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{"created":"2022-01-31T15:53:34.359802+00:00","id":"lit36694","links":{},"metadata":{"contributors":[{"name":"Meyen, Franz Julius Ferdinand","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Berlin: Haude & Spener","fulltext":[{"file":"a0005.txt","language":"de","ocr_de":"Neues System\nder\nPflanzen-Physiologie\nV O n\nF. J. F. Meye7iy\nDoctor der Philosophie, der Medizin und der Chirurgie, und aufserordentlicher Professor an der K\u00f6nigl. Friedrich ^rilhelras\u2018\nUniversit\u00e4t zu Berlin.\n> Zweiter Band.\nMit drei Kupfertafeln in Quart und mehreren Holzschnitten\nBerlin, 1838.\nHau de und Sp en ersehe Buchhandlung. S. J. Joseephy.)","page":0},{"file":"a0006.txt","language":"de","ocr_de":"i 5^* .2* )\nMAX-PUA* CK-INSTITUT\np* A Wl\u00e0lE MtCHAFVSSSICNUttHl\nBibliothek\n*\u25a0--\u2014\\\nT\"","page":0},{"file":"a0007content.txt","language":"de","ocr_de":"I n h a I i.\nDritte Abtheilung.\nSeite\nVon der Ern\u00e4hrung der Pflanzen............................... i\nErstes Buch.\nAufnahme und Fortbewegung der Nahrungsstoffe in den\nPflanzen ................................................. 2\nErstes Capitel.\nAufnahme der Nahrungsstoffe aus dem Boden............... 2\nBetrachtung der Organe, durch welche die parasitischen Pflanzen ihre Nahrung einnehmen................................. 34\nZweites Capitel.\nVon der Bewegung der rohen Nahrungss\u00e4fte in den Pflanzen. 46 Leber die Ursachen, welche die Bewegung des rohen Nahrungssaftes in den Pflanzen veranlassen .......\t79\nDrittes Capitel.\nAusbauchung des \u00fcberfl\u00fcfsigen \"Wassers...................... 94\nv\nViertes Capitel.\nN\u00e4here Betrachtung der Stoffe, welche mit dem Wasser des\nBodens von den Pflanzen aufgenommen werden ....\t120\nZweites Buch.\nAssimilations- und Bildungs- Prozefs in den Pflanzen . . .\t143\nErstes Capitel.\nVon dem Respirations - Prozesse in den Pflanzen\t144\nZweites Capitel.\nLieber die Entwickelung der W\u00e4rme in den Pflanzen . .\t164\nDrittes Capitel.\nLicht-Entwickelung der Pflanzen.................. 192\nViertes Capitel.\nVon den besonderen Bewegungen im Inneren der Zellen, welche den Assimilations - und Nutritions-Prozefs begleiten .\t206\nF\u00fcnftes Capitel.\nN\u00e4here Betrachtung der assimilirten Nahrungsstoffe, welche in\nden Zellen der Pflanzen gebildet werden.............. 259","page":0},{"file":"a0008.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022Seite.\nPflanzenschleim oder Gummi.................................... 260\nZucker ....................................................... 265\nSt\u00e4rke oder Amyluru........................................... 27,\nPfla nzen - Eiweifsstoff...................................... 286\nPflanzen - Leim............................................... 289\nFette oder fixe Oele.......................................... 292\nPfl anzens\u00e4uren.............................................. 298\nPflanzen-Alkaloide oder Extractivstoffe....................... 306\nSechstes Capitel.\nBeobachtungen und Ansichten \u00fcber den Assimilations - und t - \u00dfildungsprozefs in den Pflanzen\t.............. 308\nDrittes Buch.\nSecretions-Erscheinungen in den Pflanzen...................... 368\nErstes Capitel.\nDas Circulations - System in den Pflanzen................. 370\nUeber den Bau und\tdie Vertheilung\tder Milchsaft\u2019s-Gef\u00e4fse.\t371\nUeber den Milchsaft\toder Lebenssaft\tder Pflanzen ....\t386\nUeber die Bewegung\tdes Milchsaftes\tin den Pflanzen .\t.\t410\nZweites Capitel.\nFarben \u2022 Bildung in den Pflanzen.............................. 428\nDrittes Capitel.\nVon den Dr\u00fcsen der Pflanzen................................... 464\nViertes Capitel.\nVon der Absonderung des H arzes, des Gummi\u2019s und des \u00e4therischen Oeles in besonderen Secretions-Beh\u00e4ltern .\t.\t.\t486\nF\u00fcnftes Capitel.\nVon dem Ger\u00fcche der Pfl anzen ................................ 493\nSechstes Capitel.\nAusscheidung w\u00e4ssriger Fl\u00fcssigkeiten auf der Oberfl\u00e4che und\nin besonderen Beh\u00e4ltern der Pflanzen........................ 505\nSieb entes Capitel.\nSecretion verschiedenartiger Stoffe, welche auf der Oberfl\u00e4che der Pflanzen Vorkommen................................. 518\nAchtes Capitel.\nUeber die unorganischen Stoffe in den Pflanzen ...\t532\nErkl\u00e4rung der Abbildungen auf beiliegenden Tafeln...............553","page":0},{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"Dritte Abtheilung.\nVon der Ern\u00e4hrung der P f 1 an z e n.\nDie Ern\u00e4hrung der Pflanzen bietet \u00e4hnliche Erscheinungen dar, als die Ern\u00e4hrung der Thiere, daher m\u00f6chte ich die Lehre von derselben auf eine \u00e4hnliche Weise vorzutragen suchen, wie es schon l\u00e4ngst bei der Lehre von der Ern\u00e4hrung der Thiere geschehen ist, obgleich die Verschiedenheit in der Aufnahme der Nahrungsstoffe, welche bei Pflanzen und bei Thieren stattfindet, hierin allerdings einige Abweichungen erforderlich macht. Die gr\u00f6fste Verschiedenheit in den Erscheinungen, welche die Ern\u00e4hrung der Pflanzen und die der Thiere aufzuweisen hat, wird jedoch dadurch veranlafst, dafs die Thiere einen allgemeinen, verarbeiteten Nahrungssaft, das Blut n\u00e4mlich besitzen, woraus alle Ern\u00e4hrung und alle Bildungen hervorgehen, w\u00e4hrend ein \u00e4hnlicher Saft bei den Pflanzen fehlt.\nIch werde zuerst die Aufnahme der Nahrungsmittel der Pflanzen mit den, damit in Verbindung stehenden Erscheinungen er\u00f6rtern, dann die Assimilation und den Verbrauch der assimilirten Nahrungsstoffe nachzuweisen suchen und zuletzt die Secretions-Erscheinungen vortragen. Auch hier wie im ersten Theile dieses Buches werde ich mich nur an Thatsachen zu halten suchen, und die noch unerkl\u00e4rlichen Gegenst\u00e4nde lieber besonders hervorheben, als durch leere Visionen, welche man zuweilen unter Erhebung zu allgemeinen Ansichten versteht, die geneigten Leser zu t\u00e4uschen und die Lernenden auf Irrwege zu f\u00fchren suchen,\nWeyen. Pfl.Physiol. II,\n1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nErstes Buch.\nAufnahme und Fortbewegung der Nahrungsstoffe in\nden Pflanzen.\nErstes Capitel.\nAufnahme der INaliruiigsfl\u00fcssigkeit aus dem\nBoden.\nDen gr\u00f6fsten Theil der Nahrung ziehen die Pflanzen durch die W urzeln aus der Erde, in welcher sie wachsen, und diese Nahrung kann nur in Form einer verd\u00fcnnten L\u00f6sung in Wasser aufgenommen werden; feste Stoffe, m\u00f6gen sie noch so fein gepulvert sein, k\u00f6nnen nicht von den Wurzeln der Pflanzen aufgenommen werden, nicht einmal gef\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeiten, ja nicht einmal der riechende Stoff, welcher dem, von den Wurzeln der Pflanzen aufgenommenen Wasser beigemischt war, geht mit in die Pflanzen unver\u00e4ndert \u00fcber, wie es durch das Treiben der Gew\u00e4chse in frischem D\u00fcnger erwiesen wird. Indessen ehe wir in diese Untersuchungen weiter eingehen, m\u00fcssen die Organe n\u00e4her betrachtet werden, durch welche die Nahrung der Pflanzen aufgenommen wird; Vieles wird uns alsdann \u00fcber diesen Gegenstand klarer werden, was noch vor wenigen Jahren h\u00f6chst wunderbar erschien.\nSo verschieden auch die Wurzeln der vollkommeneren Pflanzen von jenen der unvollkommeneren erscheinen, so sind doch diejenigen Organe, welche bei den Wurzeln dem Einsaugungs-Gesch\u00e4fte haupts\u00e4chlich vorstehen, dem Wesen nach bei allen Pflanzen von gleicher Art, und da wir, auch in allen \u00fcbrigen F\u00e4llen, bei den niedrigsten Pflanzen die einzelnen Organe der h\u00f6heren Pflanzen am einfachsten auftreten sehen, so k\u00f6nnen wir dieses auch in Bezug auf die Wurzeln vermuthen, und defshalb wollen wir die Wurzeln dieser einfachen Pflanzen zuerst betrachten.","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"3\nWir kennen gegenw\u00e4rtig eine Menge von niederen Pflanzen, welche ohne alle Wurzelbildung auftreten, aber es sind eigentlich nur Wasserpflanzen von aufserordentlieh geringer Gr\u00f6fse, oft nur aus einzelnen, oder aus einigen wenigen Zellchen bestehend, welche durch Einsaugung der Fl\u00fcssigkeit mit ihrer ganzen Oberfl\u00e4che hinreichende Nahrung erhalten und somit der Wurzeln gar nicht bed\u00fcrfen.\nAls solche Gew\u00e4chse sind die Osciliatorien zu nennen und die ganze Reihe von kleinen und meistens sehr niedlich geformten Algen, welche einen Theil der Familie der sogenannten Diatomeen ausmachen. Die Pfl\u00e4nzchen derjenigen Gattung dieser Familie, welche nicht frei im Wasser umherschwimmen, legen sich mit einer ihrer Fl\u00e4chen an irgend einen festen K\u00f6rper, wachsen hier und pflanzen sich fort, w\u00e4hrend andere mit einem confervenartigen Stiele befestigt sind. Unter den h\u00f6heren Cryptogamen sind einige Flechten bekannt geworden, welche man in verschiedenen Gegenden der Kirgisen-Steppe frei auf der Erde umherliegend findet; schon Pallas beschrieb eine dieser Flechten, welche eingesammelt und gegessen wird, unter dem Namen des Lichen esculentus *), doch es giebt deren mehrere, welche neuerlichst durch Fr. L. Nees von Esenbeck **) n\u00e4her beschrieben und abgebildet worden sind. Aus eigener Untersuchung dieser Pfl\u00e4nzchen, welche ich Herrn Eversmann verdanke, m\u00f6chte ich schliefsen, dafs auch diese Gew\u00e4chse in ihrer Jugend auf der Erde befestigt waren, dafs sich aber bei denselben sp\u00e4ter der Rand des thallus nach Unten umbog und dadurch zuletzt die Wurzel aus der Erde hob und zerrifs. An den erwachsenen, frei auf der Erde liegenden Exemplaren ist immer diejenige Stelle, mit welcher sie einst befestigt waren, von dem umgeschlagenen thallus bedeckt. Die vollst\u00e4ndigen Exem-\n*) S. Pallas Reisen u. s. w. III. pag. 760. n. 138. Tab. J. i Fig. 4.\nNova Acta Acad, C. L, C. Tom. XV. P. II. pag. 348 Tab. LXXVIIT.\n1 *","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nplare dieser Flechten haben die Gr\u00f6fse und Form einer Erbse bis zu der einer Bohne und man sieht bei dem ersten Anblicke nichts, womit dieselben festsitzen konnten.\nDie einfachsten Gew\u00e4chse, bei denen Wurzelbildung auftritt, sind die confervenartigen Algen und die Faden-Pilze; hier hat wenigstens die Wurzel einen gleichen, oder doch wenigstens einen sehr \u00e4hnlichen Bau mit dem \u00fcbrigen Theile der Pflanze, und man kann dieselbe zuweilen nur defshalb Wurzel nennen, weil sie von dem Stengel, oder \u00fcberhaupt von dem \u00fcbrigen Theile der Pflanze in entgegengesetzter Richtung w\u00e4chst, denn nicht immer dient die Wurzel bei den niederen Pflanzen zugleich als St\u00fctze oder Anheftungs-Organ, wie es doch bei den h\u00f6heren Pflanzen stets der Fall ist; \u00e4ufsere Verh\u00e4ltnisse \u00fcben liier auf die Entwickelung dieses Theiles Behufs des einen oder des anderen Zweckes grofsen Einflufs aus. Auf der 10. Tafel dieses Buches, welche erst dem dritten Theile beigegeben wird, sind in den Figuren 6 \u2014 9 verschiedene Entwickelungsstufen einer keimenden Conferve dargestellt, wo die Wurzel-Bildung vollst\u00e4ndig zu bemerken ist. In Fig. 7. daselbst sieht man das Ende einer l\u00e4nglichen Zelle, welche das ganze junge Pfl\u00e4nzchen ist, in verschiedene ungegliederte und sich abermals ver\u00e4stelnde feine Schl\u00e4uche ausgewachsen, welche die Wurzeln darstellen. Eine so niedliche Ver\u00e4stelung des W\u00fcrzelchens bildet sich bei diesen Pfl\u00e4nzchen, wie \u00fcberhaupt bei den im Wasser wachsenden Conferven, nur dann, wenn sie, entweder frei im Wasser umherschwimmen, oder sich, der ganzen L\u00e4nge nach, einer Fl\u00e4che anlegen k\u00f6nnen. Wenn sich dagegen die Conferven-Sporen, gleich bei der ersten Entwickelung, mit ihren Spitzen einem festen K\u00f6rper anlegen k\u00f6nnen, S'o kommt es bei ihnen zu keiner Wurzel-Bildung, sondern das Wurzel-Ende der Spore schwillt trichterf\u00f6rmig an und heftet mit dieser Anschwellung die ganze k\u00fcnftige Pflanze an den festen K\u00f6rper, wie dieses ebenfalls auf Tab. X. in Fig. 9. dargestellt ist. Die ersten Beobachtungen \u00fcber Wurzel-Bildung bei den Conferven","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"5\nmachte Herr Unger*) bei den Vaucherien, welches ver\u00e4stelte aber ungegliederte Conferven sind; ich selbst sah diese Wurzel-Bildung bei Polysperma **) einer gegliederten und ver\u00e4stelten Conferve, und habe sie gegenw\u00e4rtig auch bei unver\u00e4stelten Conferven beobachtet. Bei den Tangen waren jene dicken Anschwellungen schon lange bekannt, mit welchen dieselben auf anderen K\u00f6rpern festsitzen, und wurden theils Wurzeln theils Klammern u. s. w. benannt; ich betrachte dieselben als unentwickelte Wurzeln, gleich jenen bei den Conferven in Fig. 9. Tab. X. und in mehreren anderen F\u00e4llen, wie bei Polysperma, wo ich dieselben ebenfalls beobachtet habe. Auch bei den Tangen kommt es vor, dafs sich, wenn sie frei schwimmend wachsen, dergleichen Anschwellungen nicht bilden, und dafs alsdann ebenfalls eine wahre Wurzel-Bildung eintritt, welche aber, \u00e4hnlich wie bei den Conferven, eine gleiche Structur mit der Blatt-oder Stengelsubstanz aufzuweisen hat. Dieses findet z. B. bei dem ber\u00fchmten Fucus natans L. (Sargassum vulgare A.) statt, welcher in der Mitte des Atlantischen Meeres, in der sogenannten Sargasso-See umherschwimmt. Bei den Faden-Pilzen, welche in ihrer Structur den Conferven so aufserordentlich \u00e4hnlich sind, haben die Wurzeln ganz denselben Bau wie die, welche wir vorhin bei den Conferven beschrieben haben. Da dergleichen Wasserpflanzen, als die Conferven, die Tangen u. A. m. mit ihrer ganzen Oberfl\u00e4che dem Wasser ausgesetzt sind und dieses mit den darin gel\u00f6fsten Stoffen einziehen k\u00f6nnen, so ist es erkl\u00e4rlich, dafs dergleichen Pflanzen auch mit unentwickelten Wurzeln vegetiren k\u00f6nnen, ja dieses findet bekanntlich auch noch bei vollkommenen Pflanzen statt, welche ganz unter Wasser wachsen. So erz\u00e4hlt Herr De Candolle ***), dafs sich die Bl\u00fcthen der Aldrovanda\n*) Die Metamorphose der Ectosperma clavata Vauch. \u2014 Nova Acta Acad. C. L. C. Tom. XIII. P. II. Tab. XL. Fig. 7.\n**) Nova Acta Acad. C. L. G. Tom, XIV. P. II. Tab. XXVII Fig. 19 und 20.\n***) Phys, v\u00e9g\u00e9t. II. p. 529.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nvesiculosa, welche am Grunde der schlammigen Landseen im s\u00fcdlichen Europa w\u00e4chst, zur Zeit des Aufbl\u00fchens von der Pflanze abtrennen und dann ohne Wurzeln auf dem Wasser umherschwimmen und sich so lange erhalten k\u00f6nnen, bis die Saamen zur Reife gelangt sind. Auch an unseren Wasserpflanzen, z. B. an abgebrochenen Aesten der Najas major kann man sehen, dafs sie sich viele Monate lang erhalten und wachsen, ihre Nahrung also nur durch die Oberfl\u00e4che einsaugen, denn h\u00e4lt man solche Pflanzen nicht ganz unter Wasser, sondern setzt sie nur mit den abgeschnittenen Enden in dasselbe, so vertrocke-nen sie in einigen Stunden.\nBei den Characeen treten die W\u00fcrzelchen schon vollkommener, als bei den Conferven auf; hier kann man schon verschiedene Theile, gleichsam Wurzel-F\u00e4serchen und Wurzel-H\u00e4rchen unterscheiden; Letztere sind die einfachen \u00e4ufserst zarten H\u00e4rchen, welche, dem Wesen nach mit jenen Wurzeln der Conferven und Faden-Pilze \u00fcbereinstimmen aber gegliedert auftreten. Die Wurzeln aller Lebermoose bestehen in ganz einfachen ungegliederten H\u00e4rchen und in derselben Art treten sie auch bei den keimenden Laubmoosen auf, wo die Membran dieser Wurzel-H\u00e4rchen sogleich braun gef\u00e4rbt wird und sich dadurch von derjenigen der confervenartigen Keimbl\u00e4tter der Moose sehr gut unterscheidet *) ; indessen sehr bald erscheinen diese braunen H\u00e4rchen gegliedert und ver\u00e4stelt, wie wir es bei den ausgebildeten Moosen best\u00e4ndig finden. Ich m\u00f6chte jene confervenartigen Keimbl\u00e4tter mit den Luftwurzeln der vollkommneren Pflanzen vergleichen; ihre Entwickelung wird durch Feuchtigkeit und Licht bedingt, w\u00e4hrend die Entwickelung der braunen Erdwurzeln der Moose nur gesch\u00fctzt gegen das Licht vor sich geht; offenbar k\u00f6nnen die einen die Function der anderen, wenigstens zum Theil vertreten. Bei den Marchantien unter\n\u00a5) S. meine Beitr\u00e4ge \u00fcber die Wurzel der Moose. \u2014 Acta Acad. C. L. C. Tom. XIV. P. II. p. 478. Tab. XXL Fig. 4, 5, 8 u. 9.","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"7\nden Lebermoosen haben die Wurzeln, welche ebenfalls in einfachen haarf\u00f6rmigen Schl\u00e4uchen bestehen, nicht nur in Hinsicht ihrer Structur, sondern auch in Hinsicht ihres Auftretens viel Merkw\u00fcrdiges aufzuweisen. In meiner Phytotomie pag. 136. habe ich auf diesen Gegenstand aufmerksam gemacht, und seit jener Zeit sind die ber\u00fchmten Untersuchungen des Herrn von Mirbel \u00fcber Marchanda polymorpha erschienen, welche auch \u00fcber jene Wurzel-Haare so viel neues Licht verbreitet haben. Die Marchanda ist eine von den sclmellwachsenden Landpflanzen, welchen die Spiralr\u00f6hren fehlen, es scheint aber, als wenn die Function derselben bei den Marchantien eben durch jene eigent\u00fcmlichen Wurzel-Haare versehen werde, welche, in Form von B\u00fcndel, fast gerade an denjenigen Stellen der unteren Fl\u00e4che des Laubes Vorkommen, wo in anderen F\u00e4llen die Spiralr\u00f6hren-B\u00fcndel der Blattnerven gelagert sind. Besondere h\u00e4utige Vorspr\u00fcnge treten an diesen Stellen aus der Blattsubstanz hervor und schlagen die B\u00fcndel der Wurzel-Haare ein, so dafs es scheint, als ob dieselben in der Blattsubstanz selbst gelagert w\u00e4ren und daselbst die Blattnerven bildeten. Herr von Mirbel hat hierzu in Fig. 47. auf der 6ten Tafel seiner bekannten Arbeit eine sch\u00f6ne Darstellung gegeben. Die einzelnen Wurzel-H\u00e4rchen dieser B\u00fcndel sitzen mit ihrer Basis an irgend einer Stelle des Laubes fest, sie verlaufen alsdann, \u00e4hnlich den Spiralr\u00f6hren, entlang der ganzen Stelle, welche gleichsam als der Nerve erscheint, und ragen mit ihren Spitzen in den Boden hinein, aus welchem sie die Feuchtigkeit einsaugen und mit grofser Schnelligkeit fortf\u00fchren k\u00f6nnen. In den Fruchtstielen treten diese Wurzel-Haare in Form zweier, regelm\u00e4fsig gestellter B\u00fcndel auf, welche durch den ganzen Stiel verlaufen, indem die Haare mit ihrer Basis auf der unteren Fl\u00e4che der pelta beginnen und mit den Spitzen aus der Erde die Feuchtigkeit einsaugen, um sie direct zur Frucht zu f\u00fchren. Macht man Querschnitte aus den Fruchtstielen der Marchantien, so glaubt man bei dem ersten Anblicke, dafs jene B\u00fcndel","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nvon Wurzel-Haaren im Inneren der Substanz gelagert w\u00e4ren, doch wenn man genauer nachsieht, so bemerkt man, dafs sie nur in tiefen Rinnen verlaufen, welche auf der einen Seite des Stieles und ziemlich dicht neben einander gestellt sind ; die R\u00e4nder dieser Rinnen liegen meistens so genau neben einander, dafs es scheint, als ob dieselben ganz geschlossen w\u00e4ren.\nAufser diesen, in Form von B\u00fcndeln auftretenden Wurzel - Haaren, haben die Marchantien noch eine sehr grofse Menge frei liegender, welche mehr oder weniger fast den gr\u00f6fsten Theil der unteren Fl\u00e4che ihres Laubes bekleiden. Bald sind diese zerstreut stehenden Wurzel-Haare dicker, als jene in den B\u00fcndeln, bald findet das Gegentheil statt, doch am bemerkenswerthesten ist es, dafs diese Haare in ihrer fr\u00fchesten Entwickelung ganz gleich-m\u00e4fsig, ohne irgend eine bemerkbare Structur sind; ein grofser Theil derselben verbleibt auch wohl f\u00fcr immer in diesem Zustande, die \u00fcbrigen aber gehen eine auffallende Ver\u00e4nderung in ihrer Form ein. Zuerst erscheint eine grofse Anzahl ziemlich regelm\u00e4fsig gestellter P\u00fcnktchen auf der inneren Fl\u00e4che der Zellen-Membran und diese bestehen in kleinen konischen Ausw\u00fcchsen, wie es Herr von Mirbel zuerst nachgewiesen hat. Sp\u00e4ter zeigen diese punktirten Schl\u00e4uche einzelne Einschn\u00fcrungen, welche an Zahl zunehmen und zuletzt den R\u00e4ndern derselben ein wellenf\u00f6rmiges Ansehen geben. Die Einschn\u00fcrungen entsprechen jedoch in ihrem Auftreten dem Laufe einer Spirallinie, und diese Umwandelungen des Schlauches beginnen an der Basis und laufen allm\u00e4lich zur Spitze hinauf.\nEs kann wohl keinem ferneren Zweifel unterliegen, dafs bei allen den genannten niederen Gew\u00e4chsen diese W urzel-Haare das Gesch\u00e4ft der Wurzel, n\u00e4mlich die Aufnahme der Nahrungsfl\u00fcssigkeit haben, und von eben dieser Form und Structur sind jene H\u00e4rchen bei den vollkommenen Pflanzen, welche den Namen der Wurzel-Haare f\u00fchren, welchen aber ber\u00fchmte Botaniker, wie z. B. Herr","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"9\nL. Treviranus *) noch vor wenigen Jahren das Gesch\u00e4ft der Einsaugung absprachen und sie als Absonderungs-Organe darzustellen versuchten, was aber wohl jeder Botaniker, welcher nur einige eigene Beobachtungen anstellt, g\u00e4nzlich zur\u00fcck weisen m\u00f6chte.\nBei den Salviniaceen, Equisetaceen und den Farm, als den untersten Familien der vollkommeneren Gew\u00e4chse, treten die haarf\u00f6rmigen Wurzeln eigentlich immer noch vorherrschend auf, so wie auch bei einigen Wassergew\u00e4chsen, als bei Hydrocharis, wo die ganze Oberfl\u00e4che der im Wasser frei h\u00e4ngenden Wurzeln, fast bis zur Spitze hin, mit Tausenden von mehr oder weniger langen und starken Haaren bekleidet ist, welche von allen Seiten her die Nahrungsfl\u00fcssigkeit aufnehmen, \u00e4hnlich wie bei der Salvi-nia, obgleich hier die Haare gegliedert, bei den vollkommeneren Pflanzen aber wohl immer ungegliedert auftreten. Abweichend von der Regel sind die Wurzeln der Riccia natans gebauet, indem sie nicht wie bei \u00e4hnlichen Gew\u00e4chsen aus einfachen H\u00e4rchen, sondern aus breiten bandf\u00f6rmigen, etwas gez\u00e4hnten Streifen bestehen, welche aus sehr regelm\u00e4fsigen Parenchym-Zellen gebildet sind.\nAuf den Wurzeln der vollkommenem Pflanzen treten die Wurzel-Haare in mehr oder weniger grofser Anzahl auf, was gr\u00f6fstentheils von \u00e4ufseren Verh\u00e4ltnissen bedingt zu sein scheint. Auf den \u00e4lteren Theilen der Wurzel verderben die H\u00e4rchen und fallen allm\u00e4lich ab, dagegen erscheinen immer neuere auf den j\u00fcngeren Theilen, als auf den Wurzel-Zasern; nur die Spitzen sind frei davon, aber in einiger Entfernung von denselben bemerkt man die Art der Bildung dieser H\u00e4rchen ganz deutlich. N\u00e4mlich die obere Wand der einzelnen Zellen, welche die Epidermis der Wurzel bilden, w\u00e4chst in ein kleines kegelf\u00f6rmiges W\u00e4rzchen aus, welches immer l\u00e4nger und l\u00e4nger wird, so dafs es zuletzt die Gestalt eines mehr oder weniger langen Haares annimmt. An den Enden der im Wasser h\u00e4ngenden Wurzeln von Hydrocharis ist dieses besonders\nO Phys. d. Gew\u00e4chse. T. pag. 378.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nsch\u00f6n zu sehen, indem hier fast alle Epidermis-Zellen, in einiger Entfernung von der Wurzelspitze in kleine W\u00e4rzchen auswachsen und, etwas weiter hinauf zu immer l\u00e4nger und l\u00e4nger werdenden Haaren \u00fcbergehen. Auf den Wurzeln der vollkommneren Pflanzen, welche in der Erde wachsen, sind die Wurzel-Haare wohl niemals in so gro-fser Anzahl auftretend, als im vorhergehenden Falle; auch sind sie immer viel zarter und feiner, als bei den Wassergew\u00e4chsen, und reifsen gr\u00f6fstentheils ab, wenn man die Pflanzen aus der Erde zieht. Auch in der L\u00e4nge und in der Form ihrer Enden sind sie nicht nur bei verschiedenen Pflanzen, sondern selbst bei einer und derselben verschieden, je nachdem die Pflanze unter verschiedenen \u00e4u-fseren Verh\u00e4ltnissen wuchs. An den Wurzeln, welche an abgeschnittenen Tradescantien-Zweigen, die im Wasser standen, hervorkamen, zeigte sich ebenfalls die ganze Fl\u00e4che bis in die N\u00e4he der Spitze mit jenen Wurzel-Haaren bekleidet, und alle diese Haare zeigten an ihrer Basis einige wellenf\u00f6rmige Einbiegungen und Erhabenheiten; im \u00fcbrigen Verlaufe waren sie von gew\u00f6hnlicher Form, und die Enden ziemlich regelm\u00e4fsig keulenf\u00f6rmig angeschwollen. Ein fester Boden verhindert die Entwickelung der Wurzel-Haare, sie bleiben in demselben kurz und erhalten mehr oder weniger starke und unregelm\u00e4fsige Anschwellungen an ihren Enden, dagegen werden sie in einem lockeren Boden sehr lang und gleichm\u00e4fsig, ja ihre Anzahl vermehrt sich, wenn der Boden nicht geh\u00f6rig feucht ist. Die Wurzeln junger Balsaminen-Pfl\u00e4nzchen sind zwar mit Wurzel-H\u00e4rchen bekleidet, wenn man sie vorsichtig aus der Erde nimmt, doch will man die aufserordentliche Menge und die regelm\u00e4fsige Stellung derselben beobachten, so lege man die Saamen in feingepulverten weifsen Marmor, der sich in einem cylindrischen Glase befindet (ich benutzte hiezu die gew\u00f6hnlichen Gl\u00e4ser, worin man bei uns die Blumenzwiebeln im W asser zu ziehen pflegt) und verrichte die Bew\u00e4sserung durch eine, bis zum Boden des Glases gef\u00fchrte Glasr\u00f6hre von Unten. Nach Verlaut von eini-","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"11\ngen wenigen Wochen wird man mehrere Wurzei-Zasern der jungen Balsaminen-Pflanzen unmittelbar zwischen dem Glase und dem Marmor verlaufen sehen, und an ihnen sind vermittelst guter Linsen die unz\u00e4hligen Wurzel-Haare zu beobachten, welche, ganz regelm\u00e4fsig horizontal zu beiden Seiten der Wurzel-Zasern liegen und oft wohl -j \u2014y Zoll L\u00e4nge erreichen. In jedem Falle kann man den Schlufs ziehen, dafs eine gr\u00f6fsere Anzahl Wurzel-H\u00e4rchen die Oberfl\u00e4che der Wurzel, welche zum Einsaugen der Nahrungsfl\u00fcssigkeit bestimmt ist, vergr\u00f6fsert, und dafs also auf diese Weise auch die Aufnahme der Fl\u00fcssigkeit verst\u00e4rkt wird. L\u00e4fst man die Wurzeln gew\u00f6hnlicher Landpflanzen in feuchter Luft wachsen, wie z. B. die Erdtoffeln in feuchten Kellern, so bedeckt sich die Oberfl\u00e4che der Wurzeln mit einer so grofsen Menge von Haaren, dafs sie wie mit einem Filze von Schimmel \u00fcberzogen erscheinen, und Aehnliches kann man t\u00e4glich in den Stuben her-vorrufen. Wenn man z. B. eine Menge kleiner Saamen, als Mohn-, Kressen-, Spinat-Saamen u. A. m. auf die feuchte Erde eines Blumentopfes streuet,, ohne dieselben mit Erde zu bedecken, so wird man an den Keimen der Pfl\u00e4nzchen bemerken, dafs die ganzen Wurzeln aufser der Spitze, so weit sie \u00fcber der Erde liegen, in sehr wenigen Tagen, oft schon am zweiten, mit einem dicken Filze zarter Wurzel-Haare bedeckt sind.\nEs liegt wohl sehr nahe, dafs man hierin die Absicht der Natur, die Oberfl\u00e4che der Wurzel zu vergr\u00f6fsern, um dadurch dennoch die n\u00f6thige Feuchtigkeit aufzunehmen, wieder erkennt, und da diese H\u00e4rchen ganz offenbar von derselben Art und derselben Function mit den Wurzel-H\u00e4rchen sind, weiche unter der Erde Vorkommen, so k\u00f6nnen wir der Ansicht des ber\u00fchmten J. P. Moldenhawer, welcher den Wurzel-H\u00e4rchen die Absonderung eines Saftes zuschreibt, der als Aufl\u00f6sungsmittel f\u00fcr die aufzunehmenden Nahrungsstoffe dienen solle, keinen Beifall schenken. Die Bildung der Wurzel-H\u00e4rchen in dem zuletzt angef\u00fchrten Falle, ist ganz besonders gegen jene Ansicht","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nMoldenhawer\u2019s sprechend, denn sie entwickeln sich, in so grofser Anzahl, gerade auf der Oberfl\u00e4che derjenigen Wurzeln, welche nicht in der Erde wachsen; ihre Function, n\u00e4mlich die Absonderung eines, die Verdauung vorbereitenden Saftes w\u00e4re hier also ganz unn\u00f6thig (wenn sich die Annahme eines solchen Saftes \u00fcberhaupt rechtfertigen liefse), und dennoch werden diese Haare gerade durch die angegebenen \u00e4ufseren Verh\u00e4ltnisse so stark hervorgerufen. Herr L. Treviranus ist hier wie fast \u00fcberall der Ansicht Moldenhawer\u2019s gefolgt und glaubt*), dafs diese H\u00e4rchen mit d*er Einsaugung nichts zu thun haben, und, da sie eine sp\u00e4tere Bildung als das W\u00fcrzelchen selbst sind, dais sie dem, im Rinden-Parenchym desselben zu sehr angeh\u00e4uften Bildungssafte zur Ableitung und zum Auswege dienten. Man darf sich nicht wundern in den Schriften des Herrn Treviranus eine so schroff entgegenstehende Ansicht zu finden, dieselbe ist nur das Resultat der Speculation; wirkliche Beobachtungen lehren sehr bald, dais die Wurzel-Haare der Pflanzen wirklich einsaugen und die Rotations-Str\u00f6mung in denselben, welche ich zuerst bei Hydrocharis Morsus ranae, Tradescantia- Arten und Stia-tiotes aloides, dann aber auch bei allen Landpflanzen aufgefunden habe, welche sich mir unter g\u00fcnstigen \\ erh\u00e4lt-nissen zur Beobachtung darboten **), zeigt ebenfalls, dafs im Inneren dieser haarf\u00f6rmigen Zellen eine Assimilation vor sich gehe, ganz wie in den \u00fcbrigen Zellen dei Epidermis der frischen W urzel-Zasern. Einsaugungsversuche, welche ich mit einer kr\u00e4ftigen Pflanze von Hydrocharis in einer d\u00fcnnen L\u00f6sung von Blutlaugensalz anstellte, zeigten mir, dafs schon nach 6 \u2014 7 Stunden eine bedeutende Menge jenes Salzes durch die W urzel-Haare aufgenommen worden war.\nEin regelm\u00e4fsig periodisches Auftreten und \\ erschwin-\n*) Physiologie der Gew\u00e4chse, 1. pag. 378-\n\u00a5\u00a5) S. meine Nouvelles observations sur le circulation du suc cellulaire dans les plantes. \u2014 Ann. des scienc. nat. 1835. Nov. pag. 257.","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"13\nden der Wurzel - Haare, \u00e4hnlich dem Bl\u00e4tterwechseln der B\u00e4ume ist nicht vorhanden, die Oberfl\u00e4che der alten, braungef\u00e4rbten Wurzeln ist nicht mehr mit Wurzel-Haaren bekleidet, sondern dieselben treten immer nur auf den jungen Wurzel-Fasern auf und verschwinden wieder, wenn diese an ihrem dicken Ende ein gewisses Alter erreicht haben, wobei sich aber auf dem fortwachsenden spitzen Ende immer wieder neue H\u00e4rchen bilden.\nSo allgemein das Auftreten der Wurzel-Haare ist, welche bei den niederen Pflanzen ganz allein die Function der Wurzel versehen und bei den h\u00f6heren Pflanzen in um so gr\u00f6fserer Anzahl auftreten, je gr\u00f6fser ihr Bedarf an Feuchtigkeit ist, so ist es doch h\u00f6chst auffallend, dafs schon mehrere F\u00e4lle beobachtet sind, wo die Aufsaugung der Wurzel auch ohne Wurzel-H\u00e4rchen vor sich geht. Dafs die Wurzeln der Lemna-Arten ohne H\u00e4rchen sind, ist allgemein bekannt und ebenso zeigen die Wurzeln der Hyacinthe, welche im blolsen Wasser wachsen, keine Wurzel-Haare, w\u00e4hrend sich dieselben in ziemlicher Anzahl auf solchen Wurzeln dieser Pflanze entwickeln, welche in der Erde wachsen. Die Zwiebel-Gew\u00e4chse haben \u00fcberhaupt nur wenige Wurzel-H\u00e4rchen und sie sind so zart, dafs man dieselben nur mit starken Vergr\u00f6fserungen bemerkt.\nTreten keine Haare auf der Oberfl\u00e4che der Wurzel auf, so ist dieselbe mit einer Schicht von regelm\u00e4fsigen parallele-pipedischen Zellen bekleidet, welche durch ihre Seitenw\u00e4nde innig miteinander verwachsen sind und auf diese Weise eine Epidermis bilden, welche der Epidermis der anderen Theile der Pflanze gleicht, nur dafs derselben die Spalt\u00f6ffnungen fehlen, die aber, wie wir es schon im ersten Theile gezeigt haben, zur Begriffs-Bestimmung der Epidermis nichts wreiter beitragen k\u00f6nnen. Die Selbst\u00e4ndigkeit dieser \u00e4ufseren Zellenschicht der Wurzel-Fasern wird au-fser allen Zweifel gestellt, wenn man beobachtet, dafs sich dieselbe von der darunterliegenden Zellenmasse ganz vollkommen abl\u00f6st und dann, gleich einer Scheide, welche","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nmehr oder weniger lang ist, die zur\u00fcckgebliebene Wurzel emhiillt. Eine solche H\u00e4utung der Wurzel-Fasern scheint sehr oft vorzukommen, doch ist dieselbe bis jetzt wohl nur defshalb so selten beobachtet, weil sie nicht zu allen Zeiten zu bemerken ist, auch liegt die gel\u00f6ste Oberhaut meistens noch so dicht der Wurzel an, dafs nur sehr starke Vergr\u00f6fserungen die Trennung derselben zeigen, welche man aber auch unter dem einfachen Mikroskope sehr leicht k\u00fcnstlich bewirken kann. Es sind vorz\u00fcglich die Wasserpflanzen, deren Wurzelspitzen eine solche H\u00e4utung der Oberhaut aufzuweisen haben, und bei der Gattung Lemna war dieselbe schon lange bekannt, aber bis auf J. F. Wolff * *) stets unrichtig gedeutet. Das Wurzel-H\u00e4utchen, wie ich es nennen m\u00f6chte, ist bei den Lemna-Wurzeln aufserordentlich stark, so dafs die Spitze der Wurzel, welche damit bedeckt ist, fast noch einmal so dick, als der \u00fcbrige Theil der Wurzel erscheint, was man auch aus der Abbildung in Fig. 6. Tab. VII. ersehen kann, wo gerade die Basis dieser umschliefsenden Haut (cdef) mit der darin steckenden Wurzel (ab) dargestellt ist. Sp\u00e4ter wurden diese Wurzel-H\u00e4utchen auch bei vielen anderen Pflanzen beobachtet, als bei den Farm, denLycopodien, Gr\u00e4sern, Palmen u. s. w. und Herr De Candolle *) machte endlich die Beobachtung bekannt, dafs sich etwas Aehnliches bei allen im Wasser wachsenden Wurzeln und auch hei Landpflanzen vorfinde, was ich ebenfalls zwar best\u00e4tigt gefunden habe, indessen mufs man doch die Bemerkung hinzuf\u00fcgen, dafs diese Wurzel-H\u00e4utchen bei verschiedenen Individuen einer und derselben Art bald Vorkommen, bald g\u00e4nzlich fehlen und bis jetzt sind die Ursachen noch nicht ermittelt, welche den einen oder den andern dieser Zust\u00e4nde bedingen; ja dasselbe gilt auch f\u00fcr die wirklichen Wasserpflanzen, deren Wurzeln zuweilen mit, zuweilen ohne jenes hut-\n*) De Lemna. Altorfii et Norimbergae 1801. 4to. pag. 9.\n*\u00a5) Sur les Lenticelles des arbres et le d\u00e9veloppement des racines qui en sortent. \u2014 Annales des sciences nat. 1836. Tom. VII. pag. 1\u201436.","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"15\nf\u00f6rmige Wurzelh\u00e4utchen Vorkommen. Herr Treviranus *) hat auch von den weifsen Wurzelspitzen der gemeinen Kiefer w\u00e4hrend des Winters ein feines H\u00e4utchen abl\u00f6sen k\u00f6nnen, ohne das darunter liegende Zellengewebe zu verletzen; und es scheint nach den Beobachtungen von Du Petit-Thouars, dafs sich dieses H\u00e4utchen zur Fr\u00fchjahrszeit in Lappen aufl\u00f6st, weiche einzeln abfallen (die neue Spitze bek\u00f6mmt aber wohl wieder eine neue Haut!). Beobachtungen an den Wurzelspitzen der Lemna, welche Herr Treviranus **) bekannt gemacht hat, sollen beweisen, dafs eine solche H\u00e4utung der Wurzel mehrmals erfolgen kann, wovon ich mich sowohl bei Lemna, als an den Wurzelspitzen anderer Wasserpflanzen nicht habe \u00fcberzeugen k\u00f6nnen. Auch glaube ich, dafs eine solche nochmalige H\u00e4utung einer und derselben Wurzelspitze, wenigstens bei den Lemna-Arten, nicht vor sich gehen kann, denn die kleine Abbildung, welche sich in Fig. 6. Tab. VII. befindet, zeigt ganz deutlich, dafs die Haut, welche das H\u00e4utchen edef bildet, eine ganz andere Structur besitzt, als die Zellenschichten, welche die Wurzeloberfl\u00e4che ab darstellen. Die nebenstehenden Abbildungen in Fig. 1. und Fig. 2. Tab. VII. zeigen das Verh\u00e4ltnis in der Structur des Wurzel-H\u00e4utchens zu der Wurzelspitze von Hydrocharis Morsus ranae; ab cd Fig. 1. ist das Ende des abgezogenen Wurzel-H\u00e4utchens und ef Fig. 2. ist die Spitze der Wurzel, welche darin steckt und den Raum ghik in Fig. 1. ausf\u00fcllte; es sind diese beiden Theile einzeln dargestellt um ihre Structur richtig abbilden zu k\u00f6nnen und so wie hier, verh\u00e4lt sich die Structur der Spitzen auch in allen anderen F\u00e4llen, wo die Wurzeln unter Wasser wachsen und mit einem Wurzel-H\u00e4utchen versehen sind. Bei der Hydrocharis ist das Wurzel-H\u00e4utchen verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig sehr lang, denn es ragt bis zu derjenigen Stelle hin, wo diese Wurzeln anfangen Wurzel-Haare zu zeigen, und gerade\n*) Physiologie der Gew\u00e4chse. I. pag. 382.\n**) 1. c. pag. 381.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nhier ist die Stelle, wo jenes H\u00e4utchen sich zuerst von der darunterliegenden Zellenschicht trennt und von der Oberhaut der \u00fcbrigen Wurzel in eben der Art abreifst, wie die Calvptra bei den Moosen, die Volva bei den Pilzen, u.s.w. Nach dieser ersten Trennung w\u00e4chst die Spitze der Wurzel weiter fort und f\u00fchrt die abgel\u00f6ste Oberhaut, welche, noch lange Zeit hindurch mit der \u00e4ufsersten Spitze der Wurzel im innigen Zusammenh\u00e4nge steht, als eine hutf\u00f6rmige Scheide mit sich, w\u00e4hrend man an dem \u00e4lter werdenden Theile des, von der Epidermis entbl\u00f6fsten W\u00fcr-zelchens ebenfalls die Entwickelung von H\u00e4rchen durch warzenf\u00f6rmiges Auswachsen der oberen Zellenw\u00e4nde verfolgen kann. Man darf \u00fcbrigens dieses hutf\u00f6rmige Wurzel-H\u00e4utchen nicht gleich als abgestorben und getrennt von der Pflanze betrachten, denn bei Hydrocliaris habe ich in den Zellen desselben stets die bekannte Rotations-Str\u00f6mung beobachtet, und da das H\u00e4utchen bis zu seiner vollkommenen Zerst\u00f6rung ganz innig mit dem Zellengewebe der Wurzelspitze zusammenh\u00e4ngt, so k\u00f6nnen die durch die Zellen des Wurzel-H\u00e4utchens aufgenommenen und etwas assimilirten Nahrungsfl\u00fcssigkeiten, ebenfalls in die Pflanze hineingeleitet werden. Ich betrachte demnach das Auftreten der Wurzel-H\u00e4utchen ebenfalls als ein Mittel, dessen sich die Pflanze zur Vergr\u00f6fserung und Erneuerung der einsaugenden Fl\u00e4che der Wurzel bedient, und stelle also diese Bildung mit den Wurzel-H\u00e4rchen in Parallele. Wenn die Wurzel-H\u00e4rchen absterben, dann verderben auch die \u00fcbrigen, von den Zellen derselben zur\u00fcckgebliebenen Theile und es kommt alsdann ebenfalls die zweite Zellenschicht der Wurzel zur Oberfl\u00e4che, aus deren Zellen sich wiederum H\u00e4rchen bilden k\u00f6nnen, wenn die Wurzel nicht schon zu alt ist, denn mit dem Aelterwerden derselben werden die Membranen der \u00e4ufsersten Zellen aufserordentlich dick und fest.\nEs bleibt uns noch die n\u00e4here Betrachtung der Struc-tur der Wurzelspitzen \u00fcbrig, welche man in neueren Zeiten, leider so allgemein, aber ohne eigene neue Beob-","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"17\nachtungen hier\u00fcber angestellt zu haben, als die alleinigen Theile der Wurzel angesehen hat, welche der Einsaugung der Nahrungsfl\u00fcssigkeiten vorstehen sollten und denen man zur Ausf\u00fchrung dieses Gesch\u00e4ftes ganz besondere Lebensth\u00e4tigkeit zuschrieb.\nEs ist besonders durch Herrn De Candolle *) die Ansicht verbreitet worden, dafs die Wurzeln der voll-kommneren Pflanzen eigentlich nur mit ihren Enden, welche derselbe Wurzel-Schw\u00e4mmchen nennt, die Einsaugung der Nahrung bewirken, eine Ansicht, welche wir jedoch f\u00fcr durchaus irrig erkl\u00e4ren m\u00fcssen ; sie wurde auf die, nur nebenbei mitgetheilten Beobachtungen Senebier's**) gegr\u00fcndet, denen indessen die umst\u00e4ndlicher mitgetheilten und richtigeren \u00e4lteren Angaben von De la Baisse und Du Hamei ***) weit vorzuziehen waren, wie ich es durch eigene Versuche best\u00e4tigen kann. De la Baisse fand an verschiedenen Pflanzen, dafs dieselben am l\u00e4ngsten griin blieben, wenn sie mit ihren ganzen Wurzeln in Wasser gestellt wurden. Wurden die Wurzeln mit ihrer ganzen Fl\u00e4che dem Wasser ausgesetzt, aber die Spitzen derselben davon ausgeschlossen, so gr\u00fcnten sie k\u00fcrzere Zeit, als wenn man die Wurzeln nur mit den Spitzen in Wasser setzte. Aus diesen Versuchen schlofs De la Baisse ganz richtig, dafs, wenn auch die Nahrungsfl\u00fcssigkeit durch den Wurzelk\u00f6rper aufgenommen wird, dafs dennoch nicht so viel in denselben \u00fcbergehe, als durch die Spitzen der Wurzeln, und ganz \u00e4hnlich dr\u00fcckt sich auch Du Hamei \u00fcber diesen Gegenstand am angef\u00fchrten Orte aus; ja auch aus Corradorrs j-) Beobachtungen geht ja hervor, dafs nicht nur die verg\u00e4nglichen Wurzel-Haare, welche sich auf der Oberfl\u00e4che junger Wurzeln befinden, sondern auch die Wur-\n*) Organographie v\u00e9g\u00e9t. I. pag. 261 und Phys. v\u00e9g\u00e9t. I. pag. 62.\nPhys, v\u00e9g\u00e9tale etc. A Gen\u00e8ve. 8vo. I. pag. 311.\n***) Die Natur - Geschichte der B\u00e4ume etc. A. d. Franz\u00f6sischen von Schoellenbach. N\u00fcrnberg 1765. 4to. II. pag. 184.\nIn einer von H. De Candolle citirten Schrift: Degli organi assorbenti delle radici delle plante. 8vo.\nMeyen. Pfl, Physiol. Il,\n2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"JS\nzeJn selbst mit ihrer Oberfl\u00e4che einsaugen, wenn auch die Menge auf diesem letzteren Wege sehr gering ist, und dennoch hat Herr Huger *) alle diese Angaben f\u00fcr die entgegengesetzte Ansicht citirt, welche von Senebier aufgestellt wurde. Senebier scheint die Versuche von De la Baisse \u00fcber die Einsaugung der Wurzeln nicht gekannt zu haben, als er seine Versuche mit der Rettig-Pflanze anstellte **); er setzte eine Pflanze der Art in Wasser, doch so, dafs nur die Spitze der Wurzel eingetaucht war und sah, dafs die Pflanze w\u00e4hrend mehrerer Tage frisch blieb. Hierauf legte Senebier die Wurzel einer anderen Rettig-Pflanze in der Art in Wasser, dafs nur der gekr\u00fcmmte 1 heil der W urzel, ohne die Enden derselben vom Wasser ber\u00fchrt wurde, und er sah, dafs die Bl\u00e4tter der I flanzo sogleich welkten, dafs sie aber wieder ihre fr\u00fchere Frische erhielten, wenn er auch die Spitze jener WTirzel in WTasser steckte. Dieses ist der Versuch, welchen ich bei Senebier mitgetheilt finde ***), aber einige Gegenversuche lehren alsbald, dafs sich die Aufsaugung auch hier, wie in den von De la Baisse, Du Hamei und Corradori angegebenen Versuchen verh\u00e4lt, dafs n\u00e4mlich die Masse des durch die Fl\u00e4che der alten WTirzel aufgenommenen Wassers sehr gering ist zu jener, welche durch die Spitze eben derselben Wurzel eingesaugt wird. Macht man jenen Versuch mit den Rettigen an weniger heifsen und trockenen Tagen, wo also die Transpiration der Bl\u00e4tter nicht in kurzer Zeit dieselben zumWTdken bringt so wird die Pflanze durch die langsame Aufnahme des W\u2019assers, vermittelst der Fl\u00e4che der Wurzel, ebenfalls auf einige Zeit frisch erhalten, ist aber die ausgehauchte Was-\n*) Ueber den Einflufs des Bodens auf die Vcrtheilung der Gew\u00e4chse, nachgewiesen in der Vegetation des nord\u00f6stlichen Tyrol. Wien 1836 pag. 116.\n**) S 1. c. I, pag. 311.\n***) Herr De Candolle (Organ, v\u00e9g\u00e9t. I. pag. 262) erz\u00e4hlt die Versuche sehr abweichend, aber ohne den Ort anzugeben, wo sie mitgetheilt sind.","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"19\nserinasse um Vieles gr\u00f6fser, als die aufgenommene, so welkt die Pflanze. Mir scheint der Unterschied zwischen der Aufnahme des Wassers durch die Spitzen und durch die ganze Fl\u00e4che der Wurzel, haupts\u00e4chlich in der Schnelligkeit zu bestehen, mit welcher dieselbe ausgefiihrt und durch die zun\u00e4chst liegenden Elementar-Organe fortgef\u00fchrt werden kann. Den Spitzen der feinsten Wiirzelchen sehr nahe liegen die Anf\u00e4nge der Spiralr\u00f6hren und die langgestreckten Zellen, deren Function gerade in der schnelleren Fortbewegung des aufgenommenen Wassers besteht. Bei der Aufnahme des Wassers durch die Fl\u00e4che der Wurzel, kann dasselbe nur sehr langsam fortbewegt werden, und zwar um so langsamer, je \u00e4lter die Wurzel ist, denn die Membranen der Zellenschichten, welche die Epidermis und die \u00e4ufsersten Schichten der Rinde bilden, werden mit zunehmendem Alter immer dicker und fester und erschweren dadurch den Durchgang der Fl\u00fcssigkeiten immer mehr und mehr. Ganz dasselbe werden wir k\u00fcnftig bei der Transpiration kennen lernen; auch diese ist in den Bl\u00e4ttern und anderen Theilen um so kr\u00e4ftiger, je j\u00fcnger und zarter die Structur der Zellen ist, und wird immer schw\u00e4cher, je fester die Zellenmembranen werden.\nDie Spitzen der Wurzeln zeichnen sich h\u00e4ufig durch eine besondere F\u00e4rbung aus, welche am allgemeinsten gr\u00fcn oder gr\u00fcngelblich, zuweilen aber auch r\u00f6thlich und br\u00e4unlich ist. In dem ersteren Falle zeigen die inneren Zellen eine gr\u00fcngef\u00e4rbte mehr oder weniger deutlich gek\u00f6rnte Masse, und da die Zellen, welche die Oberhaut dieser Wurzelspitzen bilden, \u00e4ufserst zart und durchsichtig sind, so scheint jene gr\u00fcne Masse aus dem inneren Zellengewebe hervor. Bei den Wassergew\u00e4chsen pflegt es sich im Allgemeinen ganz ebenso zu verhalten, doch in dem Wurzel-H\u00e4utchen der Lemna-Arten ist die gr\u00fcnf\u00e4rbende K\u00f6rnermasse gerade in den Zellen derselben stark angeh\u00e4uft, und das innere Zellengewebe der Wurzelspitze hat daselbst die gr\u00fcnf\u00e4rbende Substanz wie gew\u00f6hnlich. In der Wurzelspitze der Hydrocharis auf Tab. VII. sind in\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nden Zellen des Wurzel-H\u00e4utchens (Fig. 1.) nur sehr wenige griingefarbte K\u00fcgelchen, dagegen sind die Zellen der Spitze e f in Fig. 2. sehr stark gef\u00e4rbt. Die sch\u00f6ne gr\u00fcne F\u00e4rbung an den Spitzen der Luftwurzeln, welche bei vielen Orchideen und Aroideen Vorkommen, findet eine \u00e4hnliche Erkl\u00e4rung; alle die Parenchym-Zellen, welche die eigentliche saftige Rinde dieser Luftwurzeln bilden, sind stark mit gr\u00fcngef\u00e4rbten Zellensaft-K\u00fcgelchen gef\u00fcllt, welche aber nur an der Spitze derselben durchscheinen k\u00f6nnen, indem hier die Zellenschichten, welche auf der ausgewachsenen Luftwurzel jene pergamentartige H\u00fclle bilden, deren eigenth\u00fcmliche Structur schon im ersten Theile dieses Buches pag. 48 er\u00f6rtert wurde, noch ganz zart und durchsichtig sind. In roth und violett gef\u00e4rbten Wurzelspitzen verschiedener Pflanzen, sah ich die einzelnen Zellen der Oberhaut mit roth oder violett gef\u00e4rbtem Zellensafte gef\u00fcllt.\nHerr Link*) bemerkte wohl zuerst, dafs die Wurzelspitzen gew\u00f6hnlich mit Papillen besetzt sind, und da Senebier's Beobachtungen erwiesen, dafs die Pflanzen mit den Wurzelspitzen st\u00e4rker einsaugen, so lag der Schlufs auch sehr nahe, dafs diese Einsaugung der Wurzelspitzen gerade durch jene Papillen veranlafst werde; indessen Herr Link war niemals der Meinung, dafs die Einsaugung der Pflanzen nur durch die Wurzelspitzen erfolge. Im Jahre 1826 publicirte Herr De Candolle seine, schon pag. 14 angef\u00fchrte Arbeit \u00fcber die Entwickelung der Wurzeln aus den Lenticellen, und seit dieser Zeit haben die meisten Lehrb\u00fccher der Botanik \u00fcber die Organisation der AVurzelspitzen sehr unrichtige Ansichten verbreitet. Herr De Candolle **) setzte abgeschnittene Weiden-Zweige in durchsichtige Gef\u00e4fse mit Wasser und beobachtete die Entwickelung der Wurzeln, welche unter solchen Verh\u00e4ltnissen scheinbar aus der Rinde hervorbrechen; die\n*) Grumllehren d. Anatomie etc. pag. 135.\nf\u00a5) 1. c. pag. 6.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"21\nSpitzen dieser W\u00fcrzelehen sah Herr De Candolle besonders stark angeschwollen und eingeh\u00fcllt in einer weichen und spongi\u00f6sen Masse, welche sehr zart und r\u00f6thlich gef\u00e4rbt war, und aus \u00e4ufserst zarth\u00e4utigen Zellen bestand, welche denen der Oberhaut der Wurzeln \u00e4hnelten. Diese spongi\u00f6sen Gebilde nannte Herr De Candolle Wurzel-Schw\u00e4mmchen (spongioles radicales) und in seiner Orga-nographie pag. 89 macht er die Bemerkung, dafs dergleichen Wurzel-Schw\u00e4mmchen an allen fibr\u00f6sen Endigungen der Wurzeln Vorkommen, was aber in der Natur nicht der Fall ist. Es kommen zwar \u00e4hnliche Anschwellungen der Wurzelspitzen auch bei manchen anderen Pflanzen zuweilen vor, doch wenn dieselben ihre Wurzeln unter den ihnen zukommenden \u00e4ufseren Verh\u00e4ltnissen entwickelt haben, so sind die Spitzen gew\u00f6hnlich nicht von so auffallender Structur, sondern man sieht an ihnen nichts weiter, als eine st\u00e4rkere Entwickelung derjenigen Zellen der Oberhaut, welche gerade auf und rund um die Spitze der Wurzel sitzen. In dem gew\u00f6hnlichsten Falle sind die Zellen der Spitze nur etwas blasenartig angeschwollen und bilden daher nicht mehr die glatte Oberfl\u00e4che, welche dem zun\u00e4chst liegenden Theile der Wurzel zukommt. In Fig. 3. und 4. Tab. VII. habe ich den Bau dieser Wurzelspitzen von der Poa annua dargestellt, und diese bieten schon etwas von jenem Zustande dar, welchen Herr Link verstand, als er die Spitze der Wurzeln mit Papillen bedeckt angab. Es ist demnach sehr auffallend, wenn Herr Treviranus *) auch hierin wieder das Gegentheil behauptet, indem er sagt, dafs die Oberfl\u00e4che der Wurzelspitze nichts, als eine ebene zellige Oberfl\u00e4che ist. Die Beobachtung dieses Gegenstandes vermittelst geh\u00f6riger Vergr\u00f6-fserung ergiebt jedoch, dafs die Wurzelspitzen wohl nur in sehr seltenen F\u00e4llen eine ebenere Oberfl\u00e4che, als jene in den Abbildungen von Fig. 3. und 4. Tab. VII. aufzuweisen haben; sehr oft sind sie dagegen noch ausgezeich-\n*) 1. c. pag. -380,","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nneter mit Papillen bedeckt, wie z. B. in Fig. 5. von der Wurzel des Trapaeolmn majus, und in einigen sehr seltenen f\u00e4llen verl\u00e4ngern sich jene einzelnen Zellen der Spitze noch bedeutender, und diese gaben Veranlassung zu der ganzen Lehre von den Wurzel-Schw\u00e4mmchen. In Fig. 5. lab.\\II. ist die Spitze einer Wurzel von Trapaeolum majus dargestellt, welche ein abgepfliickter Ast dieser Pflanze in Wasser getrieben hatte, ab ist der Umfang der abgebildeten Spitze; in c ist die Spitze, deren Zellen sehr regel-m\u00e4fsig ellipsoidisch geformt und nur locker miteinander verbunden sind. Einige solcher Zellen l\u00f6sen sich allm\u00e4-lich von der Spitze, wie die in d, d und in e, e dargestellten, wodurch dann auch an der \u00e4ufsersten Spitze der Wurzel die Oberfl\u00e4che erneuert wird. Die Zellenreihen bei fg und Lei hi sind dem H\u00e4utchen angeh\u00f6rig, welches fr\u00fcher dicht auf der Wurzel anlag und sich allm\u00e4lich davon trennt, wodurch der alten Wurzel eine neue Oberfl\u00e4che ertheilt wird. Aehnlich finde ich es fast bei allen im Wasser wachsenden W urzeln der Landpflanzen. Schon Herr Treviranus hat jene besondere Benennung der Wurzelspitzen f\u00fcr \u00fcberfl\u00fcssig erkl\u00e4rt und ich stimme hierin nicht nur bei, sondern w\u00fcnschte sehr, dafs man sich dieses Namens nicht mehr bedienen m\u00f6chte, indem man mit demselben stets die unrichtigen Ansichten \u00fcber diesen Gegenstand verbreiten wird. Man beobachte die Wurzelspitzen der WTeiden, welche im Wasser getrieben haben, und man wird sich \u00fcberzeugen, dafs jene Angaben von den sogenannten W urzel-Schw\u00e4mmchen auch selbst bei dieser Pflanze ganz unrichtig sind. Die Abbildungen, welche man dazu mitgetheilt li\u00e2t, scheinen mit H\u00fclfe einer Loupe gemacht zu sein und dadurch hat man die schleimigen Massen, worin einzelne abgel\u00f6ste Zellen und mitunter ganze H\u00e4ute von den Spitzen jener Wurzeln eingeh\u00fcllt sind, als Forts\u00e4tze der wirklichen Wurzelspitze angesehen, doch diese haben meistens eine ganz \u00e4hnliche Form mit jenen, welche ich in Fig. 3. und 4. Tab. VII. \\on der Poa annua dargestellt habe.","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"23\nHerr De Candolle *) hat die Meinung ausgesprochen, dais sich das Wasser wahrscheinlich in die Intercellularg\u00e4nge der Wurzel-Schw\u00e4mmchen einsauge, entweder durch Hygroskopicit\u00e4t und Capillarit\u00e4t oder, was wahrscheinlicher sein soll, in Folge einer abwechselnden Zusammenziehung und Ausdehnung der Zellen, welche den vitalen Antheil des Ph\u00f6nomenes ausmachen und veranlassen, dafs lebende Pflanzen so bedeutend mehr einsaugen als todte.\nWir werden sp\u00e4ter ausf\u00fchrlicher \u00fcber die Art der Aufnahme der Fl\u00fcssigkeit durch die Wurzeln der Pflanzen sprechen, hier mache ich nur noch die kurzen Bemerkungen, dafs jene ganze Theorie von den Wurzel-Schw\u00e4mmchen auf Irrth\u00fcmern beruht, Von abwechselnden Zusammenziehungen und Ausdehnungen der Zellen der Wurzel-Schw\u00e4mmchen kann g'ar nicht die Rede sein, denn hievon ist nichts zu beobachten, indessen dieselbe ist auch weiter gar nicht n\u00f6thig, denn die Nahrungsfl\u00fcssigkeit steigt nicht in den Intercellularg\u00e4ngen auf, deren es hier auch schwerlich welche giebt, sondern in den Zellen, und sie geht hier von Zelle zu Zelle bis zu den Anf\u00e4ngen der Spiralr\u00f6hren und den dieselben begleitenden langgestreckten Zellen, wo sie dann mit grofser Schnelligkeit weiter fortgef\u00fchrt wird. Ich habe in der Darstellung der Wurzelfaser von Poa annua die Anf\u00e4nge der Spiralr\u00f6hren in ihrer richtigen Entfernung von der Wurzelspitze nicht dargestellt, leider kann man hier, selbst mit 350maliger Vergr\u00f6fserung noch immer nicht hinreichend genug sehen; es scheint aber, als wenn die Spitzen der Spiralr\u00f6hren offen w\u00e4ren und dafs sie immer tiefer in die Wurzelspitze hineinwachsen, indem sich ihre Spiralfaser weiter fortbildet; sie enden allerdings zwischen den Zellen, doch hier findet eine so innige Aneinanderlagerung der weichen Zellen statt, dafs man eigentlich nicht sagen kann, dafs die Spiralr\u00f6hren in den Intercellular-G\u00e4ngen enden, denn diese sind in dem\n*) Phys. v\u00e9gc'L I, pag. 7t.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nGewebe der jungen Wurzelspitzen noch gar nicht vorhanden.\nWir haben im Vorhergehenden kennen gelernt, dafs die Organe der Wurzeln, welche der Einsaugung vorstehen, nichts weiter als Parenchym-Zellen sind, deren obere W\u00e4nde sehr h\u00e4ufig in Form von Papillen und mehr oder weniger langen Haaren aus wachsen, gleichsam um die Fl\u00e4che zur Einsaugung zu vergr\u00f6fsern, und da wir wissen, dafs die Zellenmembran ohne alle sichtbaren Oeffnun-gen ist, so wird es erkl\u00e4rlich, dafs keine festen K\u00f6rper, und wenn sie auch noch so fein zertheilt sind, in die Pflanze \u00fcbergelien k\u00f6nnen, es wird uns aber auch ebenso unerkl\u00e4rlich, auf welche Weise das Wasser durch die W\u00e4nde dieser Zellen und Haare dringt. Davy*) stellte schon einen interessanten Versuch an, um zu erweisen, dafs die festen Substanzen aus dem Hoden keinen Eingang in die Wurzeln finden. Er liefs eine Pfeffermiinz-Pflanze 14 Tage lang in einem Wasser wachsen, worin eine Menge des feinsten Kohlen-Pulvers enthalten war, welches durch Auswaschen von Schiefspulver erhalten wurde. Die Pflanze wuchs sehr gut, zeigte aber nach dem Ende des Versuches keine koh-lige Substanz in ihrem Gewebe. Ich stellte neuerlichst einen \u00e4hnlichen Versuch mit einer Hydrocharis an, um zu sehen, ob sich nicht etwa eine Bewegung in dem Kolilen-Pulver bemerken liefse, welche, vielleicht durch die Einsaugung des Wassers vermittelst der Wurzeln hervorgebracht w\u00fcrde, ein Versuch, wozu mich Herr Professor Johannes M\u00fcller aufforderte, der aber zu keinem erw\u00fcnschten Resultate f\u00fchrte. Ich hatte eine Wurzel-Faser jener Pflanze in eine kleine Glasr\u00f6hre gesteckt, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen in einer danebenstehenden Schale mit Wasser befindlich waren; auf diese Weise war ich verm\u00f6gend mit H\u00fclfe aplanatischer Linsen den Vorgang im Inneren des ganzen Glasr\u00f6hrchens zu beobachten. H\u00e4ufige Wiederholung\n\u00a5) Elemente der Agrikultur - Chemie. A. d. Engl. v. Wolff. Berlin 1811. pag. 301.","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"25\n\u00e4hnlicher Versuche k\u00f6nnten jedoch vielleicht zu wichtigen Entdeckungen f\u00fchren. Herrn Link*) verdanken wir die genaue Beobachtung der Thatsache, dafs nicht einmal die gef\u00e4rbten S\u00e4fte durch die unverletzten Wurzeln der Pflanzen aufgenommen werden, dafs also auch diese nicht einmal durch die Zellenmembranen hindurchgehen k\u00f6nnen. Zwar sagt Davy**), dafs die Wurzelf\u00e4serchen der Pflanzen, welche in F\u00e4rberr\u00f6the-Aufgufs wachsen, roth gef\u00e4rbt werden, doch diese rothe F\u00e4rbung liegt hier nur in einer F\u00e4rbung der \u00e4ufseren Oberfl\u00e4che, auf welche sich wahrscheinlich der Farbestoff niederschl\u00e4gt, dessen l\u00f6sendes Wasser von der Wurzel-Oberfl\u00e4che eingesaugt wurde, und demnach ist diese Angabe nicht richtig. Auch H. Seguin***) hat schon nachgewiesen, dafs Pigmente, womit Wasser gef\u00e4rbt ist, nicht durch die Wurzeln der Pflanzen aufgenommen, sondern vielmehr auf dieselben niedergeschlagen werden. Ist die Spitze der Wurzelfasern unverletzt, so dringt keine Spur der f\u00e4rbenden Substanz in die Pflanze hinein, wor\u00fcber ich mit den zusammengesetzteren Wurzeln der vollkommeneren Pflanzen, und mit den einfachen der niederen Gew\u00e4chse, vielfache Versuche unter den g\u00fcnstigsten Umst\u00e4nden angestellt habe, wefshalb ich auch Herrn De Candolle\u2019s f) Angabe vom Gegentheile, welche auf unvollst\u00e4ndig untersuchten Experimenten beruht, in Zweifel stelle, wor\u00fcber auch schon im ersten Theile, pag. 251 die Rede war. Ich habe diese Beobachtungen des Herrn De Candolle an abgeschnittenenWeidenzweigen s\u00e4mmtlich nachgemacht; ich habe diese St\u00f6cklinge in ungef\u00e4rbtem und in gef\u00e4rbtem Wasser wachsen lassen, und habe auch bei einigen die Schnittfl\u00e4che verklebt und dieselben mit der Rinde und den Lenticellen einsaugen lassen, aber meine Beobachtungen zeigen, dafs Herr De Candolle zur Untersuchung dieses\n*) Grundlehre der Anatomie und Physiologie d. Pflanzen pag. 72.\nEiern. Philos. bot. p. 376 etc.\n**) 1. c. P. 306.\n***) Ann. de Chimie; 1819. T. LXXXIX.\n\u25a0f) Annal, des scienc. nal. T, VII pag, 20. etc","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nGegenstandes keine starken Vergr\u00f6\u00dferungen angewendet hat. Die rothgef\u00e4rbten Wurzelspitzen, welche die Weiden zuweilen treiben, entstehen nicht etwa durch das Pigment der gef\u00e4rbten Fl\u00fcssigkeit, sondern sie werden durch rothgef\u00e4rbten /eilensaft gef\u00e4rbt und bilden sich ebenfalls in ganz reinem Wasser. Auch Herr Unger*) hat neuerlichst durch Versuche mit der Lemna unsere fr\u00fcheren Beobachtungen best\u00e4tigt.\nDie Wurzeln der Pflanzen nehmen das dargebotene Wasser mit den darin gel\u00f6sten Stoffen auf, m\u00f6gen dieselben n\u00fctzlich oder sch\u00e4dlich sein; es findet keine Auswahl statt, aber die gel\u00f6sten Stoffe d\u00fcrfen nicht in zu grofser Menge im Wasser enthalten sein, denn in concen-trirten Aufl\u00f6sungen, m\u00f6gen es auch die indifferentesten Stoffe sein, sterben die Pflanzen, wie es schon Davy **) bei starken Aufl\u00f6sungen von Zucker, Schleim, Gallerte und anderen Substanzen beobachtet hat. Sind dergleichen L\u00f6sungen von Zucker, Gummi u. s. w. sehr d\u00fcnn, so vegetiren die Pflanzen (d. h. mit vollkommenen Wurzeln) darin ganz wohl, und hiedurch ist auch Davy\u2019s Erfahrung erkl\u00e4rlich, der Pflanzen in jenen concentrirten L\u00f6sungen ganz gut vegetiren sah, nachdem dieselben gegohren hatten. Davy glaubte, dafs bei der Anwendung concentrirter Fl\u00fcssigkeiten zur Ern\u00e4hrung der Pflanze die Aufsaugungs-Organe verstopft und die Verdunstung verhindert werde, indessen diese Erkl\u00e4rung gen\u00fcgt nicht mehr, sondern wir m\u00f6chten hierin vielmehr eben dieselbe Ursache erkennen, welche in den anderen F\u00e4llen das Eindringen des Wassers in die Wurzeln veranlafst, und ich erkenne als solche die Grundursache, worauf die Erscheinungen der Endosmose und der Exosmose, wor\u00fcber sp\u00e4ter specieller gehandelt werden wird, gegr\u00fcndet sind.\nSo schwer auch alle Erkl\u00e4rung von der Aufnahme des Wassers durch die Wurzeln der Pflanzen war, so kann\n*) Ucber d. Einfl. d, Bodens p. 121.\n**) !. c. p. 305.","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"man sich denn doch diesen Vorgang auf folgende Weise verdeutlichen, ja denselben auf physikalischem Wege so weit erkl\u00e4ren, dafs uns die Erkl\u00e4rung zuletzt als ganz wahrscheinlich Vorkommen wird. F\u00fcllt man z. B. eine kleine Glasr\u00f6hre, deren Ende mit einer H\u00fclsen-Haut der Colutea arborescens fest verschlossen ist, bis zu einer gewissen H\u00f6he mit einer mittelm\u00e4fsig concentrirten Zucker-L\u00f6sung in Wasser, und stellt diese R\u00f6hre in ein anderes gl\u00e4sernes Gef\u00e4fs, worin der Wasserstand mit dem Wasser in der R\u00f6hre in gleicher H\u00f6he befindlich ist, so wird man nach Verlauf von mehr oder weniger Zeit, oft schon nach einigen Stunden, eine Ver\u00e4nderung in dem H\u00f6henstande des Wassers in beiden Gef\u00e4fsen bemerken; das Wasser in der Glasr\u00f6hre, worin sich der gel\u00f6ste Zucker befindet, beginnt zu steigen, indem das Wasser des \u00e4ufseren Ge-f\u00e4fses angezogen und durch die Haut der Coluteen-Frucht hindurchgezogen wird, und zwar durch die Anziehung des Zuckers zum Wasser. Das Steigen der Zucker-L\u00f6sung in der kleinen Glasr\u00f6hre dauert best\u00e4ndig fort, bis dafs die F\u00e4ulnifs der Colutea-Hiilse beginnt; es sind mir einige F\u00e4lle vorgekommen, wo, in Zeit von drei Tagen die Fl\u00fcssigkeit um mehr, als einen Zoll in die H\u00f6he stieg, aber, was auch wohl zu bemerken ist, es fand sich auch immer gegen das Ende des Versuches, etwas Zucker in dem Wasser des \u00e4ufseren Gef\u00e4fses. Auch hier ist die Erkl\u00e4rung in der gegenseitigen Anziehung zu suchen; die grofse Masse des Wassers zieht einen kleinen Theil des gel\u00f6sten Zuk-kers durch die Membran hindurch, w\u00e4hrend dasselbe, leichter durch die Membran dringend, in gr\u00f6fserer Quantit\u00e4t vom Zucker angezogen und in die Glasr\u00f6hre hineingezogen wird. Durch das angef\u00fchrte Experiment sind wir auch imStande die Ursache anzugeben, wefshalb die Pflanzen in concentrirten L\u00f6sungen von Zucker, Gummi u. s. w. absterben, und viele andere Erscheinungen, welche noch im Verlaufe dieses Abschnittes angef\u00fchrt werden sollen, werden dadurch ebenfalls leicht begreiflich.\nDa es f\u00fcr den Ackerbau \u00fcberaus wichtig ist zu wis-","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nsen, ob die Pflanzen im Stande sind mit ihren Wurzeln eine Auswahl unter den ihnen dargebotenen Nahrungs-Stoffen zu treffen, oder ob sie Alles aufnehmen, was ihnen in einem fein gel\u00f6sten Zustande zugef\u00fchrt wird, so sind \u00fcber diesen Gegenstand eine grofse Anzahl von Versuchen, aber leider sehr h\u00e4ufig mit entgegengesetzten Resultaten angestellt worden. Davy *) liefs verschiedene Pflanzen in Aufl\u00f6sungen von Zucker, Schleim und anderen Stoffen wachsen, welche nicht mehr als -^\u00f6 der festen Stoffe enthielten und sah dieselben darin stark vegetiren; um aber zu erkennen, ob diese Stoffe aus den L\u00f6sungen unver\u00e4ndert \u00fcbergegangen w\u00e4ren, verglich er die Producte der Analyse von den Wurzeln der M\u00fcnzen, wovon einige in reinem Wasser, und andere in Zuckerwasser gezogen waren. 120 Gran der Wurzeln jener M\u00fcnze, die in Zuckerwasser gezogen war, gaben 5 Gran eines gr\u00fcnlichen Extrakts mit s\u00fcfslichem Geschmack, w\u00e4hrend 120 Gran von Wurzeln einer M\u00fcnze, welche in gemeinem Wasser wuchs, nur 3^ Gran Extrakt von dunkler Olivenfarbe und s\u00fcfslichem aber mehr zusammenziehenden Geschmacke gab, auch geronn es weit st\u00e4rker bei einem Zusatze von Alkohol. Davy stellte aber auch Versuche an um zu beweisen, dafs die Pflanzen mit ihren Wurzeln nicht nur jene Stoffe aufnehmen, welche ihnen zur Nahrung dienen, sondern Alles, selbst die Gifte; er brachte die Wurzeln der Schl\u00fcsselblume in eine schwache Aufl\u00f6sung des Eisenoxyds in Weinessig und liefs sie so lange in derselben stehen, bis die Rl\u00e4tter gelb wurden, worauf er sich durch Gall\u00e4pfel-Auf-gufs von dem Vorhandensein des Eisens in der Pflanze \u00fcberzeugte. Aehnliche Versuche mit verschiedenen Salzl\u00f6sungen und selbt mit den sch\u00e4rfsten Giften sind seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts in aufserordentlich grofser Anzahl angestellt, icli w\u00fcrde aber im h\u00f6chsten Grade erm\u00fcden, wollte ich hier auch nur den dritten Theil jener Versuche auff\u00fchren: sie sind nicht alle mit geh\u00f6riger\n*) ! c. p. 305.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"29\nGenauigkeit und Umsicht angestellt, und daher man \u00f6fters sehr entgegengesetzte Resultate erhalten hat. Im Allgemeinen l\u00e4fst sich aus dergleichen Versuchen, welche ich ebenfalls h\u00e4ufig wiederholt habe, der Schlufs ziehen, dafs Pflanzen mit vollkommen unverletzten Wurzeln, aus sehr verd\u00fcnnten Aufl\u00f6sungen nur sehr wenig, ja oftmals lange Zeit hindurch gar nichts von dem gel\u00f6sten Stoffe aufnehmen; daher wird es auch erkl\u00e4rlich, dafs Pflanzen mit unverletzten Wurzeln, selbst in den st\u00e4rksten Giften eine Zeit hindurch vegetiren, wenn die Masse des hinzugesetzten Giftes nur gering ist. Werden jedoch die Pflanzen in eben dieselben schwachen Giftl\u00f6sungen mit verletzten Wurzelspitzen gesetzt, so erfolgt der Tod viel fr\u00fcher, denn nun steigt das Wasser mit dem darin enthaltenen Gifte schnell und in grofser Menge durch die Pflanze, ganz im Verh\u00e4ltnisse zur Transpiration der Bl\u00e4tter, und das Gift dringt aus den Holzb\u00fcndeln in die Parenchym-Zellen und hebt daselbst den ganzen Nutritions-Prozefs auf. In concentrirten Giftl\u00f6sungen werden die Pflanzen dagegen sehr bald get\u00f6dtet, sie m\u00f6gen mit unverletzten Wurzeln oder mit abgeschnittenen Wurzeln eingesetzt werden, in letzterem Falle geschieht die Vergiftung jedoch noch viel schneller. Sollen dergleichen Versuche genau angestellt werden, so mufs man sich dazu Pflanzen bedienen, welche schon in der Natur im Wasser wachsen, oder wenigstens doch ihre Wurzeln im Wasser getrieben haben, denn sonst h\u00e4lt es sehr schwer sich zu \u00fcberzeugen, dafs die Wurzeln unverletzt waren.