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{"created":"2022-01-31T13:44:32.248206+00:00","id":"lit36686","links":{},"metadata":{"alternative":"Handbuch der Physiologie. Band 1: Handbuch der Physiologie der Bewegungsapparate","contributors":[{"name":"Nasse, O.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Handbuch der Physiologie. Band 1: Handbuch der Physiologie der Bewegungsapparate, edited by Ludimar Hermann, 261-340. Leipzig: F. C. W. Vogel","fulltext":[{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"CHEMIE UND STOFFWECHSEL DER MUSKELN\nVON\nProf. Dr. OTTO NASSE in Halle.","page":261},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"ERSTES CAPITEL.\nDer chemische Bau der Muskeln.\nEinleitung*.\nDie Untersuchung und ihre Fehlerquellen.\nDie Untersuchung des chemischen Baus der Muskeln st\u00f6sst, wie die entsprechende Untersuchung anderer Organe des Thierk\u00f6rpers, auf grosse, meist noch nicht \u00fcberwundene Schwierigkeiten, welche in erster Linie darin bestehen, dass nirgends Muskelgewebe allein zu treffen ist, sondern \u00fcberall mit diesem unzertrennbar sich vereinigt eine Anzahl anderer Gewebe und Organe, Bindegewebe mit elastischem Gewebe und Fett, Nerven, Blut- und Lymphgefasse und der Inhalt der Gef\u00e4sse. Nur ein geringer Theil dieser f\u00fcr den Muskel als Organ unumg\u00e4nglich noth wendigen Beimischungen l\u00e4sst sich auf mechanischem Wege entfernen, die gr\u00f6beren Bindegewebsmassen, Ge-f\u00e4sse u. s. w. mit Messer und Scheere, der Inhalt der Blutgef\u00e4sse durch Ausspritzen derselben. Man verwendet zum Ausspritzen, seitdem man die Sch\u00e4dlichkeit des destillirten Wassers f\u00fcr den Muskel (zuerst von A. von Hiluboldt 1 beobachtet) und ebenso f\u00fcr die meisten anderen Gewebe kennen gelernt hat, eine Chlornatriuml\u00f6sung von 0,5 bis 0,75 %. Von allen bisher gepr\u00fcften L\u00f6sungen der verschiedensten Stoffe ist dies diejenige, in welcher die Lebenseigenschaften des (Frosch-) Muskels amM\u00e4ngsten erhalten bleiben. Ihr nahe kommen L\u00f6sungen anderer Natriumsalze, so eine NaNOs-L\u00f6sung von l\u00b0/o, eine Na? SOi-L\u00f6sung von 1,4% u. s. w. Nat\u00fcrlich sind die Ge-f\u00e4sse nun statt mit Blut mit einer anderen, dem Muskel fremden Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt, die wiederum in Abrechnung gebracht werden muss, in sehr vielen F\u00e4llen aber nicht st\u00f6rt. Wenn es sich um die Aschem-\n1 A. vox Humboldt. Versuche \u00fcber die gereizte Muskel- und Nervenfaser \u00cf\u00cf. S. 222. Posen u. Berlin 1797.","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel cl. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nbestandtheile handelt, kann man, du Bois-Reymond\u2019s 1 Beispiel folgend, eine verd\u00fcnnte Rohrzuckerl\u00f6sung ben\u00fctzen. Die Hauptmasse der fremden Gewebe l\u00e4sst sich indess von dem Muskel nicht trennen, es kann daher auch nur eine grosse Reihe von Untersuchungen, umfassend Muskeln von verschiedenen K\u00f6rperstellen desselben Thieres und weiter Muskeln der verschiedensten Thiere, und Vergleich ihrer Ergebnisse mit denen der Untersuchungen der eintretenden Gewebe und Organe allein schliesslich die wichtige Frage entscheiden, welche der gefundenen chemischen K\u00f6rper wesentliche Bestandtheile des Muskels sind. Nun sollte es scheinen, als w\u00fcrde hierdurch ganz besonders erschwert die Ermittelung der quantitativen Zusammensetzung des Muskels, zumal bez\u00fcglich solcher Stoffe, welche wie Wasser, gewisse Eiweissk\u00f6rper und ganz besonders auch Fett sowohl dem Muskel als den anderen Geweben eigen sind, indess ist die practische Bedeutung dieses Umstandes doch nicht so gross, weil n\u00e4mlich die Abweichungen in der Zusammensetzung der verschiedenen Muskeln desselben Individuums, der gleichen Muskeln derselben Species in verschiedenen Lebenszust\u00e4nden und endlich gar der Muskeln verschiedener Thiere weit gr\u00f6sser sind, als die Beimischung einer etwas gr\u00f6sseren oder etwas geringeren Menge der fremden Gewebe bedingen k\u00f6nnte.\nZu den besprochenen anatomischen Schwierigkeiten kommt nun noch eine physiologische. Dieselbe beruht auf der Eigenschaft des Muskels unmittelbar nach seiner Entfernung aus dem Organismus rascher oder langsamer eine eingreifende chemische Ver\u00e4nderung zu erleiden, bei der manche Stoffe sogar verschwinden und neue auf-treten. Die aus dem jeweiligen Stande der Wissenschaft zu erkl\u00e4rende Nichtbeachtung dieses Verhaltens nimmt den meisten, oft sehr m\u00fchevollen Untersuchungen der fr\u00fcheren Zeit einen grossen Theil ihres Werthes, aber auch die genaueste Kenntniss der Vorg\u00e4nge in dem ausgeschnittenen Muskel l\u00e4sst sie nicht ganz vermeiden, so dass, da die verschiedenen gefundenen Thatsachen verschiedene Interpretationen gestatten, auch hier wieder Unsicherheiten bestehen bleiben. Im Einzelnen wird sich zeigen, auf welche Weise man gesucht hat die Untersuchung des Muskels \u201e frisch im Sinne des Physiologen \u201c (du Bois-Reymond) auszuf\u00fchren.\nEndlich fehlen auch nicht technische Schwierigkeiten: es sind die Mittel und Wege noch nicht gefunden aus einem so complicirten Gemische in chemischem Sinne, wie es der Muskel ist, mit der n\u00f6-\n1 E. du Bois-Reymond, Monatsber. d. Berliner Acad. 1859. S. 288.","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Fehlerquell. d. Untersuch. Der ruhende Muskel. Uebers. d.Bestandth. Reaction. 265\nthigen Sch\u00e4rfe die einzelnen Bestandtheile zu isoliren und ihrer Menge nach zu bestimmen.\nTrotz alledem muss und kann man schon den Versuch wagen zu unterscheiden die Bestandtheile des frischen ruhenden und geruhten Muskels von denen des th\u00e4tig gewesenen und des todten-starren, und den Stoffwechsel des ruhenden Muskels dem des th\u00e4ti-gen gegen\u00fcber zu stellen.\nI. Der frisclie ruhende Muskel.\nIm frischen Muskel einschliesslich der zu dem eigentlichen Muskelgewebe hinzutretenden und nicht von ihm zu trennenden Gewebe sind folgende Stoffe nachgewiesen:\nA. organische und zwar 1. stickstoffhaltige; hierunter eine Anzahl von Eiweissk\u00f6rpern und diesen nahe yerwandte Stoffe wie Haemoglobin, Elastin, Collagen, dann Abk\u00f6mmlinge der Ei weissk\u00f6rper : Kreatin und Kreatinin, Carnin, Hypoxanthin, Xanthin, Harns\u00e4ure, Harnstoff, Inosins\u00e4ure, Taurin, Lecithin, sowie Fermente ; 2. stickstofffreie : Kohlehydrate: Glykogen und Inosit, und Fette; B. anorganische: Wasser, sogenannte Aschenbestandtheile oder Salze und Gase.\nDer eingehenden Besprechung dieser Stoffe in der angegebenen Reihenfolge ist eine kurze Bemerkung \u00fcber die Reaction des frischen Muskels vorauszuschicken. Im Gegensatz zu den Angaben der meisten Chemiker und Physiologen erkl\u00e4rten schon Enderlin1 und von Bibra2 3 den frischen Muskel f\u00fcr neutral, sogar schwach alkalisch, keinenfalls aber sauer reagirend, eine endg\u00fcltige Entscheidung wurde aber erst von du Bois-Reymond 3 herbeigef\u00fchrt, sowohl durch Anwendung von einwurfsfreien Methoden unter Vermeidung der Fehlerquellen (Entfernung des alkalisch reagirenden Inhaltes der Blut-und Lymphgef\u00e4sse durch Ausspritzen der Gef\u00e4sse mit Rohrzuckerl\u00f6sung), als auch durch eingehendes Studium der Bedingungen, unter welchen sich die Reaction \u00e4ndert, du Bois fasst das Resultat seiner Untersuchungen dahin zusammen, \u201edass \u00fcberhaupt in den frischen Muskeln gar keine durch die Reaction auf Lakmus nachweisbare freie S\u00e4ure vorhanden ist.\u201c Die neutrale Reaction, welche man sp\u00e4ter, weil sowohl der rothe wie der blaue Farbstoff ver\u00e4ndert n\u00e4mlich\n1\tEnderlin, Ann. d. Chem. u. Pharm. L, S. 64. 1844.\n2\tE. von Bibra, Arch. f. physiol. He\u00fck. IY. S. 536. 1845.\n3\tE. du Bois-Reymond, Fortschritte der Physik in den J. 1850 u. 1851 S. VII. Berlin 1855 ; De fibrae muscularis reactione etc. Berolini 1859 ; Monatsber. d. Berliner Acad. 1859. S. 288; auch du Bois-Reymond, Ges. Abh. II. S. 3. Berlin 1877.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der ehern. Bau d. Muskeln.\nviolett gef\u00e4rbt wird, auch amphichromatische (Heidenhain1) oder amphotere (Heintz2) Reaction genannt hat, kommt, wie es scheint, allen frischen Muskeln zu, so insbesondere auch dem menschlichen Muskel (briefliche Mittheilung von Bence Jones an du Bois) und den Muskeln der Wirbellosen, so des Krebses und der Teichmuschel (Bernstein3 4 5 6). Einzig das Herz kann auch in ganz frischem Zustand, wie K\u00fchne 4 zuerst beobachtet und Voit 5 best\u00e4tigt hat, sauer reagi-tren. Ein \u201e ruhendes \u201c Herz ist \u00fcbrigens noch nicht untersucht worden.\nDie Eirveissk\u00f6rper.\nDie Eiweissk\u00f6rper des Muskels sind theils gel\u00f6st, theils ungel\u00f6st. K\u00fchne 6 hat gelehrt beide Gruppen von einander zu trennen mit Umgehung der bei den fr\u00fcheren Bem\u00fchungen ein Muskel -plasma, wie K\u00fchne es nennt, von den ungel\u00f6sten Theilen zu scheiden stets gemachten Fehlern. Einestheils war unterlassen das Blut aus den Gef\u00e4ssen zu entfernen, anderntheils, und das ist die Hauptsache, war die Ver\u00e4nderung, welche auch noch so sorgf\u00e4ltig abgel\u00f6ste Muskeln bei der mechanischen Misshandlung des Auspressens erleiden, nicht beachtet, oder wenn sie beachtet war, jedenfalls nicht vermieden. Man erh\u00e4lt, wenn man Muskeln ohne Weiteres der Presse \u00fcbergibt, stets nur eine ganz geringe Menge von Fl\u00fcssigkeit, und bleibt vollst\u00e4ndig im Unklaren dar\u00fcber, ob nicht in dem Presskuchen urspr\u00fcnglich gel\u00f6ste Theile zur\u00fcckgeblieben, der Fl\u00fcssigkeit dagegen Zersetzungsproducte beigemischt sind. K\u00fchne\u2019s Methode m\u00f6glichst unver\u00e4ndertes Muskelplasma und dazu in gr\u00f6sserer Menge zu gewinnen, st\u00fctzt sich auf die Thatsache, dass bei \u20147 bis \u201410\u00b0 C. zum Gefrieren gebrachte Froschmuskeln nach dem Aufthauen noch erregbar, w\u00e4hrend des Gefrorenseins aber vollkommen reizlos sind, und so die durchaus n\u00f6thige Zerkleinerung gestatten. Man' thut hierbei wohl eine Bemerkung von L. Hermann7 zu ber\u00fccksichtigen und die Muskeln nur ganz allm\u00e4hlich auf die niedere Temperatur zu bringen, um der St\u00f6rung durch die bei raschem Gefrieren unver-\n1\tHeidenhain, Mechanische Leistung etc. bei der Muskelth\u00e4tigkeit S. 153. Leipzig 1864.\n2\tHeintz, Journ. f. pract. Chemie VII. S. 374. 1872.\n3\tJ. Bernstein, De animalium evertebratorum musculis nonnulla. Dissert. Be-rolini 1862.\n4\tBriefliche Mittheilung an du Bois - Reymond , in dessen oben citirter Arbeit angef\u00fchrt.\n5\tVoit, Ztschr. f. Biologie IV. S. 77. 1868.\n6\tW. K\u00fchne, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1859. S. 748; Monatsber. d. Berliner Acad. 1859. S. 493; Untersuchungen \u00fcber das Protoplasma etc. Leipzig 1864; Lehrb. d. physiol. Chemie S. 270. Leipzig 1866.\n7\tL. Hermann, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 189. 1871.","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Die Eiweissk\u00f6rper. Muskelplasma. Myosin.\n267\nmeidlichen Zuckungen der Muskeln und die allzu schnell eintretenden Ver\u00e4nderungen der aufgethauten Masse zu entgehen. Aus den fest gefrorenen Muskeln, mit kalt gehaltenen Messern in Scheiben zerschnitten und in einem ebenfalls stark gek\u00fchlten M\u00f6rser vorsichtig zerrieben, bereitete K\u00fchne ein schneeartiges Pulver, das schon bei \u20143\u00b0 C. zu einer syrup artigen Fl\u00fcssigkeit aufthaute, die schwer zu filtriren war. Das Filtrat, schwach gelblich gef\u00e4rbt, etwas opales-cirend, syrup\u00f6s, reagirte deutlich alkalisch, und gerann (wie auch die unfiltrirte Masse selbst) spontan, sehr langsam bei 0 0 C., in unmessbar kurzer Zeit bei 40\u00b0 C., dem Temperaturoptimum, zu einem festen, durchsichtigen, sp\u00e4ter tr\u00fcblich werdenden Kuchen, der nach einiger Zeit saure Reaction zeigte, und eine geringe Menge einer opalescirenden sauren Fl\u00fcssigkeit \u2014 Muskelserum \u2014 auspresste. Ein Tropfen, des Plasmas in Wasser gebracht, bildete eine weisse undurchsichtige Kugel, wurde auch in Kalilauge und Salzs\u00e4ure von 0,1 o/o sogleich fest, um sich jedoch beim Untersinken wieder aufzu-l\u00f6sen. In \u00e4hnlicher Weise verhielt sich das Plasma auch zu 10\u00b0o Kochsalzl\u00f6sung. Um eine gr\u00f6ssere Menge von Plasma zu erhalten mischte K\u00fchne endlich dem Muskelschnee Chlornatrium und reinen Schnee im Gewichtsverh\u00e4ltniss von 1 zu 100 bei. Das nun mit einer 1 \u00b0/o Kochsalzl\u00f6sung verd\u00fcnnte Muskelplasma verhielt sich wesentlich wie das unverd\u00fcnnte, nur stellte sich die Gerinnung sp\u00e4ter ein und das Gerinnsel war lockerer und zerreisslicher.\nDurch die Gerinnung tritt also im Muskelplasma eine \u00e4hnliche Trennung ein wie im Blutplasma. Die ausgeschiedene Substanz nennt K\u00fchne Myosin.\nDas Myosin, auch aus den Muskeln von Warmbl\u00fctern dargestellt und wahrscheinlich aus allen muskul\u00f6sen Gebilden zu gewinnen, ist seiner Elementarzusammensetzung nach unbekannt, durch seine Reactionen aber hinreichend als Eiweissk\u00f6rper gekennzeichnet. Nach gen\u00fcgendem Auswaschen, am leichtesten durch Eintr\u00f6pfeln von Plasma in destillirtes Wasser zu bewerkstelligen, zeigt sich das Myosin von neutraler Reaction, unl\u00f6slich in Wasser und Alkohol, sehr leicht l\u00f6slich in Kochsalzl\u00f6sungen von 5\u201410%, aus diesen L\u00f6sungen, wie schon Denis 1 nach gewiesen hat, durch gepulvertes Chlornatrium wieder ausf\u00e4llbar und zwar mit unver\u00e4nderten Eigenschaften. Verd\u00fcnnte Kali- oder Natronlauge und Salzs\u00e4ure aber l\u00f6sen nicht einfach das Myosin, sondern verwandeln es in Alkalialbuminat und Acidalbumi-nat, letzteres nach K\u00fchne\u2019s Vorgang jetzt meist Syntonin genannt.\n1 Denis, Nouvelles \u00e9tudes chimiques, physiologiques et m\u00e9dicales sur les substances albumino\u00efdes. Paris 1856.","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nEs ist ein solches Myosin-Salzs\u00e4ure-Syntonin vermischt mit den Syn-toninen der anderen Eiweissk\u00f6rper des Muskels schon von der \u00e4lteren Chemie, insbesondere von Liebig 1 und dann von Lehmann 2 u. A. aus frischen sowohl wie aus starren Muskeln gewonnen, und ohne Weiteres mit der contractilen Substanz identifient worden, bis K\u00fchne den Nachweis erbrachte, dass sich Syntonine oder Acidalbuminate aus allen Eiweissk\u00f6rpern darstellen lassen. Nur die Schnelligkeit des Uebergangs in Syntonine zeichnet die Eiweissk\u00f6rper des Muskels und speciell auch das Myosin aus. Wird Myosin gekocht, sei es in L\u00f6sung, sei es ausgeschieden und etwa in Wasser vertheilt, so gerinnt es noch einmal und hat dann nur mehr die Eigenschaften aller durch Siedehitze bei Gegenwart von Wasser coagulirter Eiweissk\u00f6rper. Von dem Blutfibrin unterscheiden die erw\u00e4hnten Eigenschaften das Myosin bereits ganz bestimmt; dazu kommt noch, dass das Myosingerinnsel nie so fest ist wie ein Fibringerinnsel, und dass Myosin in einer L\u00f6sung von kohlensaurem Kali fest wird, Fibrin dagegen sich l\u00f6st. Gemeinsam beiden Stoffen ist die F\u00e4higkeit Wasserstoffhyperoxyd zu zersetzen (K\u00fchne1 2 3).\nDas Vorkommen von Myosin bildenden K\u00f6rpern, mit dem eigentlichen Myosin wohl in die Gruppe der Globuline geh\u00f6rig, ist nicht auf die contractilen Gewebe beschr\u00e4nkt. So haben Bruns4 5 aus der Hornhaut, Schweigger-Seidel 5 aus Hornhaut und Sehnen von Warm-und Kaltbl\u00fctern durch Maceriren mit 10 \u00b0,o Kochsalzl\u00f6sung Eiweissl\u00f6sungen erhalten, die sich in jeder Beziehung wie Chlornatrium-Myosinl\u00f6sungen verhielten. Als den Sitz dieses Stoffes bezeichnete Bruns die contractilen Hornhautk\u00f6rperchen, Sgetweigger-Seidel in-dess nach sorgf\u00e4ltiger mikroskopischer Verfolgung der Einwirkung der Kochsalzl\u00f6sung die interfibrill\u00e4re Substanz der Hornhaut wie der Sehnen. Auch in den Blutk\u00f6rperchen findet sich nach Heynsius6 eine Substanz mit \u00e4hnlichen Keactionen. Eine spontan gerinnende Fl\u00fcssigkeit ist indess in allen diesen F\u00e4llen noch nicht dargestellt worden.\nDas Muskel serum, gewonnen durch Auspressen von rasch aber vollkommen geronnenem Muskelplasma, oder mit Wasser verd\u00fcnnt durch Eintropfen von Muskelplasma in destillirtes Wasser und\n1\tLiebig, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXII. S. 257. 1847.\n2\tC. G. Lehmann, Lehrb. d. physiol. Chemie III. S. 71. Leipzig 1851.\n3\tW. K\u00fchne, Lehrb. d. physiol. Chemie S. 275. Leipzig 1866.\n4\tBruns, Hoppe-Seyler\u2019s med.-chem. Untersuchungen Heft 2 S. 260. Berlin 1867.\n5\tSchweigger - Seidel , Arbeiten a. d. physiol. Anstalt zu Leipzig IV. S. 121. Leipzig 1870.\n6\tHeynsius, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 404. 1870.","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Die Eiweissk\u00f6rper des Muskelserums. Die Kerne. Die sarcous elements. 269\nFiltriren reagirt anfangs neutral wird aber schnell sauer. K\u00fchne unterscheidet darin drei Eiweissarten. Die erste, welche der Abk\u00fcrzung wegen in Folgendem Mu seul in heissen mag, zeichnet sich dadurch aus, dass sie unabh\u00e4ngig von der Reaction des Serums bei einer ganz bestimmten Temperatur ausf\u00e4llt, und zwar bei 45\u00b0 C. aus dem Muskelserum von Kaltbl\u00fctern (Fr\u00f6schen), bei 50 \u2014 55 0 C. aus dem von Warmbl\u00fctern, und ohne Beimischung anderer Eiweissk\u00f6rper isolirt werden kann, wenn man die entstehende S\u00e4ure bei der zunehmenden Erw\u00e4rmung fortw\u00e4hrend neutralisirt. In Salzl\u00f6sungen ist das Musculin unl\u00f6slich. Zweitens enth\u00e4lt das Muskelserum Alkalialbuminat, schon von Lehmann1 2 erw\u00e4hnt, dessen F\u00e4llungstemperatur sinkt mit Zunahme der S\u00e4ure. Diese Thatsache erkl\u00e4rt die in fr\u00fcherer Zeit wiederholt u. A. von Schlossberger 2 und von Baumhauer3 beobachteten verschiedenen, oft auffallend niedrigen Gerinnungstemperaturen des Saftes todter d. i. saurer Muskeln. Die dritte Eiweissart endlich, an Menge die beiden ersten \u00fcberwiegend, sicher zu einem, wenn auch kleinem Theile aus den aecessorischen Geweben des Muskels stammend ist l\u00f6sliches Eiweiss, so weit man es kennt, von Serumeiweiss nicht verschieden.\nDie auffallende Aehnlichkeit der Myosingerinnung mit der Fibringerinnung erstreckt sich, wie K\u00fchne nachweist, sogar bis auf Einzelheiten; fibrinoplastisehe Substanz aus dem Blute der gleichen Thierart, gefrorene und wieder aufgethaute Blutk\u00f6rperchen beschleunigen die Gerinnung des Muskelplasmas, wie umgekehrt die Gerinnung fibrinogener Substanz beschleunigt wird durch Zusatz von Muskelplasma. Weiter l\u00e4sst sich durch L\u00f6sen des einmal geronnenen Myosins oder Fibrins niemals wieder eine spontan gerinnende Fl\u00fcssigkeit gewinnen, und endlich (0. Nasse4) hemmen Kaliumsalze schon in geringer Menge beide Gerinnungen. Wie die Fibringerinnung wird daher auch die Myosingerinnung als ein fermentativer Vorgang aufgefasst werden d\u00fcrfen. Eingehendere Untersuchungen fehlen indess noch.\nDie ungel\u00f6sten Eiweissk\u00f6rper der Muskelfaser, weil von den \u00fcbrigen ungel\u00f6sten Theilen des Muskels nicht ohne eingreifende Mittel zu trennen, sind weit weniger bekannt. N\u00e4chst den Kernen, welche ungel\u00f6ste Eiweissstoffe von unbekannter Natur enthalten und sicher auch Nuclein, w\u00e4ren hier die sarcous \u00e9l\u00e9ments in Betracht zu\n1\tC. G. Lehmann, Lehrb. d. physiol. Chemie III. S. 89. Leipzig 1851.\n2\tSchlossberger, Vergleich. Unters, \u00fcber das Fleisch verschiedener Thiere S. 36. Stuttgart 1840.\n3\tMulder u. von Baumhauer, Ann. d. Chem. u. Pharm. XLVII. S. 322. 1843.\n4\tNicht ver\u00f6ffentlichte Beobachtung.","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nziehen. Auf die Eiweissnatur der sarcous elements schliesst man aus ihren meist von Br\u00fccke 1 festgestellten Eigenschaften : sie werden ver\u00e4ndert, d. h. verlieren ihre doppelhrechenden Eigenschaften durch die meisten Agentien, welche die Eiweissk\u00f6rper eingreifend ver\u00e4ndern, durch S\u00e4uren und Alkalien, sowie durch Siedehitze, durch letztere freilich weniger rasch und vollst\u00e4ndig. Ferner will Pl\u00f6sz'1 2 aus Muskelfasern, welche durch Behandeln mit Kochsalzl\u00f6sung von Myosin vollkommen befreit waren, unter Verschwinden der Doppelbrechung durch verd\u00fcnnte Salzs\u00e4ure Syntonin, durch kohlensaures Natron Alkalialbu-minat gewonnen haben. Auffallend ist indess, dass die sarcous elements durch Alkohol gar nicht ver\u00e4ndert zu werden scheinen, w\u00e4hrend alle sonst bekannten Eiweissk\u00f6rper, wenn sie \u00fcberhaupt in Alkohol unl\u00f6slich sind, durch denselben nach einiger Zeit in geronnene umgewandelt werden grade wie durch Siedehitze. Aehnlich ist es mit der Salicyls\u00e4ure, welche eiweisscoagulirend wirkt, dem Muskel das Verm\u00f6gen der Doppelbrechung aber nicht raubt (0. Nasse3 4). Nimmt man hinzu, dass von Pl\u00f6sz der Beweis f\u00fcr vollkommene Entfernung des Myosins keineswegs geliefert ist, dieselbe \u00fcberhaupt sehr schwierig, wenn nicht gar unm\u00f6glich ist (s. u. Hermann), so werden die Zweifel an der Eiweissnatur der sarcous elements nicht unberechtigt erscheinen. Vielleicht k\u00f6nnte man mit Pl\u00f6sz an eine Verbindung von Eiweiss mit einem anderen K\u00f6rper denken, welche nicht durch Salze, wohl aber durch S\u00e4uren und Alkalien gel\u00f6st wird. \u2014\nDer Gesammteiweissgehalt der Muskeln schwankt bei verschiedenen Thieren und an den verschiedenen K\u00f6rperstellen bei demselben Thiere zwischen ungef\u00e4hr 16 bis 20 Prozent. Sehr viel geringere Werthe finden sich f\u00fcr fette Fleischarten angegeben; bei den betreffenden Analysen ist aber das nicht zur Muskelsubstanz geh\u00f6rende Fett entweder absichtlich nicht entfernt worden, oder hat sich nicht entfernen lassen. Ueber das Mengenverh\u00e4ltniss der einzelnen Eiweissstoffe zu einander ist gar nichts bekannt. Hermann\u2019s 4 Versuche aus fein /zerriebenen Muskeln mit lOprocentiger Kochsalzl\u00f6sung das Myosin zu extrahiren und so dessen Menge zu ermitteln, scheiterten daran, dass noch lange bevor die Muskeln ersch\u00f6pft waren eine eigenthiim-liche F\u00e4ulniss mit k\u00e4seartigem Geruch sich einstellte, welche die Arbeit abzubrechen zwang.\n1\tE. Br\u00fccke, Unters, \u00fcber den Bau der Muskelfasern. Wien 1858. Sep.-Abdr. aus den Denkschriften d. Wiener Acad., mathem.-naturwiss. Cl. XV.\n2\tPl\u00f6sz, Hoppe-Seyler\u2019s med.-chem. Untersuchungen Heft 4 S. 510. Berlin 1871.\n3\t0. Nasse, Arch, f. d. ges. Physiol. XVII. S. 282. 1878.\n4\tL. Hermann, Untersuchungen \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln etc. S. 96. Berlin 1867.","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Haemoglobin.\n271\nHaemoglobin.\nVon dem rothen Farbstoffe der Muskeln, der wie die meisten der im Folgenden zu besprechenden Substanzen mit Ausnahme des Elastins, Collagens und eines Theiles des Fettes in der Muskelfaser gel\u00f6st ist und in das Plasma \u00fcbergeht, vermuthete schon Henle 1 auf Grund des Wechsels von st\u00e4rker und von weniger stark gef\u00e4rbten Muskeln bei V\u00f6geln und des gelblichen Schimmers der isolirten Muskelfasern, dass er dem Muskel als solchem angeh\u00f6rte, und weiter auf Grund des Verhaltens an der Luft (heller werden) und in Schwefelwasserstoff (dunkler werden), dass derselbe mit dem Blutroth identisch oder wenigstens verwandt w\u00e4re. Dieser Auffassung schlossen sich Simon 2 3 4, von Bibra 3 und K\u00f6lliker 4 an. Der f\u00f6rmliche Beweis f\u00fcr die Identit\u00e4t des rothen Muskelfarbstoffes mit Haemoglobin ist indess erst von K\u00fchne5 geliefert durch genaue spectroskopische Pr\u00fcfung d\u00fcnner, vollkommen blutfrei gemachter Muskeln (Zwerchfell) und der w\u00e4ssrigen Ausz\u00fcge blutfreier Muskeln, sowie der Darstellung von Haeminkrystallen.\nWas das Vorkommen des Haemoglobins angeht, so sind bei den Warmbl\u00fctern die Muskeln fast alle roth, die farblosen die Ausnahme, w\u00e4hrend bei den Kaltbl\u00fctern umgekehrt die rothen Muskeln die Ausnahme bilden, in vielen F\u00e4llen einzig der Herzmuskel gef\u00e4rbt ist. Weiter kennt man aber auch in der Reihe der Wirbellosen rothge-f\u00e4rbte Muskeln, es sind von Lebert6 7 8 im Pharynx von Buccinum, sp\u00e4ter von Leydig 7 in den Kauorganen von verschiedenen Mollusken solche gefunden, und auch dieser Farbstoff ist nach Lanke-ster\u2019s 8 Angaben identisch mit Haemoglobin.\nMan wird wohl nach alledem nicht an ein Eintreten des Blutfarbstoffes in den Muskel, wie dies wiederholt geschehen ist, sondern an eine Entwicklung an Ort und Stelle zu denken haben. Bei n\u00e4herem Eingehen auf diese Frage d\u00fcrfte wohl die Thatsache Beachtung finden m\u00fcssen, dass der rothe Farbstoff in den anfangs fast farblosen Muskeln der K\u00e4lber in einer ganz bestimmten Periode, dem Uebergang von Milchnahrung zu Gr\u00fcnfutter, auftritt. Das Studium der Bildung des Haemoglobins im Muskel, zu dessen wesentlichen Bestandtheilen es nat\u00fcrlich nicht zu rechnen ist, bietet \u00fcbrigens kein allzu grosses\n1\tHenle, Allg. Anatomie des menschl. K\u00f6rpers S. 587. Leipzig 1841.\n2\tSimon, Handb. d. angewandten med. Chemie II. S. 524. Leipzig 1842.\n3\tE. von Bibra, Arch. f. physiol. Heilk. IY. S. 536.1845.\n4\tK\u00f6lliker, Mikroskop. Anat. II. S. 248. Leipzig 1850.\n5\tW. K\u00fchne, Arch. f. pathol. Anat. XXXIII. S. 79. 1865.\n6\tLebert, Ann. d. sc. natur. 3 s\u00e9rie. XIII. p. 170. 1850.\n7\tLeydig, Lehrb. d. Histologie S. 137. Frankfurt a. M. 1857.\n8\tLankester, Arch. f. d. ges. Physiol. IY. S. 315.1871.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272 Nasse. Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nphysiologisches Interesse, um so weniger, als sich durch die Untersuchung von E. Meyer1 2 herausgestellt hat, dass Ran vier\u2019s2 Entdeckung keine allgemeine Bedeutung hat, n\u00e4mlich dass weder dieselben anatomischen Eigenschaften (Lage der Muskelkerne, Form der Capillaren), noch dieselben physiologischen (Schnelligkeit und Dauer der Contraction) allen gleichgef\u00e4rbten Muskeln eines Thieres zukommen.\nVon den Eigenschaften andrer Farbstoffe der Muskeln, wie des r\u00f6tklick gelben des Lachses (Valenciennes & Fremy3) und des gelbbraunen in den Brustmuskeln stark fliegender Insecten (Leydig 4) ist zur Zeit so gut wie gar Nichts ermittelt.\nElastin und Collagen.\nDas elastische Gewebe, das sich in dem Muskel als Organ findet, geh\u00f6rt zum gr\u00f6ssten Theil, wenn nicht ausschliesslich nicht dem Muskelgewebe, sondern dem Bindegewebe und den Gef\u00e4ssen an. Eine Zeit lang hat man das Sarcolemma als aus elastischem Gewebe bestehend angesehen, doch ist man von dieser Ansicht abgegangen, weil niemals elastisches Gewebe, wohl aber das leimgebende Gewebe sich in verd\u00fcnnten S\u00e4uren und den Verdauungss\u00e4ften so l\u00f6slich zeigt, wie das Sarcolemma. Besteht nun das Sarcolemma wirklich aus leimgebendem Gewebe, so tritt hier die Schwierigkeit ein zu bestimmen, welcher Theil des im Muskel gefundenen Collagens zu den wesentlichen Bestandtheilen des Muskels gerechnet werden soll. Streng genommen w\u00fcrden sich die feineren, Sarcolemma genannten bindegewebigen H\u00e4ute, welche nur contractile Substanz umsekliessen, offenbar gar nicht unterscheiden von den gr\u00f6beren H\u00e4uten, die eine Anzahl vop Muskelfasern zu kleineren und gr\u00f6sseren Gruppen vereinigen.