\u2014467. 1895.\nVerfasser zeigt zun\u00e4chst an eigenen und fremden Beobachtungen, in welcher Weise sich die einfacheren, klassifizierenden Begriffe, wie Vogel, Stein, Pflanze, im Geiste des Kindes bilden und wie ihre Entwickelung durch passenden Unterricht beg\u00fcnstigt werden kann. Weniger leicht dem kindlichen Verst\u00e4ndnis zug\u00e4nglich sind psychologische, moralische und gewisse metaphysische Abstraktionen. Allerdings vermag ein sechs- bis siebenj\u00e4hriges Kind schon mit den Worten: Aufmerken, Verstehen, Erinnern, Vorstellen einen Sinn zu verbinden, nicht aber mit Leben, Tod, Denken, Urteilen. Verh\u00e4ltnism\u00e4fsig sehr sp\u00e4t, zuweilen erst im dritten Jahr, wird die Unterscheidung der Einzahl und Mehrzahl, also die Grundlage des Z\u00e4hlens und Bechnens, erlernt. Das Fehlen konkreter Anhaltspunkte mag die Ursache hiervon sein. Wohl aus demselben Grunde bietet auch das Operieren mit Zeitbegriffen dem kleinen Kinde soviel Schwierigkeiten, insbesondere das Zur\u00fcckdatieren in die Vergangenheit und das Verstehen der Einteilung von Monaten in Wochen und von Wochen in Tage. \u2014 Sehr viele anregende Einzelheiten, die in dem Bahmen eines Beferates keinen Platz finden, machen die Lekt\u00fcre der Abhandlung empfehlenswert.\tSchaefer (Bostock).\nF. M. Wendt. Das wahre Wesen der Gef\u00fchle. {P\u00e4dagog. Zeit- und Streitfragen. Herausg. von Joh. Meyer. 42. Heft.) Wiesbaden, E. Behrend. 1895. 35 S.\nDie Abhandlung zerf\u00e4llt in zwei Teile: I. Entstehung, II. Arten der Gef\u00fchle.\nIn dem ersten Abschnitte sucht Verfasser nachzuweisen, dafs Gef\u00fchle nichts Selbst\u00e4ndiges sind, sondern auf einer Harmonie zwischen Beiz und Willensrichtung oder Impuls und Gegenwirkung beruhen, also Lust in einem konsonierenden undUnlust in einem dissonierenden Willens-verh\u00e4itnis besteht. In h\u00f6herem Grade als der denkende ist der handelnde Wille Ursache von Gef\u00fchlen. Im Besonderen h\u00e4ngt die Konsonanz bezw. Dissonanz ab a) von der St\u00e4rke, b) der Dauer, c) der Art des Beizes oder Widerstandes, d) der gegenw\u00e4rtigenWillensrichtung. DieUnselbst\u00e4ndigkeit der Gef\u00fchle zeigt sich auch darin, dafs es kein Ged\u00e4chtnis der Gef\u00fchle, sondern nur der gef\u00fchlsbetonten Erlebnisse giebt, wobei die urspr\u00fcnglichen Gef\u00fchle entweder in gleichem oder in entgegengesetztem oder in graduell","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\nLitteraturbericht.\nabge\u00e4ndertem Sinne Wiederkehr en. Auch leugnet Verfasser seiner Theorie gem\u00e4fs, dafs irgend ein Willens Verh\u00e4ltnis ohne Gef\u00fchlston sei. Der enge Zusammenhang zwischen Gef\u00fchl und Wille hat endlich auch zur Folge, dafs nicht Vorstellungen, sondern nur Gef\u00fchle Motive des Begehrens sind. Daher ist Sittlichkeit eine Kunst, die auf guter Gew\u00f6hnung, nicht auf Vernunftth\u00e4tigkeit beruht.