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{"created":"2022-01-31T16:47:49.783537+00:00","id":"lit36498","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wreschner, Arthur","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 12: 407-408","fulltext":[{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n407\nauch nur etwas Neues entdeckt hat, d\u00fcnkt mir h\u00f6chst zweifelhaft. Wenn, wie Verfasser annimmt, jede Willenshandlung gef\u00fchlsbetont ist, so kann auch umgekehrt das Gef\u00fchl das Prim\u00e4re sein. In jedem Palle vermifst man bei einem derartig vielversprechenden Titel eine Untersuchung \u00fcber die vielumstrittene Frage, ob Lust oder Unlust die einzigen Qualit\u00e4ten des Gef\u00fchlslebens sind; in welchem Abh\u00e4ngigkeitsverh\u00e4ltnis die Gef\u00fchle zu den physiologischen Begleiterscheinungen stehen; auch die experimentelle Methode mufs hier zu Rate gezogen werden. Die Einteilung der Gef\u00fchlsarten, wie sie Verfasser vornimmt, hat viel Bedenken gegen sich. Namentlich ist f\u00fcr die Klasse der formalen Gef\u00fchle ein falscher Gesichtspunkt bestimmend gewesen. Arthur Wreschner (Berlin.)\nF. Ballauf. Zur Urspr\u00fcnglichkeit des \u00e4sthetischen Urteils. Zeitschr. f. Philos. u. P\u00e4dag. II. Jahrg. 3. Hft. S. 174\u2014196. 1895.\nVerfasser will den Nachweis liefern, dafs das \u00e4sthetische Urteil un-bewufst und unbeabsichtigt sich aus dem sonstigen Vorstellungsleben entwickelt. Unter dem \u00e4sthetischen Urteil versteht er aber neben dem Urteile \u00fcber das Sch\u00f6ne auch das \u00fcber das Gute oder die ethischen Wertsch\u00e4tzungen. F\u00fcr die Urspr\u00fcnglichkeit beider spreche schon die Thatsache, dafs sie sich mehr, als in den ersten Anf\u00e4ngen bereits bei den Naturv\u00f6lkern finden. Namentlich aber st\u00fctzt Ballauf seine Behauptung auf eine eingehende Betrachtung der jugendlichen Entwickelung des Einzelnen. Bei jedem, der dauernd mit anderen in Ber\u00fchrung kommt, entwickelt sich schon fr\u00fchzeitig ein Rechtsgef\u00fchl, hervorgegangen aus dem allerdings oft unlauteren und egoistischen, nur auf gewisse Gesellschaftskreise beschr\u00e4nkten Gef\u00fchl der \u201eSolidarit\u00e4t\u201c. Dieses Rechtsgef\u00fchl wird nicht von aufsen, etwa durch den Religionsunterricht, in die Seele des Kindes hineingetragen, sondern entwickelt sich dadurch, dafs sich der Heranwachsende bereits als Glied einer Gemeinschaft (Familie und Schule) f\u00fchlt. Die \u00e4ufsere Erziehung und der planm\u00e4fsige Unterricht haben wohl ihren Wert, aber nur insoweit die ureigene Individualit\u00e4t des Sch\u00fclers ihnen entgegenkommt. Namentlich in \u00e4sthetisch-ethischer Beziehung bringt das Kind oft bereits all\u2019 das mit, was der Lehrer ihm erst zu geben glaubt, und gewisse seelische Vorg\u00e4nge sind jeder Einwirkung von aufsen v\u00f6llig unzug\u00e4nglich. Wohl kann durch Zeichnen, Singen und durch die Lekt\u00fcre poetischer Werke die \u00e4sthetische Betrachtungsweise gef\u00f6rdert, der Gegenstand der Beurteilung gegeben und auch die zur ruhigen Versenkung in das Objekt der Betrachtung notwendige Konzentration der Aufmerksamkeit k\u00fcnstlich herbeigef\u00fchrt werden ; aber die Hauptsache ist doch die eigene k\u00fcnstlerische Th\u00e4tigkeit des Z\u00f6glings. Ebenso st\u00e4nde es mit einem sittlichen Elementarunterricht. Wenn auch der Lehrer den Stoff zur sittlichen Bewertung bietet, diese selbst schafft der Sch\u00fcler, der sich durch die Spiele und sonstigen Erfahrungen namentlich im Elternhause einen Grundstock von Bewufstseinszust\u00e4nden angeeignet hat, die auch in anderen Verh\u00e4ltnissen ihre apperzipierende Wirkung aus\u00fcben.