\nKreatin und Kreatinin.\nKreatin C4H9N3O2 als Methylguanidinessigs\u00e4ure m\u2014CHi I CH2.COOH\nCNH\terkannt, neutral reagirend, mit Barytwasser\nNH2\ngekocht in Sarkosin (Methylamidoessigs\u00e4ure), Harnstoff und Methyl-hydantoin zerfallend, durch l\u00e4ngeres Kochen mit Wasser und noch leichter mit verd\u00fcnnten S\u00e4uren unter Wasserabgabe in Kreatinin\n1\tE. Meyer, Arch. f. Anat. 11. Physiol. 1875. S. 217.\n2\tRanvier, Trait\u00e9 technique d\u2019histologie p. 466. Paris 1875.\n3\tYalenciennes & Fr\u00e9my, Compt. rend. XLI. p. 738. 1855._\n4\tLeydig, Lehrb. d. Histologie S. 137. Frankfurt a. M. 1857.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Stickstoffhaltige Abk\u00f6mmlinge der Eiweissk\u00f6rper. Kreatin.\n273\nCiHtNsO \u00fcbergehend, ist 1835 von Chevreul1 entdeckt, von Liebig2 aber erst analysirt worden. Wie aus einer sehr bedeutenden Reihe von Untersuchungen des Fleisches des Menschen und der verschiedensten Thiere zu schliessen ist, ist das Kreatin constanter Bestandteil des contraction Gewebes der Wirbeltiere wie der Wirbellosen, \u00fcbrigens in seinem Vorkommen nicht auf den Muskel beschr\u00e4nkt, sondern auch in vielen anderen Geweben und Organen zu treffen.\nKreatinin war eine Zeit lang aus der Reihe der Muskelbestand-theile gestrichen worden, nachdem Neubauer3 gezeigt hatte, dass die chemischen Operationen, haupts\u00e4chlich das lange Eindampfen der meist sauren Kreatinl\u00f6sungen aus den Muskeln zur nachtr\u00e4glichen Bildung von Kreatinin Anlass geben k\u00f6nnen. Bei vorsichtiger Arbeit hatte dann auch Neubauer und ebenso nach ihm Nawrocki4 nur Kreatin gefunden, C. Voit5 will indes f\u00fcr einzelne F\u00e4lle das Kreatinin, wenn auch nur in \u00e4usserst kleinen Mengen, als pr\u00e4formirt gelten lassen. Die \u00e4lteren Angaben der physiologischen Chemie w\u00e4ren nun durch Umrechnung des Kreatinins auf Kreatin immer noch zu verwerten gewesen, litten sie nicht noch an einem anderen, viel wichtigerem, nicht corrigirbarem, von Voit entdeckten Fehler, der in dem rascheren oder langsameren f\u00e4ulnissartigen Verschwinden des Kreatins in dem ausgeschnittenen Muskel liegt. Es muss also auch hier der Muskel ganz frisch untersucht, jede m\u00f6gliche Zersetzung sofort nach Entfernen des Muskels aus dem K\u00f6rper durch Erhitzen desselben, Br\u00fchen, unm\u00f6glich gemacht werden. Das ist aber nicht geschehen, die zeitlichen Verh\u00e4ltnisse sind \u00fcberhaupt nicht angegeben, und somit sind alle Schl\u00fcsse, welche aus den fr\u00fcheren quantitativen Bestimmungen gezogen waren, ganz unsicher.\nNach den vorwurfsfreien Methoden untersucht betr\u00e4gt der Kreatingehalt in den frischen Muskeln vom\nFrosch\t0,21 \u2014 0,35\nFuchs\t0,2064 \u2014 0,2373\nRind\t0,2198\u20140,2763\nHund\t0,2231\u20140,2479\nPferd\t0,1171\u20140,2160\nKauinchen 0,2693\u20140,3361\nMensch\t0,282\u20140,3016 % (Voit).\nAus diesen Zahlen zieht Voit den Schluss, dass die Unterschiede\n1\tChevketjl, Journ. d. pbarm. XXI. p. 231.1835.\n2\tJ. v. Liebig, Ann. d. Chem. u. Pharm. EXIL S. 257.1847.\n3\tNeubauer, Ztschr. f. analyt. Chemie H. S. 22. 1863.\n4\tNawrocki, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1865. S. 417 und Ztschr. f. analyt. Chemie II. S. 330. 1865.\n5\tVoit, Ztschr. f. Biologie IV. S. 77. 1868.\nHandbuch der Physiologie. Bd. I.\n18","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel cl. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nbei den verschiedenen Thierspecies nicht gr\u00f6sser seien als bei den Individuen der gleichen Species. Die Gr\u00fcnde f\u00fcr die Schwankungen bei den letzteren sind nicht bekannt.\nF\u00fcr die verschiedenen Muskeln desselben Thieres (Huhn) hat Sczelkow 1 einen ungleichen Kreatingehalt angegeben, von Naw-rocki 2 aber wird grade f\u00fcr das Huhn ein solcher Unterschied bestritten. Entsprechende Untersuchungen an anderen Thieren liegen nicht vor; nur das Herz hat Voit mit den Muskeln der Extremit\u00e4ten verglichen und entgegen den freilich auf falscher Basis ruhenden Daten von Liebig in demselben stets weniger Kreatin gefunden als in den willk\u00fcrlichen Muskeln.\nCarnin.\nCarnin C? Hs Ni O2 von Weidel 3 entdeckt, kreideweisse krystal-linische Massen bildend, in w\u00e4ssriger L\u00f6sung neutral reagirend, wird durch Bromwasser in bromwasserstoffsaures Hypoxanthin \u00fcbergef\u00fchrt unter Abspaltung von Brommethyl und Kohlens\u00e4ure Ct Hs Ni N3 + 2 Br = C\u00f6HiNiO.HBr -}- CH3B1* + CO2, ist daher vielleicht als Vorstufe von Hypoxanthin zu betrachten. Es ist bis jetzt nur ein einziges Mal und zwar in amerikanischem Fleisch extract gefunden, \u00fcbrigens auch nicht weiter gesucht worden.\nHypoxanthin.\nHypoxanthin CsHiNiO durch reducirende Agentien aus Harns\u00e4ure zu bilden, bei Behandlung mit Salpeters\u00e4ure, unter Aufnahme von Sauerstoff in Xanthin \u00fcbergehend, ist von Scherer1 2 3 4 5 zuerst in der Milz, dann im Herzmuskel gefunden worden. Weiter isolirte Strecker 5 aus den willk\u00fcrlichen Muskeln verschiedener Thiere eine Substanz, die er anf\u00e4nglich als eine neue Substanz unter dem Namen Sarkin beschrieb, bis er sich von der Identit\u00e4t derselben mit Scherer\u2019s Hypoxanthin \u00fcberzeugte.6 Mit dem von Strecker f\u00fcr das Ochsenfleisch auf 0,0222 % bestimmten Gehalt an Hypoxanthin stimmen die von Neubauer7 f\u00fcr das Fleisch von Rindern (0,0221) und Kaninchen (0,0266) gelieferten Zahlen gut \u00fcberein. Das Vorkommen des Hypoxanthins ist nicht auf den Muskel beschr\u00e4nkt.\n1\tSczelkow, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1866. S. 481.\n2\tNawrocki, ibid. S. 625.\n3\tWeidel, Ann. d. Chem. u. Pharm. CLVlil. S. 353. 1871.\n4\tScherer, ibid. LXXIII. S. 328. 1862.\n5\tStrecker, ibid. CIL S. 214. 1857.\n6\tStrecker, ibid. CVHL S. 129. 1858.\n7\tNeubauer, Ztschr. f. analyt. Chemie VI. S. 33. 1867.","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Kreatin. Carnin. Hypoxanthin. Xanthin. Harns\u00e4ure. Harnstoff.\n275\nXanthin.\nXanthin Cs EU Ni O2 von Marcet 1 im thierischen Organismus entdeckt, wurde von Scherer 2 in verschiedenen Fleischarten gefunden, seine Menge im frischen Muskel des Pferdes zu 0,0026 % bestimmt. Der Nachweis dieses K\u00f6rpers ist nicht leicht, negativen Angaben \u00fcber sein Vorkommen ist daher nicht unbedingt Glauben zu schenken. Man kann somit einstweilen annehmen, dass Xanthin constanter Bestandtheil der Muskeln ist. Wie das Hypoxanthin findet sich das Xanthin ausser in den Muskeln in vielen anderen Organen des Thierk\u00f6rpers.\nHarns\u00e4ure.\nOb die Harns\u00e4ure C5H4N4O3, das n\u00e4chst h\u00f6here Oxydations-product des Xanthins, normaler Muskelbestandtheil ist, l\u00e4sst sich einstweilen nicht sagen. Liebig 3 erhielt, trotzdem er sich die gr\u00f6sste M\u00fche gab Harns\u00e4ure nachzuweisen, nur ein Mal eine schwache Mu-rexidreaction, Meissner 4 fand im H\u00fchnerfleisch nur eine verschwindend kleine Menge Harns\u00e4ure. In Betreff der von Pagenstecher 1 2 3 4 5 in den Cadavern von Alligatoren gesehenen gr\u00f6sseren Menge von Harns\u00e4ure, ist Meissner\u2019s Bedenken, dass es sich vielleicht um kranke Thiere gehandelt habe, nicht ganz unberechtigt. M\u00f6glicher Weise ist Harns\u00e4ure aber \u00fcberhaupt nur bei denjenigen Thieren Bestandtheil der Muskeln, bei welchen der Stickstoff wesentlich in Form von Harns\u00e4ure den K\u00f6rper verl\u00e4sst.\nHarnstoff.\nDas Vorkommen von Harnstoff in den Muskeln war von Liebig6 bestritten worden, Staedeler7 8 fand die Muskeln von Raja clavatus und verschiedener Torpedoarten reich an Harnstoff, doch wurde diesen einzeln stehenden Thatsachen keine Bedeutung beigelegt. Erst in allerneuster Zeit mehren sich die Stimmen f\u00fcr eine regelm\u00e4ssige Anwesenheit und Bildung des Harnstoffs in den Muskeln. So sahen Owsjannikow & Istomin s bei k\u00fcnstlicher Durchblutung des Hundemuskels das ausstr\u00f6mende Blut reicher an Harnstoff als das ein-\n1\tMarcet, Essay on the chemical history etc. London 1819.\n2\tScherer, Ann. d. Chem. u. Pharm. CYII. S. 314. 1858.\n3\tJ. v. Liebig, ibid. LXII. S. 257. 1847.\n4\tMeissner, Ztschr. f. rat. Med. XXXI. S. 144. 1868.\n5\tPagenstecher, Yerh. d. naturhist. Yereins zu Heidelberg III. S. 129. 1868.\n6\tLiebig, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXII. S. 257. 1847.\n7\tStaedeler, Journ. f. prakt. Chemie LXXY1. S. 58.1858.\n8\tOwsjannikow & Istomin , Arb. d. Petersburger Gesellsch. d. Naturforscher. Sitzung d. zoolog. Abtheil, vom 28. Febr. 1876, citirt nach Jahresber. von Hopmann & Schwalbe.\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276 Nasse. Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nstr\u00f6mende, und hat P. Picard 1 den Harnstoff aus den Muskeln des Hundes und des Kaninchens auch isolirt. Die meisten Muskeln des Kaninchens enthalten bis \u00fcber 3 %o Harnstoff.\nInosins\u00e4ure.\nEine Substanz mit S\u00e4urenatur von der Zusammensetzung Ci oH- N2O11, sonst weiter gar nicht bekannt, ist yon Liebig1 2 3 4 aus dem Muskel-decoct isolirt und seitdem in den Muskeln verschiedener Warmbl\u00fcter gefunden worden, so von Gregory 3 und Meissner 4 bei dem Huhn, von Creite5 6 bei Ente, Gans, Taube, Kaninchen und Katze. Die Menge ist stets nur gering, nach Creite enthalten die Muskeln des Huhnes 0,005 \u2014 0,008%, der Ente 0,26% inosinsauren Baryt. Die Isolirung der Inosins\u00e4ure ist so schwer, dass Angaben \u00fcber das Fehlen derselben nicht als endg\u00fcltig entscheidend angesehen werden d\u00fcrfen, die Frage ob Inosins\u00e4ure allgemeiner Muskelbestandtheil ist, also offen bleibt. Meissner hat bei H\u00fchnern einen Einfluss der Ern\u00e4hrungsweise auf die Menge der Inosins\u00e4ure constatirt : es war dieselbe bei F\u00fctterung mit Gerste zehnmal gr\u00f6sser als bei Fleischf\u00fctterung.\nTaurin.\nTaurin C-> Ht NSCh (Amidoaethylsulfons\u00e4ure), nach Valenciennes und Fr\u00e9my6 Bestandtheil der Muskeln der Mollusken, scheint auch in dem Fleisch der h\u00f6heren Thiere h\u00e4ufig vorzukommen, so haupts\u00e4chlich im Fleisch des Pferdes (Limpricht7, Jacobsen8) und in dem von Fischen (Limpricht 9 10). Die Muskeln des Delphins sind nach Jacobsen frei von Taurin.\nLecithin.\nLecithin ist in kleinen Mengen im Muskel von DiacoNow 10 gefunden worden, wie fr\u00fcher schon von Valenciennes und Fr\u00e9my, ein Zersetzungsproduct des Lecithins, die Glycerinphosphors\u00e4ure. Ob das Lecithin dem Muskel selbst angeh\u00f6rt, oder nur den intermuskul\u00e4ren Nerven, ist nicht entschieden, doch ist das erstere bei der\n1\tP. Picard, Compt. rend. LXXXVII. No. 15 u. 25. 1878.\n2\tJ. v. Liebig, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXII. S. 257. 1847.\n3\tGregory, ibid. LXIY. S. 106. 1847.\n4\tMeissner, Ztschr. f. rat. Med. XXXI. S. 144. 1868.\n5\tCreite, ibid. XXXYI. S. 195. 1869.\n6\tYalenciennes et Fr\u00e9my, Cosmos 1855. 16. Nov.\n7\tLimpricht, Ann. d. Chem. u. Pharm. CXXXIII. S. 293. 1865.\n8\tJacobsen, ibid. CLYII. S. 227. 1871.\n9\tLimpricht, ibid. CXXYIL S. 185. 1863.\n10 Diaconow, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1867. S. 674.","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Inosins\u00e4ure. Taurin. Lecithin. Fermente.\n277\ngrossen Verbreitung des Lecithins in den verschiedensten Gewebs-theilen keineswegs unwahrscheinlich.\nFermente.\nDer Reichthum des Muskels an l\u00f6slichen Fermenten oder Enzymen (K\u00fchne *) ist schon an der starken Zersetzung des Wasserstoffhyperoxyds durch Muskelsubstauz zu erkennen. Ist die Trennung und Isolirung der einzelnen Fermente auch noch nicht gelungen, und gar ein eingehendes Studium derselben noch nicht m\u00f6glich gewesen, so l\u00e4sst sich doch schon eine Reihe von Fermenten mit grosser Wahrscheinlichkeit unterscheiden und zwar Fermente f\u00fcr Eiweiss-k\u00f6rper und f\u00fcr Kohlehydrate.\nUnter den Fermenten f\u00fcr Ei weissk\u00f6rper ist zuerst, weil am besten bekannt, das Pepsin zu nennen. Die Aehnlichkeit zwischen der Aufl\u00f6sung des Fleisches in sehr verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure mit dem Verdauungsprozess bewog Br\u00fccke2 im Fleischsafte noch Pepsin zu suchen, und es gelang ihm auch mittelst der bei der Magenschleimhaut bew\u00e4hrten Methode Pepsin zu isoliren. Ob man indes jene Leichtl\u00f6slichkeit des Myosins und der anderen Eiweissk\u00f6rper des Muskels wirklich bloss auf die Gegenwart des Pepsins zur\u00fcckzuf\u00fchren hat, wie dies Br\u00fccke folgend von Wittich3 und K\u00fchne4 thun, d\u00fcrfte doch wohl noch fraglich sein. Es kommt n\u00e4mlich einerseits die Verdauung nie weiter als zu diesem ersten Stadium, und andererseits kann K\u00fchne\u2019s f\u00fcr die erw\u00e4hnte Anschauung angef\u00fchrte That-sache, dass gekochtes Myosin oder Fleisch sehr viel schwerer durch verd\u00fcnnte Salzs\u00e4ure gel\u00f6st werde, doch auch gen\u00fcgend erkl\u00e4rt werden durch den gr\u00f6sseren Widerstand, den alle durch Hitze coagulirten Eiweissk\u00f6rper der L\u00f6sung in verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure entgegensetzen. Eine Beziehung des Pepsins zu den physiologischen Vorg\u00e4ngen im Muskel ist bislang nicht aufgefunden.\nDie M\u00f6glichkeit oder Wahrscheinlichkeit der Wirkung von Fermenten bei der Gerinnung des Myosins ist oben schon bei der Besprechung dieses Vorganges im Zusammenhang vorgreifend erw\u00e4hnt worden. Alle Versuche (z. B. von Michelson 5) ein solches Ferment zu gewinnen, sind freilich bis jetzt gescheitert. Man kann f\u00fcr die Annahme eines Fermentes abgesehen von der Analogie mit der\n1\tK\u00fchne, Verh. d. naturliist. Vereins zu Heidelberg. N. S. I. S. 3. 1876.\n2\tBr\u00fccke. Sitzungsber. d.Wiener Acad. Matbem.-naturwiss. Cl. XLIII II Abth S. 601. 1861.\n3\tvon Wittich, K\u00f6nigsberger med. Jahrb. in. S. 210. 1862.\n4\tW. K\u00fchne, Unters, \u00fcb. d. Protoplasma u. die Contractilit\u00e4t S. 13. Leipzig 1864.\n5\tMichelson, Einige Versuche \u00fcber die Todtenstarre des Muskels. Diss. Dorpat 1872.","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278 Nasse, Chemie u.\n, 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nFibringerinnung nur noch die m\u00e4chtige Einwirkung des aus Plasma ausgeschiedenen Myosins auf Wasserstoffhyperoxyd anf\u00fchren. Es sind hierbei nicht, wie man denken k\u00f6nnte, die anderen Fermente mitgerissen und Ursache der Erscheinung, denn nach Entfernung des Myosingerinnsels gehen die anderen Fermentprozesse speciell die S\u00e4urung noch ungest\u00f6rt weiter.\nDie Fermente f\u00fcr Kohlehydrate angehend, so erw\u00e4hnt schon Magendie1 die Ueberf\u00fchrung von Amylum in Zucker bei Digestion desselben mit Muskelsubstanz, es ist aber auch ein zuckerbildendes Ferment aus den Muskeln bereits dargestellt worden von Piotrowski2 mittelst des von Cohnheim3 4 f\u00fcr die Speicheldr\u00fcsen modificirten B\u00fc\u00fcCKE\u2019schen Verfahrens. Das Ferment wird von J. Munk 4 als von dem Ptyalin und Pankreatin verschieden bezeichnet, weil es schon gegen den geringsten Ueberschuss von Alkali oder S\u00e4ure empfindlich sei. Ganz entscheidend ist diese Mittheilung aber noch nicht, weil in ihr die Angabe fehlt, ob das mit dem Muskelfermente verglichene Ptyalin und Pankreatin von demselben Thiere stammten, die zuckerbildenden Fermente verschiedener Thiere aber nicht ohne Weiteres als gleich angesehen werden d\u00fcrfen (0. Nasse 5). Die behauptete Verschiedenheit wird indes aus einem anderen Grunde wahrscheinlich. Mit den Secreten oder Ausz\u00fcgen verschiedener Speicheldr\u00fcsen gelang es weder Seegen6 noch 0. Nasse aus dem Glykogen Traubenzucker zu gewinnen, sondern stets nur eine andere, von Traubenzucker jedenfalls ganz verschiedene, erst durch Kochen mit S\u00e4uren in Traubenzucker zu verwandelnde Zuckerart, nach Muscu-lus und von Mering7 Maltose, w\u00e4hrend das hypothetische diastati-sche Ferment des Muskels wenigstens im Muskel selbst aus Glykogen eine aller Wahrscheinlichkeit nach in die Gruppe des Traubenzuckers geh\u00f6rige Zuckerart bildet.\nWeiter ist ein milchs\u00e4urebildendes Ferment freilich noch nicht isolirt aber doch sicher zu vermuthen nach der weiter unten eingehend zu besprechenden Untersuchung von du Bois - Reymond 8 \u00fcber die S\u00e4urung des Muskels, insbesondere \u00fcber die Hemmung und Beschleunigung derselben.\nDie Fermente, von denen erst sp\u00e4ter gezeigt werden kann, dass\n1\tMagendie, Compt. rend. XXIII. p. 189.\n2\tPiotrowski, bei W. K\u00fchne, Lehrb. d. physiol. Chemie S. 288. Leipzig 1866.\n3\tCohnheim, \u00c2rch. f. pathol. Anat. XXVIII. S. 241. 1863.\n4\tJ. Munk, Deutsch, med. Wochenschr. 1877. S. 575.\n5\t0. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. XIY. S. 473. 1877.\n6\tSeegen, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876. Nr. 48.\n7\tMusculus und von Mering, Ztschr. f. physiol. Chemie H. S. 403. 1879.\n8\tdu Bois-Reymond. Monatsber. d. Berliner Acad. 1859. S. 288.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Fermente. Kohlehydrate.\n279\nsie wahrscheinlich in lebenden Muskeln sich stets in einem gewissen Grade der Th\u00e4tigkeit befinden, auch noch im ausgeschnittenen (\u201e \u00fcberlebenden\u201c du Bois-Reymond) Muskel oder dem des todten Thieres, und dass sie unter gewissen Umst\u00e4nden in lebhaftere Th\u00e4tigkeit kommen, sind die erste Ursache der oben bereits hervorgehobenen Ver\u00e4nderlichkeit der Muskelsubstanz. Die Fermente unsch\u00e4dlich zu machen, eventuell zu zerst\u00f6ren, giebt es verschiedene Mittel und Wege: rasches Erhitzen auf 100\u00b0 C. (\u201eBr\u00fchen\u201c Hermann), K\u00e4lte, antiseptische Mittel wie Kaliumsalze, Salicyls\u00e4ure u. dgl., concentrirte Salzl\u00f6sungen u. s. w. Welcher Weg der richtige ist, h\u00e4ngt von der Natur der Substanz ab, auf welche die Untersuchung gerichtet ist. Ausser den durch Fermenten bedingten Zersetzungen kommt aber noch eine andere, ganz k\u00fcrzlich von Pfl\u00fcger1 entdeckte, erst unten n\u00e4her zu besprechende Zersetzung, ein Dissociationsprozess, im Muskel zur Wirkung, der sich nicht hemmen l\u00e4sst durch Siedhitze, im Gegentheil dabei um so rascher verl\u00e4uft.\nGlykogen.\nDas Glykogen der Muskeln Ce Hi o Os (?) scheint nicht wesentlich verschieden zu sein von dem der Leber. Gelegentlich sind allerdings kleine Differenzen bemerkt worden, so eine geringere Opales-cenz der L\u00f6sung von Muskelglykogen (Luchsinger-2) und ein bl\u00e4ulicher Farbenton der Jodmuskelglykogene (Naunyn3), besonders ausgesprochen bei dem Muskelglykogen des Huhnes, auch noch bei dem des Kaninchens, am wenigsten bei dem des Hundes, diesen noch ganz besonders auch von Boehm und Hoffmann4 hervorgehobenen Verschiedenheiten kann indes gegen\u00fcber der gleichen Zersetzungsweise beider Glykogenarten bei Digestion mit Speichel (0. Nasse5 6) keine allzugrosse Bedeutung beigelegt werden.\nLange Zeit hindurch wurde das Glykogen nur als dem embryonalen Muskel, in welchem es Cl. Bernard 6 gefunden hatte, und zwar in seiner Eigenschaft als embryonalem Gewebe, oder h\u00f6chstens noch als dem Muskel ganz junger Thiere zukommend angenommen, und das mitunter, so von Cl. Bernard7, von Sanson8 und von\n1\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 381. 1878.\n2\tLuchsinger, Exper. u. krit. Beitr. z. Physiol, u. Pathol, d. Glykogens. S. 14. Dissert. Z\u00fcrich 1875.\n3\tNaunyn, Arch. f. exper. Pathol. III. S. 85. 1875.\n4\tBoehm und Hoffmann, ibid. X. S. 12. 1878.\n5\t0. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 473. 1877.\n6\tCl. Bernard, Compt. rend. XLVIII. p. 673. 1859.\n7\tCl. Bernard, ibid. XLIV. p. 1325. 1857.\n8\tSanson, ibid. XLIV. p. 1323. 1857.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nM\u2019Donnel1 beobachtete Vorkommen im ausgewachsenen Thiere bei amylumreicher Nahrung, und das Vorkommen in Muskeln, deren Nerven durchschnitten waren (M\u2019Donnel2) oder in Muskeln, die lange Zeit gewaltsam ruhend gehalten waren (Ogle3), sowie bei Winterschl\u00e4fern (Cl. Bernard4) als unerkl\u00e4rliche und jedenfalls ausser Zusammenhang mit den wesentlichen Vorg\u00e4ngen im Muskel stehende Ausnahmen betrachtet. Die Untersuchungen von 0. Nasse5, sowie die weiteren von Br\u00fccke 6, Weiss 7 u. A., nach welchen das Glykogen \u00fcberall, wo es gesucht, auch gefunden worden ist, bei Wirbelthieren wie bei Wirbellosen, Crustaeeen (0. Nasse8), Mollusken (Bizio 9, Chittenden10), W\u00fcrmern (G. Schwalbe11), zwingen aber, das Glykogen unter die best\u00e4ndigen Muskelbestandtheile zu rechnen.\nDie ungemein leicht eintretende Zersetzung des Glykogens, die also wieder bei allen einschlagenden Untersuchungen die besprochenen Vorsichtsmassregeln und zwar haupts\u00e4chlich rasches Erhitzen der Muskeln (wie es bei der Leber schon fr\u00fcher geschah) n\u00f6thig macht, hat dazu gef\u00fchrt auch die Zersetzungsproducte des Glykogens Dextrin (Limpricht 12) und Zucker (Meissner13) als Muskelbestandtheile anzusprechen. Spuren von beiden Stoffen m\u00f6gen wohl wie in der Leber so auch in dem Muskel stets vorhanden sein, da aber schon der Nachweis derselben \u00e4usserst schwierig ist, von irgend messbaren Mengen aber gar nicht die Rede sein kann, man stets nur mit Glykogen zu rechnen hat, so ist es wohl erlaubt das Glykogen als den einzigen Repr\u00e4sentanten der \u00e4chten Kohlehydrate im frischen ruhenden und geruhten Muskel zu bezeichnen.\nF\u00fcr quantitative Bestimmungen k\u00f6nnen Gemische von verschiedenen Muskeln desselben Thieres, die ja niemals gleichm\u00e4ssig zu machen sind, nicht mehr verwendet werden, seitdem man weiss, dass die verschiedenen Muskeln desselben Individuums einen sehr verschiedenen Glykogengehalt haben (0. Nasse 14). So fanden sich bei Kaninchen, Hund und Katze die folgenden Glykogenmengen in je\n1\tMac Donnel, Journ. of anat. and physiol. II. p. 275. 1867.\n2\tMac Donnel, Amer, journ. of the med. sc. XLYI. p. 523. 1863.\n3\tOgle, St. George hospital reports III. p. 149. 1868.\n4\tCl. Beenaed, Compt. rend. XLYffl. p. 673.1859.\n5\t0. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 97. 1869.\n6\tBe\u00fccke, Sitzungsber. d. Wiener Acad. LXIII. Abth. II. 1871. Febr.\n7\tS. Weiss, ibid. LXIV. Abth. 1. 1871. Juli.\n8\tNicht ver\u00f6ffentlichte Beobachtung.\n9\tBizio, Compt. rend. 1866. I. p. 675.\n10\tChittenden, Ann. d. Chem. u. Pharm. CLXXYHP. S. 266. 1875.\n11\tG. Schwalbe, Arch. f. mikroskop. Anat. Y. S. 205.1869.\n12\tLimpeicht, ibid. CXXXIII. S. 293. 1865.\n13\tG. Meissnee, G\u00f6ttinger Nachrichten 1861. Nr. 15 und 1862. Nr. 10.\n14\t0. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. XIY. S. 473. 1877.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Glykogen.\n281\n100 Theilen frischer Substanz der langen R\u00fcckenmuskeln und Adduct ores fern oris:\n\tIl I 1\tKaninchen 2 ; a\t! 4\tHund 1 1 ! 2\tKatze\nR\u00fcckenmuskeln\t\t. . ; 0,94\t0,93 : 0,68\t0,95\t0,97 0,69 |\t0,54\nAdductores femoris . . .\t. \u2022\t0,74\t0,74 0,47\t0,7 :\t0,97 0,69\t0,86\nIm Herzen eines Hundes fand Weiss nach vierzigstiindigem Hunger nur 1 2/3 des in einer ann\u00e4hernd gleichen Menge R\u00fcckenmuskeln enthaltenen Glykogens.\nEs folgt aus diesen Daten zun\u00e4chst, dass die gleichnamigen Muskeln verschiedener Thiere nicht gleichwertig sind, dass also ein Vergleich .verschiedener Thiere auf die Zusammensetzung ihrer Muskeln durch eine Untersuchung gleichnamiger Muskeln nicht angestellt werden kann. Um eine Deutung dieses Verhaltens zu finden, das sich am klarsten in der v\u00f6lligen Umkehr der Verh\u00e4ltnisse bei Kaninchen und Katze ausspricht, m\u00fcssten die Bewegungen dieser Thiere genauer verfolgt werden. Nun sind aber offenbar bei Kaninchen die Schenkelmuskeln, bei Katzen die R\u00fcckenmuskeln die mehr angestrengten; dies zusammengehalten mit den oben mitgetheilten Beobachtungen von M\u2019 Donnel und Ogle erlaubt wohl den Schluss, dass der Glykogengehalt in umgekehrtem Verh\u00e4ltniss zur Th\u00e4tigkeit der Muskeln steht.\nWeiter zeigen sich nun bedeutende, zum Theil noch nicht hinreichend aufgekl\u00e4rte individuelle Schwankungen des Glykogengehaltes bei derselben Thierspecies. Von gr\u00f6sserem Einfluss ist jedenfalls die Ern\u00e4hrung. Genauer verfolgt ist durch Luchsinger 1 die Abnahme des Glykogens bei Entziehung der Nahrung. Noch ehe der Tod eingetreten ist, zu Zeiten, wo die Leber noch deutliche Mengen von Glykogen enth\u00e4lt, k\u00f6nnen die Muskeln glykogenfrei sein. In vollkommen ruhenden Muskeln wie z. B. dem Brustmuskel des Huhnes bleibt das Glykogen l\u00e4nger erhalten als in den th\u00e4tigen Muskeln, ja sogar l\u00e4nger als in der Leber. Bei seiner nur auf die Brustmuskeln gehungerter H\u00fchner sich erstreckenden Untersuchung konnte Weiss2 somit leicht zu einem ganz anderen Schl\u00fcsse kommen, f\u00fcr eine nunmehr als unrichtig erkannte Unabh\u00e4ngigkeit der Glykogenmenge von der Nahrung sich aussprechen.\n1\tLuchs\u00efnger, a. o. a. 0. und Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 472.1878.\n2\tWeiss, a. o. a. O.","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nInosit.\nDer Inosit C\u00df H12 06 +H2O, von Scherer1 1850 entdeckt, ein mehratomiger Alkohol, \u00fcbrigens seiner Constitution nach unbekannt, theilt mit den Kohlehydraten die allgemeine Zusammensetzung und den s\u00fcssen Geschmack, pflegt daher unter den Kohlehydraten und zwar unter denen der Traubenzuckergruppe aufgef\u00fchrt zu werden, unterscheidet sich aber von diesen durch den Mangel an Drehungsund Reductionsyerm\u00f6gen sowie durch die Unf\u00e4higkeit in alkoholische G\u00e4hrung zu gerathen, und durch den Widerstand gegen kaustische Alkalien auch in der Siedehitze, und andererseits von den Kohlehydraten der St\u00e4rke- und Rohrzuckergruppe durch die Widerstandsf\u00e4higkeit gegen verd\u00fcnnte S\u00e4uren. Dagegen ist der Inosit der Milchs\u00e4ur eg\u00e4hrung f\u00e4hig; die entstandene Milchs\u00e4ure soll nach Vohl2 Aethylidenmilchs\u00e4ure und zwar G\u00e4hrungsmilchs\u00e4ure sein, nach Hil-GrER3 aber Aethylenmilchs\u00e4ure. Da die Richtigkeit einer der beiden Angaben zu bezweifeln kein Grund vorliegt, so ist nur an einen von unbekannten \u00e4usseren Bedingungen abh\u00e4ngigen verschiedenen Verlauf der G\u00e4hrung zu denken.\nNur im Herzfleisch scheint Inosit regelm\u00e4ssig vorzukommen, inconstant dagegen in den willk\u00fcrlichen Muskeln. Mit R\u00fccksicht auf die Schwierigkeit der Darstellung des Inosits ist den Angaben von negativen Resultaten kein allzugrosses Gewicht beizulegen. Immerhin wird sich schon sagen lassen, dass die Mengen von Inosit keine sehr erheblichen sind. Jacobsen4 5 gibt den Inositgehalt des Pferdefleisches auf 0,003, den des Delphinfleisches auf nur 0,0008% an.\nAusser in vielen Organen und Fl\u00fcssigkeiten des Thierk\u00f6rpers ist Inosit auch im Pflanzenreich angetroffen worden. Vohl\u2019s 5 Phaseomannit ist identisch mit Inosit.\nFette.\nDie Bestimmung des Fettes im Muskel wird mehr als die eines der bisher besprochenen Bestandteile durch die anatomischen Verh\u00e4ltnisse erschwert. Ausser dem Inhalt des Sarcolemmaschlauches kann das intermuskul\u00e4re Bindegewebe Fett f\u00fchren und findet sich solches constant in den Nerven. Mit Bestimmtheit l\u00e4sst sich indess doch aussprechen, dass die Muskelfaser als solche stets Fett enth\u00e4lt; das beweist der immerhin noch bemerkenswerthe Fettgehalt der Mus-\n1\tScheeer, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXXIII. S. 322. 