\nDie interessantesten und genauesten Versuche \u00fcber die Aufnahme fremder Stoffe durch die Wurzeln der Pflanzen hat Herr Theodor de Saussure*) angestellt, dem \u00fcberhaupt der chemische Theil der Pflanzen-Physiologie die wichtigsten Versuche verdankt. De Saussure verband mit diesen Beobachtungen zugleich die Entscheidung der Frage,\n*) Chemische Untersuchungen \u00fcber die Vegetation. A. d. Franz, \u00fcbersetzt und mit einem Anh\u00e4nge versehen von F. S. Voigt. Leipzig 1805. pag. 228. etc.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nob die Pflanzen die aufgel\u00f6sten Substanzen in demselben Verh\u00e4ltnisse aufnehmen, wie das Wasser. Da jene Versuche De Saussure s so sehr belehrend und auch wohl schwerlich zweckm\u00e4fsiger anzustellen sein m\u00f6chten, so f\u00fchre ich die Beschreibung derselben fast ganz w\u00f6rtlich auf. De Saussure verfertigte Aufl\u00f6sungen verschiedener Substanzen, worin eine jede 40 Kubikzoll Wasser und 12 Gran des gel\u00f6sten Stoffes enthielt. Er setzte in jede von diesen Aufl\u00f6sungen Pflanzen von Polygonum Persicaria oder Bidens cannabina, welche mit ihren Wurzeln versehen waren. Es wurden zu diesen Versuchen Sumpfpflanzen genommen, damit sie von dem \u00fcberfl\u00fcssigen Wasser, in welches sie gestellt waren, weniger leiden konnten und De Saussure wandte die Vorsicht an, dafs er die Pflanzen, ehe sie zu diesen Versuchen benutzt wurden, mehrere Tage in destil-lirtem Wasser stehen liefs, bis sich ihre Wurzeln verl\u00e4ngerten und die Pflanzen \u00fcberhaupt kr\u00e4ftig vegetirten.\nDie Polygonum-Pflanzen wuchsen im Schatten 5 Wochen hindurch in den Aufl\u00f6sungen von salzsaurem Kali, salpetersaurem Kalk und Dammerden-Extrakt, worin sie ihre Wurzeln entwickelten; im Salmiak schmachteten sie best\u00e4ndig ohne sich irgend zu entwickeln. In dem Gummi-W asser und in der essigsauren Kalk-Aufl\u00f6sung starben sie im Verlauf von 8 bis 10 Tagen, und in der schwefelsauren Kupfer-Aufl\u00f6sung konnten sie nicht l\u00e4nger, als 2 bis 3 Tage leben. Die Bidens-Pflanzen verhielten sich in jenen Aufl\u00f6sungen fast ebenso; sie leisteten darin durchschnittlich noch weniger Widerstand, als die Polygonum-Pflanzen.\nZu den Untersuchungen um die Verh\u00e4ltnisse zu bestimmen, in welchen die aufgel\u00f6sten Substanzen in Beziehung zum Wasser von den Wurzeln der Pflanzen absorbirt w\u00e4ren, liefs De Saussure genau die H\u00e4lfte der Fl\u00fcssigkeit, also 20 Kubikzoll einsaugen, und diese Einsaugung geschah l\u00e4ngstens in Zeit von 2 Tagen, was bei solchen Versuchen sehr wohl zu beachten ist, damit nicht in l\u00e4ngerer Zeit die Wurzel-Spitzen verderben und die g\u00e4hrungsf\u00e4hi-","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"31\ngen Stoffe zersetzt werden k\u00f6nnen. Die Analyse der zur\u00fcckgebliebenen 20 Kubikzoll Wasser von den verschiedenen L\u00f6sungen gab die Quantit\u00e4t der fehlenden Substanz an, welche also durch die Pflanze mit den eingesaugten 50 Procent der Fl\u00fcssigkeit aufgenommen worden war, und hieraus zeigte es sich ganz klar, dafs die Aufnahme des gel\u00f6sten Stoffes mit der des Wassers nicht im gleichen Verh\u00e4ltnisse steht, denn die Pflanzen hatten von den 50\nProcent der, in den\t\t20 Kubikzoll\tabsorbirten Wasser ge-\nl\u00f6sten\tSubstanzen\tnur aufgenommen, wie folgende Ta-\t\nbelle :\tzeigt :\t\t\nPolygonum Persicaria.\t\tBidens cannabina. Aus den L\u00f6sungen von\t\n44,\t7 Pro cent,\t16 Procent\tsalzsaurem Kali\n13\t-\t15\tsalzsaurem Natron\n4\t-\t8 -\tsalpetersaurem Kalke\n14,\t4\t-\t10 -\tschwefelsaur. Natron\n12\t-\t17\tsalzsaurem Ammoniak\n8\t-\t8 -\tessigsaurem Kalke\n47\t-\t48\t-\tschwefelsaurem Kupf.\n9\t-\t8\tGummi\n29\t-\t32\tZucker\n5\t-\t6\tD ammerde-Extrakt.\nMan sieht im Durchschnitte, sagt De Saussure *), dafs die Pflanzen alle Substanzen, welche ihnen dargereicht wurden, absorbirt, dafs sie aber best\u00e4ndig das Wasser in gr\u00f6fserer Menge, als die darin aufgel\u00f6sten K\u00f6rper eingesaugt haben. Man sieht auch aufserdem, dafs sie nicht best\u00e4ndig diejenigen Nahrungsmittel, welche sich f\u00fcr sie am besten pafsten, in gr\u00f6fster Menge aus dem Wasser aufnahmen. Das schwefelsaure Kupfer, welches der sch\u00e4dlichste Stoff war, wurde am meisten absorbirt (offenbar nur defshalb, weil die Wurzelspitzen in jener L\u00f6sung sogleich absterben und verderben ! ) Das Gummi, der essigsaure Kalk, welche der Vegetation sehr ung\u00fcnstig waren, gingen nur in sehr geringer Menge in die Pflanzen \u00fcber.\n*) I. C. p. 232.","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nSie saugten best\u00e4ndig mehr Zucker, als Gummi ein, doch variirten die absoluten Quantit\u00e4ten der verschiedenen Stoffe in einzelnen F\u00e4llen, und dieses richtete sich nach dem verschiedenen Zustande der Wurzeln, welche um so mehr einsaugten, je weniger frisch und kraftvoll sie waren. Wurden die Wurzeln indessen abgeschnitten, so saugten die Pflanzen 2 \u2014 3 mal mehr von der durch das Wasser aufgel\u00f6sten Substanz. Daher denn auch unter solchen Verh\u00e4ltnissen die Vergiftungen der Pflanzen so leicht und schnell gelingen, und zwar um so schneller, je st\u00e4rker die verdunstenden Organe der Pflanze wirken, denn wir werden es sp\u00e4ter noch genauer kennen lernen, dafs die ganze Bewegung der Fl\u00fcssigkeit, welche von verletzten Wurzelspitzen, so wie von abgeschnittenen Zweigen eingenommen wird, einzig und allein durch die Verdunstung der Bl\u00e4tter u. s. w. verursacht wird.\nAuch John hat in seinem Buche \u00fcber die Ern\u00e4hrung der Pflanzen eine Reihe von guten Beobachtungen angestellt, um mit Bestimmtheit nachzuweisen, dafs die Alkalien und andere Salze durch die Wurzeln der Pflanzen aus dem Boden aufgenommen werden, was demselben auch vollkommen gelungen ist. Es mufs jedoch auffallen, dafs John die ber\u00fchmte Schrift von De Saussure \u00fcber die Vegetation nicht kannte, worin diese Fragen schon lange vor seinen Untersuchungen durch noch h\u00e4ufigere und mannigfachere Versuche h\u00f6chst genau entschieden sind.\nDe Saussure stellte auch eine Reihe von sch\u00f6neil Versuchen an, um zu erfahren, wie sich die Absorption der gel\u00f6sten Stoffe verhalte, wenn mehrere dergleichen in einer und derselben L\u00f6sung enthalten sind, ob nicht vielleicht einige derselben lieber oder vorz\u00fcglicher aufgesaugt werden, als andere, oder ob sie sich unter einander gleich verhalten. Die Versuche wurden ganz in derselben Art wie die vorhergehenden angestellt, nur dafs in den einzelnen L\u00f6sungen zwei oder drei verschiedene Substanzen gel\u00f6st waren ; die Resultate dieser interessanten Versuche waren, wie sie in der beistehenden Tabelle enthalten sind:","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"33\nln 40 Kubikzoll W asser waren gel\u00f6st :\n1)\t100 Theile schwefelsaures Natrum\nsalzsaures Natrum.\n2)\t100 Theile schwefelsaures Natrum\nsalzsaures Kali.\n3)\t100 Theile essigsaurer Kalk.\nsalzsaures Kali.\n4)\t100 Theile salpetersaurer Kalk.\nSalmiak.\n5)\t100Theile essigsaurer Kalk,\nschwefelsaures Kupfer.\n6)\t100 Theile salpetersaurer Kalk.\nschwefelsaures Kupfer-\n7)\t100 Theile schwefelsaur. Natrum.\nsalzsaures Natrum. essigsaurer Kalk.\n8)\t100 Theile G ummi.\nZucker.\nPolygonum Persicaria und \u00dfidens cannabina nahmen davon in 20 Ku-bikzoll absorbirtem \"Wasser auf:\n11,7\ti\n22\t20\n12\t10\n17\t17\n8*\t5\n33\t16\n4z\t2\n164\t15\n31\t35\n34\t39\n17\t9\n34\t36\n6\t13\n10\t16\nnicht sch\u00e4tzbarer Quantit\u00e4t 26\t21\n34\t46\nAus diesen Versuchen zieht De Saussure*) folgende Schl\u00fcsse: Die mit ihren Wurzeln versehenen Pflanzen verzehren gewisse Substanzen vorzugsweise vor anderen; sie beladen sich z. B. best\u00e4ndig mit einer gr\u00f6fseren Menge von salz-saurem Natrum und Kali, als mit essigsaurem oder salpetersaurem Kalke ; sie nehmen in einer Aufl\u00f6sung von Zucker und Gummi mehr Zucker, als Gummi u. s. w. Alle diese Substanzen dringen aber nicht im Verh\u00e4ltnisse ihres Einflusses auf die Vegetation in die Pflanzen ein, und sie werden in einem weit geringeren Verh\u00e4ltnisse, als das Wasser, welches die Aufl\u00f6sung bildete, eingesaugt. De Saussure stellt auch zugleich in Folge dieser Versuche die Meinung auf, dafs wenn Pflanzen irgend eine gewisse Substanz vorzugsweise vor anderen, oder in gr\u00f6fseren Quantit\u00e4ten aufnehmen, wenn auch beide gleich stark in eben derselben Fl\u00fcssigkeit enthalten sind, dafs dann diese Aufnahme nicht etwa durch eine besondere Verwandtschaft\n*) h c. P. 237.\nMe yen. Pfl. Physiol. II,\n3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nder Pflanzen zu jenen Stoffen zu erkl\u00e4ren sei, sondern dafs die verschiedene Consistenz der L\u00f6sungen, als die Ursache jener Erscheinung anzusehen ist. In einer L\u00f6sung von gleichen Theilen Gummi und Zucker ist der gel\u00f6ste Zucker d\u00fcnnfl\u00fcssiger, als die Gummil\u00f6sung und daher wird jene in gr\u00f6fserer Quantit\u00e4t aufgenommen. Eine L\u00f6sung von essigsaurem und salpetersaurem Kalke soll consistenter sein und daher schwerer durch das Filtrum gehen, als eine gleiche L\u00f6sung von salz- und schwefelsauren Alkalien.\nZu diesen belehrenden Versuchen haben wir eigentlich, selbst nach einem Zeitr\u00e4ume von mehr als 30 Jahren, nichts Neues hinzuzusetzen und defshalb wurden dieselben mit allen daraus gezogenen Schl\u00fcssen so umst\u00e4ndlich mit-getheilt; sie haben jedenfalls die unumst\u00f6fsliche Wahrheit nachgewiesen und bed\u00fcrfen kaum der neueren best\u00e4tigenden Versuche, was wir in der Pflanzen-Physiologie gewifs nur selten finden.\nBetrachtung der Organe, durch welche die parasitischen Pflanzen ihre Nahrung ein-\nnelimen.\nEs bleibt uns noch die Betrachtung derjenigen Organe \u00fcbrig, womit die parasitischen Pflanzen ihre Nahrungsfl\u00fcssigkeit aufnehmen; dieselben sind indessen nicht nur bei verschiedenen Gattungen sehr verschieden, sondern selbst bei den verschiedenen Arten einer und derselben Gattung, und wenngleich auch hier nicht der Ort ist, wo eine specielle Untersuchung dieses Gegenstandes gegeben werden kann, so m\u00f6chte ich denn doch eine kurze Ue-bersicht der verschiedenen Gruppen von parasitischen Pflanzen geben, welchen mehr oder weniger eine und dieselbe Art von Wurzeln oder wurzelartigen Gebilden zukommt.\nDie Einteilungen der parasitischen Gew\u00e4chse, welche man in Hinsicht ihrer Verbindung mit der Mutterpflanze aufgestellt hat, sind schon mehrmals versucht, aber haben","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"noch niemals lange Bestand gehabt; einmal weil von Zeit zu Zeit neue Parasiten aus fremden L\u00e4ndern bekannt werden, welche in die alten Abtheilungen nicht hineinpassen und zweitens, weil mit der Verbesserung der Mikroskope und den Fortschritten, welche die Pflanzen-Physiologie in der letzten Zeit gemacht, dergleichen Untersuchungen gegenw\u00e4rtig genauer angestellt werden. Die alte Einthei-lung der parasitischen Gew\u00e4chse in wahre und in falsche Parasiten, ist im Allgemeinen beizubehalten; die falschen Parasiten sind solche Gew\u00e4chse, welche zwar auf der Oberfl\u00e4che anderer Pflanzen Vorkommen, aber mit diesen in keiner organischen Verbindung stehen; die Unterlage oder der Mutterboden ist diesen Parasiten ziemlich gleich, mag es diese oder jene Pflanze sein, ja selbst auf todten Pflanzen und auf unorganischen K\u00f6rpern k\u00f6nnen sie vege-tiren, wenn sie auf diesen Letzteren eben dieselben Stoffe finden, aus welchen sie auch in den anderen F\u00e4llen ihre Nahrungsfl\u00fcssigkeit zogen. So sitzt der Epheu mit seinen Haftwurzeln auf der Rinde lebender B\u00e4ume und auf der Oberfl\u00e4che alten Gem\u00e4uers, wo in den Vertiefungen Feuchtigkeit und verschiedene verwitterte Stoffe angeh\u00e4uft sind, aus welchen die Haftw\u00fcrzelchen einige Nahrung ziehen k\u00f6nnen. Ganz ebenso verh\u00e4lt es sich mit den Orchideen, den Tillandsien, Bromelien, den Farm, Iungermannien, Moosen und Flechten, welche auf der Rinde anderer B\u00e4ume oder Str\u00e4ucher Vorkommen, wovon die ersteren Familien in den feuchten Gegenden der Tropen fast immer abermals mit kleinen parasitischen Pfl\u00e4nzchen, besonders mit Iungermannien, von der zartesten und niedlichsten Form bedeckt sind; aber alle diese Gew\u00e4chse k\u00f6nnen auch auf todten Baumst\u00e4mmen und selbst auf unorganischen K\u00f6rpern Vorkommen, wenn sie daselbst ihre Nahrungsmittel vorfinden. Von diesen falschen Parasiten soll hier nicht die Rede sein, denn diese nehmen ihre Nahrungsfl\u00fcssigkeiten ganz auf dieselbe Weise wie die \u00fcbrigen, denselben \u00e4hnlichen Gew\u00e4chse ein, deren Wurzelbau wir schon im Vorhergehenden betrachtet haben.\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nDie wahren Parasiten stehen dagegen mit ihren Mutterpflanzen in einer innigeren Verbindung und sterben ab, wenn diese Verbindung unterbrochen wird, ganz ebenso, als wenn man von anderen Gew\u00e4chsen die Wurzeln ab* schneidet. Diese wahren Parasiten konnte man fr\u00fcher sehr gut in Wurzel-Parasiten und in Stengel-Parasiten eintheilen, indessen die grofse Menge neuer und interessanter Pflanzen der Art, welche uns die letzteren 20 Jahre zugef\u00fchrt 'haben, hat jene Eintheilung als unzureichend nachgewiesen und eine genauere Untersuchung derjenigen Theile, womit die parasitischen Gew\u00e4chse auf ihrem Mutterboden unmittelbar Zusammentreffen und mit welchem sie die Nahrung von dem Mutterboden aufnehmen, hat eine Eintheilung dieser Gew\u00e4chse nach physiologischen Grunds\u00e4tzen hervorgerufen.\nGleichsam in der Mitte stehend zwischen den wahren Parasiten und den falschen, inufs man diejenigen Gew\u00e4chse betrachten, welche in der Erde keimen, deren Stengel aber auf andere Pflanzen hinaufsteigt, sich daselbst durch besondere warzenf\u00f6rmige Organe anheftet und nun seine Nahrung aus der Mutterpflanze zieht, nachdem schon vorher seine eigenen Wurzeln und die Basis des Stengels vertrocknet ist. Unsere Gattung Cuscuta ist als Muster dieser Art von Pflanzen aufzustellen und die ausl\u00e4ndische Gattung Cassytha ist ihr in jeder Hinsicht \u00e4hnlich; indessen innerhalb der Tropen giebt es wohl noch eine Menge von Schlingpflanzen, welche auf \u00e4hnliche Art zuerst im Boden keimen und sp\u00e4ter, wenn sie hoch in den Gipfeln der B\u00e4ume ihre Bl\u00e4tter, Bliithen und Fr\u00fcchte treiben und ihre Wurzeln schon zerst\u00f6rt sind, die Nahrung aus den Kronen der B\u00e4ume ziehen, worauf sie sich befestigt haben; ein so allgemeines Auftreten von Saugwarzen, wie wir es bei Cuscuta und Cassytha finden, findet hier allerdings nicht statt, aber einzelne dergleichen W\u00e4rzchen findet man auch zuweilen auf unseren gew\u00f6hnlichen Schlingpflanzen, wie es Herr Palm *) zuerst f\u00fcr Convolvulus arvensis\n*) Ueber das Winden der Pflanzen u. s. w. pag. 26.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"37\nbekannt gemacht hat. Wahrscheinlich werden die W\u00e4rzchen hier durch grofsen Mangel an Nahrung, von Seiten der wahren Wurzel, durch die Pflanze hervorgerufen, denn wir haben es kennen gelernt, dafs Mangel an Wasser, dessen Stelle blofs durch feuchte Luft ersetzt wurde, die Bildung einer gr\u00f6fseren Zahl von Wurzelhaaren bedingte. In der genannten Schrift des H. Palm, so wie in dem interessanten Werke von Herrn Mohl: Ueber den Bau und das Winden der Ranken- und Schlingpflanzen*) findet man sehr ausf\u00fchrliche Beschreibungen \u00fcber das Keimen und Wachsen der Cuscuta-Arten, worauf ich im Ganzen verweisen mufs; auch schon Du Hamei **) hat hier\u00fcber sehr gute Beobachtungen bekannt gemacht.\nTrifft der emporwachsende Stengel einer Cuscuta-Art irgend eine belebende St\u00fctze, so windet er sich um dieselbe und rankt weiter hinauf, doch an derjenigen Fl\u00e4che des Stengels, mit welcher die Cuscuta die fremde Pflanze ber\u00fchrt, entstehen eine Menge von einzelnen, oft auch zu mehreren, in gerader Reihe neben einander stehenden, kleinen Warzen, deren Oberfl\u00e4che ganz denselben Bau aufzuweisen hat, den wir als gew\u00f6hnlich f\u00fcr die Wurzel-spitzen der Pflanzen dargestellt haben. Es sind n\u00e4mlich die einzelnen Zellen der Spitze papillenartig ausgedehnt und mit diesen dringt die Cuscuta-Wurzel immer tiefer in die Oberfl\u00e4che der fremden Pflanze ein; zuletzt gleicht das W\u00e4rzchen einem kleinen W\u00fcrzelchen, in welches sogar ein Holzb\u00fcndel, bestehend aus einigen Spiralr\u00f6hren und langgestreckten Parenchym-Zellen, aus dem Stengel der Cuscuta abgehend hineinragt, und dieses Holzb\u00fcndel dringt zuweilen bis auf die Holzb\u00fcndel der Mutterpflanze, w\u00e4hrend sich alsdann das umgebende Zellengewebe seitlich mit dem Zellengewebe der anderen Pflanze, ebenfalls sehr innig vereinigt, und somit sind die Wege er\u00f6ffnet, durch welche die Nahrungsfl\u00fcssigkeit aus der Mutterpflanze in\n*) T\u00fcbingen 1827. fto.\nNaturg. der B\u00e4ume II. pag, 178=","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38,\nden Parasiten \u00fcbergehen, und ganz in derselben Art verh\u00e4lt es sich bei Cassytha. Es ist indessen wohl zu bemerken, dafs eine so innige Verbindung bei dieser Pflanze nicht immer und nicht zu allen Zeiten vorkommt, und dals man in jenen Saugw\u00e4rzchen sehr h\u00e4ufig nur eine blofse Zellenbildung findet. Indessen die Structur der Cuscuten ist so zart, dafs dieselben einen grofsen Theil ihrer Nahrung aus der Feuchtigkeit ziehen m\u00f6chten, welche die Mutterpflanze aushaucht. Die Cuscuten wie die Cassythen ziehen von einer Pflanze \u00fcber die andere und schneidet man den Stengel alsdann durch, so leben diese Pflanzen selbstst\u00e4ndig weiter fort.\nEine andere Gruppe von Parasiten bilden die Gattungen Yiscum, Loranthus u. A. m., welche auf den Ae-sten der B\u00e4ume und Str\u00e4ucher Vorkommen; wir f\u00fchren unsere Mistel (Yiscum album) als Repr\u00e4sentanten dieser Gruppe auf, welche sich durch ihre feste Structur und Farbenpracht so ausserordentlich auszeichnet, die aber in der Art, wie sich der Schmarotzer der Mutterpflanze einimpft, mit mehreren Gattungen wahrer Parasiten, welche auf den Wurzeln anderer Pflanzen Vorkommen, \u00fcbereinstimmt. Wir haben Beobachtungen \u00fcber das Keimen und Einwurzeln des Mistel-Saamens in die Rinde anderer Gew\u00e4chse durch Gaspard*) erhalten, von deren Richtigkeit ich mich ebenfalls \u00fcberzeugt habe, doch am ausf\u00fchrlichsten hat sich Du Hamei **) mit diesem Gegenst\u00e4nde besch\u00e4ftigt; er sah schon, dass die Mistel-Saamen mehrere W\u00fcrzelchen auf einmal treiben, was erst in neuerer Zeit durch die Zahl der Embryonen erkl\u00e4rt wurde, welche sich in dem Mistel-Saainen vorfinden. Sobald der Embryo des Mistel-Saamens in die fremde Rinde einzuwurzeln beginnt, entsteht an dieser eine Anschwellung, durch welche das W\u00fcrzelchen hindurch geht und ganz gerade in die\n*) M\u00e9moire physiolog. sur le Gui, \u2014 Magendie\u2019s Journ. de Phys. etc. VII. pag. 318.\n**) 1. c. II. pag. 171 etc.","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"39\nRinde bis auf den Holzk\u00f6rper eindringt, worauf es sogleich verschiedene Seitenwurzeln treibt, welche sich entweder bloss in der Rinde ausbreiten, oder ebenfalls mit ihren Spitzen bis zum Holzk\u00f6rper eindringen. Auch Herr Schauer *) beobachtete schon, wie sich die verdickte Spitze der W\u00fcrzelchen an die Oberfl\u00e4che der fremden Rinde anlegt und indem diese verdirbt, in dieselben eindringt und Wurzel treibt, w\u00e4hrend sich erst nach geraumer Zeit die Cotyle-donen entwickeln. \u201eVon den ersten Wurzeln der Mistel, sagt schon Du Hamei, kriechen einige in den Rinden-La-gen herum und andere gehen v\u00f6llig durch die Rinde hindurch bis auf das Holz, wo sie sich, besonders zur Saft-Zeit, da die Rinde nicht fest am Holze hangt, hin und wieder ausbreiten, und um diese Zeit w\u00e4chst auch die Mistel am st\u00e4rksten.\u201c Diejenigen W'urzeln der Mistel, welche bis auf die Oberfl\u00e4che des Holzk\u00f6rpers der Mutterpflanze eindringen, werden im n\u00e4chsten Jahre von der neuen Holzschicht eingeschlossen und gehen auf diese Weise immer tiefer in den Holzk\u00f6rper der fremden Pflanze hinein, dass zuletzt selbst die Basis des Stengels ganz im Holz-k\u00f6rper eingeschlossen ist, wodurch dann nat\u00fcrlich die Verbindung so innig wird, dass selbst gef\u00e4rbte S\u00e4fte, wie es die Herren De Candolle und Link beobachtet haben, durch die Spiralr\u00f6hren der Mutterpflanze in den Holzk\u00f6rper des Parasiten \u00fcbergehen. In einer vor Kurzem erschienenen Arbeit des Herrn Unger **) ist auch die Wurzelbildung der Mistel sehr umst\u00e4ndlich beschrieben und durch mehrere instructive Abbildungen verdeutlicht; auch hat derselbe bei mehreren tropischen Loranthus- Arten eine Modification in der Wurzelbildung dieser Art von Parasiten beobachtet, indem bei ihnen die horizontal verlaufenden WTurzeln nur auf der Rinde der fremden Pflanze verlaufen, die Zweige innig umstricken und sich mit ihren Enden sogar an dieselben befestigen. Etwas Aehnliches ist\n*) Bericht der schlesischen Gesellschaft etc. f\u00fcr 1834 pag. 68.\n**) Beitr\u00e4ge zur Kenntniss der parasitischen Pflanzen pag. 32.","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nschon durch Herrn Treviranus *) \u00fcber die Anheftung der Orobanche major beobachtet.\nDas Einwurzeln des Parasiten in die Mutterpflanze ist bisher noch bei keiner anderen Pflanze der Art vollst\u00e4ndig beobachtet, aber es ist gegenw\u00e4rtig allgemein anzunehmen, dass auch bei allen \u00fcbrigen Parasiten, deren gr\u00f6fste Zahl bekanntlich auf den Wurzeln anderer Pflanzen festsitzt, die Einwirkung des Saamens durch die Ber\u00fchrung auf die k\u00fcnftige Mutterpflanze eine \u00e4hnliche ist, wie sie bei den keimenden Mistel-Saamen beobachtet wurde. Ueberhaupt ist, dem Wesentlichen nach, die Verbindung des Parasiten mit der Mutterpflanze auch bei vielen, auf den Wurzeln vorkommenden Parasiten jener Ein-wurzelung, welche ich im vorhergehenden bei der Mistel auseinandergesetzt habe, ganz \u00e4hnlich, und ich sehe keine hinreichenden Gr\u00fcnde, wodurch die vielen Abtheilungen gerechtfertigt werden, welche Herr Unger in der angef\u00fchrten Schrift unter den wahren Parasiten aufzustellen versucht hat; ob das parasitische Gew\u00e4chs sp\u00e4ter einen Wurzelstock entwickelt oder nicht, das kann zu keinen weiteren Eintheilungen berechtigen, welche blofs auf der Art der Verbindung beruhen, wodurch dem Parasiten die Nahrung aus der Mutterpflanze zugef\u00fchrt wird. Die Verbindung der Orobanchen mit den Wurzeln der Mutterpflanze, ist offenbar dem Wesentlichen, worauf es hier auch nur ankommt, jener, schon bei der Mistel und bei Loran-tlius beschriebenen ganz \u00e4hnlich, wof\u00fcr ja sogar Herrn Unger's **) eigene Worte sprechen, obgleich er diese Pflanzen unter ganz verschiedene Gruppen stellt. Herr Unger sagt, dass sich bei Orobanche der Parasit gleichfalls bis an den Holzk\u00f6rper der fremden Wurzel einzukeilen bem\u00fche, dabei den Rindenk\u00f6rper nach ausw\u00e4rts dr\u00e4nge, so dass derselbe den jungen Parasiten unten und seitw\u00e4rts umgiebt und mit ihm innigst verw\u00e4chst, bis endlich auch\n*) Pliys. d. Gew\u00e4chse I, pag, 564,\n**) 1- c. pag, 28.","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"41\ndie Holzmassen beider Gew\u00e4chse sich ber\u00fchren und mit einander verbinden. Ueber der Verbindungsstelle treten jedoch noch eine Menge von Wurzelfasern hervor, welche sich auf andere nahe gelegene Wurzeln festsetzen, w\u00e4hrend sich bei der Mistel und den Loranthus-Gew\u00e4chsen die Wurzel\u00e4ste und Zweige freilich nur in oder auf der Rinde verbreiten. Die Herren Braun und Treviranus *) haben gefunden, dass sich die kleinen fleischigen Stolonen (\u00e4hnliche Gebilde wie bei Viscum !) der Orobanche caryo-phyllacea \u00fcberall den Verzweigungen der fremden Wurzel anh\u00e4ngen, und ich habe auch bemerkt, dafs die punk-tirten Spiralr\u00f6hren aus der Wurzel von Thymus Serpyl-lum, nachdem sie zuerst wurmf\u00f6rmig geworden waren, zur Rinde hinaus wuchsen und sich unmittelbar in die Spiralr\u00f6hren des Wurzelstockes der Orobanche fortsetzten. Bei mehreren Wurzeln sah ich, dafs nur drei Holzb\u00fcndel der Thymus-Wurzel an dieser Bildung Antheil nahmen. Bei Orobanche caerulea und minor sah Herr Treviranus sowohl den Hauptk\u00f6rper, als die Fibrillen mit den Wurzeln der Mutterpflanze vereinigt, wodurch Herrn De Candolles Angabe **), dass die Orobanchen mit fibr\u00f6sen Wurzeln nur mit dem Mittelstocke der Wurzel der Mutterpflanze angeheftet w\u00e4ren, widerlegt ist. \u201eWo eine Seitenverbindung,\u201c sagt Herr Treviranus bei dieser sehr genauen Untersuchung, \u201emit gr\u00f6fseren und schon etwas verholzten Wurzelzweigen der Mutterpflanze bestand, sah man von der Wurzel des Parasiten einen oder mehrere Forts\u00e4tze durch die Rinde bis zum Holze eindringen, wo aber die Verbindung am Ende des einen oder des anderen Theiles Platz hatte, war dieselbe verdickt, wobei die Gef\u00e4fssub-stanz sich merklich ausbreitete.\u201c Sehr interessant verhielt sich die Anheftung der Orobanche major an ihrer Mutterpflanze; sie hat keine W\u00fcrzelchen, sondern bildet mit un-getheiltem Wurzelstocke die Basis, mit welcher sich die\nPhys. der Gew\u00e4chse 1. pag. 563. f*) Ann. des Scienc. nat. III. pag. 65.","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nPflanze auf den Wurzelzweigen von Spartium scoparium und Genista sagittalis anheftet. Diese Wurzeln sollen zuweilen in einer Entfernung von mehreren Ellen von der Wurzelsubstanz des Parasiten eingeh\u00fcllt sein; zuweilen wird die Anheftung an dem Ende eines Wurzelastes, zuweilen seitw\u00e4rts desselben beobachtet, aber in beiden F\u00e4llen verdickt sich dieselbe gegen den Zusammenhangspunct betr\u00e4chtlich, und breitet inwendig seine Faser- und Ge-f\u00e4fssubstanz aus, ohne dafs man einen genauen Zusammenhang zwischen ihr und dem Parasiten wahrnehmen k\u00f6nnte.\nDie Spitzen dergleichen F\u00e4serchen, womit sich die Orobanchen an nebenanliegende Wurzeln der Mutterpflanze anlegen, haben ganz \u00e4hnliche Structur wie die W\u00e4rzchen der Cuscuta.\nDie Art der Vereinigung der Lathraea Squamaria mit den Wurzeln ihrer Mutterpflanze ist jener der meisten Orobanchen ganz und gar \u00e4hnlich, aber eine interessante Abweichung hievon zeigt Monotropa hypopythis, deren Untersuchung wir Herrn Unger *) verdanken. Derselbe fand einen knollenf\u00f6rmigen, unregelm\u00e4fsigen K\u00f6rper, \u00e4hnlich einem Rhizome, woraus die Bliithensch\u00e4fte der Pflanzen entsprangen; bei n\u00e4herer Untersuchung zeigte derselbe ein Convolut innig verfilzter Wurzelfasern, welche theils dem Parasiten, theils der Mutterpflanze (Pinus Abies L.) angeh\u00f6rten. DerContact der beiderseitigen, sagt Herr Unger, inFarbe, Form und Consistenz leicht zu unterscheidenden Wurzeln ist innig, ohne dafs jedoch Saugw\u00e4rzchen oder \u00e4hnliche Organe vorhanden w\u00e4ren, wodurch ein unmittelbares Durchdringen beider bewirkt werden k\u00f6nnte. Eigentlich findet hier eine blofse Ber\u00fchrung grofser Fl\u00e4chen des Parasiten und der Mutterpflanze statt, denn nur zu diesem Zwecke kann die Wurzel so vielfach ver\u00e4stelt und mit einander verfilzt sein, und es geht, durch blofse Durchschwitzung der Saft der einen Pflanze in das Gewebe\n\u00a5) I. c. pag. 29.","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"43\nder anderen \u00fcber, ohne dafs man Herrn Unger\u2019s Ansicht, dafs hier von der einen Seite eine Ausschwitzung und von der anderen eine Aufsaugung n\u00e4hrender S\u00e4fte stattfinde, zur Erkl\u00e4rung n\u00f6thig hat, was auch \u00fcberhaupt etwas unwahrscheinlich ist, indem die Pflanzen in keinem anderen Falle n\u00e4hrende S\u00e4fte durch die Wurzeln abscheiden lassen. Auch haben wir schon die F\u00e4lle von Loranthus und Oro-banclie fr\u00fcher aufgef\u00fchrt, wo die Wurzel der Mutterpflanze von der Wurzelsubstanz des Parasiten rund herum einge-\\ schlossen wird, wo also offenbar eine ganz \u00e4hnliche Ue-berfiihrung des Saftes wie bei Monotropa stattfindet.\nAm einfachsten ist die Verbindung des Parasiten mit der Mutterpflanze bei den ber\u00fchmten Riesenblumen, der | Rafflesia, der Brugmansia und bei anderen Gattungen mehr, welche theils auf den Wurzeln, theils auf der Oberfl\u00e4che des Stammes verschiedener Gew\u00e4chse ferner L\u00e4nder, aber meistens innerhalb der Tropen Vorkommen. Bei diesen Pflanzen sitzt die Basis des Parasiten unmittelbar auf einem Mittelk\u00f6rper, welcher aus einer eigent\u00fcmlichen Wucherung des Holz- und Rindenk\u00f6rpers der Mutterpflanze gebildet wird, und so geht hier der Uebergang der Nahrungs-, s\u00e4fte der Mutterpflanze in den Parasiten unmittelbar vor sich, indem einige der Spiralr\u00f6hren der ersteren in die der letzteren m\u00fcnden; besondere Wurzelfasern kommen bei diesen Parasiten nicht vor. Sowohl bei der Brugmansia als bei der Rafflesia, befindet sich die ausgebildete Pflanze an ihrer Basis durch ein \u00e4ufseres Involucrum umgeben welches ganz aus der wuchernden Rinde der Mutterpflanze gebildet ist. Dieses Involucrum bildet eine becherf\u00f6rmige F Vertiefung, deren Boden aus einem Netze von wuchernden Spiralr\u00f6hrenb\u00fcndeln und einh\u00fcllendem Zellengewebe besteht; die Spiralr\u00f6hren sind aus den Holzb\u00fcndeln der Mutterpflanze entsprungen und von diesen durch die speci-fische Einwirkung des jungen Parasiten aus ihrem nat\u00fcrlichen Verlaufe abgezogen. In jenem Mittelk\u00f6rper, welcher dem Parasiten als Basis dient, treten die get\u00fcpfelten Spiralr\u00f6hren kurzgegliedert auf und winden und kr\u00fcmmen sich","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nnach den verschiedensten Richtungen hin, so dafs sie ein ! vielfach verschlungenes Netz bilden, welches fast bis zur Oberfl\u00e4che jener Vertiefung des Involucrum\u2019s hinzieht und einige wenige und sehr kleine Spiralr\u00f6hren-B\u00fcndel in den Parasiten selbst hineinschickt. Das Zellengewebe des ! Parasiten kann man ganz genau von dem Zellengewebe : des Involucrum\u2019s, welches der Mutterpflanze angeh\u00f6rt unterscheiden; es findet zwischen beiden keine Verwachsung statt, nicht einmal die wenigen Spiralr\u00f6hren treten aus des Involucrum\u2019s Basis in den Grund des Parasiten hinein, den man mit Leichtigkeit und ohne etwas zu zerst\u00f6ren aus seiner Einfassung aussch\u00e4len kann, wie ich es j bei der Brugmansia genau gesehen und dargestellt habe*). Auffallend ist es jedoch, dafs Herr Unger**) bei den genannten Gattungen den Zwischenk\u00f6rper \u00fcbersehen hat, der g\u00e4nzlich, wie ich es bei der Brugmansia nachgewiesen habe, aus der Substanz der Wurzel der Mutterpflanze besteht, auf welchem dann der Parasit, ganz ohne organische Verwachsung einsitzt und von dem Rande des Mittelk\u00f6rpers eingefafst wird; der Uebergang der S\u00e4fte geschieht also hier von Zelle zu Zelle. Ja Herr Unger beschuldigt wegen des angegebenen Zwischenk\u00f6rpers bei der Rafflesia Arnoldi, selbst Herrn Robert Brown eines Irr-thumes, w\u00e4hrend ich selbst von der Richtigkeit der Angabe des Letzteren mich auch an einer Rafflesia \u00fcberzeugt habe. Die jungen, noch nicht zum Austreten gekommenen Parasiten der Rafflesien und Brugmansien finden sich in kugelf\u00f6rmigen Anschwellungen der Wurzelrinde der Mutterpflanze und schneidet man diese Anschwellungen durch, so sieht man, dafs das Involucrum von der angeschwollenen Rinde gebildet wird, und dafs der junge Parasit im Inneren jener Anschwellung, ganz von der Rinde umschlossen vegetirt; sp\u00e4ter reifst die umscldiefsende Rinde auf der Spitze der Anschwellung, die Oeffnung wird im-\n*) S. Blume Flora Javae I. Tab. VI, Fig. 1.\n**) 1. c. pag. 25.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"45\nmer gr\u00f6fser, die Rinde theilt sich in 5 ziemlich regelm\u00e4fsige Lappen, welche den Rand des Involuerum\u2019s bilden, und der Parasit tritt immer mehr an die Oberfl\u00e4che hervor. Wenn man die regelm\u00e4fsigen kugelf\u00f6rmigen Anschwellungen tiuf den Wurzeln der Mutterpflanze ansieht, welche mit dergleichen jungen Parasiten bedeckt sind, so wird es unbegreiflich erscheinen, auf welche Weise hier der Saame des Parasiten in die Rinde hineingekommen ist, denn man bemerkt an jenen Anschwellungen keine Spur einer Oeff-nung oder einer zur\u00fcckgebliebenen Vertiefung, und schneie det man alsdann diese Anschwellungen durch und sieht den kleinen Parasiten ganz in der Tiefe derselben, so kann man wohl auf die Vermuthung kommen, dafs diese Pflanzen nicht durch keimende Saamen hineingewachsen, sondern als krankhafte Produkte aus der Pflanze herausgewachsen w\u00e4ren, was allerdings wohl nicht der Fall sein wird; aber wiinschenswerth bleibt es, dafs die Art, wie der Saame bei jenen Pflanzen unter die Rinde kommt wirklich beobachtet werden m\u00f6chte; was Herr Blume bei der Entwickelung der Brugmansia \u00fcber diesen Punkt an-giebt, das beruht wohl nichtjauf wirklichen Beobachtungen*).\nGanz auf \u00e4hnliche Art, wie die Gattungen Rafflesia und Brugmansia auf den Wurzeln wuchern, findet sich die Gattung Pilostyles **) auf der Rinde des Stengels der Adesmia arborea Bert, ebenso auch die fragliche Gattung Apodanthes Po\u00eat., welche nach Herrn Kunth***) nichts weiter, als verkr\u00fcppelte Bliithen einer Casearia sein sollen.\n*) An merk. Gerade die jungen Brugmansien, deren Untersuchung ich Herrn Blume verdankte, verf\u00fchrten mich zu jener Ansicht \u00fcber die Entstehung der Parasiten, welche ich im Jahre 1828 (S. Flora v. 1829 pag. 49} bekannt machte; man m\u00f6ge mir jene Ansicht zu meinen Jugend - S\u00fcnden z\u00e4hlen, aber auch heutigen Tages nicht mehr glauben, dafs ich mich noch nicht eines Besseren belehrt h\u00e4tte.\nS. Guillemin M\u00e9m. sur le Pilostyles etc. Ann. des scienc. nat. de 1834 T. II. p. 19.\n***) S.Wi egmann\u2019s Archiv f\u00fcr die Naturgeschichte 1835. I. pag. 197.","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nEtwas verschieden von jener Einwurzelung der Brug-mansia und der Rafflesia fand ich die Verbindung, welche die Balanophora dioica mit der Wurzel ihrer Mutterpflanze zeigt; die Befestigung dieses Parasiten fand an der Spitze einer dicken Ficus-Wurzel statt, und die Holzb\u00fcndel der Mutterpflanze waren nach allen Richtungen hin, durch dazwischen wucherndes Zellengewebe auseinander getrieben und bildeten den Zwischenk\u00f6rper, in dessen Gewebe sich das Gewebe des Parasiten hineindr\u00e4ngte, ja auch die Spiralr\u00f6hren der Mutterpflanze und die des Parasiten gehen in diesem Mittelk\u00f6rper fast unmittelbar ineinander \u00fcber, auf einem grofsen Theile desselben sind sie jedoch durch einander verschlungen.\nVon den \u00fcbrigen interessanten Wurzel-Parasiten k\u00f6nnen wir nichts Bestimmtes mittheilen, auch die Angaben des Herrn Unger, \u00fcber deren Einwurzelung in die Mutterpflanze, beruhen meistens nur auf Vermuthungen, und wir m\u00f6chten defshalb die verschiedenen, von ihm aufgestellten Gruppen dieser parasitischen Pflanzen nicht weiter anerkennen, bis diese Verh\u00e4ltnisse durch wirkliche Beobachtungen nachgewiesen sind.\nZweites Capitel.\nVon der Bewegung* der rohen Nalirungss\u00e4fte\nin den Pflanzen.\nDas Wasser mit den darin gel\u00f6sten Stoffen, welches durch die Wurzeln aufgenommen wurde, wird durch den ganzen K\u00f6rper der Pflanze hindurchgef\u00fchrt; die gel\u00f6sten Stoffe bleiben gr\u00f6fstentheils in der Pflanze zur\u00fcck, und das Wasser wird durch die Transpiration, wie es im folgenden Capitel n\u00e4her auseinandergesetzt werden wird, wieder entfernt. In der Fortbewegung dieser aufgenommenen Fl\u00fcssigkeit herrscht jedoch bei verschiedenen Pflanzen-","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"47\nGruppen grofse Verschiedenheit; bei den vollkommeneren Pflanzen, welche Spiralr\u00f6hren-B\u00fcndel, oder einen Holzk\u00f6rper aufzuweisen haben, da geht die Fortbewegung der aufgenommenen Nahrungsfl\u00fcssigkeiten ganz nach einem und demselben Typus vor sich, und ehe wir dieselben in allen ihren Beziehungen n\u00e4her kennen lernen, wollen wir die Organe n\u00e4her bezeichnen, durch welche diese Fortbewegung ausgef\u00fchrt wird.\nBei den vollkommensten Pflanzen, wo Rinde und Holzk\u00f6rper getrennt auftreten, da zieht sich der rohe Nahrungssaft von den Wurzeln bis zu den entferntesten Thei-len nur durch den Holzk\u00f6rper; denn entrindet man einen Baum und sch\u00fctzt den entrindeten Holzk\u00f6rper desselben gegen Trockenwerden durch zu starke \\erdunstung, so kann der Baum mehrere Jahre hindurch fortleben. Ebenso kann man es erweisen, dafs die Rinde keinen Antheil bei dem Fortf\u00fchren des rohen Nahrungssaftes hat, denn trennt man kleine oder grofse Rindenst\u00fccke von dem Holzk\u00f6rper eines Baumes und l\u00e4fst dieselben nun mit der Rinde des unteren Baumstammes in normaler Verbindung, so wird man sehr bald sehen, dafs die Rinde trocken wird. Auch kann man dieses sehr leicht zur Fr\u00fchlingszeit beobachten, wenn man Aeste eines thr\u00e4nenden Weinstockes, einer Birke, Buche u. A. m. durchschneidet. Augenblicklichst f\u00fcllt sich die Schnittfl\u00e4che des, mit der Wurzel in Verbindung stehenden Endes des Astes mit klarem Wasser; trocknet man dieselbe ab, so wird sie sogleich von Neuem mit Wasser bedeckt werden, und wenn man die Fl\u00e4che mit einer scharfen Loupe anhaltend beobachtet, so wird man sich \u00fcberzeugen, dafs jenes Wasser nur aus dem durchschnittenen Holzk\u00f6rper hervortritt, und zwar aus den grofsen Oeffnungen, welche der Holzk\u00f6rper des Weinstockes aufzuweisen hat. Diese grofsen Oeffnungen sind nichts Anderes, als die durchschnittenen metamorphosirten Spiralr\u00f6hren, und dafs die Spiralr\u00f6hren bestimmt sind den aufgenommenen rohen Nahrungssaft durch die Pflanze zu f\u00fchren, das haben wir schon im ersten Theile dieses Bu-","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\ndies pag.252 nadizuweisen gesucht. Beobachtet man der-gleichen thr\u00e4nende Schnittfl\u00e4chen eines Weinstockes l\u00e4ngere Zeit hindurch, so wird man bemerken, dafs zuweilen einzelne kleine Luftbl\u00e4schen durch die str\u00f6mende Wassermasse und zwar ebenfalls aus den Oeflhungen der durchschnittenen Spiralgef\u00e4fse zum Vorschein kommen; die Zahl dieser Luftbl\u00e4schen ist um so gr\u00f6fser, je bedeutender der Einflufs der Sonnenstrahlen auf den Weinstock ist. Fr\u00fch am Tage und besonders zur Zeit, wenn das Thr\u00e4nen am st\u00e4rksten ist, kann man l\u00e4ngere Zeit hindurch das Ausstr\u00f6men des Nahrungssaftes ohne Entwickelung von Bl\u00e4schen beobachten, und dann ist gar kein Grund zu der Annahme vorhanden, dafs die Spiralgef\u00e4fse Luft f\u00fchren sollen. Wenn man die Gasbl\u00e4schen, welche auf diese Weise aus der Schnittfl\u00e4che des Weinstockes entwickelt werden, vermittelst einer gebogenen und mit Wasser gef\u00fcllten Glasr\u00f6hre auff\u00e4ngt, so wird man, oft im Verlaufe von mehreren Tagen, kaum einen viertel Cubik-Zoll Luft erhalten, deren Untersuchung niemals ein richtiges Resultat geben kann, indem dieselbe zu lange mit dem Wasser der Glasr\u00f6hre in Ber\u00fchrung ist. Diese geringe Menge Luft, besonders im Y erh\u00e4ltnisse zu der grofsen Menge Saft, welche zu gleicher Zeit ausstr\u00f6mt, kann entweder durch die Einwirkung der W\u00e4rme aus dem aufgenommenen k\u00e4lteren Wasser frei geworden sein, oder ihr Freiwerden geschah bei dem Durchdringen des Saftes durch die W\u00e4nde der Spiralr\u00f6hren und der Zellen, und w\u00e4re als eine Excretion anzusehen, welche mit dem Athmungs-Prozesse in innigem Zusammenh\u00e4nge stehen m\u00f6chte, wof\u00fcr besonders die That-sache spricht, dafs bei den meisten Holz-Pflanzen die alten Spiralr\u00f6hren, wenigstens den gr\u00f6fsten Theil des Jahres hindurch, mit Luft gef\u00fcllt sind, welche unmittelbar in die Intercellular-G\u00e4nge und Athmungs-H\u00f6hlen der Bl\u00e4tter gef\u00fchrt werden kann.\nSowohl hier im Holze des Weinstockes, als in allen anderen Pflanzen mit sehr grofsen Spiralr\u00f6hren, kann man sich \u00fcberzeugen, dafs die Spiralr\u00f6hren bei der Be-","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"49\nwegimg des darin durchgehenden Wassers nicht als Haar-R\u00f6hrchen wirken, wozu sie \u00fcberhaupt auch viel zu grofs sind. Das Wasser fliefst n\u00e4mlich aus den durchschnittenen Spiralgef\u00e4fsen aus, wenn dieselben damit gef\u00fcllt sind, wor\u00fcber k\u00fcrzlich Herr Gaudichaud *) interessante Beobachtungen bekannt gemacht hat. Herr Gaudichaud schnitt einen solchen Lianen-Stamm quer durch und fand die Schnittfl\u00e4che feucht, aber es lief kein Wasser hervor, nur von dem oberen Schnitte fielen einige Tropfen ab. Hierauf wurden von dem Ende des abgeschnittenen Astes einzelne St\u00fcckchen von 15 \u201418 Zoll L\u00e4nge abgeschnitten, und aus diesen lief das Wasser augenblicklichst hervor, sobald dieselben vertikal gestellt wurden, so dass die Atmosph\u00e4re darauf dr\u00fccken konnte. Wurden jedoch die abgeschnittenen Stammst\u00fccke des Cissus horizontal gehalten, so lief aus leicht erkl\u00e4rlichen Gr\u00fcnden die Fl\u00fcssigkeit nur sehr langsam aus, ja sie tr\u00f6pfelte nur aus beiden Enden. Ein Stammende jener Pflanze, welche Herr Gaudichaud Cissus hydrophora genannt hat, von 15 Zoll L\u00e4nge und 14 \u201415 Linien Durchmesser, gab nach dem Abschneiden zwei Unzen Wasser! So wird es denn erkl\u00e4rlich, was von verschiedenen Reisenden erz\u00e4hlt worden und von mir selbst best\u00e4tigt**) ist, dafs man sich in tropischen W\u00e4ldern von dem Safte abgeschnittener Lianen den Durst l\u00f6schen k\u00f6nne. Ich m\u00f6chte der Meinung sein, dass sich diese Pflanzen in jenen tropischen Gegenden fast best\u00e4ndig in einem Zustande befinden, welcher demjenigen unserer B\u00e4ume w\u00e4hrend des Saftsteigens gleich ist; auch hat man an den abgeschnittenen Aesten und Zweigen verschiedener anderer B\u00e4ume w\u00e4rmerer'Gegenden schon l\u00e4ngst beobachtet, dafs ihren Schnittfl\u00e4chen ein klares Wasser aus str\u00f6mt, \u00e4hnlich demjenigen, welches der Birke oder dem\n\u00a5) Observ. sur l\u2019ascension de la s\u00e8ve dans une Liane, et description de cette nouvelle esp\u00e8ce de Cissus. V. Ann. des scienc. d\u2019hist. nat. de 1836. II. pag. 138. 145.\n\u00a5\u00a5) S, M eye ns Reise etc. II. pag. 269\nMe y en. PU. Physiol, il.\n4","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"Weinstocke w\u00e4hrend der Thr\u00e4nzeit entquillt, z. B. bei der l h\u00b0a nrens Aubl., der Omphalea giandra Lin. u. s. w. Der llolzk\u00f6rper der grofsen fleischigen Euphorbien, z. B. der E. canariensis und der Cacteen wird ebenfalls wegen seines Wasserreichthums von Durstenden ausgesaugt.\nAlle die bekannten Gew\u00e4chse unseres Clima\u2019s, welche im Friihlinge die bekannte Erscheinung des Thr\u00e4nens zeigen, haben zu einer sp\u00e4teren Zeit, wenn die Bl\u00e4tter vollst\u00e4ndig entwickelt sind, nur wenig Saft, wenigstens findet kein Ausfliefsen desselben nach beigebrachten Wunden statt. Zu dieser Zeit halten die Spiralgef\u00e4fse gr\u00f6fsten-theils nur Luft und die Feuchtigkeit, welche auch zu dieser Zeit in grofser Menge durch den Stamm geht, zieht sich nur durch die Membranen hindurch, welche die W\u00e4nde der Spiralr\u00f6hren und aller der langgestreckten Zellen darstellen, woraus das Holz des Weinstockes besteht, und deren Hygroskopicit\u00e4t oftmals noch durch eineeigenth\u00fcmliche Organisation erh\u00f6het wird. Schon lange vorher, ehe der Weinstock thr\u00e4nt, zeigt derselbe in seinem Marke eine grofse Menge Feuchtigkeit, welche sich von Zelle zu Zelle durch die W\u00e4nde hindurchzieht und hier das darin enthaltene Amylum aufzul\u00f6sen beginnt, welches in den einj\u00e4hrigen Aesten von dem vergangenen Sommer her deponirt ist; allm\u00e4hlig wird der Holzk\u00f6rper ebenfalls immer feuchter und feuchter und zuletzt so stark gef\u00fcllt, dafs der Saft durch die durchschnittenen Spiralr\u00f6hren in Menge ausfliefst. Bei dem Allen darf man jedoch noch nicht sagen, dafs der rohe Nahrungssaft der Pflanzen ganz allein durch die Spiralr\u00f6hren fortgefiihrt werde, denn er geht auch durch alle die anderen Elementar-Organe, welche den Holzk\u00f6rper bilden, und er steigt darin nicht nur von Unten nach Oben, oder von Oben nach Unten, wenn man die Pflanze umgedreht hat, sondern er steigt auch seitw\u00e4rts von den Elementar-Organen der Markh\u00fclle bis zur \u00e4ufsersten Oberfl\u00e4che des Holzk\u00f6rpers, und selbst in die innere Rinde hinein, welche durch diesen Saft ern\u00e4hrt wird. Diese seitliche Bewegung des rohen Nahrungssaftes ist zuerst durch","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"51\nStephan Haies entdeckt worden; derselbe nahm einen Eichen-Zweig von f Zoll Dicke und 6 Fufs L\u00e4nge, an welchem er, 7 Zoll von dem Ende eine Einkerbung bis zum Marke machte und 4 Zoll dar\u00fcber, doch gerade auf der entgegengesetzten Seite noch eine. Hierauf wurde der Ast in Wasser gestellt und es wurde beobachtet, dafs derselbe in 48 Stunden 13 Unzen Wasser ausdunstete, welches aus dem Gef\u00e4fse gezogen und bei der Unterbrechung des Holzk\u00f6rpers durch die Einkerbungen sich seitw\u00e4rts bewegt hatte. Ein unverletzter Zweig der Art, ohne Einkerbungen, verdunstete allerdings in eben derselben Zeit 25 Unzen, weil hier das Wasser schneller zufliefsen konnte, indem die Unterbrechung der Spiralr\u00f6hren fehlte. Haies machte noch mehrere Versuche der Art; er vollf\u00fchrte z. B. dergleichen Einkerbungen an einem Kirschenbaum in der Art \u00fcber einander, dafs die Elementar-Organe des Holzk\u00f6rpers nach allen 4 Richtungen hin unterbrochen waren, und dennoch stieg das aufgenommene Wasser auch hier durch den ganzen Stamm von Unten nach Oben, musste sich dabei an den unterbrochenen Stellen stets seitw\u00e4rts bewegen und dann wieder in die H\u00f6he steigen. Dergleichen Versuche sind sp\u00e4ter mehrfach wiederholt und selbst an gr\u00f6fseren Baumst\u00e4mmen von Du Hamei *), Cotta**), Frenzei, Link***) u. A. m. ausgef\u00fchrt.\nMan pflegt gew\u00f6hnlich zur Erkl\u00e4rung dieser seitlichen Bewegung des Nahrungssaftes die Markstrahlen zu H\u00fclfe zu nehmen, wogegen auch wohl nichts einzuwenden ist, denn Beobachtungen schienen mir zu zeigen, dafs diese seitliche Bewegung des Saftes um so rascher erfolgte, je gr\u00f6fser die Markstrahlen waren; indessen wenn man diesen Vorgang n\u00e4her betrachtet, so wird man finden, dafs\n*) l. c. II. pag. 233.\n**) Naturbeobachtungen \u00fcber die Bewegung und Function des Saftes in den Gew\u00e4chsen, mit. vorz\u00fcglicher Hinsicht auf Holzphan-zen. Weimar 1806 pag. 21.\n***) Nachtr\u00e4ge I. pag. 19.\n4 *","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52\nhier nichts weiter, als eine Fortbewegung des Saftes durch die Parenchym-Zellen stattfindet, welche die Markstrahlen bilden, eine Fortbewegung, welche offenbar durch die Menge von T\u00fcpfeln erleichtert werden mufs, welche auf den W\u00e4nden dieser Zellen Vorkommen. Man kann also aus diesen Beobachtungen den Schlufs ziehen, dafs der rohe Nahrungssaft nicht nur durch die Spiralr\u00f6hren fbrt-1 gef\u00fchrt wird, sondern, dafs er auch durch die Zellen wei-1 tergefiihrt werden kann, und auch durch die W\u00e4nde der Zellen und der Spiralr\u00f6hren seitlich dringt. Wenn die H\u00f6hlen dieser Elementarorgane des Holzes nicht mehr j mit Fl\u00fcssigkeit, sondern mit Luft gef\u00fcllt zu beobachten | sind, dann wird der Nahrungssaft nur durch die Substanz ! der Membranen fortgef\u00fchrt, welche die Elementarorgane bilden.\nMan k\u00f6nnte geneigt sein anzunehmen, dafs diese Leh- ] ren rein hypothetisch w\u00e4ren, doch das ist nicht der Fall, : denn eine solche Art der Fortbewegung der S\u00e4fte kommt in der Pflanzenwelt sogar sehr allgemein vor. Ich f\u00fchre 1 hier zuerst die Moose an, besonders die Gattung Sphag- J num, wo die Zellen der Bl\u00e4tter und die Rindensubstanz des Stengels so bedeutend grofs sind, dafs man sich von dem Inhalte derselben wohl \u00fcberzeugen kann; derselbe j besteht n\u00e4mlich, wenn die Pflanze nicht ganz im Wasser w\u00e4chst, in blofser Luft, und die W\u00e4nde der Zellen sind es hier, welche durch ihre Hygroscopicit\u00e4t das W^asser oder die Feuchtigkeit aus der umgebenden Luft anziehen und weiter fortfiihren, wozu ihre eigenth\u00fcmliche Structur, n\u00e4mlich das Auftreten von Spiralfasern auf der inneren Fl\u00e4che der Zellenw\u00e4nde beh\u00fclflich ist. Ja auch die warzenf\u00f6rmigen Erhebungen und selbst die grofsen kreisrunden L\u00f6cher, welche sich auf den Zellenw\u00e4nden der Sphagnum-Bl\u00e4tter zuweilen und wahrscheinlich unter besonderen \u00e4usseren Verh\u00e4ltnissen bilden, m\u00f6gen nur dazu dienen, um die einsaugende Fl\u00e4che zu vergr\u00f6fsern. Ganz dasselbe findet bei den lungermannien und Flechten statt, welche in freier Luft auf B\u00e4umen und Steinen wachsen;","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"53\nauch in ihren Zellen ist schwerlich zu irgend einer Zeit ein Tr\u00f6pfchen Wasser zu finden, sondern dasselbe zieht sich nur durch die hygroskopische Substanz, welche die Zellenw\u00e4nde bildet. Bei den parasitischen Orchideen, welche auf der Rinde anderer Gew\u00e4chse Vorkommen, ist zum Theil etwas Aelmliches zu beobachten, denn in den Zellen der weifsen pergamentartigen H\u00fclle, womit die Luftwurzeln dieser Gew\u00e4chse \u00fcberzogen sind, findet man durchaus keine Spur von Fl\u00fcssigkeit, sondern dieselbe zieht sich nur durch die W\u00e4nde der Zellen, und bei diesen Gew\u00e4chsen, wie in Hundert anderen F\u00e4llen, wo Feuchtigkeit aus der Luft eingesaugt werden mufs, als bei den Luftwurzeln der Aroideen u. s. w. da findet sich auch jene eigent\u00fcmliche Structur der Zellenmembran, \u00e4hnlich derjenigen in den Sphagnum - Bl\u00e4ttern, welche offenbar die hygroskopische Eigenschaft der Membranen verst\u00e4rkt und wor\u00fcber im ersten Theile pag. 45 \u2014 71 ausf\u00fchrlicher berichtet wurde.\nBei den Luftwurzeln einiger Orchideen werden die Zellen, welche die inneren Schichten des pergamentartigen Ueberzuges bilden, regelmafsig immer kleiner, so dafs sie dann um so auffallender verschieden sind von der darunter liegenden obersten Zellenschicht der Wurzel, welche ich f\u00fcr die eigentliche Epidermis halten m\u00f6chte, die hier, bei den Orchideen und Aroideen, noch durch jene pergamentartige Schicht \u00fcberzogen ist, durch welche die Feuchtigkeit der Luft eingesaugt wird. Die Membranen der Zellen dieser pergamentartigen Schicht zeigen die feinen Streifen, welche ich f\u00fcr Spiralfasern erkl\u00e4re, aus welchen die innere Schicht dieser Zellenw\u00e4nde gebildet ist; in den aufserlich liegenden Zellen ist diese Structur am deutlichsten zu sehen, in den tiefer liegenden dagegen sind jene Fasern schon etwas mehr verwachsen, doch meistens noch immer sehr wohl zu erkennen. Aber besonders berner-kenswerth ist es noch, dafs die W\u00e4nde dieser inneren Zellen der pergamentartigen Schicht durch wirkliche L\u00f6cher durchbrochen sind, welche als Spalten auftreten.","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nganz in der Richtung der Spiralfasern, und gew\u00f6hnlich findet man, dafs einer solchen Spalte, in der einen Wand der Zelle, eine \u00e4hnliche Spalte, nur in entgegengesetzter Richtung verlaufend, in der entgegengesetzten Wand auf-tritt. Meistens findet man in den W\u00e4nden einer jeden dieser Zellen nur zwei Spalten, welche fast ebenso lang, als die Fl\u00e4chen der W\u00e4nde breit sind, worauf sie Vorkommen und sich mit den darunter liegenden Spalten kreuzen; es treten diese Spalten sowohl auf denjenigen Fl\u00e4chen der Zellen auf, welche der Oberfl\u00e4che der Wurzel zugekehrt sind, als auch auf denjenigen W\u00e4nden, welche den Radien der Wurzel parallel verlaufen. Es entstehen diese Spalten durch Zerreifsen der Zellenw\u00e4nde, in Folge starker Ausdehnung derselben, und diese Risse treten dann immer in der Richtung des Verlaufes der Spiralwindungen auf, so dafs es scheint, als wenn blofs die Windungen dieser Fasern auseinandergetreten sind.\nVielleicht irret Herr Unger*), wenn er die ganze pergamentartige Schicht jener Luftwurzeln f\u00fcr die Epidermis dieser Wurzeln erkl\u00e4rt, noch mehr, als ich, wenn ich dieselbe f\u00fcr ein ganz eigentluimliches, accessorisches Organ ansehe, welches jenen Luftwurzeln zur Einsaugung der Feuchtigkeit zugegeben ist, wenigstens bleibt sich Herr Unger in seiner Ansicht nicht consequent, denn nach derselben mufs eine Epidermis Spalt\u00f6ffnungen haben, die doch dieser pergamentartigen Schicht fehlen.\nEine solche Structur, verbunden mit mehreren anderen Erscheinungen, mag uns dahin f\u00fchren, den Bau des Holzk\u00f6rpers der Coniferen zu erkl\u00e4ren, denn diese Gew\u00e4chse, welche besonders schnell vegetiren, haben keine dergleichen grofse Spiralr\u00f6hren aufzuweisen, durch welche das Wasser mit Schnelligkeit durch die ganze Pflanze gef\u00fchrt werden k\u00f6nnte. Ich habe mich durch Beobachtungen noch immer nicht \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dafs die H\u00f6hlen dieser langen, r\u00f6hrenartigen Zellen, woraus das Coniferen-\n*) Uebci den h induis des Bodens ctc. pag. 119.","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Holz besteht, w\u00e4hrend der Sommerzeit mit Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt sind, und dennoch sind es hier offenbar diese r\u00f6hrenf\u00f6rmigen Zellen, welche den rohen Nahrungssaft emporf\u00fchren, da keine anderen Elementar-Organe im Holze der Coniferen Vorkommen, welche dazu dienen k\u00f6nnten; daher bleibt nichts Anderes anzunehmen \u00fcbrig, als dafs auch hier die grofse Menge des rohen Nahrungssaftes, welche durch den Baum getrieben wird, wenigstens zu gewissen Zeiten, nur durch die W\u00e4nde der Zellen und R\u00f6hren gezogen werde, w\u00e4hrend zu einer anderen Zeit, wenn der Baum sehr vieler Nahrung bedarf, auch die H\u00f6hlen jener R\u00f6hren und Zellen mit der Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt sind, kurz dafs sich die Sache auch hier ganz \u00e4hnlich verh\u00e4lt, wie wir es bei den Spiralr\u00f6hren des Weinstockes und anderer Pflanzen kennen gelernt haben. Es ist aus der Physiologie der Thiere bekannt, dafs bei einem Thiere ein gewisses Organ fehlen kann, welches bei einem Anderen eine sehr wichtige Rolle in den Aeufserungen des Lebens-Prozesses spielen mufs, und dennoch wird die Function des fehlenden Organes bei jenem Thiere entweder durch ein anderes Organ, oder auch durch irgend eine besondere Vorrichtung ausgef\u00fchrt. So k\u00f6nnen denn auch in gewissen Pflanzen, wie z. B. bei den Coniferen, die eigentlichen Spiralr\u00f6hren fehlen, und dennoch geschieht in denselben die, sonst den Spiralr\u00f6hren obliegende Function, indem n\u00e4mlich andere Elementar-Organe, als langgestreckte Zellen die Function derselben mehr oder weniger vollkommen versehen, was bei den Coniferen und Cycadeen durch die Structur der W\u00e4nde derselben noch bef\u00f6rdert wird, wor\u00fcber im ersten Theile schon die Rede war.\nDer Nahrungssaft wird durch die Elementar-Organe des ganzen Stammes gef\u00fchrt, doch kann man bemerken, dafs gewisse Theile desselben diesen Saft viel schneller und in gr\u00f6fseren Massen fortf\u00fchren als andere. Man hat oftmals nachzuweisen gesucht, dafs die jungen Holzschichten, also die Splintlagen es vorz\u00fcglich w\u00e4ren, welche den Nahrungssaft f\u00fchren, doch gegenw\u00e4rtig wissen wir mit","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nziemlicher Gewifsheit, dafs die j\u00fcngsten Holzschichten zwar ebenfalls den rohen Nahrungssaft emporheben, aber auch zur Herableitung jenes Bildungssaftes verwendet werden, dessen Natur wir etwas sp\u00e4ter n\u00e4her kennen lernen werden. Die innerste Holzschicht dagegen, die sogenannte Markscheide, deren anatomische Eigenth\u00fcmlichkeiten schon pag.371 nachgewiesen wurden, ist es, welche selbst indem dickesten Stamme den Nahrungssaft zuerst aufnimmt und ihn auch am schnellsten fortf\u00fchrt. Man kann dieses auch bei Versuchen mit gef\u00e4rbten Fl\u00fcssigkeiten wahrnehmen, in welche der abgeschnittene Stamm eines B\u00e4umchen\u2019s eingesetzt wird. Sp\u00e4ter erst steigt die gef\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeit in das Kernholz, und nur sehr sp\u00e4t sah ich dieselbe auch im Splinte aufsteigen.\nDAe Schnelligkeit womit die aufsteigende Nahrungsfl\u00fcssigkeit fortbewegt wird, ist im Allgemeinen sehr grofs, und obgleich W\u00e4rme und Licht die haupts\u00e4chlichsten Agentien sind, welche dieselbe steigern k\u00f6nnen, so ist doch hiebei vorz\u00fcglich die Periodicit\u00e4t in den Lebens\u00e4u-lserungen der Pflanze in Anspruch zu nehmen, denn gerade zu derjenigen Zeit, wenn der Baum aus seinem Winterschlafe erwacht und seine Knospen zum Aufbrechen anschwellen, dann steigt eine so grofse Menge Saft durch den Holzk\u00f6rper des Stammes empor, verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig mehr, als zu irgend einer anderen Zeit; gerade diese Erscheinung m\u00f6chte am schwierigsten zu erkl\u00e4ren sein, wenn wir nicht den W urzeln der Pflanzen ein Verm\u00f6gen zuschreiben wollen, dafs sie die Aufnahme der Nahrung ganz nach dem Bed\u00fcrfnisse der Pflanze einrichten k\u00f6nnen, dafs sie n\u00e4mlich, ganz wie die Thiere, mehr Nahrung aufnehmen, wenn die Pflanzen derselben bed\u00fcrfen. Wir wissen zwar durch eine Menge von Versuchen ganz bestimmt, dafs die meteorologischen Verh\u00e4ltnisse auf das Steigen der rohen Nahrungsfl\u00fcssigkeit sehr grofsen Einflufs aus\u00fcben, aber dennoch, obgleich jene meterologischen Verh\u00e4ltnisse nn Anf\u00e4nge des Fr\u00fchlinges und zur Zeit des Herbstes, wenn die Bl\u00e4tter abfallen, ziemlich dieselben sind, so sind","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"57\ndoch die Erscheinungen des Saftsteigens zu diesen Zeiten ganz verschieden, und in diesen meteorologischen Verh\u00e4ltnissen ist defshalb die Ursache jener Erscheinungen nicht zu suchen.\nWir gehen jetzt zur n\u00e4heren Betrachtung der Erscheinungen \u00fcber, welche das Steigen des rohen Nahrungssaftes darbietet, um durch diese auf eine Erkl\u00e4rung der Ursachen des Steigens derselben geleitet zu werden. Auch hier stehen Stephan Haies Versuche noch immer als un\u00fcber-treffbar da, und defshalb werde ich die wichtigsten derselben zuerst auff\u00fchren, um sie dann mit den Resultaten der neuesten Versuche zu vergleichen.\nUnter den Gew\u00e4chsen unseres Vaterlandes ist der Weinstock eines von denjenigen, welche zur Zeit des Fr\u00fch-linges die Erscheinung des Thr\u00e4nens am st\u00e4rksten zeigen; man versteht darunter, wie es allgemein bekannt ist, das Ausfliefsen eines w\u00e4sserichten Saftes aus den verletzten Stellen des Holzk\u00f6rpers, und diesen w\u00e4sserichten Saft nennen wir den rohen Nahrungssaft der Pflanze, welcher von den Wurzeln aufgenommen, durch die ganze Pflanze gef\u00fchrt und immer mehr und mehr assimilirt wird. Zur Fr\u00fchlingszeit, wenn die Bl\u00e4tter des Weinstockes auszuschlagen beginnen, dann sind alle Zellen und R\u00f6hren des Holzes dieser Pflanze so stark damit gef\u00fcllt, dafs der Saft nicht nur aus den durchschnittenen R\u00f6hren ausl\u00e4uft> sondern zuweilen sieht man auch, besonders in der N\u00e4he der Wurzel, dafs der Saft an einzelnen Stellen aus freien St\u00fccken durch die Rinde dringt, und dieses ist es haupts\u00e4chlich, was zu der Benennung des Thr\u00e4nens des Weinstockes Veranlassung gegeben hat. An den St\u00e4mmen unserer Birken und Buchen ist das Thr\u00e4nen auch nicht selten im Fr\u00fchlinge in einem \u00e4hnlichen Grade zu sehen.\nStephan Haies machte seine Versuche, um die Kraft\n*) Vegetable Staticks: or an account of some statical Experiments on the Sap in Vegetables. London 1727. 8vo. In das Franz\u00f6sische \u00fcbertragen und mit Anmerkungen versehen vonB\u00fcffon. Paris 1735. 4to. In das Deutsche \u00fcbertr. mit B\u00fcffon\u2019s Anmerkungen. Magdeburg und Halle 1748. 4to. p. 101,","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"zu entdecken, welche den Saft zur Thranzeit emporhebt, mit dem Weinstocke; er schnitt am 30. M\u00e4rz, 3 Uhr Nachmittags, den Stamm eines Weinstockes 7 Zoll \u00fcber der Erde ab und setzte auf die Schnittfl\u00e4che verschiedene Glasr\u00f6hren, welche zusammen 25 Fufs H\u00f6he betrugen, um den Saft in seinem Steigen zu beobachten, welcher aus der Schnittfl\u00e4che auslaufen w\u00fcrde. Die Temperatur der Luft war noch gering und es geschah kein Ausstr\u00f6men von Saft; hierauf gofs Haies Wasser bis auf zwei Fufs H\u00f6he in die R\u00f6hre, welches der Stock allm\u00e4lich einsaugte, so dafs um 8 Uhr Abends nicht mehr, als 3 Zoll davon in der R\u00f6hre \u00fcbrig waren. In diesem Falle war also die Kraft, mit welcher der Saft im Inneren des Stammes emporstieg, sehr gering; denn das Gewicht der 2 Fufs hohen Wassers\u00e4ule und der Druck der Atmosph\u00e4re hatten dieselbe \u00fcberwunden, datier das Wasser der Glasr\u00f6hre in den Stamm hineinstieg, anstatt sich zu heben. Am folgenden Morgen jedoch begann das Steigen des Saftes im W einstocke; schon Abends war derselbe 8]- Zoll hoch in die Glasr\u00f6hre gestiegen und stieg dann t\u00e4glich weiter fort bis zu 21 Fufs H\u00f6he. Bei vielen anderen Versuchen, welche Haies anstellte, zeigte es sich, dafs der Saft zu der Zeit, wenn der Weinstock am meisten thr\u00e4nt, sowohl bei Tage, als bei Nacht fortw\u00e4hrend steigt, bei Tage aber mehr als bei Nacht und noch mehr zu derjenigen Tageszeit, welche die h\u00f6chste Temperatur der Luft zeigt. Haies*) befestigte auch mehrere R\u00f6hren an einem und demselben Weinstocke und sah wie der Saft darin bis 12, 15 und selbst bis zu 25 Fufs H\u00f6he stieg, wenn der Saft aber seine gr\u00f6fste Tagesh\u00f6he erreicht hatte, dann fiel er jedesmal wieder gegen Mittag. War die Luft k\u00fchl, so fiel der Saft von 11 Uhr an oder noch sp\u00e4ter, selbst erst um 2 Uhr Nachmittags; war es aber warm, so trat die Periode des Fallens schon um 9 oder um 10 Uhr ein, und dieses dauerte bis 4, 5 u. 6 Uhr Abends, dann stand der Saft einige Stunden hindurch still und fing wieder an unvermerkt zu\n*) 1. c. pag. 108.","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"59\nsteigen. Ich mufs hier zur Erkl\u00e4rung hinzusetzen, dafs unter dem Fallen des Saftes in der Glasr\u00f6hre nichts Anderes zu verstehen ist, als dafs die Schwere der Safts\u00e4ule die Kraft \u00fcberwog, mit welcher zu eben derselben Zeit der Saft im Weinstocke gehoben wurde, und defshalb sank derselbe in den Stamm des Weinstockes hinab.\nAlle diese Versuche, welche Stephan Haies am Weinstocke anstellte um die Kraft zu erforschen, mit welcher der Nahrungssaft emporsteigt, habe ich im vergangenen Sommer in Gesellschaft des Herrn Professor Mitscherlich wiederholt, der mich dabei in jeder Hinsicht mit Rath und That auf das freundlichste unterst\u00fctzt hat, wof\u00fcr ich demselben hier \u00f6ffentlich meinen Dank abzustatten, mich billigst verpflichtet f\u00fchle.\nEine Reihe von Beobachtungen, welche ich aber erst sp\u00e4ter auff\u00fchren kann, zeigte mir, dafs das Fallen der S\u00e4ftemasse in der Glasr\u00f6hre, welches bei Tage um so fr\u00fcher erfolgt, je w\u00e4rmer und trockener die Luft ist, dafs dieses im genauesten Verh\u00e4ltnisse zu der Ausd\u00fcnstung der Pflanze steht. So lange die Temperatur der Luft des Morgens gering ist und die Luft viel Feuchtigkeit zeigt, so lange ist auch die Transpiration des Stammes der Pflanze, mag dieselbe mit oder ohne Bl\u00e4tter bedeckt sein, sehr gering oder ganz unmerkbar, w\u00e4hrend die Aufnahme des Saftes durch die Wurzeln dennoch immerw\u00e4hrend erfolgt und dadurch der Saft in der Glasr\u00f6hre zum Steigen gebracht wird. Je w\u00e4rmer aber die Luft bei Tage wird, um so fr\u00fcher tritt ein solcher Zustand ihres Feuchtigkeits-Gehaltes ein, dafs die Verdunstung der Pflanze beginnen kann und dafs dadurch der Saft in der Glasr\u00f6hre zum Fallen gebracht wird, indem er in den Stamm wieder zur\u00fccktreten mufs, um den, durch die Verdunstung entstandenen leeren Raum wieder auszuf\u00fcllen. Sowohl das t\u00e4gliche Steigen, als das t\u00e4gliche Fallen des ausgestr\u00f6mten Nahrungssaftes zeigt sich um so bedeutender, je w\u00e4rmer das Wetter ist, was auch schon durch Stephan Haies beobachtet worden ist.","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nRC\nZ\nUm diejenige Tageszeit, in welcher der Saft etwas lallt, ist die Kraft, mit welcher er in seinem Stamme gehoben wird, sehr gering, und offenbar wird dieses durch die Gegenkraft der Ausd\u00fcnstung bewirkt, denn diese, wie es unsere Versuche sp\u00e4ter zeigen werden, ist gerade eben so stark, als diejenige, womit der Saft emporgehoben wird, daher denn auch mehrere ausgezeichnete Physiker geneigt sind, Letztere aus der Ersteren zu erkl\u00e4ren, wogegen wir jedoch gegr\u00fcndete Einwiirfe machen werden.