\nWie aus diesen S\u00e4tzen zur Gen\u00fcge hervorgeht, weist der vorliegende Aufsatz eigentlich nur nach, dafs nicht erst die Erziehung in der Schule","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408\nLi ttera turberich t.\ndie \u00e4sthetisch-ethische Wertsch\u00e4tzung in dem Kinde schafft. Diese Thatsache ist doch aber l\u00e4ngst bekannt und bedurfte wohl kaum noch eines neuen Nachweises; andererseits beweist sie die \u201eUrspr\u00fcnglichkeit\" jener Wertsch\u00e4tzung nicht im geringsten. Verfasser schiebt doch hier dem Worte \u201eUrspr\u00fcnglichkeit\u201c der HERBARTschen Lehre zu Liebe eine recht eigent\u00fcmliche Bedeutung unter. Auch sonst macht sich der einseitig HERBARTSche Standpunkt so st\u00f6rend geltend, dafs der Leser, der nicht ebenfalls der HERBARTschen Philosophie sich bedingungslos ergeben hat, mit M\u00fche sich in den Gedankengang des Autors hineinlebt. Dies wird auch dadurch noch bedeutend erschwert, dafs sich oft breite und lange Ausf\u00fchrungen finden, die das Thema gar nicht weiterf\u00fchren, und bei denen man sich nur fragt, welchen Sinn und Zweck sie in diesem Zusammenh\u00e4nge haben.\tArthur Wreschner (Berlin).\nBourneville. Assistance traitement et \u00e9ducation des enfants idiots et d\u00e9g\u00e9n\u00e9r\u00e9s. Paris, F\u00e9lix Alcan. 1895. S. 246.\nDas vorliegende Werk ist eine Denkschrift, welche Bourneville dem Kongresse f\u00fcr \u00f6ffentliche Armenpflege (Lyon, Juni 1894) vorgelegt hat. Dasselbe versucht ein zusammenh\u00e4ngendes Bild der Idiotenf\u00fcrsorge im allgemeinen zu geben, ber\u00fccksichtigt jedoch vor allem franz\u00f6sische Verh\u00e4ltnisse.\nVerfasser hebt nachdr\u00fccklich die Notwendigkeit einer anstalts-m\u00e4fsigen Versorgung idiotischer und geistesgest\u00f6rter Kinder hervor und erl\u00e4utert an zahlreichen Beispielen die schweren Gefahren, welche durch die ungen\u00fcgende Beaufsichtigung und Besch\u00e4ftigung derartiger Patienten im Elternhause entstehen. F\u00fcr die nicht in Anstalten untergebrachten Schwachsinnigen empfiehlt Verfasser die Schaffung einer \u201eSoci\u00e9t\u00e9 de patronage\u201c nach dem Vorbilde jener Gesellschaften, welche schon jetzt in drei oder vier Departements bestehen.\nBesondere Beachtung verdient der 3. Teil des Werkes, welcher Weisungen bez\u00fcglich der medizinisch-p\u00e4dagogischen Behandlung tiefstehender Idioten enth\u00e4lt. Dieselbe beginnt m\u00f6glichst fr\u00fchzeitig und\nzielt dahin, die Patienten an Peinlichkeit zu gew\u00f6hnen, ihnen den Ge-\n\u2022 \u2022\nbrauch der Extremit\u00e4ten zu lehren, sprachliche Aufserungen hervorzurufen und sie f\u00fcr die Eindr\u00fccke der Aufsenwelt empf\u00e4nglich zu machen. Bei richtiger und zeitgem\u00e4fser Anwendung dieser im wesentlichen schon von E. S\u00e9guin entworfenen Methode d\u00fcrfte sich die Zahl der als \u201eerziehungsunf\u00e4hig\" bezeichneten Idioten bedeutend verringern.\nTheodor Heller (Wien).","page":408}],"identifier":"lit36498","issued":"1896","language":"de","pages":"407-408","startpages":"407","title":"F. Ballauf: Zur Urspr\u00fcnglichkeit des \u00e4sthetischen Urteils. Zeitschr. f. Philos. u. P\u00e4dag. II. Jahrg. 3. Hft. S. 174-196. 1895","type":"Journal Article","volume":"12"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:47:49.783543+00:00"}