1850.\n2\tVohl, Ber. d. deutsch, chem. Ges. 1876. S. 984.\n3\tHilger, Ann. d. Chem. u. Pharm. CLX. S. 337.1871.\n4\tJacobsen, ibid. CLYII. S. 231. 1871.\n5\tVohl, ibid. XCIX. S. 125. 1856 und CI. S. 50. 1857.","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Inosit. Fette. Wasser.\n283\nkein nach sorgf\u00e4ltigster, durch das Mikroskop controlirter Entfernung von Bindegewebe und Nerven, und ferner da dabei die Nervenendigungen aus den Muskelfasern doch immer noch bleiben, das Verschwinden gewisser K\u00f6rnchen im Innern des Primitivb\u00fcndels, in L\u00e4ngsreihen zwischen den Muskels\u00e4ulchen liegend, bei der Behandlung der Muskeln mit Aether. Wie viel Fett als Minimum zur leistungsf\u00e4higen Muskelfaser geh\u00f6rt, und andererseits wie hoch der Fettgehalt sein darf, ohne dass es zur St\u00f6rung der Function kommt, weiss man bis jetzt nicht. Einen Anhalt f\u00fcr den ersten Werth k\u00f6nnen die Untersuchungen der im Allgemeinen sehr fettarmen Muskeln der wilden Thiere liefern. Die niedersten Zahlen sind hier nach J. K\u00f6nig und B. Farwick1 1,07% in den Extremit\u00e4tenmuskeln des Hasen, 1,43% in den Muskeln des Rebhuhns, einen noch geringeren Fettgehalt (0,76%) fand Petersen2 in Muskeln eines mageren Ochsen.\nEine weitere, noch gar nicht in Angriff genommene Frage ist die nach der Zusammensetzung des Muskelfettes. Wahrscheinlich finden sich hier bei den verschiedenen Thieren dieselben Verschiedenheiten wie in dem Fett des Fettgewebes, und zu vermuth en ist auch, dass wie das sonstige Fett auch das Muskelfett desselben Thieres nach den verschiedenen Orten in seiner Zusammensetzung wechselt.\nIn Betreff der von Scherer3 aus dem Muskelauszug nach Entfernung des Eiweisses und Ausf\u00e4llung mit Baryt durch Kochen mit Schwefels\u00e4ure isolirten, stets als Muskelbestandtheile gef\u00fchrten fl\u00fcchtigen Fetts\u00e4uren bemerkt K\u00fchne4 mit Recht, dass \u00fcber ihre Pr\u00e4existenz wie \u00fcber ihre Beziehung zu der eigentlichen Muskelsubstanz sich gar Nichts sagen lasse.\nWasser.\nDer Menge nach nimmt das Wasser unter den Muskelbestand-theilen den ersten Platz ein. Bei der quantitativen Bestimmung desselben ist es eine der wichtigsten Bedingungen das Fettgewebe m\u00f6glichst zu entfernen, weil in dem Fettgewebe, wie dessen Vergleichung mit m\u00f6glichst fettfreiem Muskelgewebe lehrt, der eigentlichen Muskelsubstanz ein viel wasser\u00e4rmerer Stoff beigemischt wird. So sieht man denn bei den Analysen des Fleisches im \u00f6konomischen Sinne Wasser und Fett immer in umgekehrtem Verh\u00e4ltniss zu einander stehen. Aber auch noch nach Entfernung des Fettgewebes bleibt dies: stets entspricht bei demselben Thier oder derselben Thierart\n1\tJ. K\u00f6nig und B. Farwick, Ztschr. f. Biologie XII. S. 497. 1876.\n2\tPetersen, ibid. VIL S. 166. 1871.\n3\tScherer. Ann. d. Chem. u. Pharm. LXIX. S. 196. 1849.\n4\tW. K\u00fchne. Lehrb. d. physiol. Chemie S. 304. Leipzig 1866.","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der ehern. Bau d. Muskeln.\ndem Minimum des Fettes das Maximum des Wassers. Indes bedingt keineswegs das Fett allein die Unterschiede in dem Wassergehalt; so ist der Muskel des Kalbes nicht bloss weil er fettarmer ist wasserreicher als der entsprechende Muskel des Ochsen, sondern auch, weil das allgemeine G-esetz, dass die Organe j\u00fcngerer Organismen stets weniger feste Bestandtheile enthalten als die der ausgebildeten, sich auch auf den Muskel erstreckt. Und noch mehr spielt in der Reihe von den Wirbellosen durch die kaltbl\u00fctigen Wirbelthiere und die S\u00e4uger bis zu den V\u00f6geln, in welcher der Wassergehalt von c. 85 % beim Krebs (Schlossberger *), bis c. 70 o/0 beim Sperling (von Bibra1 2) abnimmt, das Fett jedenfalls nur eine untergeordnete Rolle. Wie in der ganzen Thierreihe, so finden sich auch bei derselben Thierart constante Verschiedenheiten in dem Wassergehalt der einzelnen Muskeln. Beim Kaninchen bestimmte J. Ranke3 den Wassergehalt in den R\u00fcckenmuskeln im Mittel auf 75,1, in den weissen Schenkelmuskeln auf 76,5%. Das Herz scheint nach den Angaben verschiedener Autoren: E. Bischoff4, J. Ranke, Danilewski5 u. A. stets den gr\u00f6ssten Wassergehalt zu haben.\nN\u00e4here Angaben und Zahlenbelege m\u00fcssen fortbleiben, weil die Untersuchungen nicht unter gleichen Bedingungen gemacht, die Muskeln insbesondere nicht bei gleicher Temperatur, h\u00e4ufig bei einer zu geringen, bei 100\u00b0 C., getrocknet worden sind.\nAsche.\nAnalysen von Fleischaschen sind sehr h\u00e4ufig gemacht, jedoch nach verschiedenen, zum Theil sehr unvollkommenen Methoden, und haupts\u00e4chlich ohne Entfernung der entfernbaren Theile aus dem Muskel. So ist u. A. noch keine Analyse des v\u00f6llig blutfreien Muskels ausgef\u00fchrt worden. Die Abweichungen in den Angaben sind daher sehr betr\u00e4chtlich. Mit Bestimmtheit l\u00e4sst sich nur sagen, dass der gr\u00f6sste Theil der c. 1\u20141,5 % des frischen Muskels betragenden Asche phosphorsaures Kali ist. Dann folgen an Menge Kalk- und Magnesiaphosphate, in inniger Beziehung zu den Eiweissk\u00f6rpern stehend, und Eisen. Natrium und Chlor kommen der eigentlichen Muskelsubstanz wohl nur in Spuren zu, die dem Inhalt des Kan\u00e4lchennetzes im Inneren des Sarcolemmasehlauches angeh\u00f6ren k\u00f6nnten.\n1\tSchlossberger, Erster Versuch einer allgemeinen und vergleichenden Thierchemie II. S. 168. Leipzig u. Heidelberg 1856.\n2\tvon Bibra, Arch. f. physiol. Heilk. IV. S. 536. 1845.\n3\tJ. Ranke, Tetanus S. 78. Leipzig 1865.\n4\tE. Bisch\u00f6fe, Ztsehr. f. rat. Med. (3) XX. S. 75. 1863.\n5\tDanilewski, Ueber den Ursprung der Muskelkraft. Charkow 1876.","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Wasser. Asche. Gase.\n285\nGase.\nDie G-ase des frischen blutfreien Froschmuskels sind zuerst von L. Hermann 1 mittelst der G-EissLER\u2019schen Quecksilber-Luftpumpe untersucht worden in gefrorenen, zerkleinerten und in halbprocentiger Kochsalzl\u00f6sung vertheilten Muskeln. Stickstoff wurde nur in Spuren, Sauerstoff aber gar nicht gewonnen, ja es fand sich sogar bei Anwendung sauerstoffhaltiger Kochsalzl\u00f6sung der Sauerstoffgehalt derselben vermindert. Die Gase bestanden fast ausschliesslich aus Kohlens\u00e4ure, welche an Menge wuchs mit der Dauer des Auspumpens und bis zu einem gewissen Grade mit der H\u00f6he der angewendeten Temperatur, am schnellsten sich bei c. 45\u201450 0 C. entwickelte. Hermann schloss hieraus, dass die gefundene Kohlens\u00e4ure nicht ganz in den in den Apparat gebrachten Muskeln vorhanden, sondern zum Theil wenigstens erst w\u00e4hrend der Entgasung gebildet w\u00e4re. Die Bildung der Kohlens\u00e4ure wird aber nach Hermann verhindert, wenn der Muskel zu irgend einer Zeit auf 70 0 C. erw\u00e4rmt wird. Mit dieser Angabe steht eine unter Pfl\u00fcger\u2019s2 Leitung und nach einer von ihm ersonnenen Methode angestellte Experimentaluntersuchung von Stin-tzing 3 in Widerspruch. Pfl\u00fcger und Stintzing brachten rasch zerkleinerte Kaninchenmuskeln frisch oder gefroren in kochendes Wasser, und fanden bei Fortsetzen des Kochens in den durch Ueberleiten eines reinen Luftstromes (frei von Kohlens\u00e4ure) aus der Fl\u00fcssigkeit gewonnenen G-asen im Mittel gegen 100 Volumprocent Kohlens\u00e4ure (0\u00b0 und 0,76 m.) der angewendeten Muskeln. Die Kohlens\u00e4urebildung wird hiernach also auch durch noch h\u00f6here Temperaturen, als sie Hermann angewendet hatte, nicht gehemmt. Dass sie \u00fcbrigens auch bei niederer Temperatur vor sich geht, wird bewiesen daraus, dass Muskeln, welche nicht sofort in die Kochflasche gebracht wurden, geringere Mengen von Kohlens\u00e4ure beim Kochen lieferten. So gab ein 22 Stunden im Br\u00fctofen bei 40\u201450\u00b0 C. digerirter Muskel beim Kochen nur mehr ungef\u00e4hr 30 Volumprocent Kohlens\u00e4ure, die w\u00e4hrend der Digestion gebildete Kohlens\u00e4ure war entwichen. Dass die Hauptmasse der gebildeten Kohlens\u00e4ure nicht in den Muskeln pr\u00e4existirte, sondern sich wirklich erst durch den Zerfall einer unbekannten Substanz bildete, will Stintzing beweisen durch eine Versuchsreihe, in welcher zum Entfernen der vorher vorhandenen Kohlens\u00e4ure die Muskeln vor dem Kochen einige Zeit bei niederer Temperatur mit verd\u00fcnnter Phosphors\u00e4ure oder Schwefels\u00e4ure und zum\n1\tL. Hermann. Untersuchungen \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln. Berlin 1867.\n2\tPfl\u00fcger, Arch. f. cl. ges. Physiol. XVIII. S. 381. 1878.\n3\tStintzing, ibid. S. 388.","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nSchluss mit Wasser gewaschen wurden, und dann beim Kochen doch noch eine von der urspr\u00fcnglichen nicht bedeutend abweichende Kohlens\u00e4uremenge lieferten. In dieser Beziehung findet sich also eine Uebereinstimmung mit Hermann\u2019s Beobachtungen und Schl\u00fcssen. Wie es Hermann hat entgehen k\u00f6nnen, dass der gebr\u00fchte Muskel noch Kohlens\u00e4ure entwickelt, l\u00e4sst sich einstweilen nicht sagen. Vielleicht hat er den Versuch zu fr\u00fch abgebrochen; denkbar w\u00e4re aber auch, dass es zwei Quellen f\u00fcr die Kohlens\u00e4urebildung g\u00e4be, die eine, welche ihr Temperaturoptimum bei 45\u201450\u00b0 C. hat und durch Erhitzen verschlossen wird, die andere, welche mit steigender Temperatur mehr und mehr fliesst. Es d\u00fcrfte indess gewagt sein, schon jetzt ohne weitere experimentelle Grundlagen sich in Vermuthungen zu ergehen.1\nDie Differenz zwischen den beiden Arbeiten erstreckt sich \u00fcbrigens noch auf einen anderen Punct. Ausser der direct auspumpbaren Kohlens\u00e4ure vermochte Hermann nach Beendigung der ersten Kohlens\u00e4ureentwicklung aus frischen oder gebr\u00fchten Muskeln noch eine kleine, sehr constante, auch dem erstarrten oder tetanisirten Muskel noch eigene Menge fest gebundener Kohlens\u00e4ure unbekannten Ursprungs bei Zusatz von S\u00e4ure zu erhalten. Auch diese S\u00e4ure treiben aber Pfl\u00fcger und Stintzing durch l\u00e4ngeres Kochen oder auch nur Erhitzen auf 80\u00b0 C. aus den Muskeln (und ebenso aus dem Blut), wie das Ausbleiben einer neuen Kohlens\u00e4ureentwicklung bei dem Zuf\u00fcgen von Phosphors\u00e4ure zeigt. Offenbar ist die Pfl\u00fcger\u2019sehe sehr energische Entgasungsmethode f\u00fcr den Nachweis solcher Unterschiede in der Bindungsweise der Kohlens\u00e4ure nicht geeignet.\nII. Her todtenstarre Muskel.\nL Die S\u00e4urebildung bei der Erstarrung.\nUnter den inneren oder chemischen Ver\u00e4nderungen, welche der Muskel bei der Erstarrung erleidet, f\u00e4llt zun\u00e4chst auf die Aenderung der Reaction: der todtenstarre Muskel reagirt sauer und zwar bei allen Thierem\nWie oben bei dem ruhenden Muskel bereits erw\u00e4hnt worden ist, war die saure Reaction des Muskels f\u00fcr die normale gehalten, bis du Bois-Reymond2 \u00fcberzeugend nachwies, dass der frische ruhende und geruhte Muskel neutral reagirt, \u201edie ganze in den abgestorbenen\n1 Vgl. hierzu eine Bemerkung von L. Hermann in der Allg. Muskelphysik\n' 2 E. du Bois-Reymond, De hbrae muscularis reactione. Berolini 1859 ; Monats-ber. d. Berliner Acad. 1859. S. 288.","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Die S\u00e4urebildung bei der Erstarrung.\n287\nMuskeln von den Chemikern erkannte S\u00e4uremenge erst zur Zeit des Erstarrens innerhalb der Primitivmuskelb\u00fcndel frei wird\u201c. Es gilt dies f\u00fcr die Muskeln aller Thiere. Die Frage, ob es sich hierbei um freie S\u00e4ure oder nur um saures phosphorsaures Kali handelt, wie Fr\u00e9my und Valenciennes1 behaupteten, entscheidet du Bois mit H\u00fclfe der MiTSCHERLiCH\u2019schen2 Untersuchung \u00fcber das Verhalten der sauren Alkaliphosphate gegen Lakmuspapier, deren rothe Flecken n\u00e4mlich beim Trocknen wieder verschwinden, w\u00e4hrend die von den Muskeln gemachten rothen Flecken beim Trocknen bleiben, dahin, dass neben dem sauren Phosphat sicher noch eine freie, nicht fl\u00fcchtige S\u00e4ure sich findet. Indem wir von deren Natur einstweilen v\u00f6llig absehen, ist nur noch daran zu erinnern, dass, wenn zu einem Gemische von Salzen verschiedener S\u00e4uren eine S\u00e4ure hinzukommt, niemals diese allein hinfort als die freie S\u00e4ure der Mischung bezeichnet werden kann, auch wenn die anderen, bereits vorhanden gewesenen mit ihr verglichen als die st\u00e4rkeren gelten, sondern in freilich sehr verschiedenem, dazu von Temperatur und anderen Bedingungen abh\u00e4ngendem Verh\u00e4ltniss ein Theil s\u00e4mmtlicher S\u00e4uren frei oder in sauren Salzen, wenn deren Bildung m\u00f6glich, vorhanden zu denken ist.\nAn der S\u00e4urung ist, wie du Bois weiter eingehend zeigte, der Sauerstoff der Umgebung nicht betheiligt; sie geht in Oel, unter Quecksilber, im Vacuum bei Gegenwart von Wasser mit derselben Schnelligkeit vor sich wie in atmosph\u00e4rischer Luft, ja sogar noch schneller, in den beiden ersten F\u00e4llen vermuthlich der Zur\u00fcckhaltung der Kohlens\u00e4ure wegen.\nVon grossem Einfluss auf die Schnelligkeit ist die Temperatur; mit Steigen derselben bis zu einem gewissen Grade (450 C. bei Fr\u00f6schen, 500 C. bei S\u00e4ugern, 50\u201455 0 C. bei V\u00f6geln) nimmt die Schnelligkeit zu, um dann wieder abzunehmen, und zwar sehr schnell, so dass Froschmuskeln rasch auf 60 0 C. oder h\u00f6her erhitzt nicht sauer werden, und wenn die Temperatur einige Zeit so hoch erhalten bleibt, ihr S\u00e4urebildungsverm\u00f6gen \u00fcberhaupt verlieren. Bei den niederen Temperaturgraden geht die S\u00e4urung oft so langsam vor sich, dass sie durch die ammoniakalischen Produete der ebenfalls allm\u00e4hlich eintretenden F\u00e4ulnis verdeckt werden kann. An sofort unter Oel gebrachten und somit vor Bact\u00e9rien m\u00f6glichst bewahrten Muskeln gelang es indes Hermann3 die S\u00e4uerung mit vollkommener Sicherheit\n1\tValenciennes et Fr\u00e9my, Ann. d. chim. et phys. XIX. p. 363. 1822; 3 s\u00e9r. L. p. 171. 1857.\n2\tMitscherlich, Ann. d. Phys. u. Chemie XXXI. S. 319.1834.\n3\tHermann, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 192. 1871.","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nzu beobachten. Die stets im ausgeschnittenen Muskel sofort auch beginnende Wirkung der F\u00e4ulnisbacterien erschwert \u00fcberhaupt die Untersuchung der S\u00e4urebildung, besonders die genaue Feststellung des Maximums der S\u00e4ure, nach dessen Erreichung der Muskel mehr oder minder rasch an S\u00e4ure verliert, bis er schliesslich bei stinkender F\u00e4ulnis stark alkalisch reagirt. Am g\u00fcnstigsten ist es f\u00fcr die Bestimmung des Maximums der S\u00e4ure dieselbe rasch bei m\u00f6glichst hoher Temperatur entstehen zu lassen, weil in der K\u00fcrze der Zeit eine neutralisirende Wirkung der Producte der anfangs ja nur in geringer Menge vorhandenen Bact\u00e9rien kaum merklich sein kann, und ausserdem mehrere Bestimmungen an verschiedenen Portionen desselben Muskels zu verschiedenen Zeiten zu machen.\nEs ist nun nach den Untersuchungen von J. Ranke 1 der ausgeschnittene Muskel f\u00e4hig eine ganz bestimmte Menge S\u00e4ure zu bilden, und er bildet dieselbe, eine Anstellung der Versuche unter den n\u00f6thigen Cautelen vorausgesetzt, einerlei, ob die S\u00e4urung rascher bei hoher Temperatur (selbstverst\u00e4ndlich unterhalb der oben angegebenen Grenze) oder langsamer bei niederer Temperatur verl\u00e4uft. Auch ist zu vermuthen, dass die S\u00e4uremenge die gleiche bleibt, wenn der ausgeschnittene Muskel eine Zeit lang tetanisirt worden ist, w\u00e4hrend umgekehrt, das ist experimentell festgestellt, wenn ein Muskel intra corpus bei erhaltener Circulation Arbeit geleistet hat, das S\u00e4urebildungsverm\u00f6gen desselben geringer ist als in dem entsprechenden geruhten Muskel der anderen K\u00f6rperh\u00e4lfte.\nRanke\u2019s quantitative S\u00e4urebestimmungen ergeben ferner noch einen verschiedenen S\u00e4uregehalt der verschiedenen todtenstarren Muskeln desselben Thieres, so z. B. bei Kaninchen constant mehr S\u00e4ure in den Muskeln des R\u00fcckens als in denen des Schenkels,, sowie Verschiedenheiten in dem S\u00e4uregehalt des gleichen Muskels bei verschiedenen Individuen derselben Species. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Ern\u00e4hrung hierbei von grossem Einfluss ist. Die Muskeln gehungerter Thiere werden nach Cl. Bernard \u00fcberhaupt nicht sauer.\n2. Neue Bestandtheile des starren Muskels.\nDer todtenstarre Muskel enth\u00e4lt weiter einige neue Stoffe: Zucker und Milchs\u00e4uren; die ihren wichtigsten Eigenschaften nach der eingehenden Besprechung der chemischen Ver\u00e4nderungen des Muskel vorangestellt werden sollen.\n1 J. Ranke, Tetanus S. 142. Leipzig 1865.","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Neue Bestandteile des starren Muskels. Der Fleisclizucker. Milchs\u00e4uren. 289 Zucker des Muskels.\nDer Zucker des Muskels, von Meissner1 zuerst isolirt und Fleisclizucker genannt, in fr\u00fcheren Zeiten \u00fcbrigens schon mehrfach gefunden, so von Heynsius2, van Deen3, Winogradoff4 u. A. ist bis jetzt noch nicht kristallinisch erhalten, auch noch nicht in krystallinischen Verbindungen mit Salzen und anderen Stoffen, und \u00fcberhaupt noch nicht ausreichend untersucht. Aus Meissner\u2019s Angabe, dass diese Zuckerart alkoholischer G\u00e4hrung f\u00e4hig ist, und aus der von 0. Nasse5, dass ihr Keductionsverm\u00f6gen durch Kochen mit Schwefels\u00e4ure nicht merklich ver\u00e4ndert wird, l\u00e4sst sich indes schon schliessen, dass sie in die Traubenzuckergruppe geh\u00f6rt. M\u00f6glicher Weise wird sich sogar Identit\u00e4t mit Traubenzucker heraussteilen.\nMilchs\u00e4uren.\nDie organische Chemie kennt vier.isomere S\u00e4uren von der Zusammensetzung C3H0O3. Diese sind: zwei Aethylidenmilchs\u00e4uren, eine Aetkylenmilcks\u00e4ure und eine Hydracryls\u00e4ure, letztere im Thierk\u00f6rper \u00fcbrigens nicht vorkommend, und daher hier ohne weiteres Interesse. Ihre Existenz wird neuerdings geleugnet (Erlenmeyer 6), so dass m\u00f6glicherweise nur drei Milchs\u00e4uren bleiben.\nIn den allgemeinen Characteren, als syrup\u00f6se, stark sauer schmeckende und reagirende Fl\u00fcssigkeiten, in Wasser, Alkohol und Aether l\u00f6slich, beim Erhitzen unter Wasserabgabe in Dilactyls\u00e4ure OeHioO\u00f6 (Michs\u00e4ureanhydrid) und Lactid C3 H4O2 \u00fcbergehend, stimmen die ersten drei S\u00e4uren, die alle im Muskel schon angetroffen sind, \u00fcberein, nicht aber in ihren Salzen, und z. Th. nicht in ihren Zersetzungsproducten und der k\u00fcnstlichen Bildungsweise. Aus diesen letzteren Verschiedenheiten ist die Constitution der S\u00e4uren erschlossen worden.\nCH 3\n1. Die Aethylidenmilchs\u00e4uren CH. OH, bei Oxydation Essigs\u00e4ure\nCOOH\nund Ameisens\u00e4ure liefernd. Man unterscheidet:\na) die optisch inactive, gew\u00f6hnliche oder G\u00e4hrungmilehs\u00e4ure. Dieselbe kommt nat\u00fcrlich vor bei der G\u00e4hrung von Kohlehydraten\n1\tMeissner, G\u00f6ttinger Nachrichten 1861. Nr. 15 und 1862. Nr. 10.\n2\tHeynsius. Nederl. Tijdschr. f. Geneesk. I. p. 209. 1857.\n3\tvan Deen, ibid. 1861. p. 67.\n4\tWinogradoff, Arch. f. pathol. Anat. XXIV. S. 600. 1862.\n5\t0. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 473. 1877.\n6\tErlenmeyer, Ann. d. Chem. u. Pharm. CIC. S. 261. 1878.\nHandbuch der Physiologie. Bd. I.\n19","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskels. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nund auch der von Inosit (Vohl l 2 3), und weiter in den Muskeln, in denen sie von Heintz 2 mehrmals gefunden worden ist. Synthetisch wird\nCHs\nsie gewonnen aus o-Brompropions\u00e4ure CHBr sowie aus Aethyliden-\nCOOH\nCH 3\nhydratcyan\u00fcr CHOH, und tr\u00e4gt auf Grund dessen die Namen a-Hy-CN\ndroxypropions\u00e4ure oder Aethylidenmilchs\u00e4ure. Das Zinksalz dieser S\u00e4ure, mit 18,18% Wasser krystallisirend, ist in 56 \u2014 63 Theilen Wasser bei 14 \u00b0C. l\u00f6slich, in Alkohol unl\u00f6slich.\nb) Die optisch active oder Paramilchs\u00e4ure, auch wohl Fleischmilchs\u00e4ure genannt. Dieselbe kommt nur nat\u00fcrlich vor im Muskel, sowie in anderen thierischen Theilen und Fl\u00fcssigkeiten, und ist auch von Maly 3 einmal bei der G\u00e4hrung von Rohrzucker gefunden. Das Zinksalz (links drehend, -w\u00e4hrend die freie S\u00e4ure rechts dreht) kry-stallisirt mit 12,9% Wasser, ist schon in 17,5 Theilen Wasser und auch etwas in Alkohol l\u00f6slich.\nch2. OH\n2. Die Aethylenmilchs\u00e4ure CH2 , optisch inactiv, bei Oxy-\nCOOH\ndation Malons\u00e4ure liefernd, kommt nat\u00fcrlich im Muskel vor, sowie bei G\u00e4hrung von Inosit (Hilger4), wird synthetisch aus Aethylen-CH2. OH\nhydratcyan\u00fcr CH 2 dargestellt. Das Zinksalz, wie das der Para-CN\nmilch s\u00e4ure 12,9% Wasser enthaltend, zerfliegst an der Luft und ist in Alkohol leicht l\u00f6slich.\n3. Umwandlung der Muskelstoffe bei der Erstarrung.\nDie sonstigen chemischen Ver\u00e4nderungen des Muskels sind nun an dessen einzelnen Bestandtheilen, in der Ordnung, in welcher sie bei dem ruhenden Muskel aufgef\u00fchrt sind, zu verfolgen.\nDie Eiweissk\u00f6rper.\nTodtenstarre Muskeln ausgepresst liefern unter allen Umst\u00e4nden eine Fl\u00fcssigkeit, welcher das Myosin, oder vielleicht richtiger gesagt, die myosinbildenden Substanzen fehlen. Dieselben m\u00fcssen also in\n1\tVohl, Ber. d. deutsch, chem. Ges. 1876. S. 984.\n2\tHeintz, Ann. d. Chem. u. Pharm. CLYII. S. 314.1871.\n3\tMaly, Ber. d. deutsch, chem. Ges. 1864. S. 1567.\n4\tHilger, Ann. d. Chem. u. Pharm. CLX. S. 337. 1871.","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Verhalten der Eiweissk\u00f6rper bei der Erstarrung.\n291\nden iml\u00f6slichen, geronnenen Zustand \u00fcbergegangen sein. Br\u00fccke 1 hatte l\u00e4ngst (1842) den Rigor auf denselben einfachen Grund zur\u00fcckzuf\u00fchren gesucht wie die Blutgerinnung, d. h. auf eine Gerinnung des hypothetischen Faserstoffs, wie das auch von Anderen, jedoch ohne hinreichende Begr\u00fcndung, schon gelegentlich geschehen war, und f\u00fcr seine Anschauung die verschiedenen Analogieen angef\u00fchrt, welche die Erscheinungen der Blutgerinnung und der Todtenstarre zeigen. Von diesen Analogieen haben einige auch heutigen Tages noch Geltung, wie die Contraction des Blutkuchens, der die h\u00e4ufig bei der Starre zu bemerkenden Bewegungen der Glieder gleich zu stellen sind, das Auspressen von Serum aus dem Blutkuchen, mit der die Ansammlung von Fl\u00fcssigkeit in queren Einschnitten des Muskels von sp\u00e4teren Stadien der Starre verglichen wird, ferner die Erweichung des Blutkuchens und der todtenstarren Muskeln durch die beginnende F\u00e4ul-niss, w\u00e4hrend einige andere hervorgehobene Analogieen wie die Unver\u00e4nderlichkeit des Volumens bei beiden Vorg\u00e4ngen jetzt als unrichtig zu bezeichnen sind. Dass Br\u00fccke den Muskelfaserstoff f\u00fcr identisch mit Blutfibrin hielt, auf welchen Irrthum haupts\u00e4chlich Virchow2 3 4 hingewiesen hat, den von Berzelius schon beobachteten Unterschied gegen\u00fcber dem kohlensauren Kali hervorhebend, thut wenig zur Sache. Wichtiger war, dass es Br\u00fccke nicht gelang, eine spontan gerinnbare Fl\u00fcssigkeit aus dem Muskel zu erhalten. Bei den von Simon 3 und von Virchow durch Auspressen noch warmer Muskeln gewonnenen gerinnbaren Fl\u00fcssigkeiten liess sich der gewichtige Einwurf erheben, dass Blut und Lymphe nicht vorher aus dem Muskel entfernt worden waren. Ganz richtig hat aber Br\u00fccke erkannt und nach ihm du Bois-Reymond 4 u. A., dass der negative Erfolg bei dem Auspressen von frischen Muskeln nicht nur nicht gegen seine Erkl\u00e4rung, sondern vielmehr f\u00fcr dieselbe spreche, weil der Muskel bei der mechanischen Misshandlung in der Presse starr werde. Den Beweis f\u00fcr die Richtigkeit von Br\u00fccke\u2019s Theorie lieferte erst K\u00fchne durch die oben ausf\u00fchrlich berichtete Untersuchung des Muskelplasmas, durch die Feststellung der Thatsachen, dass der Muskel zu derselben Zeit starr wird, zu welcher das Muskelplasma gerinnt, und dass f\u00fcr Starre und Gerinnung dasselbe Temperaturoptimum besteht, sowie dadurch, dass er aus todtenstarren Muskeln mittelst\n1\tBr\u00fccke, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1842. S. 178.\n2\tVirchow, Ztschr. f. rat. Med. IV. S. 262. 1846.\n3\tSimon, Handb. d. angewandten med. Chemie IL S. 524. Leipzig 1842.\n4\tE. du Bois-Reymond, Untersuchungen \u00fcber thierische Electricit\u00e2t II. 1. S. 156. Berlin 1849.\n19*","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\n10% Kochsalzl\u00f6sung einen Eiweissk\u00f6rper extrahirte, der alle Eigenschaften des aus Muskelplasma freiwillig ausgeschiedenen Myosins besitzt.\nIn wie weit die ausgepresste Fl\u00fcssigkeit die anderen Eiweissk\u00f6rper des Muskels enth\u00e4lt, h\u00e4ngt von den \u00e4usseren Umst\u00e4nden ab, unter welchen die Starre verlaufen ist. Ist die Temperatur des Muskels nicht \u00fcber 40\u00b0 C. beim Frosch, 45\u00b0C. bei Warmbl\u00fctern gestiegen, so muss der eigenth\u00fcmliche bei 45 bezw. 50 \u00b0C. gerinnende Eiweissk\u00f6rper, das Musculin, noch vorhanden sein, das Alkalialbuminat aber kann, wenn hinreichend S\u00e4ure entwickelt war, zum Theil ausgef\u00e4llt sein. War die Temperatur etwas, jedoch nicht viel \u00fcber die genannten Grade hinausgegangen, (man nennt die Summe der hierbei eingetretenen Ver\u00e4nderungen W\u00e4rmestarre) so fehlt nebst dem nun abgeschiedenen Alkalialbuminat das Musculin, und endlich war der Muskel allm\u00e4hlich bis auf 70\u201480 \u00b0C. erw\u00e4rmt worden, so fehlt auch das l\u00f6sliche Eiweiss, das Extract ist eiweissfrei, denn es sind nun alle Eiweissk\u00f6rper geronnen, und auch das Myosin ist nicht mehr durch Kochsalzl\u00f6sung auszuziehen. Es ist wichtig hinzuzuf\u00fcgen, dass um dieses Resultat zu erhalten, die Erhitzung nur allm\u00e4hlich geschehen soll, denn wenn frische geruhte Muskeln m\u00f6glichst rasch auf die hohe Temperatur gebracht werden, so gerinnen nicht alle Eiweissk\u00f6rper, nicht n\u00e4mlich das zur Gerinnung der S\u00e4ure bed\u00fcrfende Alkalialbuminat, das sich dann auch in der alkalisch reagirenden ausgepressten Fl\u00fcssigkeit noch findet (du Bois-Reymond %\nDie stickstoffhaltigen ExtractivStoffe.\nDie einzige bisher bemerkte Ver\u00e4nderung betrifft das Kreatin. Voit 2 hat, wie oben schon bemerkt worden ist, in dem ausgeschnittenen Muskel eine fortdauernde Abnahme der Kreatinmenge beobachtet, vermag aber nicht anzugeben, was aus dem Kreatin geworden ist. Ein Uebergang in Kreatinin wird bestimmt in Abrede gestellt. M\u00f6glicher Weise handelt es sich um F\u00e4ulnis, nicht um einen eigentlich dem Muskel angeh\u00f6renden Vorgang.\nDie Kohlehydrate.\nVon einem bestimmten Momente an, der ann\u00e4hernd mit dem Maximum der S\u00e4ure zusammenf\u00e4llt, enth\u00e4lt der todtenstarre Muskel kein Glykogen mehr, statt dessen den erw\u00e4hnten Fleischzucker (O. Nasse 1 2 3).\n1\tE. du Bois-Reymond, Monatsber. d. Berliner Acad. 1859. S. 288.\n2\tC. Voit, Ztschr. f. Biologie IV. S. TT. 1868.\n3\tO. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 9T. 1869 und XIV. S. 4T3.18TT.","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Verhalten der Kohlenhydrate hei der Erstarrung.