\nAm 28. April des vergangenen Jahres, in welchem die Vegetation verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig um mehrere Wochen zur\u00fcck war, wurde um 9 Uhr Vormittags der Ast eines Weinstockes quer abgeschnitten und auf die Schnittfl\u00e4che desselben eine doppelt gebogene Glasr\u00f6hre, nach der Form beiliegender Figur aufgesetzt; der Verschlufs der R\u00f6hre mit dem Stamme geschah mittelst Caoutschuc und war vollkommen luftdicht. Die Befestigung dieses Rohres dauerte an 20 Minuten, und w\u00e4hrend dieser yH Zeit war der ausfliefsende Saft in die aufge-setzten Glasr\u00f6hre um 5 Zoll gestiegen, etwa bis zu dem Punkte, welchen wir mit b bezeichnet haben. Hierauf wurde Quecksilber in den grofsen Schenkel c gegossen, welches sich in den beiden Schenkeln c d und e f nicht mehr in gleiches Niveau stellen konnte, weil die Lufts\u00e4ule in Letzterem durch die Wassers\u00e4ule ab abgeschlossen war. Es ward in den \u00e4ufseren Schenkel so viel Quecksilber gegossen, dafs es sich im inneren Schenkel e f, bis zur H\u00f6he von g erhob und mit dem Niveau des Quecksilbers im \u00e4ufseren Schenkel bei h noch 7 Zoll Differenz zeigte. Hierauf verging keine volle Viertelstunde und man bemerkte, dafs die Wassers\u00e4ule ab immer kleiner wurde, so dafs im Verlaufe von einer halben Stunde die ganze Saftmasse in den Stamm zur\u00fcckgetrieben ward, was gerade um diejenige Zeit geschah, wann der Saft \u00fcberhaupt etwas f\u00e4llt, und wof\u00fcr ich die Verdunstung durch die Oberfl\u00e4che des Stammes und der Knospen als","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"61\nErkl\u00e4rung aiif\u00fchren m\u00f6chte. Am folgenden Tage war die Luft bedeutend w\u00e4rmer, und Nachts hatte es etwas geregnet; es zeigte sich, schon fr\u00fch des Morgens, ein Steigen des Saftes im Schenkel ab, was aber gegen Uhr wieder aufh\u00f6rte, doch das erneuerte Steigen des Saftes, welches am Nachmittage wieder begann, brachte schon am folgenden Tage die Differenz in dem Stande der Quecksilbers\u00e4ule bis auf 15 Zoll , was also dem Drucke einer Wassers\u00e4ule von etwa 15 Fufs entsprach, mit welcher Kraft der Saft zu jener Zeit in dem Stamme emporgehoben wurde.\nIn vielen anderen Versuchen, welche wir in dieser Hinsicht anstellten, wurden die \u00e4ufseren Schenkel der Glasr\u00f6hre vor ihrem Aufsetzen mit Quecksilber gef\u00fcllt, so dafs dasselbe in beiden Schenkeln in gleichem Niveau stand, etwa bis a und d b in der beistehenden Figur. Hier waren dann stets, so lange das Thr\u00e4nen des Weinstockes e dauerte, eben dieselben Erscheinungen zu be-^ obachten, welche Stephan Haies schon vor l\u00e4nger als Hundert Jahren so \u00e4ufserst genau beschrieben hat. Die zu unseren Versuchen angewendeten Glasr\u00f6hren [hatten etwas \u00fcber zwei Linien im Durchmesser, und demnach konnten zu denVersuchen nur ganz junge, einj\u00e4hrige Zweige in Anwendung gesetzt werden. Diese jungen Zweige hoben denn auch die Quecksilbers\u00e4ule in den beiden \u00e4ufseren Schenkeln nicht h\u00f6her, als 15 \u201418 Zoll, d. h. so grofs war die Differenz zwischen dem Stande des Quecksilbers im \u00e4ufseren und im inneren Schenkel. Wurde jedoch bei diesem Stande des Quecksilbers noch mehr Quecksilber in den \u00e4ufseren Schenkel gegossen, so erlangte man, was mir sehr auffallend zu sein scheint, eine Differenz von mehr als 25 Zoll; das Quecksilber stand dann in dem \u00e4ufseren Schenkel etwa bei d, w\u00e4hrend es im Inneren bis e hinabgesunken und die Safts\u00e4ule in dem kurzen Schenkel etwa bis f gestiegen war. Das 36. Experiment, welches","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nHales *) beschrieben hat, ist gerade dasjenige, welches so grofses Erstaunen erregt hat, indem bei demselben, nach Verlauf von 12 Tagen, das Quecksilber in dem \u00e4ufseren Schenkel eine H\u00f6he von 32~ Zoll erreicht hatte, wobei es aus dem inneren Schenkel ganz hinausgestiegen war, sonst w\u00e4re dasselbe vielleicht noch h\u00f6her gestiegen. Jener Quecksilberstand von 32^ Zoll Differenz entspricht der Kraft, mit welcher eine Wassers\u00e4ule von 36 Fufs 5| Zoll dr\u00fcckt. Ich mufs indessen hinzusetzen, dafs Haies bei diesem Experimente ebenfalls Quecksilber nachgofs; der steigende Saft hatte das in der R\u00f6hre enthaltene Quecksilber, nach Verlauf von 4 Tagen nur um 18 Zoll gehoben. Durch das Zugiefsen des Quecksilbers ward die Differenz 23 Zoll hoch, und dieses Gewicht dr\u00fcckte den Saft etwas zur\u00fcck; am folgenden Morgen, bei sch\u00f6nem Sonnenschein, stand die Differenz auf 24| Zoll, doch Nachmittags wieder auf 18 Zoll (Auch hier ist die Erkl\u00e4rung wohl in der Verdunstung zu suchen!). In den folgenden Tagen des Experiments war es warm, aber es fiel Regen, wobei denn alle Ausd\u00fcnstung aufh\u00f6ren mufste, und da der Saft durch die Wurzeln fortw\u00e4hrend aufgenommen wird, was wir pag. 65 kennen lernen werden, so wurde das Quecksilber auf 29 und selbst auf 32^ Zoll gehoben. Zum Gelingen dieses Versuches ist durchaus ein warmes und sehr feuchtes Wretter n\u00f6thig. Die Herren von Mirbel und Che-vreul **) haben diesen Versuch im April 1811 wiederholt und sahen, dafs das Quecksilber um 29 Zoll gehoben wurde.\nAuch bei unseren Versuchen wurde beobachtet, was schon Haies bemerkte, dafs das Aufsteigen des Saftes aus dem abgeschnittenen Aste, nach Verlauf von 5 \u2014 6 Tagen nicht mehr so stark war, als im Anf\u00e4nge; wurde jedoch der Schnitt um einen Knoten tiefer gemacht, so stieg der Saft aus demselben Aste wieder eben so stark, als bei\n*) 1. c. p. 165.\n**) El \u00e9raens de Physiologie v\u00e9g\u00e9tale et de Botanique par Bris-seau Mirbel. Paris 1815. 1. pag. 198,","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"63\ndem ersteren Versuche, daher man ein Zusammentrocknen des Holzk\u00f6rpers an der Schnittfl\u00e4che, als die Ursache jener Hemmung ansehen kann, was auch dessen Aussehen best\u00e4tigt.\nDer Einflufs, welchen die W\u00e4rme, die Trockenheit der Luft und vorz\u00fcglich die Wirkung der Sonnenstrahlen auf dieses Steigen des rohen Nahrungssaftes zeigten, war h\u00f6chst auffallend; dergleichen Reben, welche durch ihre Lage gegen Morgen und gegen S\u00fcden am l\u00e4ngsten Sonne erhielten, dergleichen zeigten auch die st\u00e4rkste Saftbewegung, so dafs wir die Angaben Haies, dafs der Saft in St\u00e4mmen, welche gegen Morgen gestelt sind, zuers steigt, dann in solchen, welche gegen S\u00fcden stehen und endlich in solchen, welche gegen Abend liegen, und dafs derselbe auch ganz in derselben Reihenfolge wieder falle, nur best\u00e4tigen k\u00f6nnen.\nL\u00e4fst man dergleichen Apparate, wie sie in den beiden eingedruckten Figuren dargestellt sind, so lange auf den Aesten des Weinstockes sitzen, bis dafs die Knospen desselben aufbrechen und sich die Bl\u00e4tter entwickelt haben, so bemerkt man alsbald, dafs der in die kurzen Schenkel der Glasr\u00f6hre hineingestiegene Saft allm\u00e4lich immer mehr schwindet, so dafs er endlich ganz verschwindet, wobei zwar der Druck des Quecksilbers im \u00e4ufseren Schenkel sehr behiilflich sein mag, was aber offenbar haupts\u00e4chlich dadurch verursacht wird, dafs durch die Verdunstung der jungen Bl\u00e4tter, der rohe Nahrungssaft aus dem oberen Ende des abgeschnittenen Astes von seiner fr\u00fcheren Richtung abgezogen und nach denjenigen Punkten hingezogen wird, wo die Verdunstung als ein entschiedenes Pumpwerk, wirkt; so wird es erkl\u00e4rlich, dafs der aus der Schnittfl\u00e4che des Astes in die Glasr\u00f6hre hineingestiegene Saft, zu einer anderen Zeit auf eben demselben Wege wieder zur\u00fcckkehrt. Es schien nichts klarer zu sein, als dafs hierin rein physikalische Gesetze herrschen, so dafs man die Kraft der Verdunstung ebenfalls mit der Quecksilber-Wage genau messen k\u00f6nnte.","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nDafs man das Wasser einer R\u00f6hre, welche luftdicht auf die neue Schnittfl\u00e4che eines Astes gestellt ist, in denselben f\u00f6rmlich hineindr\u00fccken kann, das haben wir schon pag. 60 nachgewiesen; ja um die Zeit, wenn die Menge des aufsteigenden Saftes so gering ist, dafs dieselbe nicht \u00fcber die Schnittfl\u00e4che eines Astes hinaussteigt, dann vermag schon der einfache Druck der kleinsten Wassers\u00e4ule das Hineinsteigen des Wassers in die Gef\u00e4fse der Schnittfl\u00e4che zu bewirken, sp\u00e4ter aber, wenn der Saft des Stammes in grofser Menge fliefst und mit einer mehr oder weniger starken Kraft gehoben wird, dann ist ein entsprechender Druck n\u00f6thig, um die Safts\u00e4ule wieder hineinzutreiben. Wir haben n\u00e4mlich, Herr Mitscherlich und ich, zu den vorhin angef\u00fchrten Versuchen zu einer sp\u00e4teren Zeit, als die Bl\u00e4tter des Weinstockes schon ausgebrochen waren und der Stamm nicht mehr thr\u00e4nte, gleichsam die Probe gemacht; wir haben dergleichen Glasr\u00f6hren, welche zu den fr\u00fcheren Versuchen dienten, umgekehrt auf die neuen Schnittfl\u00e4chen abgeschnittener Aeste luftdicht aufgesetzt, in der Art, wie es die Darstellung rnX zeigt. Die ganze Glasr\u00f6hre wurde zuerst mit Wasser gef\u00fcllt, dann an dem Ende des Ae langen Schenkels mit dem Finger verschlos-\n/ sen; hierauf wurde in den \u00e4ufseren kurzen IW//\nSchenkel Quecksilber gegossen, welches das Wasser hinaustrieb und die R\u00f6hre bis zu b f\u00fcllte. Nun ward die R\u00f6hre bei a mit dem Finger verschlossen, so dafs aus der R\u00f6hre c nichts ausfliefsen konnte, w\u00e4hrend dieselbe auf das abgeschnittene Ende des Astes d luftdicht befestigt wurde *).\nAn merk. Zur leichteren und besseren Befestigung ist es gut, wenn die Glasr\u00f6hre bei diesen Versuchen mit kleinen Metall-H\u00fclsen versehen werden, und als Verschliefsungsmittel ist nichts mehr zu empfehlen, als Caoutschuc - Platten, welche nach der Methode angewendet werden, die Herr Mitscherlich in seinem Lehrbuch der Chemie (Berlin 1837 pag. 3) angegeben hat. Haies gebrauchte H\u00fclsen von Kupfer und verband mit Cement oder Blase.","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"65\nDer erste Versuch in dieser Art geschah am 14. Juni, an einem sehr warmen und trockenen Tage hei hellem Sonnenscheine um 11 Uhr 20 Minuten, und um 12 Uhr war schon so viel von dem Wasser des langen Schenkels in den Weinstock gestiegen, dafs die Quecksilbers\u00e4ule von a bis e, das ist um 7 Zoll, gefallen war; bald darauf stand das Quecksilber in beiden Schenkeln gleich und dann begann es im inneren Schenkel f g zu steigen, bis dafs eine Differenz mit dem Stande des Quecksilbers im \u00e4ufseren Schenkel von 14 Zoll H\u00f6he entstand, was bei der angegebenen Vorrichtung nur durch nochmaliges Nachgiefsen von Quecksilber in den \u00e4ufseren Schenkel zu Stande zu bringen war; die h\u00f6chste Differenz von 14 Zoll beobachtete ich Abends um 9 Uhr. Im Anf\u00e4nge des Versuches konnte man glauben, dafs das Wasser durch die eigene Schwere, den Druck der Quecksilbers\u00e4ule und den der Atmosph\u00e4re in den Stamm hineingetrieben worden sei, nachdem sich aber das Quecksilber in beiden Schenkeln ins Gleichgewicht gestellt hatte, da mufste jene Ursache aufh\u00f6ren; andere Versuche, welche sp\u00e4ter mitgetheilt werden sollen, zeigten, dafs hier nur die Transpiration der Bl\u00e4tter, als die Ursache anzusehen war, welche eine Kraft veranlafsten, durch die das Quecksilber bis zu 14 Zoll H\u00f6he gehoben wurde. W\u00e4re der innere Schenkel g f l\u00e4nger construirt worden, so h\u00e4tte man immer mehr Quecksilber in den \u00e4ufseren hinzugiefsen k\u00f6nnen, und h\u00e4tte dann der Versuch gleich am Morgen angefangen, so w\u00fcrde sicherlich ein noch weit auffallenderes Resultat zu Stande gekommen sein.\nAn dem Tage dieses ersten Versuches trat, gleich nach 9 Uhr Abends, ein heftiger Regen ein, begleitet von einer sehr milden Temperatur und anhaltendem Gewitter, und am folgenden Morgen beobachtete man an der Vorrichtung das unerwartete Resultat, dafs das Quecksilber w\u00e4hrend der Nacht im inneren Schenkel so stark gefallen war, dafs ungef\u00e4hr die ganze, sp\u00e4ter nachgegossene Menge desselben zu der Oeffnung a im \u00e4ufseren Schenkel\nMeyen. Pfl. Physiol. U.\t^","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nhinausgetreten war. Die Temperatur war am folgenden Morgen zwar sehr hoch, es war aber auch sehr feucht, und die Transpiration der Bl\u00e4tter begann erst als die Sonne h\u00f6her stieg, so dafs um 12 Uhr Mittags die Quecksilbers\u00e4ule im inneren Schenkel nur um 7 Zoll h\u00f6her stand, als in dem kleinen \u00e4ufseren Schenkel. Hierauf wurden alle Bl\u00e4tter des ganzen Weinstockes abgeschnitten, selbst die Knospen und Ranken, so dafs nur der Stamm mit seinen alten und jungen Aesten, welche noch ganz frisch gr\u00fcn waren, stehen blieb. Nach diesem Abpfl\u00fccken der Bl\u00e4tter blieb der Saft nicht so augenblicklichst stehen, wie wir es eigentlich vermutheten, aber das Wasser aus dem langen Schenkel der Glasr\u00f6hre stieg nun doch so langsam in den Stamm hinein, dafs die Quecksilbers\u00e4ule bis Abends 9 Uhr, nur noch um \\ Zoll stieg, und es blieb nun dieser Stand des Quecksilbers selbst 14 Tage und dar\u00fcber nach dem Ab-pfliicken der Bl\u00e4tter. Nach Verlauf von 3\u20144 Wochen waren neue Bl\u00e4tter ausgeschlagen und es sank noch etwas Wasser in den Stamm, so dafs das Quecksilber im inneren Schenkel noch um einige Zoll stieg, dann aber blieb Alles unver\u00e4ndert stehen, wahrscheinlich defshalb, weil in dieser Zeit das Holz an dem abgeschnittenen Ende vertrocknet und abgestorben war.\nDasselbe Experiment wurde mehrmals wiederholt und fast stets mit ganz gleichem Resultate ; die Differenz richtete sich stets nach der verschiedenen Gr\u00f6fse der angewandten Aeste, nach deren Belaubung und nach der W\u00e4rme und Feuchtigkeit der Luft. In einem besonderen Falle w\u00fcnschte ich zu wissen, ob das Wasser bei solchen Versuchen etwa durch den Druck der Atmosph\u00e4re und durch die eigene Schwere in den Stamm hineingedr\u00fcckt w\u00fcrde, oder ob die Ursache jenes Hineinsteigens des Wassers im Stamme selbst zu suchen sei; der Versuch erwdefs das Letztere. Es wurde auf einem frisch abgeschnittenen Aste einer Rebe ein \u00e4hnlich gebogenes Glasrohr aufgesetzt, wie es in den vorhergehenden F\u00e4llen gebraucht wurde. Es war am 16. Juni, an einem warmen","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"67\nund trockenen Tage Vormittags um 10^ Uhr\u2019 als der Versuch angestellt wurde, und die unteren Theile des angeschnittenen Astes waren stark mit Laub bedeckt. Die Glasr\u00f6hre war mit Luft gef\u00fcllt und nur in den beiden \u00e4ufse-ren Schenkeln befand sich etwas Wasser, welches bei a und b in gleichem Niveau stand. Schon nach Verlauf von 15 Minuten war zu sehen, dafs das Wasser im inneren Schenkel \u00fcber a hinausstieg; bis gegen Abend 7 Uhr war es um 2 Zoll gehoben worden, und so verblieb es mehrere Tage \u00fcber, und setzte sich dann endlich wieder ins Gleichgewicht. Aus diesem Versuche kann man wohl folgern, dafs der Saft aus dem Holze des angeschnittenen Astes durch die Transpiration der Bl\u00e4tter der nebenstehenden Aeste gleichsam herabgezogen wurde, so dafs nun die Luft, welche in der Glasr\u00f6hre enthalten war, nachfoigen und den luftleeren Raum ausf\u00fcllen mufste, daher stieg denn auch die Wassers\u00e4ule im inneren Schenkel nach Oben und zwar um zwei Zoll.\nSo zeigte sich denn in allen diesen F\u00e4llen die Transpiration, als ein Mittel, welches pumpend, mit mehr oder weniger grofser Kraft die Fortbewegung des rohen Nahrungssaftes veranlafste, und dafs daher diese Bewegungen des Saftes im Inneren der Pflanze, in so weit als hier davon die Rede war, ganz nach physikalischen Gesetzen zu erkl\u00e4ren ist. In dieser Hinsicht ist auch das interessante Experiment zu betrachten, welches ebenfalls schon Stephan Haies *) angestellt hat, und dessen Resultat von uns ebenfalls best\u00e4tigt wurde. Haies stellte n\u00e4mlich zu verschiedenen Zeiten an drei, in verschiedener H\u00f6he stehenden Aesten, jene doppelt gebogenen R\u00f6hren auf und fand, dafs der Saft in der ersteren R\u00f6hre wieder fiel, sobald eine zweite R\u00f6hre, aber etwas niedriger auf einen abgeschnittenen Zweig aufgesetzt wurde. Auch hier reicht\n\nC\\-\na\nI\nd\n*) 1. c. p. 109 etc.\n5*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\n\nman mit einer rein physikalischen Erkl\u00e4rung der Erscheinung vollkommen aus.\nEinen \u00e4hnlichen Versuch machten wir an einem Weinstocke ebenfalls w\u00e4hrend der Thr\u00e4nzeit, ungef\u00e4hr in der Art, wie es die Darstellung bei Haies zeigt. Die drei Glasr\u00f6hren auf den verschiedenen Aesten des Weinstockes wurden fast zu gleicher Zeit aufgesetzt und ihre \u00e4ufseren Schenkel waren, wie gew\u00f6hnlich, bis zu dem angegebenen Zeichen mit Quecksilber gef\u00fcllt; zu unserem Erstaunen zeigte sich, lange Zeit hindurch gar kein ausfliefsender Saft und die Quecksilberst\u00e4nde blieben dieselben, was vielleicht davon herr\u00fchrte, dafs eine starke Wurzel dieses Weinstockes schon einige Stunden vorher abgeschnitten war, aus deren Schnittfl\u00e4che denn auch best\u00e4ndig eine grofse Menge Saft auslief. Es ist \u00fcberhaupt eine auffallende, aber ebenfalls nach physikalischen Gesetzen zu erkl\u00e4rende Erscheinung, dafs aus allen abgeschnittenen Wurzeln w\u00e4hrend der Thr\u00e4nzeit eine grofse Menge Saft ausl\u00e4uft, w\u00e4hrend diese Wurzeln zu einer anderen Zeit, wenn die Verdunstung durch die ausgebrochenen Bl\u00e4tter sehr stark ist, eine grofse Menge Wasser mit grofser Schnelligkeit und Kraft aufsaugen, wie es ebenfalls durch Haies Versuche zuerst nachgewiesen worden ist. Mir scheint es, dafs das Auslaufen des Saftes aus den durchschnittenen Wurzeln eine blofse Folge des Druckes ist, welchen die Safts\u00e4ule durch ihre eigene Schwere und die Atmosph\u00e4re verursachen, denn zur Thr\u00e4nzeit werden die grofsen Spiralr\u00f6hren des Weinstockes ganz mit Wasser gef\u00fcllt, welches nach den auf pag. 49 mitgetheilten Versuchen ausfliefst, indem die Spiralr\u00f6hren dieser Pflanzen nicht wie Haar-R\u00f6hrchen wirken k\u00f6nnen. Auf die abgeschnittene Wurzel jenes Weinstockes wurde ebenfalls eine mit Wasser gef\u00fcllte R\u00f6hre luftdicht aufgesetzt, deren Ende \u00fcber die Erde hinausgebogen und daselbt in Quecksilber abgesperrt war; die Wurzel wurde dann wieder mit Erde bedeckt und blieb in ihren nat\u00fcrlichen Verh\u00e4ltnissen, w\u00e4hrend man an dem, \u00fcber der Erdoberfl\u00e4che stehenden Ende der Glasr\u00f6hre","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"den weiteren Vorgang in der Wurzel mit Leichtigkeit verfolgen konnte. Es zeigte sich bei dieser Beobachtung, dafs mehrere Tage hindurch ein best\u00e4ndiges Ausfliefsen des Saftes aus dem Ende der R\u00f6hre stattfand, und dieser Saft sammelte sich oberhalb des Quecksilbers an, womit die Flasche auf dem Grunde gef\u00fcllt war; dar\u00fcber stand Wasser bis nahe dem Halse der Flasche, welches sich aber durch den ausfliefsenden Wurzelsaft sehr bald so stark vermehrte, dafs es zur Flasche hinauslief. Erst gegen den 4. Tasr schien das Auslaufen des Saftes aus der Wurzel aufzuh\u00f6ren, aber so lange dieses noch anhielt, so lange stieg kein Saft aus den durchschnittenen Aesten in die aufgesetzten Glasr\u00f6hren; erst einige Tage nach dem Anschneiden bemerkte man. dafs der Saft in das unterste Rohr hineinstieg, doch an den beiden h\u00f6her gestellten R\u00f6hren kam es gar nicht zum Ausfliefsen des Saftes aus den durchschnittenen Aesten. Aus denselben Ursachen ist denn auch die Erscheinung zu erkl\u00e4ren, dafs an manchen Pflanzen einzelne Aeste allm\u00e4lich eingehen, oder auch gar nicht zur Entwickelung kommen, w\u00e4hrend Andere, sogenannte Wassersch\u00f6fslinge oftmals um so \u00fcppiger vegetiren; diese Letzteren sind n\u00e4mlich, durch irgend einen Einflufs dahin gekommen, dafs sie die gr\u00f6fste Menge Saft mit solcher \u00fcberwiegenden Kraft anziehen, dafs derselbe dadurch den anderen entzogen wird, und diese Letzteren defshalb im eigentlichen Sinne des Wortes verhungern. Es giebt besonders einige Pflanzen, an welchen dieses sehr sch\u00f6n zu sehen ist, wie z. B. bei gegliederten Cactus-Gew\u00e4chsen, als bei dem Cactus truncates u. s. w. und man braucht hier keinen Wechsel sogenannter Polarit\u00e4ten anzunehmen, sondern man kann die Erscheinung auch physikalisch erkl\u00e4ren.\nDurch die Versuche von Stephan Haies ist es schon bekannt geworden, dafs die Aeste und St\u00e4mme der B\u00e4ume, nicht nur im Zusammenh\u00e4nge mit ihrer Wurzel den rohen Nahrungssaft mit besonderer Kraft emporheben, sondern dafs dieses auch die abgeschnittenen Aeste und Zweige","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\ntliun. Auch hier ist es leicht, die Kraft zu messen, mit welcher dieses Emporsteigen des aufgenommenen Wassers geschieht, und zwar ganz auf \u00e4hnliche Art, wie in den vorhergehenden Versuchen, indem man n\u00e4mlich das untere Ende eines abgeschnittenen Astes u. s. w. luftdicht auf eine mit Wasser gef\u00fcllte und in Quecksilber abgesperrte Glasr\u00f6hre setzt. Es ist \u00fcbrigens eine ganz bekannte Erfahrung, mit welcher grofsen Schnelligkeit das Wasser in die Holzb\u00fcndel abgeschnittener A este und Stengel dringt, denn, besonders an recht warmen Tagen, wenn auch die \\ erdunstung sehr stark ist, dann wird zuweilen eine abgeschnittene, krautartige Pflanze in wenigen Minuten wieder erfrischt, wenn man sie mit ihrer glatten Schnittfl\u00e4che in Wasser stellt. Schon bei dieser, sich t\u00e4glich wiederholenden Erfahrung kam man zu dem Schl\u00fcsse, dafs die Aufsaugung des Wassers durch die Verdunstung der Bl\u00e4tter erfolgt, und diese Vermuthung wird auch durch die sorgf\u00e4ltigsten Versuche best\u00e4tigt, welche ich in dieser Hinsicht in sehr grofser Anzahl und in der verschiedensten W eise angestellt habe.\nIch nahm am 14. Juni eine kr\u00e4ftig wachsende Pflanze der \\ icia Faba, die schon bis zur Bliithe gekommen war,\nund setzte das untere abgeschnittene Ende derselben luftdicht auf eine mit Wasser gef\u00fcllte Glasr\u00f6hre, welche mit ihrem anderen Ende in Quecksilber abgesperrt war. Mit grofser Schnelligkeit stieg das Wasser der R\u00f6hre in die Pflanze, so dafs das Quecksilber in Zeit von 4 Stunden \u00fcber 7 Zoll hoch in das untere Ende der Glasr\u00f6hre hineinstieg, und dieses Aufsteigen nahm selbst des Nachts, aber nur sehr wenig, um ~ Zoll n\u00e4mlich zu, bis dafs die Pflanze am 3. Tage ganz welk wurde; nun fiel pl\u00f6tzlich das Quecksilber und es entwickelte sich am oberen Ende der R\u00f6hre Luft, welche zuletzt f","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"71\nder ganzen Glasr\u00f6hre f\u00fcllte. Am folgenden Tage machte ich schon Vormittags denselben Versuch mit einer weniger kr\u00e4ftigen Pflanze: das Quecksilber war bis Abends um 4j. Zoll in die Glasr\u00f6hre hineingestiegen, doch Nachts war die Luft feucht und das Wasser stieg nicht nur nicht weiter in die R\u00f6hre hinein, sondern es entwickelte sich in dem oberen Ende der Glasr\u00f6hre eine Menge Luft, welche aus der Schnittfl\u00e4che des Stengels kam und dadurch das Wasser in der Glasr\u00f6hre zum Fallen brachte.\nEs scheint mir, dafs man diese \\ erschiedenheit in den Erscheinungen bei beiden Experimenten auf folgende Weise erkl\u00e4ren kann, ln dem ersteren Falle war die Vegetation sehr kr\u00e4ftig, demnach auch die Verdunstung so grofs, dafs dieselbe das Gewicht \u00fcberw\u00e4ltigte, womit die Wassers\u00e4ule in der, am abgeschnittenen Ende befestigten R\u00f6hre den Saft herabzog. Ist die Verdunstung aber nicht so stark, so kann das Gewicht der Wassers\u00e4ule, welche luftdicht an die Schnittfl\u00e4che des Astes befestigt war, die atmosph\u00e4rische Luft durch das Intercellular-System und durch die Spiralr\u00f6hren hindurchziehen. Diese Ansicht st\u00fctzt sich nicht nur auf Vermuthungen, sondern auf wirkliche Experimente. Ich nahm kr\u00e4ftig wachsende Pflanzen von Malva rosea, von Vicia Faba, Ligusticum Levisticum u. s. w., welche in der Mitte ihres Stengels eine luftf\u00fchrende H\u00f6hle zeigen, schnitt die Stengel dicht an der Wurzel ab und befestigte sie luftdicht vermittelst Caoutschuc oder Blase auf Glasr\u00f6hren, welche mit Wasser gef\u00fcllt und in Wasser abgesperrt waren. Unter solchen \\ orrichtungen wurden die Pflanzen der Wirkung eines hellen Sonnenscheins ausgesetzt und es zeigte sich sogleich eine sehr starke Gasentwickelung an der Schnittfl\u00e4che, welche sich in Form grofser Luftblasen haupts\u00e4chlich aus der Lufth\u00f6hle im Marke darstellte. Am Malvenstengel zeigte sich am 15. Juni um 9 Uhr Morgens, in Zeit von einer Stunde eine so schnelle Gasentwickelung, dafs eine Glasr\u00f6hre von 4ijr Linie Durchmesser, bis auf 8 Zoll mit Luft gef\u00fcllt wurde, wodurch die Pflanze abgehalten wurde, Wasser aufzusaugen","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nund daher auch sogleich welk wurde. Diese aufserordent-lieh schnelle Gatentwickelung brachte uns jedoch sehr bald zu der Yermuthung, dafs auch hier vielleicht ein rein physikalischer Prozefs herrsche und um uns davon zu \u00fcberzeugen, wurde das Experiment unter folgenden Vor-sichtsmafsregeln ausgef\u00fchrt. Es wurde ein Stengel einer Malven-Pflanze luftdicht auf die mit Wasser gef\u00fcllte R\u00f6hre c d aufgesetzt und die Glasr\u00f6hre alsdann in ein hohes Glas gestellt, worin der M asserstand mit dem in der Glasr\u00f6hre in gleichem Niveau befindlich war. Auf diese Weise war das Gewicht der Wassers\u00e4ule ad g\u00e4nzlich aufgehoben, und da sich nun durchaus gar keine Gasanh\u00e4ufung an dem Stengel-Ende a zeigte, so konnte angenommen werden, dafs dieselbe in dem fr\u00fcheren Falle ganz mechanisch erfolgt war, dafs n\u00e4mlich die Luft, in Folge der Schwere derYV assers\u00e4ule durch diePflanze hindurchgezogen war, wozu auch die offenenWege vorhanden sind, welche wir im ersten Theile bei der Betrachtung der Respirations-Werkzeuge kennen gelernt haben. Dieses Durchgehen der Luft durch einen solchen abgeschnittenen Ast, erfolgte auch in allen den anderen Versuchen, welche angestellt wurden, um zu sehen, mit welcher Kraft das Wasser in die Aeste hineinsteige; sobald n\u00e4mlich die Pflanzen welkten und die starke Verdunstung aufh\u00f6rte, zeigte sich sogleich, mehr oder weniger schnell, eine Gasansammlung an der Schnittfl\u00e4che des Astes, und das Wasser und das in die R\u00f6hre hineingestiegene Quecksilber sanken sogleich.\nIch stellte nun auch mehrere Versuche an um mit Bestimmtheit sagen zu k\u00f6nnen, dafs in der Verdunstung durch die Bl\u00e4tter die hebende Ursache zu finden sei, welche das dargebotene YV asser in den abgeschnittenen Ast hineinzieht. Es wurden recht kr\u00e4ftige Aestchen von der Rofskastanie mit 4 Bl\u00e4ttern nach der, schon vorher pag. 70 angegebenen Methode auf Glasr\u00f6hren luftdicht aufgesetzt und Letztere in Quecksilber abgesperrt. Auch hier sah man","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"73\nsehr deutlich, wie ein Aestchen mit 4 grofsen Bl\u00e4ttern die Quecksilbers\u00e4ule viel schneller und h\u00f6her hob, als dieses ein Aestchen mit zwei grofsen und zwei noch unentwickelten Bl\u00e4ttern that; oft wurde das Quecksilber in Zeit von einer Stunde um 4 bis 5 Zoll gehoben, was bei so kleinen Aestchen doch sehr bedeutend war, und wurden die Bl\u00e4tter alsdann abgeschnitten, so fiel das Quecksilber in der R\u00f6hre mehr oder weniger schnell und es trat Luft aus der Schnittfl\u00e4che des Astes hervor, bis dafs das Quecksilber zur R\u00f6hre ganz hinausgefallen war. Auch mit kr\u00e4ftigen Aesten der Linde und der Haselnufs habe ich diese Versuche wiederholt und eben dasselbe Resultat erhalten. In einem anderen Falle nahm ich einen kleinen Linden-Zweig, dessen Bl\u00e4tter ich auf beiden Seiten mit Oel bestrich um die Verdunstung aufzuheben; w\u00e4hrend dieser Arbeit, welche an 20 Minuten dauerte, stieg das Wasser um ein Weniges in den abgeschnittenen Ast, so dafs das Quecksilber etwa ^ Zoll hoch in die Glasr\u00f6hre hineintrat, dann aber stand Alles 4 \u2014 5 Stunden still und hierauf fiel pl\u00f6tzlich das Wasser in der Glasr\u00f6hre um mehrere Zoll und dieser Raum f\u00fcllte sich mit Luft, welche offenbar durch das Gewicht der Wasser- und Quecksilbers\u00e4ule durch die Pflanze hindurchgezogen wurde.\nStephan Haies machte auch die interessante Erfahrung, dafs abgeschnittene Aeste, welche auf R\u00f6hren gestellt sind, die Luft enthalten, diese ebenfalls einsaugen, und zwar kann man diese Einsaugung der Luft durch Absperrung in Wasser verfolgen. Auch der Verfasser dieser Arbeit hat mehrere dieser Versuche angestellt und kann die Erfahrung Haies hier wie in allen anderen F\u00e4llen nur best\u00e4tigen. Waren n\u00e4mlich die abgeschnittenen Aeste, welche zu diesen Versuchen benutzt wurden, recht kr\u00e4ftig und zeigten eine starke Verdunstung, so saugten sie mit dem abgeschnittenen Ende auch die ihnen dargebotene Luft ein, doch war diese Einsaugung nat\u00fcrlich ganz und gar eine rein physikalische Erscheinung, denn der Raum in dem Inneren des Astes, welcher durch die Verdunstung des","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\ndarin enthaltenen Saftes luftleer ward, mufste nat\u00fcrlich von der daneben liegenden Luft angef\u00fcllt werden, und zwar ebenfalls mit solcher Kraft, wie sie die Verdunstung hervorbringt.\nRufen wir uns alle die im Vorhergehenden beschriebenen Experimente nochmals in das Ged\u00e4chtnifs zur\u00fcck, so werden wir sehen, dafs alle die Erscheinungen, welche bei dem Einsaugen des Wassers, sowohl von der oberen Schnittfl\u00e4che der Aeste, wie von der unteren beobachtet wurden, ganz allein durch die Verdunstung der Bl\u00e4tter und \u00fcberhaupt der Oberfl\u00e4che der Pflanze erkl\u00e4rt werden. Die Verdunstung veranlafst, dafs der, durch dieselbe leer gewordene Raum, durch diejenige Fl\u00fcssigkeit ersetzt wird, welche demselben am n\u00e4chsten gelegen ist, mag es Wasser sein oder Luft; eine jede Fl\u00fcssigkeit steigt unter solchen Verh\u00e4ltnissen in die leer gewordenen R\u00e4ume der Pflanzen, und man wird sich nun eine vollkommen richtige Erkl\u00e4rung \u00fcber das Aufsteigen der gef\u00e4rbten S\u00e4fte in die H\u00f6hlen der metamor-phosirten Spiralr\u00f6hren geben k\u00f6nnen, selbst wenn dieselben gar nicht mehr zur Saftf\u00fchrung dienten, sondern mit Luft gef\u00fcllt waren. Der Schlufs aus jenem Aufsteigen des gef\u00e4rbten Saftes, dafs die Spiralr\u00f6hren Fl\u00fcssigkeiten und nicht Luft enthalten, war gewifs eben so unrichtig, als der, dafs die jungen Spiralr\u00f6hren Luft f\u00fchren, wenn man beobachtete, dafs in die abgeschnittenen Aeste unter Verh\u00e4ltnissen, wie wir sie aufgef\u00fchrt haben, auch Luft aufsteigen kann. Auch haben die angef\u00fchrten Versuche erwiesen, dafs sowohl der Saft, wie die Luft durch die Verdunstung von Unten nach Oben gezogen werden kann, als auch von Oben nach Unten. In der Natur kommt Letzteres im Allgemeinen nur selten vor, und ist auch hier f\u00fcr nichts Anderes, als eine physikalische Erscheinung zu halten. So ist es denn auch ganz leicht erkl\u00e4rlich, dafs man Sch\u00f6fslinge umgekehrt einsetzen kann und dafs dieselben ebenfalls die Nahrung, wenn auch mit dem entgegengesetzten Ende aufsaugen und ganz gut fortwachsen. Bei Anpflanzungen von Weiden-Str\u00e4uchern kann man dieses sehr oft beobachten und dann sieht man auch, dafs die Knospen,","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"75\nwelche unter diesen Verh\u00e4ltnissen ausbrechen, ihre nat\u00fcrliche Richtung beibehalten, sich aber sehr bald umdrehen und nach der entgegengesetzten Richtung auswachsen, ganz \u00e4hnlich wie es bei den Saamen zu beobachten ist, die man umgekehrt in die Erde steckt. Ja es ist bekannt, dafs man ganze B\u00e4ume umgekehrt gepflanzt hat, so dafs die Krone zur Wurzel und die Wurzel zur Krone wurde, indessen diese Versuche wollen nur selten gelingen; und man hat hier\u00fcber meistens sehr falsche Vorstellungen.\nBei einer sehr grofsen Menge von B\u00e4umen und Str\u00e4u-chern ist es bekannt, dafs die Wurzeln ausschlagen und wahre Aeste \u00fcber der Erde treiben, und bei einer noch gr\u00f6fseren Menge von Pflanzen sieht man, dafs der Stengel oder die Aeste des Stengels, wenn sie abgeschnitten und in Wasser oder in Erde gesetzt werden, oder auch, wenn sie im unverletzten Zustande mit Erde umgeben werden, Wurzeln treiben. Aus diesen Erscheinungen schlofs schon Sprengel *), dafs es keine einander ausschliefsenden Gegens\u00e4tze zwischen Stamm und Wurzel gebe. Die anatomische Untersuchung zeigt ebenfalls keine durchgreifenden Verschiedenheiten zwischen Stamm und Wurzel, und somit bleibt noch immer der Lehrsatz, dafs der Stamm nach Oben und die Wurzel nach Unten, d. h. gerade in entgegengesetzter Richtung w\u00e4chst, der einzig allgemein g\u00fcltige, um den Stamm von der Wurzel zu unterscheiden. Indessen wenn man das Vortreten von Aesten aus den Wurzeln und das der Wurzeln aus den Aesten beobachtet, so darf man noch nicht sagen, dafs sich die Wurzeln in Aeste und die Aeste in Wurzeln verwandelt haben, wie dieses gew\u00f6hnlich geschieht; die Untersuchung zeigt vielmehr, dafs die Aeste aus den Wurzeln, welche sp\u00e4ter \u00fcber die Erde hinaustreten, ganz auf dieselbe Weise hervorbrechen, wie die Wurzeln aus den Aesten; erst nach dem ersten Hervorbrechen bemerkt man, in Hinsicht der Dicke des Markes einigen Unterschied bei diesen, sp\u00e4ter so verschieden\n*) Von dem Bau der Gew\u00e4chse etc. pag. 367-","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nauftretenden Pflanzentheilen. Der gelehrte Sprengel *) wollte es erkl\u00e4ren, wefshalb man in den Wurzeln keine lockere Markh\u00f6hle finde, indem die Erde die Pfahlwurzel zusammen dr\u00fccken solle, was aber bei Wasserpflanzen nicht der Fall sein k\u00f6nne und daher die Wurzel der Cicuta virosa ein so lockeres, in F\u00e4cher getheiltes Mark besitze. Doch so leicht geht es nicht mit der Erkl\u00e4rung unerkl\u00e4rlicher Naturerscheinungen. Aus eben so unhaltbaren Gr\u00fcnden k\u00f6nnte man auch angeben, dafs die Cicuta defshalb den lockeren Boden im Wasser w\u00e4hle, damit sie ihre Pfahlwurzel mit Leichtigkeit ausdehnen k\u00f6nne. Indessen die Sache verh\u00e4lt sich auch ganz anders; ich habe schon im ersten Theile pag. 380 gezeigt, dafs man den Wurzeln viel zu allgemein das Mark abspreche, und in denjenigen Wurzeln, welche eine besondere Neigung zeigen, gegen die Oberfl\u00e4che des Bodens zu gehen und Aeste auszutreiben, findet man eine feine Markr\u00f6hre, welche bis zu den Wurzelspitzen hin verl\u00e4uft. An solchen Stellen, wo dergleichen Wurzeln ausschlagen, da bildet sich eine vollkommene Knospe, nur die Integumente derselben kommen nicht zur Ausbildung, und aus dieser Knospe entwickelt sich der Stengel oder Stamm, welcher der Richtung der Wurzel entgegengesetzt w\u00e4chst. Es darf eigentlich nicht mehr auf-fallen, dafs aus den Wurzel\u00e4sten Knospen und aus diesen \u00fcberirdische Stengel hervorgehen, denn wir sehen so h\u00e4ufig, dafs die Wurzeln am Stengel entstehen, ja wir k\u00f6nnen den Lauf der S\u00e4fte selbst in der Art reguliren, dafs sich Knollen, welche an den Wurzel\u00e4sten Vorkommen sollten, an den Aesten des Stengels oder am Stengel selbst bilden m\u00fcssen. Du Hamei erz\u00e4hlt einen interessanten Versuch an der Brombeere, deren Zweige, wenn sie auf der Erde kriechen, \u00f6fters an verschiedenen Stellen Wurzeln treiben: schneidet man einen solchen kriechenden und bewurzelten Zweig ab, so dafs auf beiden Seiten der ausgelaufenen\n1. c. pag. 38L\n\u00a5\u00a5) Natur-Geschichte der B\u00e4ume. 11. pag. 250","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"77\nWurzeln noch lange Zweige bleiben, und verpflanzt ihn in der Art, dafs die Enden der Zweige aus der Erde hervorragen, so beginnt der Zweig an beiden Enden zu treiben. In diesem Falle ist es also noch deutlicher zu sehen, dafs von einer Circulation des rohen Nahrungssaftes gar nicht die Rede sein kann; die Nahrungsfl\u00fcssigkeit wird vielmehr denjenigen Theilen der Pflanze zugef\u00fchrt, welche dieselbe bed\u00fcrfen. Hat man den Stengel umgekehrt, so wird der Saft auf das entgegengesetzte Ende desselben gef\u00fchrt, wenn daselbst Bl\u00e4tter oder Knospen vorhanden sind, durch deren Verdunstung die Fl\u00fcssigkeit in die H\u00f6he gehoben wird, wie es in dem angef\u00fchrten Experimente schon nachgewiesen wurde; und dafs dieser Vorgang bei umgekehrten Aesten etwas langsamer erfolgt, m\u00f6chte ebenfalls zu erkl\u00e4ren sein. Wenn man aber ganze B\u00e4ume und Str\u00e4ucher umkehrt, so dafs die Krone in die Erde kommt, und die Wurzel als Krone in der Luft steht, so wird man das Ausschlagen der Wurzeln wohl selten oder wahrscheinlich niemals beobachten, wenn man dieselbe nicht sehr feucht h\u00e4lt oder mit etwas Erde belegt, weil dieselben viel fr\u00fcher vertrockenen, als der Lauf des eingesaugten Wassers eine entgegengesetzte Richtung annimmt. Ich habe 10 kleine B\u00e4umchen von Linden, Ahorn, Rosen und der Rofskastanie selbst unter solchen g\u00fcnstigen Verh\u00e4ltnissen stehen lassen, habe aber niemals selbst gesehen, dafs sich auf diese Weise Aeste aus den Wurzeln hervorziehen lassen; doch geschieht es mit Leichtigkeit, wenn man die Aeste eines solchen B\u00e4umchens zuerst in die Erde biegt, aus denselben Wurzeln treiben l\u00e4fst und dann die alte Wurzel in die Luft bringt und die erste Zeit hindurch durch starkes Begiefsen feucht erh\u00e4lt.\nMan hat diese Versuche stets angef\u00fchrt, um damit gegen die Circulation des Nahrungssaftes zu zeugen, welche, besonders im Anf\u00e4nge der Pflanzen - Physiologie, von vielen Seiten her gelehrt wurde. Die Beweisf\u00fchrung, dafs eine solche regelm\u00e4fsige Circulation dieses Saftes, welche in Vergleich zu stellen w\u00e4re mit der Circulation des","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nBlutes in dein Thieren, gar nicht vorhanden ist, m\u00f6chte dadurch denn auch wohl vollkommen gelungen sein, \u00fcberhaupt war es wohl nur eine Folge der g\u00e4nzlichen Unkenntnifs der Verdauungs-Organe bei Pflanzen und Thieren, wenn man in der Bewegung des rohen Nahrungssaftes der Pflanzen eine Erscheinung nachweisen wollte, welche mit der Circulation des Blutes in den Thieren zu vergleichen w\u00e4re. Wir haben gleich im Anf\u00e4nge den Weg bezeichnet, welchen der aufgenommene rohe Saft bei der Fortbewegung durch den Stamm verfolgt; er steigt von Unten nach Oben und von Innen nach Aufsen, so wie von Aufsen nach Innen, um sich \u00fcberall ins Gleichgewicht zu setzen, wenn ich mich so ausdr\u00fccken darf. In den appendikul\u00e4ren Organen der Pflanze wird der gr\u00f6fste Theil dieses aufgenommenen Saftes verdunstet, und diese ganze Fortbewegung des rohen Nahrungssaftes geschieht nur in den Elementar-Organen des Holzk\u00f6rpers. Es ist mit Leichtigkeit zu erweisen, worauf wir auch schon pag. 47 aufmerksam gemacht haben, dafs in der Rinde weder ein Aufsteigen noch ein Zur\u00fccksteigen des rohen Nahrungssaftes stattfindet. Gew\u00f6hnlich \u00e4ufserte man die Ansicht, dafs der Saft im Holze aufsteige und in der Rinde zur\u00fccksteige, doch hiebei beging man den Fehler, zwei, in jeder Hinsicht verschiedenartige S\u00e4fte mit einander zusammen zu stellen, denn derjenige Saft, welcher sich durch die Rinde von Oben nach Unten zur\u00fcckzieht und den Stoff zur Bildung des neuen Holzringes hergiebt, ist nicht als eine Fortsetzung des auf-steigenden Stromes des rohen Nahrungssaftes anzusehen, sondern als ein neues Product, welches wir mit dem Namen des Bildungssaftes bezeichnen. In neuester Zeit hat man wiederum in Holzk\u00f6rpern selbst einen aufsteigenden und einen herabsteigenden Saft unterscheiden wollen, Letzterer solle concentrirter d. h. reicher an Schleim und Zucker sein. So hat Herr Biot *) einen Apparat angegeben, mit welchem er den aufsteigenden und den absteigenden\n*) L\u2019Iinstitut \u00fce 1834 pag. 66.","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"79\nSaft gesondert aufzufangen glaubt. Ich mills zuerst die Bemerkung hinzuf\u00fcgen, dafs nur von dem Ausfliefsen des Saftes w\u00e4hrend der Thr\u00e4nzeit die Rede sein kann, denn zu einer anderen Zeit kann man, an unseren B\u00e4umen, weder einen aufsteigenden noch einen angeblich herabsteigenden Saft des Holzk\u00f6rpers zum Ausfliefsen bringen. Mit dem herabsteigenden Safte, welchen H. Biot mit seinem Apparate aufgefangen hat, verh\u00e4lt es sich jedoch wohl ganz \u00e4hnlich, wie mit dem ausfliefsenden Nahrungssafte aus den durchschnittenen Wurzeln w\u00e4hrend der Thr\u00e4nzeit, wovon pag. 69 die Rede war. Auch ist es ganz erkl\u00e4rlich, wenn man den, angeblich zuriickfliefsenden Saft des Holzk\u00f6rpers concentrirter und zuckerreicher beobachtet, denn dieser Saft geht gr\u00f6fstentheils seitlich von Zelle zu Zelle, so wie durch die Markstrahlen, welche mehr oder weniger stark mit Amylum-K\u00f6rnern gef\u00fcllt sind, die sich w\u00e4hrend der Thr\u00e4nzeit der B\u00e4ume und sogar schon kurz vorher in Gummi und Zucker umwandeln.\nSo glaube ich den Gang bezeichnet zu haben, welchen die rohen Nahrungss\u00e4fte bei dem Durchg\u00e4nge durch die Pflanzen verfolgen, und man kann diese Erscheinung mit dem Durchg\u00e4nge der Nahrungsmittel und der Getr\u00e4nke durch die dazu bestimmten Organe in den Thieren vergleichen, denn das, von den Wurzeln eingenommene Wasser enth\u00e4lt den gr\u00f6fsten Theil der Nahrung f\u00fcr die Pflanzen im gel\u00f6sten Zustande, und diese Nahrung bleibt in der Pflanze zur\u00fcck, sobald das \u00fcberfl\u00fcssige Wasser durch die Transpiration wieder entfernt ist.\nlieber die Ursachen;, welche die Bewegung des rohen Nahrungssaftes in den Pflanzen\nveranlassen.\nDie Ursachen der Bewegung des Nahrungssaftes in den Pflanzen glauben wir, heutigen Tages etwas besser zu kennen, als es zu Haies Zeiten der Fall war, und","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nk\u00f6nnen wir auch diese Erscheinung ebenfalls noch nicht ganz vollst\u00e4ndig erkl\u00e4ren, so sind wir doch so weit gekommen, dafs uns der ganze Vorgang klar vor Augen steht, und vor Allem wissen wir jetzt, dafs die \u00e4lteren Erkl\u00e4rungen dieser Erscheinung unrichtig sind. Aus den vielen interessanten Versuchen, welche Stephan Haies angestellt, kam derselbe zu folgendem Schl\u00fcsse*): \u201eWir k\u00f6nnen keine andere Ursache der S\u00e4fte-Bewegung auffinden, als die starke Anziehung der saftf\u00fchrenden Haarr\u00f6hrchen, welche durch die lebhaften Undulationen und Vibrationen veranlafst, durch die Sonnen- W'\u00e4rme unterst\u00fctzt wird, wodurch der Saft zu den h\u00f6chsten Gipfeln der B\u00e4ume hinaufgef\u00fchrt und daselbst von den Bl\u00e4ttern transpirirt wird. W enn aber des Baumes Fl\u00e4che durch die verlorenen Bl\u00e4tter verkleinert ist, so mufs auch die Transpiration und die Bewegung des Saftes nach Proportion abnehmen, wie es durch die vorhergegangenen Experimente klar erwiesen ist. Daher wird die Schnelligkeit des aufsteigenden Saftes vorz\u00fcglich durch der Bl\u00e4tter starkes Transpiriren beschleunigt, zugleich Raummachend f\u00fcr die feinen Haar-Gef\u00e4fse, damit diese ihre grofse Attraction aus\u00fcben k\u00f6nnen u. s. w.\u201c Hiernach sieht also Haies die Transpiration und die Wirkung der Haar-R\u00f6hrchen, als die Ursache der Saftbewegung an, was aber schon durch mehrere, bei den von uns aufgef\u00fchrten Beobachtungen vorgekommene Erscheinungen**) als unrichtig erwiesen ist. In neuester Zeit hat sich ein anderer ber\u00fchmter Physiker, Herr Biot n\u00e4mlich, vielfach mit der Bewegung der rohen Nahrungss\u00e4fte in den Pflanzen besch\u00e4ftigt; als Ursache dieser Erscheinung nimmt auch er die hygroskopische Eigenschaft des Pflanzen-Gewebes an und sucht hiermit Alles zu erkl\u00e4ren. Indessen nach den vielen Beobachtungen, welche gegenw\u00e4rtig \u00fcber den fraglichen Gegenstand vorhanden sind, reicht weder die Wirkung der Haarr\u00f6hrchen, noch\n*) 1. c. pag. 136.\n\u00a5\u00a5) Man sehe pag. 65 n. 82.","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"81\ndie Transpiration, noch die Hygroscopicit\u00e4t des Pflanzen-Gewebes ans, um das Aufsteigen des rohen Nahrungssaftes zu erkl\u00e4ren, denn der Saft steigt zu gewissen Zeiten, wann weder die eine, noch die andere dieser Ursachen wirken k\u00f6nnen, auch k\u00f6nnen alle diese Kr\u00e4fte keineswegs die Fl\u00fcssigkeit \u00fcber die Oeffnungen der durchschnittenen Spiralgef\u00e4fse hinausheben, was wir doch an thr\u00e4nenden B\u00e4umen t\u00e4glich beobachten.\nEs ist auch hier keineswegs meine Absicht alle die Meinungen aufzuf\u00fchren, welche die Gelehrten aller Zeiten zur Erkl\u00e4rung des Saftsteigens in den Pflanzen angegeben haben, denn schon damit k\u00f6nnte man mehrere Bogen f\u00fcllen; ich f\u00fchre vielmehr nur diejenigen Erkl\u00e4rungen dieser Erscheinung auf, welche entweder von allgemein anerkannten Gelehrten aufgestellt sind, oder solche, welche die Frage mit mehr oder weniger grofser Wahrscheinlichkeit beantwortet haben, so dafs sie auch von anderen Gelehrten aufgenommen worden sind.\nDer ber\u00fchmte Davy war der Meinung, dafs die Wurzeln der Pflanzen durch die haarr\u00f6hrchenartige Anziehung die Feuchtigkeit aus dem Boden aufnehmen; doch er erkannte sehr wohl, dafs diese Erkl\u00e4rung nicht ausreiche, indem diese Kraft niemals die Fl\u00fcssigkeit in den R\u00f6hren \u00fcber die Gef\u00e4fse selbst erheben k\u00f6nne. Aber sehr wichtig erscheint eine Stelle in seinem ber\u00fchmten Werke *), worin es heifst: \u201eDie Versuche von Montgolfier haben gezeigt, dafs man das Wasser beinahe zu einer unbestimmten H\u00f6he durch eine geringe Kraft erheben k\u00f6nne, wofern man den Druck desselben, durch fortgesetzte Theilungen in der S\u00e4ule der Fl\u00fcssigkeit aufhebt. Es ist aller Grund vorhanden zu vermuthen, dafs dieses Princip beitragen m\u00fcsse, das Aufsteigen des Saftes in den Zellen und Gef\u00e4fsen der Pflanzen, welche keine geradlinigte Gemeinschaft haben, und die in jeder Stelle dem senkrechten Drucke des Saftes\n*) Elemente der Agrikultur-Chemie. A. d. Engl, \u00fcbers, von F. Wolff. Berlin 1814 p. 271.\nMe y en, Pfl. Physiol. II.\n6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nHindernisse entgegensetzen, zu bef\u00f6rdern.\u201c So anwendbar eine solche Erkl\u00e4rung auch scheinen mag, so pafst sie doch wohl nicht f\u00fcr den vorliegenden Fall, denn ein solcher Mechanismus, als dazu erforderlich ist, kommt in den Pflanzen gar nicht vor. Unter den Elementar-Organen des Holzes, worin der Saft aufsteigt, ist nicht nur eine vertikale, sondern auch eine horizontale Gemeinschaft u. s. w.\nVon verschiedenen Botanikern und anderen Gelehrten ist eine gewisse Contractilit\u00e4t der Gef\u00e4fse der Pflanzen angenommen, welche auf eine \u00e4hnliche Weise, wie die peristaltische Bewegung der Eingeweide die Bewegung des Nahrungssaftes veranlassen sollte ; doch diese Annahme streitet gegen alle Beobachtung, denn niemals ziehen sich jene R\u00f6hren zusammen und dehnen sich wieder aus, welche den Nahrungssaft weiter fortf\u00fchren, daher ist dieselbe auch ganz zu verwerfen. Herr De Candolle glaubt dagegen eine solche Contractilit\u00e4t vielleicht einzig und allein den Zellen beilegen zu m\u00fcssen; er giebt eine Menge von Beobachtungen an (welche aber zum Theil unrichtig sind, zum Theil eine andere Erkl\u00e4rung zulassen), auf welche er seine Ansicht st\u00fctzt. Nach dieser Ansicht bes\u00e4fsen die Zellen eine Lebens-Contractilit\u00e4t, die den systolischen und diastolischen Bewegungen analog w\u00e4re, welche man sowohl am Herzen der Wirbelthiere, als an den Hydatiden und anderen \u00e4hnlichen Thieren wahrnehme, und diese zusammenziehende Bewegung, welche die Zellen und Intercellularg\u00e4nge abwechselnd erweitern und verengern, dienten ebenfalls dazu die Bewegung des rohen Nahrungssaftes zu veranlassen. Bei dieser Ansicht, heifst es, begreift man (!), wie das Licht und die W\u00e4rme, welche Reizmittel f\u00fcr alle lebenden K\u00f6rper sind, auch die Lebensth\u00e4tigkeit der Pflanzen-Zellen anreizen u. s. w.\nAuch diese, sehr sinnreiche Erkl\u00e4rung theilt das Schicksal der \u00fcbrigen; sie mufs verworfen werden, denn\n\u00a5) Phys, v\u00e9g\u00e9t. pag. 103","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"83\nsie beruht nicht nur auf keinen wirklichen Beobachtungen, sondern die Beobachtungen sind sogar gegen dieselbe, denn noch Niemand hat etwas von jener vitalen Contrac-tilit\u00e4t der Zellen beobachtet, obgleich unsere Instrumente hierzu sicherlich stark genug sind.\nWir haben allerdings kennen gelernt, dafs eine grofse Menge von Erscheinungen bei der Bewegung des rohen Nahrungssaftes zu der Zeit, wenn die Bl\u00e4tter der Pflanze entwickelt sind, sich ganz allein durch die Verdunstung vermittelst der Bl\u00e4tter und der Oberfl\u00e4che der Stengel hinreichend erkl\u00e4ren lassen, aber es war auch wiederum leicht einzusehen, dafs das kr\u00e4ftige Aufsteigen des Saftes, welches zur Thr\u00e4nzeit stattfindet, nicht auf eben dieselbe Weise erkl\u00e4rt werden konnte, indem die Pflanzen um diese Zeit noch keine entwickelten Bl\u00e4tter besitzen. Allerdings saugen auch um diese Zeit die Knospen und wirken gleichsam, als Pumpwerke, doch einmal k\u00f6nnte diese Ursache nach physikalischen Gesetzen den Saft nicht zum Ausstr\u00f6men \u00fcber die Oeffnungen der Schnittfl\u00e4che bringen, und zweitens str\u00f6mt der Saft auch aus, selbst wenn an dem, zum Versuche benutzten Weinstocke auch keine Knospen mehr befindlich sind; ja man kann den Stengel der Rebe immer tiefer und tiefer abschneiden, selbst bis zur Wurzel, und dennoch steigt der rohe Saft aus der Schnittfl\u00e4che mit grofser Schnelligkeit und Kraft empor, er kann also hier auf keine Weise durch Verdunstung der Bl\u00e4tter u. s. w. gehoben werden. Diese h\u00f6chst bemerkenswerthe Erscheinung ist zuerst durch Herrn Dutrochet *) beobachtet, und ich habe dieselbe vollkommen best\u00e4tigt gefunden. Man kann die Wurzeln des thr\u00e4nenden Weinstockes bis in die N\u00e4he der Wurzelspitzen abschneiden, und immer wird man auf der Schnittfl\u00e4che das Emporsteigen des durch die Wurzelspitzen und durch die Wurzelhaare der Oberfl\u00e4che der Wurzel aufgenommenen Wassers beobachten, ebenso wie das Auslaufen dieser Fl\u00fcssigkeit aus der Schnittfl\u00e4che\n) L\u2019Agent imm\u00e9diat du Mouvement vital etc. Paris 1826 pag.9L\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\ndes oberen Endes. Aber machen wir diese Versuche zu einer sp\u00e4teren Zeit, wenn die Verdunstung durch die ungeheure Menge von Bl\u00e4ttern in voller Th\u00e4tigkeit ist, so werden wir in dem durchschnittenen Weinstocke keinen ausstr\u00f6menden Nahrungssaft vorfinden, was doch wohl der Fall sein miifste, wenn die Verdunstung die Ursache des Saftsteigens w\u00e4re.\nDie Verdunstung des Wassers, welche das Aufsteigen desselben in den Pflanzen stets begleitet, und meistens auch in einem entsprechenden Grade, ist es eben gewesen, welche die Physiker bisher verleitet hat, diese letztere Erscheinung von ersterer abzuleiten, aber wir wissen aus wirklichen Beobachtungen, dafs die Pflanze rohen Nahrungssaft mit den Wurzeln aufnehmen kann, selbst zu einer Zeit, in welcher gar keine Verdunstung stattfindet, und mit den Wasserpflanzen, welche n\u00e4mlich ganz unterWasser wachsen, mufs es sich doch best\u00e4ndig auf diese Weise verhalten. Aber wir besitzen auch Beobachtungen, welche darthun, dafs die Aufnahme und die Fortbewegung des Nahrungssaftes zu gewissen Zeiten so ungeheuer grofs sein kann, dafs sie zur Verdunstung ebenderselben Pflanze in gar keinem Verh\u00e4ltnisse steht, und aus solchen Erscheinungen sehen wir denn wohl ganz deutlich, dafs die Aufnahme und Fortbewegung des Saftes durch die Pflanze ganz und gar unabh\u00e4ngig von der Verdunstung erfolgen kann, und dafs die Letztere nur die Erstere begleitet, ganz ebenso, wie es sich in dieser Hinsicht auch bei den Thie-ren verh\u00e4lt, und wohl mit allem Rechte k\u00f6nnen wir diese Erscheinungen bei Thieren und Pflanzen mit einander vergleichen.\nEs ist durch Herrn Alexander von Humboldt\u2019s Reisen bekannt geworden, dafs verschiedene Arten der Gattung Agave und vorz\u00fcglich verschiedene Variet\u00e4ten der Agave americana den Weinstock der Mexicaner bilden, indem dieselben n\u00e4mlich einen zuckerreichen Saft liefern, der durch G\u00e4hrung das berauschende Getr\u00e4nk darbietet, welches unter dem Namen Pulque bekannt ist. Zur Gewinnung","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"85\njenes Saftes schneidet man der Pflanze um die Zeit, wenn sie ihren Bl\u00fcthenschaft entwickeln will, den B\u00fcschel mit Central-Bl\u00e4ttern aus, welchen man das Herz der Pflanze zu nennen pflegt. Die Wunde erweitert man ein wenig und sch\u00f6pft dann aus derselben, den sich darin allm\u00e4lich ansammelnden Saft. Nach Herrn Alexander vonHumboldfs*) Mittheilungen giebt eine Agave-Pflanze gew\u00f6hnlich 200 Cubik-Zoll dieses Saftes in Zeit von 24 Stunden, und von dieser Masse erh\u00e4lt man -f bei Tage und \u2022\u00a7 bei Nacht. Von diesen -\u00a7\u25a0 der Saftmasse, welche bei Tage gewonnen werden, erh\u00e4lt man \u2022\u00a7\u2022 bis Mittag und J- bis Sonnen-Unter-gang, und demnach ist der gr\u00f6fste Zustrom des Saftes gerade von Mittag bis Sonnen-Untergang; aber in dieser Zeit, besonders in den ersteren Stunden, herrscht auch der h\u00f6chste t\u00e4gliche W\u00e4rmegrad. Eine sehr kr\u00e4ftige Agave-Pflanze giebt sogar 375 Cubik-Zoll Saft, und dieses dauert 4 bis 5 Monate ununterbrochen fort, so dafs eine solche Pflanze im Ganzen schon 45\u201450000 Cubik-Zoll Saft gegeben hat. Diese aufserordentliche Menge von Saft steht bei der Agave-Pflanze wohl in keinem Verh\u00e4ltnisse zu der Transpiration, denn einmal werden wir kennen lernen, dafs die Transpiration von dergleichen Saft-Pflanzen au-fserordentlich gering ist, und dann ist wohl zu merken, dafs gerade das Herz, oder die jungen Bl\u00e4tter der Pflanze ausgeschnitten wurden, welchen der sp\u00e4ter ausfliefsende Saft eigentlich bestimmt war; daher der starke Zufiufs dieses Saftes in einer anderen Ursache gesucht werden mufs, und diese Ursache hat ihren Sitz in den Wurzelspitzen, [welche das Verm\u00f6gen haben den Nahrungssaft, ganz nach dem Bedarfe der Pflanze einzusaugen. Ganz ebenso verh\u00e4lt es sich bei dem Abzapfen des Saftes der Palmen, aus welchen durch G\u00e4hrung der Palmwein bereitet wird. Wir sehen also hier ganz entschieden eine periodische Erscheinung, welche wir nur von dem Leben der Pflanze ableiten, aber durchaus nicht weiter erkl\u00e4ren k\u00f6n-\n*) Neu- Mexico etc. Buch IV. Cap. IX.","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nnen. Die Agave-Pflanze giebt um diese Zeit eine so au\u00dferordentlich grofse Menge Saft, weil sie im Begriff stand ihren Bl\u00fcthenschaft zu entwickeln, welcher, mit seinen -Tausenden von Bliithen ausgestattet, auch eine so reiche Nahrungsquelle bedurfte, wie die Wurzelspitzen aufnehmen. Zog der junge Bl\u00fcthenschaft die grofse Masse des Nahrungssaftes ein, so h\u00e4tte der Zustrom mit dem Abschneiden des Herzens aufh\u00f6ren m\u00fcssen, was aber nicht geschieht, also \"* sehen wir, dafs das Erscheinen des jungenBl\u00fcthenschaftes und die st\u00e4rkere Aufnahme des Nahrungssaftes durch die Murzein, von einander ganz unabh\u00e4ngige, aber gleichzeitige periodische Aeufserungen des Lebens der Pflanze sind. Wir sehen also hieraus, dafs die Pflanzen wie die Thiere, die Aufnahme ihrer Nahrung ganz nach ihrem Bedarf einrichten, und dafs man daher diese Erscheinung von keinem \u00e4ufseren Verh\u00e4ltnisse unmittelbar ableiten darf. Wir haben l zwar gesehen, dafs die W\u00e4rme und das Licht, so wie die Transpiration der Bl\u00e4tter einen m\u00e4chtigen Einflufs auf das Steigen des Saftes \u00fcberhaupt und auch w\u00e4hrend der Thr\u00e4n-zeit aus\u00fcben, wenn die Pflanzen wegen grofsen Bedarfs bedeutend mehr Nahrungssaft aufgenommen haben; indessen die W\u00e4rme und das Licht k\u00f6nnen nicht die Grundursachen des Saftsteigens sein, denn zur Herbstzeit, wenn die Bl\u00e4tter schon abgelebt haben, zeigt sich nicht selten ] eine eben so hohe, und oft noch weit h\u00f6here Temperatur der Luft, und das Steigen des Saftes findet dennoch nicht statt. Offenbar wirkte W\u00e4rme und Licht nur als Reizmittel auf das Leben der Pflanze, so wie auch Thiere \u00e4 durch niedere Grade von W\u00e4rme zum Erstarren und durch h\u00f6her zu schnelleren Lebens\u00e4ufserungen gebracht werden k\u00f6nnen. Ohne W\u00e4rme ist kein Leben, weder bei Thieren, noch bei Pflanzen, und bei beiden regen wir k\u00fcnstlich durch W\u00e4rme, ganz nach unserem Belieben, die neue Periode des Lebens an, so wie durch K\u00e4lte, ebenfalls ganz nach unserem Belieben, der Ablauf der Lebenserscheinungen in anderen F\u00e4llen retardirt werden kann.\nBisher haben wir, bei der Untersuchung der Bewegung","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"87\ndes rohen Nahrungssaftes, den Uebergang desselben von Zelle zu Zelle noch nicht in n\u00e4here Betrachtung gezogen, aber wir haben kennen gelernt, dafs die rohe Nahrungs-Fl\u00fcssigkeit durch die gr\u00f6fseren R\u00f6hren und langen Zellen, welche im Holzk\u00f6rper der Pflanzen enthalten sind, mit gr\u00f6fserer oder geringerer Schnelligkeit durch die Pflanzen hindurchgef\u00fchrt wird. Von hier aus verbreitet sich diese Fl\u00fcssigkeit auch seitw\u00e4rts, wenngleich nicht mehr in jenem rohen Zustande, in welchem dieselbe durch die Wurzeln aufgenommen wurde. So dringt nun der Nahrungssaft aus den gr\u00f6fseren Beh\u00e4ltern des Holzk\u00f6rpers in die kleineren, und so gelangt er, von Zelle zu Zelle durchgehend, selbst bis zum Rindenk\u00f6rper, welcher seinen Nahrungssaft, nicht wie das Holz unmittelbar aus dem Boden zieht, sondern vom Holzk\u00f6rper erh\u00e4lt, wozu besonders die vorhandenen Markstrahlen beh\u00fclflich sind. Wir haben die Beweise f\u00fcr die seitliche Durchdringung des Nahrungssaftes von Zelle zu Zelle schon pag. 51 kennen gelernt, und es bleibt uns hier nur noch die Untersuchung der Ursachen dieser Erscheinung \u00fcbrig, welche aber mit den Ursachen des allgemeinen Aufsteigens der Nahrungsfl\u00fcssigkeiten in innigstem Zusammenh\u00e4nge zu stehen scheinen.\nGrofses Aufsehen hat vor einigen Jahren eine Theorie des Herrn Dutrochet*) in der gelehrten Welt veranlafst, welche noch die einzige ist, die, auf wirkliche Thatsachen begr\u00fcndet, ein begreifliches Bild von dem Durchg\u00e4nge der S\u00e4fte durch die Zellenmembranen giebt, wenn wir auch der Erkl\u00e4rung jener Thatsachen, wie sie Herr Dutrochet gegeben, heutigen Tages nicht mehr beistimmen k\u00f6nnen, wor\u00fcber sp\u00e4ter ausf\u00fchrlich die Rede sein wird.\nJedermann weils, sagt Herr Dutrochet **), dafs eine Pflanze, welche man abgeschnitten hat und mit ihrem un-\n*) L\u2019Agent imm\u00e9diat du Mouvement vital d\u00e9voil\u00e9 dans sa nature et dans son mode d\u2019action, chez les v\u00e9g\u00e9taux et chez les animaux. A Paris 1826. 8vo.\n**) 1 c. pag. 73.","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nteren Ende in Wasser steckt, in sehr kurzer Zeit eine solche Menge von Fl\u00fcssigkeit einsaugt, dafs sie wieder ganz strotzend wird. Vielfache Versuche mit Pfl\u00e4nzchen von Mercurialis annua zeigten, dafs man eine solche Pflanze bis zu einem gewissen Grade austrockenen k\u00f6nne, und dafs sie sich alsdann dennoch, sobald sie mit der Wurzel in Wasser gesteckt wird, wieder erhole, wenn die Austrocke-nung nicht zu stark war. Aus diesem letzteren Umstande schlofs Herr Dutrochet, dafs die Ursache, welche in diesen F\u00e4llen die Aufnahme des Wassers bedinge, eine vitale sei, und nicht etwa der reinen Capillarit\u00e4t oder der Hygros-kopicit\u00e4t des Gewebes zugeschrieben werden k\u00f6nne. Nach vielen verschiedenen Versuchen kam Herr Dutrochet zu der Ansicht, dafs die Ursache jener Erscheinung in Folgendem begr\u00fcndet sei.\nDie organischen H\u00e4ute, sowohl die thierischen, als die vegetabilischen, haben die merkw\u00fcrdige Eigenschaft, dafs sie eine d\u00fcnne Fl\u00fcssigkeit einsaugen und in den von ihnen eingeschlossenen Raum f\u00fchren, wenn ihre entgegengesetzte Fl\u00e4che mit einer consistenteren Fl\u00fcssigkeit in Ber\u00fchrung steht; z. B.: Wenn man ein Ende eines frischen Darmes mit Milch f\u00fcllt, denselben fest verschliefst und in reines Wasser legt, so zieht der Darm von dem Wasser so viel ein, dafs er \u00fcberm\u00e4fsig anschwillt und dafs die Milch hin-austritt, wenn man am obersten Ende des Darmes eine kleine Oeffnung l\u00e4fst. Ganz eben dasselbe findet statt, wenn man vegetabilische H\u00e4ute zu diesem Versuche in Anwendung setzt, als z. B. die H\u00fclsen-Haut der Colutea arborescens, welche zwar keine einfache Membran ist, aber doch nur aus wenigen \u00fcber einander liegenden Zellenschichten besteht. F\u00fcllt man die H\u00fclse jener Pflanze mit Milch oder einer anderen Fl\u00fcssigkeit, welche consistenter als das umgebende Wasser ist, so findet auch hier dieselbe Erscheinung statt; die Fl\u00fcssigkeit in der Blase vermehrt sich und steigt zuletzt hinaus. Hierauf beruht auch jener Versuch, welchen ich gleich im Anf\u00e4nge dieses Buches pag. 27 mittheilte., um \u00fcber die Aufnahme der Nahrungs-","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"89\nFl\u00fcssigkeiten durch die Wurzeln eine erkl\u00e4rliche Vorstellung zu geben.\nHerr Dutrochet nannte den Vorgang, wodurch ein Organ von der umgebenden Fl\u00fcssigkeit so viel einsaugt, dafs es davon turgirt, die Endosmose *) und den entgegengesetzten Vorgang, durch welchen die Fl\u00fcssigkeit, die in einem Organe enthalten ist, hinaustritt, die Exosmose**), Benennungen, welche soviel als: Hineintreibung und Austreibung bedeuten, n\u00e4mlich von cogfiiog in der Zusammensetzung mit l'v\u00f6ov und s\u00a3 gebildet sind. Wenngleich die Erscheinungen, worauf diese Ansichten des Herrn Dutrochet begr\u00fcndet sind, auch nicht mehr ganz neu waren, und wenn wir auch gegenw\u00e4rtig wissen, dafs Endosmose und Exosmose fast immer zu gleicher Zeit stattfindet, dafs also eine und dieselbe Fl\u00fcssigkeit, welche gegen eine andere die Endosmose erregt, dafs diese von der letzteren wieder zur Exosmose getrieben wird, ja wenn wir gegenw\u00e4rtig auch wissen, dafs \u00e4hnliche Erscheinungen, wie es Herr Dutrochet***) selbst beobachtet hat, auch zwischen anorganischen Stoffen und dem Wasser Vorkommen, so ist es doch sehr w\u00fcnschenswert, dafs jene Benennungen zur leichteren Verst\u00e4ndigung beibehalten werden.\nHerr Dutrochet f) suchte die Analogie zwischen den Erscheinungen seiner Beobachtungen und denen des ber\u00fchmten Experiments von Porret j-f) zu erweisen, welches schon seit langer Zeit in der Physiologie der Thiere gelehrt wurde. Porret\u2019s Experiment wird in folgender Weise ausgef\u00fchrt: Nimmt man eine beliebige Glasr\u00f6hre, deren eines Ende mit einem Korke verschlossen ist und f\u00fcllt die R\u00f6hre gr\u00f6fstentheils mit Wasser, verschliefst alsdann das andere Ende mit Blase und steckt dasselbe in eine andere Glasr\u00f6hre, deren Ende ebenfalls mit einem Korke ver-\n*) 1. c. pag. 115.\n**) 1. c. pag. 126.\n**\u00a5) Le Temps de 27 Jul. 1831. f) 1. c. pag. 133.\nTT*) Ann. de Physique et de Chimie. Tom. IX. pag. 137=","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nschlossen und nur mit wenigem Wasser gef\u00fcllt ist, so hat man in den beiden, neben einander stehenden R\u00f6hren zwei durch die Blase getrennte Wassermengen, die nicht im gleichen Niveau stehen. L\u00e4fst man nun vermittelst der Dr\u00e4the, welche durch die Korke hindurchgef\u00fchrt werden, auf jene Wassermassen einen electrischen Strom einwirken und zwar so, dafs der positive Pol in die gr\u00f6fsere Wassermasse, der negative dagegen in die geringe hineingeleitet wird, so bemerkt man, dafs das Wasser aus dem Beh\u00e4lter vom positiven Pole durch die Blase hindurch in den Beh\u00e4lter zum negativen Pole eindringt, so dafs die Wassernuisse in letzterem endlich h\u00f6her zu stehen kommt, als in dem ersteren. Da bei diesem Versuche offenbar die Electricit\u00e4t, als die Ursache der Erscheinung anzusehen war, so erkl\u00e4rte Herr Dutrochet seine interessanten Entdeckungen durch die n\u00e4mliche Grundkraft, nannte dieselbe aber Intra-Capillar-Electricit\u00e4t, nachdem auch verschiedene franz\u00f6sische Gelehrte, als August de la Rive*) und Poisson **) sehr interessante Arbeiten \u00fcber diesen Gegenstand, besonders von physikalischer Seite publicirt hatten.\nIndem ich nochmals auf die verschiedenen Versuche \u00fcber die Einsaugung der Wurzeln der Pflanzen, welche im ersten Capitel pag. 27 etc. angef\u00fchrt wurden, aufmerksam mache, glaube ich, dafs sich alle die Erscheinungen, welche die Endosmose und die Exosmose darbieten, ganz einfach durch die gegenseitige Anziehung der einzelnen Theile der gel\u00f6sten K\u00f6rper erkl\u00e4ren lassen ***), und dafs eben dieselbe Ursache, welche der Endosmose und der Exosmose zum Grunde liegt, unter dem regelnden Einfl\u00fcsse des Lebens der Pflanze die Aufnahme und die Fortbewegung des Nahrungssaftes von Zelle zu Zelle bewirkt.