\nDie Arten der Gef\u00fchle werden konsequenter Weise nach dem Anlafs zu ihrer Entstehung eingeteilt. Verfasser unterscheidet drei Gruppen von Gef\u00fchlen:\na)\tDie sinnli c h en Gef\u00fchle. Sie werden mitUnrecht die \u201eniedrigen\u201c genannt, da sie einerseits die Grundlage der \u00e4sthetischen Begeisterung und vieler \u201ehimmlischer\u201c Freuden, andererseits von h\u00f6chster Bedeutung f\u00fcr das Handeln sind,\nb)\tDie formalen Gef\u00fchle. Hierzu geh\u00f6ren : 1. Unterhaltung und Langeweile, bedingt durch das Gesetz der Zeitschwelle oder das individuelle Tempo des VorstellungsVerlaufes, welches bei verschiedenen Menschen und bei derselben Person je nach den Umst\u00e4nden verschieden ist. 2. Anstrengung und Erholung, abh\u00e4ngig von der Willensenergie. Sie kann geistiger oder k\u00f6rperlicher Art sein; das beste Mittel, die geistige Arbeitskraft zu erh\u00f6hen, ist die Abwechselung. 3. Erwartung und \u00dcberraschung (Hoffnung und Besorgnis), bedingt durch das Gesetz des Verlaufs reproduzierter Reihen.\nc)\tDie qualitativen Gef\u00fchle beruhen auf dem Verh\u00e4ltnisse mehrerer Erlebnisse zu einander oder zu dem Ich. Hierzu geh\u00f6ren die Wahrheits-, Sch\u00f6nheits-, Sittlichkeits-, Gottes-, Ich- und Mitgef\u00fchle. Irgend welches Interesse k\u00f6nnen hier nur die Ausf\u00fchrungen \u00fcber die \u00e4sthetischen Gef\u00fchle beanspruchen. Verfasser f\u00fchrt sie auf das Verh\u00e4ltnis der Elemente des Gesamteindruckes und dieses Gesamteindruckes selbst zur Idee zur\u00fcck. Der \u00e4sthetische Wert der Wellenlinie beruht darin, dafs sie die Grundform des Organischen ist und die Bewegung zum Ausdruck bringt ; sie mufs, um nicht monoton zu sein, verschiedene Schwingungsweiten aufweisen. Die Plastik, welche das Leben zur Darstellung bringen soll, darf nicht farblos sein. Das Ichgef\u00fchl geht aus k\u00f6rperlichen, geistigen und Willens Vorg\u00e4ngen, sowie auch aus der Lebensstellung hervor. Es hat mehr EinfLufs auf das Handeln als die Moral.\nDiese Angaben, welche den wesentlichen Inhalt der ganzen Schrift enthalten, gen\u00fcgen, um den Nachweis zu liefern, dafs besonders neue und fruchtbringende Gedanken \u00fcber das Wesen der Gef\u00fchle in der vorliegenden Schrift nicht enthalten sind. Verfasser selbst hat dies offenbar gemerkt, wenn er am Schl\u00fcsse sagt : Eine wirklich ersch\u00f6pfende und zugleich den Ursprung der Gef\u00fchle anschaulich darlegende Behandlung unseres Stoffes l\u00e4fst sich nur in Verbindung mit der allseitigen Ableitung und Analyse der Seelenph\u00e4nomene geben. Der Verfasser hofft diese Aufgabe in seiner \u201eNeuen Seelenlehre\u201c l\u00f6sen zu k\u00f6nnen. In der That d\u00fcrfte \u201edas wahre Wesen der Gef\u00fchle\u201c sich erst bei genauer Analyse des ganzen Seelenlebens offenbaren, ja vielleicht das Letzte und Elementarste sein, auf welches die psychologische Analyse f\u00fchrt. Ob demnach Verfasser mit der Behauptung der Unselbst\u00e4ndigkeit der Gef\u00fchle recht hat oder","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n407\nauch nur etwas Neues entdeckt hat, d\u00fcnkt mir h\u00f6chst zweifelhaft. Wenn, wie Verfasser annimmt, jede Willenshandlung gef\u00fchlsbetont ist, so kann auch umgekehrt das Gef\u00fchl das Prim\u00e4re sein. In jedem Palle vermifst man bei einem derartig vielversprechenden Titel eine Untersuchung \u00fcber die vielumstrittene Frage, ob Lust oder Unlust die einzigen Qualit\u00e4ten des Gef\u00fchlslebens sind; in welchem Abh\u00e4ngigkeitsverh\u00e4ltnis die Gef\u00fchle zu den physiologischen Begleiterscheinungen stehen; auch die experimentelle Methode mufs hier zu Rate gezogen werden. Die Einteilung der Gef\u00fchlsarten, wie sie Verfasser vornimmt, hat viel Bedenken gegen sich. Namentlich ist f\u00fcr die Klasse der formalen Gef\u00fchle ein falscher Gesichtspunkt bestimmend gewesen. Arthur Wreschner (Berlin.)