\t293\nMan kann das allm\u00e4hliche Auftreten desselben w\u00e4hrend des Verschwindens des Glykogens verfolgen und darf ihn daher wohl unbedenklich als Abk\u00f6mmling des Glykogens betrachten. Man kennt auch keine andere einfache Muttersubstanz f\u00fcr denselben, kennt dagegen ein Ferment im Muskel (s. o. S. 277), welches Kohlehydrate der St\u00e4rkegruppe umzuwandeln im Stande ist. Endlich sind auch \u00f6fters Zwischenpro-ducte dieser Umsetzung beobachtet worden, so insbesondere Erythrodextrin von Limpricht 1 im Fleisch junger Pferde, und von K\u00fchne 1 2 in nicht ganz frischen Muskeln von Kaninchen. Dieselben m\u00fcssten eigentlich jedesmal zu treffen sein, wenn vor g\u00e4nzlichem Verschwinden des Glykogens ein absterbender Muskel untersucht wird. Es ist auf die Zwischenproducte, welche zur Aufkl\u00e4rung des Modus der anscheinend unter der Wirkung eines vom Ptyalin verschiedenen Fermentes vor sich gehenden Umwandlung des Glykogens in Traubenzucker nicht unwesentlich beitragen w\u00fcrden, noch nicht hinreichend gefahndet worden. Versuche mit dem m\u00f6glichst isolirten Fermente oder auch schon Versuche mit Zusatz von Glykogen zu zerkleinertem Muskelgewebe k\u00f6nnten zur Erkenntnis beitragen.\nWie man den Fleischzucker im Muskel allm\u00e4hlich an Menge in dem todtenstarren Muskel zunehmen sieht, so sieht man ihn, nachdem die Menge einen gewissen Grad erreicht hat, auch wieder abnehmen. Quantitative Bestimmungen des Fleischzuckers sind somit recht mislich, und k\u00f6nnen nur dann auf Werth Anspruch erheben, wenn unter Beachtung der oben bei den S\u00e4urebestimmungen angedeuteten Vorsich tsmassregeln gearbeitet worden ist. Es haben nun solche Bestimmungen ergeben, dass die Menge des Fleischzuckers im todtenstarren Muskel, als Glykogen berechnet, stets weit geringer ist als die des Glykogens im frischen Muskel; so gehen z. B. bei den Froschmuskeln 70 % .des Glykogens w\u00e4hrend des Erstarrens verloren. Werden Muskeln mit verschiedenem Glykogengehalt, aber von demselben Individuum stammend untersucht, so findet man, dass in allen Muskeln ein gleicher Bruchtheil der Kohlehydrate bei der Erstarrung verschwindet, bei Kaninchen durchschnittlich 70\u201480 \u00b0/o. Die Muskeln, von vornherein verschieden im Glykogengehalt, sind also auch wieder verschieden im Zuckergehalt. Diese Thatsache w\u00fcrde, wenn es n\u00f6thig w\u00e4re, noch als St\u00fctze f\u00fcr die Zur\u00fcckf\u00fchrung des Fleischzuckers auf das Glykogen dienen k\u00f6nnen. Rascherer oder langsamerer Verlauf der Starre, sowie Tetanisiren des ausgeschnittenen Muskels\n1\tLimpricht, Ann. d. Chem. u. Pharm. CXXXIII. S. 293. 1865.\n2\tW. K\u00fchne, Lehrb. d. physiol. Chemie S. 307. Leipzig 1866.","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Mushein. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nvor Beginn der Starre \u00e4ndern an der Gr\u00f6sse des Kohlehydratver-lustes Nichts.\nDer Kohlehydratverlust legt die Frage nahe, ob auch der zweite der neuen Stoffe des todtenstarren Muskels, die Milchs\u00e4ure etwa von den Kohlehydraten abstamme. Nun ist freilich von Borszczow1 behauptet worden, auch der ruhende Muskel enthalte schon Lactate ; wenn man indes erw\u00e4gt, dass der von Borszczow verwendete Muskel, das Herz, sehr h\u00e4ufig auch frisch schon sauer reagirend, sich zur Entscheidung der Frage \u00fcberhaupt gar nicht eignet, und wenn man ferner auch die entgegenstehende Angabe von Folwarczny2 ber\u00fccksichtigt, der in neutral reagirendem Herzfleisch die Anwesenheit von Lactaten, deren Nachweis gar nicht schwer ist, bestimmt in Abrede stellt, so d\u00fcrften zum Mindesten noch genauere Untersuchungen abzuwarten sein. Wird \u00fcbrigens die Milchs\u00e4ure neugebildet und nicht nur aus Salzen frei gemacht, so ist die Anwesenheit einer ganz geringen Menge von Milchs\u00e4ure im Muskel eben so wohl m\u00f6glich wie die einer Spur Zucker.\nAn die Entstehung der Milchs\u00e4ure aus Kohlehydraten ist ihrer l\u00e4ngst bekannten Beziehungen zu diesen halber nat\u00fcrlich auch schon fr\u00fcher gedacht worden, ganz besonders aber nachdem das constante Vorkommen von Kohlehydraten im Muskel und Verschwinden derselben bei der Erstarrung festgestellt war. Es kommen hierbei nur die \u00e4chten Kohlehydrate, das Glykogen und seine Derivate in Betracht, nicht der Inosit, dessen Vorkommen ein zu beschr\u00e4nktes ist, und von dessen Verwandlungen im Muskel man gar Nichts weiss. Die Milchs\u00e4urebildung im Muskel hat bereits oben veranlasst die Gegenwart eines Milchs\u00e4ure bildenden Fermentes im Muskel als wahrscheinlich zu bezeichnen. Nun ist aber das Ferment noch nicht iso-lirt, ja es ist noch nicht einmal der Versuch gemacht mit einem Muskel-auszuge zugef\u00fcgte Fleischzuckerl\u00f6sung unter den n\u00f6thigen Cautelen gegen das Eindringen von Pilzen u. s. w. in Milchs\u00e4ure zu verwandeln. Indes gibt es schon einige andere Gr\u00fcnde, welche die in Rede stehende Annahme st\u00fctzen k\u00f6nnen. Zun\u00e4chst sprechen die Mengenverh\u00e4ltnisse der gebildeten Milchs\u00e4ure und der verschwundenen Kohlehydrate wenigstens nicht gegen dieselbe, insofern die Menge der letzteren die erstere mehr als hinreichend deckt, wie 0. Nasse\u2019s3 Bestimmungen beider Gr\u00f6ssen (nach Anbringung der sp\u00e4ter noth wendig gewordenen Correction der Werthe f\u00fcr die Kohlehydrate) zu ent-\n1\tBorsczow, W\u00fcrzburger naturwiss. Ztschr. II. S. 65.1862.\n2\tFolwarczny, Wiener med. Wocbenschr. 1862. Nr. 4.\n3\t0. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. IL S. 97.1869 und XIV. S. 473. 1877.","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Abstammung der Milchs\u00e4ure. Bildung und Abstammung der Kohlens\u00e4ure. 295\nnehmen ist. Auch d\u00fcrfen wohl mit Recht herangezogen werden die Thatsaehen, dass im Allgemeinen bei Froschmuskeln mit der urspr\u00fcnglich vorhandenen Menge von Kohlehydraten (Glykogen) die S\u00e4uremenge steigt, und auch bei Kaninchen in den verschiedenen Muskeln hoher S\u00e4uregehalt mit hohem Glykogengehalt zusammenf\u00e4llt und umgekehrt, und endlich die glykogenfreien Muskeln gehungerter Thiere nicht sauer werden. Sollte Limpricht\u2019s1 Gewinnung von G\u00e4h-rungsmilchs\u00e4ure aus Muskel-Dextrin bei gew\u00f6hnlicher Schizomyceten-G\u00e4hrung dann als Gegenbeweis angef\u00fchrt werden, so w\u00e4re abgesehen davon, dass es sich im Muskel ja um eine ganz andere G\u00e4hrung handelt, zu erwidern, dass, wie oben schon erw\u00e4hnt worden ist, einerseits auch, wenn auch selten, G\u00e4hrungsmilchs\u00e4ure im Muskel vorkommt (Heintz 2), und andererseits bei der gew\u00f6hnlichen Pilzg\u00e4hrung auch Paramilchs\u00e4ure gebildet werden kann (Maly3). Wodurch es bedingt ist, dass bald mehr von dieser, bald mehr von jener Milchs\u00e4ure entsteht, l\u00e4sst sich weder f\u00fcr die gew\u00f6hnliche G\u00e4hrung noch f\u00fcr die Zersetzung im Muskel sagen. Es ist aber eine ganz bekannte Thatsache, dass G\u00e4hrungen innerhalb gewisser Grenzen verschieden verlaufen.\nDie Bildung der Milchs\u00e4ure aus Glykogen bzw. Fleischzucker als v\u00f6llig bewiesen angenommen, bleibt nun immer noch ein nicht unbetr\u00e4chtliches, die Milchs\u00e4ure an Menge wohl \u00fcbertreffendes Quantum von Kohlehydraten in bis jetzt unerkl\u00e4rter Weise verschwunden. Der n\u00e4chstliegende Gedanke w\u00e4re die Kohlens\u00e4ure, welche im erstarrenden Muskel entsteht, auf die verschwundenen Kohlehydrate zu beziehen. Was zuvor das Thats\u00e4chliche der Kohlens\u00e4urebildung angeht, so hatte Hermann4 durch seine Evacuationsversuche genau festgestellt, was von J. Ranke5 schon nach minder exacten Methoden vermuth et war, dass jeder ausgeschnittene Muskel das Verm\u00f6gen besitzt (unter den bei der Milchs\u00e4urebildung genauer angef\u00fchrten Bedingungen der Temperatur u. s. w.) eine bestimmte Menge von Kohlens\u00e4ure zu erzeugen, c. 0,018 \u2014 0,024 Gewichtsprocente oder ungef\u00e4hr 15 Volumprocente bei Froschmuskeln, und zwar unabh\u00e4ngig von gleichzeitiger Sauerstoffzufuhr und weiter von den Zust\u00e4nden, welche er bis zur Erstarrung durchl\u00e4uft, insbesondere unabh\u00e4ngig davon, ob die Erstarrung in einem k\u00fcrzeren oder l\u00e4ngeren Zeitraum sich vollendet, und ob der Muskel, nat\u00fcrlich vor Kohlens\u00e4ureabgabe gesch\u00fctzt,\n1\tLimpricht, Ann. d. Chem. u. Pharm. CXXXIII. S. 293. 1865.\n2\tHeintz, ibid. CLVII. S. 314. 1871.\n3\tMaly, Ber. d. deutsch, chem. Ges. 1864. S. 1567.\n4\tHebmann, Unters, \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln etc. Berlin 1867.\n5\tJ. Ranke. Tetanus S. 151. Leipzig 1865.","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nnoch Contractionen ausf\u00fchrt, welche nur die Kohlens\u00e4urebildung beschleunigen, w\u00e4hrend der in Luft tetanisirte und nachher erst in die Gaspumpe gebrachte Muskel beim Erstarren weniger Kohlens\u00e4ure bildet.\nSomit war im Muskel ein gewisser Vorrath kohlens\u00e4urebildender Substanz gefunden, wie schon fr\u00fcher ein Vorrath milchs\u00e4ure-bildender Substanz, und da beide Substanzen unter den gleichen Bedingungen verbraucht zu werden scheinen, so glaubte Hermann (ohne Kenntnis des Kohlehydratgehaltes und Kohlehydratverlustes des Muskels) die Vermuthung aussprechen zu d\u00fcrfen, dass die Milchs\u00e4ure und die Kohlens\u00e4ure die Zersetzungsproducte eines einzigen Muskelbe-standtheiles w\u00e4ren. Wenn dieser Bestandtheil nun wirklich das Glykogen oder der Fleischzucker w\u00e4re, dessen Verhalten im Muskel offenbar doch gut zu einer solchen Annahme stimmt, so w\u00fcrde sich hieran eine ganze Reihe noch kaum aufgeworfener, geschweige denn schon zu beantwortender Fragen kn\u00fcpfen. Dieselben w\u00fcrden sich zun\u00e4chst drehen um die die Zersetzung bedingenden Kr\u00e4fte und um den Modus der Zersetzung selbst. Ist es nicht unm\u00f6glich, dass die Kohlens\u00e4ure direct aus dem Zuckermolek\u00fcl entstehe , so ist doch wahrscheinlicher, dass sie erst durch Zerfall der Milchs\u00e4ure (es sei hier an die Butters\u00e4ure-G\u00e4hrung der Milchs\u00e4ure als Beispiel erinnert) gebildet wird, dass also das Kohlenstoffatom, ehe es die Form der Kohlens\u00e4ure angenommen, eine ganze Reihe von Zwischenstufen vom Glykogen aus durchlaufen hat. Bei dieser Oxydation des Kohlenstoffs m\u00fcssen, weil dieselbe in sauerstofffreien Gasgemengen, wie auch im Vacuum vor sich gehen kann, unter allen Umst\u00e4nden sauerstoff\u00e4rmere, reducirende Stoffe entstehen, seien dieses nun Theile desurspr\u00fcnglichen Kohlehydrat- oder Milchs\u00e4uremolek\u00fcls, oder Theile anderer Muskelbestandtheile, auf Kosten deren Sauerstoffgehaltes die Oxydation sich vollzogen hat. Solche Stoffe sind in dem th\u00e4tigen Muskel bereits gefunden worden und bei der grossen weiter unten zn er\u00f6rternden Aehnlichkeit der chemischen Vorg\u00e4nge in dem th\u00e4tigen und erstarrenden Muskel auch hier mit Sicherheit zu erwarten. Vielleicht kann die Restitution des erstarrenden Muskels durch sauerstoffhaltiges Blut, und der von Ludwig und A. Schmidt 1 beobachtete Sauerstoffverbrauch im blutdurchstr\u00f6mten ausgeschnittenen Muskel die Richtigkeit dieser Vermuthung schon jetzt best\u00e4tigen.\nDie eben entwickelte, bis vor Kurzem jedenfalls vollkommen m\u00f6gliche Vorstellung hat aber einen Stoss erlitten, seitdem Pfl\u00fcger\n1 C. Ludwig und A. Schmidt , Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig. 3. Jahrg. 186S. S. 1. Leipzig 1869.","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Wesen der Starre.\n297\nnncl Stintzing1 noch eine zweite, oben S. 285 geschilderte Kohlens\u00e4urequelle entdeckt haben, die von der hier angenommenen g\u00e4nzlich verschieden ist, die bedeutend gr\u00f6ssere Mengen von Kohlens\u00e4ure zu liefern vermag als der nach Abzug des Zuckers und der Milchs\u00e4ure bleibende Rest von Kohlehydraten. G\u00e4nzlich fallen w\u00fcrde die Vorstellung aber, wenn sich heraussteilen sollte, dass die neue Kohlens\u00e4urequelle die einzige ist. Daf\u00fcr ist aber der Beweis noch nicht geliefert. W\u00fcrde er geliefert, so bliebe dann zu untersuchen, was aus dem Rest von Kohlehydraten bei der Starre geworden ist.\nDie sehr eingehend studirte W\u00e4rmebildung in dem erstarrenden Muskel kann hier nur ohne Besprechung der einzelnen Untersuchungen erw\u00e4hnt werden, von electrischen Erscheinungen wird hier wie im Folgenden ganz abgesehen.\n4. Erkl\u00e4rung der Muskelstarre.\nA) Zusammenfassung der Erscheinungen.\nDer Prozess der unterhalb einer gewissen, wiederholt angegebenen Temperatur verlaufenden Starre, spontane oder auch Zeitstarre genannt, setzt sich nach dem Vorhergehenden aus einer Anzahl von Ver\u00e4nderungen der Muskelsubstanz zusammen. Diese \u201e Theilerschei-nungen der Starre\u201c sind: 1) die Ausscheidung oder Gerinnung des Myosins, 2) die Ausf\u00e4llung von Kalialbuminat, nicht unumg\u00e4nglich n\u00f6thig, also unwesentlich, ein secund\u00e4rer Vorgang, daher im Folgenden nicht weiter zu ber\u00fccksichtigen, 3) der Uebergang von Glykogen in Fleischzucker, 4) die Bildung von Milchs\u00e4ure aus Fleischzucker, 5) das Freiwerden von Kohlens\u00e4ure. Man k\u00f6nnte auch vielleicht zusammenfassend und die zuletzt versuchten Beweise f\u00fcr die Umwandlungen und Neubildungen wenigstens zum Theil als vollg\u00fcltig ansehend sagen: an dem Prozess der Starre betheiligen sich einerseits die Eiweissk\u00f6rper, wesentlich die \u00e4usseren oder mechanischen Ver\u00e4nderungen der Muskeln veranlassend, und andererseits die Kohlehydrate und ein anderer unbekannter stickstofffreier Atomcomplex, die inneren oder chemischen Ver\u00e4nderungen ganz oder zu grossem Th eile bedingend.\nEs wird nun oft der Ausdruck \u201eH\u00f6he der Starre\u201c gebraucht, ohne dass genau festgestellt ist, dass die H\u00f6hepuncte der Theiler-scheinungen, der Bildung des Zuckers, der Milchs\u00e4ure und der Kohlens\u00e4ure zeitlich vollkommen zusammenfallen. Ja es ist sogar nach den besprochenen Beziehungen dieser Stoffe zu einander wahrschein-\n1 Pfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 381.1878 u. Stintzing, ibid. S. 388","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298 Nasse. Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der ehern. Bau d. Muskeln.\nlieh, dass die genannten Vorg\u00e4nge in der erw\u00e4hnten Ordnung einander folgen, wenn sie schon einander so rasch folgen k\u00f6nnen, dass der zeitliche Unterschied kaum messbar ist. Am allerschwierigsten ist indes das Myosingerinnsel zu beobachten, f\u00fcr dessen vollkommene Bildung man gar keinen Maasstab besitzt. Es ist die Definition des H\u00f6hepunctes der Myosinausscheidung \u00fcberhaupt ganz unm\u00f6glich, ausserdem kann man aber, bis der Muskel undurchsichtig wird und sich verk\u00fcrzt, gar Nichts bestimmtes erkennen; bei der Contraction des anfangs gallertig sich ausscheidenden Myosins, von der Br\u00fccke 1 und nach ihm Hermann2 spricht, handelt es sich, wie Hermann ausdr\u00fccklich gesteht, nicht um wirkliche Beobachtungen, sondern nur um Folgerungen aus den Erfahrungen an Muskelplasma.\nB) Allgemeine Bedingungen der Erstarrung.\nIn das Wesen der Starre wird man, so weit sich nicht schon aus dem Mitgetheilten gewisse Schl\u00fcsse ziehen lassen, am ersten einen Einblick erhalten durch Pr\u00fcfen der in der allgemeinen Muskei-physik Cap. Todtenstarre zum Theil schon erw\u00e4hnten, hier aber im Zusammenhang aufzuf\u00fchrenden Bedingungen, unter welchen der Muskel starr wird.\nDie Muskelstarre stellt sich ein nach dem Tod des ganzen Organismus und ebenso auch an ausgeschnittenen Muskeln, sowie ferner an noch im K\u00f6rper befindlichen Muskeln des lebenden Thieres, wenn deren Blutzufuhr abgeschnitten wird. Das Aufheben der Circulation durch Unterbinden der Arterien hat diesen zuerst von Stenson3 in seinen Anf\u00e4ngen wenigstens beobachteten, von Stannius4 und von Brown-Sequard 5 dann sp\u00e4ter weiter untersuchten Erfolg indes nur bei warmbl\u00fctigen Thieren, die Muskeln der Kaltbl\u00fcter sind in viel h\u00f6herem Grade von der Blutzufuhr unabh\u00e4ngig.\nEs fallen der Starre alle muskul\u00f6sen Gebilde der Wirbelthiere wie der Wirbellosen anheim.6 Wo Ausnahmen gefunden sind, oder noch gefunden werden, ist an St\u00f6rungen von Aussen durch Eintritt von Fl\u00fcssigkeiten, rasche Entwicklung der F\u00e4ulnis oder dergl. zu denken.\n1\tBr\u00fccke, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1842. S. 178.\n2\tHermann. Unters, \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln. Berlin 1867.\n3\tStenson, Haller, Elementa Physiologiae corp. human, etc. IV. p. 544. Lausanne 1762.\n4\tStannius, Arch. f. physiol. He\u00fck. XL S. 1.1852.\n5\tBrown-SkQUARD, Compt. rend. I. p. 855.1851.\n6\tIn eine allgemeine Behandlung der Starre w\u00fcrden auch die den in Bede stehenden ganz analogen Erscheinungen bei dem Absterben des contract\u00fcen Protoplasmas, der Leberzellen u. s. w. geh\u00f6ren.","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Bedingungen f\u00fcr den Eintritt der Starre. Beschleunigung d. Eintritts. 299\nDie Zeit bis zur v\u00f6lligen Erstarrung ist bei den verschiedenen Thieren verschieden, im Allgemeinen pflegt es zu heissen: die Starre tritt eher bei den Warmbl\u00fctern als bei den Kaltbl\u00fctern ein, steht, wie der Erfolg des Abschneidens der Blutzufuhr schon lehrt, in directer Beziehung zu dem Sauerstoff bed\u00fcrfnis (oder Schnelligkeit des Stoffwechsels). Es sind aber noch nie Versuche unter v\u00f6llig gleichen Bedingungen, besonders bei gleicher Temperatur gemacht worden. Die tiefere Lage des Temperaturoptimums f\u00fcr die Erstarrung des Froschmuskels und die Beobachtung von Cl. Bernard, dass die Muskeln von vor dem Tode auf 20 0 C. abgek\u00fchlten Warmbl\u00fctern (Kaninchen) fast ebenso langsam erstarren als die des Frosches, fordern zu neuen eingehenden Pr\u00fcfungen auf.\nBei derselben Thierart ist es nun m\u00f6glich den Eintritt der Starre zu beschleunigen und auf der anderen Seite zu verz\u00f6gern oder g\u00e4nzlich zu hemmen.\nC) Beschleunigung der Erstarrung.\nZu den beschleunigenden Mitteln geh\u00f6ren\n1)\tdie W\u00e4rme, wie schon bei den meisten Theilerscheinungen der Starre berichtet ist, f\u00fcr die auch, immer wieder die PFL\u00fcGER\u2019sche Kohlens\u00e4urequelle ausgenommen, das Temperaturoptimum das gleiche zu sein scheint. Der beschleunigende Einfluss ist so bedeutend, dass einzelne Gliedmassen auf das Temperaturoptimum erw\u00e4rmt, bei bestehender Circulation starr werden k\u00f6nnen (Hermann 1). Mit Abnahme der Temperatur geht also die Erstarrung immer langsamer vor sich, sie tritt aber auch bei 00 C. noch ein, wie Hermann2 an unter Oel aufbewahrten und vor Bact\u00e9rien m\u00f6glichst gesch\u00fctzten Muskeln zeigte.\n2)\tContractionen sei es des ganzen Thieres vor dem allgemeinen Tode, sei es ausgeschnittener Muskeln. Die Wirkung derselben von Br\u00fccke3 zuerst bez\u00fcglich der physikalischen Ver\u00e4nderungen beobachtet, von K\u00f6lliker4 5, Brown-Sequard 5 u. A. wiederholt best\u00e4tigt, erstreckt sich auf alle Theilerscheinungen der Starre.6 Insofern mechanische Mishandlungen aller Art, wie Zerschneiden,\n1\tHermann, Unters, \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln etc. S. 94. Berlin 1867\n2\tHermann, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 192. 1871.\n3\tBr\u00fccke, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1842. S. 178.\n4\tK\u00f6lliker, Arch. f. pathol. Anat. X. S. 259. 1856.\n5\tBrown-S\u00fcquard, Gaz. m\u00e9d. d. Paris 1857. p. 214.\n6\tAuch dem practischen Leben ist dieser Einfluss l\u00e4ngst bekannt; um den Eintritt der Todesstarre und der ihr folgenden F\u00e4ulniss hinauszuschieben werden in den besseren Schlachth\u00e4usern die Thiere bei vollkommener Buhe des Nachts rasch ergriffen und get\u00f6dtet. Umgekehrt kann man sicher aus dem langen Todeskampf der Fische die rasche Zersetzlichkeit ihres Fleisches zum Theil erkl\u00e4ren.","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nZerreissen, Quetschen u. s. w. als mechanische Reizungen Contrac-tionen hervorrufen, geh\u00f6rt auch die durch solche Mishandlungen bedingte Beschleunigung des Eintritts der Todtenstarre an diese Stelle. Nur gefrorene Muskeln lassen sich, wie die Darstellung des Muskelplasmas gelehrt hat, ohne Nachtheil zerkleinern. Das Frieren selbst aber kann, wenn man die K\u00e4lte rasch einwirken l\u00e4sst, Hermann\u2019s Beobachtungen nach, durch mechanische Reizung ebenfalls Contrac-tionen veranlassen und so die Erstarrung beschleunigen.\n3) Dehnung oder Belastung der Muskeln. Straff gespannte Muskeln eilen in der Erstarrung schlaffen so bedeutend voraus, dass E. Krause 1 das Erstarren der Beugemuskeln stark flectirter Glieder \u00fcbersehen konnte, und nach einigen an ausgeschnittenen Muskeln von Kaninchen und Fr\u00f6schen, gespannt und schlaff im feuchten Raume aufgeh\u00e4ngt, angestellten Versuchen sich zu der Behauptung berechtigt glaubte, dass eine gewisse Spannung des Muskels durchaus noth-wendig w\u00e4re f\u00fcr das Auftreten der Starre. Der Schluss ist aber falsch, wie Wundt'1 2 durch erneute, sorgf\u00e4ltige, l\u00e4ngere Zeit fortgesetzte Pr\u00fcfung solcher Muskeln nachwies : auch ganz erschlaffte Muskeln werden starr, nur sehr viel langsamer als gedehnte. E. Krause\u2019s Irrthum erkl\u00e4rt sich zum Theil \u00fcbrigens schon daraus, dass der gespannte Muskel von vornherein sich fester anf\u00fchlt, der Grad der Starre aber \u00fcberhaupt nur nach der Ver\u00e4nderung der mechanischen Eigenschaften des Muskels von ihm bemessen wurde. Die chemischen Ver\u00e4nderungen waren zur Zeit von Krause\u2019s Untersuchung noch nicht bekannt. Man \u00fcberzeugt sich von dem Einfluss der Spannung am besten und schnellsten, wenn man die beiden zu vergleichenden (ausgeschnittenen) Muskeln bei einer nahe dem Temperaturoptimum liegenden Temperatur absterben l\u00e4sst (0. Nasse 3). Die in Rede stehende Erscheinung steht in Einklang mit dem von Heidenhain'4 ermittelten Einfluss der Spannung der th\u00e4tigen Muskeln auf Erm\u00fcdung und S\u00e4urebildung.\nWahrscheinlich gibt es nun noch Stoffe, die in ganz bestimmter eigenth\u00fcmlicher Weise die Starre beschleunigen, vergleichbar der Beschleunigung von Fermentprozessen durch bestimmte Substanzen. Das vorliegende thats\u00e4chliche Material ist sehr gering, man kennt \u00fcberhaupt nur Wirkungen auf einzelne Theilerscheinungen, so des Blutes auf die Myosingerinnung (s. o. S. 269), verschiedener Salze und\n1\tE. Krause, De rigore mortis etc. p. 40. Dissert. Dorpat 1853.\n2\tWukdt, Die Lehre von der Mnskelbewegung S. 71. Braunschweig 1858.\n3\t0. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 282. 1878.\n4\tHeidenhain, Mechanische Leistlingen etc. bei der Muskelth\u00e4tigkeit. Leipzig\n1864.","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Beschleunigung und Hemmung des Eintritts der Starre.\n301\nAlkaloide auf die Milchs\u00e4urebildung, und es ist nicht ohne Weiteres gestattet die an einer Theilerscheinung gemachten Beobachtungen auf die anderen auszudehnen.\nTreffen alle oder mehrere beschleunigenden Umst\u00e4nde zusammen, so kann die Starre \u00e4usserst rasch eintreten.\nD) Hemmung der Erstarrung.\nBei der Hemmung del* Starre ist zu unterscheiden, ob dieselbe eine dauernde oder eine vor\u00fcbergehende ist.\nDauernd gehemmt oder aufgehoben wird die Starre in allen ihren Theilerscheinungen mit Ausnahme der Kohlens\u00e4urebildung oder eines Theiles derselben (s. o.) durch rasches Erhitzen der Muskeln auf Siedetemperatur. Ob auch Alkohol dauernd hemmt, ist noch nicht entschieden. Bleibt der Muskel einige Zeit unter Alkohol, so gerinnt nat\u00fcrlich das Myosin oder die myosinbildende Substanz wie durch Siedehitze, und wenn der Muskel nun wieder in Wasser aufgeweicht w\u00fcrde, k\u00f6nnten nur noch die im Bereiche der Kohlehydrate verlaufenden Zersetzungen (eventuell auch Ausf\u00e4llung von Kalialbuminat) eintreten, vielleicht auch Pfl\u00fcger\u2019s Kohlens\u00e4urebildung, wor\u00fcber indes noch keine Versuche vorliegen, das Bild der Starre wird aber kein vollst\u00e4ndiges mehr, du Bois-Reymond 1 hat solchen Muskel freilich nicht wieder deutlich sauer gefunden, doch war die Beobachtungszeit vielleicht nicht lang genug.\nVor\u00fcbergehende Hemmungen oder Verz\u00f6gerungen beobachtet man selbstverst\u00e4ndlich zun\u00e4chst, wenn die beschleunigenden Bedingungen so wenig wirksam wie m\u00f6glich gemacht oder in das Gegentheil verkehrt werden. So tritt im gefrorenen Muskel die Starre nicht ein, so stirbt der Muskel um so sp\u00e4ter ab, je vollst\u00e4ndiger die unten bei dem Stoffwechsel der ruhenden Muskeln n\u00e4her zu besprechende fortw\u00e4hrende Anregung oder Erregung von dem Nervensystem aus fortf\u00e4llt. Es ist hier auch der Ort die von Ludwig und A. Schmidt1 2 zuerst festgestellte und practisch verwerthete Thatsache zu erw\u00e4hnen, dass ausgeschnittene Muskeln von Warmbl\u00fctern bei k\u00fcnstlicher Durchstr\u00f6mung mit sauerstoffhaltigem Blut l\u00e4ngere Zeit am Leben erhalten bleiben, vielleicht auch die von A. von Humboldt3 und G-. von Liebig4 gemachte Beobachtung, dass ausgeschnittene\n1\tdu Bois-Reymond. Monatsber. d. Berliner Acad. S. 288. 1859.\n2\tC. Ludwig u. A. Schmidt, Arbeiten a. d. physiol. Anstalt zu Leipzig. 3. Jahrg. 1868. S. 1. Leipzig 1869.\n3\tA. v. Humboldt, Versuche \u00fcber die gereizte Muskel- und Nervenfaser II. S. 282. Posen u. Berlin 1797.\n4\tG. v. Liebig, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1850. S. 393.","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nFroschmuskeln in sauerstoffhaltigen Gasgemengen l\u00e4nger erregbar bleiben und sp\u00e4ter starr werden als in sauerstofffreien. Ja es vermag das sauerstoffhaltige Blut sogar, wie Stannius und Brown-Sequard in ihren oben citirten Experimenten durch L\u00f6sung der Arterien-Ligatur der starren Muskeln zuerst gezeigt haben, Brown-Sequard dann auch an ausgeschnittenen Muskeln durch Zuleitung eines k\u00fcnstlichen Stromes defibrinirten Blutes, wenn die Starre nur erst einen gewissen, nicht n\u00e4her definirbaren Grad erreicht hat, die normale Beschaffenheit des Muskels in jeder Beziehung wieder herzustellen. Aber auch in F\u00e4llen, in welchen die Blutcirculation allein die Starre nicht zu l\u00f6sen vermochte, gelang Preyer 1 noch die Institution, wenn er den Muskel vbr Einwirkung der Circulation in 10% Kochsalzl\u00f6sung badete, das Myosin also l\u00f6ste.\nEndlich geh\u00f6rt noch hierhin Hemmung der Starre durch con-centrirte L\u00f6sungen neutraler Alkalisalze, beruhend auf der Beschlagnahme des f\u00fcr die Zersetzungen n\u00f6thigen Wassers durch die Salzmolek\u00fcle (du Bois-Reymond 1 2, 0. Nasse 3), sowie die Hemmung durch bestimmte Stoffe verschiedener Art, welche in \u00e4hnlicher Weise spe-cifisch hemmend wirken, wie die oben angef\u00fchrten beschleunigenden (0. Nasse).\nNur bei genauster Ber\u00fccksichtigung und W\u00fcrdigung aller dieser Bedingungen wird sich die wie es scheint f\u00fcr jede Thierart und so auch f\u00fcr den Menschen specifische Reihenfolge4, in welcher bei allgemeinem Tode die Muskeln erstarren, erkl\u00e4ren lassen.\nE) Wesen der Vorg\u00e4nge bei der Erstarrung.