\nDurch die Beobachtungen der Herren Fischer und\n*) Ann. de Chimie et de Physique de 1826 pag. 190.\n\u00a5\u00a5) Aun. de Chimie et de Physique de 1827. Tom. XXXV. pag. 98.\n***) S. Mitscherl ich\u2019s Lehrbuch der Chemie. 1 Zweite Auflage pag. 373-76.","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"91\nMagnus *) ist es schon sehr bestimmt nachgewiesen, dais bei der Endosmose auch stets eine Exosmose vor sich geht, dafs also die Substanz, welche sich im gel\u00f6sten Zustande im Inneren der Blase befindet, Wasser einzieht und auch wieder zum Wasser hinaustritt. Will man diese Erscheinung durch die Capillarit\u00e4t der Blase oder des por\u00f6sen K\u00f6rpers erkl\u00e4ren, durch welchen die Fl\u00fcssigkeiten durchdringen, so w\u00e4re nicht wohl einzusehen, wefshalb die Endosmose um so st\u00e4rker ist, je dichter die eine der Fl\u00fcssigkeiten ist. Die Theorie von der Endosmose und der Exosmose kann die Bewegung des Nahrungssaftes mit den darin gel\u00f6sten Stoffen nicht allein erkl\u00e4ren, denn die periodischen Erscheinungen, welche hiebei zu beobachten sind, k\u00f6nnen nur dem geheimnifsvollen Wirken des Lebens der Pflanze zugeschrieben werden.\nHerr Dutrochet wandte jene Lehre von der Endosmose und Exosmose auch zur Erkl\u00e4rung der aufseror-dentlichen Erscheinungen an, welche der aufsteigende rohe Nahrungssaft unter gewissen Verh\u00e4ltnissen darbietet, die wir am thr\u00e4nenden Weinstocke ausf\u00fchrlich kennen gelernt haben, und ich bin gegenw\u00e4rtig ebenfalls der Ansicht, dafs man dieses mit allem Rechte thun k\u00f6nne, ja ich glaube, dafs es m\u00f6glich sein wird diese Ansicht k\u00fcnftig durch Experimente zu erweisen. Wir haben es kennen gelernt, dafs das Ueberfliefsen des steigenden rohen Saftes aus den durchschnittenen Gef\u00e4fsen des Stengels durch keine der fr\u00fcheren Hypothesen zu erkl\u00e4ren war; wir haben aber gesehen, dafs bei dem, auf pag. 27 mitgetheilten Experimente das Zuckerwasser in der Glasr\u00f6hre bis auf 1 Zoll H\u00f6he \u00fcber das Niveau des umgebenden Wassers gehoben wurde, und denken wir dabei an die Wirkung der Endosmose auf die zarten Zellen der Wurzelspitzen und an die Hundert Tausende und Millionen der zarten Wurzel-H\u00e4rchen, welche die ausgebreiteten Wurzeln eines Weinstockes bedecken, so m\u00f6chte es mehr, als wahrscheinlich sein, dafs\nG S. Annalen der Physik. Jahrgang 1827 pag. 160 u. s. w.","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\ndie Fl\u00fcssigkeit, welche in den R\u00f6hren des Stammes geho-ben wird, durch die Endosmose aller Zellen und Haare der ganzen Wurzelfl\u00e4che mit Gewalt emporgehoben wird. Um dieser Ansicht mehr Werth, als einer blofsen Hypothese zu geben, w\u00fcrde es interessant sein, wenn man einen Versuch mit einer Glasr\u00f6hre anstellte, deren Ende in eine grofse Anzahl von feinen Aesten ausgezogen, oder mit dergleichen in offener Verbindung gesetzt w\u00fcrde; man miifste dann die Oeffnung eines jeden dieser Aeste mit organischen Membranen bedecken und dann den Versuch wie gew\u00f6hnlich anstellen, wobei es sich zeigen w\u00fcrde, mit welcher Schnelligkeit und mit welcher Kraft die consis-tentere Fl\u00fcssigkeit in der einfachen Glasr\u00f6hre emporsteigen w\u00fcrde.\nDieser Versuch m\u00f6chte nicht mehr anzustellen n\u00f6thig sein, denn die neuesten Untersuchungen, welche Herr Dutrocliet *) so eben \u00fcber die Erscheinungen der Endosmose bekannt gemacht hat, sind von so auffallenden Resultaten begleitet, dafs man kaum noch zweifeln darf, dafs die Kraft, mit welcher der rohe Nahrungssaft in den Pflanzen emporgehoben wird, als eine Wirkung der Endosmose anzusehen ist. Durch eine sehr grofse Reihe von Versuchen hat Herr Dutrocliet die Schnelligkeit zu bestimmen gesucht, in welcher die Endosmose bei verschiedenen Graden der Dichtigkeit der inneren Fl\u00fcssigkeit vor sich geht, und er gelangte zu dem bestimmten Resultate, dafs die Schnelligkeit der Endosmose, erzeugt durch die verschiedenen Grade der Dichtigkeit einer und derselben Fl\u00fcssigkeit, im Verh\u00e4ltnisse steht zu dem Uebermaafs der Dichtigkeit der inneren Fl\u00fcssigkeit zu derjenigen des Wassers, welches die \u00e4ufsere Fl\u00fcssigkeit bildet. Unter Schnelligkeit (vitesse) der Endosmose versteht Herr Du-trochet die Quantit\u00e4t der Fl\u00fcssigkeit, welche sich in einer gegebenen Zeit in der R\u00f6hre eines sogenannten Endosmo-\n*) De l\u2019endosmose. V. M\u00e9m. pour servir a l\u2019histoire anatomi* que et physiologique des v\u00e9g\u00e9taux et des animaux. Parisl837. I. pag, 1","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"93\nmeter erhebt, und diese Quantit\u00e4t ist um so gr\u00f6fser, je dichter die Fl\u00fcssigkeit im Endosmometer ist.\nDurch eine andere Reihe von Versuchen bestimmte Herr Dutrochet die Kraft, mit welcher die Endosmose bei verschiedenen gel\u00f6sten Stoffen und bei verschiedenen Graden ihrer L\u00f6sung vor sich geht, die Versuche wurden auf \u00e4hnliche Weise angestellt, wie jene, durch welche Stephan Haies die Kraft bestimmte, mit welcher der rohe Nahrungssaft in dem Weinstocke emporgezogen wird, und diese Versuche f\u00fchrten zu den wichtigsten Resultaten. In dem \u00e4ufseren Schenkel einer doppeltgebogenen Glasr\u00f6hre, nach Art der auf pag. 60 abgebildeten, wurde Quecksilber ein-gegossen, welches durch die in den kleinen Schenkel hin-einsteigende Fl\u00fcssigkeit emporgehoben wurde und auf diese Weise die Kraft angab, mit welcher die Endosmose erfolgte. Herr Dutrochet fertigte unter Anderen drei L\u00f6sungen von Zucker in Wasser, deren Dichtigkeit sich wie die Zahlen 1,035, 1,070, 1,140 verhielt; also verhielten sich dieselben in Hinsicht des Ueberschusses ihrer Dichtigkeit zu derjenigen des Wassers wie 1, 2, 4. Die erstere jener Zuckerl\u00f6sungen wurde in das Mefsinstrument gebracht und die Endosmose derselben hob die Quecksilbers\u00e4ule in 28 Stunden auf 10 Zoll 7 Linien H\u00f6he. Die zweite Zuckerl\u00f6sung hob dies Quecksilber in 36 Stunden auf 22 Zoll und 10 Linien, und die dritte L\u00f6sung innerhalb 2 Tagen auf 45 Zoll und 9 Linien, worauf die L\u00f6sung eine specifische Schwere von 1,110 zeigte, welche einer L\u00f6sung von 1 Theil Zucker und 3 Theilen Wasser entspricht, w\u00e4hrend von den Versuchen 1 Theil Zucker auf 2 Theile Wasser in der L\u00f6sung enthalten waren. Hieraus m\u00f6chte schon hervorgehen, dafs die Verschiedenheit in der Schnelligkeit der Endosmose und in der Kraft derselben aus ganz gleichen Ursachen abzuleiten ist, eine Thatsache, welche sich auch bei dem Steigen des rohen Nahrungssaftes in den Pflanzen nachweisen l\u00e4fst.\nSo gelang es auch Herrn Dutrochet verschiedene Stoffe in Hinsicht der St\u00e4rke ihrer Endosmose, d. h. in","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"Hinsicht der Kraft, welche dieselben dabei zeigen, nach einer gewissen Reihenfolge auff\u00fchren zu k\u00f6nnen. Von allen l\u00f6slichen organischen Substanzen fand Herr Dutrochet das Eiweifs als diejenige, welche die st\u00e4rkste Endosmose zeigt, w\u00e4hrend die Gelatine nur wenige Kraft bei der Endosmose entwickelt. Von den vegetabilischen Substanzen steht der Zucker obenan, und Gummi steht weit nach. Wenn die Kraft der Endosmose, welche diese genannten Stoffe entwickeln, durch Zahlen bezeichnet wird, so verhalten sich dieselben wie folgt: Eiweifs = 12, Zucker = 11, Gummi = 5,17 und Gelatine = 3.\nDie Resultate dieser Beobachtungen geh\u00f6ren offenbar zu den gl\u00e4nzendsten Entdeckungen, welche in der Physiologie der neuesten Zeit gemacht sind, durch dieselben sind wir im Stande, sowohl die Aufnahme, als die weitere Fortf\u00fchrung des rohen Nahrungssaftes in den Pflanzen so weit zu erkl\u00e4ren, dafs der Gegenstand ganz begreiflich erscheint, ja vielleicht lassen sich, selbst die periodischen Erscheinungen, hiebei durch die verschiedene Dichtigkeit des Zellensaftes erkl\u00e4ren.\nDrittes Capitcl. Ausbauchung des \u00fcberfl\u00fcssigen Wassers.\nDie Masse des Wassers, welche die Pflanzen, vermittelst der Wurzeln aus dem Boden aufnehmen, ist aufserordent-lich grofs, um dieselbe zu bestimmen, sind eine grofse Reihe von Versuchen angestellt, unter welchen sich die \u00e4lteren von Stephan Haies *) durch so aufserordentliche Genauigkeit und Umsicht auszeichnen, dafs sie wenig zu w\u00fcnschen \u00fcbrig lassen. Selbst die Schl\u00fcsse, welche Stephan Haies aus seinen Versuchen zog, sind, bis auf wenige\nVegetable Standes etc.","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"95\nPunkte, noch heutigen Tages g\u00fcltig, und wo dieses nicht der Fall ist, da war der damalige Zustand der Meteorologie daran Schuld. Obgleich ich die Hales\u2019schen Versuche s\u00e4mmtlich nachgemacht und auch vielfache Modificationeii bei denselben angebracht habe, so werde ich hier im Allgemeinen dennoch jene meisterhaften Beobachtungen bei unserer Auseinandersetzung dieses Gegenstandes zum Grunde legen, und nur nebenbei die Versuche Anderer und meine eigenen auffiihren.\nEs verh\u00e4lt sich mit der Aufnahme des Wassers bei den Pflanzen, ganz wie mit der Aufnahme der Nahrungsmittel und der Getr\u00e4nke bei den Thieren; die im Wasser gel\u00f6sten Stoffe sind die Nahrungsmittel der Pflanzen, welche in denselben Zur\u00fcckbleiben, wenn das Wasser durch die Verdunstung wieder ausgeschieden wird. Bei den Pflanzen ist das Wasser gr\u00f6fstentheils nur Mittel um die Nahrungsstoffe aufnehmbar zu machen, denn nur im fein gel\u00f6sten Zustande k\u00f6nnen dieselben in die Pflanze eindringen, und, wie wir es im vorhergehenden Capitel kennen gelernt haben, da die Wurzeln der Pflanzen die gel\u00f6sten Nahrungsstoffe, so wie alle \u00fcbrigen Salze u. s. w. in einem geringeren Verh\u00e4ltnisse aufnehmen, als das W7asser, worin dieselben gel\u00f6st waren, so mufs die Quantit\u00e4t des Wassers, welche zur Einf\u00fchrung der n\u00f6thigenNahrung durch die Pflanze geht, sehr grofs werden. Bei den Thieren mufs die Excretion noch in einer anderen Weise auftreten, indem hier die aufgenommenen Nahrungsmittel eine grofse Menge unverdaulicher Stoffe enthalten; wie es sich mit dergleichen Stoffen bei den Pflanzen verh\u00e4lt, das werden wir zwar erst in der Folge n\u00e4her er\u00f6rtern k\u00f6nnen, aber hier gen\u00fcge die Bemerkung, dafs sie fast alle in der Pflanze Zur\u00fcckbleiben.\nDie Masse des Wassers ganz genau zu bestimmen, welche eine Pflanze in verschiedenen Zeiten aufnimmt, ist nicht ganz leicht, indem die gleichzeitig stattfindende Transpiration die Beobachtung erschwert; gew\u00f6hnlich hat man aus der Quantit\u00e4t des ausgehauchten Wassers auf die des","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\ngleichzeitig eingenommenen geschlossen, was zwar nicht ganz richtig ist, indem sich die Quantit\u00e4t des ausgehauch-ten Wassers zu derjenigen des aufgenommenen bei verschiedenen Pflanzen und in verschiedenen Zeit-Perioden etwas verschieden verh\u00e4lt, indessen es m\u00f6chte wohl hinreichend sein, wenn wir hier\u00fcber nur ann\u00e4hernd richtige Angaben besitzen, indem hiebei sicherlich auf keine con-stanten Verh\u00e4ltnisse zu rechnen ist. Meistens ist die ^ Quantit\u00e4t des aufgenommenen Wassers gr\u00f6fser, als die des ausgehauchten, indem ein Theil des Wassers zu verschiedenen Bildungen im Inneren der Pflanze benutzt wird; aber wir werden auch F\u00e4lle kennen lernen, wo die Aus* dunstung st\u00e4rker, als die Einsaugung ist. Die Transpiration der Pflanzen ist dagegen sehr leicht zu bestimmen, doch haben diese Bestimmungen ebenfalls keinen constanten Werth, denn die Transpiration der Pflanzen richtet sich i ganz nach dem hygroskopischen Zustande der Luft; nicht die W\u00e4rme, sondern die Grade der Trockenheit der atmosph\u00e4rischen Luft bestimmen die Ausd\u00fcnstung der Pflanzen.\nUm die Menge des ausgehauchten Wassers einer Pflanze zu bestimmen, bediente sich Stephan Haies eines Verfahrens, welches noch immer, als sehr zweckm\u00e4fsig anzuempfehlen ist ; er umschlofs den Topf, worin die zu beobachtende Pflanze wuchs, mit Blei und liefs das n\u00f6thige J W asser durch eine besondere R\u00f6hre hinzu, welche ebenfalls verschlossen wurde. Wenn man einen solchen Blumentopf zu verschiedenen Tages-Zeiten wiegt, so werden die Gewichts-Differenzen die Quantit\u00e4t des ausgehauchten Wassers angeben, und waren die T\u00f6pfe ganz mit Blei umschlossen, so ist eine andere Verdunstung, als durch die Oberfl\u00e4che eines unglasirten Topfes, der Richtigkeit des Experimentes nicht entgegen, denn das auf diesem Wege ausgehauchte Wasser bleibt in der Bleih\u00fclle zur\u00fcck. Auf diese Weise beobachtete Haies *) eine Sonnenblume, von 3^FufsH\u00f6he vom 3. Juli bis zum 8. August und fand,\n*) Vegetable Staticks pag. 5.","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"97\ndafs dieselbe durchschnittlich 1 Pfund und 4 Unzen in 12 Tages-Stunden aushauchte, dagegen 1 Pfund und 14Unzen an einem sehr heifsen und trockenen Tage. In einer trockenen Nacht war die Ausd\u00fcnstung nur ungef\u00e4hr 3 Unzen, doch sobald Thau zu bemerken war, geschah gar keine Ausd\u00fcnstung und wenn es des Nachts etwas regnete, so nahm die Pflanze mit dem Topfe sogar um 2 \u2014 3 Unzen an Gewicht zu, eine Erscheinung, welche ich auch noch auf einem anderen Wege best\u00e4tigt gefunden habe. An einer Kohlkopf-Pflanze fand Haies *), ungef\u00e4hr zu derselben Zeit, eine mittlere Transpiration von 1 Pfund und 3 Unzen in 12 Tages-Stunden; die gr\u00f6fste Transpiration betrug 4Pfundund9Unzen. An einem Citronenbaume fand Haies ** ***)), w\u00e4hrend des Monates August, in 12 Tages-Stunden eine Transpiration von 6 bis h\u00f6chstens 8 Unzen; des Nachts transpirirte der Baum zuweilen eine halbe Unze, zuweilen gar nichts; und in einigen F\u00e4llen nahm er 1\u20142Unzen an Gewicht zu. Aus diesen Angaben, welche sich leicht vermehren liefsen, geht deutlich hervor, dafs die Aufnahme des Wassers durch die Wurzeln unabh\u00e4ngig von der Transpiration erfolgt, so wie es auch durch die angef\u00fchrten Versuche erwiesen wurde, dafs auch die Transpiration unabh\u00e4ngig von der unmittelbaren Aufnahme des Wassers vor sich geht.\nSo beobachtete Haies einen Zwerg-Birnbaum von 71Pfund und8 Un zenGewicht, dessen Wurzeln aus einer, dazu gemessenen Quantit\u00e4t Wasser innerhalb 10 Stunden (im Monate August) 15 Pfund aufnahmen, w\u00e4hrend der Baum in derselben Zeit 15 Pfund und 8 Unzen aushauchte. Haies hat aber auch noch viele andere Beobachtungen angegeben, aus welchen es klar wird, dafs es mit dem Resultate des vorigen Versuches seine Richtigkeit hat, wovon ich mich selbst durch eigene Versuche\n*) 1. c. pag. 15.\n**) 1. c. pag. 20.\n***) 1. C. pag. 28.\nMe y en, Pfl. Physiol. II.\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\n\u00fcberzeugt habe, doch da verschiedene Pflanzen hiebei stets verschiedene Zahlen geben, so w\u00fcrde man nutzlos ganze Seiten f\u00fcllen, wollte man alle solche, sehr leicht anzustellende Beobachtungen ausf\u00fchrlich aufz\u00e4hlen. Haies *) Beobachtungen \u00fcber die Transpiration einer Musa sind von besonderem Interesse, die Pflanze wurde vom 17. Mai 1726 bis zum 4. Juni t\u00e4glich dreimal, n\u00e4mlich des Morgens um 6 Uhr, um 12 Uhr und Abends um 6 Uhr gewogen, wobei zugleich der W\u00e4rmegrad der Luft bemerkt wurde ; die Bestimmung des Wassergehaltes der Luft, welche hiebei am wichtigsten gewesen w\u00e4re, war zu jener Zeit noch nicht m\u00f6glich. Aus diesen Beobachtungen an der Musa geht hervor, dafs die Pflanze Vormittags mehr, als Nachmittags transpirirt hat, und dafs die Transpiration des Nachts noch geringer war, als am Tage, ja auch hier beobachtete man zuweilen des Nachts eine Gewichts-Zunahme der Pflanze, und zwar durch Anziehen der Feuchtigkeit aus der Luft. An einem hellen und warmen Tage wog die Musa des Morgens 37Pfd. 15Unz., Mittags 37 Pfd. 5| Unz. und Abends 6 Uhr 37 Pfd. und 3| Unzen. Hier sind Vormittags 10 und Nachmittags nur 2 Unzen ausgehaucht worden, wozu aber folgende Erkl\u00e4rung n\u00f6thig ist, denn die Ausdunstung ist hier offenbar zu gering. Die Pflanze befand sich n\u00e4mlich in einem Gew\u00e4chs-Hause, dessen Luft durch die zunehmende Ausbauchung der Pflanze endlich so stark mit Wasserd\u00e4mpfen ges\u00e4ttigt wurde, dafs dadurch die fernere Transpiration der Pflanze gehindert werden mufste, indem die Feuchtigkeit der Luft durch das Fallen des Thermometers von 45\u00b0 auf 31\u00b0 w\u00e4hrend des Nachmittags noch vermehrt wurde. Ueberhaupt d\u00fcrfen dergleichen Beobachtungen nur in freier Luft angestellt werden, wenn sie ein Resultat liefern sollen, welches mit dem t\u00e4glichen Gange des Hygrometers \u00fcbereinstimmt; aber auch unter jenen Beobachtungen an der Musa, innerhalb eines Glas-Hauses, findet man dergleichen angegeben,\n*) 1. c. pag. 23.","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"99\nwelche Nachmittags ebenso viel, als Vormittags ausge-dnnstet zeigten; doch genaue Resultate w\u00fcrden erst dann hervorgegangen sein, wenn die Pflanze st\u00fcndlich gewogen w\u00e4re.\nIn den Sommer-Monaten nahm Haies *) verschiedene bebl\u00e4tterte Aeste von Aepfel-, Birn- und Kirschb\u00e4umen, w\u00e4hrend ich selbst diese Versuche mit Linden- und Rofs-kastanien-Zweigen wiederholte; sie zogen 3, 6, bei Haies 15\u2014-30 Unzen Wasser in 12 Tages-Stunden, aber Abends wogen sie immer etwas weniger, als Morgens, woraus man schliefsen mufs, dafs sie bei Tage mehr ausgehaucht, als eingesaugt haben. Haies fand aber auch zugleich bei diesen Versuchen, dafs die Bl\u00e4tter es eigentlich sind, welche eine so grofse Masse Wasser durch ihre Verdunstung in die abgeschnittenen Aeste hineinzogen, denn w\u00e4hrend die mit Bl\u00e4ttern versehenen Aeste 15 \u2014 30 Unzen einsaugten, zogen \u00e4hnliche entbl\u00e4tterte Aeste nicht mehr als eine Unze ein, und da hier die Transpiration unterdr\u00fcckt war, so fand man dieselben auch Abends schwerer, als Morgens. Einen \u00e4hnlichen Versuch machte Haies *) auch mit Hopfen-Pflanzen, welche er nahe der Erde abschnitt und in Wasser stellte, wobei die eine dieser beiden Pflanzen entbl\u00e4ttert wurde. Die bebl\u00e4tterte Hopfen-Pflanze zog in 12 Tagesstunden 4 Unzen Wasser, die andere dagegen nur f Unzen.\nEhe wir diesen Gegenstand verlassen, will ich noch einige besondere Versuche von Haies auff\u00fchren, welche auf einem anderen Wege beweisen sollten, dafs die Bl\u00e4tter es w\u00e4ren, welche durch ihre Verdunstung den Saft in die H\u00f6he ziehen, was auch allerdings nach meinen, sehr vielfach wiederholten Versuchen, f\u00fcr die abgeschnittenen Pflanzentheile, als die alleinige Ursache anzusehen ist.\nHaies **) nahm einen Zweig eines Apfelbaumes von 3 Fufs L\u00e4nge, befestigte an dessen abgeschnittenem Ende eine Glasr\u00f6hre von 7 Fufs L\u00e4nge, drehte das Ganze um und f\u00fcllte die Glasr\u00f6hre mit Wasser, worauf\n*) 1. c. pag. 31.\n**) I. c. pag. 40.\n7 *","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nder ganze Zweig mit dem untersten Ende der R\u00f6hre unter Wasser getaucht wurde. In den ersten 2 Stunden fiel das Wasser in der R\u00f6hre um 6 Zoll, in der folgenden Nacht ebenfalls um 6 Zoll, am darauf folgenden Tage noch4Zoll und in der zweiten Nacht noch 2^ Zoll, also im Ganzen 18| Zoll. Haies glaubt daraus den Schlufs ziehen zu k\u00f6nnen, dafs die Transpiration der Bl\u00e4tter auch im Wasser stattfinde, wovon schon der heutige Zustand der Meteorologie das Gegentheil lehrt, und was wir auch durch directe Gegenversuche als unrichtig erkannt haben. Ich brachte kleine Zweige der Rofskastanie, deren abgeschnittene Enden auf Glasr\u00f6hren befestigt waren, welche mit Wasser gef\u00fcllt und in Quecksilber abgesperrt wurden, unter eine grofse Glasglocke, deren Luft ich durch Wasserd\u00e4mpfe vollkommen s\u00e4ttigte; es wurde hiebei nicht die geringste Transpiration bemerkt, welche sich n\u00e4mlich sogleich durch Hineintreten des Quecksilbers in die Glasr\u00f6hre h\u00e4tte erweisen m\u00fcssen, dagegen transpirirten eben dieselben Zweige in freier Luft so stark, dafs das Quecksilber in Zeit von einigen Stunden um 1 und 2 Zoll gehoben wurde. Nahm jedoch Haies den Apfelzweig, womit das letzte Experiment angestellt wurde, am dritten Tage aus dem Wasser heraus und liefs ihn in freier Luft h\u00e4ngen, so dafs die ganze Wassers\u00e4ule der R\u00f6hre von 5| Fufs H\u00f6he darauf dr\u00fcckte, so fiel dieselbe in der R\u00f6hre in 12 Stunden um 27^- Zoll. Aus anderen \u00e4hnlichen Versuchen mit aufrecht stehenden Aesten, welche ich in derselben Art angestellt habe, m\u00f6chte ich schliefsen, dafs hier die ganze Wassers\u00e4ule von 27L Zoll durch blofse Verdunstung verschwunden ist, denn offenbar sind schon in den ersten Tagen, als die Wassers\u00e4ule noch mit 7 Fufs H\u00f6he dr\u00fcckte, alle die Luft f\u00fchrenden R\u00e4ume in jenem Zweige gef\u00fcllt worden. Durch eine Ab\u00e4nderung jenes Versuches wurde auch bewiesen, dafs es eigentlich die Bl\u00e4tter waren, welche die schnelle Aufnahme des Wassers veranlafsten. Haies *) setzte n\u00e4mlich auf die Schnittfl\u00e4che\n) I. c. pag. 4L","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"101\neines 5 Fufs langen Apfeizweiges eine 9 Fufs lange, mit Wasser gef\u00fcllte Glasr\u00f6hre und drehte den Ast nach Unten um, so dafs die ganze Wassers\u00e4ule auf die Schnittfl\u00e4che des Apfel-Zweiges dr\u00fcckte. In Zeit von einer Stunde stiegen 3 Fufs von jener Wassers\u00e4ule in den Zweig. Hierauf wurde die Krone des Zweiges abgeschnitten, so dafs von dem Aste noch ein, 13 Zoll langes St\u00fcck an der Glasr\u00f6hre befestigt blieb, auf welches nun die noch \u00fcbrig gebliebene Wassers\u00e4ule der R\u00f6hre dr\u00fcckte. Die abgeschnittene Krone wurde aufrecht in Wasser gestellt und saugte von diesem, innerhalb 30 Stunden 18 Unzen ein, w\u00e4hrend welcher Zeit durch das zur\u00fcckgebliebene Ende des Astes nur 6 Unzen durchsickerten.\nIn allen vorhin beschriebenen Versuchen wurden, aus leicht erkl\u00e4rlichen Gr\u00fcnden, immer nur kleine Pflanzen benutzt, und dennoch haben wir oftmals die grofse Menge des Wassers zu bewundern gehabt, welche t\u00e4glich von diesen kleinen Pflanzen aufgenommen und verdunstet wurde; aber man kann sich hieraus eine Vorstellung von der gro-fsen Wassermasse machen, welche ganz grofse B\u00e4ume und ganze W\u00e4lder in eben derselben Zeit aushauchen. Die Quantit\u00e4t des ausgehauchten Wassers steht in einem gewissen Verh\u00e4ltnisse zur Aufnahme des Wassers, und diese ist ganz von der Periodicit\u00e4t im Stoffwechsel abh\u00e4ngig, denn Pflanzen, welche schnell wachsen, gebrauchen auch viele Nahrung und diese k\u00f6nnen sie nur durch Aufnahme einer gr\u00f6fseren Menge Wasser erhalten, welches nun wieder durch die meteorologischen Verh\u00e4ltnisse der Verdunstung unterliegt. Gew\u00f6hnlich sagt man, dafs Pflanzen mit zartem Laube viel aushauchen, dagegen Pflanzen mit dicken und festen Bl\u00e4ttern nur wenig, doch dieses beruht wohl darauf, dafs Pflanzen mit zartem Laube schneller wachsen, als die anderen. Bei unseren gew\u00f6hnlichen Laubh\u00f6lzern ist die Verdunstung und also auch die Aufnahme des Wassers in ihren verschiedenen Lebenszeiten sehr verschieden, denn junge Zweige, deren Bl\u00e4tter sich eben entfaltet haben, verdunsten verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig sehr viel, und wenn man an","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nihrem Schnittende Glasr\u00f6hren mit Wasser gef\u00fcllt ansetzt und dieselben in Quecksilber absperrt, so kann man in kurzer Zeit beobachten, dafs die erfolgende Transpiration eine -bedeutende Kraft veranlafst, mit welcher das Wasser in der Glasr\u00f6hre eingesaugt wird, so dafs das Quecksilber dem aufsteigenden Wasser bis zu bedeutenden H\u00f6hen nachsteigt. Gegen Ende des Sommers und besonders im Herbste ist die Transpiration der Bl\u00e4tter unserer Laubh\u00f6lzer so ' aufserordentlich gering, dafs man bei \u00e4hnlichen Versuchen, wie der vorhin erz\u00e4hlte, das Quecksilber wohl nur selten noch zum Steigen bringt; gew\u00f6hnlich ist die Schwere einer Wassers\u00e4ule von 6 \u2014 8 Zoll schon hinreichend, um die Kraft der Transpiration kleiner Aeste zu besiegen, daher f\u00e4llt dann alsbald das Wasser in der angesetzten Glasr\u00f6hre, und es tritt die Luft aus dem Aste in die Glasr\u00f6hre hinein und f\u00fcllt dieselbe allm\u00e4lich. Aus diesen Versuchen, von -denen fr\u00fcher schon ausf\u00fchrlicher die Rede war, sieht man wie gering die Kraft ist, welche hinreicht um die Luft der Atmosph\u00e4re durch den ganzen Ast zu ziehen.\nSchon durch die sch\u00f6nen Versuche Guettard\u2019s sind diese Fragen ziemlich vollst\u00e4ndig beantwortet; er zeigte z. B., dafs sich die Ausd\u00fcnstung einer Pflanze gegen Ende des Octobers, zu der Ausd\u00fcnstung eben derselben Pflanze im Monate August, ganz aufserordentlich verschieden ver- J halte; so hauchte der Ast einerCornel-Kirsche von 330Gran Schwere im Monat August in Zeit von 24 Stunden 714 Gr. Wasser aus **), w\u00e4hrend ein Aestchen von 140 Gran Schwere im Monat October innerhalb 24 Stunden nur % 158 Gran Wasser transpirirte; \u00fcberhaupt ist die Transpiration der B\u00e4ume und anderer Pflanzen im August am st\u00e4rksten, was wohl der h\u00f6chsten Lnftw\u00e4rme in diesem Monate zuzuschreiben sein m\u00f6chte. Jene aufserordentlich * * starke Ausdunstung des Cornel-Kirschbaumes, ist nur dem\n*) Sur la transpiration* insensible des plantes. Y. M\u00e9m. de l\u2019Acad\u00e9m. des sciences de Paris. Ann. 1748 pag. 419.\n*\u00a5) 1. c. pag. 589 u. 90.","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"103\njugendlichen Zustande dieser Pflanze zuzuschreiben. Das Aestchen mit welchem Guettard experimentirte, wog nicht mehr, als 5^- Quentchen (330 Gran), und dennoch hauchte es in 14 Tagen 20 Unzen und 4J Quentchen aus.\nAber schon Du Hamei *) machte die Bemerkung, dals nicht alle Pflanzen so stark ausdunsten, als jener Cornel-Kirschen-Zweig, und in gewissen Umst\u00e4nden m\u00fcsse auch dieser Baum viel weniger ausd\u00fcnsten, was ich durch einige eigeneVersuche best\u00e4tigen mufs. Von den vielen Pflanzen, mit welchen Guettard seine Versuche anstellte, dunsteten einige nur die H\u00e4lfte ihres Gewichtes aus, aber die meisten dunsteten wenigstens eben so viel aus, als sie schwer waren. Guettard\u2019s Versuche \u00fcber die Transpiration sind \u00fcberaus zahlreich und \u00fcbertreffen die Hales\u2019schen in ihren Resultaten bei Weitem. Sehr viel geringer fand man die Ausd\u00fcnstung der Gew\u00e4chse mit immergr\u00fcnenden Bl\u00e4ttern; Guettard konnte dieselbe zwar im Winter, wie im Sommer messen, aber sie betrug an einem 5 iburnum Tinus **) in zwei Sommer-Tagen gerade eben so viel, als w\u00e4hrend zweier voller Winter-Monate. An diese Gew\u00e4chse mit immergr\u00fcnenden Bl\u00e4ttern schliefsen sich die Nadelh\u00f6lzer, und ebenso bemerkenswert!! ist die geringe Transpiration, welche die Pflanzen mit sogenannten fleischigen oder saftigen Bl\u00e4ttern zeigen, obgleich der Wassergehalt dergleichen Bl\u00e4tter so aufserordentlich grofs ist, z. B. 94 \u2014 95 Procent bei Sedum-Pflanzen, w\u00e4hrend die Bl\u00e4tter unserer Laubh\u00f6lzer, welche so sehr viel, wenigstens die H\u00e4lfte ihres Gewichtes in Zeit von 24 Stunden transpiriren, doch nur 54\u201465, h\u00f6chst selten nur 70Procent Wasser enthalten***). Es ergiebt sich aus diesen verschiedenen Angaben, dafs die\nNatur-Geschichte d\u00abr B\u00e4ume u. s. w. A. d. Fr. \u00fcbersetzt durch von Sch\u00f6llenbach. N\u00fcrnberg 1764. 4to. I. pag. 152.\n1. c. 1748. pag. 146\n***) S. Sch\u00fcbler und Neuffer Untersuchungen \u00fcber die Temperatur-Ver\u00e4nderungen der Vegetabilien und verschiedene damit in Verbindung stehende Gegenst\u00e4nde. T\u00fcbingen 1829. \u2014- Abgedtuckt in den Litteratur-Bl\u00e4ttern zur Flora. Band II. Heit 3. pag. 368-","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nTranspiration der Pflanzen in einem gewissen Verh\u00e4ltnisse zur Structur derselben steht; sie ist um so bedeutender, je zarter die Epidermis der Bl\u00e4tter ist, und um so geringer, je fester und lederartiger dieselbe auftritt. So zart auch zuweilen die Epidermis saftiger Gew\u00e4chse, z. B. der Sedum- und Sempervivum-Arten erscheint, so ist dieselbe doch mit einer, verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig sehr starken Cuticula versehen, welche immer st\u00e4rker wird, je \u00e4lter die Pflanzen werden, und an alten Agaven- und Aloe-Bl\u00e4ttern eine sehr bedeutende Dicke erlangt, daher denn auch die Transpiration solcher Pflanzen \u00fcberaus gering ist, so dafs man abgeschnittene Bl\u00e4tter ^ Jahr und dar\u00fcber frisch erhalten kann, aber auch mit ihrem \u00e4ufserst langsamen Wachsthume im Verh\u00e4ltnisse steht, und ein solches Ver-h\u00e4ltnifs zwischen schnellem Wachsthume, starker Transpiration und zarter Structur m\u00f6chte wohl \u00fcberall nachzuweisen sein; es w\u00fcrde mich zu weit in das Einzelne f\u00fchren, wenn ich alle die schon vorhandenen Thatsachen zusammenstellen wollte, welche wirklich daf\u00fcr sprechen.\nWichtig erscheint Guettard\u2019s Entdeckung *), dafs der Einflufs der Sonne auf die Transpiration der Pflanzen von eigener Art sei, indem diese dadurch bedeutend mehr verst\u00e4rkt wird, als durch einen gleichen Grad von W\u00e4rme, welcher der Pflanze ohne Einwirkung der Sonnenstrahlen dargeboten wird. Guettard stellte z. B. am 10. September drei Zweige der Dulcamara in drei verschiedene Ballons und liefs dieselben unter verschiedenen Lichtgraden 6 Tage lang transpiriren. Der eine Zweig war in einem unbedeckten Ballon, er wog 185 Gran und transpirirte in den 6 Tagen 2 Unzen 5 Quentchen und 45 Gran. Der zweite Zweig befand sich in einem Ballon, der im Schatten einer \u00fcbergespannten Serviette stand; er wog 336 Gran und transpirirte m ebenderselben Zeit nur 1 Unze und 4 Quentchen. Der dritte Zweig jedoch, welcher sich in einem ganz dicht bedeckten Ballon befand, wog 236 Gran und\n*) 1. c. de 1748 pag. 575 \u2014 577.","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"105\ntranspirirte nur 4 Quentchen und 13 Gran. Die Versuche aus welchen Guettard dieses Resultat erhielt, sind mit aller erforderlichen Vorsicht angestellt und von mir zum Theil wiederholt, daher mir auch die Zweifel, welche Herr Unger* *) dagegen aufstellen zu k\u00f6nnen glaubt, unbegr\u00fcndet erscheinen. Man hat n\u00e4mlich beobachtet, dafs die Transpiration der Bl\u00e4tter in gleichem Mafse vor sich gehe, ob die Sonnenstrahlen auf die eine, oder auf die andere Fl\u00e4che der Bl\u00e4tter fielen, worin aber wohl kein Grund gegen Guettard\u2019s Erfahrung enthalten sein kann, denn in beiden F\u00e4llen wirkte das Sonnenlicht offenbar reizend auf das Leben der ganzen Pflanze und nicht auf die einzelne Fl\u00e4che eines einzelnen Blattes.\nDurch Haies und Guettard\u2019s Beobachtungen wurde es auch dargethan, dafs fleischige Fr\u00fcchte weniger transpiriren, als verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig gleich grofse Fl\u00e4chen von Bl\u00e4ttern; wir sehen aber, dafs dergleichen Fr\u00fcchte durch starken Einflufs der Sonnenstrahlen schneller zur Reife kommen, was vielleicht blofs durch schnellere Entw\u00e4sserung geschieht, wobei aber nicht an eine blofse Verdunstung, sondern auch an eine Trennung des chemisch gebundenen Wassers zu denken ist, was ich gerade der besonderen Wirkung des Sonnenlichtes zuschreiben m\u00f6chte, und wor\u00fcber sp\u00e4ter, wenn von der Assimilation die Rede sein wird, noch n\u00e4here Nachweisungen gegeben werden sollen. Es ist \u00fcbrigens eine, den G\u00e4rtnern allgemein bekannte Thatsache, dafs man durch Absperren des Sonnenlichtes, sowohl die Blumen in ihrem Bl\u00fchen, als die Fr\u00fcchte in ihrem Reifen zur\u00fcckhalten kann, und gew\u00f6hnlich bedient man sich hiezu der einfachen Umh\u00fcllung dieser Theile mit gew\u00f6hnlichem Papiere. Ja der vielerfahrene Du Hamei**) sagt: \u201eMan umbindet die spanischen Artischoken (Cardons) mit Stroh ; man umh\u00e4uft den Sellerie mit Erde; man bindet die Endivien zusammen und pflanzt sie in die Keller. Hierdurch\n*) Die Exantheme der Pflanzen etc. Wien 1833. pag. 58.\n*\u00a5) 1. c. I. pag. 153.","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nverhindert man zwar die starke Ausd\u00fcnstung, und diese K\u00fcchen-Kr\u00e4uter werden dadurch saftiger, zarter und wohlschmeckender, haben aber auch weniger Geschmack.\u201c Hiernach w\u00e4re es vorteilhafter, blofs bei geschmackreichen Fr\u00fcchten die Ausd\u00fcnstung zu unterdr\u00fccken, um sie dadurch m\u00fcrber zu machen, dagegen solle man nach Du Hamel\u2019s Rath bei saftreichen, aber geschmacklosen Pflanzen die Ausd\u00fcnstung zu bef\u00f6rdern suchen, um dadurch den Geschmack derselben zu verbessern.\nMan hat auch die Fl\u00fcssigkeiten, welche die Pflanzen aushauchen, aufgefangen und dieselben n\u00e4her untersucht, um genau bestimmen zu k\u00f6nnen, ob blofs das \u00fcbersch\u00fcssige Wasser durch die Transpiration der Pflanze entfernt w\u00fcrde, oder ob auch noch andere Stoffe mit demselben zugleich davon gehen. Haies*) sammelte viele Unzen des ausgehauchten Wassers von dem Weinstocke, dem Feigen- i baume, von Apfel-, Kirschen-, Aprikosen- und Pfirsich-B\u00e4umen, so wie aus den Bl\u00e4ttern der Raute, des Rettigs, des Rhabarbers, der Pastinake und der Kohl-Pflanze; es war klar wie gew\u00f6hnliches Wasser und durch den Geschmack nicht zu unterscheiden, auch war die specifische Schwere desselben nicht bedeutend verschieden von reinem Wasser, aber es verdarb fr\u00fcher, als Letzteres und nahm beim Stehen einen \u00dcbeln Geruch an. Sowohl Guettard, als | Du Hamei und Senebier haben jene Angaben durch neuere Versuche best\u00e4tigt; Du Hamei**) setzt noch hinzu, dafs es ihm schiene, als wenn die, von stark gew\u00fcrzhaften Pflanzen ausgehauchten Fl\u00fcssigkeiten einen schwachen Geruch s von denselben zur\u00fcckbehalten h\u00e4tten, der aber sehr bald verschwunden sei, doch w\u00fcrde wahrscheinlich auch reines Wasser einen solchen Geruch angenommen haben. Senebier ***) stellte chemische Untersuchungen mit dem . ausgehauchten Wasser verschiedener Pflanzen an; aus einem Aste des Weinstockes erhielt er im Anf\u00e4nge des\n*) 1. c. pag. 49.\n\u00a5\u00a5) 1, c. I. pag. 151.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Physiologie vegetable IV. pag. 80.","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"107\nSommers 40 Unzen Wasser, welches 2 Gran eines Ex-tractes enthielt, das die Feuchtigkeit der Luft anzog und zur H\u00e4lfte in Weingeist l\u00f6slich war. In einem anderen Falle gaben 6 Pfund und 9 Unzen ausgehauchtes Wasser nur 2y Gran eines grauen pulverigten Residuums. Harzige und gumm\u00f6se Stoffe, so wie etwas Gyps waren in beiden F\u00e4llen in dem ausgehauchten Wasser sicher zu erkennen. Durch diese Versuche lernen wir, dafs auch feste Stoffe mit der ausgehauchten Fl\u00fcssigkeit der Pflanzen davon gehen, wenn auch die davon beobachteten Quantit\u00e4ten nur sehr klein sind; sp\u00e4ter aber, wenn von den Excretionen und den krankhaften Absonderungen die Rede sein wird, werden wir auch F\u00e4lle kennen lernen, in welchen die Menge der festen Stoffe im ausgehauchten Wasser sehr grofs ist. Im Allgemeinen ist aus diesen Beobachtungen noch zu folgern, dafs man die Transpiration nicht etwa als eine Art von Destillation ansehen darf, wobei die Wasserd\u00e4mpfe nur in Folge der W\u00e4rme der Luft entwickelt werden, denn bei einer so langsamen Destillation des Wassers, wie sie bei der Transpiration der Pflanzen erfolgt, gehen dergleichen feste Stoffe nicht mit \u00fcber, als vorhin durch Senebier\u2019s Untersuchungen im ausgehauchten Wasser des Weinstockes nachgewiesen wurden. Man mufs vielmehr die Transpiration der Pflanzen als einen Lebens-Akt derselben ansehen und mit der Excretion des Schweifses, des Urins und anderer Excremente bei den Thieren vergleichen. Bei den Thieren wird der gr\u00f6fste Theil der mit den Nahrungsmitteln aufgenommenen Salze durch die verschiedenen Excremente wieder ausgef\u00fchrt, bei den Pflanzen dagegen h\u00e4ufen sich dieselben in den Zellen zu sehr bedeutenden Quantit\u00e4ten an, und zwar auf eine Weise, wor\u00fcber schon in dem ersten Theile \u00f6fters die Rede war.\nWir kommen jetzt zur Betrachtung derjenigen Elementar-Organe der Pflanzen, welche der Transpiration derselben vorstehen. Hedwig hat zuerst die Ansicht aufgestellt, dafs die Spalt\u00f6ffnungen oder Poren es w\u00e4ren,","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nwelche die Ausd\u00fcnstung der Gew\u00e4chse versehen. Herr Knight *) fand dagegen durch wirkliche Beobachtungen, dafs die Ausd\u00fcnstung der Bl\u00e4tter des Weinstockes nur -auf der unteren Blattfl\u00e4che vor sich gehe; er bedeckte die untere Fl\u00e4che von Weinbl\u00e4ttern mit d\u00fcnnen Glasplatten und beobachtete, dafs die Glasplatte in kurzer Zeit mit einem starken Thaue bedeckt wurde, ja nach Verlauf von einer halben Stunde war von dem Blatte soviel Wasser- 4 dampf ausgehaucht, dafs sich derselbe auf der Glasplatte niedergeschlagen hatte und in Form von Wasser herablief.\nDie obere Fl\u00e4che der Weinbl\u00e4tter zeigte jedoch auf diese Weise keine Spur einer Transpiration. Sp\u00e4tere Untersuchungen verschiedener Botaniker haben gezeigt, dafs die Weinbl\u00e4tter nur auf der unteren Fl\u00e4che mit Spalt\u00f6ffnungen versehen sind und so bildete sich allm\u00e4lich die Ansicht, dafs die Transpiration der Pflanzen in einem gewissen # Verh\u00e4ltnisse zum Vorkommen der Spalt\u00f6ffnungen und besonders zu ihrer Anzahl stehe. So sagt Herr De Candolle*), dafs die mit Spalt\u00f6ffnungen versehenen Bl\u00e4tter mehr aushauchen, als diejenigen, welche mit diesem Organe nicht versehen sind; die gr\u00fcnen, mit Spalt\u00f6ffnungen versehenen Rinden ebenfalls mehr, als diejenigen Rinden, welchen sie fehlen (Sobald n\u00e4mlich die Epidermis an alten Rinden vertrocknet nnd abgefallen ist, kommt dieser Zustand vor!), j Auch Herr L. Treviranus *) hat in einer besonderen Abhandlung: Ueber die Ausd\u00fcnstung der Gew\u00e4chse und deren Organe, wahrscheinlich zu machen gesucht, dafs die Spalt\u00f6ffnungen die Wege seien, durch welche die w\u00e4sserigen s Theile des Pflanzensaftes in die Atmosph\u00e4re \u00fcbergehen, was auch nach eigenen Beobachtungen f\u00fcr den Fall richtig ist, wo die wirklichen Spalt\u00f6ffnungen vorhanden sind, es ist aber sehr leicht zu zeigen, dafs eine gew\u00f6hnliche Transpiration grofser Wassermassen selbst bei solchen Pflanzen\n\u00a5) Philos. Transact, f. 1803. P. II. pag. 278,\n\u00a5\u00a5) Phys, v\u00e9g\u00e9t. I. pag. 100.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Vermischte Schriften anatomischen und physiologischen Inhaltes, I. pag. 173.","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"109\nvorkommt, welche keine Spalt\u00f6ffnungen besitzen, wie z. B, bei den grofsen fleischigen Pilzen u. s. w. ; demnach kann ich die Spalt\u00f6ffnungen nur als Hiilfsorgane f\u00fcr die Transpiration der Pflanzen betrachten, und mit dieser Transpiration ist zugleich die Respiration verbunden, denn die Gase werden, von den Pflanzen wie von den Thieren? nie ohne Wasserd\u00e4mpfe ausgeathmet, und ebenso werden keine Wasserd\u00e4mpfe ohne Gasarten ausgehaucht. So wie die Lungen und die Haut bei den Thieren diesen beiden Gesch\u00e4ften vorstehen, ebenso verh\u00e4lt es sich mit der Epidermis der Pflanzen, wie ich \u00fcberhaupt die Respiration bei den Pflanzen, eigentlich nur mit der Respiration in der Haut der Thiere vergleichen m\u00f6chte. Will man aber die Spalt\u00f6ffnungen in der Epidermis der Gew\u00e4chse ebenfalls als Einsaugungs-Organe darzustellen suchen, so kann dieses nur in so fern gebilligt werden, als man damit die Vorstellung verbindet, dafs durch die offene Communication zwischen der \u00e4ufseren Luft und dem inneren Parenchym der Bl\u00e4tter die Oberfl\u00e4che vergr\u00f6fsert wird, welche durch die hygroskopische Eigenschaft ihrer Zellenw\u00e4nde in solchen F\u00e4llen ebenfalls Feuchtigkeit einsaugen kann, wenn den Bl\u00e4ttern durch ihre Holzb\u00fcndel nicht hinreichend genug Feuchtigkeit zugef\u00fchrt ist. So gr\u00fcndet sich auch Alles, was man \u00fcber Schliefsung und Oeffne\u00efi der Spalte in den Hautdr\u00fcsen der Pflanzen wirklich beobachtet hat, auf blofse Verschiedenheit in dem hygroskopischen Zustande der beiden Zellen, welche die Hautdr\u00fcse bilden, und sich dadurch \u00e4hnlich einem Schliefsmuskel verhalten. Auch kann man mit den gegenw\u00e4rtigen starken Vergr\u00f6fserungen und ohne die Epidermis abgezogen zu haben, sehr wohl beobachten, dafs die Spalte in der Hautdr\u00fcse niemals so innig geschlossen ist, dafs nicht Gase und Wasserd\u00e4mpfe durch dieselben frei ein und austreten k\u00f6nnten.\nDieses f\u00fchrt uns zu den ber\u00fchmt gewordenen Versuchen, welche Bonnet und Andere \u00fcber den Nutzen der Bl\u00e4tter angestellt haben; man erstaunt \u00fcber die Ausdauer,","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nwelche Bonnet *) hiebei an den Tag gelegt, bedauert aber um so mehr, dafs jene vielen Versuche zu keinem richtigen Resultate gef\u00fchrt haben. Die \u00e4lteren Botaniker hielten die Bl\u00e4tter fast allgemein f\u00fcr die Lungen der Pflanzen, doch sp\u00e4ter wollte man durch Versuche erweisen, dafs sie zur Aufnahme der Feuchtigkeit aus der Luft bestimmt w\u00e4ren. Schon Mariotte **) hatte durch Versuche die Erfahrung gemacht, dafs man Pflanzen tage- und wochenlang erhalten k\u00f6nne, wenn man einzelne Bl\u00e4tter oder ganze Zweige davon in Wasser tauche, woraus man schlie-fsen m\u00fcsse, dafs hier das Wasser durch die Bl\u00e4tter aufgenommen worden sei. Haies ***) stellte diese Versuche umst\u00e4ndlicher an und best\u00e4tigte im Allgemeinen die Erfahrung Mariotte's ; aber Bonnet kam darin am weitesten, obgleich er Haies Resultat, dafs der vorz\u00fcglichste Nutzen der Bl\u00e4tter darin bestehe, dafs sie den Nahrungssaft in die H\u00f6he ziehen, ebenfalls best\u00e4tigte. Zu bedauern ist es, dafs Bonnet bei seinen Untersuchungen \u00fcber den Nutzen der Bl\u00e4tter die Spalt\u00f6ffnungen noch nicht kannte; es w\u00fcrde ihm in mancher Hinsicht viele M\u00fche erspart haben. Da der Thau und \u00fcberhaupt die Feuchtigkeit der Erde in die H\u00f6he steigt und die Bl\u00e4tter der Pflanzen mit der unteren Fl\u00e4che gegen die Erde gerichtet sind, so glaubte Bonnet annehmen zu k\u00f6nnen, dafs die untere Fl\u00e4che der Bl\u00e4tter zur Einsaugung der Feuchtigkeit bestimmt w\u00e4re; um dieses durch Versuche zu ermitteln, legte er eine Menge von Bl\u00e4ttern auf die Oberfl\u00e4che des Wassers, so dafs einige derselben mit der unteren Blattfl\u00e4che, andere dagegen mit der oberen darauf zu liegen kamen. Unter 17 namhaft gemachten Kr\u00e4utern beobachtete Bonnet sechs, deren\n*) Untersuchungen \u00fcber den Nutzen der Bl\u00e4tter bei den Pflanzen und einige andere zur Geschichte des Wachsthums der Pflanzen geh\u00f6rige Gegenst\u00e4nde, A. d. Franz, von Arnold. N\u00fcrnberg\n1762. 4.\n\u00a5\u00a5) Essay de la v\u00e9g\u00e9tation des plantes. Oeuvres. A Leide 1717. \u00cf. pag. 133.\n\u00a5\u00a5\u00a5) 1. c. pag. 126","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Ill\nBlatter gleich lange frisch blieben, wenn sie mit der oberen oder mit der unteren Blattfl\u00e4che auf dem Wasser lagen; diese 6 Pflanzen sind aber, wie wir es gegenw\u00e4rtig wissen, solche, deren Bl\u00e4tter auf beiden Fl\u00e4chen Spalt\u00f6ffnungen besitzen. Von einigen anderen Kr\u00e4utern, z. B. von der Brennnessel, blieben die Bl\u00e4tter l\u00e4nger frisch, wenn sie mit der oberen Blattfl\u00e4che auf dem Wasser lagen, obgleich diese Pflanzen, wie es jetzt bekannt ist, ebenfalls auf beiden Fl\u00e4chen Spalt\u00f6ffnungen besitzen, doch bei den meisten jener Pflanzen erhielten sich die Bl\u00e4tter am l\u00e4ngsten frisch, wenn sie mit der unteren Fl\u00e4che auf dem Wasser lagen, und ebenso verhielt es sich mit den Bl\u00e4ttern der B\u00e4ume und Str\u00e4ucher, welche Bonnet zu diesem Zwecke beobachtete*), nur der Hollunder und die Espe zeigten, dafs die Bl\u00e4tter eben so geschickt waren mit der oberen, als mit der unteren Fl\u00e4che Feuchtigkeit einzusaugen. Auf diese Weise n\u00e4mlich erkl\u00e4rte Bonnet jene Erscheinungen; er glaubte, dafs die Bl\u00e4tter durch Einsaugen des Wassers l\u00e4nger frisch blieben, eine Meinung, welche von Vielen angenommen wurde. In neueren Zeiten jedoch sucht man die Erkl\u00e4rung jener Erscheinung in der gehinderten Verdunstung der Bl\u00e4tter, denn wir haben schon kennen gelernt, dafs die ganze Transpiration der Pflanzen im Wasser aufh\u00f6ren mufs. Auch sind jene Versuche von Bonnet keineswegs mit aller hiezu erforderlichen Genauigkeit angestellt und beschrieben, aber die Wiederholung derselben w\u00fcrde heutigen Tages zu nichts mehr n\u00fctzen; man mufs hiebei vorz\u00fcglich darauf achten, dafs das Ende des Blattstiels in keine Ber\u00fchrung mit der Feuchtigkeit kommt, denn sonst wird durch die Holzbiin-del desselben die Feuchtigkeit sogleich aufgesaugt. Stellen wir die Versuche Bonnet\u2019s mit unseren jetzigen Erfahrungen \u00fcber das Vorkommen der Spalt\u00f6ffnungen zusammen, so kann man sagen, dafs aus denselben, als Resultat hervorgegangen ist, dafs sich die Bl\u00e4tter am l\u00e4ng-\n*) 1. c. pag. 9.","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nsten frisch erhalten, wenn sie mit derjenigen Fl\u00e4che auf dem Wasser liegen, welche am meisten Spalt\u00f6ffnungen aufzuweisen hat. Einige scheinbare Ausnahmen, wie mit der Brennnessel u. s. w., w\u00fcrden durch neuere Versuche bald zu erkl\u00e4ren sein, und die \u00fcbrigen Erfahrungen, welche wir gegenw\u00e4rtig \u00fcber Aufnahme, Aushauchung und Steigen der rohen S\u00e4fte besitzen, m\u00fcssen uns sogleich zu dem Schl\u00fcsse f\u00fchren, dafs sich die Bl\u00e4tter in jenen angegebenen Verh\u00e4ltnissen fast nur durch unterdr\u00fcckte Transpiration l\u00e4nger frisch erhalten, was ja eigentlich auch durch eine Reihe anderer Versuche, welche Bonnet *) angestellt hat, erwiesen ist, denn wurden abgepfl\u00fcckte Bl\u00e4tter mit Oel \u00fcberstrichen, so erhielten sie sich viele Wochen, ohne ihre Farbe zu verlieren.\nDie schon vorhin angef\u00fchrten Versuche von Mariotte und Haies sind von Herrn Treviranus **) in Zweifel gezogen worden, denn in verschiedenen F\u00e4llen, wo er abgeschnittene Zweige durch einzelne Bl\u00e4tter u. s. w. ern\u00e4hren wollte, trat der gew\u00fcnschte Erfolg nicht ein. Aehnliche Versuche hat wohl jeder Botaniker \u00fcber diesen Gegenstand angestellt, ohne darauf immer so zu achten, als es n\u00f6thig w\u00e4re; mir selbst sind einige F\u00e4lle in eben der Art, wie bei Mariotte und bei Haies abgelaufen, aber an den meisten vertrockneten die Zweige, oder die ganzen, mit unverletzter Wurzel ausgezogenen Pflanzen, wenn ich nur einzelne Bl\u00e4tter derselben in Wasser gestellt hatte, und die Verschiedenheit in dem Erfolge h\u00e4ngt ganz von der Trockenheit und W\u00e4rme der Luft, wie von der Ueppigkeit, mit welcher die angewendeten Pflanzen oder Pflanzentheile vegetiren ab ; die Bl\u00e4tter an dem einen Ende der Pflanze k\u00f6nnen durch starke Transpiration fr\u00fcher zum Welken gebracht werden, als die Feuchtigkeit durch die Hygroskopicit\u00e4t des Pflanzengewebes von den Bl\u00e4ttern\n\u00a5) 1. c. pag. 21 etc.\n**') Vermischte Schriften Bd. IV. pag. 77 und Physiologie der Gew\u00e4chse T. pag. 509.","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"113\ndes anderen Endes, welches dem Wasser ansgesetzt war, hinzugef\u00fchrt werden kann.\nObgleich ich ebenfalls die Versuche Bonnet\u2019s mit den Bl\u00e4ttern fast allein durch unterdr\u00fcckte Transpiration zu erkl\u00e4ren suchte, so ist es dennoch eine ganz erwiesene Thatsache, dafs in gewissen F\u00e4llen der gr\u00f6fste Theil, ja fast alle Feuchtigkeit, welche die Pflanze zu ihrem Wachs-thume n\u00f6thig hat, mit H\u00fclfe der Bl\u00e4tter und der Oberfl\u00e4che des Stengels aus der atmosph\u00e4rischen Luft gezogen wird, was z. B. bei den parasitischen Orchideen, bei vielen Leber-Moosen, bei den Sphagnen und vielen anderen Pflanzen sehr leicht zu beobachten ist. Davy *) giebt sogar an, dafs Hauslauch und einige Arten von Aloe, in der Luft gezogen, durch Einsaugung der Feuchtigkeit aus derselben, sogar an Gewicht zunehmen. Bei den meisten jener Pflanzen ist in der Structur der Elementarorgane eine besondere Vorrichtung zu sehen, welche offenbar nur dazu bestimmt ist, um die hygroskopische Kraft derselben zu verst\u00e4rken ; und wir gehen gewifs nicht zu weit, wenn wir eine Th\u00e4tigkeit, welche das Pflanzen-Gewebe in einigen F\u00e4llen in so hohem Grade zeigt, wenn wir diese auch in allen anderen F\u00e4llen, wenigstens in einem niederen Grade anerkennen, wozu uns ja auch eine Reihe von Thatsachen berechtigen.\nBeobachtungen, durch welche sehr bestimmt erwiesen wird, dafs die Bl\u00e4tter unserer gew\u00f6hnlichen Pflanzen ebenfalls Feuchtigkeit aus der Luft anziehen, so dafs die Pflanzen dadurch weiter fortwachsen, sind \u00fcbrigens ganz allgemein bekannt; die sprechendsten hievon hat schon Du Hamei **) beschrieben. Derselbe schnitt Zweige von verschiedenen B\u00e4umen ab, verkittete die Schnittfl\u00e4chen mit Mastix und sah, dafs sie welkten und an Gewicht abnah-men. Einige dieser verwelkten Zweige wurden in einen feuchten Keller gelegt, oder in einen feuchten Dunstkreis\n*) 1. c. pag. 235.\n**) 1. c. T. pag. 159.\nMe y en. Pfl, Physiol, JJ,\n8","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\ngestellt und die Bl\u00e4tter erholten sich, ja die Zweige wurden bisweilen schwerer, als sie beim Abschneiden waren. Ebenso allgemein ist die aufserordentliche Wirkung eines -kleinen Regens bekannt, wenn die Pflanzen, welche davon befeuchtet werden, schon lange Zeit hindurch trocken gestanden haben und halb verwelkt sind. Sowohl Bonnet, als Du Hamei haben noch mehrere andere Erscheinungen beschrieben, durch welche die Einsaugung der Feuchtig- * keit durch die Bl\u00e4tter der Pflanzen aufser allen Zweifel gestellt wird. Auch sind einige neue Versuche k\u00fcrzlich durch Herrn Burnett *) bekannt gemacht. Es wurden mehrere Bl\u00e4tter von Potamogeton natans trocken gemacht, gewogen und 2 Stunden lang der Luft ausgesetzt, worauf sie 3^ bis 5^ Gran an Gewicht verloren hatten; hierauf wurden diese Bl\u00e4tter wiederum 2 Stunden lang auf das Wasser gelegt und nun nahm jedes 3 bis 5 Gran an Ge- ^ wicht zu, was nur durch Absorption vermittelst der Oberfl\u00e4che des Blattes stattfinden konnte, indem die Schnittfl\u00e4chen des Blattstieles durch ein Cement verklebt waren.\nDie Aufnahme der Feuchtigkeit durch die Bl\u00e4tter der Pflanze, so wie durch die oberen Schnittfl\u00e4chen der Stengel geschieht \u00fcberhaupt um so schneller und um so bedeutender, als es den Pflanzen an Feuchtigkeit oder \u00fcberhaupt an rohem Nahrungssafte fehlt. Herr Link hat die ) oberen Enden verschiedener beschnittener Zweige in eine Arsenikl\u00f6sung gesteckt und dabei die Beobachtung gemacht, dafs das Gift um so schneller t\u00f6dtete, als es dem Zweige an Nahrungssaft fehlte. Wurden die Zweige stark * begossen, so war die t\u00f6dtende Wirkung des Arseniks durch Einsaugung von Oben nicht zu bemerken, eine Erscheinung, welche eigentlich ganz auf dieselbe Weise zu erkl\u00e4ren ist, wie das Experiment, welches ich pag. 65 mit- -getheilt habe.\n*) On the development of the several organic systems of vegetables. The Journal of the royal institution of Great Britain. Yol.I. London 1831 pag. 92.","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"115\nAm Schl\u00fcsse dieses Abschnittes k\u00f6nnen wir um so leichter unsere Ansichten \u00fcber die Benennung jener Erscheinung auseinander setzen, wor\u00fcber im Vorhergehenden die Rede war, indem wir gegenw\u00e4rtig mit den vorhandenen Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand vertrauter bekannt sind. Wir finden schon in sehr fr\u00fcher Zeit die Ansicht ausgesprochen, dafs die Verdunstung eines todten Pflanzen-Theiles und die Verdunstung einer lebenden Pflanze , als zwei verschiedene Erscheinungen zu betrachten w\u00e4ren, und wir haben auch im Vorhergehenden kennen gelernt, dafs die Ausdunstung als ein Akt des Lebensprozesses der Pflanze angesehen werden mufs, w\u00e4hrend eine blofse Verdunstung der Feuchtigkeit abgeschnittener Pflanzentheile oder todter Pflanzen ganz und gar von den \u00e4ufseren Verh\u00e4ltnissen, als von der W\u00e4rme und dem Wasser-Gehalte der atmosph\u00e4rischen Luft abh\u00e4nge. Du Hamei sprach schon von der unmerklichen Ausd\u00fcnstung der Pflanzen und von der merklichen; doch verstand er unter der letzteren etwas ganz Anderes, als einige Botaniker der neueren Zeit, n\u00e4mlich die Excretion ver-fchiedener fl\u00fcssiger Stoffe, welche hie und da bei verschiedenen Pflanzen auf der Oberfl\u00e4che der Bl\u00e4tter und anderer Theile Vorkommen, w\u00e4hrend unter ersterer die wirkliche Transpiration begriffen wurde. Herr De Candolle *) hat dagegen durch eine Anzahl von Thatsachen jene, schon von Mariotte aufgestellte Ansicht \u00fcber die Verschiedenheit der Ausdunstung und der Verdunstung der Pflanzen festzustellen gesucht; die blofse Verdunstung der Pflanzen ohne sichtbare Poren nennt er den unmerklichen Abgang (d\u00e9perdition insensible), aber wo diese Verdunstung kr\u00e4ftiger und zwar mit H\u00fclfe von Spalt\u00f6ffnungen vor sich geht, da nennt sie Herr De Candolle die Ausstr\u00f6mung oder w\u00e4sserige Aushauchung, Benennungen, welche jedoch aus sehr verschiedenen Gr\u00fcnden nicht wohl zu adoptiren sein m\u00f6chten. Auch haben wir, schon seit Ha-\n\u00a5) Phys. v\u00e9g\u00e9t. I. pag. 198.\n","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nles Zeiten, den Namen der Transpiration f\u00fcr die eine dieser Erscheinungen, und icli wiifste nicht, was man gegen diese Benennung einzuwenden h\u00e4tte. Um kurz zu sein k\u00f6nnte man sagen, dafs die Transpiration die active Verdunstung ist, w\u00e4hrend das blofse Verdunsten der Feuchtigkeit durch \u00e4ufsere Umst\u00e4nde, eine rein passive Erscheinung f\u00fcr die Pflanze ist. Herr Treviranus *) sucht beide Erscheinungen mit Ausdunstung und Verdunstung zu bezeichnen, was aber doch sehr leicht zu Verwechselungen Veranlassung geben k\u00f6nnte.\nIm Allgemeinen richtet sich die Transpiration, ganz wie die passive Verdunstung nach eben denselben \u00e4ufseren Verh\u00e4ltnissen, doch wir haben auch Mittel kennen gelernt, welche die Transpiration auf eine auffallende Weise bef\u00f6rdern k\u00f6nnen, als z. B. die Wirkung des Sonnenlichtes, ohne dafs die passive Verdunstung hiebei gleichen Schritt i h\u00e4lt u. s. w. Indessen Herr De Candolle selbst macht schon die Bemerkung, es sei wahrscheinlich, dafs die Theile der blattartigen Organe, welche Spalt\u00f6ffnungen besitzen, neben der Transpiration auch die passive Verdunstung zeigen; ich m\u00f6chte jedoch dagegen annehmen, dafs die passive Verdunstung nur allein an abgestorbenen Pflanzen oder Pflanzen-Theilen vorkommt, dafs dagegen alle Aushauchung lebender Pflanzen, es m\u00f6gen Cryptogamen j oder Phanerogamen, Land- oder Wasserpflanzen sein, stets als eine wirkliche active Transpiration zu betrachten ist, und daher stimme ich der Meinung des Herrn Treviranus, dafs die Ausdunstung eine eingeschr\u00e4nkte Verdunstung ist, s nicht bei. Es ist diese Ansicht nicht etwa eine blofse Vermuthung, sondern sie ist auf vielfache Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand gegr\u00fcndet, welche ich, ganz in der Art wie die von Haies, Guettard und Bonnet angestellt habe; auch ist die Analogie mit der Transpiration bei den Thieren auf Seite dieser Ansicht.\nNachdem wir gegenw\u00e4rtig durch die vorhergehenden\n*) Physiologie der Gew\u00e4chse. \u00cf. pag. 485","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"117\nUntersuchungen ein Bild von der Aufnahme des Wassers durch die Pflanzen, so wie von deren Transpiration erhalten haben, bleibt uns noch die Frage zur Entscheidung \u00fcbrig, wie sich die Masse des Wassers verh\u00e4lt, welche die Pflanzen transpiriren, zu derjenigen, welche eben dieselben Pflanzen aufnehmen, um auf diese Weise n\u00e4her bestimmen zu k\u00f6nnen, wie grofs die Quantit\u00e4t des Wassers ist, welche in den Pflanzen zur\u00fcckbleibt, und welche zu verschiedenen Bildungen im Inneren derselben verwendet wird. Auch hier sind eine Reihe von Versuchen vorhanden, deren Resultate jedoch nur wenig \u00fcbereinstimmen, was aber in der Natur der Sache liegt; und so h\u00e4ufig auch diese Versuche wiederholt werden m\u00f6chten, so werden sie doch immer nur ann\u00e4hernde Resultate geben, denn Aufnahme des Wassers, so wie Transpiration desselben sind nach der Gr\u00f6fse und Kr\u00e4ftigkeit verschiedener Pflanzen, so wie nach den \u00e4ufseren meteorologischen Verh\u00e4ltnissen stets verschieden und, wie wir es auch kennen gelernt haben, so stehen Aufnahme des Wassers und Transpiration desselben nicht zu allen Zeiten der Pflanze in gleichem Verh\u00e4ltnisse, was aber bei diesen Versuchen ganz besonders zu ber\u00fccksichtigen ist. Im Allgemeinen nehmen die Pflanzen mehr Wasser auf, als sie aushauchen, wir haben aber auch dergleichen F\u00e4lle (pag. 87) kennen gelernt, wo dieselben zu gewissen Zeiten mehr ausdunsteten, als aufnahmen. Haies Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand sind eben so richtig, als die \u00fcbrigen dieses Gelehrten, und Herr G. W. Bischoff *) hat dieselbe, ebenso wie die Beobachtungen mancher anderer Botaniker, nur unrichtig und aufser dem Zusammenh\u00e4nge aufgefafst; auch Herr Treviranus **) hat jene Beobachtungen Haies unrichtig aufgefafst.\nDie \u00e4ltesten Versuche, welche \u00fcber die Menge des ausgehauchten Wassers und das Verh\u00e4ltnis desselben zu dem in der Pflanze zur\u00fcckbleibenden Wasser angestellt\n\u00a5) Lehrbuch der Botanik. II. Stuttgart 1836 pag. 274.\n**) Phys. der Gew\u00e4chse. I. pag. 492.","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nwurden, sind die von Woodward *); derselbe zog aus seinen Versuchen den Schlufs, dafs die Pflanzen h\u00f6chstens 100 \u2014 200 Mal mehr und wenigstens 46\u2014 50 Mal mehr Wasser aushauchen, als sie zu ihrer Ern\u00e4hrung zur\u00fcckbehalten. Diese Versuche sind indessen so unvollkommen angestellt, dafs sie durchaus kein richtiges Resultat geben k\u00f6nnen; es wurde gew\u00f6hnliches unreines Wasser dabei angewendet und abgeschnittene Aeste, worin die Fl\u00fcssigkeit nur durch die Transpiration der Oberfl\u00e4che emporgehoben wird.\nDie sp\u00e4teren Versuche \u00fcber diesen Gegenstand sind von Senebier**), dessen Versuch mit der Mentha-Pflanze \u00fcberaus lehrreich ist und zugleich zeigt, dafs sich Transpiration und die Aufnahme des Wassers bei den Pflanzen, in verschiedenen Perioden ihres Lebens und unter verschiedenen Witterungs-Verh\u00e4ltnissen ganz verschieden verhalten; Gr\u00fcnde, welche abermals daf\u00fcr sprechen, dafs die Transpiration der Pflanzen ein wahrer Lebens-Akt derselben ist. Senebier fand zuerst, dafs sich die Menge des von der M\u00fcnz-Pflanze aufgenommenen Wassers zu dem, welches durch die Bl\u00e4tter verdunstet wurde, gleich 3:2 verhielt, doch er sah auch bald, dafs sich dieses Verh\u00e4lt-nifs in verschiedenen Epochen der drei Monate, w\u00e4hrend welcher dieser Versuch angestellt wurde, sehr ver\u00e4ndere, und dafs gegen das Ende desselben, w\u00e4hrend sehr heifser Tage der Unterschied zwischen dem aufgenommenen und dem transpirirten Wasser sehr gering wurde, denn es verhielt sich dasselbe zu dieser Zeit = 15 I 13. Gr\u00f6fsere Genauigkeit in den Resultaten dieser Versuche ist schwerlich zu erlangen. Herr Burnett ***) hat eine sehr praktische Methode angegeben, um die Menge des resorbirten und die des transpirirten Wassers einer Pflanze aufzufinden. Er f\u00fcllt das Wasser, worin die zu untersuchende Pflanze\n*) Philosophical Transact. 1699. Nr. 253. pag. 193 \u2014 227.\n*\u00a5) Phys. v\u00e9g\u00e9t. T. IV. pag. 73 u. 74,\n***) I. c. pag. 93.","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"119\ngestellt wird, in ein graduirtes Glas, um sogleich die Quantit\u00e4t des Wassers zu kennen, welche durch die Pflanze aufgenommen wird; das Wasser wird dagegen mit Oel begossen um alle Verdunstung desselben aufzuheben. Wenn man nun nach beendetem Versuche die Pflanze wiegt, so erh\u00e4lt man auch die Quantit\u00e4t des Wassers, welche dieselbe in sich zuriickbehalten hat. So nahm ein Blatt einer Sonnenblume von 31^ Gran Schwere, in 4 Stunden 25 Gran Wasser auf, und da das Gewicht des Blattes nach dem Versuche nur um 4|Gran zugenommen hatte, so waren in jener Zeit wieder 20| Gran Wasser ausgehaucht.\nAus der Quantit\u00e4t des transpirirten Wassers, welche wir im Vorhergehenden bei einzelnen Versuchen mit kleinen Pflanzen und Pflanzen-Zweigen kennen gelernt haben, kann man auf die aufserordentliche Wassermasse schliefsen, welche von grofsen B\u00e4umen oder von den Pflanzen ganzer G\u00e4rten, ganzer Felder und W\u00e4lder t\u00e4glich verdunstet wird. Oftmals, wenn seit Monaten kein Regen gefallen ist, kann man es kaum begreifen, wo die grofse Wassermasse herkommt, welche t\u00e4glich von den Pflanzen ausgehaucht wird. Auch hier\u00fcber hat Haies*) h\u00f6chst interessante Untersuchungen angestellt, welche hinreichend genau sind, um die verlangte Auskunft zu geben. Er berechnete, dafs die Wurzeln einer Sonnenblume, deren Transpiration wir pag. 97 kennen gelernt haben, etwa 4 Cubic-Fufs Erde durchziehen. Durch andere Versuche fand Haies, dafs ein Cubicfufs jener Erde durchschnittlich ungef\u00e4hr 7 Pfund Wasser liefern k\u00f6nne, ohne f\u00fcr die Pflanze zu trocken zu werden, demnach konnte die Sonnenblume, welche t\u00e4glich 22 Unzen transpirirte, von den 28 Pfunden Wasser, in jenen 4 Cubicfufs Erde, gegen 21 Tage leben. Die Versuche \u00fcber die Quantit\u00e4t desThaues, welchen die Erde des Nachts wiedererhielt, ergaben f\u00fcr jene 4 Cubicfufs Erde noch 10 Pfund und 2 Unzen Wasser, wovon die Sonnenblume abermals 6\u20147 Tage leben konnte.\n*) !, c. pag. 52 etc,","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nNun kommt noch die Wasserniasse hinzu, welche die feuchtere Erde aus gr\u00f6fserer Tiefe und aus der Umgegend der trockeneren Erde allm\u00e4lich mittheilt, woraus denn, wenn wir dieses Alles zusammen halten, erkl\u00e4rlich wird, dafs die Pflanzen oftmals eine lange anhaltende D\u00fcrre ohne Schaden ertragen k\u00f6nnen. Diejenigen Pflanzen leiden dabei am st\u00e4rksten, deren Wurzeln so nahe der Erdoberfl\u00e4che verlaufen, dafs ihre umgebende Erde durch die Wirkung der Sonnenhitze bald ganz entw\u00e4ssert wird.\nViertes Gapitel.\nN\u00e4here Betrachtung der Stoffe, welche mit # dem Wasser des Bodens von den Pflanzen aufgenommen werden.\nAus den verschiedenen Versuchen von Davy, besonders aber aus jenen von De Saussure, welche im ersten Capitel umst\u00e4ndlich mitgetheilt wurden, geht ganz klar hervor, dafs die Pflanzen, sowohl die anorganischen, als auch die organischen Stoffe, welche ihnen im gel\u00f6sten } Zustande zur Aufnahme dargeboten werden, in einem vollkommen unver\u00e4nderten Zustande einsaugen, und demnach sind dergleichen Ideen ganz verwerflich, nach welchen man versucht hat die Erde als den Magen der Pflan- f zen darzustellen, worin diese durch die Absonderung der Wurzelspitzen die rohen S\u00e4fte verdauen und dann durch die Wurzeln, gleichsam wie die Lympfgef\u00e4fse im Darm-kanale der Thiere, den assimilirten Nahrungssaft aufnehmen sollen. Weder die eine noch die andere der Annahme, worauf sich diese Ansichten gr\u00fcnden, ist richtig.\nDie Meerpflanzen sind mit Seesalz beladen und wachsen auch nur in einem Wasser, welches jenes Salz enth\u00e4lt.\nDie Strandpflanzen und Salzpflanzen verk\u00fcmmeren in einem","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"121\nBoden, der ihnen kein Kochsalz darbietet, welches man in den kr\u00e4ftigen Exemplaren dieser Pflanzen in Menge vorfindet. Man s\u00e4ete die Saamen der Sonnenblume (Helianthus annuus) in einen sandigen Boden, der frei von Salpeter war, und die darauf gewachsenen Pflanzen lieferten bei der Analyse keinen Salpeter, w\u00e4hrend andere Sonnen-Blumen-Pflanzen, welche auf eben demselben Boden mit einer Aufl\u00f6sung von Salpeter begossen waren, denselben auch in ihrem Gewebe enthielten *). De Saussure und viele andere Chemiker haben in verschiedenen Pflanzen, welche auf einem kalkreichen Boden wuchsen, mehr Kalk gefunden, als in solchen, welche auf einem anderen Boden wuchsen, der nur sehr wenig oder gar keinen Kalk enthielt. Ja, es liefse sich aus den vorhandenen Beobachtungen der Art noch eine grofse Menge von Beispielen auff\u00fchren, welche alle ganz klar erweisen, dafs die Salze und Erden im unzersetzten Zustande in die Pflanzen \u00fcbergehen. Erinneren wir uns jedoch der Resultate, welche die Untersuchungen \u00fcber das Vorkommen der Crystalle in den Pflanzen dargeboten haben, so wird es erkl\u00e4rlich, auf welche Weise einige der aufgenommenen Salze und Erden im Inneren der Pflanze zersetzt werden k\u00f6nnen, und wie sich dadurch eine Menge von neuen Salzen und Doppelsalzen bilden, welche durch ihre Schwerl\u00f6slichkeit oder Unl\u00f6slichkeit im Wasser in Form von Crystallen in den Zellen der Pflanzen auftreten.