\nF. Ballauf. Zur Urspr\u00fcnglichkeit des \u00e4sthetischen Urteils. Zeitschr. f. Philos. u. P\u00e4dag. II. Jahrg. 3. Hft. S. 174\u2014196. 1895.\nVerfasser will den Nachweis liefern, dafs das \u00e4sthetische Urteil un-bewufst und unbeabsichtigt sich aus dem sonstigen Vorstellungsleben entwickelt. Unter dem \u00e4sthetischen Urteil versteht er aber neben dem Urteile \u00fcber das Sch\u00f6ne auch das \u00fcber das Gute oder die ethischen Wertsch\u00e4tzungen. F\u00fcr die Urspr\u00fcnglichkeit beider spreche schon die Thatsache, dafs sie sich mehr, als in den ersten Anf\u00e4ngen bereits bei den Naturv\u00f6lkern finden. Namentlich aber st\u00fctzt Ballauf seine Behauptung auf eine eingehende Betrachtung der jugendlichen Entwickelung des Einzelnen. Bei jedem, der dauernd mit anderen in Ber\u00fchrung kommt, entwickelt sich schon fr\u00fchzeitig ein Rechtsgef\u00fchl, hervorgegangen aus dem allerdings oft unlauteren und egoistischen, nur auf gewisse Gesellschaftskreise beschr\u00e4nkten Gef\u00fchl der \u201eSolidarit\u00e4t\u201c. Dieses Rechtsgef\u00fchl wird nicht von aufsen, etwa durch den Religionsunterricht, in die Seele des Kindes hineingetragen, sondern entwickelt sich dadurch, dafs sich der Heranwachsende bereits als Glied einer Gemeinschaft (Familie und Schule) f\u00fchlt. Die \u00e4ufsere Erziehung und der planm\u00e4fsige Unterricht haben wohl ihren Wert, aber nur insoweit die ureigene Individualit\u00e4t des Sch\u00fclers ihnen entgegenkommt. Namentlich in \u00e4sthetisch-ethischer Beziehung bringt das Kind oft bereits all\u2019 das mit, was der Lehrer ihm erst zu geben glaubt, und gewisse seelische Vorg\u00e4nge sind jeder Einwirkung von aufsen v\u00f6llig unzug\u00e4nglich. Wohl kann durch Zeichnen, Singen und durch die Lekt\u00fcre poetischer Werke die \u00e4sthetische Betrachtungsweise gef\u00f6rdert, der Gegenstand der Beurteilung gegeben und auch die zur ruhigen Versenkung in das Objekt der Betrachtung notwendige Konzentration der Aufmerksamkeit k\u00fcnstlich herbeigef\u00fchrt werden ; aber die Hauptsache ist doch die eigene k\u00fcnstlerische Th\u00e4tigkeit des Z\u00f6glings. Ebenso st\u00e4nde es mit einem sittlichen Elementarunterricht. Wenn auch der Lehrer den Stoff zur sittlichen Bewertung bietet, diese selbst schafft der Sch\u00fcler, der sich durch die Spiele und sonstigen Erfahrungen namentlich im Elternhause einen Grundstock von Bewufstseinszust\u00e4nden angeeignet hat, die auch in anderen Verh\u00e4ltnissen ihre apperzipierende Wirkung aus\u00fcben.\nWie aus diesen S\u00e4tzen zur Gen\u00fcge hervorgeht, weist der vorliegende Aufsatz eigentlich nur nach, dafs nicht erst die Erziehung in der Schule","page":407}],"identifier":"lit36497","issued":"1896","language":"de","pages":"405-407","startpages":"405","title":"F. M. Wendt: Das wahre Wesen der Gef\u00fchle. (P\u00e4dagog. Zeit- und Streitfragen. Herausg. von Joh. Meyer. 42. Heft.) Wiesbaden, E. Behrend. 1895. 35 S.","type":"Journal Article","volume":"12"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:19:38.798013+00:00"}