\nVon einer Theilerscheinung der Starre, der S\u00e4urebildung, sagt du Bois-Reymond auf Grund deren Abh\u00e4ngigkeit von Temperatur, ihrer Vernichtung durch Siedehitze, ihrer Hemmung durch concentrate Salzl\u00f6sungen, dass man sich nicht leicht der Vorstellung erwehren k\u00f6nne, dass man es hier mit einem wahren G\u00e4hrungsvor-gange zu thun habe, bei der Myosingerinnung ist an die zu den fermentativen Vorg\u00e4ngen zu rechnende Gerinnung des Blutfaserstoffs erinnert worden, f\u00fcr die Zuckerbildung ist ein Ferment bereits isolirt, nur f\u00fcr die Kohlens\u00e4urebildung kennt man nicht nur noch kein Ferment, sondern gegen Hermann\u2019s aus der Unabh\u00e4ngigkeit der Kohlens\u00e4urebildung von der Sauerstoffzufuhr gef\u00fchrten Beweis,\n1\tPreyer, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1864. S. 769.\n2\tdu Bois-Reymond, Monatsber. d. Berliner Acad. 1859. S. 288.\n3\t0. Nasse, Arcb. f. d. ges. Physiol. XI. S. 138.1875.\n4\tVgl. oben Allg. Muskelphysik S. 140.","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Die Starre ein Fermentprocess.\n303\ndass es sich bei derselben nicht um eine Oxydation im gew\u00f6hnlichen Sinne sondern um einen Zerfall, einen Spaltungsprocess \u00e4hnlich der Spaltung des Zuckermolek\u00fcls in der Hefe handelt, dass die Kohlens\u00e4urebildung \u00fcberhaupt unter denselben Bedingungen wie die Milchs\u00e4urebildung vor sich geht, haben Pfl\u00fcger und Stintzing auf Grund der mehrfach erw\u00e4hnten Versuche eingewendet, dass die Kohlens\u00e4ure, weil auch bei der Temperatur des siedenden Wassers sich bildend, unm\u00f6glich einer Fermentation, sondern einer Dissociation ihre Entstehung verdanke. Es ist indes noch einmal darauf aufmerksam zu machen, dass der M\u00f6glichkeit einer zwiefachen Kohlens\u00e4urequelle Nichts entgegensteht.\nImmerhin kann demnach die Erstarrung zu einem Theile, und zwar dem gr\u00f6ssten, als ein Fermentprocess aufgefasst werden ; es ist daher weiter die Frage zu er\u00f6rtern, ob ein einziges Ferment oder mehrere die Zersetzungen veranlasse. Ohne eine Entscheidung durch Versuche \u00fcber die Isolirung der Fermente abzuwarten, wird man es schon als wahrscheinlich bezeichnen d\u00fcrfen, dass mehrere Fermente in Wirkung kommen, weil die sonst bekannten Fermente stets nur eine einzige Art von Spaltung kervorrufen k\u00f6nnen. Wenn man f\u00fcr die Annahme nur eines Ferments geltend machen will, dass die Theilerscheinungen immer zusammen verlaufen, so kann dagegen angef\u00fchrt werden, dass dieses streng genommen \u00fcberhaupt nicht der Fall ist, da erst Zucker entstehen muss, damit Milchs\u00e4ure gebildet werden kann, besonders aber, dass sehr wohl verschiedene Fermente unter den gleichen Bedingungen stehen und daher im gew\u00f6hnlichen physiologischen Gang der Dinge sehr wohl stets zu gleicher Zeit wirken k\u00f6nnen. Nun wird aber sogar eine gewisse Unabh\u00e4ngigkeit der Theilerscheinungen von einander behauptet, doch ist nicht Alles, was hier angef\u00fchrt wird, einwurfsfrei. Wenn du Bois-Reymond die Thatsache, dass gebr\u00fchter Muskel nicht mehr sauer wird, als Gerinnung des Muskelfaserstoffs ohne S\u00e4urung des Muskels hinstellt, so ist doch daran zu erinnern, dass es sich in diesem Falle, was du Bois freilich damals nicht wissen konnte, um eine ganz andere Gerinnung des Myosins als bei seiner Ausscheidung bei Erstarrung handelt, wie das Verhalten gegen Kochsalzl\u00f6sung zeigt, und dass die S\u00e4urung, wie du Bois kurz vorher selbst auseinandersetzt, durch rasches Erhitzen des Muskels \u00fcberhaupt jedes Mal unm\u00f6glich gemacht wird. Ebenso ist die von du Bois herangezogene Erscheinung saurer Reaction in nicht starrem Muskel nicht in diesem Sinne zu verwer-then, seitdem erwiesen ist, dass das Herz bei voller Leistungsf\u00e4higr keit sauer reagiren kann. Wenn die Muskeln verhungernder Kanin-","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nchen nicht sauer werden (Cl. Bernard), so ist immer noch die M\u00f6glichkeit vorhanden, dass die anf\u00e4nglich entstandene Milchs\u00e4ure, deren absolut noth Wendige Menge \u00fcberdies vielleicht so gering ist, dass sie \u00fcbersehen werden k\u00f6nnte, unter Kohlens\u00e4urebildung sich zersetzt habe, von deren Auftreten in diesem Falle \u00fcbrigens Nichts bekannt ist. Ueber die Reihenfolge der Myosingerinnung und der S\u00e4urebildung weiss man g\u00e4r Nichts, nur k\u00f6nnte man, da K\u00fchne 1 eine Bef\u00f6rderung der Gerinnung des Plasmas durch Milchs\u00e4ure dargethan hat, geneigt sein, die Milchs\u00e4urebildung f\u00fcr das zeitlich fr\u00fchere zu halten, keinen-falls aber wohl die gesammte, denn wie sich leicht durch eigends darauf gerichtete Beobachtungen zeigen l\u00e4sst, kann ein Muskel vollkommen starr, d. h. fest geronnen erscheinen, bevor das Maximum der S\u00e4ure erreicht ist. Jedenfalls geht aus Alle dem hervor, dass eine Unabh\u00e4ngigkeit der Theilersckeinungen von einander noch gar nicht bewiesen ist, wohl zu merken wieder mit Ausnahme der einen Bildungsweise der Kohlens\u00e4ure, die nicht wie die anderen Prozesse durch Siedehitze unterbrochen wird, m\u00f6glicher Weise aber gar nicht mehr zu den Theilerscheinungen der Starre geh\u00f6rt. Vielleicht f\u00fchren zur Entscheidung Versuche, in welchen eins der Substrate dauernd unl\u00f6slich gemacht wird, wie die myosinbildende Substanz beim Einlegen des Muskels in Alkohol, oder Versuche mit beschleunigenden oder hemmenden Substanzen, die m\u00f6glicher Weise doch die verschiedenen hypothetischen Fermente verschieden beeinflussen, wie denn aus einer Untersuchung von 0. Nasse 2 \u00fcber die Wirkung der Kohlens\u00e4ure schon hervorzugehen scheint, dass Zuckerbildung und S\u00e4urebildung bei Anwesenheit von Kohlens\u00e4ure mit verschiedener Schnelligkeit verlaufen.\n5. Besondere Arten der Starre.\nNachdem bisher ausschliesslich von der spontanen oder Zeitstarre mit genauer Angabe der obersten erlaubten Temperaturgrenze und von der einen als W\u00e4rmestarre bezeichneten Modification derselben (s. oben. S. 292) die Rede gewesen ist, ist nun noch \u00fcbrig einige besondere Arten von Starre zu erw\u00e4hnen, zugleich mit der Er\u00f6rterung, ob und wie weit dieselben von der spontanen Starre abweichen.\nVollkommen \u00fcbereinzustimmen scheint mit der spontanen Starre dieselbe Temperaturgrenze vorausgesetzt die Wasser starre, die\n1\tK\u00fchne, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1859. S. 231.\n2\t0. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S. 471. 1877.","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wasserstarre. Die chemische Starre.\n305\nSumme der Ver\u00e4nderungen, welche eintreten, wenn der Muskel in destillirtes Wasser gelegt wird, oder noch rascher, wenn durch die Blutgef\u00e4sse destillirtes Wasser getrieben wird. Man k\u00f6nnte von vornherein denken, dass etwa die Myosinausscheidung eine andere w\u00e4re wie bei der spontanen Starre, wie auch bei dein Eintropfen von Muskelplasma in destillirtes Wasser das ausgeschiedene Myosin als einfache Ausf\u00e4llung von dem eigentlichen Product des fermentativen Gerinnungsprocesses verschieden sein k\u00f6nnte in der Art, dass bei passender L\u00f6sung aus jenem Wasser-Myosin wieder eine gerinnungsf\u00e4hige Fl\u00fcssigkeit sich gewinnen liesse; es ist aber auf diesen Punct noch nicht hinreichend geachtet worden. M\u00f6glicher' Weise liegen indes bei dem Muskel die Dinge doch etwas anders als bei dem Muskelplasma, da der wirklichen Ausf\u00e4llung des Myosins, an der Undurchsichtigkeit des Muskels zu erkennen, deutlich Zuckungen vorangehen, die lange bekannt und oft Gegenstand der Untersuchung gewesen sind (vgl. die allgem. Muskelphysik). Von den anderen Theilerscheinungen ist nur bekannt, dass der Gesammtverlust des Muskels an Kohlehydraten eben so gross ist wie bei der spontanen Starre, und dass sich S\u00e4ure bildet. Der Muskel kann aber, wenn er schon ganz geschwollen und weiss ist, noch neutral reagiren (du Bois-Reymond '), die ganze Menge der S\u00e4ure entwickelt sich erst allm\u00e4hlich. Zur Aufkl\u00e4rung der Beziehungen der einzelnen Theiler scheinungen der spontanen Starre zu einander kann dieses Verhalten nat\u00fcrlich Nichts beitragen.\nVon den der Starre \u00e4hnlichen Ver\u00e4nderungen, welche entstehen, wenn der Muskel direct mit gewissen dem Organismus ganz fremden oder in anderen Mengeverh\u00e4ltnissen zukommenden Substanzen in Ber\u00fchrung gebracht, oder selbige ihm durch das Blut zugef\u00fchrt werden, \u2014 man k\u00f6nnte sie zusammenfassend als chemische Starre bezeichnen \u2014 l\u00e4sst sich nichts Allgemeines sagen, es m\u00fcsste jede einzelne Art, wie die von K\u00f6lliker'1 2 entdeckte Veratrinstarre, die von Coze 3 4 5, Kussmaul 4 und H. Ranke 5 beobachtete Chloroformstarre u. s. w. genau nach allen Richtungen hin untersucht werden. Da w\u00fcrden sich dann wahrscheinlich bedeutende Verschiedenheiten zwischen den \u00e4usserlich ganz gleich erscheinenden Arten finden. Nur die S\u00e4urestarre kennt man etwas n\u00e4her. Man weiss durch K\u00fchne\n1\tdu Bois-Reymond, Monatsber. d. Berliner Aead. 1859. S. 288.\n2\tK\u00f6lliker, Arcb. f. pathol. Anat. X. S. 259. 1856.\n3\tCoze, Compt. rend. XXVIII. p. 534. 1849.\n4\tKussmaul. Prager Vjscbr. IL S. 67. 1856 u. Arcb. f. pathol. Anat. XIII. S. 289.\n1858.\n5\tH. Ranke, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1867. S. 209.\nHandbuch der Physiologie. Bd. I.\n20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 1. Cap. Der chem. Bau d. Muskeln.\nund Hermann von der Milchs\u00e4ure, dass sie in starker Verd\u00fcnnung den Eintritt der Todtenstarre beschleunigt, von den st\u00e4rkeren S\u00e4uren ebenfalls in sehr verd\u00fcnnter Form, nach Beobachtungen am Muskel -plasma wie am frischen Muskel, dass sie anfangs Myosin f\u00e4llen, im lebenden Muskel nach mehr oder minder heftigen Zuckungen, denn die verd\u00fcnnten S\u00e4uren sind Muskelreize, dann aber das Myosin wieder l\u00f6sen, so dass es jedenfalls nicht zum vollkommenen Bild der Starre kommt. Ein nachtr\u00e4gliches theilweises Lockern des Myosingerinnsels soll nach K\u00fchne auch die in dem Muskel selbst entwickelte Milchs\u00e4ure bewirken k\u00f6nnen, daher der todtenstarre Muskel schon wieder weicher wird, bevor es zur l\u00f6senden F\u00e4ulniss kommt. Wie bei Behandlung mit verd\u00fcnnten Minerals\u00e4uren die \u00fcbrigen Theil-erscheinungen sich entwickeln, ist unbekannt, doch lassen schon J. Munk\u2019s Angaben \u00fcber die grosse Empfindlichkeit des zuckerbildenden Fermentes vermuthen, dass die Entwicklung nicht vollkommen ist. Damit stimmt auch \u00fcberein, dass es bei den st\u00e4rkeren S\u00e4uren nicht zur Kohlens\u00e4ureentwicklung kommt, nur zum Freiwerden der fr\u00fcher erw\u00e4hnten fest gebundenen. Einzig in Kohlens\u00e4ure scheint nach den \u00fcbereinstimmenden Mittheilungen von G-. von Liebig 1, J. Ranke'2 und Hermann3 die Erstarrung vollkommen zu werden und zwar rascher als in atmosph\u00e4rischer Luft. Auch kommt es hier nach Hermann sicher zur Bildung von Milchs\u00e4ure, und ist der Kohlehydratverlust nach 0. Nasse4 sicher eben so gross wie bei dem in atmosph\u00e4rischer Luft erstarrten Muskel, nur scheinen in den sp\u00e4teren Zeiten der Starre, lange nach der vollst\u00e4ndigen Gerinnung des Myosins, die einzelnen Prozesse nicht mehr in derselben Weise neben einander zu verlaufen wie bei normaler Erstarrung.\n1\tG. v. Liebig, Arch. f. Anat. u, Physiol. 1850. S. 393.\n2\tJ. Ranke, ibid. 1864. S. 320.\n3\tHermann, Unters, \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln S. 54. Berlin 1867.\n4\t0. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S. 471. 1877.","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Der Stoffwechsel der Muskeln. Die Untersuchimgsmethoden.\n307\nZWEITES CAPITEL.\nDer Stoffwechsel der Muskeln.\nEinleitung.\nDie Untersuchungsmethoden.\nDie Methoden der Erforschung des Stoffumsatzes in dem Muskel sind f\u00fcr die beiden zu unterscheidenden Zust\u00e4nde desselben: Ruhe und Th\u00e4tigkeit im Wesentlichen die gleichen, wenn sich auch die eine f\u00fcr diesen, die andere f\u00fcr jenen Zustand mehr oder ausschliesslich eignet. Es sind in erster Linie Beobachtungen angestellt an den ausgeschnittenen Muskeln selbst, indem die chemische Zusammensetzung von entsprechenden Muskeln beider K\u00f6rperh\u00e4lften eines Thieres oder mindestens von zwei m\u00f6glichst gleichen Individuen derselben Thierspecies in verschiedenen Zust\u00e4nden, wie in Ruhe oder nach geringerer oder gr\u00f6sserer Arbeitsleistung, ermittelt wurde. Es leiden aber die meisten nach dieser von Helmholtz 1 begr\u00fcndeten Untersuchungsweise angestellten Beobachtungen an einem doppelten Fehler, auf welchen Hermann1 2 zuerst aufmerksam gemacht hat. Einestheils hat das Studium der Bedingungen f\u00fcr die Todtenstarre gelehrt, dass Contractionen die Entwicklung der Starre beschleunigen; man wird also im g\u00fcnstigsten Falle, d. h. wenn man, falls dies \u00fcberhaupt m\u00f6glich ist, beide mit einander zu vergleichenden Muskeln in einem bestimmten Momente br\u00fcht, wodurch man also die eigentlichen Fermentvorg\u00e4nge unterbricht, nur einen ruhenden Muskel mit einem sowohl durch Contractionen als auch durch Starre ver\u00e4nderten Muskel vergleichen, den Antheil der durch die Th\u00e4tigkeit veranlassten Ver\u00e4nderungen nur schwer oder gar nicht bestimmen k\u00f6nnen. Dieser Antheil liesse sich \u00fcberhaupt nur bestimmen, wenn die Ver\u00e4nderungen durch Th\u00e4tigkeit und Erstarrung verschieden w\u00e4ren; das scheint aber nach dem bei der Starre bereits Besprochenen nicht der Fall zu sein, insofern die Gr\u00f6sse der \u00fcberhaupt zu messenden Zersetzungen in einem erstarrten Muskel dieselbe bleibt, wenn er erst nach langen\n1\tHelmholtz, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1845. S. 72.\n2\tHermann, Unters, \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln S. 84. Berlin 1867.\n20*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308 Nasse. Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\nheftigen Contractionen starr wird. Werden nun aber die Muskeln nicht gebr\u00fcht, und dieser zweite Fehler ist eben sehr h\u00e4ufig oder meist begangen worden, sind also die Prozesse in dem ausgeschnittenen absterbenden Muskel s\u00e4mmtlick nicht unterbrochen, so werden nun beide Muskeln w\u00e4hrend der Vorbereitungen zur Untersuchung, die nur bei der Pr\u00fcfung der Reaction so gut wie keine Zeit in Anspruch nehmen, starr, und es wird sich entweder gar kein Unterschied zeigen, oder ein Unterschied wie zwischen zwei in verschiedenen Stadien der Starre befindlichen Muskeln, da ja in dem th\u00e4tiger gewesenen Muskel die Starre in allen ihren Theilerscheinungen sich rascher entwickelt. Sichere Schl\u00fcsse auf die Vorg\u00e4nge bei der Th\u00e4-tigkeit des Muskels lassen sich hieraus nat\u00fcrlich nicht ziehen.\nMan kann aber auch zwei Muskeln, die bei erhaltener Circulation eine Zeit lang in verschiedenen Th\u00e4tigkeitszust\u00e4nden sich befunden hatten, auf ihre Zusammensetzung mit einander vergleichen. Da ist denn auch wieder zur Vermeidung des zuletzt gedachten Fehlers nach dem Ausschneiden der Muskeln durch sofortiges Br\u00fchen wenigstens ein Theil der weiteren Zersetzungen abzuschneiden, und bei der Beurtheilung von etwa gefundenen Unterschieden die W\u00fcrdigung der Wirkung des Blutstromes, der vielleicht Zersetzungspro-ducte wegf\u00fchrt, neue Stoffe daf\u00fcr zuf\u00fchrt, nicht zu vergessen.\nEine zweite von Ludwig1 eingef\u00fchrte Methode sucht den Stoffumsatz im Muskel durch Untersuchung des ein- und austretenden Blutes zu ermitteln, hat \u00fcbrigens bis jetzt fast nur zur Kenntnis der Muskelathmung beigetragen.\nDie dritte Methode endlich, die wohl von Lehmann2 zuerst in ausgedehnterem Maasse benutzt ist, vergleicht miteinander, wenn sie vollkommen ist, unter Ber\u00fccksichtigung der Einnahmen, die Ausgaben des Gesammtorganismus bei Th\u00e4tigkeit, bei Ruhe und unter Ausschaltung eines Theiles oder s\u00e4mmtlicher willk\u00fcrlicher Muskeln.\nDie verschiedenen Methoden controliren sich nicht nur, sondern sie erg\u00e4nzen sich auch; das ist sehr wichtig, weil durch einige milder eine Theil des aus Verbrauch und Ersatz bestehenden Stoffwechsels zu verfolgen ist. Auch muss noch besonders bemerkt werden, dass die Ergebnisse des Gesammtstoffwechsels nur dann ver-werthbar sind, wenn sie mit den Resultaten der anderen Untersuchungen \u00fcbereinstimmen; wichen sie ab, so w\u00e4re an eine Compensation\n1\tSczelkow, Sitzungsber. d. Wiener Acad. Matkem.-naturwiss. Cl. XLV. S. 171.\n1862.\n2\tC. G. Lehmann. R. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. II. S. 21. Braunschweig\n1844.","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Die Untersucliiingsmetlioden. Stoffumsatz in der Ruhe.\t. 309\ndurch gleichzeitige Ver\u00e4nderungen des Stoffwechsels in anderen Organen zu denken.\nDie chemischen Ver\u00e4nderungen des Muskels sollen nun wie hei der Starre an den einzelnen Bestandteilen in der fr\u00fcheren Reihenfolge besprochen werden, nur soll der Einzelbesprechung die Darstellung des Gaswechsels des Muskels vorausgeschickt werden, theils weil derselbe f\u00fcr die Erkenntnis der Vorg\u00e4nge im Muskel von grosser Wichtigkeit ist, theils weil so am wenigsten \u00fcber den nicht ohne Weiteres klaren Zusammenhang des Gaswechsels mit den anderen Zersetzungen pr\u00e4judicirt wird.\nI. Der Stoffuinsatz in der Ruhe.\nDie Tr\u00e4gheit des Umsatzes in der Ruhe erschwert nicht unbedeutend die Erforschung desselben, macht eine Verwendung der Kaltbl\u00fcter mit ihrem an und f\u00fcr sich schon langsamem Stoffwechsel fast ganz unthunlich. Die M\u00f6glichkeit den Stoffwechsel des ruhenden Muskels zu ermitteln .ist aber dadurch gegeben, dass er einerseits noch mehr geschw\u00e4cht, und andererseits, ohne dass es zur Th\u00e4tigkeit kommt, verst\u00e4rkt werden kann. Die Schw\u00e4chung wird hervorgebracht durch Trennung des Muskels von den nerv\u00f6sen Centralorganen, sei es mechanisch, sei es durch Gifte. Schon ein ausgeschnittener Muskel mit langem Nerven stirbt eher ab, als wenn der Nerv dicht an der Eintrittsstelle abgeschnitten ist (H. Munk 0, und noch rascher, wenn er in Verbindung geblieben mit dem R\u00fcckenmark. Die haupts\u00e4chlichsten Beweise f\u00fcr eine fortw\u00e4hrend von den Centralorganen ausgehende Anregung des Stoffwechsels werden erst durch die unten anzuf\u00fchrenden, von R\u00fchrig und Zuntz, Pfl\u00fcger, Colasanti, Chan-delon u. A. ermittelten Thatsachen geliefert. Dieser Tonus, chemischer Tonus, wie R\u00fchrig und Zuntz ihn nennen, in welchem sich der normale Muskel im K\u00f6rper stets befindet, ist ein Reflextonus, und kann daher herabgesetzt werden sowohl in seinem centrifugalen Theile, wie bereits bemerkt, durch mechanische Trennung des Muskels von den Centralorganen oder L\u00e4hmung der Muskelnerven durch Curare, Morphium u. s. w., wie auch in seinem centripetalen Theile durch Verminderung der den Tonus ausl\u00f6senden Reize, so u. A. durch Gleichmachen der Temperatur der Haut und ihrer Umgebung. Umgekehrt ist es auch m\u00f6glich von der Peripherie her den Tonus und so den Stoffumsatz des Muskels zu verst\u00e4rken, so von den Hautnerven aus vermittelst Reizung durch Abk\u00fchlung, von dem Opticus\ni H. Munk, Allg. med. Centralztg. 1860. Nr. 8.","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\naus vermittelst Belichtung u. s. w. Auch durch vermehrte Spannung l\u00e4sst sich der Stoffwechsel, wie Heidenhain\u2019s! Untersuchungen gelehrt haben, nicht unbedeutend erh\u00f6hen.\n1. Der Gas Wechsel des ruhenden Muskels.\nDie erste Gruppe der hierher geh\u00f6rigen Untersuchungen bezieht sich auf ausgeschnittene Muskeln kaltbl\u00fctiger Thiere, von denen aber aus den besprochenen Gr\u00fcnden von vornherein wenig zu erwarten ist. Alle Beobachter: du Bois-Reymond2, G. von Liebig3, Valentin4, Matteucci5, Hermann6 7 stimmen darin \u00fcberein, dass der ruhende Muskel Kohlens\u00e4ure abgibt, und zwar unabh\u00e4ngig vom Blutgehalt, sowie auch in sauerstofffreien Gasgemengen. Ebenso ist auch zuerst von Liebig und dann weiter von den anderen genannten Autoren mit immer mehr vervollkommneten Methoden eine Sauerstoffaufnahme, ebenfalls unabh\u00e4ngig vom Blutgehalt, dargethan worden. Nun zwingen aber schon Valentin\u2019s, von Hermann durch ganz exacte Versuche best\u00e4tigte Angaben \u00fcber einen, dem beschriebenen \u00e4hnlichen Gaswechsel des absterbenden, des abgestorbenen und sogar des faulen Muskels zur gr\u00f6ssten Vorsicht in der Verwendung jener Thatsachen. Hermann bezieht in Folge dessen den Gaswechsel des ausgeschnittenen Muskels, den er mit Vergr\u00f6sserung der Oberfl\u00e4che zunehmen sah, wesentlich auf faulige Prozesse, die haupts\u00e4chlich auf der Oberfl\u00e4che des Muskels und weiter auf freien Schnittfl\u00e4chen verlaufen. Dies gilt ganz besonders f\u00fcr den Sauerstoffverbrauch. Einem m\u00f6glicher Weise zu machenden Einwande, dass die Versuche mit Vergr\u00f6sserung der Oberfl\u00e4che gar nicht beweisend seien, weil ja selbstverst\u00e4ndlich dadurch die Aufnahme des Sauerstoffs erleichtert werde, begegnet Hermann durch den Vergleich mit frischen, w\u00e4rme-oder wasserstarren Muskeln, der keinen Unterschied in dem Sauerstoffverbrauch ergab. Immerhin darf eine physiologische Sauerstoffaufnahme seitens des ausgeschnittenen Froschmuskels, der geringen Menge wegen \u00fcbrigens der Bestimmung sich vollkommen entziehend, doch nicht ganz geleugnet werden. F\u00fcr dieselben sprechen die schon von Alexander von Humboldt 7 und ferner von Liebig und von\n1 R. Heidenhain, Mechanische Leistung etc. bei der Muskelth\u00e4tigkeit. Leipzig\n1 Q A/t\n2 du Bois-Reymond, m\u00fcndliche Mitthe\u00fcung an G. v. Liebig, in des letzteren Arbeit angef\u00fchrt.\n3\tG. v. Liebig, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1850. S. 393.\n4\tVat.t7.nttn, Arch. f. physiol. Heilk. XIV. S. 431. 1855.\n_\t____J. Aj T ICK\u00df\n5\tMatteucci, Compt. rend. I. 1856.\t__\t'.\t.0\u201e\u201e\n6\tL. Hermann, Unters, \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln. Berlin 186 <.\n7\tA. y. Humboldt, Versuche \u00fcber die gereizte Muskel - und iServentaser n. S. 282. Posen u. Berlin 1797.","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Der Gaswechsel des ruhenden Muskels.\n311\nHermann gemachten Beobachtungen \u00fcber die l\u00e4ngere Erhaltung der Lebenseigenschaften des Muskels in sauerstoffhaltigen Gasgemischen gegen\u00fcber solchen, die frei von Sauerstoff sind, nat\u00fcrlich aber nur indifferente Gase wie Wasserstoff, Stickstoff, Kohlenoxyd enthalten. D\u00fcnne Muskeln, wie z. B. den Sartorius sah Hermann in Sauerstoff eher absterben als in Wasserstoff, und erkl\u00e4rt diese Erscheinung durch ein Ueberwiegen der die F\u00e4ulnis beg\u00fcnstigenden und den d\u00fcnnen Muskel in seiner ganzen Masse rasch zerst\u00f6renden Wirkung \u00fcber die erhaltende des Sauerstoffs. Wie die Sauerstoffaufnahme so stammt auch gewis die Kohlens\u00e4urebildung, wenn nicht ganz, so doch zum grossen Theil, von F\u00e4ulnisprozessen an der Oberfl\u00e4che des Muskels, eine neue Complication tritt hier aber ein durch die oben mitge-theilte Kohlens\u00e4urebildung in dem erstarrenden Muskel. Der Vieldeutigkeit der Resultate wegen ist die ganze Untersuchungsmethode \u00fcberhaupt 'wohl aufzugeben.\nWer zuerst ven\u00f6ses Blut aus den Muskelvenen hat ausfliessen gesehen, l\u00e4sst sich nicht mehr feststellen. Cl. Bernard1 bemerkt bei Anf\u00fchrung der Thatsache selbst, dass der durch Nervendurchschneidung gel\u00e4hmte Muskel ein weniger dunkles Venenblut besitze, ohne jedoch auf eine Erkl\u00e4rung dieses Falles von bis unter die Ruhe herabgesetztem Stoffwechsel einzugehen. Die wichtigsten der in diese zweite Gruppe geh\u00f6rigen Untersuchungen sind im LuDWia\u2019schen Laboratorium gemacht worden. Zun\u00e4chst arbeitete Sczelkow 2 mit dem (ruhenden) Muskel des lebenden Thieres, das einstr\u00f6mende arterielle Blut (A) mit dem aus der Vena profunda femoris ausstr\u00f6menden (VR) vergleichend auf seinen mittelst der Gaspumpe von Ludwig ermittelten Gasgehalt. Es wurden folgende Werthe f\u00fcr den Gehalt des Blutes an Sauerstoff, Stickstoff und Kohlens\u00e4ure (lockerund festgebundene), in Volumprocenten des Blutes berechnet auf 0\u00b0 und 1 Meter Quecksilberdruck erhalten.\n\t0\tN\tA\u2019COi\tn_ CO, o- 0\nJ A\t16,289\t0,931\t28,389\t\ni VR\t8,217\t0,951\t34,260\t\n( A\t12,083\t1,108\"\t27,103\t\nVR\t4,389\t1,080\t34,404\t0,949\n| VB\t4,680\t1,318\t39,530\t1,679\nf A\t17,334\t1,636\t24,545\t\n\u25a0 VR\t7,500\t1,364\t31,586\t0,716\n1 VB\t1,265\t0,923\t34,881\t0^643\n1\tCl. Bernard. Le\u00e7ons sur les propri\u00e9t\u00e9s des tissus vivants p. 22 i. Paris 1857.\n2\tSczelkow, Sitzungsber. d. Wiener Acad. Matbem.-naturwiss. Cl. XLV. S. 171.\n1862.","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\nEs findet hiernach in den ruhenden Muskeln fortw\u00e4hrend eine lebhafte Kohlens\u00e4urebildung statt, im Mittel aus allen Versuchen Sczel-kow\u2019s eine Zunahme um 6,71 \u00b0/o in dem durchstr\u00f6menden Blute, und auch ein starker Sauerstoffverbrauch, im Mittel eine Abnahme von 9 % im Blute.\nLudwig und A. Schmidt 1 schlugen dann ein neues Verfahren ein, dessen Princip darin bestand, einen k\u00fcnstlichen Strom frischen, faserstofffreien Blutes desselben Thieres, 18\u2014200 C. warm, durch die eben ausgeschnittenen Muskeln, M. biceps und semitendinosus vom Hunde, zu leiten und wiederum die Ver\u00e4nderung dessen Gasgehaltes auf dem Wege durch den Muskel festzustellen. Die Versuche betrafen somit Muskeln mit stark herabgesetztem Stoffwechsel, denn zu der Trennung derselben von den Centralorganen kommt noch die abnorm niedere Temperatur. Sauerstoffverbrauch und Kohlens\u00e4ureabgabe war auch hier zu erkennen, durchschnittlich aber im Verh\u00e4ltnis zur Sauerstoffaufnahme eine gr\u00f6ssere Kohlens\u00e4urebildung als in der Versuchsreihe von Sczelkow. Auch beim Durchleiten von sauerstofffreiem Blut fand noch Kohlens\u00e4ureabgabe statt. Ludwig und Schmidt schliessen hieraus auf eine dem ausgeschnittenen Muskel eigenth\u00fcmliche, mit dem Absterben einhergehende Kohlens\u00e4urebildung, entsprechend der von Hermann am ausgeschnittenen Froschmuskel nachgewiesenen. Eine Abh\u00e4ngigkeit, Wachsen, des Sauerstoffverbrauches von der Str\u00f6mungsgeschwindigkeit des Blutes, wie sie Ludwig und Schmidt behaupteten, findet nach Pfl\u00fcger\u2019s 2 theoretischen Auseinandersetzungen und experimentellen, haupts\u00e4chlich von D. Finkler 3 beigebrachten Beweisen nicht statt, es ist der Sauerstoffverbrauch, nat\u00fcrlich innerhalb gewisser Grenzen, unabh\u00e4ngig von der Str\u00f6mungsgeschwindigkeit.\nAuch die letzte Versuchsreihe aus dem LuDwiG\u2019sch'en Laboratorium von Minot 1 2 3 4 betrifft den ausgeschnittenen Muskel des Hundes. Es wurde hier durch denselben nur Blutserum geleitet und zwar fast sauerstofffrei, und dessen Kohlens\u00e4uregehalt erh\u00f6ht gefunden, vorausgesetzt, dass das ein tretende Serum nicht mehr Kohlens\u00e4ure enthielt, als nach Sch\u00fctteln mit Sauerstoff zur\u00fcckbleibt. Im anderen Falle konnte die Kohlens\u00e4ureabgabe seitens des Muskels verhindert, ja sogar Kohlens\u00e4ure von dem Serum an den Muskel abgegeben werden. Wie weit bei diesen Versuchen die Kohlens\u00e4urebildung,\n1\tE. Ludwig u. A. Schmidt, Arbeiten a. d. pbysiol. Anstalt zu Leipzig. 