\nWir kommen hiebei zu der Er\u00f6rterung der Frage ob jene, von der Pflanze aufgenommenen organischen Stoffe, als Nahrungsmittel derselben zu betrachten sind, oder ob ihr Vorkommen darin nur als zuf\u00e4llig angesehen werden muls; w\u00e4re Ersteres der Fall, so w\u00e4re die Abh\u00e4ngigkeit der Pflanzen von ihren Stand\u00f6rtern in geognostischer Hinsicht als ganz erwiesen anzunehmen, w\u00e4hrend Letzteres jene Ansicht von der Abh\u00e4ngigkeit der Pflanzen von ihrem Boden ganz und gar bek\u00e4mpfen w\u00fcrde. Es scheint mir\n*) Man sehe De Saussure I. c. pag. 243.","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"\n122\njedoch, dafs sich schon heutigen Tages \u00fcber diesen Gegenstand etwas Entschiedenes sagen l\u00e4fst, und dafs die Wahrheit gerade in der Mitte steht; damit will ich n\u00e4mlich -sagen, dafs einige der aufgenommenen anorganischen Stoffe ganz zuf\u00e4llig in der Pflanze Vorkommen, indem sie sich mit anderen, in der aufgenommenen Nahrungsfl\u00fcssigkeit enthaltenen Stoffen im gel\u00f6sten Zustande befanden, w\u00e4hrend dagegen gewisse Salze und Erden zum Wachsen und \u00dfe- * stehen gewiss er Pflanzen ganz unumg\u00e4nglich n\u00f6thig sind, daher man dieselben aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, gleichsam als Nahrungsmittel ansehen kann. Die Sache verh\u00e4lt sich bei den Thieren ganz \u00e4hnlich, denn die phosphorsaure Kalkerde und die kohlensaure Kalkerde, welche den verschiedenen Thieren zu ihrem Skelette und zu ihrer Schale dienen, sind ebenfalls als solche anzusehen, die den Thieren unumg\u00e4nglich n\u00f6thig sind. Andere Thiere * nehmen zuweilen mit besonderer Gierde grofse Massen von Kochsalz zu sich und gedeihen dabei auch vorteilhaft, ohne dafs dieses Salz in so grofser Menge zu ihrem W^achsthume unumg\u00e4nglich n\u00f6thig ist.\nIn den letzteren Jahren sind in England durch Herrn Daubeny *) eine Reihe von neuen Versuchen \u00fcber das Vorkommen der anorganischen Substanzen in den Pflanzen angestellt, aus welchen der Autor den Schlufs zieht, dafs ) die Pflanzen-Wurzeln, wenigstens in einem gewissen Grade, eine Auswahl aus den ihnen dargebotenen gel\u00f6sten Stoffen treffen k\u00f6nnen, und dafs die Aufnahme der, die Grundlage ihrer festen Bestandtheile bildenden erdigen Stoffe, s der Art nach, durch urspr\u00fcngliche Gesetze bestimmt wird, wiewohl die Quantit\u00e4t, welche wirklich aufgenommen wird, von der gr\u00f6fseren oder geringeren Menge dieser Stoffe abh\u00e4ngen d\u00fcrfte, welche der aufsaugenden Oberfl\u00e4che dar- . geboten wird. Die Versuche Daubeny's sind sehr umst\u00e4ndlich mitgetheilt ; er w\u00e4hlte schwefelsauren Strontian, worin\nThe Edinb. New Philos. Journ. 183o, April \u2014 Juli. \u2014 Frorieps Notizen etc. 1835. Aug. pag. 192 etc,","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"123\ndie Pflanzen wachsen mufsten und f\u00fcr die vergleichenden Versuche auch noch andere Substanzen, doch mir scheint es, dafs man aus den Resultaten jener Versuche keineswegs auf irgend eine Wahlf\u00e4higkeit der Wurzeln der Pflanzen schliefsen darf, sondern dafs die Aufnahme der erdigen Substanzen ganz von dem Grade der L\u00f6sung abh\u00e4ngt, worin sie den Wurzeln dargeboten werden und wie es so schon von De Saussure nachgewiesen wurde,\nHerr Daubeny s\u00e4ete 300 Gran Gerstenk\u00f6rner in vier, mit verschiedenen Substanzen gef\u00fcllte Kasten, n\u00e4mlich in schwefelsauren Strontian, in cararischen Marmor, in Seesand und in Schwefelblumen, und begofs die Pfl\u00e4nzchen mit destil-lirtem Wasser, worin auf 10 Gallonen, 2 Unzen salpetersaurer Strontian gel\u00f6st waren. Man schnitt die Pflanzen nicht fr\u00fcher ab, als bis alles Wasser verbraucht worden war, so dafs jeder Kasten ungef\u00e4hr eine halbe Unze jenes Salzes erhalten hatte. Die Gerstenpflanzen, welche im schwefelsauren Strontian vegetirt hatten, zeigten ein Gewicht von 383 Gran, die aus dem cararischen Marmor ein Gewicht von 235 Gran, die aus dem Seesande 260 Gran und die aus den Schwefelblumen sogar nur 68 Gran. Die Asche dieser Pflanzen zeigte in derselben Reihenfolge ein Gewicht von 61, 34, 45 und 7 Gran, w\u00e4hrend 30 Gran Gerstenk\u00f6rner vor dem Keimen durch Verbrennen 7,7 Gran Asche gaben. Bei der Untersuchung dieser Pflanzen auf salpetersauren Strontian zeigte es sich, dafs die Pflanzen, welche im schwefelsauren Strontian gewachsen waren, an 0,3 Gran des salpetersauren Strontians enthielten, die Pflanzen aus dem cararischen Marmor zeigten 0,4 Gran dieses Salzes und in den anderen Pflanzen war keine Spur davon aufzufinden. Die trockene Substanz der Pflanzen, welche in Schwefelblumen gezogen waren, betrug jedoch nur -i- der Masse der \u00fcbrigen Pflanzen, man konnte demnach auch wohl nur von jenen Gran des salpetersauren Strontians darin vermuthen, welche wohl schwer nachzuweisen sein m\u00f6chten. Dafs die Gerstenpflanzen in den verschiedenen Substanzen wachsend, sehr verschiedene","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nGewichtszunahme zeigten, das ist ganz allein durch den verschiedenen Grad der Verunreinigung jener Substanzen mit l\u00f6slichen Stoffen zu erkl\u00e4ren, wor\u00fcber bald nachher \u201c specielle Nachweisung gegeben werden wird.\nEs ist schon seit langer Zeit bekannt, dass die Nesseln (Urtica urens und Urtica dioica) und mehrere andere Pflanzen, als Borago officinalis, Parietaria officinalis, Chenopo- _ dium vulvaria, Ch. vulgare u. s. w., welche wir mit dem Namen der Schuttpflanzen zu bezeichnen pflegen, den salpetersauren Kalk und salpetersaures Kali vorzugsweise lieben, und daher auch an solchen Pl\u00e4tzen, wo Salpeter erzeugt wird, aufserordentlich \u00fcppig vegetiren; indessen diese Pflanzen k\u00f6nnen auch auf einem salpeterlosen Boden wachsen, wenngleich, wie es scheint, nicht immer so \u00fcppig. Schon De Saussure macht darauf aufmerksam, dafs das Kochsalz, welches den Strand- und Salz-Pflanzen * zu ihrem Gedeihen so unumg\u00e4nglich n\u00f6thig ist, anderen Pflanzen, als dem Getreide in eben demselben Verh\u00e4ltnisse sch\u00e4dlich, wie es jenen n\u00fctzlich ist. Vielleicht liegt auch hierin der Nutzen, welchen man bei der D\u00fcngung des Bodens mit Kochsalz, und in noch viel h\u00f6herem Grade bei der D\u00fcngung mit Salpeter bemerkt hat. Es m\u00fcssen diese Salze in \u00e4ufserst geringen Quantit\u00e4ten angewendet werden; sie wirken dann wie Reizmittel und vergr\u00f6fsern I den Einflufs des D\u00fcngers auf die Vegetation augenscheinlich. Lampadius fand, dafs Kochsalz die Vegetation von Hafer und Roggen sehr beg\u00fcnstigte, wenn etwa 14,6 Gran Kochsalz auf ein Quadratfufs Fl\u00e4che ausgestreuet wurde. * Den reizenden Einflufs des Salpeters hat man schon \u00f6fters beobachtet*); so sah Tromsdorf, dafs ein Ast der Mentha piperita, den er in eine Aufl\u00f6sung von Salpeter gelegt hatte, um 378 Gran schwerer geworden war, in- * dem ein anderer von eben der Pflanze, in reinem Wasser, nur 145 Gran an Gewicht zugenommen hatte. Seit lan-\n\u00a5) S. Hermbst\u00e4dt's Archiv der Agriculturchemie. 2, Bd. 1816. pag. 413.","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"125\nger Zeit wird im Wiirtembergsehen die Hallerde von Sulz in sehr fein zertheiltem Zustande als D\u00fcngungsmittel in Anwendung gesetzt, welche haupts\u00e4chlich aus Kochsalz, Gyps und Thon besteht und in dem Maafse verbraucht wird, dafs der Quadratfufs Fl\u00e4che nur 6,3 Gr. Kochsalz, 6 Gr. Gyps mit 8,8 Gr. Kalk und 30,2 Gr. Thon erhalten*). De Saussure**) war auch der Meinung, dafs auf eine \u00e4hnliche Weise die vortheilhafte Wirkung zu erkl\u00e4ren w\u00e4re, welche der Gyps auf die Entwickelung der Luzerne, des Klee\u2019s und der Esparsette ausiiben. Der Gyps mag wohl als Reizmittel, ebenso wie Kochsalz und Salpeter wirken, er erfordert 460 Theile Wasser zu seiner L\u00f6sung, und wird sich demnach schwerlich so stark l\u00f6sen, dafs dadurch den Pflanzen Nachtheil gebracht wird, selbst wenn er in grofser Menge angewendet ist. Daher m\u00f6chte ich es nur auf diesem Wege erkl\u00e4ren, wefshalb man gewisse Pflanzen vorzugsweise auf diesem, und andere wieder auf anderem Boden vorfindet; indem diese Gew\u00e4chse auf einem solchen Boden Vorkommen, finden sie daselbst die, ihnen besonders zutr\u00e4glichen Stoffe, wodurch sie zu einer \u00fcppigeren Vegetation angeregt werden, dadurch eine gr\u00f6fsere Menge von Saamen zur Reife bringen, und sich auf diese Weise auf demselben Boden st\u00e4rker vermehren, als auf einem anderen, daher auch auf einem solchen Boden immer h\u00e4ufiger, als auf einem anderen angetroffen werden. Auch bei den Thieren findet dasselbe statt, denn viele von ihnen sind nur auf gewisse einzelne Nahrungsmittel angewiesen, w\u00e4hrend andere die mannigfaltigsten Stoffe zu sich nehmen k\u00f6nnen, aber bei diesen und jenen Mitteln dennoch vorzugsweise gut gedeihen. Hierauf beruht denn meine Ansicht \u00fcber das Abh\u00e4ngigkeits-Verh\u00e4ltnis, worin die Pflanzen zu ihrem Boden stehen, ein Gegenstand, \u00fcber welchen seit einem halben Jahrhundert sehr Vieles f\u00fcr\n*) Alberti, die Gebirge W\u00fcrtemberg\u2019s, mit Anmerk, von Sch\u00fcb-ler. Stuttg. 1836 pag. 212 etc.\n**) 1. c. pag. 241,","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nund gegen gesprochen ist, obgleich, dem Wesentlichsten nach, die Schriftsteller s\u00e4mmtlich \u00fcber denselben einer Meinung waren. Man kannte eine Menge von Pflanzen, -welche mehr oder weniger ausschliefslich dieser oder jener Bodenart angeh\u00f6rten, man wufste aber auch schon, dafs hier die Abh\u00e4ngigkeit von diesem Boden auf einem bestimmten Stoffe beruhe, welchen jene Pflanzen unumg\u00e4nglich zu ihrem Wachsthume bedurften, wie z. B. das Koch- * salz bei den Salzpflanzen u. s. w. Herr Unger, dessen Werk: Ueber den Einflufs des Bodens auf die Vertheilung der Gew\u00e4chse etc., wir schon mehrmals angef\u00fchrt haben, nennt dergleichen Pflanzen bodenstete, w\u00e4hrend er diejenigen, welche zwar nicht einer einzigen Bodenart ausschliefslich angeh\u00f6ren, jedoch eine gewisse, allen anderen vorziehen, bodenholde Pflanzen nennt, und unter bodenvagen Pflanzen diejenigen versteht, welche^ durchaus an kein Verh\u00e4ltniss zu einem bestimmten Boden gebunden zu sein scheinen. Diese besonderen Benennungen f\u00fcr jene gedachten Verh\u00e4ltnisse m\u00f6chten auch allen Freunden der Wissenschaft erw\u00fcnscht sein, indem sie ganz kurz die damit verbundenen Begriffe angeben. Hierin besteht aber auch wohl die ganze Lehre von dem Einfl\u00fcsse des Bodens auf die Vegetation (in geognostischer Hinsicht), welche, besonders in ganz neuerer Zeit durch} die Herren Oswald Heer *) und Unger **) mit aufseror-dentlichem Fleifse in numerischer und in physiographi-scher Hinsicht bearbeitet worden ist. Bei dem Allen kann ich den Resultaten jener sch\u00e4tzenswerthen Arbeiten inBe-s zug auf diesen Gegenstand nicht beistimmen, sondern mit Herrn De Candolle und Schouw, Wahlenberg und einigen anderen Botanikern, welche sich dar\u00fcber ausgesprochen haben, l\u00e4ugne ich allen Einflufs des Bodens in Hinsicht . seiner geognostischen Beschaffenheit auf das Vorkommen\n*) Mittheilungen aus dem Gebiete der theoretischen Erdkunde von J. Froebel und Osw. Heer. Z\u00fcrich 1834 und 1836.\n**) 1. c. pag. 168-200.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"127\nder Pflanzen, und also auch auf den Character der Vegetation, wie ich es auch schon in meinem Grundrisse der Pflanzengeographie gethan habe. Alles Factische, was man f\u00fcr jene Ansicht von dem Einfl\u00fcsse des Bodens auf den Character der Vegetation mitgetheilt hat, l\u00e4fst sich theils nach den, vorhin ausgesprochenen Erfahrungen durch die chemische Beschaffenheit des Bodens erkl\u00e4ren, theils beruht die Ursache auf rein \u00e4ufserlichen Verh\u00e4ltnissen; so sagt schon Herr Schouw ganz trefflich, dafs die geognostische Beschaffenheit des Bodens keineswegs zu \u00fcbersehen sey, denn einige Gebirgsarten verwittern leichter als andere und erhalten daher eine \u00fcppigere Vegetation, offenbar deishalb, weil auf demselben mehr Wasser angeh\u00e4uft wird, welches aufser den organischen Stoffen auch die neutrale kohlensaure Kalkerde aufl\u00f6sen und somit eine grofse Menge von Kohlens\u00e4ure in die Pflanzen einf\u00fchren kann. Die Beschaffenheit der Oberfl\u00e4che ist den Pflanzen bei einigen Bodenarten g\u00fcnstiger, als bei anderen, und hierin d\u00fcrfte man vielleicht mehr, als in der chemischen Beschaffenheit die Ursache suchen, warum einige Flechten einer gewissen Gebirgsart eigenthiimlich sind, oder doch wenigstens auf dieser am h\u00e4ufigsten Vorkommen.\nAlle die Erden und Salze, welche die Pflanzen durch ihre Wurzeln mit dem Nahrungssafte aus dem Boden aufgenommen haben, m\u00f6gen sie durchaus n\u00f6thig f\u00fcr die Vegetation der Pflanze oder nur zuf\u00e4llig dann enthalten sein, befinden sich in denselben, entweder im gel\u00f6sten Zustande, oder krystallisirt, was sich ganz nach der L\u00f6sbarkeit der Stoffe im Wasser richtet, und viele jener kry-stallisirten Stoffe lassen sich schon aus der Form der Krystalle erkennen, wor\u00fcber im ersten Theile ausf\u00fchrlicher abgehandelt wurde; zur Darstellung der festen Pflanzensubstanz, d. h. der Membranen und K\u00fcgelchen,\n*) Grundz\u00fcge einer allgemeinen Pflanzengeographie. Berlin\n4823 pag. 157.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nworaus das Ger\u00fcste des Pflanzenk\u00f6rpers besteht, tragen jene anorganischen Stoffe jedoch niemals bei.\nWir kommen zur Betrachtung der \u00fcbrigen Stoffe, welche die Pflanzen zu ihrer Ern\u00e4hrung aufnehmen und die darin enthaltenen organischen Substanzen assimiliren; aber ehe wir diesen Assimilations- und Bildungsprozefs anzudeuten suchen, wollen wir alle die Stoffe einzeln aufz\u00e4hlen, welche den Pflanzen zu ihrer Ern\u00e4hrung auf verschiedenen Wegen zugef\u00fchrt werden. Sind einmal alle die Stoffe festgestellt, welche in die Pflanzen unver\u00e4ndert eindringen, und kennt man auch diejenigen, welche bei dem Assimilations- und Secretions-Prozesse wieder ausgestofsen werden, so wird es leichter werden, die chemischen Prozesse zu verfolgen, deren sich die Assimilation in den Pflanzen bedient, wenn man nur die chemischen Analysen der eingef\u00fchrten Stoffe mit denjenigen der ausgef\u00fchrten vergleicht.\nAm Schl\u00fcsse des vorigen Capitels lernten wir ann\u00e4herungsweise die Menge des Wassers kennen, welche von den Pflanzen aufgenommen und nach Abzug des ausgehauchten Wassers in denselben zur\u00fcckbleibt; es fragt sich nun, in welchem Zustande und zu welchem Zwecke jenes Wasser von den Pflanzen verbraucht wird.\nBis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts sind eine Menge von Versuchen angestellt worden, um zu beweisen, dafs die Pflanzen durch reines Wasser ern\u00e4hrt werden k\u00f6nnen, dafs dieselben also alle diejenigen Stoffe, welche in ihnen Vorkommen, aus dem Wasser allein bilden. Ich f\u00fchre hier nur den ber\u00fchmten Versuch von Helmont an, welcher lange Zeit hindurch als ein Beweis f\u00fcr jene Ansicht aufgefiihrt wurde. Helmont steckte einen Weidenzweig von 5 Pfund Gewicht in einen K\u00fcbel mit 200 Pfund getrockneter Erde und begofs denselben mit Regenwasser, worauf der Weidenzweig so vortrefflich wuchs, dafs er in 5 Jahren ein Gewicht von mehr als 169 Pfund erreicht hatte, w\u00e4hrend sich die Erde im K\u00fcbel nur um 3 Unzen vermindert hatte. Man sieht leicht ein, dafs ein solcher Versuch keineswegs denjenigen Grad","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"129\nvon Genauigkeit besitzt, welcher dazu erforderlich ist, denn das Regenwasser enth\u00e4lt eine Menge organischer und unorganischer Substanzen, wenn man bei dem Auffangen desselben nicht sehr vorsichtig ist, und aufserdem ist die Pflanze bei jenem Versuche unverdeckt geblieben, demnach ist auch die Erde, worin die Pflanze wuchs, durch eine Masse von Substanzen verunreinigt, welche sich als Staub niedergesetzt haben. Aehnliche Versuche wurden noch von anderen Chemikern angestellt, wor\u00fcber Herr Treviranus *) am ausf\u00fchrlichsten berichtet hat. Erst Du Hamel\u2019s Versuche sind von der Art, dafs sie einige Beachtung verdienen ; er liefs **) grofse Bohnen zwischen feuchten Schw\u00e4mmen keimen und setzte dann ihre Wurzeln in den Hals einer mit reinem Seine-Wasser gef\u00fcllten Flasche, worauf drei Fufs hohe Stengel herauswuchsen, Bliithen trugen und einige kleine Fr\u00fcchte ansetzten. Rofskasta-nien-B\u00e4umchen wurden auf \u00e4hnliche Weise gezogen und im dritten Jahre in den Garten gesetzt, wo sie gut fortkamen. Eine Eiche dauerte S Jahre aus, indessen war dieselbe doch aufserordentlich zur\u00fcckgeblieben, denn sie hatte bei 18 Zoll H\u00f6he nur 19 \u2014 20 Linien im Umfange, Du Hamei war damals der Meinung, dafs alle diese B\u00e4umchen aus dem reinen Wasser gebildet w\u00fcrden, er erkannte aber doch schon, dafs sie bei dieser einfachen Nahrung sehr zur\u00fcckblieben, und wir wissen gegenw\u00e4rtig, dafs der gr\u00f6fste Antheil bei der Ern\u00e4hrung der Pflanzen auf diesem Wege nur den Cotyledonen zukommt, und dafs solches Wasser, wie sich Du Hamei bediente, lange nicht rein genug ist. De Saussure ***) war es haupts\u00e4chlich, welcher zeigte, dafs die Pflanzen nicht von reinem Wasser wachsen k\u00f6nnen, sondern sich nur so lange erhalten, als die in den Cotyledonen niedergelegten Nahrungsstoffe ausreichen; er liefs verschiedene Saamen, als Vice-Bohnen, t\u00fcr-\n1. c, I, pag. 396.\n\u00a5\u00a5) 1. c. II. pag. 160.\n***) 1. c. pag. 225.\nMe y en. Ffl. Physiol. 11.\n9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nkische Bohnen und Gartenkresse in reinem Sande oder in Pferdehaaren wachsen und begofs dieselben mit destillir-tem Wasser, worauf die Pflanzen sich entwickelten, oftmals sogar zur Bl\u00fcthe kamen, aber niemals reife Saamen ansetzten. Dergleichen Versuche sind sehr oft angestellt worden, und je genauer man darauf gesehen hat, alle diejenigen Stoffe auszuschliefsen, welche der Pflanze zur Nahrung dienen k\u00f6nnten, um so bestimmter hat man gefunden, dafs sich die keimenden Pflanzen nur durch die in ihrem Saamen aufgeh\u00e4uften Nahrungsstoffe ern\u00e4hren und weiter fortwachsen; aber wurden die Versuche ganz genau angestellt, so kamen die Pfl\u00e4nzchen niemals so weit, als in dem Saussure\u2019schen Versuche angegeben wurde. Ich habe verschiedene Saamen in fein gepulvertem cararischen Marmor ges\u00e4et, der vorher mehrmals mit destillirtem Wasser ausgewaschen war, und habe dann die Saamen mit destillirtem Wasser iibergossen und in verschlossenen Glaskasten wachsen lassen, aber unter diesen Umst\u00e4nden kamen dieselben nicht weit in ihrer Entwickelung; die Kresse kam selten zur Bildung des zweiten Bl\u00e4ttchens, und schnitt ich die Cotyledonen, gleich nach ihrem Ausbruche ab, so starb das Pfl\u00e4nzchen in Zeit von 24 Stunden. Ich habe diese Versuche mehrmals wiederholt und meistens in 4\u20146 T\u00f6pfchen zugleich angestellt, aber niemals die Pflanzen zur Bl\u00fcthe gebracht, und \u00e4hnlich verhielt es sich mit den Saamen der Balsamine und der Ipo-moea variabilis; aber man muss bei diesen Versuchen auch nicht mehr, als ein einzelnes Saamenkorn in einem besonderen Topfe ziehen, sonst kann man durch die Substanz der unaufgegangenen Saamen zu falschen Resultaten gef\u00fchrt werden. Auch Herr Jabionski *) hat dergleichen Versuche mit aller erforderlichen Genauigkeit angestellt; er nahm vollkommen gereinigte Schwefelblumen und sah\n*) Beitrag zur L\u00f6sung der Frage, .ob durch den Vegetations-procefs chemisch unzerlegbare Stoffe gebildet werden? \u2014 Wieg-raann\u2019s Archiv f\u00fcr Naturgeschichte. 1836. I. pag. 206\u2014212.","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"131\nzwar, dafs sich die Cotyledonen der Pfl\u00e4nzchen entwickelten, aber die Plumula zeigte kaum Neigung sich zu verl\u00e4ngeren; dagegen wurden die Pfl\u00e4nzchen in gew\u00f6hnlichen k\u00e4uflichen Schwefelblumen viel gr\u00f6fser, was ich ebenfalls bei Balsaminen-Saamen beobachtete, die in ungewaschenen Marmor ges\u00e4et worden waren.\nHerr Unger *) scheint dennoch die entgegengesetzte Ansicht zu haben, denn er meint, dafs viele Versuche vorliegen, welche zur klaren Einsicht bringen, dafs Pflanzen, deren Wurzeln biofs durch Wasser befeuchtet wurden, nicht nur ihr Leben erhielten, sondern selbst noch bedeutend wuchsen. Herr Unger scheint hiebei haupts\u00e4chlich die Versuche von Du Hamei im Auge zu haben, welche ich pag. 129 anf\u00fchrte, und hat dabei jedenfalls \u00fcbersehen, dafs Pflanzen und Thiere eine gewisse Zeit lang von der, in ihnen aufgeh\u00e4uften Reservenahrung nicht nur ihr Leben erhalten, sondern selbst langsam fortvegetiren k\u00f6nnen; es wird nicht n\u00f6thig sein, dafs man hiezu noch Beispiele auff\u00fchrt. Indessen Herr Unger f\u00fchrt zur Best\u00e4rkung seiner Meinung die Versuche von Crell, Braconnot und Saussure an; ersterer brachte Pfl\u00e4nzchen von Helianthus annuus in Sand und Quellwasser zur Blumen und Fruchtbildung, doch sowohl der Sand, als das Quellwasser enth\u00e4lt fremde Substanzen, von welchen jene Pflanzen ern\u00e4hrt sind, denn schliefst man dieselben von allen fremden l\u00f6slichen Substanzen ab, so vegetiren sie nur so lange, als die Reservenahrung ausreicht, was auch De Saussure bei seinen Versuchen angegeben, aber von Herrn Unger \u00fcbersehen worden ist. Braconnot gebrauchte zwar das destil-lirte Wasser zu seinen Versuchen, doch die Substanz, welche er statt der Erde anwandte, war nicht genug gereinigt, wie es offenbar die angef\u00fchrten entgegengesetzten Versuche von Herrn Jabionski, Giobert, Lassaignes u, A. m. beweisen.\nSchliefslich mufs ich noch einiger Versuche gedenken,\n9 *\n*) Ueber d. Einfl. d\u201e Bodens pag. 127.","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nwelche eine Gehalts-Zunahme an Kohlenstoff bei blofser Ern\u00e4hrung durch Wasser auf das B\u00fcndigste erweisen sollen. Crells *) Versuche sind in dieser Hinsicht schon oft an- i gef\u00fchrt worden; er liefs eine Hyazinthen-Zwiebel in destillirtem Wasser und im abgesperrten Raume vegetiren und will gefunden haben, dafs diese Pflanze, nachdem sie 6\u20147 Zoll lange Bl\u00e4tter entwickelt hatte, eine Zunahme von 47,166 Gran Kohlenstoff erfahren habe, obgleich die mit eingeschlossenen, 50 Cubiczoll atmosph\u00e4rischer Luft h\u00f6chstens 0,08 Gran Kohlenstoff enthalten konnte. Da wir aber wissen, dafs dergleichen Angaben nur Ann\u00e4herungsweise richtig sein k\u00f6nnen (denn wie hat Crell den Kohlenstoff in der Zwiebel vor dem Auswachsen bestimmt?), und da wir gegenw\u00e4rtig nach mehrmaligen Wiederholungen dieses Versuches entgegengesetzte Resultate erhalten haben, ich f\u00fchre nur die sch\u00f6nen Versuche des Herrn Goeppert**) ? an, so m\u00f6chte ich die Richtigkeit jener CrelFschen Angabe ganz und gar bezweifeln. Auch John fand keine Zunahme an Kohlenstoff, wenn er Saamen von Helianthus annuus in gereinigten Schwefelblumen, feuchtem Marmor und Sand wachsen liefs.\nW asser allein ist also zur Ern\u00e4hrung der Pflanzen nicht tauglich; Pflanzen, welche darin aus ihren Saamen gezogen werden, vergr\u00f6fsern zwar ihr Gewicht, doch diese I Vergr\u00f6fserung beruht einzig und allein auf der Wassermasse, welche von der Pflanze aufgenommen und zur\u00fcckbehalten ist. De Saussure kam schon zu dem Resultate, dafs die Pflanzen das Wasser binden, d. h., dafs sie es in * einen festen Zustand versetzen k\u00f6nnten, indessen diese Bindung (oder Assimilation, wie es De S. nennt) werde nicht eher deutlich, als wenn die Pflanzen zu gleicher Zeit Kohlenstoff einnehmen. Die neuere Chemie lehrt auch * ganz bestimmt, dafs das aufgenommene Wasser, wenigstens\n*) Chemische Annalen. 12. Band. 1799 pag. 110.\n\u00a5\u00a5) Nonnulla de plantarum nutritione. Dissert, inaug. Berolini 1825 pag. 24 etc.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"133\nzur Bildung der assimilirten Nahrungsstoffe und zur Darstellung des vegetabilischen Gewebes nicht zersetzt, sondern nur in verschiedenen Quantit\u00e4ten mit dem Kohlenstoffe in Verbindung tritt, und auf diese Weise in einen festen Zustand \u00fcbergeht. De Saussure *) suchte zu erweisen, dafs die Pflanzen das Wasser binden k\u00f6nnten, wenn ihnen Kohlens\u00e4ure mit der Luft, worin sie vegetiren, zugef\u00fchrt wird, deren Kohlenstoff sie sich alsdann aneignen. Er liefs n\u00e4mlich verschiedene Pflanzen in einer Luft wachsen, welcher eine bestimmte Quantit\u00e4t Kohlens\u00e4ure zugesetzt war und fand, dafs sie ihre feste Materie vermehrten. So wogen z. B. sieben Sinngr\u00fcn-Pflanzen vor dem Versuche 168-f Gran, und eine solche Masse dergleichen Gew\u00e4chse enthielt 51 Gran trockene vegetabilische Materie; nach dem Versuche enthielten jedoch jene TPflanzen \u00d6lGran trockener Materie und hatten demnach eine Gewichtszunahme von 10 Gran erfahren. Die Berechnung der eingenommenen Kohlens\u00e4ure ergab hiezu 4-b Gran und demnach glaubt De Saussure, dafs die anderen 5,8 Gran von dem gebundenen, oder in festen Zustand versetztem Wasser herr\u00fchren. Es ist \u00fcbrigens leicht einzusehen, dafs die quantitative Bestimmung des von den Pflanzen gebundenen Wassers zu den schwierigsten, ja eigentlich zu den unausf\u00fchrbaren Versuchen geh\u00f6rt, daher denn auch jene Berechnung nur ann\u00e4herend richtig sein kann. Ob der Kohlenstoff der Kohlens\u00e4ure und reines Wasser, selbst wenn man diese Substanzen den Wurzeln der Gew\u00e4chse darbietet, allein hinreichend sind, um dieselben vollkommen zu ern\u00e4hren, das ist bis zu der gegenw\u00e4rtigen Zeit ebenfalls noch nicht ausgemacht. Es sind Beobachtungen vorhanden, nach welchen Pflanzen, die mit Kohlens\u00e4ure-haltigem Wasser begossen wurden, kr\u00e4ftiger wuchsen, als wenn sie mit gew\u00f6hnlichem Wasser begossen wurden; leider sind aber auch ebenso viele Angaben vorhanden, welche von der Anwendung der Kohlens\u00e4ure keinen so herrlichen Erfolg\n*) 1. c. pag. 207.","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\ndarthun und mehrere Gelehrte, zuletzt noch Herr Treviranus* *), haben die Einwirkung der Kohlens\u00e4ure, durch Aufnahme aus dem Boden, auf eine \u00fcppigere Vegetation ganz bestritten, und folgen den Angaben De Saussure\u2019s, welcher die Zunahme der Pflanzen an Kohlenstoff, in den vorher angef\u00fchrten Versuchen, aus der Luft ableitete. Herr Treviranus meint, dafs die Vegetation am Rande und in der N\u00e4he von Kohlens\u00e4ure-haltigen Quellen, so wie in einem von Kohlens\u00e4ure durchdrungenen Boden \u00fcppiger sein m\u00fcfste, was doch ebenfalls nicht wahrgenommen werde. Dafs dieses aber doch wirklich der Fall ist, wenn gleich Herr Treviranus sich davon noch nicht \u00fcberzeugt hat, das ist neuerlichst auch durch Herrn M. J. Schleiden **) angegeben worden; derselbe macht auf die Ueppigkeit der Pflanzen aufmerksam, welche in den Wasserbecken und in der n\u00e4chsten Umgebung derselben Vorkommen, die bei der W ehnder Papierm\u00fchle bei Goettingen, ihres Gehaltes an Kohlens\u00e4ure wegen, so bekannt sind. Die reiche Vegetation daselbst prangt nicht nur mit einem \u00fcppigeren Gr\u00fcn, sondern sie erscheint daselbst um ganze Wochen fr\u00fcher und h\u00e4lt auch l\u00e4nger daselbst ans. Auch ich erinnere mich eines Sumpfes bei Tilsit, dessen Boden sehr reich an Kohlens\u00e4ure-haltigem Wasser war, auf welchem die kr\u00e4ftig wachsenden Pflanzen stets doppelt so hoch, als an anderen Standorten vorkamen und undurchdringliche Massen bildeten.\nUm diesen Gegenstand n\u00e4her zur Entscheidung zu bringen, habe ich im vergangenen Sommer eine grofse Anzahl von Versuchen angestellt, aber leider ebenfalls kein g\u00fcnstiges Resultat erhalten. Es wurden die Saamen der Balsaminen, der Vice-Bohne, der Kresse, des K\u00fcrbisses u. A. m. in vollkommen reinen carrarischen Marmor ge-s\u00e4et und best\u00e4ndig mit Kohlens\u00e4ure-haltigem Wasser\n*) Physiologie. I. pag. 403.\n*\u00a5) Notiz \u00fcber die Einwirkung freier Kohlens\u00e4ure auf die Ern\u00e4hrung\nder Pflanzen. \u2014 Wiegmann\u2019s Archiv etc. 1831. I. pag, 279.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"135\nbegossen. In anderen F\u00e4llen liefs ich die Fl\u00fcssigkeit von Unten in den Marmor eindringen, aber niemals sah ich einen besonders auffallenden Erfolg, einige der Pfl\u00e4nzchen wurden allerdings um ein Weniges gr\u00f6fser, als dergleichen Pflanzen, welche, unter gleichen Verh\u00e4ltnissen, mit reinem destillirten Wasser begossen wurden; die meisten aber waren, unter beiden Verh\u00e4ltnissen, selten bis \u00fcber die Entwickelung des zweiten und dritten Bl\u00e4ttchens zu bringen. Hiernach m\u00f6chte man also schliefsen, dafs Wasser und Kohlens\u00e4ure noch nicht hinreichend sind, um das Wachsthum der Pflanzen zu unterhalten, wenngleich die Chemie es nachgewiesen hat, dafs die haupts\u00e4chlichsten assimilir-ten Nahrungsstoffe derselben, als Amylum, Zucker und Gummi, nur aus Wasser und Kohlenstoff bestehen, und man k\u00f6nnte demnach zu den Ansichten De Saussure\u2019s zur\u00fcckkehren und auch obige F\u00e4lle, wo Pflanzen neben und in Kohlens\u00e4ure-haltigem Wasser und einem \u00e4hnlichen Boden \u00fcppiger vegetirten, ebenfalls durch Aufnahme der Kohlens\u00e4ure aus der umgebenden Luft erkl\u00e4ren. Dafs die Pflanzen gerade nicht in jedem Kohlens\u00e4ure-haltigen Boden und Wasser kr\u00e4ftiger vegetiren, ja oftmals nur sehr k\u00fcmmerlich, daran m\u00f6chte wohl nur der, gew\u00f6hnlich sehr starke Gehalt dieses Bodens an sch\u00e4dlichen mineralischen Stoffen Schuld haben. Auch m\u00f6chte PercivaFs*) Beobachtung, nach welcher Pflanzen in Kohlens\u00e4ure l\u00e4nger und frischer gr\u00fcnen, als in atmosph\u00e4rischer Luft f\u00fcr diese Ansicht sprechen, welche jedoch noch durch neue Versuche weiter zu best\u00e4tigen ist, die auch gerade nicht so schwer anzustellen sein m\u00f6chten. Jedenfalls bleibt es unumst\u00f6fslich gewifs, dafs der geringe Gehalt der Kohlens\u00e4ure, welchen wir in der Atmosph\u00e4re finden, und reines Wasser allein nicht ausreichend sind, um die Vegetation zu unterhalten oder \u00fcberhaupt um neue Stoffe in den Pflanzen zum Vorschein zu bringen, denn in den vielen Versuchen, welche vorher angef\u00fchrt wurden, kamen die Pflanzen bei dieser Nahrung nicht weit.\n*) Philosoph. Transact, Nr. 253. pag. 193,","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nEs ist vielmehr allgemein bekannt, dafs die Pflanzen in einer guten Gartenerde besser, als auf einem gew\u00f6hnlichen Acker, und hier wiederum besser als auf reinem Sandboden wachsen, daher man schon seit langer Zeit diejenigen Stoffe kennen zu lernen strebte, welche in der Gartenerde die Vegetation so auffallend bef\u00f6rdern. Woodward *) und Kylbel**) haben es zuerst dargethan, dafs in der Garten- oder Dammerde ein Extractivstoff enthalten * sei, welcher die Pflanzen ern\u00e4hre, und dafs sie um so besser wachsen, je mehr ihnen davon im gel\u00f6sten Zustande dargeboten wird. Sp\u00e4tere Untersuchungen der Dammerde haben \u00fcber diesen Gegenstand grofses Licht verbreitet, und wenngleich diese Untersuchungen noch nicht beendet sind, so m\u00f6chten wir doch schon gegenw\u00e4rtig im Stande sein, eine Anschauung von dem chemischen Prozesse zu geben, welcher die Assimilation der aufge- -nommenen Nahrungsstoffe in der Pflanze begleitet. Doch ehe wir in diesen Untersuchungen weiter gehen, mufs eine kurze Uebersicht von der Zusammensetzung der Dammerde und der darin enthaltenen Stoffe vorangeschickt werden, damit wir diejenigen Stoffe genau kennen lernen, welche im Stande sind die Pflanzen zu ern\u00e4hren.\nDie Dannnerde, Gartenerde, auch Humus genannt, entsteht durch die F\u00e4ulnifs der verschiedenen Pflanzenstoffe I und bildet eine schwarzbraune, pulverf\u00f6rmige Masse. De Saussure ***), dem wir sehr ausf\u00fchrliche Untersuchungen auch \u00fcber diesen Gegenstand verdanken, analysirte die Dammerde, welche von einzelnen Gew\u00e4chsen hervorge- * gangen war, durch trockene Destillation und verglich diese Resultate mit den Analysen jener einzelnen Gew\u00e4chse.\nEs ging daraus hervor, dafs die unzersetzten Pflanzen, bei gleichem Gewichte, mehr Sauerstoff und weniger Kohlen- * stoff enthielten als die Erden, welche durch F\u00e4ulnifs jener\n*) Philos. I ransact. Nro. 253. pag. 213 elc.\n**) Hamburg. Mag. T. 15. pag. 435,\n\u00a5\u00a5\u00a5) 1. c. pag. 151.\n\u00bb !","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"137\nGew\u00e4chse entstanden waren. Auch der Stickstoff fand sich in der Dammerde in gr\u00f6fserer Masse, als in der noch nicht zerlegten Pflanze.\nDie Dammerde besteht aus Humusextrakt, Humuss\u00e4ure, Humuskohle und den verschiedenen Erden und Salzen, welche in den Pflanzen enthalten waren. Das Humusextrakt erh\u00e4lt man durch Auslaugung der Dammerde mit Wasser; die L\u00f6sung ist von gelber Farbe und hinterl\u00e4fst nach dem Abdampfen ein gelbes bitteres Extrakt, welches nach dem Aufl\u00f6sen Humuss\u00e4ure absetzt. Nach De Saussure\u2019s Versuchen verhielt sich die Menge dieses Extrakts in der schweren Erde eines Gem\u00fcsegartens, zu jener in der lockeren Erde eines Ackers gleich 10: 4.\nDie Humuss\u00e4ure wurde von Braconnot Ulmin genannt, weil ein \u00e4hnlicher Stoff auch in der Ulmen-Rinde vorkommt, und Herr v. Berzelius nannte sie Moder, indessen es scheint, dafs die Benennung Humuss\u00e4ure nach D\u00f6bereiner und Sprengel die Oberhand gewinnt, wenngleich diese Substanz in ihrem nat\u00fcrlichen Zustande weder als S\u00e4ure, noch als Alkali reagirt. Die Humuss\u00e4ure ist sehr schwer isolirt darzustellen, sie kommt zum Theil mit Basen ges\u00e4ttigt vor. Die Substanz ist schwer l\u00f6slich im Wasser, doch giebt sie mit Alkalien l\u00f6slichere Verbindungen, wird aber nicht immer von kohlensauren Alkalien aufgel\u00f6st. Mit den alkalischen Erden giebt die Humuss\u00e4ure sehr schwerl\u00f6sliche Verbindungen, so wird nach SprengeFs Untersuchungen ein Theil Moder-Baryt von 5200, ein Theil Moder-Kalk von 2000, ein Theil Moder-Talkerde in 160 Th eilen kaltem Wasser gel\u00f6st, und nach v\u00f6lligem Austrocknen sind sie nicht mehr l\u00f6slich.\nDie neuere Chemie hat die Entdeckung gemacht, dafs sich Humuss\u00e4ure bildet, wenn man mineralische S\u00e4uren, als Schwefels\u00e4ure u. s. w. auf Traubenzucker, Amylum, Gummi u s. w. bei einer erh\u00f6hten Temperatur ohne Luftzutritt einwirken l\u00e4fst, wobei sich die S\u00e4ure nicht ver\u00e4n-\n*) Lehrbuch der Chemie. III. 2. Abth. pag. 1085.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\ndert. Wird der Prozefs des Kochens nicht lange genug fortgesetzt, so findet man in der Fl\u00fcssigkeit neben der Humuss\u00e4ure und Humuskohle die Schwefels\u00e4ure und un-zersetzten Zucker *), und diese ganze Umwandelung ist als ein katalytischer Prozefs anzusehen. Die Humuss\u00e4ure erzeugt sich auch aus S\u00e4gesp\u00e4nen, welche mit Kali so lange erhitzt werden, bis die Masse eine Fl\u00fcssigkeit bildet; giefst man Wasser darauf, so ist fast alles Holz mit dem Kali eine, in Wasser l\u00f6sliche Verbindung eingegangen, aus welcher S\u00e4uren die Humuss\u00e4ure f\u00e4llen. Die Humuss\u00e4ure ist frisch gef\u00e4llt in 2500 Theilen Wasser l\u00f6slich, getrocknet ist sie schwarz, ohne Geruch und geschmacklos ; kocht man dieselbe l\u00e4ngere Zeit in Wasser, so \u00e4ndert sie sich in Humuskohle um, und Humuss\u00e4ure und Humuskohle geben bei der Analyse genau dieselbe Zusammensetzung**). \u201eHumuss\u00e4ure und Humuskohle bestehen aus 2 Maafs Kohlenstoff, 2 M. Wasserstoff und 1 M. Sauerstoff und sind demnach isomerische Substanzen. Aus der Analyse folgt, dafs die Um\u00e4nderung des Rohr- und Traubenzuckers und der vegetabilischen Holzfaser in diese Substanzen blofs dadurch statt findet, dafs sich Wasser ausscheidet; indem in diesen Substanzen Wasserstoff und Sauerstoff in dem Verh\u00e4ltnifs, um Wasser zu bilden, enthalten sind:\nRohrzucker = 12 Garb. 22Hydr. llOxyg.\nWasser =\t10 Hydr. 5 Oxyg.\nHumuss\u00e4ure = 12 Carb. 12 Hydr. 6 Oxyg. = 2 Carb. 2 Hydr. 1 Oxyg.\u201c Die Humuskohle ist von schwarzer Farbe, brennt wie Zunder, und l\u00f6st sich allm\u00e4lich in Alkali; Schwefels\u00e4ure greift sie wenig an. De Saussure hat die Entdeckung gemacht, dafs die drei, so eben erw\u00e4hnten Bestandteile der Dammerde durch die abwechselnd Ueberhand nehmende Einwirkung von Wasser und Luft in einander \u00fcbergehen k\u00f6nnen, denn das Wasser verwandelt einen Theil derHu-\n*) S. Mitscherlich\u2019s Lehrbuch der Chemie. 3. Aufl. I. pag. 534 u.s.w.\n\u00a5\u00a5) S. Mitscherlich\u2019s Lehrbuch der Chemie. I. pag. 535, dem ich hier ganz w\u00f6rtlich folgen mufs, indem es die k\u00fcrzesten und geistreichsten Zusammenstellungen \u00fcber diesen Gegenstand enth\u00e4lt.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"139\nmuss\u00e4ure in Humusextrakt und macht dieselbe also all-m\u00e4lich l\u00f6slicher, da bei jedem erneuerten Auskochen der Dammerde immer von Neuem etwas l\u00f6sliche Substanz erschien. Die Quantit\u00e4t von Extrakt, sagt De Saussure, welche das kochende Wasser aus der Dammerde trennt, ist nicht bedeutend. Die Dammerde wurde 12mal hinter einander und jedesmal eine halbe Stunde lang gekocht, und die ganze Quantit\u00e4t von Extrakt betrug nicht den Ilten Theil der angewendeten Dammerde ; aber wie aufser-ordentlich wichtig diese Substanz f\u00fcr die Ern\u00e4hrung der Pflanzen ist, m\u00f6chte man aus folgendem Versuche ersehen. De Saussure s\u00e4ete in Dammerde, welche 12mal, stets mit reinem Wasser ausgekocht war, Erbsen und Gerstenk\u00f6rner, w\u00e4hrend andere Saamen, dicht daneben, in unausgekochter Dammerde gezogen wurden. Die Pflanzen trugen in beiden F\u00e4llen reife Fr\u00fcchte, aber das Gewicht dieser Gew\u00e4chse und ihrer Saamenk\u00f6rner, war um \\ gr\u00f6fser, wenn sie in der unausgekochten Dammerde wuchsen.\nDie Dammerde enth\u00e4lt aber auch eine grofse Menge von Salzen und alkalischen Erden, welche vorher in denjenigen Pflanzen enthalten waren, woraus die Dammerde gebildet wurde, und so wie jene Salze und Erden im Innern der Pflanze theils l\u00f6slich, theils unl\u00f6slich auftraten, so verh\u00e4lt es sich auch mit denselben in der Dammerde; das Humusextrakt enth\u00e4lt nur die l\u00f6slichen Salze, welche in der Erde zur\u00fcckgeblieben und nicht etwa durch Regen u. s. w. sp\u00e4ter ausgewaschen sind, in der Asche dagegen findet sich die Menge der unl\u00f6slichen Salze, wenn deren S\u00e4uren bei dem Verbrennen nicht etwa zerst\u00f6rt sind, daher m\u00fcssen dergleichen Analysen auf sehr verschiedenem Wege angestellt werden, um alle, in der Dammerde enthaltenen Stoffe nachzuweisen.\nDie Dammerde, sagt Herr von Berzelius, hat die Eigenschaft bis zu f ihres Gewichtes Wasser enthalten zu k\u00f6nnen, ohne nafs auszusehen, und sie hat, wie die Holzkohle, das Verm\u00f6gen, das Wasser aus der Luft hygroskopisch zu condensiren. Diese Eigenschaft verdankt sie dem","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"440\neingemengten Humus, welcher einer der kr\u00e4ftigsten hygroskopischen Substanzen ist, die es giebt. Humus kann sein doppeltes Gewicht Wasser aufnehmen und sieht trocken aus, und nach dem Austrocknen saugt er innerhalb 24 Stunden aus der Luft, je nach ihrem hygroskopischen Zustande, von 80 bis 100 Procent seines Gewichtes Wasser ein. Dem Moder oder der Humuss\u00e4ure fehlt diese Eigenschaft, welche f\u00fcr die Vegetation von gr\u00f6fster Wichtigkeit ist, denn in Folge dieser beh\u00e4lt der Humus das Wasser in der Erde zur\u00fcck und erh\u00e4lt demnach die Pflanzen oft noch lange Zeit, wenn wegen fehlenden Regens in einem Sandboden schon Alles abgestorben ist.\nNach Allem, was im ersten Capitel dieses Theiles \u00fcber die Aufnahme der Wurzeln der Pflanzen mitgetheilt wurde, k\u00f6nnen wir jetzt zu dem einfachen Schl\u00fcsse gelangen, dafs alle im gel\u00f6sten Zustande befindlichen Stoffe der Dammerde, sowohl die organischen, als die anorganischen, ganz nach dem Grade ihrer L\u00f6sung, von den Wurzeln der Pflanzen im unver\u00e4nderten Zustande aufgenommen und zur Ern\u00e4hrung der Pflanzen verbraucht oder anderweitig abgeschieden werden. Hieraus folgt denn auch die allgemein-anerkannte Thatsache, dafs ein Boden, der fortw\u00e4hrend bestellt wird, ohne dafs man demselben neue Dammerde oder die darin enthaltenen l\u00f6slichen Stoffe zuf\u00fchrt, endlich so von seinen ern\u00e4hrenden Stoffen ausge-gesaugt wird, dafs er mehr oder weniger vollkommen unfruchtbar wird. Hiebei ist auch die wichtige Thatsache zu ber\u00fccksichtigen, dafs die Dammerde durch die Einwirkung des Sauerstoffes der Atmosph\u00e4re fortw\u00e4hrend au Kohlenstoff \u00e4rmer wird, indem sich dieselbe in Kohlens\u00e4ure umwandelt und gewifs gr\u00f6fstentheils verfliegt, demnach kann ein Boden schon durch blofses Brachliegen verschlechtert werden, wenn demselben keine D\u00fcngung zugef\u00fchrt wird, und Alles, was man als sogenannte praktische Erfahrung gegen die Nothwendigkeit des D\u00fcngens sagt, das beruht auf blofsen Scheingr\u00fcnden.\nDie l\u00f6slichen Substanzen des Bodens sind es also,","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"141\nwelche in die Pflanzenwurzeln \u00fcbergehen, und die wirklich n\u00e4hrenden desselben sind: das Humusextrakt, worin die Humuss\u00e4ure enthalten ist. Die Umwandelung der Humuskohle in Humuss\u00e4ure und Humusextrakt wurde pag. 138 gelehrt, und die L\u00f6sung dieser letzteren Stoffe ist bekannt. Humuss\u00e4ure l\u00f6st sich nur in 2500 Theilen Wasser, die Verbindungen der Humuss\u00e4ure mit Kalkerde sind dagegen etwas leichter l\u00f6slich, so dafs auf diese Weise die D\u00fcngung des Bodens mit Kalk ganz entschieden etwas n\u00fctzlich sein mufs, doch nur so lange, als wirkliche Dammerde in demselben enthalten ist. In Folge einer Menge von Versuchen, welche pag. 31 u. s. w. angef\u00fchrt wurden, kommen wir zu dem Schl\u00fcsse, dafs die Stoffe von den Wurzeln im unver\u00e4nderten Zustande aufgenommen werden, denn selbst dergleichen schleimige Substanzen, als Gummi und Zucker, wurden unver\u00e4ndert von der Pflanze aufgenommen, denn sie wurden unver\u00e4ndert in derselben wieder aufgefunden. Hieraus folgt aber auch die Annahme, dafs die l\u00f6slichen Substanzen der Dammerde ebenfalls im unver\u00e4nderten Zustande in die Pflanzen \u00fcbergehen, und von denselben zu Nahrungsstoffen assimilirt werden k\u00f6nnen. Es wird diese Annahme, welche sich auf wirkliche Beobachtungen gr\u00fcndet, um so wahrscheinlicher, indem die neuere Chemie die Aehnlichkeit einiger jener l\u00f6slichen Stoffe mit assimilirten Nahrungsstoffen in ihrer elementaren Zusammensetzung nachgewiesen hat. Die Humuss\u00e4ure darf nur etwras Wasser chemisch binden und es entsteht Zucker, und wie aus den indifferenten Pflanzen-Substanzen, als dem Zucker, Amylum, Holz u. s. w. wiederum Humuss\u00e4ure gebildet wird, das wurde pag. 137 angegeben. Da nun die Dammerde und der vegetabilische D\u00fcnger gr\u00f6fs-tentheils aus zersetzten Pflanzen besteht, deren l\u00f6sliche Stoffe wiederum von den neuen Pflanze aufgenommen und zur Bildung der neuen Substanzen verbraucht werden, so besteht die Vegetation in einer best\u00e4ndigen Zusammensetzung und Zersetzung und abermaliger Zusammensetzung eines und desselben Stoffes. Es ist auch nicht einmal der","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nentfernteste Grund zu der Annahme vorhanden, dafs das Humusextrakt zuerst zersetzt und dann von den Wurzeln der Pflanzen in Form von Kohlens\u00e4ure u. s. w. aufgenommen werde. Bei solchen Zersetzungen miifste Wasserstoff frei werden, was jedoch nicht beobachtet ist, und wir haben es durch eine Reihe von Versuchen im h\u00f6chsten Grade wahrscheinlich zu machen gesucht (pag. 135), dafs die Kohlens\u00e4ure den Pflanzenwurzeln zur Aufnahme dargeboten, keineswegs so augenscheinliche Wirkung auf die Ern\u00e4hrung der Pflanzen ausiibt. Verschiedene Beobachtungen, welche schon fr\u00fcher specieller angef\u00fchrt wurden, beweisen auch ziemlich deutlich, dafs aus dem D\u00fcnger verschiedene organische Substanzen in ganz unzersetztem Zustande aufgenommen werden. So zeigen die K\u00fcchengew\u00e4chse keinen so angenehmen Geschmack, wenn sie auf stark und frisch ged\u00fcngtem Boden gezogen werden, als auf guter Dammerde, ja einige, als Radiese, Rettige, gelbe R\u00fcben zeigen, unter solchen Verh\u00e4ltnissen gezogen, ganz deutlich einen unangenehmen Geschmack, welcher dem Ger\u00fcche des angew^endeten D\u00fcngers \u00e4hnelt. Du Hamei f\u00fchrt schon die Erfahrung an, dafs z\u00e4rtliche Pferde den auf Menschen-Koth und anderen, sehr stinkenden D\u00fcngerarten gewachsenen Hafer nicht fressen wollen.\nMan pflegt gegen diese Lehre von der Aufnahme des Humusextraktes im unzersetzten Zustande gew\u00f6hnlich jene alten Beobachtungen anzuf\u00fchren, dafs Pflanzen, deren Wurzeln man unmittelbar in Mistjauche stellte, nicht nur nicht wuchsen, sondern vielmehr eingingen; indessen diese Beobachtungen sind zu beseitigen, denn die Mistjauche ist eine zu concentrirte Fl\u00fcssigkeit, worin nicht nur die organischen Stoffe sondern auch die verschiedenen Salze in zu grofser Menge enthalten sind, als dafs sie zur Ern\u00e4hrung der Pflanzen dienen k\u00f6nnte.\nAus der gegebenen Darstellung \u00fcber die Aufnahme der Nahrungsmittel durch die Wurzeln der Pflanzen gehen verschiedene Lehren f\u00fcr die Landwirthschaft hervor, welche jedoch noch nicht so allgemein anerkannt werden, wie sie","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"143\nes verdienen. Die D\u00fcngung eines gewissen Bodens rnufs stets nach der Feuchtigkeit desselben angepafst werden; man mufs, so viel wie m\u00f6glich, die Zersetzung des D\u00fcngers zu vermeiden suchen, und die Stoffe im gel\u00f6sten Zustande den Pflanzen darbieten. Durch die best\u00e4ndige Zersetzung des D\u00fcngers und der Dammerde, wobei best\u00e4ndig Kohlens\u00e4ure davongeht, kann ein Acker selbst durch blo-fses Brachliegen immer schlechter werden, aber niemals kann die Brache vorteilhaft sein.\nZweites Buch.\nAssimilation und Bildungs-Prozess in den Pflanzen.\nErn\u00e4hrung und Wachsen stehen bei den Pflanzen wie bei den Thieren in innigster Verbindung; den Pflanzen fehlt jedoch jener allgemeine Nahrungssaft, das Blut, welches bei den Thieren zu aller Ern\u00e4hrung und Vergr\u00f6-fserung verwendet wird. Das Blut der Thiere enth\u00e4lt alle die N\u00e4hrstoffe, welche denselben durch die rohe Nahrung zugef\u00fchrt und auf mannigfache Weise umge\u00e4ndert, mehr und mehr organisirt wurden ; wollen wir einen \u00e4hnlichen Stoff im Pflanzenk\u00f6rper aufsuchen, so haben wrir denselben im Inneren der Zellen anzutreffen, indem jede Zelle gleichsam ein f\u00fcr sich bestehendes Pfl\u00e4nzchen ist, welches seinen eigenen Ern\u00e4hrungs-Prozels aufzuweisen hat. Schleim, Gummi, Zucker, Amylum, Pflanzenleim und Pflanzeneiweifs u. s. w. sind diese Stoffe, welche in den Zellen auftreten und zu den verschiedenen Bildungen der Pflanze wieder verwendet werden; sie entstehen durch Umwandlung der Stoffe, welche im gel\u00f6sten Zustande durch die Wurzelspitzen aus dem Boden aufgenommen, und sp\u00e4ter durch den Athmungs-Prozefs ver\u00e4ndert wurden. Diese Umwandlung der aufgenommenen Nahrungsstoffe durch den organischen Prozefs, verstehe ich hier unter Assimilation,","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nund \u00fcber die Vorg\u00e4nge, welche der chemische Prozefs hiebei aufzuweisen hat, werden wir erst sp\u00e4ter mit Vortheil sprechen k\u00f6nnen, wenn wir die assimilirten Nahrungsstoffe der Pflanzen und deren Eigenschaften speciell kennen gelernt haben.\nDer Assimilations-Prozefs in den Pflanzen wird durch mehrere sehr auffallende Erscheinungen begleitet, deren Einflufs auf die Umwandlung der aufgenommenen Nahrungsstoffe wir theils mehr, theils weniger deutlicher wahrnehmen, und ihre Kenntnifs ist von besonderem Interesse.\nErstes Capitel.\nVon dem Respirations-Prozesse in den Pflanzen,\nEine Respiration in der Art und Bedeutung, wie sie die Thiere aufzuweisen haben, kommt den Pflanzen nicht zu, ihr Einathmen gewisser Luftarten geh\u00f6rt dem Ern\u00e4hrungs-Prozesse an, so wie auch die Ausathmung anderer Gasarten ebenfalls dazu zu rechnen ist, indem dadurch die Ern\u00e4hrung verbessert wird. Betrachten wir indessen die Repirations-Erscheinungen bei den Thieren und den Pflanzen ganz im Allgemeinen, so m\u00fcssen wir uns gestehen, dafs dieselben, dem Wesentlichen nach, bei Beiden grofse Aehnlichkeit unter sich zeigen. Bei den Thieren m\u00f6chte die Entkohlung des Blutes, also eine Verbesserung des zur Ern\u00e4hrung dienenden Saftes, der Hauptzweck der Respiration sein, und bei den Pflanzen mufs man die Zuf\u00fchrung des Kohlenstoffes durch die Respiration nur als Nebensache betrachten, dagegen die Einathmung des Sauerstoffes und die Ausathmung der Kohlens\u00e4ure, also ebenfalls eine Correction des Ern\u00e4hrungs-Prozesses, als die Hauptsache der Respiration ansehen ; was ich durch die folgende Darstellung dieses Gegenstandes zu rechtfertigen suchen m\u00f6chte.","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"145\nNach den vielen physikalischen Untersuchungen, welche Stephan Haies *) mit den Pflanzen anstellte, kam derselbe zu dem Schl\u00fcsse, dafs man mit Gewifsheit sagen k\u00f6nne, was auch schon lange vor ihm gemuthmafst war, dafs die Bl\u00e4tter der Pflanzen dieselben Dienste verrichten, wie die Lungen der Thiere, doch da jenen die Organe zur Zusammenziehung und Ausdehnung fehlen, so k\u00f6nne die Respiration nat\u00fcrlich auch nicht so periodisch erfolgen, als bei den Thieren. Indessen die Thatsachen, worauf Stephan Haies jene Meinung gr\u00fcndete, waren zu unvollst\u00e4ndig, als dafs sie noch n\u00e4here Beachtung verdienten. Bonnet **) machte die ersten gl\u00fccklichen Experimente, welche allm\u00e4lich auf die Respiration der Pflanzen leiten mufsten; er stellte Weinreben, die mit Bl\u00e4ttern bedeckt waren, in Wasser und bemerkte, dafs best\u00e4ndig eine Menge von Luftblasen aus diesen Bl\u00e4ttern entwickelt wurden; die Luftblasen waren auf der unteren Blattfl\u00e4che immer gr\u00f6-fser, als die auf der oberen; er bemerkte aber auch schon, dafs sich diese Luftblasen im Allgemeinen nicht fr\u00fcher entwickelten, als bis der Sonnenschein auf die Pflanzen einwirkte, und dafs diese Gasentwickelung mit einbrechender Nacht aufh\u00f6re. Wurde jedoch das Wasser, worin der Versuch stattfand, vorher ausgekocht, so sah Bonnet keine Luftblasen an den Bl\u00e4ttern entstehen, und daher schlofs er, dafs dieselben nicht aus den Bl\u00e4ttern, sondern aus dem Wasser hervortreten, ein Schlufs der, wie wir es sp\u00e4ter kennen lernen werden, nur zum Theil richtig ist. J. Priestley ***) machte endlich die Entdeckung, dafs die Bl\u00e4tter der Pflanzen, so wie die gr\u00fcne, sogenannte Priestley\u2019sche Materie, unter Wasser gestellt, durch die Einwirkung des Sonnenlichtes Sauerstoffgas aushauchen und dafs die Pflanzen dadurch im Stande sein sollten, eine Luft zu verbessern, welche schon vorher, durch eine zu grofse Menge\n*) 1. c. pag. 325.\n**) Untersuchungen \u00fcber den Nutzen der Bl\u00e4tter etc. pag. 16 etc, *\u00a5\u00a5) Experiments of different branch, etc. Tom. II. pag. 1.\n40\nMe y en. PR. Physiol, II.","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nvon Kohlens\u00e4ure unathembar gemacht worden war. In-genhoufs *) best\u00e4tigte jene Entdeckung Priestley's und stellte hier\u00fcber eine grofse Anzahl von Versuchen an, weiche jene Erfahrungen bedeutend erweiterten. So fand schon Ingenhoufs, dafs die Luft, welche die Pflanzen des Nachts aushauchen, nicht Sauerstoff, sondern Kohlens\u00e4ure ist. Er erkl\u00e4rte schon jenen Versuch von Bonnet, indem er sagte, dafs das ausgekochte Wasser eigentlich die Gasentbindung nicht verhindere, sondern man k\u00f6nne die ausgehauchten Luftblasen nur defshalb nicht wahrnehmen, weil sie vom Wasser begierig eingesaugt w\u00fcrden, und so verhalte es sich auch des Nachts mit der Ausathmung der Kohlens\u00e4ure, welche von jedem Wasser stark eingesaugt wird.\nDie vollst\u00e4ndige Lehre von der Respiration der Pflanzen, wie wir sie eigentlich nocli gegenw\u00e4rtig allgemein anerkennen, wurde indessen erst durch die Beobachtungen von Senebier **), von Theod. de Saussure, in dem schon so oft genannten wichtigen Werke, und von Gri-schow ***) dargestellt, besonders sind es die Versuche De Saussure\u2019s, welche \u00fcber diesen Gegenstand zuerst ein helleres Licht verbreitet haben, wenngleich noch sehr Vieles dar\u00fcber zu arbeiten \u00fcbrig ist, besonders um eine gr\u00f6-fsere Uebereinstimmung in den Resultaten der verschiedenen Experimentatoren zu veranlassen. Da indessen diese Versuche einen grofsen physikalischen Apparat verlangen, und sehr viel Geld und Zeit kosten, f\u00fcr die Theorie von der Ern\u00e4hrung der Pflanze jedoch unumg\u00e4nglich noting sind, so w\u00e4re es dringend w\u00fcnschenswerth, dafs deren Wiederholung und Vervollst\u00e4ndigung von Seiten der hohen Beh\u00f6rden oder von reichen Akademieen veranlafst w\u00fcrden, wobei aber Botaniker und Chemiker stets zusam-\n*) Versuche mit Pflanzen, etc. Uebers. v. Scherer. Wien 1786. pag. 8.\n*\u00a5) Phys. v\u00e9g\u00e9t. Tome III.\n***) Physikalisch-chemische Untersuchungen \u00fcber die Athmungen der Gew\u00e4chse und deren Einflufs auf die gemeine Luft. Leipzig 1819.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Ul\n\\\nmenarbeiten m\u00fcfsten. Ich m\u00f6chte der Meinung sein, dafs die Physiologie \u00fcber die Ern\u00e4hrung der Pflanzen, soweit sich dieselbe als ein chemischer Prozefs darstellt, ziemlich ganz im Reinen w\u00e4re, wenn die Erscheinungen der Respiration mit gr\u00f6fserer Bestimmtheit ermittelt w\u00e4ren.\nWir wollen zuerst die Resultate der verschiedenen Beobachtungen angeben, welche \u00fcber die Respiration der Pflanzen in gew\u00f6hnlicher Luft angestellt worden sind, denn diesen Vorgang genau zu ermitteln, scheint mir vor Allem am wichtigsten.\nDe Saussure*) machte die Bemerkung, es sei sehr wahrscheinlich, dafs die Pflanzen in der atmosph\u00e4rischen Luft, ohne Einwirkung des Lichtes einen Theil des koh-I iensauren Gases entmischen, welches sie erst selbst mit dem sie umgebenden Sauerstoffgas gebildet haben, indessen es k\u00f6nne durchaus nicht erwiesen werden. Senebier hatte schon vorher die Entdeckung gemacht, dafs die Bl\u00e4tter der Pflanzen das kohlensaure Gas zerlegen, den Kohlenstoff sich aneignen und den Sauerstoff ausstofsen; denn er bemerkte, dafs frische Bl\u00e4tter, in Quellwasser und der Sonne ausgesetzt, gerade so lange Sauerstoffgas erzeugen,\n*\tals Kohlens\u00e4ure in dem Wasser vorhanden ist.\nHerr Link**) machte dagegen die wichtige Beobachtung, dafs gesunde grofse Zweige von verschiedenen Pflanzen, als von Maurandia semperflorens, Jasminum fruti-+- cans, u. s. w., welche er in ein trockenes, mit Quecksilber gesperrtes Glas bog, niemals, weder bei Tag noch bei Nacht die geringste Ver\u00e4nderung der eingeschlossenen Luft bewirkten. Zu einem ganz \u00e4hnlichen Resultate war tauch J. Woodhouse***) gekommen; viele von den Pflanzen, mit welchen er Versuche anstellte, ver\u00e4nderten in\n\u2022\teiner Zeit von 5 Tagen die Luft gar nicht, einige verrin-: gerten ihre Reinheit binnen 3 Stunden, andere dagegen\n-\t*) 1. c. pag. 49.\n**) Grundlehren d. \u00c4naf. elc. pag. 283.\n***) Versuche und Beobachtungen \u00fcber die Vegetation. Gilbert\u2019s Annalen. 1803. XIV. pag. 351.\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nwirkten langsam und so allm\u00e4lich, dafs sie die Luft in 20 Tagen noch wenig ver\u00e4nderten. Grischow *) beobachtete, dafs eine Pflanze, die mit atmosph\u00e4rischer Luft ein--geschlossen war, dieser niemals Sauerstoff zusetzte, wenn darin nicht mehr Kohlens\u00e4ure enthalten war, als der Luft von Natur zukommt, oder die Pflanze durch n\u00e4chtliche Athmungen darin ausbreitet; er best\u00e4tigte daher die Beobachtungen des Herrn Link ganz vollkommen **). Versuchein atmosph\u00e4rischer Luft, welche Herr Grischow mit einzelnen, abgeschnittenen, oder auch mit unabgeschnittenen Zweigen 10 Tage lang angestellt hat (d. h. im Verh\u00e4ltnisse der Pflanze zur Luft = 1 : 600 f\u00fcr l\u00e4ngere und\" 1 * 200 f\u00fcr k\u00fcrzere Dauer des Versuches), gaben die Luft ohne Ver\u00e4nderung wieder, doch durfte das dazu angewendete Wasser keine Kohlens\u00e4ure enthalten. Aus s\u00e4mmt-lichen Versuchen kommt G. zu dem allgemeinen Ausspruch* dafs entweder keine wahrnehmbare Ver\u00e4nderung der Luft bemerkt wurde, worin eine Pflanze einige Zeit hindurch) lebte, oder es wurde eine Verminderung des Sauerstoffes; in dem Luftkreise nachgewiesen, und diese Verminderung: war erst nach mehreren Tagen zu bemerken. Ist bei diesen Versuchen den Pflanzen das Licht entzogen, so entziehen sie der Luft fortw\u00e4hrend Sauerstoff und f\u00fcgen derselben fast eben so viel Kohlens\u00e4ure-Luft hinzu, weil| wie man gefunden hat, die erstere Th\u00e4tigkeit die andere-bedingt, und dann ist die Ver\u00e4nderung der Luft nat\u00fcrlich sehr bald bemerkbar. Bliebe nun die ausgehauchte Kohlens\u00e4ure nahe um die Pflanze, wie dieses in einem abge-s sperrten Raume der Fall ist, so w\u00fcrde sie bei dem Einfl\u00fcsse des Sonnenlichtes zersetzt werden und f\u00fcr dieselbe-wieder beinahe eben so viel Sauerstoff ausgeathmet werden,, indem der Kohlenstoff in der Pflanze zur\u00fcckbleibt, denn die, Chemie lehrt, dafs bei der Verbrennung der Kohle in Sauerstoffgas das Volumen des Letzteren unver\u00e4ndert bleibt,\n*) 1. c. pag. 121\n**) I. c. pag. 27.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"149\nwas denn auch im umgekehrten Falle bei der Zersetzung wieder der Fall sein mufs.\nMan ersieht aus diesen Angaben, dafs die Verbesserung der atmosph\u00e4rischen Luft durch die Vegetation (w\u00e4h-t rend dieselbe durch die Respiration der Thiere verschlechtert wird), wie es so h\u00e4ufig gelehrt wird, gerade noch nicht erwiesen ist. Da die Gew\u00e4chse im Freien den gr\u00f6fs-ten Theil der Zeit im Dunkeln oder im Schatten stehen,\n-\twenn die Sonne durch Wolken verdeckt ist, so saugen sie best\u00e4ndig Sauerstoff ein, welcher w\u00e4hrend des Sonnenscheins im h\u00f6chsten und g\u00fcnstigsten Falle nur in gleicher Quantit\u00e4t wieder ausgehaucht werden kann. Eine grofse\nI Anzahl von Pflanzen, als z. B. die Conferven, Ulven und * andere gr\u00fcne Wassergew\u00e4chse, welche in einem Kohlens\u00e4ure haltigen Wasser leben, hauchen zwar best\u00e4ndig Sauerstoff aus, aber es giebt auch eine eben so grofse Zahl von Pflanzen, als die Pilze z. B., welche die Luft wieder best\u00e4ndig verderben.\nIch mufs hier wieder auf die Versuche De Saussure\u2019s zur\u00fcckkommen, durch welche derselbe die Bindung des Wassers mit der Kohle der Kohlens\u00e4ure der Luft und f dadurch Zunahme des Gew\u00e4chses an festen Substanzen erweisen will, wor\u00fcber auch schon pag. 133 die Rede war. W\u00e4ren die Versuche richtig, so m\u00fcfste die atmosph\u00e4rische Luft durch die Vegetation auch durch stete Verminderung F des Gehaltes an Kohlens\u00e4ure verbessert werden, doch ich glaube, dafs man gegen jene Versuche De Saussure's *) mit allem Rechte Zweifel erheben kann, und sollte meine Vermuthung durch k\u00fcnftige Versuche best\u00e4tigt werden, so\n-\tw\u00e4re denn auch die Ern\u00e4hrung der Pflanzen durch die Einathmung der Kohlens\u00e4ure, als unrichtig erwiesen. W\u00e4re die Ern\u00e4hrung der Pflanzen, oder \u00fcberhaupt die Zunahme an Kohlenstoff durch die Zersetzung der einge-athmeten Kohlens\u00e4ure der Luft zu erkl\u00e4ren, so k\u00f6nnte man ohne Weiteres den unfruchtbarsten Boden, ja reinen Sand-\n+) 1. c. pag. 46 - 48.","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nboden durch blofses Bes\u00e4en mit Pflanzensaamen, durch Anlage von Schonungen u. s. w. fruchtbar machen, eine Ansicht, welche zwar von einigen Forstleuten ausgespro-: eben wird, welche aber wohl sicherlich auf T\u00e4uschung beruht. Hassenfratz fand bei \u00e4hnlichen Versuchen eine Verminderung des Kohlenstoffs in der keimenden Pflanze, und dieses fand auch De Saussure in einem \u00e4hnlichen Versuche, wenn die Pflanzen an einem schwach erhellten4 Orte vegetirten, wefshalb er dieses entgegengesetzte Resultat auf die geringere Zersetzung der Kohlens\u00e4ure der Atmosph\u00e4re durch zu geringen Einflufs des Lichtes erkl\u00e4rt.\nAls Resultat der vielen Untersuchungen, welche \u00fcber diesen Gegenstand angestellt sind, kann man annehmen, dals die Pflanzen, in der freien Atmosph\u00e4re wachsend, im Dunkeln und bei gew\u00f6hnlicher Schattenlicht-Beleuch-tung best\u00e4ndig Sauerstoff einathmen und daf\u00fcr Kohlens\u00e4ure ~ ausathmen, doch ist der Umfang des eingeathmeten Sauerstoffs best\u00e4ndig gr\u00f6fser, als der der ausgeathmeten Kohlens\u00e4ure, daher nimmt die eingeschlossene Luft, bei der \\ egetation im Schatten an \\ olumen etwas ab. Es scheint mir, als wenn gerade hierin der wahre Athmungs-Prozefs der Pflanzen besteht, der dann, ebenso wie bei den Tliie-ren, in einer Entkohlung der Substanz besteht, denn ich kann nicht glauben, dafs die ausgehauchte Kohlens\u00e4ure, 1 als solche vorher aufgenommen ist, sondern es ist mehr, als wahrscheinlich, dafs der aufgenommene Sauerstoff in der Substanz der Pflanze eine Entziehung der Kohle bewirkt und so als Kohlens\u00e4ure wieder ausgestolsen wird; * nur ein kleiner Theil bleibt darin zur\u00fcck, was ich jedoch nur einer langsameren Verbrennung zuschreiben kann. Abgeschnittene Zweige hauchen verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig mehr Kohlens\u00e4ure aus, als solche, welche noch am Stamme festsitzeil. * In einer an Sauerstoff sehr reichen Luft, oder in reinem Sauerstoffgas, geht der ganze Athmungs-Prozefs kr\u00e4ftiger vor sich, d. h. es findet dabei eine gr\u00f6fsere Entkohlung statt, wozu denn auch verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig mehr Sauerstoff eingeathmet wird. Nach den \u00fcbereinstimmenden R\u00e9sulta-","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"151\nten von De Saussure *) und Grischow **) verzehren die Bl\u00e4tter unserer gr\u00fcnen Laubh\u00f6lzer die gr\u00f6fste Menge von Sauerstoff, und hauchen also auch die gr\u00f6fste Menge von Kohlens\u00e4ure aus; ihnen folgen die krautartigen Gew\u00e4chse, f dann die Bl\u00e4tter der immergr\u00fcnenden B\u00e4ume und Str\u00e4u-cher, der Sumpf- und Wasser-Pflanzen und endlich die Gew\u00e4chse mit fleischigen Bl\u00e4ttern. So verzehrten z. B. die Bl\u00e4tter von Prunus armeniaca 8 Theile Sauerstoff, die j- des Solanum tuberosum 2,5, die des Viburnum Tinus 2,23, die der Veronica Beccabunga 1,7 und Zweige der Stapelia variegata nur 0,63.\nHerr De Saussure hat eine grofse Tabelle mitgetheilt, * - worauf die relativen Quantit\u00e4ten des durch verschiedene Bl\u00e4tter verzehrten Sauerstoffgases verzeichnet sind. Ich f\u00fchre von jenen Angaben nur einige als Beispiele an, weil man dadurch am leichtesten eine Vorstellung von dem Gesagten erhalten m\u00f6chte.\nName der Pflanze, deren Bl\u00e4tter benutzt wurden.\nZeit des Versuches.\nMenge des in 24 Stunden im Dunkeln eingeatbme-ten Sauerstoffes, auf das Volumen der Bl\u00e4tter, das f\u00fcr 1 gerechnet\nist reducirt.\nItex Aquifolium Buxus sempervirens\nI September ( September\n1,36\n3\n8\nPinus Abies Fagus sylvatica Quercus Robur\n| August\n|Mai und September\nPopulus alba\nRosa centifolia Urtica urens Vicia Faba\nSeptember\nVor dem Bl\u00fchen\nW\u00e4hl end der Bl\u00fcthe\nNach dem Bl\u00fchen\nSeptemb. w\u00e4hrend der Bl\u00fcthe\nAugust\nAnffnct w\u00e4hrend der Bl\u00fcthe\n3,7\n2\n1,6\nTropaeolum majus Alisma Plantago Fpilobium molle Lythrum Salicaria Sempervivum tectorum Agave americana Saxifraga Cotyledon\n3\n0,7\n1,9\n2,3\n-1\n0,3\n0,6\n*) 1. c. pag. 81 etc.\n**) 1. c. pag. 6,","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nBei der Respiration der Pflanzen in freier Luft ist eine Einathmung des Stickstoffgases noch nicht nachgewiesen, findet also wahrscheinlich auch gar nicht statt, w\u00b0hl aber wird Stickstoffgas mit der Ausathmung des Sauerstoffes im Sonnenlichte ausgef\u00fchrt und De Saussure^) hat es erwiesen, dafs jener Stickstoff aus dem Inneren der Pflanze komme und nicht aus der umgebenden Luft gezogen ist. Daher findet bei der Respiration der Pflanze im Schattenlichte und im Dunkeln nicht nur eine fortw\u00e4hrende Entkohlung statt, sondern w\u00e4hrend des Einflusses des Sonnenlichtes wird auch eine Regulirung in dem Gehalte des Stickstoffgases bewirkt, welches durch die Wurzeln in verschiedener Form mit den Fl\u00fcssigkeiten aus dem Boden aufgenommen wurde.