3. Jahrg. 1868. S. 1. Leipzig 1869.\n2\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S. 48. 1872 und N. S. 251. 1875.\n3\tD. Finkler, ibid. X. S. 368. 1875.\n4\tMinot, Arb. a.d.physiol. Anstaitz.Leipzig.XI. Jahrg. 1876. S. 1.Leipzig 1877.","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Der Gas Wechsel des ruhenden Muskels.\n313\nderen Unabh\u00e4ngigkeit von der Sauerstoffaufnahme wieder sehr bemerkbar ist, von der unzweifelhaft im Muskel allm\u00e4hlich eintretenden, durch Blutzufluss wiederholt zu hebenden Starre abh\u00e4ngt, l\u00e4sst sich nicht entscheiden.\nDie dritte Gruppe von Beobachtungen, aus denen f\u00fcr die Athmung des ruhenden Muskels Schl\u00fcsse gezogen werden k\u00f6nnen, umfasst verschiedene, z. Th. urspr\u00fcnglich zu ganz anderen Zwecken ausgef\u00fchrte Arbeiten, alle aber betreffend den gesammten Gasaustausch des K\u00f6rpers und zwar einerseits bei Ausschaltung von Muskelgruppen oder Herabsetzung des Stoffwechsels in einem Theil oder s\u00e4mmtlichen Muskeln, andererseits unter Erh\u00f6hung des Stoffwechsels. Der Gedanke der Ausschaltung von Muskelgruppen findet sich zuerst bei Ludwig und Sczelkow j, die angewendete Methode, Unterbrechung des Blutstromes durch Compression der Aorta f\u00fchrte indes nicht zum Ziele. Dagegen ist viel zu lernen aus den Untersuchungen bei herabgesetztem Stoffumsatz der Muskeln. Zuerst haben R\u00f6hrig und Zuntz 2 ein ganz enormes Sinken der Kohlens\u00e4ureabgabe und Sauerstoffaufnahme in Folge von Curarevergiftung w\u00e4hrend k\u00fcnstlicher Respiration beobachtet, und zwar wie Zuntz 3 in einer zweiten Mittheilung angibt, ein Sinken etwa auf die H\u00e4lfte der vor der Vergiftung erhaltenen Werthe. Pfl\u00fcger1 2 3 4 best\u00e4tigte dies Verhalten, fand im Mittel den Sauerstoffverbrauch w\u00e4hrend einer energischen Curare-narkose um 35,2%, die Kohlens\u00e4ureausscheidung um 37,4 % bei Kaninchen verringert, und glaubt aus diesen so nahe bei einander liegenden Zahlen abnehmen zu d\u00fcrfen, dass beide Prozesse in relativ gleicher St\u00e4rke durch die Vergiftung betroffen werden. Endlich hat Colasanti5 6 7, als er auf Pfl\u00fcger\u2019s Veranlassung reines und mit Curare versetzes Blut durch je einen Hinterschenkel eines Hundes leitete, Kohlens\u00e4urebildung und Sauerstoffaufnahme in beiden F\u00e4llen gleich gefunden, und so den strengen Beweis geliefert, dass es sich bei der Curarevergiftung nicht um eine unmittelbare Hemmung der Spaltungsund Oxydationsvorg\u00e4nge im Muskel, sondern nur um Aufhebung einer Einwirkung vom R\u00fcckenmark aus handelt.\nWie das Curare, so setzt auch das Morphium nach den Mittheilungen von von Boeck und J. Bauer 6 sowie von Jolyet 7 den Gas-\n1\tSczelkow, Sitzungsber. d. Wiener Acad. Mathem.-naturwiss. Cl. XLY. S. 171\n1862.\n2\tR\u00f6hrig u. Zuntz, Arch. f. d. ges. Physiol. IY. S. 57. 1871.\n3\tZuntz, ibid. XII. S. 522. 1876.\n4\tPfl\u00fcger, ibid. XVIII. S. 247. 1878.\n5\tColasanti, ibid. XVI. S. 257. 1877.\n6\tvon Boeck und J. Bauer, Ztschr. f. Biologie X. S. 336. 1874.\n7\tJolyet, Gaz. m\u00e9d. d. Paris 1875. No. 7.","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314 Kasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\nWechsel bedeutend herab; ob die Verh\u00e4ltnisse aber ganz so liegen, wie bei der Curarevergiftung, d. h. ob kein unmittelbarer Einfluss auf die Vorg\u00e4nge in der Muskelsubstanz besteht, ist noch nicht klar gelegt. Es muss offenbar in jedem einzelnen Falle ein strenger Beweis verlangt werden, seitdem man eine Einwirkung der Alkaloide und verschiedener anderer Stoffe (s. oben S. 302) auf die Geschwindigkeit der Zersetzung des absterbenden Muskels kennen gelernt hat.\nDie Curarevergiftung unterscheidet sich also nicht wesentlich von der mechanischen Trennung der Muskeln von den nerv\u00f6sen Centralorganen durch Durchschneidung der Nerven oder Durchschneidung des K\u00fcckenmarks an gewissen Stellen. Nach dieser Operation sahen Erler1, sowie Pfl\u00fcger2 bei Kaninchen ebenfalls ein bedeutendes Sinken des Gasumtausches, nat\u00fcrlich aber an Gr\u00f6sse zur\u00fcckbleibend hinter der Abnahme des Gaswechsels bei der s\u00e4r\u00fcmtliche willk\u00fcrliche Muskeln betreffenden Curarevergiftung. Auch darf hier wohl erw\u00e4hnt werden, dass Voit3 die Kohlens\u00e4ureausgabe eines durch Bruch des achten Brustwirbels in der unteren K\u00f6rperh\u00e4lfte gel\u00e4hmten Mannes achtzehn Tage nach der Verletzung weit geringer fand, als seinem K\u00f6rpergewicht und Ern\u00e4hrungsverh\u00e4ltnissen entsprach.\nDer Tonus, unter welchem sich die Muskeln befinden, kann aber auch vermindert, und so der Stoffwechsel geschw\u00e4cht werden durch Schw\u00e4chung der auf die centripetalen Nerven wirkenden Reize. Die wiederholt gemachten Beobachtungen, dass bei Einwirkung von W\u00e4rme auf die Hautnerven, aber Erhaltung der Eigentemperatur der Stoffwechsel sinkt, sprechen f\u00fcr die reflectorische Natur des Tonus, doch liegt erst in dem Ausbleiben dieses Erfolges bei Curarevergiftung (R\u00f6hrig und Zuntz) und nach Durchschneidung des R\u00fcckenmarks (Pfl\u00fcger) das Recht die erw\u00e4hnten Beobachtungen in diesem Sinne zu verwerthen.\nUnter die auf den Muskel zur\u00fcckzuf\u00fchrenden F\u00e4lle von Herabsetzung des Stoffwechsels geh\u00f6rt endlich auch die w\u00e4hrend des Schlafes (auch WinteTschlafes?) vorkommende, bei der \u00fcbrigens hier uner\u00f6rtert bleiben muss, wie weit neben dem Auf h\u00f6ren der Reize auf der Peripherie eine directe Beinflussung der Centralorgane in Wirkung tritt.\nAndererseits l\u00e4sst sich auch eine Erh\u00f6hung des gesammten .Gasaustausches erkl\u00e4ren durch Mehrzerfall im Muskel, ohne dass es jedoch zu wirklichen Bewegungen kommt. Es ist m\u00f6glich, dass durch Reizung der Endorgane'jedes centripetalen Nerven der reflec-\n1\tErleb. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1876. S. 557.\n2\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 282 u. 333.1876.\n3\tC. Yoit, Ztschr. f. Biologie XIV. S. 57. 1878.","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"Gaswechsel d. ruhend. Muskels. Verhalten d. Eiweissk\u00f6rper im ruhend. Muskel. 315\ntorische Tonus verst\u00e4rkt wird. Am l\u00e4ngsten und besten bekannt ist die Vermehrung des Gaswechsels bei Reizung der Hautnerven durch K\u00e4lte, nat\u00fcrlich ohne Herabsetzung der K\u00f6rpertemperatur. Dass es sich dabei in der That um eine Einwirkung auf die Muskeln handelt, die Athmung des Muskels ver\u00e4ndert wird, haben wieder R\u00f6hrig und Zuntz durch Vergiftung mit Curare und Pfl\u00fcger durch Durchschneidung des R\u00fcckenmarks bewiesen. In beiden F\u00e4llen blieb nun der Gaswechsel unver\u00e4ndert. Es ist wohl kein Zweifel vorhanden, dass auch bei dem Opticus und Acusticus, deren Erregung den Tonus der Muskeln so augenf\u00e4llig verst\u00e4rkt, und vielleicht auch bei den anderen Sinnesnerven sich der Beweis in dieser Art f\u00fchren Hesse. So lange er aber nicht gef\u00fchrt ist, d\u00fcrfen, wie das oben schon f\u00fcr \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse bei Herabsetzung des Stoffwechsels betont wurde, die betreffenden Thatsachen nicht zu Schlussfolgerungen benutzt werden.\nAlle Untersuchungen dieses Abschnittes zusammengefasst, ergibt sich also in dem ruhenden Muskel ein nicht unbetr\u00e4chtlicher Stoffumsatz, der sich in Abgabe von Kohlens\u00e4ure und Aufnahme von Sauerstoff ausspricht.\n2. Der \u00fcbrige Stoffwechsel des ruhenden Muskels.\nUeber die Betheiligung der Eiweissk\u00f6rper oder allgemeiner gesagt, der stickstoffhaltigen Bestandtheile des Muskels liegen, ausser einer Angabe von Sczelkow 1 \u00fcber Sinken des Kreatingehaltes in durch Abtrennung vom R\u00fcckenmark gel\u00e4hmten Muskeln, welche, weil die anderen Angaben Sczelkow\u2019s \u00fcber die Physiologie des Kreatins von Nawrocki 2 bestritten werden, doch sicher auch der Best\u00e4tigung bed\u00fcrfte, nur einige Beobachtungen vor von Ver\u00e4nderung der Stickstoffausscheidung, das ist der Eiweisszersetzung des Gesammtorganismus, bei Herabsetzung und bei Erh\u00f6hung des Stoffwechsels der Muskeln in der zuletzt bei der Muskelathmung ausf\u00fchrlich besprochenen Weise. Schon als von Boeck1 2 3 gefunden hatte, dass bei Morphiumvergiftung, w\u00e4hrend die Kohlens\u00e4ureabgabe so bedeutend sinkt, die Stickstoffausscheidung nur ganz unbedeutend abnimmt, glaubte man zu dem Schl\u00fcsse berechtigt zu sein, dass im ruhenden (unvergifteten) Muskel nicht viel stickstoffhaltiges, sondern wesentlich stickstofffreies Material zersetzt werde. Aber erst nachdem R\u00f6hrig und Zuntz und Colasanti die Wirkung des Curares\n1\tSczelkow, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1866. S. 481.\n2\tNawrocki, ibid. S. 625.\n3\tvon Boeck, Zeitschr. f. Biologie VII. S. 418. 1871.","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\nklar gelegt hatten, konnte zu einer Beweisf\u00fchrung dieses Satzes geschritten werden. Derselbe ist geliefert worden von Voit 1 : Bei einem curarisirten hungernden Hunde zeigte sich w\u00e4hrend der L\u00e4hmung keine Abnahme, ja sogar eine geringe Zunahme der Eiweisszersetzung.\nAuch die Erh\u00f6hung des Stoffwechsels der Muskeln durch Einwirken der K\u00e4lte auf die Hautnerven, selbstverst\u00e4ndlich wiederum so lange die Eigentemperatur sich nicht ver\u00e4ndert, scheint nach Lie-bermeister\u2019s 2 an Menschen bei gleicher Lebensweise und Di\u00e4t an-gestellten Versuchen sich nur auf vermehrte Zersetzung stickstofffreier Substanzen nicht auf die stickstoffhaltiger zu erstrecken.\nKommen wir weiter zu den stickstofffreien Bestandtheilen des Muskels, so geht aus dem bei dem Gaswechsel, sowiesoeben bei dem Eiweissumsatz Besprochenen schon hervor, dass stickstofffreie Verbindungen fortw\u00e4hrend im ruhenden Muskel zerfallen. Voit spricht hierbei stets von Fettumsatz, aus der directen Untersuchung der Muskeln selbst geht aber nur ein Umsatz der Kohlehydrate hervor. Der Zunahme von Glykogen in gel\u00e4hmten oder k\u00fcnstlich gewaltsam zur Ruhe gezwungenen Muskeln (M\u2019Donnel3 und Ogle1 2 3 4) ist fr\u00fcher schon gedacht worden. Eine eingehendere Untersuchung ist von Chandelon 5 angestellt, in welcher derselbe wie die genannten Autoren nach Nervendurchschneidung jedesmal eine mehr oder minder betr\u00e4chtliche Vermehrung des Glykogens in den Muskeln (um 5 bis 172\u00b0o) findet, die er erkl\u00e4rt durch Aufh\u00f6ren des Verbrauchs in dem absolut ruhigen Muskel bei ungehinderter Neubildung, dagegen umgekehrt bei erhaltener Nervenverbindung des Muskels mit dem R\u00fcckenmark aber unterbrochener Circulation eine starke Verminderung des Glykogens, die er als normale Zersetzung bei gehinderter Neubildung deutet. DassA\u00dfELES'5 6 7 bei Curarevergiftung keine Zunahme des Glykogens bemerkte, ist bei der nur kurzen Beobachtungszeit nicht unverst\u00e4ndlich. Da ferner auch Boehm und Hoffmann 7 nach zu Tode f\u00fchrender Durchschneidung des R\u00fcckenmarks die Glykogenmenge der Muskulatur erh\u00f6ht sehen, so darf wohl auf eine fortw\u00e4hrende, wahrscheinlich an St\u00e4rke wechselnde Zersetzung von Glykogen im ruhenden Muskel geschlossen werden. Wie diese\n1\tVoit, Ztschr. f. Biologie XIV. S. 57. 1878.\n2\tLiebermeister, Deutsch. Arch. f. klin. Med. X. S. 90. 1869.\n3\tM\u2019Donnel, Americ. journ. of the medic, sciences XLYI. p. 523.1863.\n4\tOgle, St. George hospital reports III. p. 149. 1868.\n5\tChandelon, Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 626. 1878.\n6\tAbeles, Wiener med. Jahrb. 1877. S. 551.\t\u2022\n7\tBoehm und Hoffmann, Arch. f. exper. Pathol. VIII. S. 375. 1878.","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"Verhalten der N-freien Subst. im ruhend. Muskel. Gaswechsel d. th\u00e4t. Muskels. 317\nZersetzung* vor sich geht, insbesondere auch, ob dieselbe die Quelle der im Muskel gleichzeitig entstehenden Kohlens\u00e4ure ist, wird im folgenden Abschnitte er\u00f6rtert werden.\nZum G-esammtbild der Vorg\u00e4nge im ruhenden Muskel geh\u00f6rt nun noch die bedeutende W\u00e4rmebildung in demselben, mit dem Stoff-umsatz im Muskel zu- und abnehmend.\nII. Der Stoffumsatz bei der Tli\u00e4tigkeit.\nEs wird hier der ruhige Muskel mit dem th\u00e4tigen verglichen in der gleichen Weise, wie in dem vorigen Abschnitt der im gew\u00f6hnlichen Sinne ruhende Muskel neben einen anderen, dessen chemischer Tonus ver\u00e4ndert war, gestellt worden ist.\ni. Der Gaswechsel des th\u00e4tigen Muskels.\nIn der ersten Gruppe von Untersuchungen handelt es sich wieder um den ausgeschnittenen Muskel des Frosches. Kohlens\u00e4ureabgabe und Sauerstoffaufnahme seien vermehrt in dem gereizten Muskel, berichtete zuerst Matteucci1 und nach ihm Valentin2 3 4, letzterer jedoch mit dem Zus\u00e4tze, dass die Sauerstoffaufnahme nicht in gleichem Maasse zunehme wie die Kohlens\u00e4ureabgabe. Beide Prozesse sind also auch getrennt zu behandeln; hierbei ist haupts\u00e4chlich Hermann\u2019s eingehende, auch auf den entbluteten Muskel sich erstreckende Untersuchung zu Grunde zu legen.\nWas den Sauerstoff angeht, so ist von du Bois-Keymond4 zuerst die Vermuthung ausgesprochen, dass die Bewegung des gereizten Muskels, durch die derselbe best\u00e4ndig mit neuen Luftschichten in Ber\u00fchrung komme, die Ursache der vermehrten Sauerstoffaufnahme sei. Hermann sch\u00fcttelte, um die Richtigkeit dieser Vermuthung zu pr\u00fcfen, w\u00e4hrend ein Muskel tetanisirt wurde, einen anderen entsprechenden mit Luft und Quecksilber, und fand in der That bei letzterem die Sauerstoffaufnahme gleich, ja sogar noch gr\u00f6sser. Auch Dani-lewski5, der zwei Muskeln gleich belastete, und den einen den Zuckungen des anderen entsprechend bewegte, sah keinen Unterschied in der Sauerstoffaufnahme. Weiter fand Hermann, dass im Gegens\u00e4tze zu dem ruhenden Muskel der tetanisirte in Sauerstoff kaum\n1\tMatteucci, Compt. rend. I. 1856.\n2\tValentin, Arch. f. physiol. Heilk. N. F. I. S. 285. 1857.\n3\tHermann, Unters, \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln u. s. w. Berlin 1867.\n4\tdu Bois-Reymond, De fibrae muscularis reactione etc. S. 33. Berolini 1S59\\\n5\tDanilewski, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1874. S. 721.","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\nl\u00e4nger erregbar ist als in Wasserstoff, und folgerte aus alledem, dass die M\u00f6glichkeit einer vermehrten Sauerstoffaufnahme seitens des ausgeschnittenen th\u00e4tigen Muskels nicht ganz von der Hand zu weisen, dieselbe aber jedenfalls nicht bedeutend und mit den gebr\u00e4uchlichen Methoden nicht messbar w\u00e4re.\nDie vermehrte Ausscheidung der Kohlens\u00e4ure dagegen sah Hermann und ebenso Danilewski bei den Schtittelversuchen zu Gunsten des tetanisirten Muskels bleiben. Auch aus Muskeln im Vacuum befindlich vermochte dann Hermann w\u00e4hrend und nach dem Tetanus mehr Kohlens\u00e4ure zu gewinnen als durch dieselben Mittel w\u00e4hrend der Ruhe. Daraus folgt die Unabh\u00e4ngigkeit der Kohlens\u00e4urebildung von der Sauerstoffzufuhr, auf die schon G. von Liebig\u2019s Beobachtungen an gereizten Muskeln in sauerstofffreien Gasgemengen hindeuteten. Der gleiche Gehalt frischer wie tetanisirter Muskeln an fest gebundener Kohlens\u00e4ure lehrte ferner, dass es sich nicht bloss um Entbindung eines bereits vor dem Tetanus vorhandenen festgebundenen Kohlens\u00e4ure-Vorrathes handelt, sondern um eine wirkliche Neubildung von Kohlens\u00e4ure w\u00e4hrend des Tetanus. Endlich kann auch noch die Thatsache, dass tetanisirte Muskeln bei nachtr\u00e4glichem Erstarren an das Vacuum weniger Kohlens\u00e4ure (Hermann) und ebenso bei nachtr\u00e4glichem Kochen mit Wasser weniger Kohlens\u00e4ure abgeben (Stintzing !), f\u00fcr die Kohlens\u00e4urebildung bei Tetanus angezogen werden.\nBei den Untersuchungen der Blut gase des th\u00e4tigen Muskels begegnen uns n\u00e4chst einer Bemerkung von Cl. Bernard 2 \u00fcber dunklere F\u00e4rbung des ven\u00f6sen Blutes bei Reizung des Muskels wieder wesentlich die Arbeiten von Ludwig und seinen Sch\u00fclern, und zwar zuerst die von Sczelkow, die nach dem Studium der Vorg\u00e4nge in dem ruhenden Muskel des lebenden Thieres sich auch dem th\u00e4tigen zuwendet. Die Tabelle auf S. 311, in welcher mit VB das ven\u00f6se Blut aus dem contrahirten Muskel bezeichnet wird, l\u00e4sst deutlich erkennen, dass durch Muskelzusammenziehung der Kohlens\u00e4uregehalt des ven\u00f6sen Blutes w\u00e4chst. Der Unterschied in der Kohlens\u00e4ureausscheidung wird noch erheblicher, wenn man ber\u00fccksichtigt, dass die mittlere Geschwindigkeit des Blutes, wie Ludwig und Sczelkow bei dieser Gelegenheit fanden, im zuckenden Muskel bedeutend gr\u00f6sser ist als im ruhenden. Auch der Sauerstoffverbrauch des gereizten Muskels ist gr\u00f6sser als der des ruhenden, doch w\u00e4chst er nicht in gleichem Maasse, so dass das Verh\u00e4ltniss der gebildeten Kohlens\u00e4ure\n1\tStintzing, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 388.1878.\n2\tCl. Bernard, Le\u00e7ons sur les propri\u00e9t\u00e9s des tissus vivants p. 221. Paris 1857.","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Der Gaswechsel des th\u00e4tigen Muskels.\n319\nzu dem verschwundenen Sauerstoff, (Q) der respiratorische Quotient, wie ihn Pfl\u00fcger nennt, meist zunimmt. Die von Bernard angegebene dunklere F\u00e4rbung des ven\u00f6sen Blutes konnte Sczelkow nicht immer best\u00e4tigen.\nLudwig und. Schmidt 1 fanden im Gegensatz zu Sczelkow die Kohlens\u00e4urebildung des ausgeschnittenen Muskels bei der Contraction nicht jedes Mal erh\u00f6ht, auch den Sauerstoffverbrauch nicht constant erh\u00f6ht, auch keine Ver\u00e4nderung des respiratorischen Quotienten.\nAuch nach Minot\u2019s 2 Versuchen beim Durchleiten von Blutserum durch den ausgeschnittenen Muskel ist der Sauerstoffverbrauch im th\u00e4tigen Muskel nur unbedeutend h\u00f6her als im ruhenden, die Kohlens\u00e4ureabgabe aber gar nicht vermehrt, so dass Minot meint, dass Kohlens\u00e4ure \u00fcberhaupt nicht zu den Zersetzungsproducten geh\u00f6re, welche sich im Muskel w\u00e4hrend seiner Contraction bilden.\nIn der dritten Gruppe, behandelnd den gesammten Gas au s-tausch bei Ruhe und bei Th\u00e4tigkeit, treffen wir von Lavoisier und Seguin 3 ab, welche zuerst bei Versuchen von Seguin an sich selbst angestellt einen Mehrverbrauch von Luft d. i. Sauerstoff als Folge ausgef\u00fchrter K\u00f6rperbewegungen beobachtet haben, und weiter von den ersten exacten Experimenten von R\u00e9gnault und Reiset1 2 3 4 ab, eine grosse Anzahl von Untersuchungen mit gr\u00f6sserer oder geringerer Genauigkeit, mit und ohne Ber\u00fccksichtigung der gleichzeitigen Aufnahmen angestellt, sich erstreckend auf niedere und h\u00f6here Thiere, wie insbesondere auch auf den Menschen, zum Theil l\u00e4ngere Zeit vor und nach der Arbeitsleistung den Organismus beobachtend und zum Theil auch die Gr\u00f6sse der geleisteten Arbeit nach M\u00f6glichkeit messend. Die Resultate derselben stimmen mit denen der Arbeiten der ersten und zweiten Gruppe, wenn man absieht von denen der MiNoFsehen Versuche, die doch vielleicht in den ganz besonderen abnormen Verh\u00e4ltnissen, in welchen sich die Muskeln befanden, ihre Erkl\u00e4rung finden werden, darin \u00fcberein, dass bei der Th\u00e4tigkeit der Muskeln Kohlens\u00e4ure gebildet wird und zwar in hohem Grade unabh\u00e4ngig von der Sauerstoffaufnahme. Aus allen Untersuchungen zusammen genommen folgt sogar eine vollkommene Unabh\u00e4ngigkeit der Kohlens\u00e4urebildung im th\u00e4tigen Muskel von der gleichzeitigen Sauerstoffaufnahme.\n1\tLudwig und Schmidt, Arbeiten aus der pbysiolog. Anstalt zu Leipzig. 3. Jabrg. 1868. S. 1. Leipzig 1869.\n2\tMinot, dieselben. 11. Jabrg. 1876. S. 1. Leipzig 1877.\n3\tLavoisier, M\u00e9m. de l\u2019Acad. des sciences 1785. p. 575 u. 1789. p. 185, nach Oeuvres de Lavoisier, p. 688 u. 696. Paris 1862.\n4\tR\u00e9gnault et Reiset, Recherches chim. sur la respir. des animaux de diY. cl. Paris 1849.","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\n2. Der \u00fcbrige Stoffwechsel des th\u00e4tigen Muskels.\nUeber das Verhalten der Eiweissk\u00f6rper bei der Th\u00e4tigkeit der Muskeln geben die an dem Muskel selbst angestellten Beobachtungen im Ganzen nur wenig Aufschluss. Die schon mehrfach ber\u00fchrten Analogieen zwischen Contraction und Starre haben Hermann 1 veranlasst, eine Myosingerinnung bei der Contraction f\u00fcr m\u00f6glich oder sogar wahrscheinlich zu erkl\u00e4ren, \u00fcbrigens mit dem ausdr\u00fccklichen Zusatze, dass es f\u00fcr den Nachweis eines solchen Gerinnsels einstweilen keine Mittel gebe. Einzig k\u00f6nnte f\u00fcr diese Vermuthung eine mikroskopische Erscheinung angef\u00fchrt werden, die darin besteht, dass an den knotenf\u00f6rmigen Contractionsstellen der Muskelfasern, wie solche in dem absterbenden, aber noch contrac-tionsf\u00e4higen Muskel verschiedener Thiere leicht entstehen und sich darin fixiren lassen (Fl\u00f6gel 1 2), bei Anwendung der gebr\u00e4uchlichen als Fibrillenbildner zu bezeichnenden Reagentien die Fibrillen sich weit weniger leicht von einander abl\u00f6sen als an den in Ruhe befindlichen Theilen der Faser (0. Nasse 3 4). Es sei hier auch noch erw\u00e4hnt, dass auch der todtenstarre Muskel mit denselben Mitteln untersucht weniger leicht in Fibrillen zerf\u00e4llt als ein in Alkohol oder Salicyls\u00e4ure u. s. w. ohne Entwicklung der Starre get\u00f6dteter Muskel. W\u00e4hrend aber die besprochenen fixirten Contractionsstellen auch in Bezug auf die feinere Structur der Muskelfaser Ver\u00e4nderungen erkennen lassen, ist bei dem todtenstarren Muskel die Lage der Querstreifen in allen ihren Einzelheiten dieselbe geblieben.\nEine Verminderung des Eiweissgehaltes der Muskeln in Folge ihrer Th\u00e4tigkeit ist von J. Ranke4 behauptet worden, Hermann5 hat aber \u00fcberzeugend nachgewiesen, dass dies aus den betreffenden Versuchsreihen keineswegs hervorgeht, ja dass dieselben zum Theil sogar gradezu als ein Beweis daf\u00fcr gelten d\u00fcrfen, dass kein Stickstoff aus dem Muskel bei der Contraction ausgeschieden wird. Anders steht es mit einer Arbeit von Nawrocki6, in welcher die Eiweissstoffe durch Ueberf\u00fchren in Natronalbuminat bestimmt worden sind, aber Nawrocki legt selbst auf die sich dabei herausstellende Steigerung des Eiweisszerfalles \u201eum ein Geringes\u201c der weiten Fehler-\n1\tHermann, Unters, \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln u. s. w. Berlin 1867.\n2\tFl\u00f6gel, Arch. f. microscop. Anat. VIII. S. 69. 1872.\n3\t0. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 282. 1878.\n4\tJ. Ranke, Tetanus S. 199. Leipzig 1865.\n5\tHermann, Unters, \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln u. s. w. S. 88. Berlin\n1867.\n6\tNaavrocki, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1866. S. 385.","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"Verhalten der Eiweissk\u00f6rper des Muskels bei der Th\u00e4tigkeit.\n321\ngrenzen wegen so wenig Werth, dass auch hier eine eingehende Besprechung nicht erforderlich ist.\nNun k\u00f6nnte eine Vermehrung der stickstoffhaltigen Zersetzungs-producte im Muskel unter gewissen Umst\u00e4nden, so ganz besonders im ausgeschnittenen Muskel f\u00fcr einen erh\u00f6hten Eiweisszerfall beweisend sein. Im Gegensatz zu fr\u00fcheren Angaben \u00fcber Vermehrung des Kreatins im arbeitenden Muskel stellt aber Nawrocki1 dieselbe nach unanfechtbaren Versuchen auf das Bestimmteste in Abrede, ja Voit 2 findet sogar eine Abnahme des Kreatins im th\u00e4tigen Muskel, die aber ebenso wie die Abnahme des Kreatins bei der hier nat\u00fcrlich auch noch st\u00f6rend hinzutretenden Starre als F\u00e4ulnisserseheinung gedeutet werden muss.\nW\u00e4hrend die sich auf den Stickstoff des Muskels selbst beziehenden Untersuchungen wenig zahlreich und noch weniger erfolgreich gewesen sind, steht es anders mit den Bem\u00fchungen aus dem Gesammtstoffwechsel Aufschluss \u00fcber das Verhalten der Eiweissk\u00f6rper w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit zu erhalten. Die Literatur dieses Abschnittes der Physiologie geht mit den Arbeiten von J. Fr. Simon3 und C. G. Lehmann4 beginnend, die beide von einer Vermehrung der Harnstoffausscheidung bei k\u00f6rperlichen Anstrengungen berichteten, bis auf die allerneueste Zeit. Die Angaben stimmen zum Theil mit denen von Simon und Lehmann \u00fcberein, wiederholt wurde aber auch mit grosser Bestimmtheit eine solche Vermehrung in Abrede gestellt, so von Mosler 5 6 7 8, von Draper 6 u. A. In den zusammenstellenden Keferaten der Lehrb\u00fccher ist aber eigenth\u00fcmlicher Weise Resultaten der letzteren Art wenig Gewicht beigelegt worden. Eine entschiedene Wendung erhielt die Angelegenheit, als die Bedingungen, unter welchen derartige Versuche gemacht werden m\u00fcssen, klar gelegt wurden. Der zu dem Versuche dienende Organismus soll sich entweder, wie Bischoff und Voit 7 lehrten, im Stickstoffgleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben befinden, oder nach Voit s im Eiweisshungerzustand, weil kein anderes Moment auf die Eiweisszer-\n1\tNawrocki, Centralbl. f. d. med, Wiss. 1865. S. 417.\n2\tC. Voit, Ztschr. f. Biologie IV. S. 77. 1868.\n3\tJ. Fr. Simon. Handb. d. angewandt, medic.-Chemie II. S. 368. Leipzig 1842.\n4\tC. G-. Lehmann. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Pbysiol. II. S. 21. Braunschweig\n1844.\n5\tMosler, Beitr\u00e4ge zurKenntniss der Urinabsonderung u. s. w. Dissert. Giessen\n1853.\n6\tDraper, New-York Journal. March. 1856.\n7\tBischoff und Voit, Die Gesetze der Ern\u00e4hrung des Fleischfressers. Leipzig u. Heidelberg 1860.\n8\tVoit, Unters, \u00fcber den Einfluss des Kochsalzes u. s. w. auf den Stoffwechsel. M\u00fcnchen 1860.\nHandbuch der Physiologie. Bd. I.\n21","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\nSetzung von gr\u00f6sserem Einfluss ist als die Eiweisszufuhr. Alle ohne Erf\u00fcllung dieser Voraussetzungen angestellten Experimente k\u00f6nnen hiernach entweder gar nicht, oder nur mit grosser Beschr\u00e4nkung bei der L\u00f6sung der vorliegenden Frage in Betracht kommen. Es ergeben nun die Versuche von Voit, in welchen ein Hund im Stickstoffgleichgewicht und im Hungerzustande Arbeit (Laufen im Tretrade) leisten musste, nur unbedeutende Vermehrung der Harnstoffausscheidung. Dem offenbar nicht unberechtigten Einwurf von Meissner l 2 3, dass der Stickstoff vielleicht bei der Arbeit in anderen Formen aus dem K\u00f6rper ausgeschieden w\u00fcrde als in der Ruhe, begegnete eine neue Versuchsreihe von Voit 2 mit directer Stickstoffbestimmung der Harnbestand-theile des hungernden Hundes, die zweifellos feststellte, dass auch die st\u00e4rkste k\u00f6rperliche Anstrengung die Eiweisszersetzung nicht wesentlich vermehrt. Pettenkofer und Voit 3 haben auch ebenso genaue Versuche mit Menschen angestellt, und an zwei Hungertagen, an welchen nur etwas Fleischextract, 1,69 Grm. am Ruhetage, 1,31 am Arbeitstage, genossen wurde, gefunden in Grm.\nN-ausgabe bei Ruhe 12,26 bei Arbeit 12,27\nund ebenso bei mittlerer Kost eine vollkommene Uebereinstimmung zwischen der Stickstoffeinnahme und Ausgabe. Das erste VoiFsche Resultat wurde also auch hier best\u00e4tigt. Verschiedene gegen diese Arbeiten erhobene Einw\u00e4nde, wie der von Parkes 4 5, dass der Stickstoff m\u00f6glicher Weise erst in der der Arbeit folgenden Ruhe den K\u00f6rper verlasse, sowie der grade entgegengesetzte von J. Ranke0, dass die Stickstoffausscheidung in der Ruhe nach der Arbeit um so geringer werde, haben durch die Ausdehnung der VorFschen Versuche auf eine l\u00e4ngere Reihe von Tagen ihre Erledigung gefunden. Die kleine nicht wegzuleugnende Vermehrung der Eiweisszersetzung, die so oft gefunden worden ist, und sich auch in den ersten VorFschen Versuchen bemerklich macht, ist nach Voit eine normale Erscheinung wenn die stickstofffreien Substanzen in der Nahrung und im K\u00f6rper in zu geringer Menge vorhanden sind, und findet ebenso wie der unter denselben Verh\u00e4ltnissen zur Beobachtung kommende erh\u00f6hte urspr\u00fcngliche Eiweisszerfall eine gen\u00fcgende, aber erst sp\u00e4ter zu be-\n1\tMeissner, Bericht \u00fcber die Fortschritte der Anatomie u. Physiologie im J. 1860 S. 374. Leipzig u. Heidelberg 1862.\n2\tVoit, Ztschr. f. Biologie II. S. 307. 1866.\n3\tPettenkoper und Voit, Ztschr. f. Biologie II. S. 459. 1866.\n4\tParkes, Proceed. Roy. Soc. XV. p. 339.1867.\n5\tJ. Ranke, Tetanus S. 304. Leipzig 1865.","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"Verhalten der stickstofffreien Bestandteile des Muskels bei der Tb\u00e4tigkeit. 323\ngr\u00fcndende Erkl\u00e4rung darin, dass das stickstofffreie Material, welches bei der Contraction der Muskeln verbraucht wird, in diesen F\u00e4llen ganz oder zum Theil von den Eiweissk\u00f6rpern gebildet werden muss.\nEs ist dann zu sehen, wie sich die stickstofffreien Bestandteile der Muskelfaser bei der Tb\u00e4tigkeit derselben verhalten. Vermehrung des Fettes glaubte J. Ranke 1 beweisen zu k\u00f6nnen aus der gefundenen Vermehrung des Aether extracts; wenn die Methode auch sonst frei von Fehlern w\u00e4re, wie z. B. dem Fehler der ungleichen Betheiligung der \u00e4therextractreichen intramuskul\u00e4ren Nerven, so m\u00fcsste der Beweis doch schon aus dem Grunde mindestens als etwas unvollkommen zu bezeichnen sein, weil der tetanisirte Muskel ein Mehr von in Aether l\u00f6slichen Stoffen in der Milchs\u00e4ure erhalten hat. Von Sczelkow\u2019s'1 2 Angaben \u00fcber Abnahme der fl\u00fcchtigen Fetts\u00e4uren im tetanisirten Muskel hat Hermann3 gezeigt, dass sie der fehlerhaften Methoden wegen ebenfalls keine Ber\u00fccksichtigung verdienen. Bleiben somit nur noch die Kohlehydrate \u00fcbrig und zwar wiederum nur das Glykogen, so ist zu bemerken, dass falls im th\u00e4tigen Muskel Fleischzucker und Milchs\u00e4ure auftreten sollten, dieselben als direct oder indirect von dem Glykogen abstammend angesehen werden.\nNun ist in erster Linie bei dem Vergleiche von rasch gebr\u00fchten frischen ausgeschnittenen Muskeln mit solchen, die vor dem Br\u00fchen eine Zeit lang-tetanisirt waren, in jenen kein Zucker, in diesen aber eine messbare Menge gefunden worden, zuerst von J. Ranke4, der den Zucker aus dem Eiweiss entstanden glaubte, und weiter von 0. Nasse5, umgekehrt aber in den tetanisirten Muskeln ein geringeres Quantum von Glykogen. Aus diesem Glykogenverlust, der auch von Weiss6 best\u00e4tigt wurde, kann aber nicht ohne Weiteres auf eine vollkommene Zersetzung (Verbrauch) der Kohlehydrate geschlossen werden, wie das oft geschehen ist; ob eine solche stattfindet, kann vielmehr erst entschieden werden nach der Nebeneinanderstellung der Summen des \u00fcbrig gebliebenen Glykogens und des neu entstandenen Fleischzuckers in dem tetanisirten und der Menge des Glykogens im frischen Muskel. Hierbei wird aber stets ein Unterschied zu Gunsten der letzteren bemerkbar (0. Nasse7), nat\u00fcrlich nur gering, wenn man um die Complication durch die Starre zu vermeiden nicht sehr lange\n1\tJ. Ranke, Tetanus S. 190. Leipzig 1865.\n2\tSczelkow, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1864. S. 672.\n3\tHermann, Unters, \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln S. 87. Berlin 1867.\n4\tJ. Ranke, Tetanus S. 168. Leipzig 1865.\n5\t0. Kasse, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 97. 1869.\n6\tS. Weiss, Sitzgsber. d. Wiener Acad Mathem.-naturw. Cl. LXIV. (1) 1871. Juli.\n7\t0. Nasse, nach nicht ver\u00f6ffentlichten Beobachtungen.\n21 *","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324 Nasse, Chemie u.\n.. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\nZeit hindurch den Muskel tetanisirt. L\u00e4sst man beide Muskeln starr werden, den einen ruhend, den andern aber bei fortw\u00e4hrender Reizung, so enthalten beide schliesslich nur Zucker (s. o. S. 293) und zwar in gleichen Mengen. Da aber die Starre in dem th\u00e4tigen Muskel so sehr viel schneller eintritt als in dem ruhenden, so kann es sich leicht einmal treffen, dass man, da ja ein Maass f\u00fcr die Entwicklung der Starre fehlt, den ruhenden Muskel vor Ablauf der zur Starre geh\u00f6rigen Prozesse zur Untersuchung nimmt, und dann nat\u00fcrlich wieder die erw\u00e4hnte Differenz in dem Kohlehydratgehalt findet. Umgekehrt besitzen gel\u00e4hmte Muskeln nach den mehrfach erw\u00e4hnten Beobachtungen von M\u2019 Donnel und Ogle einen h\u00f6heren Glykogen-gehalt.\nDurch ersch\u00f6pfende Th\u00e4tigkeit bei Strychninkr\u00e4mpfen oder Te-tanisirung der Muskeln im lebenden Thier, sowie auch bei anhaltender Reizung von ausgeschnittenen Muskeln sah du Bois-Reymond 1 die neutrale Reaction der Muskeln in saure \u00fcbergehen, und zwar bei abgeschnittener Blutzufuhr weit deutlicher als bei erhaltener, weil in letzterem Falle das stets erneute alkalische Blut die in den Muskeln entwickelte S\u00e4ure s\u00e4ttigen und fortf\u00fchren musste. Ein Beispiel f\u00fcr Eintritt saurer Reaction bei erhaltener Circulation bietet das Herz (s. o. S. 266). Dass diese S\u00e4ure Fleischmilchs\u00e4ure sei, schliesst du Bois aus dem gleichen Verhalten der tetanisirten und erstarrten Muskelsubstanz gegen Lakmuspapier, und f\u00fchrt auch f\u00fcr die Wahrscheinlichkeit dieser Anschauung an, dass Berzelius, wie er im Jahre 1841 Herrn Lehmann erz\u00e4hlt habe, aus den Muskeln gehetzten Wildes eine auffallend grosse Menge Milchs\u00e4ure erhalten habe, w\u00e4hrend die Muskeln partiell gel\u00e4hmter Extremit\u00e4ten ihm weniger als sonst davon zu enthalten schienen, Diese Beobachtung von Berzelius, von Lehmann in seiner physiologischen Chemie mit den Worten angef\u00fchrt: \u201eBerzelius glaubt sich \u00fcberzeugt zu haben, dass ein Muskel desto mehr Milchs\u00e4ure enth\u00e4lt, je mehr er vorher angestrengt worden ist \u201c2, k\u00f6nnten Berzelius als den Entdecker der Beziehungen der Milchs\u00e4ure zur Muskelth\u00e4tigkeit erscheinen lassen, solche und \u00e4hnliche Beobachtungen hatten indes keine Bedeutung, ehe die Eigenschaften des ruhenden Muskels klar erkannt waren. Eine in ihren Einzelheiten hier nicht nicht n\u00e4her zu er\u00f6rternde Abh\u00e4ngigkeit der S\u00e4uremenge von der Gr\u00f6sse der Arbeit hat sich aus den Arbeiten von Heidenhain3 ergeben.\n1\tE. du Bois-Reymond, Monatsber. d. Berliner Acad. 1859. S. 288.\n2\tC. G. Lehmann, Lehrb. d. physiol. Chemie I. S. 103. Leipzig 1850.\n3\tR. Heidenhain. Median. Leistung u. s. w. bei der Muskelth\u00e4tigkeit. Leipzig\n1864.","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"Die S\u00e4urebildung im th\u00e4tigen Muskel.\n325\nDie bei der Th\u00e4tigkeit der Muskeln entstehende Milchs\u00e4ure ist noch nicht n\u00e4her untersucht; wenn Spiro1 in dem Blute tetanisirter Hunde und Kaninchen die ja \u00fcberhaupt am h\u00e4utigsten vorkommende Paramilchs\u00e4ure (Aethylenmilchs\u00e4ure) gefunden hat, so ist damit nat\u00fcrlich nicht ausgeschlossen, dass unter anderen Bedingungen sich wie in den erstarrenden Muskeln die beiden Aethylidenmilchs\u00e4uren bilden.\nIst es schon aus allgemeinen Gr\u00fcnden wahrscheinlich, dass .die Kohlehydrate des Muskels auch hier die Muttersubstanzen der Milchs\u00e4ure sind, so findet diese Annahme doch noch einen besonderen Anhalt darin, dass, wie oben schon berichtet worden ist, die von dem Muskel beim Erstarren gebildete Milchs\u00e4uremenge um so geringer ist, je l\u00e4nger der Muskel vorher bei erhaltener Circulation gearbeitet hat. Die bei dem Tetanus und bei der Starre entstehenden Milchs\u00e4uren haben also dieselbe Quelle. Ueber das Verh\u00e4ltnis der Gr\u00f6sse des Kohlehydratverbrauches bei der Th\u00e4tigkeit zu der Menge der gebildeten Milchs\u00e4ure liegen aber gar keine Bestimmungen vor, so dass von dieser Seite, wenn wir die erst unten zu behandelnde Analogie mit der Starre bei Seite lassen, einstweilen gar kein Recht besteht, auch die Bildung der Kohlens\u00e4ure mit dem Verbrauch von Kohlehydraten in Beziehung zu bringen. Weist auch Alles darauf hin, dass eine stickstofffreie Substanz die Kohlens\u00e4ure liefert, es m\u00fcsste denn aus einem Eiweissmolek\u00fcl oder einer noch complicirteren Substanz als das Eiweiss ist Kohlenstoff vielleicht nebst Wasserstoff sich abl\u00f6sen und auf Kosten des Sauerstoffs derselben Substanz oder irgend eines anderen K\u00f6rpers oxydiren k\u00f6nnen, so unterliegt es doch nach Stintzing\u2019s2 Versuchen \u00fcber die Verminderung der durch Kochen zu gewinnenden Kohlens\u00e4ure durch vorhergehendes Tetanisiren keinem Zweifel, dass Kohlehydrate allein nicht die Quelle der Kohlens\u00e4ure sein k\u00f6nnen, weil von ihnen ein derartiger Zerfall ohne Mitwirkung von Fermenten nicht bekannt ist. \u2014\nNach dieser an die Bestandtheile der Muskeln ankn\u00fcpfeuden Besprechung ihrer Ver\u00e4nderungen bei der Th\u00e4tigkeit ist noch eine kleine Anzahl von Thatsachen zu erw\u00e4hnen, die bisher keinen Platz gefunden haben, und nur zum Th eil in dem mitgetheilten ihre Deutung erhalten.\nEs geh\u00f6ren hierher in erster Linie die Ergebnisse der schon erw\u00e4hnten Untersuchung von Helmholtz3, des ersten Versuches\n1\tSpiro, Ztschr. f. physiol. Chemie I. S. 110. 1877.\n2\tStintzing, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 388. 1878.\n3\tHelmholtz, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1845. S. 72.","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326 Nasse. Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\n\u00fcberhaupt das Stattfinden eines chemischen Umsatzes im Muskel w\u00e4hrend seiner Th\u00e4tigkeit nachzuweisen. Helmholtz bestimmte die R\u00fcckst\u00e4nde w\u00e4ssriger sowie alkoholischer Ausz\u00fcge von frischen geruhten und von durch Arbeit stark angestrengten ausgeschnittenen Muskeln des Frosches, sowie der Quappe und der Taube, und fand regelm\u00e4ssig in den letzteren das w\u00e4ssrige Extract vermindert, das alkoholische vermehrt. Zur Erkl\u00e4rung dieses an und f\u00fcr sich noch keinen weiteren Aufschluss gebenden Factums l\u00e4sst sich einstweilen nur folgendes anf\u00fchren: der alkoholische Auszug muss vermehrt sein, weil an Stelle des in Alkohol unl\u00f6slichen Glykogens Zucker und Milchs\u00e4ure getreten sind, der w\u00e4ssrige dagegen vermindert, weil, wie \"es wenigstens die Analogie mit der Starre sehr wahrscheinlich macht, ein Verbrauch d. i. eine vollkommene Zersetzung einer gewissen Menge von Kohlehydraten unter Bildung von Kohlens\u00e4ure und Wasser bei der Th\u00e4tigkeit stattfindet. Helmholtz\u2019s Beobachtung ist best\u00e4tigt von J. Ranke1 mit dem Zusatze, dass das Gesammtextract des in gleicher Zeit st\u00e4rker arbeitenden Muskels geringer sei, und in Heidenhain\u2019s Laboratorium von Nigetiet und Hepner2 3 bei dem Vergleich von zwei verschieden stark arbeitenden Muskeln.\nWeiter geh\u00f6ren hierher zwei einander erg\u00e4nzende Arbeiten von Gr\u00fctzner und Gscheidlen. Gr\u00fctzner 3 wollte sehen, ob der Muskel und zwar in verschiedenen Zust\u00e4nden im Stande w\u00e4re eben so wie dem Blut, so auch Stoffen, welche leicht Sauerstoff abgeben, den Sauerstoff zu entziehen, dieselben zu reduciren, bemerkte aber nur an der Oxydation von Pyrogalluss\u00e4ure die M\u00f6glichkeit der Abgabe von Sauerstoff seitens des ruhenden und geruhten Muskels und im Gegens\u00e4tze dazu an dem Ausbleiben dieser Reaction yin festeres Gebundensein des Sauerstoffs im tetanisirten Muskel. Gscheidlen4 5 wies direct die Anwesenheit von reduciren den Substanzen im th\u00e4tigen Frosch- und S\u00e4ugethiermuskel nach an der Umwandlung von Nitraten in Nitrite und der Reduction von Indigo, ein Verhalten, welches Danilewski 5 best\u00e4tigte. Welcher Art diese reducirenden Stoffe sind, weiss man nicht. Sie sind in Alkohol l\u00f6slich, vermehren also wahrscheinlich Helmholtz\u2019s alkoholischen Auszug. Sehr wichtig w\u00e4re es noch festzustellen, ob sie in das Blut \u00fcbergehen. Einen\n1\tJ. Ranke, Tetanus S. 121. Leipzig 1865.\n2\tHeidenhain, Nigetiet u. Hepner, Arch. f. d. ges. Physiol. HI. S. 574. 1870.\n3\tP. Gr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. VH. S. 254. 1873.\n4\tGscheidlen, ibid. VIH. S. 506.1874..\n5\tDanilewski. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1874. S. 721.","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"Alkohol, ii. w\u00e4ssrig. Extract, reduc. Substanz. Wasser des th\u00e4tigen Muskels. 327\nBeitrag zur Entscheidung dieser Frage k\u00f6nnte ein Versuch von Al. Schmidt 1 liefern, in welchem sauerstofffreies Erstickungsblut durch ruhende und durch tetanisirte Muskeln geleitet und nachher mit Sauerstoff versetzt wurde. Das durch den tetanisirten Muskel geleitete Blut verzehrte eine gr\u00f6ssere Menge von Sauerstoff.\nEndlich w\u00e4re auch noch zu erw\u00e4hnen, dass Kl\u00fcpfel1 2 den absoluten S\u00e4uregehalt der t\u00e4glichen Harn menge an Arbeitstagen bedeutend h\u00f6her fand als an Buhetagen. Ueber die Natur der S\u00e4ure ist Nichts angegeben, auch wird die Thatsache selbst von Anderen bestritten.\nVon den anorganischen Bestandteilen des Muskels ist eine Betheiligung bei seiner Th\u00e4tigkeit nicht bekannt. Nur in Beziehung auf das Wasser existiren einige Angaben. Bei erhaltener Circulation wird nach J. Banke3 und Danilewski4 der arbeitende Muskel wasserreicher, und zwar wie Banke nachweist auf Kosten des Wassers im Blut, dessen Menge von im Durchschnitt 88,3 % bei ruhenden Fr\u00f6schen durch das Tetanisiren auf 87% sinkt. Eine Erkl\u00e4rung dieser Vermehrung der Vrasser anziehenden Kraft des Muskels aus der Bildung neuer Substanzen bei der Th\u00e4tigkeit ist wohl m\u00f6glich, zur Zeit aber nicht ausf\u00fchrbar.\nDie W\u00e4rmebildung und Volumenabnahme des Muskels bei seiner Contraction wird, weil an einer anderen Stelle dieses Buches ausf\u00fchrlich behandelt, hier nur der Vollst\u00e4ndigkeit wegen erw\u00e4hnt.\nDie in dem vorstehenden aufgef\u00fchrten, auf die verschiedenste Weise ermittelten Thatsachen gestatten nun die schon wiederholt angedeutete Frage, welches Material, ob stickstofffreies oder stickstoffhaltiges, oder vielleicht beides bei der Muskelth\u00e4tigkeit verbraucht werde endg\u00fcltig zu entscheiden, da wesentliche Widerspr\u00fcche in den Angaben nicht Vorkommen. Schon vordem die Vorr\u2019schen Untersuchungen zu dein unumst\u00f6sslichen Satz gef\u00fchrt hatten, dass die Zersetzung der Eiweissk\u00f6rper nicht die Quelle der Muskelkraft ist, weil ihr Zerfall durch die Th\u00e4tigkeit nicht bef\u00f6rdert wird, waren Zweifel entstanden an der haupts\u00e4chlich durch J. von Liebig gest\u00fctzten Lehre von dem Verbrauch von Eiweissk\u00f6rpern bei der Muskelarbeit, f\u00fcr deren Bichtigkeit auch der augenf\u00e4llige Einfluss stickstoffreicher Nahrung auf die K\u00f6rperkraft angef\u00fchrt zu werden pflegte.\n1\tAl. Schmidt, Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig. Jahrg. 1867. S. 99. Leipzig 1868.\n2\tKl\u00fcpfel, Hoppe-Seyler\u2019s med. chem. Untersuchungen (3) S. 412. Berlin 1868.\n3\tJ. Banke, Tetanus S. 63. Leipzig 1865.\n4\tDanilewski, Ueber den Ursprung der Muskelkraft. Charkow 1846.","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\nNicht bloss experimentelle Arbeiten wie die schon fr\u00fcher erw\u00e4hnten von Mosler und Draper, in denen sich kein vermehrter Eiweisszerfall bei starker Bewegung- ergeben hatte, erregten die Bedenken, sondern auch theoretische Betrachtungen. J. R. Mayer 1 hatte bereits im Jahre 1845 sich dahin ge\u00e4ussert, dass der Muskel, \u2014 worunter man zu jener Zeit einen Complex von Eiweissstoffen in einer bestimmten anatomischen Form verstand, \u2014 nur das Werkzeug w\u00e4re, mittelst dessen die Umwandlung der Kraft erzielt w\u00fcrde, aber nicht der zur Hervorbringung der Leistung umgesetzte Stoff. Die Berechnung, welche dieser Behauptung zu Grunde lag, war die, dass ein angestrengt th\u00e4tiger Mann in einem Tage ungef\u00e4hr 82 grm. Kohlenstoff (Vs der gesammten zersetzten Kohlenstoffmenge) zu mechanischen Effecten verarbeite. Wenn nun die Muskulatur 32 Ko. betr\u00e4gt mit 7,5 Ko. trockener combustibeler Substanz, so w\u00fcrde, die Verbrennungsw\u00e4rme derselben gleich der von Kohlenstoff angenommen, die ganze Muskulatur des Mannes, wenn sie den Stoff zur Krafterzeugung liefern sollte, in l\u00e4ngstens 13 Wochen oxydirt werden (mit Zugrundelegen der heutigen viel geringeren Werthe f\u00fcr die Verbrennungsw\u00e4rme in weit k\u00fcrzerer Zeit). \u201e Es steht aber, sagt Mayer, die Annahme einer raschen Umsetzung (Verbrennung und Neubildung) der normal th\u00e4tigen Muskelfaser mit physiologischen Thatsachen und mikroskopischen Forschungen in offenbarem Widerspruche, und es beweisen also die gefundenen Zahlenwerthe von 13 Wochen zur Evidenz, dass ein erheblicher Th eil des zu der Leistung verbrauchten Brennstoffes von der Muskelfaser selbst nicht herr\u00fchren kann. \u201c\nW\u00e4hrend nun aber Voit selbst aus seinen Versuchen zun\u00e4chst nicht den obigen Schluss zog, dass die Muskelth\u00e4tigkeit \u00fcberhaupt nicht an den Umsatz stickstoffhaltiger K\u00f6rper gekn\u00fcpft w\u00e4re, griff M. Traube 2 die Frage auf und sprach mit Entschiedenheit aus, dass der Muskel bei seiner Arbeit nur stickstofffreies Material oxydire, sich berufend nicht bloss auf die VoiFschen Versuche, die ihm nur das experimentum crucis geliefert haben sollen, sondern auch auf die bedeutende Arbeitsleistung der auf eine verh\u00e4ltnism\u00e4ssig stickstoffarme Nahrung angewiesenen Pflanzenfresser. Noch mehr befestigt wurde diese Ansicht durch den von Fick und Wislicenus1 2 3 angestellten Vergleich zwischen dem mechanischen Aequivalent der bei vollkommen stickstofffreier Nahrung w\u00e4hrend und nach einer gemessenen Arbeit zersetzten Eiweissk\u00f6rper und der Arbeit selbst. Bei der Besteigung\n1\tJ. B. Mayer, Die Mechanik der W\u00e4rme. 2. Aufl. S. 13. Stuttg. 1874.\n2\tM. Traube, Arch. f. pathol. Anat. XNI. S. 386. 1861.\n3\tFick und Wislicenus, Vjschr. d. naturf. Ges. in Z\u00fcrich X. S. 317. 1865.","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"Quelle der Muskelkraft.\n329\ndes Faulhorns betrug die von Fick geleistete Arbeit 129096, die von Wislicenus geleistete 148656 Kilogrmmtrs., ungerechnet die Herz-und Respirationsarbeit, die nicht direct zur Hebung dienenden Bewegungen, die sogenannte statische Arbeit, welche beim Halten des gehobenen Gewichtes geleistet wird u. s. w. Die Zahlen sind also bedeutend zu erh\u00f6hen, noch mehr aber, wenn die chemische Spannkraft der zersetzten Stoffe nicht bloss mechanische Arbeit, sondern auch, was mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, W\u00e4rme liefert. Hiernach glauben Fick und Wislicenus die bei der Arbeit verausgabte Summe von lebendiger Kraft auf 319274 bzw. 368574 Kilogrmmtrs. sch\u00e4tzen zu d\u00fcrfen. Aus der Harnstoffausscheidung in der Zeit von 8 Uhr Morgens bis 7 Uhr Abends (die Besteigung w\u00e4hrte von 8 Uhr Morgens bis 2 Uhr Nachmittags) nachdem Mittags des vorigen Tages die letzte eiweisshaltige Nahrung eingenommen war, w\u00e4hrend von da ab bis 7 Uhr Abends des folgenden Tages nur stickstofffreie Kost genossen wurde, berechnete sich ein Ei weissverbrauch von 37,17 grm. bei Fick, von 37 grm. bei Wislicenus. Die Yerbrennungsw\u00e4rme von 6730 W. E. f\u00fcr 1 grm. Eiweiss zu Grunde gelegt konnte also im besten Falle durch die Verbrennung des Ei-weisses eine Arbeit von 106256 (F.) und 105825 (W.) Kilogrmmtrs. geleistet werden, nach Frankland\u2019s 1 Bestimmung der Verbrennungsw\u00e4rme von 1 grm. Eiweiss im K\u00f6rper, also nach Abzug des gebildeten Harnstoffs, auf 4236 W. E. sogar nur von 68690 (F.) und 68376 (W.) Kilogrmmtrs. Gewis hat der Versuch selbst seine Unvollkommenheiten haupts\u00e4chlich darin bestehend, dass der Eiweiss verbrauch bei gleicher Ern\u00e4hrung in der Ruhe nicht ermittelt worden ist, die Differenzen zwischen den beiden Werth en sind aber so gross, dass Fick und Wislicenus in vollstem Maasse das Recht haben der Traube\u2019-schen Ansicht \u00fcber die Rolle welche die stickstoffhaltigen und stickstofffreien Bestandtheile des Muskels bei dessen Th\u00e4tigkeit spielen, beizupflichten.\nDie von Voit f\u00fcr die \u00f6fters gefundene Zunahme des Eiweisszerfalls bei der Arbeit gegebene Erkl\u00e4rung ist oben S. 322 schon mitgetheilt worden. Hier ist noch hinzuzuf\u00fcgen, dass von Hermann1 2 auf die M\u00f6glichkeit einer vollkommenen Erstarrung einzelner Fasern bei starker Ersch\u00f6pfung aufmerksam gemacht worden ist. Auch Noyes3 hat, wie es scheint gleichzeitig mit Hermann, den Gedanken\n1\tFrankland, Proceed. Roy. Soc. 1866. Juni.\n2\tHermann, Untersuchungen \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln u. s. w. S. 100. Berlin 1867.\n3\tNoyes, Amer, journ. of scienc. Octob. 1867.","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel cl. Muskeln.\nge\u00e4ussert, dass nur wenn in hohem Grade erm\u00fcdende Arbeit geleistet wird, die Harnstoffausgabe vermehrt werde. In der von du Bois-Reymond 1 an Fasern aus unbeweglich gespannten, tetanisirten Wadenmuskeln des Frosches beobachteten Ver\u00e4nderung der Structur, Verschiebung der Querstreifen, Auftreten von kr\u00fcmligen Massen u. s. w., die sp\u00e4ter Kronecker1 2 wiederholt constatirte, k\u00f6nnte Hermann\u2019s Vermutkung eine St\u00fctze finden. Uebrigens ist bei alledem wohl nicht ausgeschlossen, dass secund\u00e4r manche andere Organe, wie etwa die Schweissdr\u00fcsen in st\u00e4rkere Th\u00e4tigkeit versetzt werden, und bei dieser ein erh\u00f6hter Eiweisszerfall eintritt. F\u00fcr jede einzelne Beobachtung von Erh\u00f6hung der Eiweisszersetzung mit Steigerung der Arbeit, so z. B. in der j\u00fcngsten Mittheilung von Kellner 3, die sich von Neuem gegen die Annahme der Folgerungen von Traube, Fick und Wis-licenus str\u00e4ubt, l\u00e4sst sich durch Rechnung nachweisen, dass der Mehrverbrauch von Eiweiss das Mehr der Arbeitsleistung nicht deckt.\nOhne hier einzugehen auf die zeitweilig aufgetretene vermittelnde Ansicht, dass sowohl stickstoffhaltige wie stickstofffreie Stoffe Quelle der Muskelkraft sein k\u00f6nnen, w\u00e4re nun zu pr\u00fcfen, welche stickstofffreie Substanzen die Quelle bilden. Zur Wahl bleiben Fette und Kohlehydrate; eine Zersetzung jener bei der Muskelcontraction ist aber den fr\u00fcheren Auseinandersetzungen nach gar nicht bekannt, so dass einstweilen nur die Kohlehydrate in Betracht kommen k\u00f6nnen. Wenn wir nun auch im Voraus als bewiesen betrachten, dass die Summe von Glykogen, Fleischzucker und Milchs\u00e4ure als Glykogen berechnet im tetanisirten Muskel kleiner ist als die Menge des Glykogens im frischen geruhten Muskel, dass also bei der Th\u00e4tigkeit wirklich eine vollkommene Zersetzung der Kohlehydrate unter Bildung von Kohlens\u00e4ure und Wasser stattfindet, so stehen doch der Annahme, dass die Kohlehydrate die einzige Kraftquelle seien, zwei gewichtige Gr\u00fcnde entgegen. Der erste ist der, dass beim Hungern das Glykogen aus den Muskeln verschwindet, die Muskeln des hungernden Thieres dennoch aber noclu einer gewissen Leistung f\u00e4hig sind. Einerseits bedarf es aber jedenfalls nur so geringer Glykogenmengen zur Deckung der auch in sehr geringem Grade zu leistenden Arbeit, dass sie \u00fcbersehen werden k\u00f6nnten, und andererseits f\u00e4llt ein Fehlen von Glykogen, wie bei einer anderen Gelegenheit schon hervorgehoben wurde, nicht zusammen mit Fehlen der Kohlehydrate ; die\n1\tdu Bois-Reymond, Untersuchungen \u00fcber thierische Electricit\u00e4t II. S. 71. Berlin 1849.\n2\tKronecker. Ber. d. s\u00e4chs. Ges. cl. Wiss. Mathem.-phys. Ci. 1871. S. 690.\n3\tKellner , E. v. Wolff , W. v. Funke , E. Kreuzhage , Amtl. Bericht der 50. Versamml. deutsch. Naturforscher und Aerzte S. 224. M\u00fcnchen 1877.","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"Quelle der Muskelkraft. Vergleich, von Contraction und Starre.\n331\nBetheiligung der Kohlehydrate hei der Muskelarbeit w\u00fcrde also ersfi ausgeschlossen werden, wenn die Muskeln auch zuckerfrei gefunden w\u00fcrden. Das ist aber noch nicht untersucht worden. Immerhin wird aber schon das'Fehlen von Glykogen etwas Bedenken erregen m\u00fcssen. Viel mehr f\u00e4llt in das Gewicht die von Pfl\u00fcger und Stintzing entdeckte Bildung von Kohlens\u00e4ure aus einer bis dahin noch unbekannten Substanz, die aber weder zu den Fetten noch zu den Kohlehydraten geh\u00f6ren kann. Es ist der M\u00f6glichkeit, dass die Kohlens\u00e4ure einem ganz complicirt gebauten, vielleicht auch eiweisshaltigen Molek\u00fcl entstamme, fr\u00fcher gedacht worden; ein solches Molek\u00fcl, das Kohlens\u00e4ure, Milchs\u00e4ure und Myosin(gerinnsel) bei der Zersetzung liefere, wurde von Hermann schon vor l\u00e4ngerer Zeit unter dem Namen inogene Substanz angenommen. Das Auffinden des Glykogens und der neuen Quelle der Kohlens\u00e4ure w\u00fcrde Hermann\u2019s damalige Anschauung nat\u00fcrlich etwas modificiren m\u00fcssen. Auf die wohl un\u00fcberwindbare Schwierigkeit eine solche Substanz aus dem Muskel zu isoliren, hat Hermann ganz besonders aufmerksam gemacht. Unter allen Umst\u00e4nden wird aber aus dem Gesagten hervorgehen, dass die Quelle der Muskelkraft eine zwiefache sein kann, unter normalen Verh\u00e4ltnissen es auch wahrscheinlich ist, es m\u00fcssten denn die bei den Umsetzungen der Kohlehydrate freiwerdenden Kr\u00e4fte nur die Form von W\u00e4rme haben.\n3. Vergleich der Vorg\u00e4nge im ruhenden, th\u00e4tigen und absterbenden\nMuskel.\nBevor die Er\u00f6rterungen weiter fortschreiten zu der Natur der chemischen Prozesse im th\u00e4tigen Muskel, d\u00fcrfte es zweckm\u00e4ssig sein nebeneinanderzustellen die Vorg\u00e4nge im th\u00e4tigen, im ruhenden sowie im erstarrenden Muskel.\nWas zuerst die Aehnlichkeit zwischen Contraction und Erstarrung angeht, so ist dieselbe schon seit geraumer Zeit aufgefallen, allerdings hanpts\u00e4chlich wegen der \u00e4usseren Ver\u00e4nderungen, der in beiden F\u00e4llen eintretenden Verk\u00fcrzung. Dann zog die beiden Zust\u00e4nden gemeinsame S\u00e4uerung der Muskeln die Aufmerksamkeit in h\u00f6herem Grade auf die Aehnlichkeit, wenngleich du Bois-Rey-mond selbst sich gegen die Gleichheit der Vorg\u00e4nge ausprach. Seit der Zeit haben sich die Analogien noch vermehrt, zum guten Theil durch die Arbeiten von Hermann, der auch zuerst den Vergleich wirklich durchf\u00fchrte.