\nNeuerlichst hat Herr Boussingault**) eine Arbeit der Akademie zu Paris eingereicht, worin erwiesen sein soll, dafs Pflanzen eine Menge von Stickstoffgas aus der Atmosph\u00e4re aufnehmen und fixiren k\u00f6nnen, was durch Versuche an Klee beobachtet wTurde, welche 2 \u2014 3 Monate dauerten. Ich bedauere, diese wichtige Arbeit noch nicht benutzen zu k\u00f6nnen; die Versuche anderer Gelehrten \u00fcber die Einathmung des Stickstoffgases aus der Atmosph\u00e4re sind bekanntlich dahin abgelaufen, dafs eine solche Ein-athmung nicht statt findet; die Versuche dauerten jedoch auch nicht so lange Zeit, und man konnte ihnen daher auch wegen der Reinheit des angewandten Wassers grofses Zutrauen schenken.\nBei dem Einfl\u00fcsse des Sonnenlichtes auf die Pflanzen, hauchen die gr\u00fcnen Theile derselben, so wie auch alle gef\u00e4rbten, welche mit Spalt\u00f6ffnungen versehen sind, eine Menge Sauerstoff aus, welcher mehr oder weniger rein auf tritt. Gilby ***) hat durch Beobachtungen eines Grasb\u00fcschels im Sonnenlichte folgende interessante Resultate\n*) 1. c. pag. 52.\n**) Influence de l\u2019axote atmosph\u00e9rique dans la v\u00e9g\u00e9tation. \u2014 Feuilleton du Temps 31 Janv. 1838.\n***) In De Candolle\u2019s Phys, v\u00e9g\u00e9t. I. pag. 129 citirl.","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"153\nerlangt. Die Luft, welche im Anf\u00e4nge ausgehaucht wurde, bestand aus 10,5Theilen Stickstoff, aus 2,7 Sauerstoff und aus 5,7Theilen Kohlens\u00e4ure, doch schon nach Verlauf von 4 Stunden vermehrte sich der Sauerstoffgehalt bis auf 7,7Theile, w\u00e4hrend die Kohlens\u00e4ure auf 0,38Theile vermindert gefunden wurde.\nDe Saussure *) hat aber auch durch Versuche bewiesen, dafs der ausgehauchte Sauerstoff ganz allein durch Zersetzung der aufgenommenen Kohlens\u00e4ure entsteht, und zwar am deutlichsten durch folgenden Versuch. Er setzte eine Menge von Exemplaren der Vinca minor L. in eine k\u00fcnstliche Atmosph\u00e4re, welche etwa 1} Hunderttheile Kohlens\u00e4ure enthielt, und liefs sie darin vegetiren, nachdem sie in einem Recipienten abgeschlossen worden waren. Ihre Wurzeln standen in einem Gef\u00e4fs mit Wasser, dessen Quantit\u00e4t nicht hinreichte, um eine bedeutende Menge Kohlens\u00e4ure aufzunehmen. Nachdem diese Pflanzen 6 Tage lang dem Sonnenlichte ausgesetzt waren, zeigte es sich, dafs die Luft, worin die Pflanzen vegetirt hatten, in Hinsicht ihres Volumens durchaus gar keine Ver\u00e4nderungen eingegangen war; wohl aber zeigte sich, dafs alle Kohlens\u00e4ure verschwunden, und dafs dieselbe durch eine weit geringere Quantit\u00e4t Sauerstoff ersetzt worden war. Die Luft in dem Recipienten enthielt n\u00e4mlich 24} Hunderttheile Sauerstoff, w\u00e4hrend ihr eigentlich nur 21 Hunderttheile zukamen.\nSaussure schlofs aus diesem Versuche sehr richtig, dafs die Pflanze nur einen Theil der aufgenommenen Kohlen* s\u00e4ure zersetzt und deren Sauerstoff ausgehaucht habe, wodurch die Menge der Kohle in den Pflanzen vergr\u00f6fsert worden ist. Aufserdem hatten die Pflanzen aber noch eine Quantit\u00e4t Stickstoffgas ausgehaucht, welche den noch fehlenden Raum der Kohlens\u00e4ure in der eingeschlossenen Atmosph\u00e4re ersetzte. Um diesen Versuch zu controlliren, stellte De Saussure mehrere Exemplare der Vinca minor unter ganz gleichen Verh\u00e4ltnissen, in einen abgeschlossenen\n*) h c. pag. 37.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nRaum, der keine Kohlens\u00e4ure enthielt, und hier zeigte der Versuch, dafs die Pflanzen unter diesen Verh\u00e4ltnissen sogar etwas Kohlens\u00e4ure verloren hatten.\nDer Beweis daf\u00fcr, dafs die von den Pflanzenbl\u00e4ttern durch Einwirkung des Sonnenlichtes ausgehauchte Menge von Sauerstoff durch Zersetzung der Kohlens\u00e4ure erfolgt, welche aus der umgebenden Luft gezogen wird, kann durch folgende Versuche noch deutlicher dargethan werden. Pflanzen n\u00e4mlich, welche man in einem, Kohlens\u00e4urehaltigem Wasser vegetiren l\u00e4fst, hauchen bei der Einwirkung des Sonnenlichtes Sauerstoff aus, wenn man aber diesem Wasser vorher die Kohlens\u00e4ure entzieht, so wird keine Ausbauchung von Sauerstoff beobachtet.\nEs ist indessen ebenfalls als eine erwiesene Thatsache anzusehen, dafs Pflanzen unter gewissen Verh\u00e4ltnissen Sauerstoff aushauchen, wenn auch in der sie umgebenden Atmosph\u00e4re weder Sauerstoff noch Kohlens\u00e4ure enthalten ist; hier geschieht n\u00e4mlich diese Ausbauchung des Sauerstoffes durch Zersetzung der, in der Substanz der Pflanzen noch enthaltenen Kohlens\u00e4ure, und wir haben auch pag. 150 kennen 'gelernt, dafs etwas mehr Sauerstoff aufgenommen, als Kohlens\u00e4ure daf\u00fcr ausgehaucht wurde. Die Gew\u00e4chse mit fleischigen Bl\u00e4ttern, als Cactus-, Aloe-, Sedum-Arten u. s. w. verlmlten sich im Allgemeinen ganz ebenso mit ihrer Respiration, als die \u00fcbrigen Gew\u00e4chse, ein Resultat, welches wir haupts\u00e4chlich den vielfachen Untersuchungen von Grischow verdanken. Entfernt man die in den Bl\u00e4ttern dieser Pflanzen enthaltene Kohlens\u00e4ure nicht vor dem Versuche, so wird, durch den Einflufs des Lichtes, jene Luft zersetzt, und so kann man es erkl\u00e4ren, was schon von Spallanzani und Senebier beobachtet wurde, dafs diese Pflanzen selbst unter Kalkwasser Sauerstoff aushauchen. Indessen die Menge des ausgehauchten Sauerstoffes ist gr\u00f6fser, wenn man eben dieselben Pflanzen unter Kohlens\u00e4ure-haltiges Wasser stellt.\nHerr Grischow*) lehrt aus seinem Versuche, dafs die\n*) I. c. pag. 4L","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"155\nUmvvandelung der Kohlens\u00e4ure in Sauerstoff-Luft, im verkehrten Verh\u00e4ltnisse steht mit der Zeit, in welcher sie vor sich geht. So hauchen St\u00fccke von Cactus tetragonus und Stapelia variegata bei dem Einfl\u00fcsse des Sonnenlichtes am ersten Tage drei Hunderttheile Sauerstoff, zwei Hun-derttheile am zweiten Tage und dann war es mit der ferneren Aushauchung des Sauerstoffes zu Ende. Auch ganz alte Zweige von Cactus-Gew\u00e4chsen gaben in einer Kohlens\u00e4ure-haltenden Luft sehr bald f\u00fcnf und zwanzig Hunderttheile Sauerstoff. Ueberhaupt machen es die sogenannten Fettpflanzen wie die \u00fcbrigen vollkommenen Gew\u00e4chse; im Schatten vermindern sie die eingeschlossene Atmosph\u00e4re durch Einsaugung von Sauerstoff, und bei dem Einfl\u00fcsse des Lichtes bringen sie die Luft beinahe wieder auf den fr\u00fcheren Umfang zur\u00fcck; auch hat Herr Grischow bemerkt, dafs sie lange Zeit hindurch Sauerstoff einathmen k\u00f6nnen, ohne dabei eine merkliche Menge Kohlens\u00e4ure auszuathmen. Als eine ganz abweichende Erscheinung lehrt De Saussure, dafs Pflanzen mit fleischigen Bl\u00e4ttern auch im Finstern Kohlens\u00e4ure aufnehmen, das ist aber, wie Grischow sagt *) nur dann der Fall, wenn sie vorher lange dem Lichte ausgesetzt waren, und somit nicht mehr mit Kohlens\u00e4ure in ihrem Inneren ges\u00e4ttigt waren. Bei anderen Pflanzen soll dieses nicht Vorkommen, wor\u00fcber jedoch wohl neue Versuche anzustellen w\u00e4ren.\nAlle nicht gr\u00fcn gef\u00e4rbten Pflanz en theile, welche ohne Spalt\u00f6ffnungen sind, zeigen grofse Verschiedenheit in ihren Respirations-Erscheinungen von den bisher mitgetheilten. Nacn den \u00fcbereinstimmenden Versuchen von De Saussure und Grischow hauchen St\u00e4mme, Aeste, Zweige, Rinde, Holz, Wurzeln, Blumenbl\u00e4tter, unreife Fr\u00fcchte und Saa-men best\u00e4ndig Kohlens\u00e4ure aus, es mag bei Tag oder bei Nacht sein, im Dunkeln, so wie im Sonnenlichte, d. h. sie verhalten sich ungef\u00e4hr ebenso wie die Respiration der Bl\u00e4tter im Dunkeln, denn sie saugen Sauerstoff ein und\n*) h c. pag. 102.","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nhauchen daf\u00fcr etwas weniger Kohlens\u00e4ure aus. Werden dergleichen Pflanzentheile unter Kohlens\u00e4ure-haltiges Wasser gestellt und dem Sonnenlichte ausgesetzt, so hauchen sie dennoch nur Kohlens\u00e4ure und nicht Sauerstoffgas aus, wie es doch unter \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen die gr\u00fcnen Pflanzentheile thun. Hieraus und aus der Erscheinung, dafs auch verwelkte und eben abgefallene Bl\u00e4tter ebenfalls nur Kohlens\u00e4ure aushauchen, schliefst Herr De Candolle *), dafs diese Einwirkung des Sauerstoffes der Luft auf jene, nicht gr\u00fcn gef\u00e4rbten Pflanzentheile, nur als eine rein chemische Erscheinung, unabh\u00e4ngig von dem Leben der Pflanze anzusehen sei. Die Gr\u00fcnde f\u00fcr diese Ansicht st\u00fctzen sich haupts\u00e4chlich auf Rumford\u2019s Entdeckung, dafs die Kohle, noch lange nach dem Tode der Pflanze, durch blofse Ber\u00fchrung mit dem Sauerstoffe, selbst bei ganz niederer Temperatur allm\u00e4lich verbrennt, und bis jetzt ? kann man auch wohl nicht Viel dagegen ein wenden. Auch mir scheint jene Ansicht sehr wahrscheinlich und \u00fcbereinstimmend mit der angegebenen Beobachtung, dafs die Dammerde, welche aus verfaulten Pflanzentheilen besteht, ebenfalls best\u00e4ndig Sauerstoff anzieht und Kohlens\u00e4ure durch Verbrennung ihrer Kohle aushaucht. Indessen wenn wir auch diesen Prozefs f\u00fcr einzelne, gleichsam schon abgestorbene Theile der Pflanze, als f\u00fcr die \u00e4ufsere Rinde,\n4\nals einen rein chemischen ansehen, so d\u00fcrfte dieses doch keineswegs f\u00fcr die \u00fcbrigen gelten, denn wir haben durch die Untersuchungen von Herrn Grischow \u00fcber die Respiration einzelner der genannten Pflanzentheile schon etwas , genauere Angaben, nach welchen dieser Prozefs nicht in einer blofsen Verbrennung der Kohle besteht, sondern viel eomplicirter ist. Zarte Wurzeln athmen mehr Sauerstoff ein, als starke und dicke Wurzeln, was wohl nach der Ansicht des Herrn De Candolle unerkl\u00e4rlich w\u00e4re; auch athmen alte Wurzeln nach Herrn Grischow **) mehr\n*) Phys. v\u00e9g\u00e9t. 1. pag. 140.\n**) 1. c. pag. 114.","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"157\nSauerstoff ein, als sie an Kohlens\u00e4ure ausathmen. Die Einsaugung des Sauerstoffs durch die Wurzeln geschieht, wie es Versuche erwiesen ganz gleichm\u00e4fsig, und sie hauchen mit 30 \u2014 50Hunderttheile Kohlens\u00e4ure auch Stickstoff aus.\nBei dem Athmen der Blumen, sagt Herr Grischow w\u00fcrde eine Ver\u00e4nderung der Luft (durch eingesau\u00e7rten Sauerstoff n\u00e4mlich) ebenfalls statt finden, wenn nicht die Blumen zugleich mit der Kohlens\u00e4ure auch Stickstoffgas ausathmeten, und zwar in gr\u00f6fserer Menge als andere Pflanzentheile. Diese Menge entspricht immer dem Unfange des eingeathmeten Sauerstoffs, welcher durch die ausgeathmete Kohlens\u00e4ure nicht ersetzt worden ist, die in anderen F\u00e4llen (wo nicht Stickstoffgas ausgeathmet wird) der Grund der Umfangs-Verminderung ist.\nEine sch\u00f6ne Arbeit von Herrn De Saussure*) hat den Respirations-Prozefs der Bliithe auf das Vollst\u00e4ndigste nachgewiesen. Dieser ber\u00fchmte Gelehrte fand, dafs die Blumen weit mehr Sauerstoff verbrauchen, als die Bl\u00e4tter der Pflanzen, aber er fand auch, dafs die verschiedenen Theile der Blume, und auch diese wieder zu verschiedenen Zeiten sehr verschiedene Mengen von Sauerstoffgas verbrauchten. In der Zeit der vollkommensten Entwickelung verbrauchen die Blumen die gr\u00f6fste Menge von Sauerstoff und gerade die Antheren am meisten, mehr als die weiblichen Geschlechtsorgane. Aus diesem Grunde verbrauchen einfache Blumen mehr Sauerstoff als gef\u00fcllte. So resor-hirten einfache Blumen von Tropaeolum majus das S.ofache ihres Volumens an Sauerstoff innerhalb 24 Stunden, w\u00e4hrend gef\u00fcllte Blumen nur das 7,25fache ihres Volumens einnahmen, dagegen aber resorbirten die Geschlechtsorgane dieser Blumen, blofs f\u00fcr sich allein, das 46,3fache ihres \\ olumens jener Gasart. Einige andere Beobachtungen stelle ich noch in folgender Tabelle zusammen.\n*) De T action des fleurs sur l'air et de leur chaleur propre. \u2014 Ann. de Chemie et de Physique Tom. XXI. pag. 279, 1822.","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"Es resorbirten in 24 Stunden an Sauerstoffgas: die\nBlumen, Geschlechtsorg., Blatt, v. der einf. rothen Levcoje\tdas llf. d. Vol. d. 18f. d. \"V. d. 4f. d.\"V.\n- gef\u00fcllten -\t-7,7 \u2014\t\u2014\t\u2014\n- - einfachen Tuberose\t- 9\t\u2014\t\u2014\t-\u2014\t3\n-\tgef\u00fcllten -\t-\t7,4\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n-\tHypericum calycinum\t-\t7,5\t\u2014\t\u20148,5\t\u2014\t/\n-\tK\u00fcrbispllanze d. m\u00e4nnlichenBl.- 7,6\t\u2014\t\u201416\t\u2014\t\u2014\nGr\u00fcne Fr\u00fcchte, besonders die mit Spalt\u00f6ffnungen versehenen athmen \u00e4hnlich wie die Bl\u00e4tter, doch verlieren sie immermehr die F\u00e4higkeit, Sauerstoff im Lichte auszuathmen, je mehr sie sich der Reife n\u00e4heren. Unreife Pflaumen athmeten Sauerstoff und Stickstoff ein und ersetzten Alles und noch dar\u00fcber mit Kohlens\u00e4ure. Besonders bemerkens-werth sind Herrn Grischow\u2019s*) Beobachtungen an den Fr\u00fcchten von Sorbus aucuparia L., welche schon etwas gef\u00e4rbt waren; diese Fr\u00fcchte hauchen schon im reinen Wasser, ohne etwas einzuathmen: Kohlens\u00e4ure, Salpeterstoff-Lnft und Spuren von Sauerstoff aus. Vier Stunden lang dem Sonnenlichte ausgesetzt, hauchten diese Fr\u00fcchte 0,1 ihres Umfangs an Luft aus, und diese war = 0,41 Kohlens\u00e4ure und 0,59 Stickstoff. Je n\u00e4her die Fr\u00fcchte der Reife waren, je weniger wurde, zuletzt gar kein Sauerstoff ausgeathmet.\nHerrn Grischow\u2019s Untersuchungen \u00fcber die Respiration der Pilze sind noch besonders bemerkenswerth, ihre Resultate stimmen genau mit denen von Herrn Marcet**) \u00fcberein, welche erst k\u00fcrzlich publicirt worden sind. Die Pilze verhalten sich bei der Respiration ziemlich ebenso, wie alle \u00fcbrigen, nicht gr\u00fcnen Pflanzentheile, denn sie verderben die Luft sehr schnell, entweder indem sie den Sauerstoff derselben einathmen und Kohlens\u00e4ure bilden, oder indem sie fertige Kohlens\u00e4ure aushauchen, was alsdann eintritt, wenn der Versuch lange dauert und der Sauerstoff der Luft schon verbraucht ist. Diese Respiration der Pilze ist bei Tag und bei Nacht ziemlich von\n\u00a5) 1. c. pag. 216.\nBiblioth\u00e8que universelle Dec. 1834. LVJI. pag. 393.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"159\ngleicher St\u00e4rke, ganz ebenso, wie bei anderen nicht gr\u00fcnen Pflanzentheilen.\nEin junger Pilz von Amanita muscaria, der nahe 2 Zoll einnahm, wurde von Herrn Grischow mit 22 Cubiczoll gemeiner Luft eingesperrt und 2 Stunden lang in die Sonne gestellt, nachdem er schon die Nacht \u00fcber in dem Beh\u00e4lter gestanden hatte. Die Luft verminderte sich um \\ Cubiczoll und sie bestand aus: 0,13 Kohlens\u00e4ure, 0,05 Sauerstoff und 0,82 Stickstoff mit einer Spur von Wasserstoff. Agaricus rosaceus 28 Stunden lang im Schatten eingesperrt, hatte die Luft so ver\u00e4ndert, dafs sie aus ; 0,18 Kohlens\u00e4ure, 0,02 Sauerstoff und 0,83 Stickstoff mit Wasserstoff u. s. w. bestand. Die Ausathmung des Wasserstoffes bei den Pilzen ward durch Herrn Alexander v. Humboldt * **)) entdeckt und zwar zuerst bei Agaricus campestris, A. andro-saceus und Boletus suberosus.\nSomit h\u00e4tte ich das Wichtigste \u00fcber die Respiration der Pflanzen in atmosph\u00e4rischer Luft, nach den vorliegenden Beobachtungen dargestellt; der Antheil, welchen der Stickstoff bei diesem Prozesse haben mag, ist wohl am wenigsten erkannt, und gerade hierauf m\u00f6chten defshalb die n\u00e4chsten Untersuchungen zu richten sein. Es ist nach den gegenw\u00e4rtigen Beobachtungen h\u00f6chst wahrscheinlich, dafs die Pflanzen im lebenden Zustande keinen Stickstoff aufnehmen, und dafs derjenige, welchen die Pflanzen aus-athmen, nicht aus der Luft, sondern aus dem Boden her-riihre. Das Vorkommen des Stickstoffes in den Pflanzen ist \u00fcberhaupt viel allgemeiner, als es gew\u00f6hnlich in den Lehrb\u00fcchern der Chemie angegeben wird.\nSchliefslich haben wir noch das Verhalten der Pflanzen in irrespirabelen Gasarten kennen zu lernen, wor\u00fcber wir besonders Herrn De Saussure eine Reihe der sch\u00f6nsten Beobachtungen verdanken.\nEs scheint, dafs sich die Pflanzen in Stickgoffgas nicht\n*) Aphorismen pag. 122.\n**) 1. C. pag. 177-198.","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nanders, als durch den Sauerstoff erhalten, welcher von ihren gr\u00fcnen Theilen durch Einflufs des Sonnenlichtes aus-geatlimet wird; werden die Pflanzen dieser gr\u00fcnen Theile beraubt, so k\u00f6nnen sie in Stickstoffgas nicht leben. Rosen, Lilien und Nelken, welche einige Stunden vor ihrem Aufbrechen gesammelt waren, konnten in Stickstoffgas nicht aufbl\u00fchen, ja selbst die Schimmel-Arten k\u00f6nnen nicht einmal in jener Luft vegetiren. Dergleichen Pflanzen mit reicher gr\u00fcner Oberfl\u00e4che, welche im Sonnenlichte viel Sauerstoff ausathmen, sind es, welche l\u00e4ngere oder k\u00fcrzere Zeit im Stickstoffgas aushalten, aber dabei immer sehr kraftlos bleiben. So beobachtete De Saussure, dafs Erbsen-Pflanzen in atmosph\u00e4rischer Luft mit reinem Wasser ern\u00e4hrt und unter den Einflufs des Sonnenlichtes gestellt, in Zeit von 10 Tagen eine Zunahme von 24 Gran zeigten; unter den n\u00e4mlichen Verh\u00e4ltnissen in Stickstoffgas gezogen, erlangten sie eine Zunahme von 3 Gran, welche offenbar nur dem eingesaugten Wasser zuzuschreiben sein d\u00fcrfte; im Schatten dagegen, starben dergleichen Pflanzen schon in den ersten vier Tagen.\nYegetirten die Pflanzen in Schatten, so fand De Saussure, dafs die geringste Quantit\u00e4t von Kohlens\u00e4ure, welche der Luft k\u00fcnstlich beigemischt worden, denselben sch\u00e4dlich war. Enthielt die Atmosph\u00e4re den vierten Theil an Kohlens\u00e4ure, so starben die Pflanzen am sechsten Tage, w\u00e4hrend sie sich in einer Atmosph\u00e4re mit \u2014 Kohlens\u00e4ure 10 Tage lang erhielten, aber ebenfalls viel weniger kr\u00e4ftig, als in gew\u00f6hnlicher Luft. Ist die Kohlens\u00e4ure der Atmosph\u00e4re in sehr kleinen Portionen zugemischt, so wird sie der Vegetation im Sonnenlichte zutr\u00e4glich, aber nur wenn in der Atmosph\u00e4re auch freier Sauerstoff vorhanden ist. Wird aber dem Stickstoffe eine Quantit\u00e4t Kohlens\u00e4ure zugemischt, wenn es auch nur TlT der eingeschlossenen Atmosph\u00e4re ist, so sterben die Pflanzen im Verlauf von wenigen Tagen.\nIn Kohlenoxyd-Gas vegetiren die Pflanzen ebenso wie im Stickstoffgase; haben sie keine gr\u00fcnen Theile, welche im Sonnenlichte Sauerstoff ausathmen, so sterben sie dar-","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"161\nan, aber im Schatten erhalten sie sich gar nicht, und ganz ebenso verh\u00e4lt sich auch die Vegetation im Wasserstoffe, ja im Stickstoffe erhielten sich die Pflanzen durch den Einfluss des Sonnenlichtes noch l\u00e4nger, als im Wasserstoffe. Auch im Luft-leeren Raume verh\u00e4lt es sich mit dem Wachsen der Pflanzen ganz ebenso, wie im Stickstoffgase. Die Herren E. Turner und Christison *) haben eine Reihe von Versuchen \u00fcber den Einflufs verschiedener Stoffe in\n-\tGasform angestellt, aus welchen man ersehen kann, dafs dieselben nicht nur der Quantit\u00e4t, sondern auch der Qualit\u00e4t nach sehr verschieden wirken.\nDie schwefelichte S\u00e4ure, welche man durch Verbren-\n-\tnen von Schwefel in einem abgesperrten Raume erh\u00e4lt, ist * schon \u00f6fters zur T\u00f6dtung von Blattl\u00e4usen und anderen,\nden Pflanzen sch\u00e4dlichen Insekten anempfohlen worden, wobei man die Pflanzen mit brennendem Schwefel r\u00e4uchern soll. Ich stellte mehrere Pflanzen unter eine grofse Glasglocke, worunter kurz vorher eine kleine Menge Schwefel verbrannt war, und sah zu meiner Best\u00fcrzung, dafs die Pflanzen darin in Zeit von 3 Minuten get\u00f6dtet wurden, so dafs sie eine gelbliche Farbe annahmen und die Bl\u00e4tter F h\u00e4ngen liefsen, worauf sp\u00e4ter, wenn die Pflanzen auch sogleich wieder hervorgenommen waren, auch die Stengel umfielen. Hierauf nahm ich andere, ausgewachsene Pflanzen mit zarten Bl\u00e4ttern, als einige Exemplare der Vicebohnen t und Balsaminen, stellte dieselben f\u00fcr die Dauer einer einzigen Minute unter eben dieselbe Glasglocke, aber auch in dieser kurzen Zeit wurden sie von der schwefelichten S\u00e4ure get\u00f6dtet, doch fielen die Stengel erst am folgenden\n-\tTage um.\nAm Schl\u00fcsse dieser Darstellung der Erscheinungen der Pflanzen-Respiration will ich noch mit einigen Worten das Wesentliche hervorheben, was uns bei der Respi-_ ration der Pflanzen haupts\u00e4chlich vor Augen tritt. Die\n\u00a5) On the elfecte of the poisonous gases on vegetables. \u2014 The Edinb. Journal cf. Science Vol. VIII. pag. 140.\nMe yen, Pfi. Physiol, II,\n11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nPflanzen athmen best\u00e4ndig, sowohl im Dunkeln, als im gew\u00f6hnlichen Schattenlichte Sauerstoff ein, und dieser dient zur Bildung der Kohlens\u00e4ure, welche best\u00e4ndig ausgeathmet wird; hierin stimmt also die Respiration der Pflanzen mit derjenigen der Thiere \u00fcberein, nur das Verhalten der Pflanzen im Sonnenlichte bietet Erscheinungen dar, welche die Respiration derselben so complicirt machen. Die fortw\u00e4hrende Zersetzung der Kohlens\u00e4ure im Lichte, und die dabei erfolgende Ausathmung von Sauerstoff, scheint mir ganz unabh\u00e4ngig von der eigentlichen Respiration zu sein, eine Meinung, welche schon Herr Link vor langer Zeit ausgesprochen hat. Diese Zersetzung der Kohlens\u00e4ure im Lichte, ist als ein Theil des wirklichen Ern\u00e4hrungs-Prozesses anzusehen, denn das Chlorophyll, dieser gr\u00fcn faiv bende Pflanzenstoff, wird bei diesem Prozesse gebildet. Wenn auch, was sehr zu bedauern ist, noch keine Analyse des Chlorophyll\u2019s vorhanden ist, so mufs dasselbe, aus Analogie mit \u00e4hnlichen Stoffen, gerade als einer der Kohlenstoff-reichsten angesehen werden, und wenn wir denselben, auch noch in anderen Verh\u00e4ltnissen, in den Gew\u00e4chsen auftreten sehen, wo der unmittelbare Einflufs des Sonnenlichtes nicht vorhanden ist, so werden wir bei genauerer Betrachtung dieser Verh\u00e4ltnisse dennoch finden, dafs es nur an solchen Orten geschieht, wo ein starker Carbonisations-Prozefs stattfindet; auf diese Weise erkl\u00e4re ich mir das Erscheinen der gr\u00fcnen Farbe im Inneren der Saamen, z. B. im Embryo, so wie in der Markscheide der Dikotyledonen, u. s. w. Bei diesem Zersetzungs- und Bildungs-Prozesse in der Sonne wird die Kohlens\u00e4ure aus der umgebenden Atmosph\u00e4re verbraucht und nur in dem Falle, dafs keine Kohlens\u00e4ure in derselben vorhanden ist, wird auch die, in dem Inneren der Pflanze enthaltene Kohlens\u00e4ure zersetzt, und der dabei ausgeathmete Sauerstoff dient wieder zum Einathmen und zur Unterhaltung der wahren Respiration.\nKommen wir wieder zur\u00fcck auf die Erscheinungen der wahren Respiration, n\u00e4mlich auf die Einathmung des","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"163\nSauerstoffs und die Ausathmung der Kohlens\u00e4ure, so finden wir dieselbe allen Theilen der Pflanzen zukommend, und rufen wir uns die Bemerkungen in das Ged\u00e4chtnifs zur\u00fcck, welche pag. 156 \u00fcber die Respiration der Wurzeln, des Stammes u. s. w, gesagt wurden, so sehen wir, dafs die Respiration der Pflanzen auf einem allgemeinen chemischen Prozesse beruht, n\u00e4mlich auf der Verbrennung des Kohlenstoffs, und dafs dieser Prozefs durch das Leben der Pflanze regulirt wird; alles Uebrige, als z. B. die Ausathmung des Stickstoffgases u. s. w. ist vielleicht nur als Nebensache zu betrachten, doch ich wiederhole hiebei den Wunsch, dafs dieser Gegenstand recht bald von Neuem untersucht werden m\u00f6chte.\nW7ir haben im ersten Theile dieses Buches die Organe kennen gelernt, welche der Respiration der Pflanzen vorstehen. Die Pflanzen werden gr\u00f6fstentheils aus Zellen zusammengesetzt, und da jede Zelle f\u00fcr sich allein Nahrung aufnimmt, dieselbe verarbeiten und weiter fortf\u00fchren kann, so m\u00fcssen wir derselben auch die dazu geh\u00f6rige Respiration zuschreiben; auch finden wir die Organisation der Pflanzen von der Art, dafs eine Einathmung der umgebenden Luft entweder jeder einzelnen Zelle, oder wenigstens ganzer Parthieen derselben durch die Vertheilung der Intercellularg\u00e4nge m\u00f6glich gemacht wird. Aus der in den Intercellularg\u00e4ngen enthalten Luft athmen die einzelnen Zellen den.Sauerstoff ein, und in diese R\u00e4umen athmen sie auch die gebildete Kohlens\u00e4ure aus. Da nun alle diese Intercellularg\u00e4nge, wenigstens f\u00fcr einzelne Theile der Pflanzen, unter sich in Verbindung stehen, und durch die Spalt\u00f6ffnungen in den Hautdr\u00fcsen mit der atmosph\u00e4rischen Luft in offener Communication sind, so wird es erkl\u00e4rlich, dafs sich die Wirkungen der Respiration durch die ganze Substanz der Pflanzen nachweisen lassen, und je gr\u00f6fser die Oberfl\u00e4che ist, welche alle die Zellen im Inneren der Pflanze, den Intercellularg\u00e4ngen und den Athemh\u00f6hlen in den Bl\u00e4ttern u. s. w. darbieten, um so st\u00e4rker zeigt sich die Respiration. Das Vorkommen der Athemh\u00f6hlen unter\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nden Hautdr\u00fcsen ist noch allgemeiner, als ich es im ersten Theile dieses Buches angegeben habe, denn auch in den Bl\u00e4ttern der Nymphaeen habe ich dieselben gegenw\u00e4rtig beobachtet.\nBesondere Beachtung verdienen die Verh\u00e4ltnisse, worin Respiration und Transpiration zu einander stehen, denn bei den Versuchen \u00fcber erstere, wo man sich des Wassers zur Absperrung der Luft bedient hat, da m\u00f6chten durch die gleichzeitig erfolgte Ausbauchung der Wasserd\u00e4mpfe wohl manche Fehler vorgekommen sein, welche jedoch nicht so leicht zu corrigiren sind. Es ist wohl sicherlich der Fall, dafs die Ausathmung der Gasarten mit der Ausbauchung der Wasserd\u00e4mpfe best\u00e4ndig begleitet ist, und dafs ebendieselben Fl\u00e4chen, welche jene bewirken, auch diese veranlassen, so dafs daraus folgt, dafs das ganze System der Intercellularg\u00e4nge mit den dazu geh\u00f6rigen Spalt\u00f6ffnungen nicht nur der Respiration, sondern auch der Transpiration, oder der Exspiration des \u00fcbersch\u00fcssigen Wassers vorstehen, doch sind jene beiden Aeufserungen der Vegetation der Pflanzen durchaus nicht von einander abh\u00e4ngig, denn die Respiration dauert z. B. fort, w\u00e4hrend die Transpiration durch zu grofsen Wassergehalt der Luft unterdr\u00fcckt wird, u. s. w.\nZweites Capitel.\nUeber die Entwickelung der W\u00e4rme in den\nPflanzen.\nDie Entwickelung der W\u00e4rme in den Pflanzen betrachte ich als eine begleitende Erscheinung der Respiration. Es ist bekannt und zwar auch hinreichend erwiesen, dafs bei allen chemischen Verbindungen W\u00e4rme erzeugt wird, und demnach ist die Quelle der eigenthiimlichen W\u00e4rme","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"165\nder Pflanzen klar vor Augen liegend, ja es ist sogar schon durch Versuche, welche ich sp\u00e4ter auff\u00fchren werde, erwiesen, dafs sowohl die Entwickelung eines hohen Grades von W\u00e4rme in einzelnen Pflanzentheilen, so wie die Entwickelung von Licht, nur durch Verbrennung der Kohle mit Sauerstoff hervorgerufen wird. Ja die W\u00e4rme, welche sich in einzelnen Pflanzentheilen erzeugt, steht immer im Verh\u00e4ltnisse zu der Menge und der Schnelligkeit, in welcher die chemischen Verbindungen darin auftreten und neue Producte erzeugen; so ist denn auch die hohe W\u00e4rme zu erkl\u00e4ren, welche man bei dem Keimen der Saamen, so wie w\u00e4hrend der Befruchtung in den grofsen Bliithen vieler Pflanzen beobachten kann, denn in diesen F\u00e4llen ist der grofse Verbrauch von Sauerstoff zur Entkohlung der genannten Pflanzentheile deutlich nachgewiesen, und gerade hierin besteht das Wesentliche der Respiration der Pflanzen. Ich w\u00fcfste nicht wie es zu erweisen w\u00e4re, dafs die chemischen Verbindungen, welche bei dem keimenden Saamen auftreten, nicht hinreichend sind, um die W\u00e4rme-Entwickelung zu erkl\u00e4ren, welche bei keimenden Saamen zu beobachten ist.\nWenn man die Geschichte der Lehre von der Entwickelung einer eigenen W\u00e4rme in den Pflanzen n\u00e4her studirt, so mufs man sich wundern, dafs Gegenst\u00e4nde der Pflanzen-Physiologie, welche so klar vor Augen liegen, nicht nur so lange Zeit hindurch verkannt, sondern noch bis auf den heutigen Tag mit den widersprechendsten Resultaten bearbeitet worden sind.\nAlles was \u00e4ltere Naturforscher \u00fcber die eigene W\u00e4rme der Pflanzen gesprochen haben, das gr\u00fcndet sich auf blofse Annahmen, welche aber ganz naturgem\u00e4fs waren. Erst John Hunter *) stellte unmittelbare Beobachtungen an, welche eine den Pflanzen eigene W\u00e4rme erweisen sollten.\nPhilos. Transact, f. the year 1775 Vol.LXV. Part. II. pag.443.\nDeutsch iu den Sammlungen f\u00fcr Physik und Naturgeschichte etc. Leipzig 1778. I. pag. 420. Ferner Philos. Transact f. the year 4 / iS pag. 9.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nln der ersteren Arbeit sucht Hunter nachzuweisen, dafs Pflanzen zuerst durch K\u00e4lte get\u00f6dtet werden m\u00fcssen, ehe sie gefrieren k\u00f6nnen, doch dieser Ausspruch beruhte auf zu wenigen Beobachtungen und ist gegenw\u00e4rtig ganz allgemein als unrichtig nachgewiesen. Die nat\u00fcrliche W\u00e4rme, welche den Pflanzen inwohnt, sollte jeder einzelnen Art und jedem Alter der Pflanze angemessen seyn, und dafs auf diese Weise die Pflanzen den verschiedenen Himmels, gegenden zugeordnet w\u00e4ren. Mehrere Versuche, welche Hunter mit Bl\u00e4ttern und frischen Sch\u00f6fslingen verschiedener Gew\u00e4chse anstellte, sollten beweisen, dafs sie nur durch die, in ihrem Inneren erzeugte W\u00e4rme sp\u00e4ter gefrieren, als das sie umgebende Wasser. Alle diese Versuche sind jedoch von der Art, dafs es sehr leicht war, die Resultate zu widerlegen, welche Hunter aus denselben gezogen hat. Sp\u00e4ter wurden wirkliche Messungen der Temperatur im Inneren der Baumst\u00e4mme angestellt; so zeigte der Stamm eines Nufsbaumes (Juglans regia L.) von 7 Fufs Umfang, in welchen man ein Thermometer in schr\u00e4ger Richtung auf 11 Zoll Tiefe eingesenkt hatte, dafs die Temperatur in demselben zur Herbstzeit um 2 \u2014 3\u00b0 Fahr, h\u00f6her war, als die der umgebenden Luft. Ja Hunter beobachtete schon, dafs die Temperatur im Inneren des Baumes oft um 6\u00b0 h\u00f6her war, als die der umgebenden Luft, und er glaubte gefunden zu haben, dafs die Schwankungen der Temperatur der Luft keinen Einflufs auf die Temperatur im Inneren des Baumes zeigen.\nBjerkander *) theilte die Ansicht Hunter's \u00fcber die eigene W\u00e4rme, welche in einer jeden Pflanze erzeugt werde, und stellte eine Menge von Beobachtungen an, um den Grad der K\u00e4lte nachzuweisen, bei welchem die verschiedenen Pflanzen erfrieren; auch hat ein gewisser Rosenthals eine Schrift: Versuche, die zum Wachsthum der Pflanzen ben\u00f6thigte W\u00e4rme zu bestimmen (Erfurt 1784)\n*) Deutsche Ausgabe der Abhandlungen der K\u00f6nigl. schwedischen Akad. Bd. XL. pag. 55 \u2014 60","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"167\n\u00e4hnlichen Inhaltes herausgegeben. Erst Joh. Dav. Sch\u00f6pf*) begann im Jahr 1783, bei einem Aufenthalte in Nordamerika, jene Hunter\u2019schen Beobachtungen zu wiederholen, doch die Methode, welche er dabei benutzte, war offenbar so fehlerhaft, dafs er schon dadurch zu keinem richtigen Resultate h\u00e4tte kommen k\u00f6nnen. Sch\u00f6pf bohrte n\u00e4mlich des Abends die L\u00f6cher in die Baumst\u00e4mme und steckte am folgenden Morgen das Thermometer hinein; er fand, dafs die Temperatur der \u00e4usseren Luft und die im Inneren der Baumst\u00e4mme fast durchgehends ungleich waren. Sch\u00f6pf sprach sich zwar in seiner Abhandlung im Allgemeinen f\u00fcr die Ansichten Hunter\u2019s aus, doch beruhte Alles auf blofsem Raisonnement, denn aus seinen schlechten Beob-\n\u00bb\n( achtungen geht nichts hervor, was f\u00fcr die Wissenschaft von Nutzen sein k\u00f6nnte.\nBemerkenswerther sind dagegen die Beobachtungen von Salome **), welche die, bis dahin allgemein herrschenden Ansichten \u00fcber die eigene W\u00e4rme der Gew\u00e4chse, wie sie von Hunter gelehrt waren, vollkommen zu best\u00e4tigen schienen. Salome beobachtete die W\u00e4rme in dem Stamme eines Baumes von 18 Zoll Durchmesser und 8\n*\tFufs hoch \u00fcber der Erde, in welcher ein Thermometer 9 Zoll tief eingesenkt wurde. Zur Vergleichung wurde die Temperatur eines todten und ausgetrockneten Stammes in gleicher Tiefe beobachtet und nebenbei auch die W\u00e4rme der Luft angemerkt. Die Temperatur in dem trok-kenen Baumstamme, so wie diejenige in der umgebenden Luft, zeigten einen gleichm\u00e4fsigen Verlauf, wenigstens keine merkbare Differenz. Die Temperatur in dem lebenden\n*\tBaumstamme zeigte sich dagegen unabh\u00e4ngig von derjenigen der Luft. Stieg die Temperatur der Luft \u00fcber 14\u00b0 R., so blieb die Temperatur im Stamme zur\u00fcck und zeigte\n*) Ueher die Temperatur der Pflanzen. \u2014 Der INaturforscher. Halle\n1788. pag. 1\u201436.\n\u00a5*) Sur la temp\u00e9r\u00e2t. \u00eeut. des v\u00e9g\u00e9t. etc. Ann. de Chimie. XL. pag. 113.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nalsdann weniger W\u00e4rme, als die umgebende Luft. W\u00e4hrend die Temperatur der Luft zwischen 2 \u2014 26\u00b0 R. schwankte, zeigte die Temperatur im Inneren des Stammes immer zwischen 9 und 19\u00b0 R. Bemerkenswerth ist noch die Beobachtung von Salome, dafs die Temperatur im Inneren des Baumstammes w\u00e4hrend anhaltenden Regens sehr bedeutend herabsank.\nAuch Hermbst\u00e4dt *) glaubte durch wirkliche Beobachtungen nachgewiesen zu haben, dafs die Pflanzen, selbst im Winter eine eigene W\u00e4rme entwickeln; doch diese Beobachtungen sind noch lange nicht genau genug angestellt. Er sah z. B., dafs der Zucker-haltende Saft aus angebohrten Ahornb\u00e4umen hervorquoll, wenn der bereits ausgetropfte Saft im untergesetzten Gef\u00e4fse zu Eis erstarrte, und zog daraus den Schlufs, dafs die h\u00f6here Temperatur im inneren des Baumstammes, der Pflanze selbst angeh\u00f6re, ein Schlufs, der aber sp\u00e4ter als unrichtig nachgewiesen werden wird. Hermbst\u00e4dt meinte auch, dafs jene W\u00e4rmeerzeugende Kraft nicht nur den B\u00e4umen allein, sondern auch vielen aus der Erde genommenen Knollen- und Wurzelgew\u00e4chsen eigenthiimlich sei. Er sah, dafs Kartoffeln und R\u00fcben bei einer umgebenden Temperatur von 6 bis 7\u00b0 R. in ihrem Inneren noch 1 bis 1,5\u00b0 R. W\u00e4rme zeigten; aber auch die Schl\u00fcsse aus diesen Beobachtungen sind sp\u00e4ter als unrichtig erwiesen, indem die Beobachtungen hier\u00fcber nicht lange genug fortgesetzt worden waren.\nAlle diese Angaben schienen auf eine unbestreitbare Weise zu zeigen, dafs die Temperatur im Inneren der lebenden Baumst\u00e4mme, bei niederen W\u00e4rmegraden der Luft immer h\u00f6her stehe, dafs dieselbe aber niedriger sei, wenn die W\u00e4rme der umgebenden Luft sehr hoch steht, dafs also die W\u00e4rme der Pflanze unabh\u00e4ngig von der Temperatur der umgebenden Luft erzeugt werde. Diese\n*) Ueber die F\u00e4higkeit der lebenden Pflanzen im Winter W\u00e4rme zu erzeugen. Der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin Magazin. 2. Jab rgang. 1808. pag. 36.","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"169\nTliatsachen schienen festgestelit zu sein und es kam nun darauf an, die Ursache dieser Erseheinung zu erkl\u00e4ren. Die Verfasser der Biblioth\u00e8que brittanique *) best\u00e4tigten die zuletzt angef\u00fchrte Hunter\u2019sche Beobachtung an dem Stamme einer Rofskastanie, und glaubten auch die Ursache der h\u00f6heren W\u00e4rme in demselben aufgefunden zu haben. Man stellte n\u00e4mlich Beobachtungen an, welche eine Uebereinstimmung des Ganges der Temperatur in dem Baumstamme mit derjenigen in der Erde, auf eine Tiefe von 4 Fufs, nach weisen sollten, in welcher ungef\u00e4hr die Wurzeln des Baumes befindlich waren. Man fand eine solche Uebereinstimmung, und Herr De Candolle **) glaubt hiedurch berechtigt zu sein, den Pflanzen die Erzeugung einer eigenen W\u00e4rme absprechen zu k\u00f6nnen, und dieselbe von dem Boden abzuleiten, in welchem die Wurzeln der Pflanzen befindlich sind.\nDas Wasser n\u00e4mlich, welches von den Wurzeln der Gew\u00e4chse aus der Erde aufgenommen wird, und in den Stamm hineinsteigt, hat zur Zeit des Winters durchschnittlich eine h\u00f6here Temperatur, als die Atmosph\u00e4re, dagegen im Sommer durchschnittlich eine niedere. Diese Temperatur der Erde ist es nun aber, welche der Stamm der B\u00e4ume nach Herrn De Candolle durch das aufgenommene Wasser zeige, daher die Temperatur im Inneren desselben zur Winterzeit h\u00f6her und im Sommer niedriger, als die der umgebenden Atmosph\u00e4re erscheine. Dazu kommt nun noch, dass de la Rive und Alph. De Candolle ***) gezeigt haben, dass trockenes Holz der Quere nach ein schlechterer W\u00e4rmeleiter ist, als der L\u00e4nge nach, demnach dadurch die Mittheilung der Temperatur im Inneren des Baumstammes durch das aufsteigende Wasser erleichtert wird, so wie auch die Ableitung der W\u00e4rme nach Aufsen hin wieder erschwert wird. Auf diese Weise glaubt nun Herr\n*) Jahrgang 1796 und 1797.\nPhys. vcg. II. pag. 881.\n***) S. Poggendorlf\u2019s Annalen B. XIV. pag. 590\u2014595.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nDe Candolle jene Erscheinung hinl\u00e4nglich erkl\u00e4rt zu haben, und man brauche nicht mehr anzunehmen, dafs die Pflanzen eine W\u00e4rme erzeugende Kraft bes\u00e4fsen, welche derjenigen der warmbl\u00fctigen Thiere gleiche, ja Herr De Candolle glaubt, dafs diese Erkl\u00e4rung um so richtiger erscheinen werde, je mehr man dabei in Einzelnheiten eingehen wollte.\nMeine Ansicht \u00fcber die W\u00e4rme erzeugende Ursache in den Pflanzen ist, wie ich vorhin schon bemerkt habe, eine ganz andere, und es bleibt nun zuerst zu beweisen \u00fcbrig, dafs Herrn Candolle\u2019s Theorie nicht so richtig ist, wie derselbe davon \u00fcberzeugt ist. Vor Allem mache ich erst die Bemerkung, dafs eine Erkl\u00e4rung einer Erscheinung von der Art sein mufs, dafs sie f\u00fcr alle F\u00e4lle, welche dahin geh\u00f6ren, gleich passend ist, was aber bei der angegebenen Theorie von Herrn De Candolle nicht der Fall ist. Beobachtet man n\u00e4mlich zu gewissen Zeiten im Stamme der B\u00e4ume eine h\u00f6here Temperatur, und beobachtet man, dafs die Saamen der Pflanzen bei dem Keimungsakte ebenfalls W\u00e4rme erzeugen, welche viel h\u00f6her ist, als die des Wassers, welches dabei in Anwendung gesetzt wird, und beobachtet man endlich noch den aufser-ordentlich hohen Grad von W\u00e4rme, welcher in den Bl\u00fc-then einiger Gew\u00e4chse erzeugt wird, so mufs man nat\u00fcrlich eine Erkl\u00e4rung dieser Erscheinungen geben, welche nicht nur f\u00fcr einen dieser drei F\u00e4lle anwendbar ist, sondern f\u00fcr alle zugleich. Wollte man z. B. die h\u00f6here Temperatur in den Geschlechtsorganen der Thiere w\u00e4hrend der Begattung und die h\u00f6here Temperatur der M\u00fcndung des Uterus, w\u00e4hrend der Gravidit\u00e4t, mit der niederen Temperatur der h\u00e4utigen Umkleidungen des K\u00f6rpers verschiedenartig erkl\u00e4ren, so w\u00fcrde man in diesem Falle sicherlich keinen Beifall finden. Eine und dieselbe Erkl\u00e4rung verlangen also auch jene verschiedenen W\u00e4rmegrade, welche man an verschiedenen Theilen des thierischen K\u00f6rpers, wenn auch nicht so auffallend verschieden, wie bei den Pflanzen beobachtet Von einer W\u00e4rme - erzeugenden Kraft bei","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"171\nden Thieren, wie sich Herr De Candolle ausdriickt, ist eigentlich nichts vorhanden, sondern die W\u00e4rme bei den Thieren, ebenso wie die bei den Pflanzen, ist nur das Produkt der chemischen Verbindungen, welche sowohl bei den Thieren, als bei den Pflanzen ununterbrochen, jedoch bald mehr bald weniger stark auftreten.\nWill man die W\u00e4rme, welche im Inneren der Baumst\u00e4mme zu beobachten ist, von dem Wasser der Erde ableiten, welches von den Wurzeln des Baumes aufgenommen wird, so mufs man erstlich beweisen, dafs die B\u00e4ume auch zur Winterszeit rohen Nahrungssaft aufnehmen, wof\u00fcr bis jetzt keine direkten Beobachtungen sprechen, sondern es ist im Gegentheil bekannt, dafs die B\u00e4ume in dieser Zeit, besonders bei wirklicher K\u00e4lte, nur sehr wenig oder fast gar nicht Wasser aufnehmen. Es fehlen erstlich den B\u00e4umen w\u00e4hrend des Winters diejenigen Organe, welche die Feuchtigkeit aushauchen, denn die Knospen sind nicht nur zu dieser Zeit im Rudiment-Zustande,. sondern auch mit so dicken und festen H\u00fcllen umkleidet, dafs die Aushauchung des Wassers dadurch zur\u00fcckgehalten wird. Wenn nun aber alle die Beh\u00e4lter des Baumes voll Saft sind, wie das doch wirklich im Winter der Fall ist, und die Ausd\u00fcnstung der Feuchtigkeit verhindert wird, so ist auch kein Raum im Baume vorhanden, dafs noch anderer roher Nahrungssaft darin aufsteigen kann. Das Leben der Pflanze befindet sich zur Winterzeit, wenn der f\u00fcr die Pflanze n\u00f6thige W\u00e4rmegrad fehlt, im Zustande der Ruhe, so wie das Leben der Thiere zur Zeit ihres Winterschlafes. Die Erscheinungen der Nutrition mit der dazu n\u00f6-thigen Exhalation und Respiration finden auch bei den Thieren zur Zeit des Winterschlafes statt, jedoch in einem sehr geringen Grade, und die Nutrition ist hier nur erhaltend, aber keineswegs mit neuen Bildungen oder mit Wachsthum der einzelnen Organe begleitet. So verh\u00e4lt es sich auch in der lebenden Pflanze zur Zeit des Winters, alle die Erscheinungen der Nutrition dauern in geringem Grade fort, so dafs dadurch der Organismus zwar erhal-","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nten, aber nicht vergr\u00f6fsert wird, und diese Nutrition geschieht durch den Verbrauch der aufgespeicherten Reserve-Nahrungsstoffe, ganz so, wie bei den Thieren w\u00e4hrend des Winterschlafes das Fett verbraucht wird.\nDie eigene W\u00e4rme bei den Thieren kann aber, wie es bekannt ist, nur bis auf einen gewissen Grad kommen, und auf diesem bleibt sie stehen, wenn auch die Temperatur der umgebenden Atmosph\u00e4re viel h\u00f6her ist, und auch noch andere Reitzmittel in Anwendung gesetzt werden, um diesen Grad der W\u00e4rme zu erh\u00f6hen. Ganz ebenso verh\u00e4lt es sich mit den Pflanzen; ihre innere W\u00e4rme ist im Sommer, wenn die umgebende Luft noch so heifs ist, immer etwas geringer und kommt, fiir verschiedene Zonen, immer nur bis auf einen gewissen Grad \u00fcber welchen sie nicht hinausgeht. Dafs diese innere W\u00e4rme der Gew\u00e4chse in tropischen Gegenden h\u00f6her ist, als in unseren,\" wie wir es sp\u00e4ter bei der W\u00e4rme-Entwickelung in den Arum-Bliithen n\u00e4her kennen lernen werden, das ist nicht von der h\u00f6heren Boden-Temperatur in jenen Gegenden abzuleiten, sondern nur durch den schnelleren Stoffwechsel zu erkl\u00e4ren, welchen die tropischen Gew\u00e4chse aufzuweiseii haben.\nWenn aber auch w\u00e4hrend der kalten Winterzeit wirklich etwas roher Nahrungssaft von den Wurzeln aufgesaugt\u00ab wird, dessen Menge nat\u00fcrlich nur so grofs sein kann, als die Verdunstung des Stammes betr\u00e4gt, so ist es wohl leicht einzusehen, dafs diese sehr geringe Menge Wasser, wenn sie den ganzen Baum durchsteigt, was nur, selbst im g\u00fcn-1 stigsten Falle, \u00e4ufserst langsam erfolgen kann, keineswegs die Ursache der h\u00f6heren Temperatur im Inneren desselben sein kann. Es ist eine ganz andere Sache, wenn der Ast eines solchen, im Freien stehenden Baumes in ein Gew\u00e4chshaus geleitet wird und hier durch die W\u00e4rme, die im Schlafe befindliche Vegetation erweckt wird, denn, wie es ganz bekannt ist, wird durch die Entwickelung der Knospen das Steigen des Saftes bedingt. Hiebei hat schon Knight die Beobachtung gemacht, dafs solche Baumst\u00e4mme,","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"173\nin welchen, wenn auch die umgebende Atmosph\u00e4re eine sehr niedere Temperatur hat, der Saft emporsteigt, um dem Aste die Nahrung zuzuf\u00fchren, der im warmen Gew\u00e4chshause zu vegetiren beginnt, dafs solche Baumst\u00e4mme viel leichter erfrieren, als andere, bei denen man dieses Steigen des Saftes nicht erzwungen hat, was auch nat\u00fcrlich zu erkl\u00e4ren ist; ja es pflegt mit den winterschlafenden Thieren derselbe Fall zu sein, dafs sie n\u00e4mlich wirklich sterben, wenn man sie bei bedeutender K\u00e4lte aus ihrem Winterschlafe erweckt.\nIch finde in der That keine Beweise, dafs die B\u00e4ume zur Winterzeit, wenn sie durch niedere W\u00e4rme in den Winterschlaf verfallen sind, rohen Nahrungssaft einsaugen. Ja es sind wirklich verschiedene Beobachtungen bekannt, wo die Wurzeln der B\u00e4ume durch und durch gefroren beobachtet wurden; Herr Goeppert hat mehrere dergleichen Beobachtungen gesammelt und es auch durch seine eigenen sehr wahrscheinlich gemacht, dafs eine Beobachtung von Senebier*), welcher n\u00e4mlich noch bei 11\u00b0, und Villars selbst bei 15\u00b0 K\u00e4lte, in hart gefrorener Erde W'ur-zeln beobachtete, welche nicht gefroren waren, auf einem Irrthume beruhe. Wenngleich es auch unbestritten ist, dafs die Wurzeln der B\u00e4ume schon bei niederen K\u00e4ltegraden durch und durch gefroren Vorkommen, wovon man sich in jedem Winter \u00fcberzeugen kann, so m\u00f6chte ich doch Senebier\u2019s Beobachtung keineswegs in Zweifel ziehen; es m\u00fcssen dabei eigenth\u00fcmliche Umst\u00e4nde geherrscht haben, welche das Gefrieren jener Wurzeln verhinderten.\nAls ich im Vorhergehenden Herrn De Candolle\u2019s Erkl\u00e4rung der h\u00f6heren Wr\u00e4rme im Inneren der Baumst\u00e4mme als h\u00f6chst zweifelhaft nachzuweisen suchte, gingen wir von den Resultaten der fr\u00fcheren Beobachtungen aus, welche eine eigenth\u00fcmliche W\u00e4rme im Inneren der Baumst\u00e4mme erwiesen zu haben schienen; indessen jene Beobachtungen waren einmal zu einseitig, so wie auch zu wenig genau\n*) Phys, v\u00e9g\u00e9t. III. pag. 305.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nund in zu geringer Anzahl angestellt, um mit aller dazu geh\u00f6rigen Bestimmtheit eine eigene W\u00e4rme in den Pflanzen nachzuweisen, welche von derjenigen der umgebenden Luft unabh\u00e4ngig w\u00e4re, und so war es denn leicht, dafs die Resultate derselben durch Herrn Nau als irrig nachgewiesen werden konnten. Nau erkl\u00e4rte die innere W\u00e4rme, welche in den Baumst\u00e4mmen beobachtet worden war, aus7 der Temperatur des umgebenden Mediums ; die Temperatur im Inneren eines Baumes k\u00f6nne sich unm\u00f6glich so schnell ver\u00e4ndern, als die der umgebenden Luft, welche daher bald w\u00e4rmer, bald k\u00e4lter als das Innere der St\u00e4mme ist. ~ In den Morgenstunden, w\u00e4hrend der Sommerzeit, wenn die Hitze z. B. zwischen 9 und 10 Uhr schon bedeutend ist, zeigt der Baumstamm in seinem Inneren noch die Temperatur der vergangenen Nacht, und Abends um 8 Uhr* hat derselbe noch die Temperatur der Mittagshitze. Nachmittags gegen 2 \u2014 5 Uhr hat erst der Baumstamm die h\u00f6chste Temperatur der Luft angenommen, was sich nach der Dicke desselben u. s. w. richtet, Herrn Nau\u2019s Beobachtungen haben die meisten Botaniker von ihren fr\u00fcheren Ansichten \u00fcber die eigene W\u00e4rme-Entwickelung in den Pflanzen abgebracht, indessen dieselben erweisen nichts weiter, als dafs hohe Temperatur-Verschiedenheiten zwi- j sehen der W\u00e4rme in dem Inneren der Baumst\u00e4mme und \u201d derjenigen der atmosph\u00e4rischen Luft gerade nicht Vorkommen, und dieses war auch wohl zu erwarten, denn der Respirationsakt, von dem man doch nur die W\u00e4rme ableiten kann, ist im Inneren des Baumstammes so \u00e4ufserst gering, dafs man ihn beinahe ganz absprechen kann. Um aber solche kleine Grade der eigenen W\u00e4rme-Entwickelung im Inneren der Baumst\u00e4mme nachzuweisen, bedurfte es auch viel genauerer und zahlreicherer Untersuchungen, als diejenigen, durch welche Herr Nau berechtigt zu sein glaubte, allen Pflanzen die eigene W\u00e4rme abzusprechen.\n*) Annalen der Wettcranischcn Gesellschaft etc. Frankfurt 1800. I. pag. 27.","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"175\nIndessen es fanden sich noch immer sehr achtenswerthe Gelehrte, welche, bei allen jenen Zweifeln, welche Herr Nau aufgestellt hatte, f\u00fcr die eigene W\u00e4rme der Gew\u00e4chse sprachen, und dieses veranlafste den fleifsigen Schiibler zu einer sehr grofsen Anzahl von systematisch angestell-ten Beobachtungen, um \u00fcber diesen Gegenstand endlich in das Reine zu kommen. Die Inaugural-Dissertationen von Haider *) und Neuffer **) enthalten jene Schiibler\u2019schen Beobachtungen, welche ebenso, wie die Beobachtungen des Herrn Goeppert ***), welche fast zu gleicher Zeit angestellt wurden, die Annahme einer eigenen W\u00e4rme in den Pflanzen auf das Bestimmteste zu widerlegen schienen.\nAls Resultat der ersteren SchiibleFschen Beobachtungen hat sich ergeben, dafs die B\u00e4ume des Morgens, zur Zeit des Sonnen-Aufgangs und bei heiterem Himmel, immer eine h\u00f6here Temperatur, als die der umgebenden Luftschichten zeigen; Mittags und Nachmittags dagegen eine geringere, und zwar sind diese Abweichungen zwischen der inneren und \u00e4ufseren Temperatur um so gr\u00f6fser, je dicker die B\u00e4ume sind, und um so n\u00e4her die Thermometer dem Wurzelende des Stammes eingesteckt sind. Bei B\u00e4umen von 2 Fufs Durchmesser wird oft eine Verschiedenheit von 5 bis 7\u00b0 R. beobachtet. Die Maxima und Minima der t\u00e4glichen W\u00e4rme erreichen die Temperatur im Inneren des Baumes niemals, indessen je l\u00e4nger die Temperatur der Luft auf einem bestimmten Grade stehen bleibt, um so mehr n\u00e4hert sich dieselbe der W\u00e4rme im Inneren des Stammes. Ferner wurde beobachtet, dafs die Temperatur im Inneren des Stammes, bei lange anhaltender K\u00e4lte,\n*) Beobachtungen \u00fcber die Temperatur der Vegetabilien. T\u00fcbingen 1826. \u2014\u2022 Nochmals abgedruckt in Poggendorff\u2019s Annalen von 1827. II. pag. 581.\n\u00a5\u00a5) Untersuchungen \u00fcber die Tempeeatur-Ver\u00e4nderungen der Vegetabilien und verschiedener damit in Beziehung stehender Gegenr st\u00e4nde. T\u00fcbingen 1829. \u2014- Literaturbl\u00e4tter f\u00fcr Botanik II. p. 349.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Ueber die W\u00e4rme-Entwickelung in den Pflanzen, deren Gefrieren und die Schutzmittel gegen dasselbe. Breslau 1830.","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nnicht nur auf \u2014 5 bis 6 Grade, sondern bei \u2014 13 bis 15\u00b0 R. K\u00e4lte der Luft, selbst bis auf \u2014 12 und 14\u00b0 R. unter den Eispunkt falle; die Ulme und die Rothtanne wurden zu diesen Beobachtungen benutzt. Umgekehrt ist dagegen das Verhalten der Temperatur in den B\u00e4umen w\u00e4hrend des Sommers; dieselbe steigt alsdann oft \u00fcber 15 bis 16\u00b0 R. und steigt, ganz entsprechend den Ver\u00e4nderungen der Atmosph\u00e4re. In heifsen Sommertagen erh\u00f6ht sie sich bei 24\u00b0 R. W\u00e4rme, selbst bis 20 und 30 \u00b0, und auch in dicken B\u00e4umen ist die Temperatur bis zu 18\u00b0 R. zu beobachten. Das Mittel aus vielen Beobachtungen, welche des Morgens und des Mittags angestellt sind, kommt mit demjenigen der umgebenden Luft fast ganz \u00fcberein, nur um 0,1 \u20140,3\u00b0 R. abweichend.\nDie Beobachtungen, welche in der zweiten Schiibler\u2019schen Schrift enthalten sind, sollten den Einw\u00fcrfen entgegen gestellt werden, welche einige Botaniker den so eben aufgez\u00e4hlten Beobachtungen entgegenstellten. Diese Beobachtungen sind, in Bezug auf einzelne Punkte, noch genauer angestellt und, obgleich sie f\u00fcr die Bek\u00e4mpfung der Annahme einer inneren W\u00e4rme der Gew\u00e4chse benutzt werden, so enthalten sie, wie es mir scheint, doch ebensowohl die Waffen gegen diese Ansicht, und m\u00f6chten gerade die eigene W\u00e4rme in den Baumst\u00e4mmen erweisen helfen.\nIm Sommer zeigen die B\u00e4ume verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig eine geringere Temperatur, als die Luft, und diese Verschiedenheit betrug nach Sch\u00fcbler und Neuffer 1,27 und 0,74\u00b0 R. Zwar wird diese niedere Temperatur von den Beobachtern derselben durch die Verdunstung erkl\u00e4rt, indessen wie soll denn diese niedere Temperatur, entstanden durch Verdunstung, in das Innere der Baumst\u00e4mme hineinkommen; sie kann ja doch nur auf der Oberfl\u00e4che der B\u00e4ume, wo das Wasser verdunstet entstehen, und, da das Holz der Quere nach ein sehr schlechter W\u00e4rmeleiter ist, so miifste diese Temperatur-Erniedrigung nicht tief eindringen, sondern m\u00fcfste durch den, best\u00e4ndig aufsteigenden Saft ver\u00e4ndert werden. Ja es sind Beobachtungen von einzelnen","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"heifsen Sommertagen, wie die vom S. Juli u. s. w. angegeben, welche gerade beweisen, dafs die Pflanze keineswegs zur heissen Sommerzeit die Temperatur der Luft annimmt, sondern auf einer weit niederen Stufe stehen bleibt, welche allerdings ungef\u00e4hr mit dem Mittel der Temperatur der Luft \u00fcbereinstimmt. Grofse Verschiedenheiten sind hier nat\u00fcrlich nicht zu erwarten, aber eben diese geringen Verschiedenheiten sind es, die auf eine W\u00e4rme schliefsen lassen, welche durch den Lebens-Prozefs der Pflanze erzeugt wird.\nSch\u00fcbler und Neuffer machen ebenfalls darauf aufmerksam, dafs die Temperatur der B\u00e4ume in den Fr\u00fchlings-Monaten (zu T\u00fcbingen im M\u00e4rz, April und Mai, und zu Genf im April), etwas h\u00f6her ist, als die der Luft, und diese Verschiedenheiten betragen 0,7\u00b0 bis 1,38\u00b0 R. Man glaubt diese h\u00f6here W\u00e4rme der B\u00e4ume von der W\u00e4rme des Bodens ableiten zu k\u00f6nnen, welche in dieser Zeit noch etwas h\u00f6her sein soll, als die Temperatur der Luft, und dafs diese h\u00f6here Temperatur alsdann durch den aufsteigenden Saft in den Baum hinein verpflanzt werde. Diese Erkl\u00e4rung ist aber nicht so leicht, wie sie scheinen m\u00f6chte, denn die gr\u00f6fsere W\u00e4rme des Bodens zur Fr\u00fchlingszeit bezieht sich nur auf gewisse Tiefen, und man hat bis jetzt, bei dergleichen Beobachtungen, noch nicht auf die Tiefe der Wurzelspitzen geachtet, mit welchen die Pflanze die Feuchtigkeit der umgebenden Erde einsaugt. Dieses ist aber bei dergleichen Beobachtungen absolut nothwendig, und dann erst, wenn dergleichen Beobachtungen vorliegen werden, m\u00f6ge man die Temperatur im Inneren des Baumes mit jener, in der Tiefe der Erde beobachteten vergleichen, wodurch auch sicherlich, wie es sich voraussehen l\u00e4fst, einiger Einflufs der Boden-W\u00e4rme auf die Temperatur des unteren Theiles der Baumst\u00e4mme zur Vegetations-Zeit nachgewiesen werden m\u00f6chte.\nHerr Goeppert beobachtete die Temperatur im Inneren der Baumst\u00e4mme zu Breslau im M\u00e4rz und April ifud fand dieselbe bald h\u00f6her bald tiefer, als die der Atmosph\u00e4re,\nMe y en. Pfl. Physiol. II.\t32","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nso dafs sich nichts Entscheidendes bestimmen liefs; aber im October und November zeigte sie sich stets h\u00f6her, als die der umgebenden Luft. Herr Agardh *) beobachtete die Temperatur im Inneren des Stammes einer Pappel w\u00e4hrend des Saftsteigens oftmals h\u00f6her, als die der Luft irgend vorher gewesen war. Herr Agardh hatte schon im Fr\u00fch-linge des Jahres 1813 dergleichen Beobachtungen an den St\u00e4mmen einer Pappel, Hainbuche und Kiefer angestellt, welche eben so regellose Resultate, als jene Goeppert\u2019schen Beobachtungen darboten. Wenn man aber mit der Temperatur im Inneren der Baumst\u00e4mme das Mittel der vorhergehenden Temperatur der Luft verglich, so schien es, als wenn die Baumst\u00e4mme, wenn auch langsam, dennoch allen Ver\u00e4nderungen der Luft-Temperatur folgten.\nDie durchschnittlich h\u00f6here Temperatur, welche man in den Baumst\u00e4mmen zur Fr\u00fchlingszeit beobachtet, ist aber eben nach meiner Ansicht, die eigene W\u00e4rme des Baumes, welche zu dieser Zeit, in welcher der Vegetations-Akt sehr lebhaft ist, durch zahlreichen Stoffwechsel, besonders durch die Umwandlung des Amylums in Gummi und Zucker verursacht wird, und diese Zeit ist es gerade f\u00fcr die Baumst\u00e4mme, in welcher eine erh\u00f6hete W\u00e4rme, welche unabh\u00e4ngig von den \u00e4ufseren Einfl\u00fcssen ist, unserer Wahrnehmung sehr leicht sichtbar wird, man verlange nur nicht ein Halbdutzend von Graden hiebei zu beobachten.\nBeobachtungen \u00fcber wirkliches Gefrieren der B\u00e4ume sind von Schiibler, Neuffer und Goeppert in grofser Zahl angestellt worden, und dar\u00fcber kann gar kein Zweifel mehr gehegt werden. Bei niederen Temperaturen dringt die K\u00e4lte von Aufsen nach Innen in die St\u00e4mme der B\u00e4ume, und dieses Zunehmen der gefrorenen Schicht, kann man sehr leicht beobachten. Bricht man einen stark gefrorenen Ast eines Baumes durch, oder durchs\u00e4gt man gefrorene St\u00e4mme, wie Herr Goeppert es that, so bemerkt\n*) Biologie der Pflanzen. Greifswald 1832 pag. 171.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"179\nman die Eiskrystalle im Inneren des Gewebes in grofser Anzahl. Das Aufthauen dieser gefrorenen B\u00e4ume geschieht ebenfalls ganz allm\u00e4lich von Aufsen nach Innen, und die B\u00e4ume schlagen wieder aus, wenn die W\u00e4rme des Fr\u00fchlings dazu hinreichend ist, ohne irgend einen Nachtheil von dem eingedrungenen Froste zu zeigen. Es ist \u00fcbrigens auch eine ganz allgemein bekannte Thatsache, dafs gewisse Pflanzen durch und durch gefrieren k\u00f6nnen und dennoch, wenn sie allm\u00e4lich aufthauen, durchaus gar keinen Schaden zeigen; dergleichen Beobachtungen sind am Braunkohl, am Helleborus foetidus in jedem Winter zu machen und im Fr\u00fchlinge, wenn noch starke Nachtfr\u00f6ste kommen, kann man sie ebenfalls an Hyacinthen, Kaiserkronen, Schneegl\u00f6ckchen etc. beobachten. Herr Goeppert hat auch hier\u00fcber mehrere genaue Beobachtungen angestellt, aus welchen es sich ergiebt, dafs Pflanzen mit w\u00e4ssrigen, sogenannten indifferenten S\u00e4ften und zarten Bl\u00e4ttern schneller gefrieren, als Pflanzen, die eine Menge von salzigen und harzigen Bestandteilen enthalten. Bei einem siebenlappigen Blatte eines Ricinus beobachtete Herr Goep-pert*) das Gefrieren bei 14\u00b0 K\u00e4lte der Atmosph\u00e4re; es begann von allen Spitzen zu gleicher Zeit und zog sich immer mehr und mehr nach dem Inneren des Blattes, und ganz in derselben Ordnung erfolgte dann auch wieder das Aufthauen dieser Bl\u00e4tter.\nEs ist \u00fcbrigens eine Beobachtung, welche jeder Botaniker wird angestellt haben, dafs verschiedene Pflanzen mehr oder weniger von der K\u00e4lte leiden, und dieses ist offenbar von der Textur und der S\u00e4ftemasse der Pflanzen abh\u00e4ngig. Moose und Flechten vegetiren in gr\u00f6fster Uep-pigkeit, wenn andere krautartige Gew\u00e4chse schon lange abgestorben sind. Sobald aber die Temperatur der Atmosph\u00e4re unter den Gefrierpunkt kommt, so beginnen die S\u00e4fte in den krautartigen Gew\u00e4chsen zu gefrieren, und in die B\u00e4ume zieht sich der Frost ebenfalls allm\u00e4lich hinein.\n*) 1. c. pag. 11.\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nDie gefrorenen Blatter der Pflanzen entf\u00e4rben sich; ihr sch\u00f6nes Gr\u00fcn wird braun und, wie verwelkt h\u00e4ngen sie am Stengel herab. Wenn aber die Temperatur wieder allm\u00e4lich zunimmt, so bemerkt man, wenn der Zustand des Gefrorenseins nicht zu lange angehalten hat und zu stark gewesen ist, dafs sich die Bl\u00e4tter wieder heben und allm\u00e4lich auch ihre gr\u00fcne Farbe, mehr oder weniger vollst\u00e4ndig wiedererhalten. Bei meinem Aufenthalte auf dem Tigerflusse in China, habe ich dieses Gefrieren und Wieder-Aufthauen, selbst an den Bl\u00e4ttern des Pisangs beobachtet.\nDie Ver\u00e4nderungen, welche die Pflanzen durch das Gefrieren erleiden, sind sehr mannigfaltig, und beziehen sich bald auf die Farbe, bald auf die Structur und bald haupts\u00e4chlich auf die chemische Beschaffenheit der S\u00e4fte. Alle diese Ver\u00e4nderungen sind in der, schon oft genannten Schrift des Herrn Goeppert sorgf\u00e4ltig aufgez\u00e4hlt und ich verweise darauf, wenn man sich, hiemit specieller zu besch\u00e4ftigen w\u00fcnscht. Wenn die krautartigen Gew\u00e4chse nach ihrem Gefrorensein wieder aufthauen, so findet man ihre Zellen, Gef\u00e4fse und Spiralr\u00f6hren ganz unverletzt, aber diese Organe, welche fr\u00fcher s\u00e4mmtlich innig mit einander verbunden waren, diese Organe sind nach dem Gefrieren oft ganz von einander getrennt und liegen nur noch neben einander, doch ist es sehr leicht sie zu trennen. Die einzelnen Zellen haben dann, wenn sie fr\u00fcher eckig gestaltet waren, eine mehr oder weniger rundliche Gestalt angenommen, eine Erscheinung, welche man an ihnen auch dann beobachten kann, wenn man die Zellen durch anhaltendes Kochen von einander trennt. Die Membran dieser Zellen, vorz\u00fcglich aber diejenige der Gef\u00e4fse, pflegt so weich geworden zu sein, dafs sie bei der leisesten Ber\u00fchrung zu bersten anf\u00e4ngt. Sehr auffallend ist die Ver\u00e4nderung der Farbe, welche das Holz der B\u00e4ume nach dem Gefrieren zeigt. Hat der Frost n\u00e4mlich den Baum get\u00f6dtet, oder in demselben wenigstens einen krankhaften Zustand hervorgebracht, so erscheint er durchschnittlich im Inneren des Holzes br\u00e4unlich gef\u00e4rbt, (Bei Robinia,","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"481\nRhus, Sambucus u. s. w. beobachtete Herr Goeppert Ausnahmen, denn hier sind die erfrorenen Aeste weifslichgelb gef\u00e4rbt.) und diese braune Farbe wird durch die erkrankten Markstrahlen-Zellen verursacht, wo, wie es bekannt ist, ebenso wohl, wie in einigen Theilen des Markes und der Rinde eine Menge von Amylum als Reserve-Nahrung aufgeh\u00e4uften ist. Solche B\u00e4ume mit dem erfrorenen Holze, pflegen nicht immer ganz abgestorben zu sein, sondern nach den Beobachtungen von Herrn Link *) kr\u00e4nkeln sie zwar Anfangs, aber sp\u00e4ter schlagen sie dennoch aus, wenn man sie nicht abgeschnitten hat. Ich glaube, dafs dieses Zur\u00fcckbleiben einzig und allein in dem Verderben der \u201e aufgeh\u00e4uften Reserve-Nahrung ihren Grund hat, sp\u00e4ter I wird diese Nahrung auf anderem Wege ersetzt und nun k\u00f6nnen auch solche, durch den Frost erkrankte B\u00e4ume wieder ausschlagen.\nEine Eigenschaft, welche allen K\u00f6rpern durch die Wirkung der K\u00e4lte zukommt, n\u00e4mlich sich zusammenzuziehen und ein kleineres Volumen einzunehmen, ist nat\u00fcrlich auch den Gew\u00e4chsen angeh\u00f6rig und an den dicken St\u00e4mmen der B\u00e4ume ist dieses sogar sehr deutlich zu beob-f achten. HerrReum**) f\u00fchrt einen sehr interessanten Fall an, wo ein Stamm von 6 Fufs Umfang, durch sehr starke K\u00e4lte um drei Zoll zusammengedr\u00fcckt wurde, was an einem sogenannten Frostrisse, der weiter und enger wurde, I je nachdem die Temperatur stieg oder fiel zu beobachten war. Bei solchen starken Zusammenziehungen der Holzmassen, m\u00fcssen nat\u00fcrlich die, in demselben enthaltenen Eismassen schon bei geringen eintretenden Temperatur-* Ver\u00e4nderungen solche ungleiche Ausdehnungen in den verschiedenen \u00e4ufseren und inneren Schichten zeigen, dafs die Entstehung der sogenannten Frostrisse nicht schwer zn erkl\u00e4ren ist, besonders durch die Ausdehnung des im\n*) Verhandlungen des Vereins zur Bef\u00f6rderung des Gartenbaues. 1. Bd. pag. 165\u2014168. Berlin 1824.\n**) Pflanzen - Physiologie. Dresden 1835 pag. 170c","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nInneren des Stammes gefrierenden Wassers. Dickere St\u00e4mme zerspringen leichter, als d\u00fcnne, doch diese Frostrisse schaden nur selten, und wachsen zuweilen durch die neuen Holzschichten wieder zusammen, indem dieselben wulstige Anschwellungen bilden, welche sich \u00fcber die R\u00e4nder des Frostrisses legen, endlich zusammenstofsen und im folgenden Jahre ganz mit neuer Holzmasse \u00fcberzogen werden.\nDa die lebende Pflanze bei dem Wechsel der Temperatur sich nicht in allen ihren Theilen gleichm\u00e4fsig ausdelmt und zusammenzieht, so k\u00f6nnen auch nach Herrn Reum\u2019s *) Beobachtungen, selbst im Sommer dergleichen Risse in den St\u00e4mmen der B\u00e4ume entstehen, wie die Frostrisse zur Winterszeit. Reum giebt auch ein Aufspringen oder Trennen der Jahrringe an, welches an einigen B\u00e4umen, bei zunehmender W\u00e4rme, nach schnell eintretendem Thau-wetter zu beobachten ist. Auch dieses geschieht nat\u00fcrlich durch ungleiches Ausdehnen der verschiedenen Jahresringe, welche nicht an allen ihren Stellen gleich dick sind, und die Erscheinung soll sich oft mit einer starken Knolle bemerklich machen.\n\u201eIm erstarrten Zustande sagt Herr Reum**) zerreifst kein Pflanzen organ; stirbt aber die Pflanze in diesem Zustande, und es treten h\u00f6here W\u00e4rmegrade der Luft ein, so dehnen sich die fr\u00fcher abgestorbenen, also empfindlicheren Theile weniger aus, als die sp\u00e4ter abgestorbenen ii. s. w. und auf diese Weise entstehen nun Zerreifsun-gen aller Art. Diese Behauptung steht aber wohl h\u00e4ufig mit der Natur in Widerspruch, denn die Zerreifsungen ganzer Baumst\u00e4mme beobachtet man gerade w\u00e4hrend heftiger K\u00e4lte, und die Drsachen davon ergeben sich wohl aus den, im Vorherigen angef\u00fchrten Gr\u00fcnden. Im Allgemeinen hat aber Herr Reum in diesem Falle die Natur ganz richtig beobachtet.\nDie Verschiedenheit der Beobachtungen und der An-\n*) 1. c. pag. 172.