\nNach dem augenblicklichen Stand der Kenntnisse ergibt sich","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\neine Uebereinstimmung zwischen Contraction und Starre in der W\u00e4rmebildung, der Volumenabnahme, dem festeren Zusammenh\u00e4ngen der Fibrillen, und auf dem eigentlichen chemischen Gebiete in dem Fehlen einer eingreifenden Zersetzung der Eiweissstoffe, m\u00f6glicher Weise in einer Myosinausscheidung, sodann in der Zersetzung von Kohlehydraten unter Bildung von Zucker und Milchs\u00e4ure, und zwar mit der Eigent\u00fcmlichkeit, dass in dem ausgeschnittenen Muskel von letzterem Stoffe gerade um so viel weniger bei der Starre entsteht, als bei den vorhergehenden Contractionen bereits entstanden war. Weiter kommt hinzu Kohlens\u00e4urebildung sowohl bei Starre als bei Contraction, ebenso wie der Zucker und die Milchs\u00e4ure sicher in beiden Zust\u00e4nden aus derselben (vielleicht zweifachen) Quelle stammend, und Unabh\u00e4ngigkeit aller dieser einzelnen Vorg\u00e4nge von dem Sauerstoff der Umgebung. Mit Wahrscheinlichkeit kann man die Bildung von reducirenden Substanzen in beiden F\u00e4llen annehmen, sicher ist wenigstens, dass sowohl Starre (s. oben S. 302) wie Erm\u00fcdung nach langer Th\u00e4tigkeit, wie unten gezeigt werden wird, durch sauerstoffhaltiges Blut gehoben werden kann. Endlich darf auch wohl noch erw\u00e4hnt werden, dass gewisse Stoffe, wie z. B. verd\u00fcnnte S\u00e4uren sowohl die Contractionen anregen (chemische Muskelreize), als auch die Starre beschleunigen, und dass, wie Hermann 1 hervorgehoben hat, die idiomuscul\u00e4re Contraction einen Uebergangszustand zwischen Contraction und Starre darstellt.\nHiernach scheint der Beweis f\u00fcr die Identit\u00e4t der beiden Prozesse, soweit das \u00fcberhaupt m\u00f6glich ist, erbracht zu sein. Man wird aber nicht mehr wie fr\u00fcher die Erstarrung als die letzte Contraction, als eine \u00fcber den ganzen Muskel verbreitete, anhaltende, idiomuscul\u00e4re Contraction, wie Schiff1 2 sich ausdr\u00fcckte, sondern umgekehrt jede Contraction als eine momentane und vor\u00fcbergehende Erstarrung betrachten (Hermann).\nAuch zwischen Ruhe und Th\u00e4tigkeit finden sich, soweit es sich um den eigentlichen Stoffverbrauch handelt, Aehnlichkeiten, die wesentlich bestehen in Bildung von W\u00e4rme und Kohlens\u00e4ure und Verbrauch von Kohlehydraten in beiden F\u00e4llen. Ist die Art der Zersetzung der letzteren im ruhenden Muskel auch noch nicht sicher bekannt, so ist es doch mehr als wahrscheinlich, dass sie von der im th\u00e4tigen Muskel stattfindenden nicht abweicht, dass speciell die entstehende S\u00e4ure r wie du Bois-Reymond sogar beim th\u00e4tigen Muskel gelegentlich fand, sich der Wahrnehmung entziehen muss, dadurch\n1\tHermann, Arch, f. d. ges. Physiol. NUI. S. 371.\n2\tSchiff, Molesch. Unters. S. 181. 1859.","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"Vergleich von Ruhe. Th\u00e4tigkeit und Starre. Natur der chem. Processe im Muskel. 333\ndass sie fortw\u00e4hrend neutralisirt und ausgewaschen wird. Die schon seit langer Zeit aufgetretene Ansicht, dass die Zersetzungsprozesse im ruhenden und im th\u00e4tigen Muskel nur quantitativ nicht qualitativ verschieden seien, ist auch nie auf erheblichen Widerspruch gestossen. Etwas anders verhalten sich nat\u00fcrlich die Muskeln, wenn gleichzeitig Ersatz stattfinden kann ; dann halten sich bei Ruhe im gew\u00f6hnlichen Sinne Verbrauch und Ersatz im Ganzen die Waage, bei Arbeit \u00fcberwiegt der Verbrauch den Ersatz, bei absoluter Ruhe im gel\u00e4hmten Muskel der Ersatz den Verbrauch.\nIII. Natur der chemischen Vorg\u00e4nge im Muskel.\nDer erste Theil des Stoffwechsels, der Verbrauch von chemischen Spannkr\u00e4ften, der wie eben gezeigt worden, im ruhenden, th\u00e4tigen und absterbenden Muskel qualitativ derselbe ist, wurde in der fr\u00fcheren Zeit stets ohne Weiteres als ein Oxydationsvorgang angesehen. Nachdem aber zuerst du Bois-Reymond 1 von einer Theil-erscheinung dieses Kraftverbrauches, der S\u00e4urebildung im erstarrenden Muskel, die Aehnlichkeit mit einem wahren G\u00e4hrungsprozess hervorgehoben, hat Hermann 2 auf Grund der gefundenen Unabh\u00e4ngigkeit der in Rede stehenden Vorg\u00e4nge von Sauerstoffaufnahme ganz allgemein ausgesprochen, dass das chemische Substrat der Muskelarbeit nicht ein Oxydationsprozess sei, sondern ein Spaltungsprozess, bei welchem durch S\u00e4ttigung st\u00e4rkerer Affinit\u00e4ten, durch Uebergang in eine stabilere Atomgruppirung, Kr\u00e4fte frei werden, etwa wie Bei der alkoholischen G\u00e4hrung des Zuckers. Insofern bei dieser Spaltung, die auch oben bei der Starre bereits theilweise er\u00f6rtert worden ist, einerseits sauerstoffreichere Atomcomplexe, die Kohlens\u00e4ure, andererseits sauerstoff\u00e4rmere entstehen, kann man doch von einer Oxydation, \u201einneren Oxydation\u201c, sprechen, wobei die Frage, ob der Sauerstoff der Kohlens\u00e4ure von demselben Molek\u00fcl wie der Kohlenstoff geliefert wird oder von einem anderen unentschieden bleibt. Die Auffassung von Hermann hat bis auf den heutigen Tag Geltung f\u00fcr die Bildung des Zuckers und der Milchs\u00e4ure, wahrscheinlich auch f\u00fcr die Gerinnung des Myosins, ferner sicher noch f\u00fcr den Theil der W\u00e4rme, der den eben erw\u00e4hnten Prozessen seinen Ursprung verdankt, aber nicht mehr f\u00fcr die Bildung der gesammten Kohlens\u00e4ure, sondern nur mehr f\u00fcr einen Theil derselben. Der gr\u00f6sste\n1\tE. du Bois-Reymond, Monatsber. d. Berliner Acad. 1859. S. 288.\n2\tL. Hermann. Untersuchungen \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln u. s. w. Berlin 1867.","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\n' Theil der Kohlens\u00e4ure entsteht vielmehr, wie die Untersuchungen von Pfl\u00fcger und Stintzing gelehrt haben, ohne Betheiligung eines Fermentes durch Dissociation, die durch W\u00e4rme und Innervation beschleunigt wird wie eine Fermentation, durch W\u00e4rme aber noch von solcher H\u00f6he, wie sie Fermentprozesse niemals ertragen.\nIn welcher Weise die Innervation die in der Ruhe fortw\u00e4hrend stattfindenden Spaltungen beiderlei Art so bedeutend zu beschleunigen im Stande ist, so dass der Kraftvorrath nun rasch ersch\u00f6pft werden kann, dar\u00fcber kann man sich wohl Vorstellungen machen, aber auch nicht mehr als Vorstellungen. Vielleicht ist das erste, was entsteht, wenn der Erregungsvorgang im Nerven, der wahrscheinlich doch auch hier mit Verbrauch von chemischer Spannkraft einhergeht, von Querschnitt zu Querschnitt sich fortpflanzend den Muskel erreicht, und ebenso im Muskel selbst der Verk\u00fcrzung vorauseilend, von Querschnitt zu-Querschnitt mit messbarer Geschwindigkeit fortschreitet, theilweise Zersetzung der Kohlehydrate unter Bildung von W\u00e4rme und Milchs\u00e4ure, die dann erst die weiteren Umsetzungen, insbesondere die freilich noch hypothetische Myosingerinnung und die Spaltung der kohlens\u00e4urebildenden Substanz von Pfl\u00fcger und Stintzing veranlassen. Es ist indes dabei an die unvollkommene Kenntnis der Reihenfolge der verschiedenen chemischen Theilerscheinungen des Contractionsvorganges zu erinnern.\nNoch mehr fehlt es aber an irgend einer plausibelen Vorstellung dar\u00fcber, wie im th\u00e4tigen Muskel die chemische Spannkraft, die im vollkommen ruhenden Muskel nur die Form von W\u00e4rme annimmt, in mechanische Arbeit umgewandelt wird. Dass die Verk\u00fcrzung des Muskels gebunden ist nicht direct an den fermentativen Zerfall der Kohlehydrate, auch nicht direct an die als Dissociation aufzufassende Kohlens\u00e4ureentwicklung, sondern an die Eiweissk\u00f6rper, unterliegt wohl keinem Zweifel. Es ist dies wohl auch daraus zu entnehmen, dass Eiweissreichthum des K\u00f6rpers, der seinerseits wieder um erhalten zu bleiben, eine entsprechend hohe Eiweisszufuhr in der Nahrung verlangt, \u2014 dies ist die Erkl\u00e4rung des Einflusses einer stickstoffreichen Nahrung auf die Arbeitsf\u00e4higkeit \u2014 zu den gr\u00f6ssten Kraftleistungen bef\u00e4higt. Sollte vielleicht die chemische Spannkraft der PFL\u00fcGER\u2019schen kohlens\u00e4urebildenden Substanz, soweit sie nicht als W\u00e4rme auftritt, wesentlich dazu dienen, aus dem hypothetischen Myosingerinnsel, welches selbst unter Freiwerden von W\u00e4rme, also unter Verminderung der urspr\u00fcnglichen chemischen Spannkraft auftritt, unter Mith\u00fclfe von anderen Substanzen oder ohne solche die myosinbildenden Substanzen wieder zu regeneriren?","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"Xatur der ehern. Frocesse im Muskel. Der Ersatz.\n335\nUm die angedeuteten Fragen zu l\u00f6sen, ist nebst vielem anderen auch eine Aufkl\u00e4rung der Beziehungen zwischen den Muskelbestand-theilen im chemischen Sinne und den morphologischen Verh\u00e4ltnissen durchaus erforderlich. Es ist n\u00f6thig an dieser Stelle noch besonders hervorzuheben, dass die Theorie, welche die Muskelcontraction durch vor\u00fcbergehende Gerinnung des Myosins zu erkl\u00e4ren sucht, die sar-cous elements gar nicht ber\u00fccksichtigt. Gerinnt doch das ausgepresste Muskelplasma ohne dieselben. Eine Betheiligung der doppel-brechenden Theilchen bei dem Contractionsvorgang ist aber mit grosser Bestimmtheit zu vermuthen, seitdem, haupts\u00e4chlich durch Engelmann\u2019s 1 Untersuchungen, ein Vorkommen solcher doppelbrechender Theilchen, stets positiv einaxig und in ihrer Axe mit der Richtung der Verk\u00fcrzung zusammenfallend, in der contraction Substanz im weitesten Sinne des Wortes festgestellt ist. \u2014\nDer zweite Theil des Stoffwechsels, der Ersatz, ist noch weniger klar als der Verbrauch. Im lebenden Organismus bei erhaltener Circulation h\u00e4lt im ruhenden Muskel der Ersatz mit dem Verbrauch so ziemlich gleichen Schritt, aber doch nicht ganz, es tritt auch hier allm\u00e4hlich locale und allgemeine Erm\u00fcdung ein, an der nat\u00fcrlich das Nervensystem betheiligt ist, weil eben die Ruhe doch keine vollkommene ist. Bei der absoluten Ruhe, wie man vergleichsweise den durch Aufhebung jeglicher Innervation hervorzubringenden Zustand nennen k\u00f6nnte, kann der Ersatz gr\u00f6sser als der Verbrauch sein, so dass es zur Anh\u00e4ufung sonst fortw\u00e4hrend zersetzter Stoffe kommt. Nachgewiesen ist dies freilich nur f\u00fcr das Glykogen (s. o. S. 316), und mit Bestimmtheit l\u00e4sst sich auch sagen, dass nicht alle Ersatzstoffe sich in dieser Art anh\u00e4ufen k\u00f6nnen. Umgekehrt findet sich im th\u00e4tigen Muskel der Verbrauch gr\u00f6sser als der Ersatz. Der ausgeschnittene Muskel endlich und auch der im K\u00f6rper noch befindliche, aber von der Blutzufuhr abgeschnittene Muskel, einerlei nat\u00fcrlich ob ruhend oder th\u00e4tig oder durch W\u00e4rme in seinem Umsatz beschleunigt, bieten den extremsten Fall von Verbrauch allein dar. Wenn dies Missverh\u00e4ltniss zwischen Verbrauch und Ersatz einige Zeit gedauert hat, verringert sich die Erregbarkeit und Leistungsf\u00e4higkeit des Muskels, er ist erm\u00fcdet. Die Erm\u00fcdung wird cet. par. um so eher eintreten, je vollkommener der Ersatz ausgeschlossen ist, und je mehr der Verbrauch auf irgend eine Weise beschleunigt wird. Es bedarf wohl keiner weiteren Auseinandersetzung, dass ein im Anf\u00e4nge der Starre befindlicher Muskel sich von einem durch Contractionen erm\u00fcdeten Muskel nicht unterscheidet.\n1 Engelhaftst. Arch. f. d. ges. Physiol. XL S. 432. 1S75.","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\nDer bei erhaltener Blutzufuhr arbeitende Muskel erm\u00fcdet aber nicht bloss darum weniger, weil das Blut ihm Ersatzstoffe zuf\u00fchrt, sondern auch weil es ihm die bei der Th\u00e4tigkeit entstehenden Zer-setzungsproducte zum Theil wegnimmt. Die Anh\u00e4ufung von Milchs\u00e4ure im tetanisirten Muskel (du Bois-Reymond) und deren Uebergang in das Blut (Spiro) machen es wahrscheinlich, dass ein Theil der Milchs\u00e4ure im Muskel nicht weiter verwendet, sondern stets fortgeschafft wird. Ob das Blut, von der Kohlens\u00e4ure abgesehen, noch andere von dem Th\u00e4tigkeitsvorgang direct stammende Stoffe aus dem Muskel w\u00e4scht, l\u00e4sst sich einstweilen nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Anh\u00e4ufung von Milchs\u00e4ure bef\u00f6rdert aber offenbar die Erm\u00fcdung. Das beweisen J. Ranke\u2019s L Versuche \u00fcber die Erfolge von Injeetio-nen verd\u00fcnnter Milchs\u00e4ure in d,as Gef\u00e4sssystem. Die Muskeln ge-riethen dadurch in einen der Erm\u00fcdung sehr \u00e4hnlichen Zustand. Dem entsprechend zerf\u00e4llt auch die Restitution des erm\u00fcdeten Muskels in zwei Theile, von denen der eine, jedenfalls aber nicht der wesentlichste, in der Fortschaffung der Zersetzungsproducte besteht. Wie Muskeln bis zur Reactionslosigkeit durch Tetanus ersch\u00f6pft nach Aussp\u00fclen ihrer Gef\u00e4sse vermittelst einer verd\u00fcnnten Kochsalzl\u00f6sung wieder contractionsf\u00e4hig werden, haben die RANKE\u2019schen Experimente ebenfalls gelehrt. Der andere Theil der Restitution umfasst dasjenige, was bis dahin als Ersatz bezeichnet wurde.\nUnter den Ersatzstoffen ist der Sauerstoff in erster Linie zu nennen, weil die \u00fcbrigen Substanzen ohne den Sauerstoff vollkommen wirkungslos sind, Sauerstoff aber auch allein dem erm\u00fcdeten Muskel zugef\u00fchrt denselben bis zu einem gewissen Grade seine Leistungsf\u00e4higkeit zur\u00fcckgeben kann. Die beweisenden Thatsachen, zum gr\u00f6ssten Theile fr\u00fcher schon angef\u00fchrt, sind: die l\u00e4ngere Dauer der Erregbarkeit in sauerstoffhaltigen Gasgemengen, die Restitution des starren Muskels durch sauerstoffhaltiges Blut, die Erholung des erm\u00fcdeten Muskels durch kleine Mengen \u00fcbermangansauren Alkalis (Kronecker 1 2). Der Sauerstoff braucht dem Muskel nicht in Sauerstoffh\u00e4moglobin zugef\u00fchrt zu werden. Daf\u00fcr hat Hermann3 schon unter Anderem geltend gemacht, dass das Blut der wirbellosen Thiere nicht h\u00e4moglobinhaltig ist, w\u00e4hrend doch ihre Muskeln denen der h\u00f6heren Thiere v\u00f6llig analog sind. F\u00fcr diese selbst hat Oertmann 4 den noch fehlenden Beweis geliefert durch Untersuchung des gesamm-\n1\tJ. Ranke, Tetanus S. 329. Leipzig 1865.\n2\tKronecker, Ber. d. sacks. Ges. d. Wiss. Matkem.-pkys. CI. 1871. S. 690.\n3\tHermann. Untersuchungen \u00fcber den Stoffwechsel der Muskeln u. s. w. S. 59. Berlin 1867.\n4\tOertmann, Arch. f. d. ges. Physiol. XY. S. 381. 1877.","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"Der Ersatz.\n337\nten Gasumtausches von entbluteten Fr\u00f6schen, sogenannten Salzfr\u00f6schen. Die Oxydationsprocesse erlitten durch die Entblutung keine Ver\u00e4nderung, insbesondere war auch der Sauerstoffverbrauch nicht geringer als bei bluthaltigen Fr\u00f6schen. Der aufgenommene Sauerstoff geht sofort in so feste Verbindungen \u00fcber, dass er nicht wieder als solcher ausgetrieben werden kann. Es ist daher wohl auch die Hypothese von M. Teaube\\ welche annimmt, dass der Sauerstoff sich mit der Muskelfaser zu einer losen chemischen Verbindung vereinigt, die im Stande sei Sauerstoff an andere mit kr\u00e4ftigerer Affinit\u00e4t zum Sauerstoff begabte Stoffe abzugeben, und zwar um so leichter, je h\u00f6her die Temperatur und je st\u00e4rker die Innervation ist, und dann von Neuem Sauerstoff aufzunehmen, nicht sehr wahrscheinlich, da man sich, wie Hermann mit Recht hervorhebt, eine derartige Verbindung von Sauerstoff mit einem fermentartigen K\u00f6rper kaum anders vorstellen kann, wie die des Sauerstoffs mit dem H\u00e4moglobin, und eine Unzersetzlichkeit einer solchen Verbindung im Vacuum nicht wohl denkbar ist. Die Hypothese liesse sich \u00fcbrigens mit der fr\u00fcher gegebenen Erkl\u00e4rung der Vorg\u00e4nge im Muskel sehr wohl vereinigen. Weiter kann auch von einer Aufspeicherung des Sauerstoffs im Muskel in irgend einer, noch dazu sehr schwer erkl\u00e4rlichen Weise, nicht die Rede sein. Hieraus w\u00fcrde folgen, dass die Sauerstoffaufnahme eine secund\u00e4re Erscheinung ist. Welche Aufgaben dem Sauerstoff zufallen, l\u00e4sst sich mit Sicherheit nicht sagen. Er wird dazu dienen, die in dem Muskel gefundenen reducirenden Stoffe zu oxydiren, sei es dass dieselben den Muskel zu verlassen, sei es, dass sie in ihm weiter zu verbleiben und von Neuem bei dem Stoffumsatz sich zu betheiligen bestimmt sind. Ob und wie der Sauerstoff bei der Regeneration der myosinbildenden Substanzen oder gar einer compli-cirter gebauten inogenen Substanz mitwirkt, dar\u00fcber thut man wohl sich der Vermuthungen und Hypothesen zu enthalten, so lange die Substanzen, welche im Muskel sich zersetzen, so unbekannt sind. Vielleicht k\u00f6nnten ausserhalb des K\u00f6rpers angestellte Versuche aus dem Myosin wieder eine gerinnbare Fl\u00fcssigkeit zu gewinnen die Erkenntnis etwas f\u00f6rdern. Man m\u00fcsste zu solchen Versuchen ein Myosin verwenden, das nicht zu lange mit Milchs\u00e4ure und nicht mit\" zu grossen Mengen derselben in Ber\u00fchrung gewesen w\u00e4re, denn es ist wohl denkbar, dass die Einwirkung derselben auf das Myosin, d. i. die Bildung von Syntonin, die, wie oben schon bemerkt wurde, nach K\u00fchne\u2019s Ansicht sich in einer gewissen Lockerung der Starre aus-spricht, die Grenze f\u00fcr die M\u00f6glichkeit der Restitution der myosinbildenden Substanzen sei es extra corpus sei es intra corpus bei hochgradiger Starre bildet.\nZum Ersatz m\u00fcssen weiter dem Muskel kohlenstoffhaltige stickstofffreie Atomcomplexe zugef\u00fchrt werden, die aber unter Umst\u00e4nden erst im Muskel vielleicht aus stickstoffhaltigen K\u00f6rpern sich bilden. Es w\u00e4re wohl nicht unm\u00f6glich, dass die stickstoffhaltigen Abk\u00f6mmlinge der Eiweissk\u00f6rper wie Kreatin, Hypoxanthin\n1 M. Traube, Arch. f. pathol. Anat. XXI. S. 396. 1861.\nHandbuch der Physiologie. Bd. I.","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. 2. Cap. Der Stoffwechsel d. Muskeln.\nu. s. w. ausser dem regelm\u00e4ssigen, von dem Th\u00e4tigkeitszustand des Muskels unabh\u00e4ngigen Zerfall der Eiweissk\u00f6rper des Muskels, zum Theil der Bildung jener kohlenstoffhaltigen Atomcomplexe aus Eiweissstoffen ihren Ursprung verdankten. Es liegt \u00fcbrigens auf der Hand, dass in den F\u00e4llen, in welchen die Eiweissk\u00f6rper durch vollkommene Verbrennung die geleistete Arbeit nicht decken k\u00f6nnen, diese Deckung noch weniger durch zudem noch unvollkommen verbrannte (z. Th. als Milchs\u00e4ure ausgeschiedene) stickstofffreie Spaltungs-producte, also Theile derselben geleistet werden kann, dass also in diesen F\u00e4llen von einem Ursprung der in Bede stehenden stickstofffreien organischen Verbindungen aus Eiweissk\u00f6rpern nicht die Bede sein kann. Andererseits bei reiner Eiweissnahrung m\u00fcssten sie aber s\u00e4mmtlich aus Eiweissk\u00f6rpern entstehen, und in gewissen zwischen diesen beiden Extremen liegenden F\u00e4llen, wenn die stickstofffreien Verbindungen der Nahrung zwar nicht fehlen, aber in zu geringer Menge in derselben vorhanden sind, in welchen, wie oben S. 322 auseinandergesetzt wurde, vermehrte Stickstoffausscheidung w\u00e4hrend der Arbeit und in der der Arbeit folgenden Buheperiode eine normale Erscheinung ist, werden stickstoffhaltige wie stickstofffreie Substanzen die Ersatzstoffe liefern.\nWie die durch Dissociation Kohlens\u00e4ure liefernde Substanz resti-tuirt wird, dar\u00fcber l\u00e4sst sich nat\u00fcrlich gar Nichts sagen. Die zweite Substanz, welche im Stoffwechsel des Muskels fortw\u00e4hrend zersetzt wird, das Glykogen, bildet sich in den Muskeln wahrscheinlich auf dieselbe Weise wie in der Leber. Das ist durch F\u00fctterungsversuche nach l\u00e4ngerem Fasten, also bei sehr herabgesetztem Glykogengehalt der Muskeln, durch Luchsingek1 erwiesen worden: nach F\u00fctterung von Glycerin und Traubenzucker fand sich das Muskelglykogen bei Kaninchen bedeutend vermehrt. Dass das Glykogen auch aus Eiweissk\u00f6rpern entstehen kann, scheint aus dem Glykogenreichthum der Muskeln von mit ausgekochtem Pferdefleisch gef\u00fctterten H\u00fchnern hervorzugehen (Naunyn'2). Der bei Traubenzucker beobachtete Erfolg legt die Frage nahe, ob der in dem Muskel selbst gebildete Traubenzucker (Fleischzucker) wieder in Glykogen zur\u00fcckverwandelt werden k\u00f6nne. Es wird aber in gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen kaum zur Ansammlung von Fleischzucker kommen, sondern es ist wahrscheinlich, dass die gebildeten Zuckermolek\u00fcle rasch weiter die Milch s\u00e4ur eg\u00e4hrung ein-gehen. Die Frage wird also nicht von praktischer Bedeutung werden.\nDer Ersatz wird nach jeder Bichtung hin erleichtert durch die schnellere Circulation des Blutes im th\u00e4tigen Muskel.\n1 Luchsinger, Exper. u. krit. Beitr\u00e4ge z. PhysioL u. Pathol, d. Glykogens. Dis-\nsert. S. 22. Z\u00fcrich 1875.\n2 Naunyn, Arch. f. exper. Pathol. III. S. 85. 1875.","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Anhang. Die glatten Muskeln. Chemischer Bau.\n339\nANHANG.\nDie glatten Muskeln.\nZu den bei den quergestreiften Muskeln angef\u00fchrten die Untersuchung erschwerenden Umst\u00e4nden kommt bei den glatten Muskeln noch hinzu, dass das Material so schwer zu beschaffen ist, da die Masse der glatten Muskeln bei den einheimischen Kaltbl\u00fctern zu gering ist, bei den Warmbl\u00fctern aber das rasche Absterben st\u00f6rend eingreift. Vielleicht lassen sich verwenden die glatten Muskeln von Warmbl\u00fctern, die nach dem oben S. 299 erw\u00e4hnten Verfahren von Cl. Bernard vor dem Tode auf 200 C. abgektihlt worden sind. Die Untersuchung im Einzelnen w\u00fcrde dann dieselben Wege einzuschlagen haben, die sich bei den quergestreiften Muskeln bew\u00e4hrt haben.\nBis jetzt ist \u00fcber den chemischen Bau der glatten Muskeln folgendes festgestellt.\nDie Reaction der glatten ruhenden Muskeln ist stets neutral oder alkalisch (du Bois-Revmond *), nur der hintere Schliessmuskel von Anodonta \u2014 falls es erlaubt ist, die den glatten Muskeln \u00e4hnlichen Muskeln der niederen Thiere mit heranzuziehen \u2014 reagirt auch im Leben sauer (J. Bernstein 1 2 3). Dieser Muskel ist aber nicht ruhend, sondern stets in einem gewissen Grade der Contraction.\nDie Eiweissk\u00f6rper angehend, so hat man aus der auch die Muskelfaserzellen befallenden Starre auf die Gegenwart von Myosin bildenden Substanzen geschlossen. Dass man beim Auspressen von glatten Muskeln keine gerinnbare Fl\u00fcssigkeit erh\u00e4lt, ist nach dem bei den analogen Versuchen von Br\u00fccke Gesagten nicht als Gegenbeweis aufzufassen. Einen dem Masculin \u00e4hnlichen bei 45\u201449 0 C. gerinnenden Eiweissk\u00f6rper haben Heidenhain und Hellwig 3 durch Auspressen gewonnen. Alkalialbuminat kommt nach M. S. Schultze 4 in grossen Mengen vor. Endlich fehlt auch nicht l\u00f6sliches Eiweiss.\nVon ungel\u00f6sten Eiweissk\u00f6rpern enth\u00e4lt die contractile Faserzelle ausser den in dem Kern befindlichen nach den BR\u00fccKE\u2019sehen5 Untersuchungen sarcous elements.\nMit Leichtigkeit gehen s\u00e4mmtliche Eiweissk\u00f6rper durch die Einwirkung verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure in Syntonin \u00fcber.\nH\u00e4moglobin ist wie bei den quergestreiften Muskeln kein con-stanter und wesentlicher Bestandtheil. Nach Lankester6 sind u. A. die glatten Muskeln des Rectums des Menschen rothgef\u00e4rbt.\nVon stickstoffhaltigen Abk\u00f6mmlingen der Eiweissk\u00f6rper ist Kreatin von Lehmann nach gewiesen worden.\n1\tdu Bois-Reymond, Monatsber. d. Berliner Acad. 1859. S. 288.\n2\tJ. Bernstein, De animal, evertebrat. musculis nonnulla. Dissert. Berol. 1862.\n3\tHellvvio. Nonnulla de musculis laevibus. Dissert. Yratisl. 1861 ; Heidenhain, Studien d. pbysiol. Instituts zu Breslau. 1. Heft. S. 199. Leipzig 1861.\n4\tM. S. Schultze, Ann. d. Chemie u. Pharm. LXXI. S. 277.\n5\tE. Br\u00fccke, Untersuchungen \u00fcber den Bau der Muskelfasern. Wien 1858.\n6\tLankester, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 315.1871.\n22*","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340 Nasse, Chemie u. Stoffwechsel cl. Muskeln. Anhang. Die glatten Muskeln.\nVon Kohlehydraten hat Br\u00fccke 1 Glykogen in der Muskelhaut des Schweinemagens gefunden. Das Vorkommen von Inosit wird von Lehmann1 2 angegeben.\nDer Gehalt der organischen Muskeln an Fetten, Wasser, Asche und Gasen ist noch nicht bestimmt.\nDie glatten Muskeln werden unter denselben Bedingungen wie die quergestreiften starr. Eine Gerinnung in den Fasern ist von Heidenhain3 beobachtet, die allgemeine Erstarrung in mechanischem Sinne von K\u00fchne4 beschrieben. Es sollen frische nicht contrahirte D\u00e4rme f\u00fcr das Gef\u00fchl gr\u00f6ssere Weichheit zeigen als 4 \u2014 5 Stunden nach dem Tode. Ferner bedarf es um die Harnblase des Hundes bis zur ann\u00e4hernden Herstellung der Kugelform zu erweitern einige Stunden nach dem Tode eines weit h\u00f6heren Druckes als unmittelbar nach dem Tode des Thieres. Von den Theilerscheinungen der Starre ist nur die S\u00e4urebildung in das Auge gefasst worden. Lehmann 5 6 hatte Milchs\u00e4ure im Muskel gefunden und saure Reaction der Mus-cularis des Schweinemagens, auch Siegmund 6 fand Milchs\u00e4ure im sauer reagirenden Uterus einer nach k\u00fcnstlicher Fr\u00fchgeburt im achten Monat gestorbenen Frau, du Bois-Reymond aber konnte weder an dem Muskelmagen der V\u00f6gel, dessen Ver\u00e4nderungen er bis zur F\u00e4ul-niss verfolgte, noch an der Muskelhaut des Dickdarms und der Aorta vom Ochsen saure Reaction entdecken, und hielt daher die S\u00e4urung der glatten Muskeln \u00fcberhaupt f\u00fcr zweifelhaft, indem er das positive Resultat von Siegmund f\u00fcr Folge von Contractionen erkl\u00e4rte. Jetzt aber, wo man im Gegensatz zu der damaligen Auffassung von du Bois den Prozess der Th\u00e4tigkeit und der Starre nicht mehr f\u00fcr von einander verschieden h\u00e4lt, wird Siegmund\u2019s Erfahrung als Beweis f\u00fcr S\u00e4urebildung bei der Starre gelten, ebenso ferner die Gegenwart von Glykogen, wenn auch dessen Umsetzung noch nicht bekannt ist. Das Ausbleiben der sauren Reaction wird man nicht als ein Ausbleiben der S\u00e4urebildung, sondern als ein Verdecktwerden der S\u00e4ure, vielleicht durch die Alkalialbuminate auffassen.\nVon dem Stoffwechsel der glatten Muskeln weiss man gar Nichts, es sind aber bei der offenbar sehr grossen Ueberemstimmung zwischen den organischen und willk\u00fcrlichen Muskeln im chemischen Bau und den Ver\u00e4nderungen bei der Erstarrung auch hier keine grossen Abweichungen zu erwarten. Dass sich bei der Th\u00e4tigkeit der Muskeln S\u00e4ure bildet, darf wohl aus der oben erw\u00e4hnten sauren Reaction des stets in einem gewissen Grade contrahirten hinteren Schliessmuskels von Anodonta geschlossen werden. Die \u00fcbliche Trennung beider Muskelarten wird in der Physiologie mit der Zeit wegfallen k\u00f6nnen. \u2014\n1\tBr\u00fccke, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXIII. 2. Abth. Febr. 1871.\n2\tC. G-. Lehmann, Lebrb. d. physiol. Chemie III. (1) S. 73. Leipzig 1851.\n3\tHeidenhain, Studien d. physiol. Instit. zu Breslau. 1. Hft. S. 199. Leipzig 1861.\n4\tW. K\u00fchne, Lehrb. d. physiol. Chemie S. 331. Leipzig 1866.\n5\tC. Gr. Lehmann, Lehrb. cl. physiol. Chemie III. (1) S. 72. Leipzig 1851.\n6\tM\u00fcndliche Mittheilung an du Bois-Reymond.","page":340}],"identifier":"lit36686","issued":"1879","language":"de","pages":"261-340","startpages":"261","title":"Erster Theil: Chemie und Stoffwechsel der Muskeln","type":"Book Section","volume":"1"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:44:32.248212+00:00"}