\n\u00a5\u00a5) 1. c. pag. 172.","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"183\nsichten \u00fcber die eigenthiimliche W\u00e4rme in den Gewachsen, und haupts\u00e4chlich in den St\u00e4mmen der B\u00e4ume, f\u00fchrte mich hier so weit ab, aber der Gegenstand, um den es sich hier handelt, ist auch von solcher Bedeutung in der Pflanzenwelt, dafs es verzeihbar sein m\u00f6chte. Herr Goeppert*) glaubt, dafs die Akten \u00fcber diesen wichtigen physiologischen Gegenstand, wenigstens f\u00fcr die B\u00e4ume v\u00f6llig geschlossen sind; dafs ich aber meinem gelehrten Freunde in dieser Hinsicht nicht beistimmen kann, wird man schon aus den zerstreuten Bemerkungen erkannt haben, welche ich hie und da habe einfliefsen lassen. Auch hat Herr Goeppert seine Ansicht ge\u00e4ndert und in einer sp\u00e4teren Schrift**), welche im darauf folgenden Jahre erschien, bekannt gemacht, dafs die meisten organischen oder lebenden K\u00f6rper eine, ihnen eigenthiimliche W\u00e4rme entwickeln k\u00f6nnen, und dafs auch die Gew\u00e4chse unbestreitbar vom Keimen bis zur Bl\u00fcthenentwickelung freie, selbst mefsbare W\u00e4rme entwickeln.\nDiese Entwickelung einer eigenen W\u00e4rme der Pflanzen l\u00e4fst sich n\u00e4mlich am leichtesten an keimenden Saa-men und am auffallendsten an den Bl\u00fcthen der grofsen Aroideen beobachten. Wenn man einzelne Saamen keimen l\u00e4fst, so ist an ihnen noch keine h\u00f6here Temperatur, als die der umgebenden Atmosph\u00e4re zu beobachten, sobald man aber eine grofse Anzahl solcher Saamen zum Keimen bringt,.wie dieses z. B. bei der Bereitung des Malzes der Fall ist, so wird, wie es jedem Bierbrauer bekannt ist, eine sehr bedeutende Menge von W\u00e4rme entwickelt. Auch hier kann man im einzelnen Falle die h\u00f6here innere Temperatur des Saamens w\u00e4hrend des Keimens nicht beobachten, weil der Unterschied zu gering ist, bringt man aber Massen zusammen, so ist dieses sehr leicht. Die gr\u00fcnen Areca-Niisse (v. Areca Catechu L.), welche an den\n*) I. c. P. 163\nUebcr die CV\u00e4rme-Enlwickelung in der lebenden Pflanze etc, Wien 1832. 8.","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nK\u00fcsten von Sumatra in ungeheuerer Menge eingesammelt und zur Bereitung des Betels verschickt werden, entwickeln hei l\u00e4ngerem Zusammenliegen im Inneren des Schiffes sehr hohe Grade von W\u00e4rme. Ganz ebenso verh\u00e4lt es sich wohl auch mit der Temperatur in den Kr\u00e4utern und den Bl\u00e4ttern \u00fcberhaupt; einzelne zeigen der Verdunstung wegen keine erh\u00f6hete Temperatur, um so h\u00f6here dagegen in grofsen Massen.\nIn der letzten Zeit ist auch Herr Reum *) von Neuem aufgetreten und hat die eigenth\u00fcmliche W\u00e4rme der Gew\u00e4chse mit vielen sehr guten Gr\u00fcnden vertheidigt, da dieser bekannte Gelehrte aber weniger positive Beobachtungen angestellt hat, worauf seine Meinung beruhet, so haben sich dabei zugleich nicht wenig Irrthiimer eingeschlichen, besonders \u00fcber das Gefrieren der B\u00e4ume, welche ich zum Theil schon im Vorhergehenden ber\u00fchrt habe.\nAm auffallendsten findet die W\u00e4rmeentwickelung an einigen starkriechenden Blumen statt, eine Erscheinung, welche zuerst durch Lamark im Jahre 1777 an Arum italicum entdeckt wurde. Senebier **) beschrieb diesen Vorgang an Arum maculatum genauer; er bemerkte, dats die W\u00e4rmeentwickelung an der Bliithe der genannten Pflanze mit dem Oeffnen der Bl\u00fcthenhiille eintrete und t\u00e4glich zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags bemerkbar werde, dagegen zeigte sich der h\u00f6chste Grad von W\u00e4rme zwischen 6 und 8 Uhr. Senebier beobachtete die eigene W\u00e4rme des Bl\u00fcthenkolbens durch Anlegung einer Thermometerkugel, w\u00e4hrend ein anderes Instrument die Temperatur der umgebenden Luft anzeigte; die Ergebnisse waren folgende:\nSt unde.\tW\u00e4rme des Bl\u00fcthenkolbens.\n31* Mittags\t16,1\u00b0\tR.\n5\t17,9\n5J\t19,8\n21\nWarme der Luft,\n15,6\u00b0 R.\n14,7\n15\n15\n*) 1. c. pag. 166 etc.\n**) Phys, v\u00e9g\u00e9t. III. pag. 314 etc.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"185\nStunde. Warme des Bliithenkolbens.\t\tW\u00e4rme\n6|\t21,8\t14,9\n7\t21,2\t14,3\n91\t18,5\t15\n101\t15,7\t14\n5b Morgens\t14,1\t14\nDiese Tafel zeigt sehr genau, dafs die Entwickelung des h\u00f6chsten W\u00e4rmegrades in dem Bl\u00fcthenkolben nicht in die Zeit der h\u00f6chsten W\u00e4rme der umgebenden Luft f\u00e4llt, und ebenso wie hoch die Differenzen sind, welche sich zwischen der W\u00e4rme der Luft und derjenigen des Bliithenkolbens zeigten; sie betrugen bis \u00fcber 7\u00b0 R. Se\u00ab nebier war es auch, der eine Erkl\u00e4rung dieser auffallenden Erscheinung gab, welche wir noch heutigen Tages, als die einzig richtige darzustellen suchen werden. Diese W\u00e4rmeentwickelung soll n\u00e4mlich nach Senebier\u2019s Ansicht durch die Verbrennung des Kohlenstoffes mit dem Sauerstoffe der Luft hervorgerufen werden, und die Quantit\u00e4t des Sauerstoffes, welche eine solche Bl\u00fcthe in einer abgesperrten Glocke einathmete, war auch verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig sehr grofs.\nIn reinem Sauerstoffgas war die W\u00e4rme der Bl\u00fcthe sehr lebhaft, und man konnte selbst etwas Phosphorescenz in der Dunkelheit beobachten, eine Bemerkung, welche ich besonders hervorhebe, indem sie die einzige ist, welche nachweist, dafs auch bei den Pflanzen W\u00e4rme-Entwickelung und Licht-Entwickelung aus einer und derselben Ursache abzuleiten ist *).\nDie auffallendsten Beobachtungen \u00fcber W\u00e4rmeentwik-kelung in den Bl\u00fcthenkolben der Aroideen, sind an Arum cordifolium auf der Insel Madagaskar angestellt und durch Bory de Saint-Vincent **) publicirt. Es war eine gewisse Madame Hubert auf Madagaskar wohnend, welche, da sie blind war, diese sch\u00f6nriechenden Blumen der genannten\n*) An merk. Senebier sagt freilich: \u201eet m\u00eame si l\u2019on n\u2019apper-cevrait point de phosphorescence \u00e0 l\u2019obscurit\u00e9.\u201c\n**) Voyage d. 1. quatre principal. \u00eeles d. mers d\u2019Afrique. Tom. II. pag. 66\u201485.","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nPflanze genau bef\u00fchlte und die hohe Temperatur derselben dabei bemerkte. Der Mann jener Frau untersuchte diesen Gegenstand genauer und fand sehr bald, dafs die ? W\u00e4rme dieser Blumen gegen Sonnenaufgang sogar st\u00e4rker wurde. Zwischen 5 solcher Bliithenkolben, welche des Nachts aufgebrochen waren, stellte er ein Thermometer und fand dasselbe, bei 19\u00b0 W\u00e4rme der Atmosph\u00e4re, bis auf 44\u00b0 steigend, doch bald darauf, obgleich die Tempe- 4 ratur der Atmosph\u00e4re zunahm, begann die W\u00e4rme des Bliithenkolbens zu sinken; schon um 8 Uhr zeigte er, bei 21\u00b0 Luftw\u00e4rme, nur noch 42\u00b0, und um 9 Uhr Abends nur noch 28\u00b0. Zw\u00f6lf Bliithenkolben, welche um ein Thermometer gestellt waren, zeigten des Morgens, T Stunde vor Sonnenaufgang, eine W\u00e4rme von 49^ \u00b0. Gespaltene Kolben zeigten auch im Parenchym eine fast eben so grofse W\u00e4rme (42\u00b0), und selbst das Parenchym der Blu- -menstiele wurde davon sehr hoch erhitzt. Kleine Blumen brachten die Temperatur nicht so hoch und ebenso verhielt es sich auch mit den weiblichen Theilen der Bliithen. Sehr interessant sind die Untersuchungen \u00fcber die Mittel, wodurch die hohe W\u00e4rme-Entwickelung in diesen Bliithen verhindert oder aufgehalten wird. Wurden n\u00e4mlich die Bliithen am Abende vor ihrem Aufbrechen abgeschnitten, so kam die W\u00e4rme derselben nur bis auf 34\u00b0. Wurden t die Bliithenkolben vom Einfl\u00fcsse der Atmosph\u00e4re abgeschlossen, so entwickelte sich fast gar keine W\u00e4rme, doch diese W\u00e4rme-Entwickelung trat wieder ein, sobald die Blumen wieder mit der Luft in offener Verbindung standen. So % h\u00f6rte z. B. die W\u00e4rme-Entwickelung auf, wenn der ganze Kolben mit, in Oel getauchter Leinewand bewickelt wurde, und ebenso erkalteten die heifsen Kolben, wenn sie in heifses Wasser getaucht wurden; sie wurden aber sp\u00e4ter, * nachdem sie wieder in der Luft lebten, heifs. Werden die Kolben lange Zeit hindurch unter heifsem Wasser gehalten, z. B. 24 Stunden hindurch, so wird ihre eigen-thiimliche W\u00e4rme kaum 2 bis 3\u00b0 h\u00f6her, als die W\u00e4rme","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"187\nder Luft, und heifses Wasser von 41\u00b0 macht die Kolben sogar welk.\nDiese auffallenden Beobachtungen wollte man sp\u00e4ter an den bei uns vorkommenden, und an den, in unsern Gew\u00e4chsh\u00e4usern bl\u00fchenden Aroideen wiederholen; viele Botaniker besch\u00e4ftigten sich damit, erhielten aber negative Resultate, so dafs, was doch wirklich zu hart war, diese ganze Erscheinung von verschiedenen Gelehrten g\u00e4nzlich bestritten wurde, was sogar noch vor wenigen Jahren der Fall war.\nIndessen es wurde schon von Senebier und von De Saussure nachgewiesen, dafs zu einer bedeutenden W\u00e4rme-Entwickelung in den Bl\u00fcthenkolben der Aroideen auch eine sehr kr\u00e4ftige Vegetation geh\u00f6re, daher dergleichen Gew\u00e4chse in ihrem Vaterlande eine so aufserordentlich hohe Temperatur entwickeln k\u00f6nnen, w\u00e4hrend sie, entfernt von ihrem Vaterlande und in einer weniger warmen Luft lebend, langsamer vegetiren und nur sehr wenige oder gar keine bemerkbare W\u00e4rme entwickelen. De Saussure*) beobachtete bei Arum maculatum, welches bei Genf wild w\u00e4chst, an mehreren Blumen die erh\u00f6hete Temperatur; er beobachtete aber auch, dafs die keulenf\u00f6rmigen Kolben dieser Blumen ihr 30faches Volumen von Sauerstoff innerhalb 24 Stunden in Kohlens\u00e4ure um\u00e4nderten, oder wenigstens jene Quantit\u00e4t von Sauerstoff einsaugten und daf\u00fcr ein gleiches Maafs Kohlens\u00e4ure aushauchten; die Bliithenscheide verbrauchte nur das F\u00fcnffache ihres Volumens an Sauerstoffgas. Dagegen beobachtete De Saussure an den Blumen von Arum italicum, welches bei Genf ge-bauet war, keine erh\u00f6hte W\u00e4rme, fand aber auch, dafs die Blumen dieser Pflanze nur das 5- bis 6fache ihres Volumens von Sauerstoffgas innerhalb 24 Stunden einsaugten und eben so viel Kohlens\u00e4ure daf\u00fcr aushauchten. Herr De Candolle**) hat die W\u00e4rme-Entwickelung an den Blu-\n\u00a5) Annales de Chimie et de Physique. Tom. 21 pag. 279. \u00a5\u00a5) Phys, v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 552.","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"488\nmen von Arum italicum h\u00e4ufig in Montpellier beobachtet; er bemerkte, dafs sie sich in jeder Bliithe nur einmal einstellte, um 3 Uhr Nachmittags zuerst bemerkbar wurde, um 5 Uhr ihr Maximum erreichte und um 7 Uhr wieder aufh\u00f6rte.\nIm botanischen Garten zu Berlin ward die Temperaturerh\u00f6hung an dem Bl\u00fcthenkolben von Caladium pinnati-fidum zuerst durch Herrn Plesnig, fr\u00fcher Oberg\u00e4rtner daselbst, und dann durch Herrn C. H. Schultz * **)) beobachtet; bei 15\u00b0 Temperatur der Luft zeigte jene Blume 4 bis 5\u00b0 R. mehr W\u00e4rme, und derjenige Theil, auf welchem die Antheren safsen, zeigte die gr\u00f6fste W\u00e4rme.\nAn Arum Dracunculus hat Herr Goeppert im botanischen Garten zu Breslau eine W\u00e4rmezunahme von 14\u00b0 R. beobachtet, w\u00e4hrend die Temperatur der Luft nur 13\u00b0 R. zeigte.\nIn neuester Zeit wurden abermals mehrere Beobachtungen \u00fcber diesen interessanten Gegenstand bekannt gemacht. Herr Brongniart ***) stellte Beobachtungen an Caladium odorum an, welche einige auffallende Resultate geliefert haben. Bei einer Luft-Temperatur von 21\u00b0 C. zeigten die Staubf\u00e4den 24\u00b0 C. W\u00e4rme; die Basis an den abortirten Staubf\u00e4den 26\u00b0 und die Mitte der Masse des Parenchyms, dicht an den abortirten Staubf\u00e4den, zeigte sogar 28\u00b0 C., demnach zeigte sich hier eine Differenz von 7,5\u00b0 C. zwischen der Temperatur der Luft und derjenigen der Antherenmasse. Diese hohe Differenz beobachtete man um 3 Uhr Nachmittags und eine Stunde darauf, n\u00e4mlich um 4 Uhr, war die Differenz nur noch 2,5\u00b0. Ja die Zunahme der W\u00e4rme des Bliithenkolbens zeigte sich an dieser Pflanze, w\u00e4hrend der ganzen Zeit, dafs die Befruchtung dauerte, doch traten die Maxima der W\u00e4rme zu gewissen Zeiten ein, welche an verschiedenen Tagen verschieden\n\u00a5) Die Natur d. leb. Pflanze. II. pag. 185.\n**) Ueber W\u00e4rme - Entwickelung etc. 1832.\n***) Nouv. Ann. du Mus\u00e9um. 1834. T, III.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"189\nwaren. Die gr\u00f6fsten Differenzen zwischen der Warme der Arum-Bl\u00fcthen und derjenigen der umgebenden Luft, welche Herr Brongniart beobachtete, waren:\nAra 14. M\u00e4rz um 3 Uhr Nachmittags: 4,5\u00b0 C.\n-\t15.\t-\t- 4\u00a3 -\t10\u00b0\t-\n-\t16.\t-\t-\t5\t-\t-\t10,2\u00b0 -\n-\t17.\t-\t-\t5\t-\t-\t11\u00b0\t-\n-\t18.\t-\t- 11 Vormittags :\t8,2\n-\t19.\t-\t- 10\t-\t-\t2,5\t-\nDie Herren G. Vrolick und W. II. de \\ riese *) haben Gelegenheit gehabt, jene Beobachtungen an Caladium odorutn zu wiederholen. Ihre zahlreichen Beobachtungen beweisen ebenfalls, dafs die W\u00e4rmeentwickelung an den Bliithenkolben jener Pflanze zu gewissen Tagesstunden am st\u00e4rksten, und in anderen sogar ganz unmerkbar ist; das Maximum der W\u00e4rme des Bliithenkolbens zeigte sich bei ihnen regelm\u00e4fsig des Nachmittags zwischen 2\u20144 Uhr, w\u00e4hrend es bei den Beobachtungen des Herrn Brongniart t\u00e4glich sp\u00e4ter eintrat. Bei Senebier\u2019s Beobachtungen trat das Maximum ebenfalls regelm\u00e4fsig zu gewissen Nachmittagsstunden ein. Vrolick und de Vriese sahen die h\u00f6chste Temperatur auf der Oberfl\u00e4che der Spitze des Bliithenkolbens, dafs also in den Antheren desselben, die st\u00e4rkste W\u00e4rme entwickelt wurde, denn das Thermometer im Inneren des Kolbens zeigte zu gleicher Zeit 10\u00b0 Fahr, weniger. Diese Erscheinung ist auch neuerlichst durch Herrn Goeppert **) vollkommen best\u00e4tigt worden, so dafs derselbe den Sitz aller W\u00e4rmeentwickelung im Bliithenkolben der Aroideen nur in den Antheren erkennt, und dafs allen \u00fcbrigen Theilen der Blume nur von hier aus die W\u00e4rme mitge-theilt wird. Nachdem der Kolben von Arum Dracunculus in 5 Theile zerschnitten war, zeigte derjenige Theil, an welchem die Antheren safsen, noch nach 18 Stunden einen hohen W\u00e4rmegrad.\nv. d. Howen en Vriese. Tijdschrift voor naturl. Gesell. II. pag. 296 und Wiegmann\u2019s Archiv der Naturgeschichte. 1836. II. pag. 95, woselbst ein ausf\u00fchrlicher Auszug jener Arbeit enthalten ist.\n**) Froriep\u2019s Notizen v, Juli 1836 pag. 136.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nObgleich \u00e4hnliche Beobachtungen \u00fcber Warme-Entwickelung an den Bl\u00fcthen verschiedener Aroideen angestellt sind, so scheint es doch, dafs nicht allen Pflanzen dieser Familie eine solche Erscheinung zukommt, wenigstens ist dieselbe bei einigen so gering, dafs sie kaum wahrgenommen wird. Herr Bory fand dieses schon w\u00e4hrend seinerReise an Caladium esculentum best\u00e4tigt, und ich selbst habe bei mehreren kleinen Aroideen, welche in den Gew\u00e4chsh\u00e4usern des botanischen Gartens zu Berlin bl\u00fchten, vergebens nach auffallender W\u00e4rmeentwickelung in ihrem Bl\u00fcthenkolben gesucht. Arum viviparum zeigte, bei 16 bis 17\u00b0 Luftw\u00e4rme, eine Erh\u00f6hung der Temperatur um den Bl\u00fcthenkolben von 2\u00b0 R., w\u00e4hrend die Spatha nur 0,5\u00b0 R. h\u00f6her erw\u00e4rmt war.\nIndessen die Entwickelung eines h\u00f6heren W\u00e4rmegrades in den Bl\u00fcthen der Pflanzen, beschr\u00e4nkt sich keineswegs blofs auf die Familie der Aroideen, sondern es sind durch De Saussure, dem wir die sch\u00f6nsten Resultate \u00fcber die Ern\u00e4hrung und die Respiration der Pflanzen verdanken, eine Menge \u00e4hnlicher Erscheinungen auch an anderen grofsbliihenden Pflanzen beobachtet worden, wenn auch an keiner anderen Pflanze solche hohen Grade von W\u00e4rme, wie sie vorhin bei den Aroideen angef\u00fchrt wurden.\nAlle m\u00e4nnlichen Bl\u00fcthen von Cucurbita Melo-pepo zeigten etwas h\u00f6here W\u00e4rme, als die umgebende Luft; zwischen 7 und 10 Uhr Morgens zeigte eine neu aufgebrochene Blume \\ 0 C. h\u00f6here W\u00e4rme. War die Pflanze aber schon alt und die Bl\u00e4tter gelb, so wurde keine h\u00f6here Temperatur an den Blumen beobachtet, und weibliche Blumen waren \u00fcberhaupt nicht so warm, als m\u00e4nnliche.\nSo beobachtete De Saussure eine geringe W\u00e4rmezunahme auch an Bignonia radicans und an Polyanthes tuberosa; der Unterschied mit derjenigen der atmosph\u00e4rischen Luft betrug zwischen 0,3 bis 0,5\u00b0 C.\nHerr Bory de Saint- Vincent will in der Bliithe von\nVoy. dans 1, quatre \u00eeles etc. II. pag, 85.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"191\nPandanus utilis ebenfalls eine W\u00e4rmezunahme beobachtet haben, und Herr Schultz*), der zuerst diese Erfahrungen \u00fcber die erh\u00f6hete W\u00e4rme in den Blumen im Zusammenh\u00e4nge vortrug, giebt an, dafs sich auch bei dem schnell-verbl\u00fchenden Cactus grandiflorus und bei Pancratium raa-ritimum eine deutliche Temperatur-Zunahme zeige; ich fand dieselbe bei ersterer Pflanze sehr gering, in manchen Stunden nicht 1\u00b0 R. betragend.\nEs m\u00f6chte kaum noch n\u00f6thig sein, dafs ich hier am Schl\u00fcsse dieses Capitels, nochmals auf die Ursache aufmerksam mache, welche allen jenen Erscheinungen einer inneren W\u00e4rme der Pflanzen zum Grunde liegt, indem ich dieselbe schon an verschiedenen Stellen angedeutet habe. Die chemischen Verbindungen, welche sich w\u00e4hrend des Vegetations-Aktes der Pflanze bilden, sind es, welche die Ursache dieser h\u00f6heren W\u00e4rme darstellen, und zwar spielt die Verbrennung des Kohlenstoffs mit Sauerstoff hier, wie bei der W\u00e4rme-Erzeugung in den Thieren die gr\u00f6fste Rolle. Auch andere Verbindungen m\u00f6gen in den Pflanzen W\u00e4rme erzeugen, doch die der Kohle mit Sauerstoff, worin die Respiration der Pflanze besteht, l\u00e4fst jene W\u00e4rmezunahme am deutlichsten verfolgen. Bei dem Keimen der Saamen, und bei dem Bl\u00fchen und dem Befruchtungsakte der Gew\u00e4chse wird bekanntlich eine sehr grofse Menge Sauerstoff verbraucht und als Kohlens\u00e4ure wieder ausgehaucht, und gerade hier ist es, wo die h\u00f6chsten Grade von eigenth\u00fcmlicher W\u00e4rme der Gew\u00e4chse zu beobachten sind. In den anderen Theilen der Pflanze, wo dieser Lebensakt weniger intensiv auftritt, da ist die W\u00e4rme-Entwickelung auch nicht so grofs und meistens kaum mefsbar, wenn man nicht die aller genauesten und zahlreichsten Beobachtungen mit der geh\u00f6rigen Vorsicht und Umsicht anstellt.\n\u00a5) Die Natur der lebenden Pflanze. Stuttg. 1828 pag. 192.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"492\nDrittes Capitel.\nLieht-Entwickelung der Pflanzen.\nIm vorhergehenden Abschnitte habe ich nachzuweisen gesucht, dafs die Erzeugung der W\u00e4rme in den Pflanzen als Product chemischer Verbindungen anzusehen ist; wir -haben gesehen, dafs diese Entwickelung der Warme in den Bliithen einiger stark duftenden Pflanzen am h\u00f6chsten steigt, dafs hier aber auch eine unglaubliche Menge von Sauerstoff verbraucht wird. Auf eben dieselbe Weise m\u00f6chten wohl auch die Licht-Erscheinungen zu erkl\u00e4ren sein, welche bei so vielen Pflanzen beobachtet sind; auch sie sind Producte chemischer Verbindungen, und Vorhandensein von Sauerstoff in der umgebenden Luft, ist dazu durchaus erforderlich. Obgleich bei den chemischen Ver- ~ einigungen anorganischer Stoffe so h\u00e4ufig besonders hohe W\u00e4rme-Erzeugung, mit Licht-Erscheinungen begleitet auf-tritt, so ist doch auch in anderen F\u00e4llen die erh\u00f6hete W\u00e4rme sehr gering, wenngleich Licht-Erscheinungen ein-treten. Man kann also nicht sagen, dafs die Licht-Entwickelung bei den chemischen Verbindungen mit der st\u00e4rksten W\u00e4rme-Entwickelung verbunden ist, und dieses . gilt denn auch bei allen den Licht-Entwickelungen, welche * man bei den Pflanzen bis jetzt beobachtet hat; eine erh\u00f6hete Temperatur ist hiebei noch nicht wahrgenommen, eben so wenig, als bei dem Leuchten der Thiere, wor\u00fcber schon eine weit gr\u00f6fsere Anzahl von Beobachtungen be- 1 kannt ist, und wo man ebenfalls Erkl\u00e4rungen hat aufstellen m\u00fcssen, welche auch den Licht-Entwickelungen in den Pflanzen zur Erkl\u00e4rung dienen k\u00f6nnen.\nLicht ist wohl immer Licht, es mag mit den verschie- 4 denartigsten Erscheinungen auftreten; m\u00f6gen diejenigen Pflanzen und Pflanzen-Theile, welche leuchten, ein best\u00e4ndiges, unter gleichen Erscheinungen anhaltend fortdauerndes Licht erzeugen, wie die Rhizomorphen, das absterbende Holz u. s. w. oder m\u00f6gen es nur einzelne Funken","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"193\noder Strahlen sein, welche einer Pflanze entspringen, wie dieses bei einer Menge von Blumen bis jetzt beobachtet worden ist.\nDie \u00e4ltesten Beobachtungen \u00fcber das Leuchten der Pflanzen sind diejenigen, welche man \u00fcber sogenanntes faules Holz angestellt hat, und diese Erscheinung ist wohl ganz allgemein bekannt. Das leuchtende Holz erscheint auf seiner ganzen Oberfl\u00e4che, ja im st\u00e4rkeren Grade selbst \u201e durch und durch, als eine hellleuchtende Masse, und oft, wenn die Oberfl\u00e4che schon zu leuchten aufgeh\u00f6rt hat, kann man das Leuchten wieder hervorrufen, wenn man die verfaulte Oberfl\u00e4che des Holzes abschneidet.\n. Es ist \u00fcbrigens keineswegs der Fall, dafs jedes fau-* lende Holz mit Leuchten begleitet ist, sondern diese letztere Erscheinung tritt nur dann auf, wenn das gef\u00e4llte Holz noch im Safte war, und es in diesem Zustande pl\u00f6tzlich in den F\u00e4ulnifs-Prozefs versetzt wird. So wird das Holz gewifs sehr bald leuchtend, wenn man frisch gef\u00e4llte St\u00e4mme, oder St\u00fccke davon, in die Erde gr\u00e4bt und auf diese Weise langsam absterben l\u00e4fst. Der ganze Vorgang, wobei das Holz leuchtend wird, ist mit Erzeugung eines eigent\u00fcmlichen Geruchs begleitet, welches schon beweist, dafs bei diesem Prozesse chemische Verbindungen vor sich gehen, in deren Folge das Leuchten erscheint. Man kann nun aber diesen Vorgang keineswegs ein reines Faulen, i also einen rein chemischen Prozefs nennen, sondern man mufs ihn, wie es Herr Schultz*) sehr treffend gethan hat, f\u00fcr einen Todesprozefs, oder f\u00fcr ein langsames Absterben halten, wobei der rein chemische Prozefs aufzutreten be-! ginnt. Wenn erst wirkliche chemische Zersetzungen stattgefunden haben, wodurch die Structur der Elementar-Organe aufgehoben worden ist, dann ist auch das Leuchten zu Ende. Solches Holz, welches nach dem F\u00e4llen an der Luft ausgetrocknet ist, kommt wohl niemals zum Leuchten, wenn es auch in einem feuchten Aufenthaltsorte in F\u00e4ulnifs \u00fcbergeht.\n*) Natur der lebendigen Pflanze. II. psg. 197 Meycn, Pfh Physiol, 1I\u201e\n13","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nEs ist eine Beobachtung von Albrecht *) vorhanden, welche die vorher ausgesprochene Ansicht sehr wohl best\u00e4tigt. Man beobachtete zur Winterzeit zerspaltenes -Brennholz leuchtend, welches von einem Baume herstammte, der im Fr\u00fchjahre durch einen Sturm umgeworfen und dann, ohne gespalten zu werden, im Freien liegen geblieben war. Am lebhaftesten leuchteten die einzelnen St\u00fccke jenes Holzes unter der Rinde, und verbreiteten dabei einen * urin\u00f6sen Geruch. In der umfassenden Arbeit, welche wir \u00fcber das Leuchten der unterirdischen Rhizomorphen durch die gelehrten Naturforscher von Bonn erhalten haben **), ist ebenfalls eine h\u00f6chst interessante Beobachtung, \u00fcber das Leuchten des Grubenholzes in schlesichen Bergwerken enthalten ***). Man hatte n\u00e4mlich die Zimmerung aus frischem Fichtenholze gemacht, welches gerade zur Saftzeit gef\u00e4llt worden war, und nun entwickelte sich, bei-1 dem Absterben dieser Baumst\u00e4mme in der feuchten Grubenluft ein sehr starkes Leuchten, wobei sich eine gallertartige Substanz, welche zwischen Rinde und dem festen Holze lag und wohl nichts anderes, als eine chemisch verwandelte junge Holzsubstanz war, ganz besonders auszeichnete.\nDiese Licht-Entwickelung findet indessen nicht nur bei dem absterbenden Holzk\u00f6rper statt, sondern sie ist j auch bei absterbenden Schw\u00e4mmen beobachtet worden; so sah De Candolle f) den Agaricus olearius, der gegen -i Ende seines Lebens-Prozesses einen phosphorischen Schein von sich gab, und Fries hat eine Stelle aufgefunden, wo-} nach schon Rumph auf Amboina beobachtet hat, dafs ein Agaricus, der auf Holz wuchs, gleichfalls einen phos-phorescirenden Schein von sich gab, Herr Link -j-j-)\n*) De ligno non putrido in tenebris lucente. = Acta Acad.\nC. L, G Naturae Curios. Yol. V. 1835. pag. 482.\n**) Nova Acta Acad. Caes. L. C. nat, curiosorum. T. XI. pag. 605.\n***) 1. c. pag. 702.\n\u2022fi) Flore fran\u00e7aise. VI. Paris 1815 pag. 45.\n*f*f) Eleraenta. pag. 394.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"195\nnennt auch Hiraantia Candida, deren thallus als leuchtend beobachtet worden ist. Uebrigens scheint es, dafs Pilze, welche im Zustande des Absterbens leuchtend werden, gar nicht selten sind; so erinnere ich mich aus fr\u00fcheren Jahren, als ich Nachts durch einen Wald ging, an zwei verschiedenen Stellen leuchtende Pilze beobachtet zu haben; die Substanz dieser Pilze war schon so weit aufgel\u00f6st, dafs sich dieselbe in einem weichen Zustande befand, und \u00bb ich die leuchtende Materie mit dem Stocke an die Baumst\u00e4mme streichen konnte.\nHerr Eudes-Deslongchamps beobachtete ein phospho-risches Leuchten an Pfirsichen, welche zu verfaulen an-| fingen *).\nSchliefslich erinnere ich hier an das Leuchten, welches man an absterbenden K\u00e4fern beobachtet hat, eine Erscheinung, welche wohl ganz wahrscheinlich ein und dieselbe Ursache zum Grunde hat, wie das Leuchten der absterbenden Pflanzen.\nIch komme jetzt zu den Erscheinungen des Leuchtens, welche man an lebenden Pflanzen beobachtet hat; obenan steht hier das Leuchten der Rhizomorphen, welches zwar schon lange bekannt war, aber erst in neuerer Zeit ausf\u00fchrlich beobachtet und erkl\u00e4rt worden ist. Die Herren Nees von Ebenbeck, der Aeltere und der J\u00fcngere, N\u00f6ggerath und Bischof**) haben uns diese sch\u00f6nen Untersuchungen mitgetheilt.\nDie Rhizomorphen geh\u00f6ren bekanntlich zu denjenigen Gew\u00e4chsen, von welchen man noch nicht weifs, ob sie den Pilzen oder den Flechten zuzuz\u00e4hlen sind; ja einige Botaniker bringen sie sogar zu den Algen. Es wachsen die Rhizomorphen sehr h\u00e4ufig auf faulenden Baumst\u00e4mmen, so z. B. auf den hervorragenden grofsen Wurzeln gef\u00e4llter B\u00e4ume und auf dem Holze, welches man zur Verzimmerung der Gruben gebraucht; sie erscheinen in diesen F\u00e4llen\n\u00a5) L\u2019Institut de 1836 pag. 314.\n**) Nova Acta Acad. C. L. C. T. XL P. 2. pag. 605.\n13*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nmeistens zwischen Rinde und Holz, doch treten sie auch auf der unbekleideten Oberfl\u00e4che des Holzes auf. Diese Pflanzen leuchten im Dunkeln und zwar haupts\u00e4chlich nur : mit ihren spitzigen Enden, welche eine weifsliche Farbe und eine mehr flockige Textur haben. Ganz junge Pflanzen leuchten st\u00e4rker als alte Pflanzen, und an diesen hat man auf ihrer braunen Oberfl\u00e4che, nur sehr selten einiges -Phosphoresziren beobachtet. Das Leuchten der Spitzen der Rhizomorphen (Rhizomorpha subterranea Pers. und Rh. a\u00efdaela Nees) in den Gruben, ist \u00fcbrigens so stark, dafs man in denselben dabei sehen und sogar lesen kann. _j Haben diese Gew\u00e4chse aufgeh\u00f6rt zu leuchten, und man durchschneidet sie, so leuchten die neuen Enden wieder von Neuem. Die leuchtende Materie an den Spitzen der Rhizomorphen theilt sich bei der Ber\u00fchrung dem Finger mit, also ganz \u00e4hnlich wie der leuchtende Schleim, welcher von den leuchtenden Mollusken abgesondert wird, und schon theilweise im Inneren dieser Thiere enthalten ist. Auch hier bei den Rhizomorphen ist ein gewisser Grad von W\u00e4rme noting, um das Leuchten hervorzurufen, worauf wir etwas sp\u00e4ter noch besonders aufmerksam machen werden. Ohne atmosph\u00e4rische Luft sind die Rhizomorphen nicht zum Leuchten zu bringen, und ihr Leuchten h\u00f6rt auf, sobald sie in irrespirabele Gasarten gebracht werden, -ebenso wie auch im luftleeren Raume. Dagegen leuchten sie in Sauerstoffgas um so heller und da sie, bei dem Leuchten in der Atmosph\u00e4re, ebenfalls den Sauerstoff einschlucken und daf\u00fcr Kohlens\u00e4ure aushauchen, so mufs s man die Verbrennung des Kohlenstoffs durch den Sauerstoff der Luft, als die n\u00e4chste Ursache des Leuchtens an-sehen, und den ganzen Vorgang f\u00fcr einen chemischen Pro-zefs erkl\u00e4ren, welcher mit Licht-Entwickelung begleitet 4 ist. Wir kennen zwar nicht den besonderen Stoff in den Spitzen der Rhizomorphen, dessen Oxydation dieses Leuchten hervorbringt, man darf aber dahin schliefsen, dafs ein solcher vorhanden sein m\u00f6chte, wenngleich es auch durchaus nicht noting ist, dafs dieser Stoff dem Phosphor gleiche,","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"197\nsondern er scheint vielmehr eine chemische Verbindung zu sein, welche zwischen dem Gummi oder Schleime und der Pflanzenmembran steht. In dem faulenden Holze, welches leuchtet, ist es die sich allm\u00e4lig aufl\u00f6sende oder vielmehr zerfallende Zellen-Membran, und hier kann man eben dieselben Ursachen erkennen, welche, wie bei den Rhizomorphen das Leuchten bedingen oder vernichtenin Sauerstoffgas leuchtet das Holz l\u00e4nger, als in der atmosph\u00e4rischen Luft, und dabei wird Sauerstoff eingeathmet und Kohlens\u00e4ure ausgehaucht*). Es stimmt also der ganze Vorgang bei dem Leuchten der Rhizomorphen und dem Leuchten des faulen Holzes mit einander \u00fcberein.\nDas Leuchten des faulen Holzes dauert in irrespira-beln Gasarten eben so wenig fort, als das der Rhizomorphen, obgleich es in Lein\u00f6l, Baum\u00f6l, Urin, Phosphorwasserstoffgas, in Stickstoffgas und Wasserstoffgas noch einige Zeit hindurch anh\u00e4lt. Auch das Leuchten der Rhizomorphen h\u00f6rt im Stickstoffgase nur allm\u00e4lich auf. Hier mufs man die Erscheinung durch die Menge von Luft erkl\u00e4ren, welche schon vor diesen Versuchen in dem Inneren der por\u00f6sen Holzmasse enthalten war, und auf eine Zeitlang noch im Stande ist das Leuchten zu veranlassen, so lange n\u00e4mlich noch etwas Sauerstoff darin enthalten ist.\nDie sch\u00f6nen Untersuchungen, welche wir von den genannten Naturforschern \u00fcber das Leuchten der Rhizomorphen erhalten haben, zeigen auch, dafs die Menge von Kohlens\u00e4ure, welche durch das absorbirte Sauerstoffgas erzeugt wurde, dem Volumen dieses nicht entspricht, sondern dafs noch eine Menge von Sauerstoff in der Rhi-zomorphe zur\u00fcckbehalten wird; kurz der ganze Prozefs erscheint mir wie ein erh\u00f6hter Athmungsprozefs.\nHerr Agardh, bekannt als ein so scharfsinniger Gelehrter, ist der Meinung, dafs die Erkl\u00e4rung des Leuch-tens dieser Pflanzen eigentlich der Chemie angeh\u00f6re und nicht der Physiologie, doch hierin m\u00f6chte derselbe wohl\n*) S Gaertner in Scherer\u2019s Journal der Chemie. Bd III. pag. 12","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nUnrecht haben. Das Leuchten der Rhizomorphen ist ein Akt des Lebens, wenn auch von der Verbrennung des Kohlenstoffs abh\u00e4ngig, und derselbe verh\u00e4lt sich ebenso, wie das Leuchten des absterbenden Holzes und der absterbenden Pilze, so wie der leuchtenden Blumen, und daher geh\u00f6rt die Erkl\u00e4rung aller dieser Erscheinungen zusammen; die Chemie ist es aber, welche uns hier die Mittel zur Erkl\u00e4rung an die Hand giebt, der Chemiker jedoch wird sich mit der Erkl\u00e4rung des Leuchtens der Rhizomorphen und anderer Pflanzen nicht befassen, sie bleibt daher dem Physiologen.\nIch komme jetzt zu dem wunderbaren Leuchten, welches man an einem Moose der Schistostega osmundacea beobachtet hat, das in feuchten H\u00f6hlen verschiedener Gegenden von Deutschland vorkommt. Man findet diese Erscheinung beschrieben, oder mehr oder weniger genau angedeutet von sehr vielen Beobachtern, als von Funk, Brandenburg *), Nees v. Ebenbeck, Hornschuch, und Sturm**). Diese letzteren Beobachter sagen, dafs jenes Moos wenigstens einen hellen Schimmer von sich verbreite. Gilbert und Jordan ***) sahen dieses Moos mit einem smaragdgr\u00fcnen Lichte leuchten, was auch durch Herrn Unger, dem neuesten Beobachter dieses Gegenstandes best\u00e4tigt wirdf). Dieser leuchtende, lebhaft smaragdgr\u00fcne Schimmer ist nach Herrn Unger\u2019s Beobachtung mehr metallisch gl\u00e4nzend, als phosphorisch leuchtend und von allem Farbenspiele frei. Im Juli ist dieses Schimmern in der H\u00f6hle, wo es Herr Unger beobachtete, am deutlichsten; im Herbste nimmt es ab, und sp\u00e4ter ist keine Spur davon zu finden. Bekanntlich erkl\u00e4rte schon Herr\n*) Gilbert\u2019s Annalen Bd. XXX. pag. 242. \u2014 Flora oder botanische Zeitung 1823. pag. 121.\n**) In deren Bryologia germanica. N\u00fcrnberg 1823 I. pag. 111.\n***) Annal. XXX. pag. 292.\n*f) Ueber Bridels Gatoptridium smaragdinum.\n1834. I. pag. 33.\nFlora von","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"199\nBridel-Brideri *), dafs das Licht der Schistostega kein phosphorisches w\u00e4re, und dafs es gar nicht dem Moose angeh\u00f6re, sondern einer eigenthiimlichen Alge, welche von ihm als Catoptridium smaragdinum beschrieben wurde. Herr Agardh, der scharfsinnige Algen-Kenner, hat darin einen Protococcus erkannt, den er P. smaragdinus nennen m\u00f6chte. Herrn Ungers Untersuchungen dieses Gegenstandes haben uns aber gegenw\u00e4rtig dar\u00fcber ins Klare gesetzt; es kommt jenes Moos in einer H\u00f6hle, nahe bei Kitzbiihl, dem fr\u00fchem Wohnorte des Herrn Unger vor, und wurde daselbst mikroskopisch beobachtet. Das Catoptridium smaragdinum Br. oder der Protococcus smaragdinus des Herrn Agardh, welcher dieses Leuchten der Schistostega veranlafst, ist nichts anderes, als die sogenannten Cotyledonen dieses Mooses, welche hier, wie bei den anderen Moosen in Form von gegliederten und ver\u00e4stelten Conferven auftreten, aber das Eigenth\u00fcmliche zeigen, dafs ihre einzelnen Utriculi mehr oder weniger die Kugelform annehmen, und dann die Contenta in der Mitte zusammengeballt enthalten. Und diese, gleich kugelf\u00f6rmigen Blasen, angeschwollenen Utriculi sind es, welche durch eigenth\u00fcmliche Refraction und Reflexion des Tageslichtes jenes ber\u00fchmte Leuchten hervorrufen, was aber keineswegs in einer eigenthiimlichen Licht-Entwickelung besteht. Die Beobachtung des Herrn Unger, dafs im Winter keine Spur von jenem smaragdfarbenen Lichte zu beobachten ist, scheint mir aber noch nicht erkl\u00e4rt zu sein. Die Cotyledonen der Moose pflegen auch zur Winterzeit sehr \u00fcppig zu vegetiren; doch w\u00e4re es m\u00f6glich, dafs sie um diese Zeit noch nicht jene vorhin angegebene Umwandlung ihrer Schl\u00e4uche eingegangen w\u00e4ren, wodurch gerade die Reflexion des Tageslichtes hervorgerufen zu werden scheint. Ich beobachtete diese Gebilde im Monate September, aus einer H\u00f6hle am Fufse des Regensteins bei Blankenburg, und zu dieser Zeit fand ich die einzelnen Zellen der\n*) Bryologia universa. Lipsiae 1826. I. pag. H2.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nconfervenartigen Cotyleclonen fast ganz kugelf\u00f6rmig angeschwollen, und viele derselben hatten sich von einander getrennt.\nSomit w\u00e4re das sogenannte Leuchten der Schistostega osmundacea aus der Reihe der- hierhergeh\u00f6rigen Erscheinungen zu streichen; wir kommen aber zu einer ganzen Reihe anderer Beobachtungen, welche unbezweifelt dar-thun, dafs lebende Pflanzen, unter gewissen Umst\u00e4nden, wirkliche Entwickelungen von Licht aufzuweisen haben. Hierher geh\u00f6rt, gleich obenan, die schon so oft besprochene Entwickelung vom Blitzen, oder vielmehr das schnelle Hervorstofsen eines leuchtenden Glanzes, welches Linnens Tochter, Elisab. Christina Linn\u00e2ea *) an den feuergelben Blumen des Tropaeolum majus beobachtet hat. Linn\u00e9 selbst \u00fcberzeugte sich von der Richtigkeit jener Beobachtung, welche auch der j\u00fcngere Linn\u00e9 mehrmals wiederholt hatte **), und sp\u00e4ter hat Haggren***) dieses Blitzen an Helianthus annuus L., an Lilium bulbiferum und an Tagetes-Arten beobachtet. Der j\u00fcngere Linn\u00e9 hatte schon die Beobachtung gemacht, dafs das Blitzen bei der Kresse Abends um so lebhafter gewesen sei, wenn das Wetter den Tag \u00fcber gewitterhaft war. Ja Haggren hat auch die Mittheilung gemacht, dafs zwei Personen, welche aus verschiedenen Standpunkten zu gleicher Zeit die, leuchtende Ringelblume betrachten, beide die Erscheinung des Leuch-tens wahrnehmen, was offenbar nicht stattfinden w\u00fcrde, wenn eine optische T\u00e4uschung hiebei zum Grunde liegt, durch welche C. L. Treviranus die ganze Sache erkl\u00e4ren will-)-). Etwas genauere Angaben \u00fcber das Leuchten oder Blitzen einiger Blumen, haben wir sp\u00e4ter durch Crome-j-f)\nS. Kongl. Svenska Wetenskaps-Academiens Handlingar, 1762 pag. 284.\n**) S. Bertholon de St. Lazare de l\u2019\u00e9lectricit\u00e9 des v\u00e9g\u00e9taux. Paris, 1783 pag. 335.\n***) Kongl. Wetensk. Academ. Nya Handlingar, 1788 pag. 82, f) S. Zeitschrift f\u00fcr Physiologie Bd. III. pag. 257 \u2014 269.\n-j-f) Hoppe\u2019s botanisches Taschenbuch f. d. Jahr 1809 pag. 52u,53","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"201\nund durch Zawadzki *) erhalten. Crome beobachtete in den letzten Tagen des Julius 1808, Abends zwischen 10 und 11 Uhr an den Bliithen von Tropaeolum majus einen phosphorischen Schein, welcher aus den haarf\u00f6rmigen Verl\u00e4ngerungen zu str\u00f6men schien, welche sich auf den unteren Blumenbl\u00e4ttern befinden. Die W\u00e4rme der Luft wird fiir die Zeit der Beobachtuug nicht angegeben, wohl aber war sie bei Tage 24 und 25\u00b0 R. gemessen. Strich man die Blumenbl\u00e4tter mit dem Finger, so schien sich der Lichtschein zu verst\u00e4rken und folgte sogar den Bewegungen der Fingerspitzen. Zawadzki beobachtete das Blitzen am st\u00e4rksten bei der Ringelblume (Calendula officinalis , L.)i schw\u00e4cher bei Tropaeolum majus L. und T. minus I L., dann bei Lilium bulbiferum, Tagetes patula L. und T. erecta L.; ferner noch bei einem intensiv gelben Helianthus und bei Gorteria rigens L. Bei allen diesen Blumen wurde das Blitzen nur im Juli und August, w\u00e4hrend der Befruchtung beobachtet, und es fand nur dann statt, wenn sehr warme und heitere Tage vorhergegangen waren, worauf es sich bald nach Sonnenuntergang einsteilte. War die Luft feucht, so wurde das Blitzen nicht beobachtet. f Oft blitzte eine Blume meliere Male hinter einander; oft aber erst wieder nach Verlauf von mehreren Minuten. Es ist schon von Herrn Treviranus und von Herrn De Candolle *) darauf aufmerksam gemacht, dafs diese letzten Beobach-tungen des Leuchtens nur an Blumen mit lebhafter Feuerfarbe gemacht worden sind, ja auch Agaricus olearius, dessen Leuchten Herr De Candolle beobachtet hat, sieht ebenfalls lebhaft feuerfarben aus; indessen es sind noch * einige andere hierhergeh\u00f6rige Beobachtungen aufgezeichnet, welche Ausnahmen hiervon nachweisen. Der w\u00fcrdige\n\u00a5) Ueber das elektrische Leuchten einiger Blumen. \u2014 In Baum-_ g\u00e4rtners und v. Ettinghausens Zeitschrift f\u00fcr Physik und Mathematik, VI. pag. 459 \u2014 462.\n*\u00a5) Phys, v\u00e9g. VI- pag. 886.","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nHagen *) zu K\u00f6nigsberg beobachtete bei dem Besteigen eines Berges in der Schweitz, dafs die Blumen von Chrysanthemum inodorum L. im dickesten Nebel und in der : Finsternifs mit blendend weifser Farbe phosphorescirten. Der Herzog von Buckingham **) hat am 4. Sept. 1835 an der Oenothera macrocarpa ein brillantes phosphori-sches Leuchten beobachtet, welches von den Bl\u00e4ttern und Bl\u00fcthen der Pflanze ausging und lange Zeit hindurch an- 4 hielt. Es war eine dunkle Nacht mit Sturm und Ungewitter begleitet. Auch Spats ***) beobachtete, dafs die Bl\u00e4tter an Phytolacca decandra des Abends einen blauen Phosphorschein zeigten, welcher sich durch Abwischen noch vermehrte. Ein gewisser Johnson f) in Schottland bemerkte an einigen welkenden Blumen von Polyanthes tuberosa, kleine leuchtende Funken ununterbrochen ausstr\u00f6men, welche begleitet waren von einem sehr starken und -fast unangenehmen Ger\u00fcche. Man hat diese letzteren Beobachtungen gleichsam, als nicht geh\u00f6rig verificirt ansehen wollen, und sie sogar aus der Reihe von Thatsachen zu verdr\u00e4ngen gesucht, doch gewifs mit Unrecht. Zu bedauern ist es nur, dafs diese so \u00e4ufserst merkw\u00fcrdigen Erscheinungen nicht mit geh\u00f6riger Umsicht beobachtet worden sind, ganz besonders da sie gewifs nur sehr selten auftreten.\tJ\nNoch f\u00fchre ich hier das Leuchten einer sehr kleinen, ungef\u00e4rbten Oscillatoria auf, welche ich im Atlantischen Ocean, zwischen 8\u00b0 n\u00f6rdlicher und 2\u00b0 s\u00fcdlicher Breite in sehr grofser Anzahl beobachtet habe ff). Diese kleine t Oscillatoria findet sich in einem Schleime geh\u00fcllt, wie alle Oscillatorien und leuchtet in ihrer ganzen Masse; die Temperatur des Wassers war daselbst best\u00e4ndig \u00fcber 22\u00b0 R. \u2014\nS. Voigt Anmerkung in der Uebersetzung von De Saussure\u2019s chemischen Untersuchungen \u00fcber die Vegetation, pag. 115.\nLTnstitut de 1836 pag. 172.\n***) Trommsdorffs Journ. d. Pharm. VIII. P. 2. p. 59.\n1*) S. Schweiggers neues Journ. der Chemie und Physik. I. pag.36L ff) S. Meyen\u2019s Reise um die Eide. I. pag. 55.","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"203\nGanz aufserordentlieh merkw\u00fcrdig sind die Beobachtungen, welche \u00fcber das Leuchten des Milchsaftes einiger Pflanzen gemacht worden sind. Herr Mornay *) hat zuerst das Leuchten des Milchsaftes eines rankenden Gew\u00e4chses,\nT Gipo de Cunanam genannnt, beobachtet, welches zwischen Monte Santo und dem Flusse Bendego wuchs und wahrscheinlich eine Asclepiadee oder eine Apocynee ist. Der Milchsaft dieser Pflanze leuchtete bei dem Hervortreten . aus der verwundeten Pflanze mit einem phosphorischen Scheine und die einzelnen Tropfen liefen feurig, wie brennender Talg ab. Herr v. Martius **) hat ein solches Leuchten des Milchsaftes bei der von ihm benannten Euphorbia\n*\tphosphorea beobachtet, und zwar im Momente desAusflie-\n*\tfsens aus den beigebrachten Wunden. \u201eDas Leuchten,\u201c sagt Herr v. Martius, \u201edauerte jedesmal einige wenige Sekunden, und war st\u00e4rker als das des faulen Holzes, jedoch minder lebhaft als die flammende Atmosph\u00e4re der Bl\u00fcthen des Diptam. Das Thermometer stand w\u00e4hrend dieser Erscheinung auf 20\u00b0 R., das Volta\u2019sche Elektrometer zeigte keine Spur von Luft-Elektricit\u00e4t. An verschiedenen Stengeln und Aesten beobachtend, erhielt ich\nr immer dasselbe Resultat; nach einer Stunde aber, als die Temperatur auf i6\u00b0 R. zur\u00fcckgegangen war, konnte ich kein weiteres Leuchten beobachten\u201c. Herr v. Martius fand diese Pflanze sp\u00e4ter zwar noch h\u00e4ufiger, konnte aber dieses Leuchten des Milchsaftes nicht wieder bemerken, und er glaubt, dafs die Gewitterschw\u00fcle, welche damals an dem Orte der Beobachtung herrschte, dieses Leuchten des Saftes mit verursacht haben m\u00fcsse. Noch ganz neuerlichst hat Herr Mornay durch die Zeitungen einige interessante Nachrichten \u00fcber eine Euphorbia phosphorescens mitgetheilt; es w\u00e4chst dieser Strauch bei San Francisco in Alagoas in Brasilien in undurchdringlichen Massen, die mehrere 1000 Quadratfufs bedecken. Nach der Aussage\n*) Philosoph. Transact. 1816 pag. 279.\nS. Reise in Brasilien. II. pag, 726 und 746.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nder Eingeborenen soll sich diese Pflanze sogar selbst entz\u00fcnden, eine Zeit lang eine m\u00e4chtige Rauchs\u00e4ule aussto-isen und endlich in helle Flammen ausbrechen, eine Angabe, welche doch wohl erst der Best\u00e4tigung bedarf.\nSchliefslich f\u00fchre ich noch eine sehr merkw\u00fcrdige Beobachtung an, auf welche auch Herr De Candolle * **)) aufmerksam gemacht hat, obgleich er dieselbe nicht anzuerkennen geneigt ist. In den Annales des voyages ist die Angabe eines Reisenden zu finden, der da behauptet, dafs in Afrika eine Pandanus-Art existire, deren Blumen im Augenblicke des Aufbrechens eine Art von Blitz erzeugen, welcher von einem Ger\u00e4usche begleitet w\u00fcrde. So etwas w\u00e4re, wie ich glaube, nach demjenigen, was wir bis jetzt \u00fcber W\u00e4rme- und Lichterzeugung in den Pflanzen wissen, wohl nicht ganz undenkbar. Auch hat Bory de St. Vincent seine Gr\u00fcnde angef\u00fchrt, aus welchen er auf die^ Erzeugung einer eigenth\u00fcmlichen W\u00e4rme in der Bliithe von Pandanus utilis schliefsen konnte, und man mufs auch den aufserordentlich starken Geruch in Erw\u00e4gung ziehen, welchen man bei den Bl\u00fcthen der Pandanen beobachten kann. Alles dieses l\u00e4fst hier auf einen sehr intensiven Le-bensprozefs schliefsen, wrobei eine starke chemische Verbindung zwischen dem Stoffe der Blumen und dem Sauerstoffe der Atmosph\u00e4re auftreten mufs, in deren Folge dasj Erscheinen eines Blitzes, oder vielmehr besser eines Leuch-tens wohl denkbar ist.\nGleich bei der Auff\u00fchrung der Beobachtungen \u00fcber das Leuchten des faulen Holzes und der Rhizomorphen \u00a7 in verschiedenen Gasarten, habe ich anzudeuten gesucht, dafs das Leuchten in einer Oxydation eines Stoffes bestehen mufs, welcher in den leuchtenden Pflanzen oder Pflan-zentheilen vorkommt. Die Bildung dieses Stoffes, welcher 4 durch eigenth\u00fcmliche Modification der Pflanzenmembran und des Amylums, sowie \u00fcberhaupt durch neue chemische Ver-\n*) PHys. v\u00e9g\u00e9t. II. pag 886\n**) Voy. dans 1. quatre \u00eeles etc, II. pag 85","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"205\nbindungen hervorgehet , ist indessen keineswegs das Produkt der rein chemischen Zersetzung, denn sonst miifsten solche Lichterscheinungen bei allen faulenden Pflanzenstoffen zu beobachten sein, sondern es ist ein Produkt T des intensivsten Lebensprocesses oder des absterbenden Lebens, und wahrscheinlich wohl nur eine intensive Respiration, wobei die Entkohlung durch eingeathmeten Sauerstoff in auffallend starker Quantit\u00e4t stattfindet. In beiden \u2022\u00a3 F\u00e4llen werden bekanntlich viele neue Verbindungen gebildet, und diese sind es, welche von Lichterscheinungen begleitet werden. 1st die Zerst\u00f6rung der 01 gallischen Structur in einer Pflanze wirklich eingetreten, und herrscht I dann der rein chemische Prozefs der F\u00e4ulnifs vor, so h\u00f6rt\n*\tauch alles Leuchten auf. Aus dem Allen geht wohl hervor, dafs das blitzende Leuchten der Blumen, dafs das Leuchten der Milchs\u00e4fte, der Rhizomorphen und des faulenden Holzes Erscheinungen sind, welche eine und dieselbe Ursache zum Grunde haben, wenn auch diese \u00fcrscheinung in quantitativer Hinsicht so sehr verschieden auftritt.\nIch mache hier nochmals auf die Beobachtung Sene-bier\u2019s *) aufmerksam, welcher einen phosphorischen Schein \u00a7 bemerkte, als er die W\u00e4rme entwickelnden Bl\u00fcthen von Arum maculatum in reinem Sauerstoffgas respiriren liefs. Da alle Respirations-Erscheinungen in den Pflanzen in Sauerstoffgas intensiver vor sich gehen, so wurde auch die 1 W\u00e4rme-Entwickelung in den Bliithenkolben jener Pflanze lebhafter und, wenn sich Senebier nich get\u00e4uscht hat, sogar mit phosphorischem Leuchten im Dunkeln begleitet. Diese letztere Angabe ist ganz besonders wichtig, denn\n*\tsie beweist, dafs auch bei den Pflanzen, W\u00e4rme- und Lieht-erscheinungen aus einer und derselben Ursache hervorgehen und zwar durch die Verbrennung des Kohlenstoffs.\nSchliefslich f\u00fchre ich noch an, dafs man die Beob-: achtungen, welche \u00fcber das Leuchten verschiedener Pflanzen bekannt gemacht sind, sehr verschiedenartig erkl\u00e4rt\nPhys. v\u00e9g. III. p. 315.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nhat. Am leichtesten machten es sich diejenigen Botaniker, welche die Angaben \u00fcber diesen Gegenstand g\u00e4nzlich bestritten; Andere erkl\u00e4rten dieselben f\u00fcr optische T\u00e4uschung, und neuerlichst hat man wahrscheinlich zu machen gesucht, dafs den Pflanzen ein Verm\u00f6gen zukomme das Licht einzusaugen und unter besonderen Verh\u00e4ltnissen wieder auszustrahlen. Ich lasse mich hier auf eine weitere Auseinandersetzung aller dieser Ansichten nicht ein, indem, wie ich glaube, es gegenw\u00e4rtig zu bestimmt erwiesen ist, dafs das Leuchten der Pflanzen ebenso, wie die Entwickelung von W\u00e4rme, als Erscheinungen des Lebens derselben angesehen werden m\u00fcssen, und zwar unmittelbar von dem Entkohlungs-Prozesse der Pflanzen abh\u00e4ngig, worin die Respiration derselben besteht.\nDie ganze Vegetation einer Pflanze besteht in einem best\u00e4ndigen Wechsel zwischen chemischen Bildungen und Umbildungen und Zersetzungen ; die Bildung neuer chemischer Verh\u00e4ltnisse aus den, in der Pflanze vorhandenen Stoffen, ist die ewige Begleiterin des bildenden Pflanzen-Lebens, und je intensiver der Lebensprozefs ist, um so rascher und um so st\u00e4rker treten diese neuen Verbindungen auf, daher unter solchen Verh\u00e4ltnissen auch eine intensive Licht-Entwickelung stattfinden kann.\nViertes Capitel.\nVon den besonderen Bewegungen im Inneren der Zellen, welche den Assimilations- und Nutritions - Prozefs begleiten.\nAufser dem allgemeinen Durchg\u00e4nge der Nahrungss\u00e4fte durch die Zellen der Pflanzen, sind noch besondere Bewegungen in denselben zu bemerken, welche bald mehr bald weniger regelm\u00e4fsigvor sich gehen, und diese besonderen Bewegungen sind es haupts\u00e4chlich, welche in neueren Zeiten","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"207\nvon vielen Botanikern beobachtet und vielfach verschieden gedeutet worden sind; so viel scheint mir jedoch wahrscheinlich, dafs man diese Bewegungen als unmittelbare Aeufserungen der Wirkung des Assimilations-Prozesses im Inneren der Zellen ansehen mufs, oder, was wohl gleichbedeutend sein m\u00f6chte, dafs die Assimilation der aufgenommenen Nahrungsstoffe unter Begleitung jener besonderen Bewegungen erfolgt, von welchen in diesem Capitel die Rede sein wird.\nEine kurze aber vollst\u00e4ndige historische Darstellung der Entdeckungen, welche die verschiedenen Beobachter \u00fcber die Bewegungen im Inneren der Zellen bekannt gemacht haben, erscheint mir gegenw\u00e4rtig um so n\u00f6thiger, indem ich, in Folge neuer Beobachtungen, meine fr\u00fcheren Ansichten \u00fcber diese Erscheinungen sehr ge\u00e4ndert habe, und es wohl noch lange dauern wird, bis man diesen Ansichten allgemeinen Beifall schenken m\u00f6chte.\nIm Jahre 1772 hatte der Abt und Professor der Physik zu Reggio Bonaventura Corti *) das Gl\u00fcck, eine Bewegung der Fl\u00fcssigkeit zu entdecken, welche in den Schl\u00e4uchen der Charen enthalten ist. Die Entdeckung geschah ganz f zuf\u00e4llig, indem Corti die von ihm aufgefundenen Wasserpflanzen, welche er nicht einmal kannte, mit einem Ver-gr\u00f6fserungs- Glase beobachten wollte, um ihre Structur kennen zu lernen. Corti **) glaubte beobachtet zu haben, *- dafs im Inneren eines jeden Schlauches oder Internodiums der Charen eine L\u00e4ngsscheidewand vorhanden w\u00e4re, welche an der inneren Fl\u00e4che des Schlauches von beiden Seiten her befestigt, aber an den Enden oder den Knoten des Schlau-:\tches frei sei, so dafs auf diese Weise jeder Schlauch in\nzwei grofse Gef\u00e4fse getheilt w\u00fcrde, welche mit einander in offener Communication st\u00e4nden, und dafs sich der Saft in jedem Schlauche drehen k\u00f6nne, indem er in dem einen\n*) Osservazioni microscopiche sulla Tremella e sulla circola-zione del fluido in una planta acquajuola. In Lucca 1774 pag. 127. 8vo.\n**) 1. c. pag. 132.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nder Gef\u00e4fse aufsteigt, am Knoten timdreht und in dem an-deren Gef\u00e4fse wieder herabsteigt. Corti bemerkte schon, dafs diese Bewegung, welche er mit dem Namen einer -Circulation belegte, in allen Schl\u00e4uchen der Charen von gleicher Art w\u00e4re, und dafs sie in jedem einzelnen Schlauche unabh\u00e4ngig von den anderen Schl\u00e4uchen vor sich gehe, was er durch Trennung eines einzelnen Gliedes von den zun\u00e4chst anstofsenden zu erweisen glaubte. Corti\u2019s * Beobachtungen \u00fcber diese Circulation in den Charen sind sehr zahlreich und h\u00f6chst interessant in dem genannten Werke beschrieben; er erkannte, dafs jene Schl\u00e4uche der Charen mit einer durchsichtigen Lymphe gef\u00fcllt w\u00e4ren, ' welche bei dem Durchschneiden der Schl\u00e4uche in Form eines Nebels hervorstr\u00f6mte, und dafs die Bewegung dieser Lymphe durch die K\u00fcgelchen bemerkbar werde, welche, sehr verschieden in Form und Gestalt, in derselben um- l herschwimmen, wobei er zugleich das Auftreten jener K\u00fcgelchen sehr genau beschreibt. Ebenso erkannte schon Corti *), dafs der Grund dieser Bewegungen nicht in einer Zusammenziehung der Gef\u00e4fse zu suchen sei, indem einmal von dieser Zusammenziehung nichts zu sehen ist, und da das Auslaufen des Saftes aus den durchschnittenen Schl\u00e4uchen auf eine Weise erfolgt, welche nicht stattfinden k\u00f6nnte, wenn eine gleichm\u00e4fsige Zusammenziehung der f Gef\u00e4fse vorhanden w\u00e4re.\nDie Beobachtungen Corti\u2019s wurden durch Fontana **) sogleich best\u00e4tigt und in einiger Hinsicht verbessert ; Fontana n\u00e4mlich erkannte, dafs jene Scheidewand in den ^ Schl\u00e4uchen der Charen, welche die beiden, in entgegengesetzter Richtung str\u00f6menden Massen von einander scheiden sollte, gar nicht vorhanden sei, und dafs also jene Circulation in der H\u00f6hle des ungeteilten Schlauches vor sich gehe. Indessen auch Corti hatte seine Beobachtungen\n*) 1. c. pag, 172.\n**) Rozier, Observ. sur la Physique sur THist. nat etc. Tome VII. pag. 285. 1776.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"209\nfortgesetzt, er hatte jene Fehler selbst aufgefunden und in derselben Zeit noch viele sehr interessante Entdeckungen gemacht, welche in einem Briefe an den Grafen Paradisi*) bekannt gemacht wurden. Dieser Brief ist \u00fcberhaupt als die bessere Arbeit Corti\u2019s \u00fcber die angebliche Circulation des Saftes in den Pflanzen anzusehen; Corti war so gl\u00fccklich eine \u00e4hnliche Bewegung, wie die in den Schl\u00e4uchen der Charen, auch noch in den Zellen vieler anderer Pflan-,, zen aufzu\u00fcnden, welche man jedoch, da sie nicht systematisch bestimmt sind, bis auf wenige, als z. B. die verschiedenen, in den Italienischen G\u00e4rten vorkommenden Cucurbitaceen und eine Najas, die in Fig. 1. PI. I. der . zuletzt genannten Schrift abgebildet ist, nicht wiederer-^ kennen kann; und diese Najas ist es, welche mit ma plante bezeichnet wird. In diesem Briefe stellt Corti gewisse Gesetze auf, nach welchen jene Bewegung des Zellensaftes mit den darin enthaltenen K\u00fcgelchen in den verschiedenen Pflanzen vor sich gehe, und diese Gesetze sind folgende:\n1)\tEine jede kleine R\u00f6hre (worunter Corti Zellen versteht) und jedes Gef\u00e4fs in gesundem Zustande enth\u00e4lt\nT eine Circulation.\n2)\tDie Circulation der einen Zelle ist unabh\u00e4ngig von der Circulation in den anderen Zellen.\n3)\tDer Strom der Fl\u00fcssigkeit dreht sich unaufh\u00f6rlich, t an den Seiten der inneren Fl\u00e4che streifend und sich ganz\nnach der Lage derselben richtend.\n4)\tDie Richtung des Stromes ver\u00e4ndert sich nicht (wenigstens habe er es nicht in 8 \u2014 20 Stunden gesehen,\n- was freilich noch kein Gesetz begr\u00fcnden k\u00f6nne).\n5)\tDer Lauf der Fl\u00fcssigkeit ist in allen gesunden Zellen der Pflanze von ein und derselben Art, aber auch\n*) S. Lettre sur la circulation d\u2019un fluide, d\u00e9couverte en diverses plantes par M. l\u2019Abb\u00e9 Bonav. Corti. \u2014 In Rozier Observ\u00e2t, sur la Physique etc. Tome VIII. 1776 pag. 232 \u2014 254. Uebersetzt aus dem Italienischen, doch habe ich das Original, welches in Modena 1775 erschienen sein soll, niemals zu sehen bekommen.\nMe y en. Pfi. Physiol. II.\t14","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nhier setzt Oorti hinzu, dafs auch dieses Gesetz durch k\u00fcnftige Beobachtungen zu best\u00e4tigen sei, und wir werden es auch in der Folge kennen lernen, dafs sich diese beiden Gesetze gerade nicht allgemein best\u00e4tigt finden.\nCorti * *) gab an einem anderen Orte eine genauere Beschreibung von dem Laufe der Fl\u00fcssigkeit in den verschiedenen Zellen und bezeichnet dieselben auch in einer idealen Darstellung (Fig. 4 PL 1.). Es zeigt sich hiebei, dafs in zwei, neben einander liegenden Zellen die Str\u00f6mungen in ganz entgegengesetzten Richtungen statt finden, und ebenso beobachtete schon Corti dafs die Bewegung in der einen Zelle erloschen sein kann, w\u00e4hrend dieselbe in den daneben stehenden Zellen ungest\u00f6rt vor sich geht. Im luftleeren Raume soll die Bewegung aufh\u00f6ren, doch nach einiger Zeit wiederkehren, wenn man die Pflanze wieder in frisches Wasser legt.\nDiese Beobachtungen Corti\u2019s, welche f\u00fcr den damaligen Zustand der Mikroskope so aufserordentlich genau waren, kamen in Vergessenheit, so dafs Herr L. Treviranus ***) glaubte, etwas Neues entdeckt zu haben, als er diese Bewegung des Saftes in den Schl\u00e4uchen der Chara flexilis L. im Jahre 1807 beobachtete. Erst Herr Horkel zog die Schriften Corti\u2019s mehr an das Licht und lehrte seit dem Jahre 1811 \u00fcber die Bewegung des Saftes in den Charen; doch ist die zweite Corti\u2019sche Schrift schon durch Herrn Link in seinen Grundlehren u. s. w. citirt. Gozzi f) erweiterte die Corti\u2019schen Beobachtungen in einzelnen Punkten; er unterband einzelne Schl\u00e4uche der Chara flexilis und sah, dafs durch diese Theilung des Schlauches auch zugleich eine Theilung der Circulation entstehe, indem n\u00e4mlich, nach der Unterbindung, in jedem\n*) 1. c. pag. 238.\n\u00a5*) 1. c. pag. 248.\n***) Weberund Mohr, Beitr\u00e4ge zur Naturkunde II. pag. 132. 1810 \u2014 und Beitr\u00e4ge zur Pflanzenphysiologie. 1811 pag. 91.\n\u25a0f) Brugnatelli Giornale di fisica etc. Dec. II. T. I. 1818 pag. 199. Journ. de Physique. Sept. 1818.","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"211\nTheile des Schlauches eine f\u00fcr sich bestehende Circulation auftrete; auch durch blofse Einknickung k\u00f6nne man eine solche Theilung der Circulation bewirken.\nSelbst diese Bewegung des Saftes in den Schl\u00e4uchen der Charen, obgleich dieselbe schon so oft beobachtet und beschrieben war, wurde sp\u00e4ter von vielen Botanikern bestritten, welche jene Pflanzen offenbar unter sehr ung\u00fcnstigen Verh\u00e4ltnissen beobachtet hatten, aber dennoch ihre negativen Resultate bekannt machten. Gegenw\u00e4rtig m\u00f6chten wohl s\u00e4mmtliche Botaniker jene merkw\u00fcrdige Bewegung im Inneren der Charen-Schl\u00e4uche beobachtet haben; doch wurden die Beobachtungen Corti\u2019s an den anderen Pflanzen erst vor wenigen Jahren best\u00e4tigt.\nGenauere Beobachtungen \u00fcber jene Circulation des Saftes in den Charen, und begleitet mit grofsen Abbildungen, erhielten wir erst im Jahre 1818 durch Herrn Amici*); derselbe machte damals beinahe auf alles Wesentliche aufmerksam, welches diese Erscheinung bei den Charen zeigt, und es ist seitdem auch nicht viel Neues \u00fcber diesen Gegenstand publicirt worden, obgleich noch eine Reihe von mehr oder weniger umfangreichen Abhandlungen \u00fcber denselben erschienen sind, als solche nenne ich hier die Arbeiten von Herrn C. H. Schultz**), Agardh***), C. Varley f), H. Slack ff) und meine eigenen, welche im\n*) Osservazioni sulla circulazione del Succhio nella Chara. ____\nMeraorie di matera, et fisico della Societ\u00e0 italiana Tom. VIII. Vol. II. Modena 1818.\n*\u00a5) Hie Natur der lebendigen Pflanze. I. pag. 318 \u2014 408.\n***) Nova Acta Acad. C. L. G. nat. cur. Tom. XIII. P. I. pag. 115. Ueber die Anatomie und den Kreislauf der Charen.\nf) Heber Samen, Keimung und Saft-Circulation der Chara vulgaris; nebst andern Bemerkungen. Uebers. aus d. Transact, of the Soc. of arts, manufact. commerce etc. Vol. 48. London 1832 von Herrn Beilschmied. S. Flora von 1834 Beibl\u00e4tter pag. 61\u201482.\nff) Ueber das Elementar-Gewebe der Pflanzen und einige F\u00e4lle der Saft-Circulation. Ebenfalls \u00fcbers, aus den genannten Schriften. Vol. 49. London 1833. \u2014 Flora von 1834. Beibl. pag. 31 \u2014 60.\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nJahre 1826 *) und 1835 **) publicirt wurden. Diese lange Reihe von Arbeiten, welche \u00fcber die Bewegungen des Saftes in den Charon geschrieben wurden, ist von zu r grofsem Inhalte, als dafs man denselben in historischer Reihenfolge darstellen k\u00f6nnte, ohne ein Buch, wie das vorliegende, damit zu \u00fcberladen; daher sehe ich mich gen\u00f6thigt in der Folge nur eine kurze Darstellung von den Erscheinungen der Bewegungen im Inneren der Charen-Schlauche 5 zu geben.\nAmici setzte seine Beobachtungen fort, und ihm war es Vorbehalten, die Bewegung des Zellensaftes auch in zusammengesetzten Pflanzen aufzufinden, n\u00e4mlich in der Caulinia fragilis oder Najas minor, welche offenbar dieselbe Pflanze ist, welche Corti mit ma plante bezeichnet ***). Amici hat die Erscheinungen bei der Bewegung des Saftes in den einzelnen Zellen der Najas weitl\u00e4ufiger beschrie- * ben als Corti, indessen er hat eigentlich nichts Neues zu jenen Beobachtungen hinzugef\u00fcgt, sondern dieselben nur durch sehr deutliche Abbildungen anschaulicher gemacht.\nIn den Haaren, welche die Narbe der Portulaca oleracea bedecken, beobachtete Amici eine \u00e4hnliche Bewegung und gab dazu in BC Fig. XVI. der angef\u00fchrten Abhandlung eine Abbildung; auch machte derselbe bei diesen Untersuchungen die Entdeckung der Pollenschl\u00e4uche und sahj in dem jungen Schlauche eines Pollenkornes von Portulaca oleracea eine auf- und absteigende Bewegung von kleinen, in verworrener Bewegung befindlichen K\u00f6rperchen, was sp\u00e4ter zuerst von R. Brown und von ?A. m.s. ebenfalls f\u00fcr eine Circulation, \u00e4hnlich dem Corti\u2019schen\n*) Linnaea von 1827 pag. 55.\n**) Nouvelles observ\u00e2t, sur la circulation du suc cellulaire dans * les plantes. \u2014 Ann. des scienc. nat. 1835 II. pag. 257.\nS. Osservazioni microscopiche sopra varie piante. Memorie j del Sig. Prof. Gio. Battista Amici. Incerita nel Tomo XIX. degli Atti della Societ\u00e0 italiana in Modena. 1833. Uebers. in Ann\u00bb des scienc. nat. Mai et Juin 1824 und in Frorieps Notizen von 1833, aber ohne Abbildungen daselbst.","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"213\ni\n\u00a5\nPh\u00e4nomen erkl\u00e4rt wurde. Im Jahre 1827 entdeckte ich jene Bewegungen des Zellensaftes an den Gattungen Val-lisneria und Hydrocharis *) und im darauf folgenden Jahre best\u00e4tigte ich die Corti\u2019schen Entdeckungen an mehreren anderen Gattungen **). In den letzteren 10 Jahren sind \u00e4hnliche Bewegungen in den Zellen der Pflanzen von verschiedenen Botanikern entdeckt, und diese Beobachtungen werden wir sp\u00e4ter ausf\u00fchrlicher mittheilen, indem sie in innigem Zusammenh\u00e4nge mit denjenigen Ansichten stehen, welche ich gegenw\u00e4rtig \u00fcber diese Bewegung des Zellensaftes vortragen werde.\nAls Corti die Bewegungen in den Schl\u00e4uchen der Charen entdeckt hatte, belegte er dieselbe mit dem Namen der Circulation; diese Benennung fand gleich damals ziemlich allgemeinen Widerstand, denn man glaubte es erweisen zu k\u00f6nnen, dafs in den Pflanzen keine Circulation nach Art der Bewegung des Blutes in den Thieren Vorkommen k\u00f6nne. Corti erkl\u00e4rte sich in seiner zweiten Arbeit ganz deutlich, was er bei den von ihm beobachteten Pflanzen unter Circulation verstehe. Sp\u00e4ter nannte man jenes Corti\u2019sche Ph\u00e4nomen die eigenthiimliche oder die kreisende Bewegung des Zellensaftes, und gegenw\u00e4rtig gebraucht man zur Bezeichnung derselben den k\u00fcrzeren Namen der Rotations-Str\u00f6mung.\nIch beginne die Darstellung der Rotations-Str\u00f6mung in den Pflanzen mit einer Beschreibung dieser Erscheinung bei den Charen, da in diesen Pflanzen jenes interessante Ph\u00e4nomen entdeckt wurde.\nDie Charen sind Conferven-artige Gew\u00e4chse, welche bei uns in allen stehenden Gew\u00e4ssern in grofser Menge Vorkommen. Eine grofse Anzahl von Charen - Art-en besteht aus einer L\u00e4ngenreihe einfacher Schl\u00e4uche, wovon\nS. Meyen Ueber die eigenth\u00fcmliche S\u00e4ftebewegung in den Zellen der Pflanzen. \u2014 Nova Acta Acad. C. L. C. Tom. X1IT. P. H-\n3 g 839\n**) S. Ueber den Inhalt der Pflanzen-Zellen, Berlin 18i8","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\njeder Schlauch eine einfache Zelle ist, deren Membran mehr oder weniger durchsichtig ist. Bei einer anderen Reihe von Charen sind diese schlauchf\u00f6rmigen Zellen noch mit einer \u00e4ufseren Haut \u00fcberzogen, und diese besteht aus -kleineren, langgestreckten und seitlich aneinandergelagerten Zellen; wie es Fig. 11. Tab. VII. zeigt; zu diesen Charen geh\u00f6rt z.B. Chara vulgaris, zu jenen dagegen Chara flexilis. Die Charen mit doppelten H\u00e4uten pflegen noch gew\u00f6hn- --lieh mit einer Kruste von kohlensaurem Kalke bekleidet zu sein, und sind defshalb oft sehr undurchsichtig; nur in ganz jungen Exemplaren der Art ist man im Stande die Rotations-Str\u00f6mung zu entdecken. Die Wurzeln dagegen i bestehen bei allen Charen aus \u00e4ufserst zarten und vollkommen durchsichtigen Wurzelh\u00e4rchen, worin man jene Rotations-Str\u00f6mung auf das deutlichste beobachten kann, wenngleich auch Herr Agardh, in seiner Schrift \u00fcber die Charen, zu beweisen suchte, dafs in diesen Wurzeln durchaus keine Bewegung des Saftes statt finden k\u00f6nne.\nWenn man eine solche d\u00fcnnh\u00e4utige und halb durchsichtige Chara unter das Mikroskop legt, so bemerkt man in jedem der besonderen Schl\u00e4uche derselben eine unaufh\u00f6rliche Bewegung von kleinen K\u00f6rperchen verschiedener Gr\u00f6fse und verschiedener Form. Diese K\u00f6rperchen steigen in einer gewissen Richtung auf der einen Seite des Schlau- , ches in die H\u00f6he, kehren an dem Ende desselben um und * laufen auf der entgegengesetzten Seite in einer ganz \u00e4hnlichen Richtung wieder herab, wo sie am Ende des Schlauches wieder umdrehen, auf dem ersteren Wege abermals in die H\u00f6he steigen und die angegebene Bewegung be- ' st\u00e4ndig wiederholen. Betrachtet man mit besonderer Aufmerksamkeit die Lage der einzelnen K\u00f6rperchen unter sich, welche hier best\u00e4ndig in Bewegung sind, so glaubt man erkennen zu k\u00f6nnen, dafs sich dieselben ganz passiv 4 verhalten, und dafs sie schwimmend in dem sich bewegenden Zellensafte fortbewegt werden ; zuweilen bemerkt man wohl, dafs die gr\u00f6fseren K\u00f6rperchen etwas langsamer schwimmen als die kleinen. Aufser diesen gr\u00f6fseren Kii-","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"215\ngelchen findet sich in den Saftstr\u00f6men eine unz\u00e4hlige Menge von kleinen Partikelchen, welche, selbst bei 300-maliger Vergr\u00f6fserung, nur als zarte P\u00fcnktchen und unre-gelm\u00e4fsig geformte, fast durchsichtige K\u00f6rperchen erscheinen, und alle zusammen werden von einer schleimigen t Masse eingeschlossen und gemeinschaftlich fortbewegt.\nDie gr\u00f6fseren jener umherschwimmenden K\u00fcgelchen sind nur selten regelm\u00e4fsig rund, sondern meistens sogar sehr unregelm\u00e4fsig gestaltet und Reagentien zeigen, dafs 9 sie nicht aus Amylum bestehen, sondern durch Jodine gelbbraun gef\u00e4rbt werden, obgleich sie fr\u00fcher von anderen Beobachtern, z. B. von Herrn Schultz sogar f\u00fcr Luftbl\u00e4schen erkl\u00e4rt wurden. Die einzelnen, oft sehr grofsen und | sehr unregelm\u00e4fsigen Massen, welche im Safte der Charen umherschwimmen, werden durch Jodine ebenfalls br\u00e4unlich gef\u00e4rbt und scheinen aus einem condensirten Schleime zu bestehen; sie ver\u00e4ndern bei dem Zusammenstofsen mit anderen Partikelchen zwar nicht ihre Form, wozu sie zu fest sind, aber es pflegen sich oftmals mehrere solcher K\u00f6rperchen zu vereinigen um gr\u00f6fsere Massen zu bilden. Sowohl die einzelnen gr\u00f6fseren K\u00f6rperchen, als auch die -\u00a7 aus diesen entstandenen, gr\u00f6fseren Zusammenballungen haben oftmals die eigenthiimlichste Form; bald sind die einzelnen mehr regelm\u00e4fsig keulenf\u00f6rmig, bald fast dreieckig mit mehr oder weniger scharfen Kanten, bald sind die einzelnen K\u00f6rperchen traubenf\u00f6rmig an einander gereiht, aber immer haben sie ein Ansehen, welches dem der Jnulin-Kiigelchen gleicht, welches durch starke K\u00e4lte aus dem Zellensafte der Pflanzen geschieden ist. In ganz durch-* sichtigen Stengelschl\u00e4uchen der Chara vulgaris habe ich einigemal bemerkt, dafs auch diese unregelm\u00e4fsigen K\u00f6rperchen einen leisen gr\u00fcnen Anflug zeigten; aber aufser diesen Massen kommen zuweilen auch mehr oder weniger grofse und runde K\u00fcgelchen von einem fast durchsichtigen - zarten Schleime vor, welche durch Jodine ebenfalls gelb gef\u00e4rbt werden.\nAls Gesetz kann man annehmen, dafs bei den Charen","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\ndie Partikelchen des einen Stromes nie in der Masse des entgegengesetzt verlaufenden Stromes unmittelbar \u00fcbertreten, sondern stets bis zu den Enden der Zellen ver-laufen und daselbst umdrehen; es kommen jedoch Ausnahmen vor, weiche indessen sehr nat\u00fcrlich zu erkl\u00e4ren sind. Wenn n\u00e4mlich der Zellensaft eine auffallend grofse Masse -von festen Gebilden enth\u00e4lt, was besonders zur heifsen Jahreszeit, wenn die \\egetation sehr kr\u00e4ftig ist, ^ beobachtet wird, so h\u00e4ufen sich verschiedene jener K\u00fcgelchen und Kl\u00fcmpchen zu gr\u00f6fseren Ballen zusammen, welche eine halbdurchsichtige, conglomerate Masse bilden und langsam mit der allgemeinen Str\u00f6mung fortbewegt -i werden. Begegnen sich dergleichen Massen aus entgegengesetzten Str\u00f6mungen, dafs sie mit einander zusammen-stofsen m\u00fcssen, so tr\u00e4gt es sich \u00f6fters zu, dafs einzelne derselben in der Mitte, zwischen den beiden entgegenge- ^ setzten Str\u00f6mungen liegen bleiben, und nun einige Zeit hindurch um ihre eigene Achse gedreht werden, indem der eine Strom den Ballen nach der einen Richtung, und der entgegengesetzte nach der anderen Richtung hinbewegt. In anderen t\u00e4llen treten bei solchem Zusammen-stofsen nicht selten verschiedene K\u00fcgelchen aus dem einen Strome in den entgegengesetzten hin\u00fcber, und nachdem sich die zusammengestofsenen Massen getrennt haben, i geht wieder alles auf gew\u00f6hnlichem Wege vor sich hin! Endlich tritt auch der Fall ein, dafs sich die Amylum-Kugeln und Schleimklumpen an einzelnen Punkten in solcher Masse anh\u00e4ufen, dafs sie, bei deren Zusammenstofsen mit der Masse des entgegengesetzten Stromes den ganzen f Schlauch verstopfen, dadurch die Bewegung des rotirenden Saftstromes unterdr\u00fccken und zu einer anderen Bahn zw\u00e4ngen. Bei solchen Unterbrechungen bilden sich sogleich zwei f\u00fcr sich bestehende Rotations-Str\u00f6mungen, die eine verl\u00e4uft auf der einen Seite des neu entstandenen Hindernisses, die andere dagegen auf der anderen Seite, und somit geschieht hier eine Theilung des Saftstromes auf nat\u00fcrlichem Wege, w^as man durch Einknicken des","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"217\nSchlauches, oder durch Unterbindung auch k\u00fcnstlich her-beifiihren kann. Gew\u00f6hnlich dauert eine solche Theilung der Rotations-Str\u00f6mung, wie ich 'dieselbe in der Chara capitata mehrmals entstehen sah^), einige Zeit hindurch an, dann aber trennen sich wieder die zusammen geballten Massen und kehren mit den entgegengesetzten Str\u00f6mungen wieder zu ihrer alten Bahn zur\u00fcck. Dergleichen Theilun-gen des Rotationsstromes sind in anderen F\u00e4llen, n\u00e4mlich m den Zellen h\u00f6herer Pflanzen noch viel complicirter, wor\u00fcber sp\u00e4ter die Rede sein wird.\nAlle diese zuletzt angef\u00fchrten Beobachtungen, besonders die Theilung des Rotationsstromes, mag dieselbe\nk\u00fcnstlich oder nat\u00fcrlich veranlafst worden sein, sind wohl\n\u00bb '\nJ die unumst\u00f6fslichsten Beweise gegen das muthmafsliche Vorhandensein einer Scheidewand zwischen den entgegengesetzten Str\u00f6mungen eines und desselben Schlauches. Schon Corti und Fontana erwiesen es durch ihre Beobachtungen, dafs eine solche Scheidewand nicht existire, aber neuerlichst ist diese Ansicht durch Herrn Slack in der schon angef\u00fchrten Abhandlung, von Neuem aufgestellt. Derselbe glaubt beobachtet zu haben, dafs sich die roti-\n*\trende Fl\u00fcssigkeit bei den Charen um einen Sack w\u00e4lze, welcher in der Mitte des Schlauches liege und nur klare Fl\u00fcssigkeit ohne K\u00fcgelchen enthalten soll; auch HerrVarley theilte diese Ansicht, welche jedoch nur noch historisch\n+ wichtig ist, denn wie sollte jene Str\u00f6mung fortbestehen k\u00f6nnen, wenn man, bei dem Vorhandensein einer Scheidewand den Schlauch einknickt, oder wenn sich auf nat\u00fcrlichem Wege Hindernisse bilden, welche eine Theilung des\n*\tRotationsstromes veranlassen. Andere Beobachter wie z. B. Herr Schultz glaubten eine Luftschicht annehmen zu m\u00fcssen, welche die entgegengesetzten Str\u00f6me eines Schlauches von einander trenne, doch von dem Allen ist nichts zu sehen, und es w\u00fcrde sehr leicht sein, der verschiedenen Lichtbrechung wegen, diese Luftschicht im Inneren des Saftes der Zelle zu erkennen.\n*) Linnaea von 1837.","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nSchneidet man einen Charen-Schlauch mitten durch, so fliefst der Saft mit den darin enthaltenen K\u00fcgelchen aus und, wenn man denselben in reines Wasser fliefsen l\u00e4fst, so bemerkt man, dafs dieser Saft gr\u00f6fstentheils nicht : so d\u00fcnnfl\u00fcssig, als gew\u00f6hnliches Wasser ist, mit welchem er sich daher nur langsam vermischt. Bei diesem Ausstr\u00f6men des Zellensaftes bemerkt man, dafs die Fl\u00fcssigkeit des einen Stromes, welcher gerade nach der Schnitt-fl\u00e4che hin gerichtet war, immer zuerst ausstr\u00f6mt, w\u00e4hrend der andere Strom erst seine Bahn vollendet und dann dem ersteren auf eben demselben Wege folgt. Diese Beobachtung ist schon von Corti gemacht, doch ich glaube, dafs sich dieselbe rein physikalisch erkl\u00e4ren l\u00e4fst.\nDie Richtung der Str\u00f6me ist in den Schl\u00e4uchen der Charen durch eine eigenth\u00fcmliche Vorrichtung genau bezeichnet. Es findet sich n\u00e4mlich bei den Charen, was bis jetzt bei keiner anderen Pflanze bekannt geworden ist, ' dafs sich kleine gr\u00fcngef\u00e4rbte K\u00f6rperchen, welche in Linien aneinander gereiht sind, der inneren Fl\u00e4che des Charen-Schlauches anlegen, und zwar ganz regelm\u00e4fsig, die eine Reihe an die andere, wie es Fig. 12 Tab. VII. zeigt. In den j\u00fcngsten Schl\u00e4uchen der Charen verlaufen diese rosenkranzf\u00f6rmig aneinander gereihten K\u00fcgelchen ganz parallel der L\u00e4ngenachse der Zelle, wie in ii Fig. 12 Tab. VIL, doch in den ausgewachsenen Schl\u00e4uchen verlaufen diese Linien 1 schr\u00e4g und schneiden die L\u00e4ngenachse in einem spitzen Winkel. Und ganz ebenso verh\u00e4lt es sich mit dem Laufe der Str\u00f6me im Inneren der Schl\u00e4uche; in den j\u00fcngeren Schl\u00e4uchen, wie es auch die Richtung der Pfeile angiebt, \u2022 verliefen die Str\u00f6me parallel der Achse, indem sie genau jener Richtung folgten, in welcher die gr\u00fcnen Zellensaft-K\u00fcgelchen gelagert sind, in den \u00e4lteren dagegen folgen sie ebenfalls der Lagerung der gr\u00fcnen K\u00fcgelchen und beschrei- 4 ben demnach eine spiralf\u00f6rmige Bahn, welche sich, je nach der L\u00e4nge des Schlauches, mehrmals um die Achse desselben windet.\nBetrachtet man diese Masse von gr\u00fcnen K\u00fcgelchen,","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"219\nwelche ohne Unterbrechung fast die ganze H\u00e4lfte der inneren Schlauchfl\u00e4che, gleichsam wie mit einem breiten Bande bedecken, so kann man es verfolgen, wie dieses Band an dem Ende des Schlauches sich umbiegt und nun auf der entgegengesetzten Schlauchfl\u00e4che verl\u00e4uft, so dafs die ganze Fl\u00e4che mit jener gr\u00fcnen Masse bekleidet ist, bis auf zwei schmale Streifen, welche sich zwischen den R\u00e4ndern jener B\u00e4nder hinziehen, und bei der Beobachtung des gr\u00fcnen Schlauches auf jeder Seite, als ein schmaler\n*\tungef\u00e4rbter Streifen erscheint, der sich ebenfalls spiralf\u00f6rmig um den Schlauch windet, was in der kleinen Darstellung in Fig. 12 Tab. VII. bei c und bei 11 nur zum Th eil zu sehen ist. Die gr\u00fcnen K\u00fcgelchen jener B\u00e4nder sind\nI anfangs sehr klein, und sind s\u00e4mmtlich durch eine Schleimlage eingeh\u00fcllt, mit welcher sie der inneren Fl\u00e4che der Schlauchhaut anh\u00e4ngen. Dafs die spirale Stellung dieses gr\u00fcnen Bandes wie sie in den alten Schl\u00e4uchen vorkommt, zu einer fr\u00fcheren Zeit, als sich dieselben noch in unvollkommen ausgewachsenen Zustande befanden, ebenfalls parallel der L\u00e4ngenachse des Schlauches war, das geht aus der Beobachtung junger Pfl\u00e4nzchen der Art hervor.\n#\tAuch sieht man in der Zelle i i Fig. 12 Tab. VII. einen kleinen Theil mit solchen gerade gestellten gr\u00fcnen K\u00fcgelchen bekleidet, und in derselben Weise sind alle die kleinen Schl\u00e4uche p, q, r, s, t u. s. w. bekleidet, ja in den gr\u00f6-\n( fseren Schl\u00e4uchen h h und o o wird durch die beiden Linien in m m und n n die Indifferential-Linie angedeutet, welche zwischen den beiden gr\u00fcnen B\u00e4ndern liegt und ohne K\u00fcgelchen besetzt ist. Ebenso, wie sich in diesen Schl\u00e4uchen der gerade Verlauf jener gr\u00fcnen Streifen in einen spiralen verwandelt hat, so ist auch die Richtung des Saftstromes auf gleiche Wreise ver\u00e4ndert.\nDiese Uebereinstimmung in der Richtung der Str\u00f6me mit der Lage der gr\u00fcnen Streifen, brachte verschiedene Beobachter zu der Ansicht, dafs die Ursache der ganzen Str\u00f6mung gerade in dieser Anordnung der gr\u00fcnen K\u00fcgelchen zu suchen sei, welche die breiten Streifen jzusam-","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nmensetzen. Herr Amici verglich diese Streifen mit galvanischen S\u00e4ulen und glaubte, dafs durch ihre Wirkung die Str\u00f6mung hervorgerufen w\u00fcrde, und andere Botaniker zeigten sogar, dafs die Saftbewegung in allen denjenigen Theilen der Charen nicht stattfinden k\u00f6nne, wo man solche Vorrichtungen mit den gr\u00fcnen K\u00fcgelchen nicht finde, als z. B. in den zarten Schl\u00e4uchen der Wurzeln und in den kleinen Schl\u00e4uchen, welche die Oberhaut der Chara vulgaris bilden, wovon in Fig. 11 Tab. VII. die Abbildung gegeben ist; indessen da jene Bewegung auch in allen diesen Theilen enthalten ist, wie es auch die Abbildungen zeigen, so mufs jene Ansicht \u00fcber die vermuthete Ursache der Bewegung irrig sein. Es ist indessen nicht zu verkennen, dafs auch in den zarten Wurzelschl\u00e4uchen der Charen eine eigenthiimliche Vorrichtung sichtbar wird, welche daselbst ebenfalls den Lauf der Str\u00f6mung vorzeichnet; es scheint diese Vorrichtung in einer d\u00fcnnen Schleimhaut zu bestehen, welche sich auf ganz \u00e4hnliche Art der inneren Fl\u00e4che der Schl\u00e4uche anlegt, wie die spiralf\u00f6rmig gewundenen gr\u00fcnen B\u00e4nder in dem Stengel und den Aesten derselben Pflanze. Aber auch diese Vorrichtung kann nicht die Ursache der Bewegung sein, denn in den W\u00fcrzelchen mehrerer zarth\u00e4utigen Charen, als der Ch. intricata und capitata habe ich, selbst bei starken Vergr\u00f6fserungen, keine Spur davon beobachten k\u00f6nnen, und in den Zellen aller \u00fcbrigen Pflanzen, wo \u00e4hnliche Bewegungen Vorkommen, da bemerkt man ebenfalls keine Spur von solchen besonderen Vorrichtungen, welchen man vielleicht die Ursache der Bewegung zuschreiben k\u00f6nnte.\nBei den Charen mit doppelten H\u00e4uten habe ich gefunden, dafs auch in allen Zellen der \u00e4ufseren umkleidenden Haut jene Bewegungen, welche Corti entdeckte, stattfinden. Wenn man ganz junge, noch im Moraste wachsende Individuen von solchen Charen mit doppelten H\u00e4uten beobachtet, oder solche, die im Dunkeln gezogen sind, so wird man h\u00e4ufig in allen diesen Rinden-Zellen die","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"221\nRotations-Str\u00f6mung zu gleicher Zeit finden, und diese ganze Zellenschicht pflegt dann so durchsichtig zu sein, dafs man unter derselben noch ganz deutlich die Str\u00f6mung im grofsen Schlauche bemerkt. Die Zellen der Rindenschicht sind wohl immer ebenso gelagert, wie sich die Richtung des Saftstromes im inneren Schlauche verh\u00e4lt, n\u00e4mlich ebenfalls dem Laufe einer Spirale folgend, doch in diesen \u00e4ufseren Zellen verlaufen die Str\u00f6me genau an den Seiten w\u00e4nden, und also parallel mit der Achse der Zelle. Wird die Pflanze \u00e4lter, so zeigen sich die Str\u00f6mungen in den Rinden-Zellen immer seltener und so kommt es endlich dahin, dafs man an alten ausgewachsenen Exemplaren, welche stark mit Kalk incrustirt sind, auch keine Spur von jener Str\u00f6mung mehr bemerkt.\nBei den jungen Theilen der Charen, wie in denjenigen, welche bei q, r, s, t in Fig. 12 Tab. VII. abgebildet sind, da zeigen sich die Massen des Saftstromes in ganz anderer Art, als in den ausgewachsenen Schl\u00e4uchen der alten Charen. Es sind hier fast nur schleimige Massen, welche bis auf die \u00e4ufsert feinen Molek\u00fcle, welche darin enthalten sind, ein ganz gleichm\u00e4fsiges Ansehen gew\u00e4hren, und sie sind es auch ganz allein, welche in den jungen Schl\u00e4uchen der \u00e4ufseren Charen-Haut die Str\u00f6me bilden, die Fig. 11 Tab. VII. darstellt. Diese sich fortbewegenden Schleimmassen sind fast immer der Fl\u00e4che der Zellenmembran angeheftet und schleichen gleichsam an diesen um die Zellenh\u00f6hle herum, bald in Form eines feinen Stromes, bald zu einer gr\u00f6fseren Masse angesammelt, ganz in der Art, wie es die Abbildung in Fig. 11 Tab. VII. darstellt. Es ist besonders interessant zu sehen, wenn sich diese dicken Schleimmassen in den Winkeln und den Enden der Zellen umdrehen, wobei sie oftmals Formen annehmen, welche mit gr\u00f6fseren Infusorien Aehnlichkeit zeigen. Die Anziehung, welche die Zellenmembran auf diese zarten Schleimmassen veranlafst, bewirkt ein Breiterwerden der angehefteten Masse, die sich mit dieser breiteren Fl\u00e4che so lange fortzieht, bis dafs sie auf irgend eine","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nWeise davon getrennt wird und dann als eine selbstst\u00e4ndige Schleimmasse umherschwimmt. Zuweilen ist diese rotirende Schleimmasse in mehrere Theile getheilt, die sich aber h\u00e4ufig, besonders an den Enden der Zeilen mit einander vereinigen und an einer anderen Stelle sich wieder zuf\u00e4llig trennen; so lange die Masse grofs genug ist, um die ganze innere Fl\u00e4che der Zellenmembran zu bekleiden, so lange findet auch diese Zertheilung nicht statt. i Werden die Schl\u00e4uche gr\u00f6fser, so wird die schleimige Masse verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig geringer, aber daneben treten nur noch die einzelnen, mehr oder weniger grofsen und mehr oder weniger zahlreichen K\u00fcgelchen auf, welche in dem wasserhellen Zellensafte umherschwimmen und neben jenen str\u00f6menden Schleimmassen gleichzeitig die Bewegung in den Zellen ausmachen. Man sieht dieses in den Schl\u00e4uchen ffgg, oo und hh, der Fig. 12 Tab.VII. so deutlich wie % m\u00f6glich darstellt; die gr\u00fcnen Massen, welche auf der inneren Fl\u00e4che dieser Schl\u00e4uche gelagert sind, wurden in der Abbildung fortgelassen um die Bewegung im Inneren der Schl\u00e4uche deutlicher zu zeigen.\nDie Schnelligkeit der Str\u00f6mungen in den Schl\u00e4uchen der Charen ist aufserordentlich grofs, jedoch verschieden nach dem Alter und nach der Lebhaftigkeit, womit die Pflanze vegetirt; die W\u00e4rme und das Licht haben hierauf j den gr\u00f6fsten Einflufs. Je heifser die Witterung ist, desto schneller sind die Bewegungen in den Zellen, bei \u00fcbrigens gleicher Vegetationskraft, und je niedriger die Temperatur, desto langsamer treten sie auf. Wenn man ein junges Pfl\u00e4nzchen der Chara vulgaris zur heifsen Sommerzeit beobachtet, worin die Rotations-Str\u00f6mung im Inneren der grofsen Schl\u00e4uche, so wie auch in allen Zellen der umkleidenden Haut vorkomm, so geniefst man wahrlich ein bewunderungsw\u00fcrdiges Schauspiel, denn die Richtung der Str\u00f6mungen ist in den verschiedenen Zellen im Allgemeinen verschieden, so wie auch die Schnelligkeit der Str\u00f6mungen in den Zellen der \u00e4ufseren Rinde und in den grofsen Schl\u00e4uchen verschieden ist.","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"223\nSchon Corti beobachtete, dafs eine K\u00e4lte von 2\u20145\u00b0 die Charen t\u00f6dte, lind aus den Versuchen, welche so eben durch Herrn Dutrochet *) publicirt worden sind, geht hervor, dafs die Schnelligkeit in der Bewegung des Zellensaftes durch Anwendung von h\u00f6herer Temperatur des Wassers bedeutend beschleunigt wird, dafs dieses aber nur bis 27\u00b0 C. gehe, denn h\u00f6here Temperatur macht die Bewegung anfangs etwas langsamer, doch erholt sie sich bald wieder zur gew\u00f6hnlichen Schnelligkeit. Ein Wasser von 45\u00b0 C. Temperatur t\u00f6dtet dagegen die Pflanze augenblicklichst, was ich ebenfalls bei Chara vulgaris und Ch. capitata bemerkt habe.\nDen Einflufs des Lichtes auf die Charen sucht Herr Dutrochet als unumg\u00e4nglich n\u00f6thig f\u00fcr die Erhaltung der Circulation darzustellen, und zwar nach den gew\u00f6hnlichen Ansichten, wonach das Licht als ein Mittel wirkt, durch welches die Zersetzung der Kohlens\u00e4ure bewirkt und die Fixation der Kohle ausgef\u00fchrt wird. Indessen wenn diese Ansichten richtig w\u00e4ren, so m\u00fcfste das Sauerstoffgas in Form von Luftbl\u00e4schen unter Wasser entwickelt werden, was ich aber bis jetzt bei gew\u00f6hnlicher Beleuchtung noch niemals habe wahrnehmen k\u00f6nnen. Das Licht scheint auf die Bewegung in den Schl\u00e4uchen der Charen durchaus gar keine Wirkung auszu\u00fcben, denn ich habe Charen-Pflanzen mehrere Monate lang in einem dunkeln Raume genau bedeckt stehen lassen, aber, bei einer Temperatur von 7 \u2014 8\u00b0 R. noch immer ebenso lebhafte Bewegungen bemerkt, als eben dieselben Pflanzen im Sommer und bei einer h\u00f6heren Temperatur zeigten. Herr Dutrochet hat mehrere Charen in einen vollkommenen finsteren Raum bei 14 \u2014 22\u00b0 C. gestellt und beobachtet, dafs die Bewegung in den Meisten langsamer wurde und in den jungen\n*) Observ\u00e2t, sur le Cliara flexibl\u00ees. (?!) Modifications dans la circulation de cette plante sous l\u2019influence d\u2019un changement de temp\u00e9rature d\u2019une irritation m\u00e9canique, d\u2019action des sels, des acides et des alcalis, de celle des narcotiques et de l\u2019alcohol. \u2014 Comptes rendus etc. 1837. Nro. 23. pag. 775.","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nPflanzen sogar am 24. oder 26. Tage g\u00e4nzlich aufh\u00f6rte, wobei sie bleichs\u00fcehtig geworden waren. Mit der Bleichsucht der Charen hat es indessen eine eigene Bewandnifs, welche darin besteht, dafs sich die Zellen der \u00e4ufseren Haut abl\u00f6sen und nur der innere zarte Schlauch, welcher bei der Chara vulgaris nur sehr wenige kleine gr\u00fcne K\u00fcgelchen auf der inneren Fl\u00e4che aufzuweisen hat, zur\u00fcckbleibt und ein bleiches Anselm zeigt. Die Endglieder dieser ; Charen sind jedoch noch immer ebenso sch\u00f6n gr\u00fcn, als die frischen Pflanzen, wenn sie auch noch so lange im Dunkeln standen; die Bewegung in ihren Schl\u00e4uchen h\u00f6rt auch nur mit dem Tode der Pflanze auf.\t-i\nHerrDutroehet setzte eine Chara in ein luftleeres Wasser und sperrte die R\u00f6hre in Quecksilber ab; die Saftbewegung erhielt sich auch in diesen Verh\u00e4ltnissen bis zum 23. Tage und endete erst mit dem Leben der Pflanze, also 4 ungef\u00e4hr in derselben Zeit, als bei vollkommenem Lichtmangel. Es m\u00f6ehte vielleicht am rechten Orte sein, wenn ich hier auf Cort\u00fcs alte, aber sch\u00f6nen Versuche aufmerksam mache; auch dieser genaue Beobachter sah schon, dafs die Bewegung in den Charen allm\u00e4lich langsamer wurde, wenn die Pflanzen unter Oel oder unter Milch lagen. Corti brachte Charen in den Recipienten einer Luftpumpe, verd\u00fcnnte die Luft so weit es ging und liefs die Pflanzen | 4S Stunden darin stehen. Die Saftbewegung hatte aufge- * h\u00f6rt aber nachdem die Pflanzen in frisches Wasser gelegt waren, begann dieselbe wieder nach Verlauf von 8 bis 12 Stunden.\nBesonders bemerkenswerth ist es noch, dafs die Str\u00f6- 1 mungen in den Schl\u00e4uchen der jungen Charen sogleich stocken, oder wenigstens sehr langsam vor sich gehen, wenn man das Pfl\u00e4nzchen verletzt, etwa durch Abschneiden mehrerer der Aeste; nach einiger Zeit erholt sich das Pfl\u00e4nzchen wieder, und in den unverletzten Zellen beginnt wieder die Rotations - Str\u00f6mung. Man m\u00f6chte aus dieser Erscheinung schliefsen, dafs die Lebensth\u00e4tigkeit der verschiedenen Zellen der ganzen Pflanze in einem gewissen","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"225\nZusammenh\u00e4nge stehe, obgleich es bekannt ist, dafs diese Zellen auch fiir sich allein bestehen k\u00f6nnen.\nAuch die mechanischen Einwirkungen hatHerrDutrochet in Bezug auf die Saftbewegung in den Charen aufmerksam beobachtet. Jeder Druck und jede mechanische Reizung des Charen-Schlauches bewirkt ein augenblickliches Langsamwerden und selbst vollkommene Cessation der Saftbewegung, welche sich aber bald wieder erholt, ganz im Verh\u00e4ltnisse der St\u00e4rke der Einwirkung. Wirkliche Verletzungen der Membran eines Charen-Schlauches und wenn dieselbe auch nur mit der Spitze einer Nadel geschieht, bringt augenblickliches Aufh\u00f6ren der Bewegung hervor, welche nie wieder zuriickkehrt. Die Wirkung der Verletzungen bei den Charen sind \u00fcberhaupt von ganz \u00e4hnlicher Art, wie die bei den \u00fcbrigen Pflanzen, in deren Zellen \u00e4hnliche Bewegungen vor sich gehen. Schneidet man einzelne Aeste der Charen ab, so cessirt die Bewegung in den zun\u00e4chst liegenden Zellen auf l\u00e4ngere Zeit, ja bei der Vallisneria dauert es oft bis 10 und bis 15 Minuten, bis die Bewegungen in den Zellen des angefertigten Schnittes wieder in voller Lebhaftigkeit vor sich gehen.\nHerr Dutrochet will auch beobachtet haben, dafs der einfache Charen-Schlauch leichte convulsivische Bewegungen zeigt, wenn man demselben eine Ligatur anlegt, ja dasselbe Ph\u00e4nomen hat sich gezeigt, wenn der eine Knoten eines Internodiums gestochen wurde und auch, wenn die \u00e4ufsere Rindenhaut abgeschabt ward. Herr Dutrochet will bemerkt haben, dafs die Reihen gr\u00fcner K\u00fcgelchen auch in diesen F\u00e4llen die Ursache der Bewegungen sind, denn es sollen sich dieselben zuweilen im Zikzak kr\u00fcmmen, \u00e4hnlich den Muskelfiebern, aber die Membran des Schlauches nimmt dabei keinen Antheil. Mir ist es indessen nicht gelungen diese interessanten Angaben durch Beobachtungen best\u00e4tigen zu k\u00f6nnen; das Zusammenkr\u00fcm-men im Zikzak sah ich immer in Folge einer mechanischen Einwirkung.\nInteressant sind eine Reihe von Beobachtungen \u00fcber Me y en. Pfl. Physiol. II.\t15","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\ndie Einwirkung verschiedener chemischer Stoffe auf die Saftbewegung in den Charen, deren Wirkung auf die Ex-citabilitat der Thiere bekannt ist, doch wird auch hier des alten Corti\u2019s \u00e4hnlicher Beobachtungen nicht gedacht. Es wurde ein St\u00fcck einer Chara in eine L\u00f6sung von kaustischem Kali gestellt, welche \u00a5\u00f6V\u00f6 desselben enthielt; die Bewegung wurde zuerst langsam, doch 5 Minuten darauf wurde sie wieder sehr stark. Nach 25 Minuten wurde die Bewegung wieder langsam und nach 35 Minuten h\u00f6rte sie g\u00e4nzlich auf. Kalkwasser hob die Bewegung in den Charen-Schl\u00e4uchen in 2\u20143 Minuten auf; ich wiederholte diese Versuche und fand dieses auffallende Resultat ebenfalls best\u00e4tigt. Augenblickliches Eintauchen der Charen in Kalkwasser schadet den Pflanzen nichts, doch nach 4, 5 und 6 Minuten langer Einwirkung h\u00f6rte die Bewegung in denselben auf.\nIn einer L\u00f6sung von Weinsteins\u00e4ure (1 Th. auf 50 Th. Wasser) dauerte die Bewegung in den Charen Schl\u00e4uchen nur 10 \u201412 Minuten; in einer schw\u00e4chern L\u00f6sung dieser S\u00e4ure (1 Th. auf 1000 Th. Wasser), wurde die Bewegung sehr langsam, doch 5 Minuten sp\u00e4ter erlangte dieselbe wieder ihre Lebendigkeit durch die Reaction der Lebens-th\u00e4tigkeit. Nach f Stunden wurde die Bewegung wieder langsam und nach einer Stunde h\u00f6rte sie ganz auf. Aehn-lich verhielten sich auch die Charen in einer L\u00f6sung von Meersalz, und Herr Dutrochet kam durch diese Beobachtungen zu dem Schl\u00fcsse, dafs starke Dosen von Salzen und von S\u00e4uren die Bewegung in den Charen f\u00fcr immer aufheben, dafs aber eben dieselben Stoffe in geringeren Quantit\u00e4ten, anfangs zwar eine Stockung in der Bewegung des Saftes veranlassen, dafs aber sp\u00e4ter diese sch\u00e4dliche Einwirkung durch die Lebensth\u00e4tigkeit der Pflanze wieder bek\u00e4mpft wird, und die Bewegung nach wie vor zu beobachten ist. Indessen ganz \u00e4hnlich verh\u00e4lt es sich auch mit dem Vegetations-Prozesse bei anderen Pflanzen, und andere Resultate konnte man auch nicht mehr erwarten.\nIn einem Charen-Schlauche, welcher in eine L\u00f6sung von Opium-Extrakt (1 Th. auf 144 Th. Wasser) gestellt","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"227\nwurde, war die Bewegung 6 Minuten nach der Einwirkung g\u00e4nzlich aufgeh\u00f6rt. Nach einer viertel Stunde begann sie wieder ganz langsam, doch nach einer halben Stunde h\u00f6rte sie g\u00e4nzlich auf. In einer schw\u00e4cheren Opium-L\u00f6sung (1 Th. auf 28S Th. Wasser) war die Wirkung \u00e4hnlich, doch nach 10 Minuten kehrte die Bewegung wieder ein und dauerte mit, angeblich noch gr\u00f6fserer Schnelligkeit, noch 18 Stunden hindurch. In einer halb-sostarken Opium-L\u00f6sung wurde die Bewegung nur etwas langsamer und kehrte sp\u00e4ter mit noch gr\u00f6fserer Lebendigkeit zur\u00fcck.\nDie Einwirkung des Alkohols auf die Bewegung verh\u00e4lt sich \u00e4hnlich der Wirkung des Opiums. Aehnliche Beobachtungen hat man auch an anderen Pflanzen angestellt, vorz\u00fcglich finden sich dergleichen in einer Dissertation von Sch\u00fcbler und Zeller: Ueber die Einwirkung verschiedener Stoffe auf die Vegetation etc. T\u00fcbingen 1836.\nHerr Becquerel*) hat eine Reihe interessanter Versuche angestellt, um die Natur der Kraft zu erforschen, welche jene Kreisstr\u00f6mungen des Saftes in den Schl\u00e4uchen der Charen veranlassen. Herr Amici u. A. m. hielten jene Th\u00e4tigkeit f\u00fcr eine der galvanischen Kraft \u00e4hnliche, welche durch die S\u00e4ulchen von gr\u00fcnen K\u00fcgelchen veranlafst w\u00fcrden, womit die innere Fl\u00e4che der Charen-Schl\u00e4uche bekleidet ist. Die Entladung kleiner S\u00e4ulen durch schneckenf\u00f6rmig gewundene Charen brachte in der Saftbewegung derselben keine Ver\u00e4nderung hervor, woraus der Schlufs gezogen wurde, dafs die Bewegung in den Charen nicht durch die Electricit\u00e4t, sondern durch eine andere, ihrer Natur nach noch ganz unbekannte Kraft verursacht werde. Dagegen f\u00fchrten die Beobachtungen \u00fcber die Wirkung anhaltender Str\u00f6me auf die Bewegung in den Charen zu anderen interessanten Resultaten. Die durchgehende Electricit\u00e4t bewirkt anfangs eine Erstarrung der Bewegung,\n\u00a5) Influence de l\u2019\u00e9lectricit\u00e9 sur la circulation du Chara. Conapt. rend. 1837 pag. 784.\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nwelche sich ganz nach der St\u00e4rke des Stromes richtet, und zwar zu gleicher Zeit auf beiden Str\u00f6men, d. h. auf dem ansteigenden und auf dem herabsteigenden. Hat man durch eine gewisse Plattenzahl die S\u00e4ule so stark gemacht, dafs ihre Wirkung die Bewegung sogleich aufhebt, so f\u00e4ngt dieselbe, einige Augenblicke nachher, unter dem Einfl\u00fcsse des electrischen Stromes wieder an, und kehrt zu ihrer fr\u00fcheren Lebhaftigkeit zur\u00fcck. Vergr\u00f6fsert man nochmals * die Zahl der Platten-Paare, so steht die Bewegung von Neuem still, und das kann man in der Art fortsetzen, so dafs durch die Wirkung einer starken S\u00e4ule die Bewegung auf mehrere Stunden stillsteht. Durch allm\u00e4liche Wegnahme * der Platten-Paare kann man die Bewegung wieder um so schneller zur\u00fcckf\u00fchren, doch wird keine Desorganisation durch den durchlaufenden electrischen Strom verursacht.\nSo zeigte sich also die Wirkung der Electricit\u00e4t auf die 3 Saftbewregung in den Charen \u00e4hnlich der Wirkung der W\u00e4rme, nur eine Beschleunigung derselben, konnte durch die Electricit\u00e4t nicht verursacht werden, was doch bei der Einwirkung der W\u00e4rme beobachtet wird.\nDie Charen zeigen die beschriebene Rotations-Str\u00f6mung in allen ihren einzelnen Theileu, nur der conferven-artige Pollen in den Aetheren und die inneren Zeilen des Sporangiums sind davon ausgeschlossen; in ganz jungen j Schl\u00e4uchen ist ebenfalls noch keine Str\u00f6mung zu sehen, aber vielleicht nur defshalb, weil auch noch keine Schleimmassen darin gebildet sind.\nNoch interessanter als in den Charen, erscheint die Rotations-Str\u00f6mung in den vollkommeneren Pflanzen, wo in allen nebeneinanderliegenden Zellen dergleichen Str\u00f6mungen wahrzunehmen sind; am einfachsten findet man dieselben in den Arten der Gattungen Najas und Vallisneria, und nach letzterer Pflanze werde ich diese Erscheinung zuerst ausf\u00fchrlicher beschreiben. Fertigt man zarte Schnitte aus der mittleren Substanz der Bl\u00e4tter von Vallisneria spiralis, so wird man Zellen zur Ansicht erhalten, welche denen inFig.2 Tab. VIII. mehr oder weniger \u00e4hnlich erscheinen,","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"229\nund nachdem diese Schnitte eine kurze Zeit hindurch im Wasser gelegen haben, beginnen die K\u00fcgelchen, welche in den Zellen gelagert sind, ihre Rotations-Str\u00f6mungen. Diese Bewegungen in den einzelnen Zellen sind hier besonders deutlich wahrnehmbar, indem die W\u00e4nde der Zellen ganz ungef\u00e4rbt und vollkommen durchsichtig sind, w\u00e4hrend die K\u00fcgelchen, welche eben diese Bewegung zeigen, sch\u00f6n gr\u00fcn gef\u00e4rbt sind. In jeder einzelnen Zelle findet sich eine besondere, ganz f\u00fcr sich bestehende Rotations-Str\u00f6mung, welche in ihrer Richtung, unabh\u00e4ngig von den Str\u00f6mungen in den nebenanliegenden Zellen ist, wie man dieses am deutlichsten in der Abbildung selbst sehen kann, wo die Richtung der Str\u00f6me stets durch die Pfeile angedeutet ist.\nDie gr\u00fcnen Zellensaft-K\u00fcgelchen dieser Pflanze, so wie alle \u00fcbrigen festeren Massen, welche in den Zellen dergleichen Pflanzen noch zuweilen Vorkommen, steigen, \u00e4hnlich wie bei den Charen, auf der einen Seite der Zelle hinauf, \u00e4ndern an der einen Grundfl\u00e4che der Zelle ihre Richtung, um zur anderen Seite der Zelle zu gelangen und an dieser hinabzusteigen; auf der entgegengesetzten Grundfl\u00e4che der Zellen dreht sich die Richtung der K\u00fcgelchen wieder zu der ersteren Seite der Zelle, um hier wieder hinaufzusteigen und den ganzen Lauf von Neuem zu beginnen. Es zeigt sich also hierselbst, dafs die ganze Rotations-Str\u00f6mung in dem Laufe der K\u00fcgelchen besteht, welche best\u00e4ndig, der inneren Fl\u00e4che der Wand entlang, um die H\u00f6hle der Zellen verlaufen: wo keine K\u00fcgelchen sind, da sieht man auch keine Bewegung, und w\u00fcrde sich daselbst der Zellensaft bewegen, so w\u00e4re diese Bewegung nicht wahrnehmbar, weil der Zellensaft ganz wasserhell und vollkommen durchsichtig ist. Es ist von besonderem Interesse zu sehen, wie die Umdrehung des K\u00fcgelchenstromes an den Enden der Zellen erfolgt, besonders wenn sich eine grofse Menge derselben zusammengeh\u00e4uft hat, wie bei e oder bei f; hier kommt es zuweilen vor, dafs dieselben das Ende der Zelle so stark f\u00fcllen, dafs eine","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nVerstopfung stattfindet und dadurch die Bewegung derselben eine geraume Zeit hindurch unterbrochen wird; endlich winden sich einzelne K\u00fcgelchen aus dieser Masse hervor, ihnen folgen immer mehr und mehr, und endlich geht wieder Alles den alten Gang. Durch solche Hindernisse, welche gerade bei den Umdrehungspunkten Vorkommen, werden die vorhandenen Zusammengruppirungen der K\u00fcgelchen wieder aufgehoben und es gehen neue daraus hervor, welche ebenso zuf\u00e4llig, als die fr\u00fcheren auftreten. Man wird n\u00e4mlich schon aus der Abbildung deutlich wahrnehmen, dafs in diesen Gruppirungen der K\u00fcgelchen keine Regel herrscht; bald liegen sie einzeln, bald zu zwei oder zu drei, bald aber auch in mehr oder weniger grofsen Haufen vereinigt, was aber durch die Bewegung sehr bald wieder ver\u00e4ndert wird. Die Abbildung aus der Vallisneria in Fig. 2 Tab. VIII. ist zur Winterzeit angefertigt, nachdem die Pflanze l\u00e4nger als 9 Monate in reinem Brunnen-Wasser vegetirte; die Abbildung in Fig. 3 ist dagegen zur Sommerszeit ausgef\u00fchrt, als die Pflanze so eben aus ihrem nat\u00fcrlichen Standorte gezogen war. Man sieht in dieser letzteren Abbildung, dafs in den Zellen noch aufser den gr\u00fcngef\u00e4rbten K\u00fcgelchen einzelne, mehr oder weniger grofse Schleimmassen Vorkommen, welche hie und da die K\u00fcgelchen einh\u00fcllen und sich mit denselben gemeinschaftlich fortbewegen, oder auch wohl in unregelm\u00e4fsig geformten Massen f\u00fcr sich allein der Zellenwand anliegen und sich alsdann ebenfalls, und ganz in derselben Art fortbewegen, wie wir es von den gr\u00fcngef\u00e4rbten Zellensaft-K\u00fcgelchen angegeben haben. Auch habe ich bereits im ersten Theile dieses Buches pag. 205 n\u00e4mlich, darauf aufmerksam gemacht, dafs zu gewissen Zeiten auch die einzelnen gr\u00fcngef\u00e4rbten Zellensaft-K\u00fcgelchen in der Vallisneria mit einem regelm\u00e4fsig elliptischen, aber ebenfalls gr\u00fcnlich gef\u00e4rbten Schleiman-hange versehen sind, welchen ich ebenso, wie die anderen Schleimmassen, worauf ich vorhin aufmerksam machte, f\u00fcr Reserve-Nahrung der Pflanze halten mufs. Wenn sich jene gr\u00fcnen K\u00fcgelchen mit ihrer elliptischen Schleim-","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"231\n\nAtmosph\u00e4re unmittelbar der Zellenwand n\u00e4heren, so wird die Schleimmasse sofort angezogen und erh\u00e4lt dadurch ein l\u00e4ngliches, vielen kleinen Infusorien sehr \u00e4hnliches Ansehen, was um so t\u00e4uschender ist, indem auch diese K\u00fcgelchen den gew\u00f6hnlichen Lauf um die ganze innere Fl\u00e4che der Zellen vollf\u00fchren. Fast in allen F\u00e4llen l\u00e4uft das runde gr\u00fcne K\u00fcgelchen voran, und die dazu geh\u00f6rende Schleimmasse, welche etwas heller gef\u00e4rbt ist, folgt dem K\u00fcgelchen. Durch zuf\u00e4lliges Anstofsen anderer Bl\u00e4schen, wird die At-r mosph\u00e4re wiederum von der Zellenwand getrennt, worauf sie sogleich ihre fr\u00fchere elliptische Form annimmt und wie gew\u00f6hnlich dem K\u00fcgelchen folgt.\nEs ist auffallend, dafs sich die K\u00fcgelchen in den Zellen f der Schnitte, welche in den angef\u00fchrten Abbildungen dargestellt sind, immer genau den Seitenw\u00e4nden der Zellen anlegen; dieses ist auch fast immer der Fall, wenn der Schnitt parallel den beiden Blattfl\u00e4chen gef\u00fchrt wird. F\u00fchrt man dagegen den Schnitt in solcher Richtung, dafs er mit dem vorhergehenden einen rechten Winkel bildet, so wird man sehen, dafs fast in allen Zellen, jene K\u00fcgelchen gerade die obere und untere Fl\u00e4che der Zellen ber\u00fchren, \u00a7 und dafs die Seiten derselben Zellen, welche nat\u00fcrlich bei den vorhergef\u00fchrten Schnitten gerade die vorliegenden Flachen bildeten, ganz frei von K\u00fcgelchen sind. Den vollst\u00e4ndigen Aufschlufs erh\u00e4lt man \u00fcber diese Erscheinung durch Vertikal- oder Querschnitte, welche aber in diesem Falle so dick gefertigt werden m\u00fcssen, dafs einzelne Zellen nicht zerschnitten werden, um die Bewegung der darin enthaltenen K\u00fcgelchen auch in diesen F\u00e4llen beobachten \u2666 zu k\u00f6nnen. In Fig. 4 Tab. VIII. habe ich einen kleinen Theil eines solchen Querschnittes aus dem Blatte der Val-lisneria spiralis dargestellt; freilich sind es nur einige wenige Zellen, in welchen noch die Bewegung vorhanden war, aber sie reichen hin, um die Stelle in den verschie-\u25a0 denen Zellen anzugeben, wo gerade die Lage des Stromes befindlich ist. In der Abbildung zeigt ab die Epidermis der oberen und cd die Epidermis der unteren Blattfl\u00e4che;","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\ndie Zellen dieser beiden Schichten sind stark mit gr\u00fcngef\u00e4rbten, 'ziemlich elliptisch geformten K\u00fcgelchen gef\u00fcllt und in ihnen war schon alle Rotations-Str\u00f6mung erloschen; in den Zellenschichten g h und i k dagegen, welche unmit- -telbar neben den \u00e4ufseren Zellenlagen befindlich sind, da ist die Richtung der Str\u00f6me, welche in den unverletzten Zellen zu sehen waren, durch die beigesetzten Pfeile angedeutet. Auf diesem Querschnitte sieht man n\u00e4mlich die Grundfl\u00e4chen der Zellen vor sich, und der Strom, welcher 4 hier von einer Seite zur anderen, aber genau parallel der Oberfl\u00e4che des Blattes verl\u00e4uft, ist gerade der umkehrende, wie wir ihn auf der Abbildung des L\u00e4ngenschnittes in e oder f Fig. 2 u. s. w. kennen gelernt haben. Aus dieser Richtung, welche die K\u00fcgelchen in ihrem Verlaufe \u00fcber die Grundfl\u00e4chen der Zellen k, 1, m u. s. w. einschlagen, wird es auch erkl\u00e4rlich, dafs dieselben auf den L\u00e4ngenschnitten immer an den Seiten der Zellen herab oder hin- -auflaufen, denn z. B. in der Zelle k kommen die K\u00fcgelchen bei n aus der Tiefe hinaufgestiegen, biegen von ihrem Laufe ab, indem sie der Grundfl\u00e4che folgen m\u00fcssen und verlaufen auf derselben bis o, wo sie pl\u00f6tzlich verschwinden, indem sie hier wieder in die Tiefe zur\u00fcckgehen. Dergleichen Zellen jedoch, welche in der Mitte liegen, und gleichsam Verbindungen zwischen den Zellenschichten der beiden Blattfl\u00e4chen bewirken, wie z. B. die Zelle p, zeigen ! eine ganz andere Richtung des Stromes der K\u00fcgelchen; derselbe verl\u00e4uft in diesen von der Seite der einen Blattfl\u00e4che zur Seite der entgegengesetzten Bi\u00e4ttfl\u00e4che, bildet also mit der Richtung des Stromes in den \u00e4ufseren Zellen- i schichten g h und i k gerade einen rechten Winkel.\nDiese Angaben \u00fcber den Verlauf der Zellensaft-K\u00fcgelchen in den Zellen der Vallisneria findet man fast ganz allgemein best\u00e4tigt, so dafs man dieselben gleichsam wie 4 Gesetze f\u00fcr jene Rotations-Str\u00f6mungen ansehen kann; nur in sehr seltenen F\u00e4llen weicht die Richtung der Str\u00f6me hievon ab. So habe ich z. B. einigemal beobachtet, dafs die Str\u00f6me, wenn die Zellen sehr* lang waren, nicht parallel","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"233\nder L\u00e4ngenachse der Zelle verliefen, sondern dieselbe in einem sehr spitzen Winkel schnitten und sich also spiralf\u00f6rmig um die Achse herumzogen, wie dieses auch die Zelle a b in Fig. 3 Tab. VIII zeigt. Der Pfeil giebt die Richtung des Stromes an, und die zwei Pfeile darunter, welche etwas heller gezeichnet sind, deuten die Richtung des entgegengesetzten Stromes auf der entgegengesetzten Seite der Zelle. In einigen anderen, ebenfalls nur sehr seltenen F\u00e4llen, findet man einzelne Zellen, wo sich, an dem einen Ende, ein mehr oder weniger grofser Theii des Zellen-Inhaltes von dem allgemeinen Rotations-Strome getrennt hat, und f\u00fcr sich allein in einer rotirenden Bewegung, d. h. in einem best\u00e4ndigen Drehen um seine Achse I befindlich ist, w\u00e4hrend aufserdem noch die gew\u00f6hnliche Rotations-Str\u00f6mung in dem \u00fcbrigen Theile der Zelle vor sich geht. In der Zelle cd Fig. 2 Tab. VIII. findet sich eine solche, von der allgemeinen Str\u00f6mung getrennte Masse in e, welche aus 4 gr\u00fcnen Zellensaft-K\u00fcgelchen und dem umh\u00fcllenden sehr fein k\u00f6rnigen Schleime bestehen. Die Gr\u00f6fse solcher Ballen, welche sich best\u00e4ndig um ihre Achse drehen, ist in verschiedenen Zellen sehr i verschieden, oft nur aus wenigen K\u00fcgelchen und einer grofsen Schleimmasse, oft aber aus sehr vielen, 20 bis 30 und noch mehr bestehend. Die Rotations-Str\u00f6mung geht in dem \u00fcbrigen Theile der Zelle ununterbrochen fort, dreht h sich aber schon von dem abgetrennten Ballen, also in der angegebenen Abbildung schon bei f, ganz wie es die Richtung der Pfeile angiebt. Zuweilen bilden diese getrennten Massen einen linsenf\u00f6rmigen K\u00f6rper, der mit seiner brei-' ten Fl\u00e4che auf der Grundfl\u00e4che der Zelle liegt und sich ebenfalls best\u00e4ndig um seine Achse dreht, aber nach Art einer horizontalstehenden Scheibe; in diesem Falle ist also die Richtung der Bewegung der, aus dem allgemeinen Strome getrennten K\u00f6rperchen eine ganz andere, als die der allgemeinen Rotations-Str\u00f6mung, welche sich vor dem linsenf\u00f6rmigen K\u00f6rper ganz wie gew\u00f6hnlich umdreht. WTir werden sp\u00e4ter auf die Wichtigkeit dieser Erscheinungen","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nnochmals aufmerksam machen, hier will ich nur noch bemerken, dafs aus diesen Beobachtungen schon hervorgeht, dafs die Bewegung der Zellensaft-Kiigelchen nicht immer unmittelbar von den Zellenw\u00e4nden abh\u00e4ngig sein kann, denn wir haben oben gesehen, dafs sich der Strom auch entfernt von der Grundfl\u00e4che der Zelle umdrehen kann, wie z. B. bei f in Fig. 3 Tab. VIII. und sp\u00e4ter werden wir es noch auffallender sehen.\nDiese Bewegungen der Zellensaft-K\u00fcgelchen kommen in allen Zellen der Vallisnerien und der Gattung Najas vor, doch sterben die Zellen der Epidermis oder der \u00e4ufse-ren Zellenschicht gew\u00f6hnlich sehr bald so weit ab, dafs man nur noch in ganz jungen Vallisnerien-Bl\u00e4ttern einzelne Bewegungen in den Epidermis-Zellen wahrnimmt. Bei diesen Pflanzen ist es besonders auffallend bemerkbar, dafs die Bewegung der Zellensaft-Kiigelchen in Folge des Schnittes sogleich stillsteht, und erst einige Zeit nachher wieder beginnt; ich habe bemerkt, dafs dieses abermalige Auftreten der Str\u00f6mung um so schneller erfolgt, je kr\u00e4ftiger die Pflanze und je w\u00e4rmer das umgebende Medium ist. Im Sommer bei sehr grofser Hitze, wird man, oft gleich unmittelbar nach der Anfertigung eines Schnittes die Bewegung der K\u00fcgelchen in demselben wahrnehmen; im Winter dagegen dauert es, oft selbst bei 15 \u201418 Grad W\u00e4rme eine viertel, ja eine halbe Stunde, bis die Bewegung in allen Zellen wieder geh\u00f6rig vor sich geht.\nDiese beschriebene Bewegung der Zellensaft-K\u00fcgelchen in der Vallisneria .und in anderen Pflanzen, wo dieselbe in gleicher Weise vor sich geht, k\u00f6nnte auf zweifache Art erkl\u00e4rt werden, einmal n\u00e4mlich, indem man dem Zellensafte die Bewegung zuschreibt und die K\u00fcgelchen mechanisch mitschwimmen l\u00e4fst, und zweitens, indem man den K\u00fcgelchen selbst jene fortschreitende Bewegung zuschreibt. F\u00fcr die erstere Ansicht sprach sowohl bei den Charen, als auch hier, bei den vollkommeneren Wassergew\u00e4chsen, die gleichrn\u00e4fsige Bewegung der neben einander liegenden K\u00fcgelchen und das augenblickliche Aufh\u00f6ren die-","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"235\nser Bewegung nach dem Hervortreten derselben aus den Zellen; indessen w\u00e4re diese Ansicht f\u00fcr alle F\u00e4lle die richtige, so w\u00fcrde jene Trennung einzelner K\u00fcgelchen aus der allgemeinen Str\u00f6mung, wie wir sie kurz vorher ausf\u00fchrlich beschrieben haben, schwer begreiflich werden, besonders derjenige Fall, wo die besondere Rotirung einer linsenf\u00f6rmigen Masse unmittelbar auf der Grundfl\u00e4che der Zelle geschieht. Aus diesen Erscheinungen m\u00f6chte man schon bei der Vallisneria anzunehmen geneigt werden, dafs die Bewegung zuweilen den K\u00fcgelchen selbst und allen, in dem Zellensafte dieser Pflanzen vorkommenden festen Gebilde zukommt; bei solcher Annahme w\u00e4re es erkl\u00e4rlich, wie zuweilen einzelne K\u00fcgelchen an den Enden der Zellen, w\u00e4hrend sie im Begriffe waren umzudrehen, diese Bewegung best\u00e4ndig fortsetzen und dadurch eine eigene, von der allgemeinen Str\u00f6mung unabh\u00e4ngige Rotirung zu Stande bringen, wobei die \u00fcbrigen K\u00fcgelchen oberhalb dieser getrennten ihre Bewegung fortsetzen. Aber am auffallendsten wird diese Meinung durch die Erscheinungen der Rotationsstr\u00f6mung in den vollkommeneren Pflanzen unterst\u00fctzt, wovon in der Folge die Rede sein wird; und obgleich ich selbst, geleitet durch die fr\u00fcheren Beobachtungen, die Rotationsstr\u00f6mung fr\u00fcher ganz allgemein nach der ersteren Ansicht zu erkl\u00e4ren suchte, so glaube ich doch 'gegenw\u00e4rtig die sprechendsten Gr\u00fcnde f\u00fcr die andere Ansicht anf\u00fchren zu k\u00f6nnen, nach welcher der Grund der Bewegung in sehr vielen F\u00e4llen den festen Stoffen selbst zuzuschreiben ist.\nDie Hydrocharis Morsus ranae zeigt in ihren Zellen ganz \u00e4hnliche Str\u00f6mungen wie die Vallisneria, doch in den sch\u00f6nen Wurzelhaaren dieser Pflanze sind, in Bezug auf diesen Gegenstand, mehrere h\u00f6chst interessante Erscheinungen wahrzunehmen. Ich habe fr\u00fcher die Rotations-Str\u00f6mung in den langen und ausgewachsenen Wurzelhaaren dieser Pflanze beschrieben und durch Abbildungen *)\n*) S. Nova Acta Acad. C. L, C. T. XI1L P. II- PaS* b6\u00d6. Tab. XLV. Fig. 6.","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nerkl\u00e4rt; die Richtung der Pfeile giebt daselbst den spiralf\u00f6rmigen Lauf des Stromes an, welcher sich, in besonders langen Haaren der Art, wohl 4\u20146mal um die Achse der Zelle windet. Wenn man aber diese Wurzelh\u00e4rchen in ihrem ersten Auftreten aus verl\u00e4ngerten Papillen der Wurzelzellen beobachtet, so findet man den Verlauf der Str\u00f6mung nicht spiralf\u00f6rmig, sondern die Richtung desselben ist parallel der L\u00e4ngenachse der Zelle. In Fig. 5. Tab. VIII. habe ich eine Abbildung eines jungen Wurzelh\u00e4rchen der Hydrocharis Morsus ranae nach 350maliger Vergr\u00f6fse-rung gegeben; der gr\u00f6fste Theil dieser langen Zelle ist mit einer opaken, schleimigen und feingek\u00f6rnten Masse gef\u00fcllt, welche zusammenh\u00e4ngend, best\u00e4ndig um die ganze innere Fl\u00e4che der Zelle herumgetrieben wird und zwar in der Richtung der angegebenen Pfeile. Sobald aber ein solches Wurzelhaar l\u00e4nger wird, nimmt auch die Richtung des Stromes einen spiralen Verlauf an, und zugleich ver\u00e4ndern sich die Contenta des H\u00e4rchens h\u00f6chst auffallend. In den erwachsenen Haaren bestehen die rotirenden Massen in \u00e4ufserst kleinen K\u00fcgelchen und mehr oder weniger grofsen und unregelm\u00e4fsig geformten wolkenartigen Schleim-massen, welche einzeln in dem wasserhellen Zellensafte umherschwimmen, w\u00e4hrend in dem jungen Haare alle diese Massen noch zusammenh\u00e4ngend waren. Es ist ein bewunderungsw\u00fcrdig sch\u00f6ner Anblick, wenn man ein kleines Endchen der zartesten Wurzelzasern der Hydrocharis beob-achtet, worauf Hunderte und Hunderte von Wurzelhaaren befindlich sind, welche bei ihrer grofsen Durchsichtigkeit alle Bewegungen im Inneren zeigen.\nDieser Uebergang der ebenen Bahn des Stromes in eine spirale, ist offenbar eine Erscheinung von grofser Bedeutung und aller Aufmerksamkeit werth, sie beruht vielleicht auf der Drehung der Zellenmembran um ihre eigene Achse; wenigstens liefse sich diese Erscheinung bei den langen Wurzelhaaren und selbst in den Charen auf diese Weise erkl\u00e4ren, wo durch die fr\u00fchere gerade Stellung der gr\u00fcnen K\u00fcgelchen auf der inneren Fl\u00e4che des Schlauches,","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"237\ndie sp\u00e4tere Drehung desselben erweislich wird. Doch wir haben schon bei der Vallisneria den Fall kennen gelernt, dafs eine spirale Drehung des Saftstromes auftreten kann, ohne dafs man eine Drehung des Zellenschlauches annehmen d\u00fcrfte, welche n\u00e4mlich in diesem Falle rund umher von anderen Zellen eingefafst und festgehalten ist. Man mufs aber diese Erkl\u00e4rung von der Entstehung des spiralen Laufes der Zellensaft-K\u00fcgelchen ganz aufgeben, wenn sie auch bei den Charen die richtige sein mag, denn in anderen Pflanzen werden wir kennen lernen, dass sich die Str\u00f6mung in ihren Richtungen vielfach \u00e4ndert, aber im Allgemeinen immer wieder auf die Spirale zur\u00fcckkommt, wenn auch die einzelnen Arme dieser Str\u00f6me nicht parallel verlaufen, was aber geschehen miifste, wenn ihre spirale Richtung von der Drehung der Zellenhaut abh\u00e4ngig w\u00e4re.\nEinen grossen Zuwachs erhielt die Lehre von der Rotationsstr\u00f6mung in den Pflanzen-Zellen durch Herrn Robert Brown\u2019s *) Entdeckung einer \u00e4hnlichen Bewegung in den Zellen der niedlichen Haare, welche die Basis der Staubf\u00e4den der Tradescantia virginica bekleiden. Diese Entdeckung [wurde zuerst durch Herrn Slack in der auf pag. 211 angef\u00fchrten Schrift n\u00e4her beschrieben, und durch Abbildungen erkl\u00e4rt. Herr Slack nannte diese Str\u00f6mungen in den Haaren der Tradescantia ein wahres Wunderwerk, denn man erstaunt, in einer so zarten und zierlich geformten Zelle mehrere, \u00e4ufserst feine Str\u00f6mungen nach ganz verschiedenen Richtungen hin zu beobachten, ohne irgend eine besondere Ursache wahrzunehmen, welcher man die Veranlassung dieser Bewegungen zuschreiben k\u00f6nnte, und man kann auch diese Erscheinung Stunden und ganze Tage hindurch anschauen, ohne dieselbe zu begreifen. Auch von Herrn Slack **) wurde das Ph\u00e4nomen\n*) On the Sexual Organs and Impregnation in Orchideae and Asclepiadeae. 1831. pag. 21.\n**) S. Flora v. 1834. Beibl\u00e4tter pag. 56.","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nunrichtig aufgefafst, denn er glaubte, dafs sich die bewegenden Str\u00f6me zwischen der Zellenmembran und der gef\u00e4rbten Masse im Inneren der Zelle befinden, welche er als eingeschlossen in einem besonderen Sacke ansieht, um den eigentlich die zarten Str\u00f6mungen verlaufen sollen. Doch die gef\u00e4rbte Masse in diesen Haarzellen der Tradescantia ist nichts weiter, als der blau gef\u00e4rbte Zellensaft und von einer besonderen, diese Masse umschliefsenden Mem- -bran ist bei guter Beobachtung nichts zn sehen, also war Herrn Slack\u2019s Ansicht von diesen Bewegungen unrichtig, was sich besonders noch in der Folge heraussteilen wird. Herr Slack entdeckte \u00e4hnliche Bewegungen in den Haaren, -\u00ef welche auf dem Schlunde der Corolla von Pentastemon-Arten sitzen, und er beschreibt diese Ercheinung mit folgenden Worten: Die Str\u00f6mungen in diesen Haaren, worin sehr kleine Theilchen schwimmen, nehmen verschiedene 4 Richtungen an; einige sind fortlaufend bis zur Spitze des Haares, w\u00e4hrend andere fr\u00fcher umkehren und in verschiedener Gegend herabsteigen.\nIn den einzelnen Zellen der Tradescantien-Haare bemerkt man eine mehr oder weniger grofse Anzahl von Str\u00f6mungen, und h\u00e4ufig vermag man zu verfolgen, dafs alle diese verschiedenen Str\u00f6me mit ihren Aesten zu zwei Hauptstr\u00f6men geh\u00f6ren, wovon der eine aufsteigt und der j andere wieder zur\u00fcckfliefst; es scheint, dafs die verschie- * denen feinen Str\u00f6me durch Theilung eines Hauptstammes entstehen, und diese Theilung geschieht fast immer auf den Grundfl\u00e4chen der Zellen, nur selten gehen einzelne -\nj\nAeste auf den Seiten der Zelle ab und diese laufen auch nicht alle bis zum entgegengesetzten Ende, sondern drehen einzeln schon fr\u00fcher um, um in entgegengesetzter Richtung wieder zur\u00fcckzulaufen. Die Vertheilung und der Lauf dieser Str\u00f6me ist meistens sehr complicirt und besser durch Abbildungen als durch Beschreibung darzuthun. Einfacher ist diese Erscheinung jedoch in den Zellen, welche das Parenchym der Tradescantien bilden, und an diesen wollen wir dieselbe zuerst genauer kennen lernen.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"239\nZuerst bemerke ich nur noch, dafs alle Arten der Gattung Tradescantia, so wie aller \u00fcbrigen Gattungen der Comme-lineen, sowohl in den Zellen der Staubfaden-H\u00e4rchen (wo dergleichen vorhanden sind, was aber sehr allgemein ist), wie in dem frischen Zellengewebe des Stengels und \u00fcberhaupt aller saftigen Theile, mehr oder weniger deutlich jene Rotationsstr\u00f6mungen zeigen, doch die einzelnen Str\u00f6me in den Zellen dieser Pflanzen sind meistens so zart, dafs man dieselben nur mit sehr guten Instrumenten und mit einer, wenigstens SOOmaligen Vergr\u00f6fserung beobachten mufs. Auch hier ist nat\u00fcrlich zu beachten, was bei dergleichen Untersuchungen nie aufser Augen zu setzen ist, dafs die Pflanze recht kr\u00e4ftig sein mufs, dafs eine hohe Temperatur der Luft die Bewegungen bef\u00f6rdert, und dafs man noch jedesmal nach der Ausf\u00fchrung des Schnittes mehr oder weniger lange Zeit hindurch warten mufs, bis sich die Bewegung wieder einstellt.\nIn Fig. I. Tab. VIII. ist ein zarter Schnitt aus dem Stengel der Tradescantia ciliata dargestellt; in der Zelle ab ist die Rotationsstr\u00f6mung noch am einfachsten, denn ein einfacher Strom, eine Spirale verfolgend, zieht sich von c nach d, dreht sich daselbst um und l\u00e4uft zu dem Nucleus e, kommt aber alsdann auf der anderen Seite der Zelle, n\u00e4mlich in f zum Vorscheine. Es findet hier derselbe Fall statt, welchen ich in ab Fig. 3 Tab. VIII. aus der Vallisneria dargestellt habe; doch bei der Vallisneria sind die Zellensaftk\u00fcgelchen grofs und gr\u00fcnlich gef\u00e4rbt, w\u00e4hrend sie in den Zellen der Tradescantia aufserordent-lich klein und nur hie und da mit gr\u00f6fseren, etwas gr\u00fcnlich gef\u00e4rbten untermischt sind; auch erkennt man ganz deutlich, dafs alle diese, sich bewegenden Molek\u00fcle durch einen \u00e4usserst zarten Schleim umh\u00fcllt sind. Mannigfaltiger sind die Bewegungen in der Zelle gh, wo der Verlauf der verschiedenen Str\u00f6me durch die Richtung der Pfeile angegeben ist, und hier sieht man schon, dafs einzelne feine Str\u00f6me von der gew\u00f6hnlichen Richtung, n\u00e4mlich von einem Ende zum anderen, abweichend verlaufen,","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nobgleich ira Allgemeinen immer zu dem Hanptstrome zu-riickkehrend und mit diesem die Spirallinie verfolgend. Auch in diesen feinsten Str\u00f6men, wie in denen bei k, sieht man ganz deutlich, dafs sie aus einem zarten Streifen einer schleimigen Masse bestehen, in welcher \u00e4ufserst feine Molek\u00fcle eingestreuet sind und nur dann und wann ein einzelnes gr\u00f6fseres, gr\u00fcngef\u00e4rbtes Zellensaftk\u00fcgelchen enthalten ist und mit fortbewegt wird. Gerade an diesen Kii- : gelchen bemerkt man zuerst die Bewegung, und wenn man dann l\u00e4ngere Zeit hindurch auf die Linie dieser Bewegung-aufmerksam ist, so erkennt man auch den zarten Streifen, dessen Fortbewegung durch die Ortsver\u00e4nderung der Mo- -* lekiile bemerkbar wird. In der Zelle gh ist noch auf einen besonderen Punkt aufmerksam zu machen ; der feine Strom n\u00e4mlich, welcher von h nach g hinl\u00e4uft und bei g seine Richtung nach der Lage der Zellenwand \u00e4ndert: die- 4 ser giebt bei i einige feine Molek\u00fcle und etwas Schleimmasse ab, welche eine f\u00fcr sich bestehende, unabh\u00e4ngig von der grofsen Str\u00f6mung bestehende, rotirende Bewegung annehmen, und zwar in der Richtung der angegebenen Pfeile. Gew\u00f6hnlich pflegt eine solche abgesonderte Bewegung nicht lange anzuhalten, sondern allm\u00e4lich kehrt die getrennte Masse wieder zum Hauptstrome zur\u00fcck. In der Zelle 1 m wird die Erscheinung noch interessanter, denn j wenn man die Richtung der Pfeile bei den verschiedenen * Str\u00f6men genau betrachtet, so wird man erkennen, dafs verschiedene feine Str\u00f6me gleichsam eine Communication zwischen den beiden entgegengesetzten Hauptstr\u00f6men bil- . den und dafs, gerade am Nucleus die meisten der feinen Str\u00f6me sich vereinigen. Indessen besonders auffallend ist in dieser Zelle, dafs sich der Hauptstrom o mit seinem Umdrehungsbogen nicht mehr unmittelbar an der Zellenwand 1 befindet, sondern sich allm\u00e4lig von dem Ende der Zelle entfernt. Dieses Herabr\u00fccken des Umdrehungspunktes nahm allm\u00e4lich immer mehr und mehr zu, und alsbald liefen aus dem oberen Rande dieses Stromes wieder ganz feine Str\u00f6me aus, wie sie bei p angedeutet sind, welche","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"241\nalsdann wieder eine partielle Rotations-Str\u00f6mung in dem oberen Theile der Zelle bildeten. Dafs auf diese Weise der Umdrehungspunkt des Saftstromes aus dem oberen Ende der Zelle bis zur Mitte derselben, und noch weiter herabsinken kann, und dafs sich alsdann in jeder H\u00e4lfte der Zelle eine besondere Str\u00f6mung befindet, das habe ich vollst\u00e4ndig verfolgen k\u00f6nnen, und ein \u00e4hnlicher Fall ist auch in der beistehenden Zelle q n dargestellt. Ich hatte schon fr\u00fcher beobachtet, dass sich die feinen Str\u00f6me in den Haarzellen der Tradescantien aus ihrer gew\u00f6hnlichen Richtung bewegen k\u00f6nnen, dafs sie sich bald rechts, bald links hinziehen und sich bald mit diesem, bald mit jenem gr\u00f6fseren Saftstrome vereinigen, oder seitlich ganz abbiegen und wieder zuriickstr\u00f6men. Nimmt man nun noch die Thatsache hinzu, welche ich so eben ausf\u00fchrlich nachgewiesen habe, dafs sich selbst die Umdrehungspunkte der grofsen Str\u00f6me um\u00e4ndern k\u00f6nnen, dafs sie also gar nicht von der Grundfl\u00e4che der Zellen abh\u00e4ngig sind, so wird man es erkl\u00e4rlich finden, dafs eine so grofse Mannigfaltigkeit in der Richtung der zahlreichen feinen Str\u00f6me entstehen kann, wie sie zuweilen in den Haar-Zellen der Tradescantien zu beobachten ist.\nEs w\u00fcrde schwer halten, wollte ich die verschiedenen Str\u00f6mungen in den Haar-Zellen der Tradescantien n\u00e4her beschreiben, es m\u00f6ge gen\u00fcgen, dieselbe nach den beigef\u00fcgten Abbildungen kennen zu lernen, worauf die Richtungen der Str\u00f6mungen stets durch Pfeile angegeben sind. Diejenigen Str\u00f6mungen, welche der Oberfl\u00e4che der Zelle zun\u00e4chst liegen, sind in den Abbildungen st\u00e4rker angedeutet. Um es zu zeigen, wie die Richtungen der Str\u00f6me sich best\u00e4ndig \u00e4ndern, habe ich in Fig. 6 Tab. VIII. die Zelle a b noch einmal, dicht daneben in c d Fig. 7 dargestellt, und auf letzterer die Str\u00f6mungen verzeichnet, welche, eine halbe Stunde sp\u00e4ter, aus den in a b Fig. 6 aufgezeich-netenStr\u00f6mungen entstanden waren. H\u00f6chst complicirt sind die Richtungen der Str\u00f6me in diesen Zellen, welche zwar durch die Pfeile angegeben sind, deren ganzen Zusammen-Meyen. Pfl. Physiol. II,\t16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nhang mail jedoch eben so wenig \u00fcbersehen kann, als in der Abbildung einer kugelf\u00f6rmigen Haar-Zelle eben derselben Tradescantia, welche in Fig. 8 Tab. VIII. nach einer 350maligen Vergr\u00f6fserung w\u00e4hrend der heifsen Som- -merzeit ausgef\u00fchrt ist. Wenn man dergleichen F\u00e4lle bei geh\u00f6riger Vergr\u00f6fserung aufmerksam betrachtet, so wird man zuweilen bemerken, dafs einzelne Str\u00f6me pl\u00f6tzlich erscheinen, wie wenn sie gerade aus der Tiefe auf die , beobachtete Fl\u00e4che hinaufstiegen, w\u00e4hrend andere wieder \u201c pl\u00f6tzlich verschwinden, indem es scheint, als wenn sie nicht den Zellenw\u00e4nden entlang verliefen, sondern durch den mit Saft gef\u00fcllten Raum der Zelle selbst hindurch gehen. _i Ich habe diese Erscheinung schon fr\u00fcher oftmals beobachtet, doch war mir die Erkl\u00e4rung, dafs n\u00e4mlich die Str\u00f6me quer durch die Zellenr\u00e4ume verlaufen, stets zu gewagt, bis dafs ich mich in einem anderen Falle ganz vollkommen davon \u00fcberzeugte. Ich sah n\u00e4mlich in den grofsen 3 Pollenbl\u00e4schen der Kaempheria rotunda ganz \u00e4hnliche Str\u00f6mungen entstellen, in welchen die Saamenthierchen mit fortbewegt wurden, die aber ihre eigene Bewegung annah-men, sobald sie aus der Str\u00f6mung heraustraten.\nHerr Schleiden *) hat k\u00fcrzlich die Entdeckung der Rotations-Str\u00f6mung in den Endospermzellen von Cerato-phyllen publicirt und mit Abbildungen erl\u00e4utert; da ich selbst diese Erscheinung noch nicht gesehen habe, so theile 3 ich dieselbe ganz nach der Beschreibung des Herrn Schleiden mit. \u201eIn jeder Zelle n\u00e4mlich, heifst es am angef\u00fchrten Orte, findet eine Circulation einer gelblichen, schleimigen, mit einigen feinen dunklen granulis gemischten \u00ab Fl\u00fcssigkeit statt. Diese Bewegung unterscheidet sich wesentlich von allen \u00e4hnlichen, stets parietalen Zellensaft-Circulationen, indem der Strom von dem Grunde der Zelle aus in ihrer Axe einem Springbrunnen gleich auf- 4 steigt und sich an der Decke der Zelle in unz\u00e4hlige, feine,\n*) Beitr\u00e4ge zur Kenntnifs der Ceratopliylleen, Linnaea von\n1837 pag. 527,","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"243\nkaum sichtbare St\u00e4mmchen vertheilt, die an allen Seiten an der Wand wieder niederfallen, um sich unten wieder mit dem Hauptstrome zu vereinigen. Die Richtung dieser Str\u00f6mung ist stets vom Embryo her gegen die Chalaza gerichtet und die der Wandstr\u00f6mchen nat\u00fcrlich entgegengesetzt.\u201c In diesem Falle w\u00fcrde also der mittlere Strom, welcher allein der aufsteigende ist, frei durch den Zellenraum verlaufen, und somit w\u00e4re es denn wohl erwiesen, f dafs dergleichen Str\u00f6mungen in keiner Hinsicht von den W\u00e4nden der Zellen abh\u00e4ngig sind, sondern in sich selbst die Ursache dieser Bewegung enthalten m\u00fcssen. Herr R. Brown ist der Meinung, dafs es scheint, als wenn der Lauf der Str\u00f6mungen in den Haar-Zellen der Tradescan-* tien durch den Nucleus, welcher in jenen Zellen immer vorkommt, und wor\u00fcber ich auf pag. 207 des ersten Tliei-les dieses Buches verweise, bestimmt werde, indem einige der Str\u00f6me ihre Bewegung nach demselben hinlenken, andere aber von ihm auszugehen scheinen. Ganz \u00e4hnlich spricht sich auch Herr Slack aus, denn er sagt, dafs die kleinen Str\u00f6me in den meisten F\u00e4llen einige Beziehung zum Nucleus haben, sie streichen entweder an seiner Ober-f fl\u00e4che hin, oder mehr daneben. Gew\u00f6hnlich hat der Kern einen festen Standort in der Zelle, doch schon Herr Slack beobachtete, und ich habe es best\u00e4tigt gefunden, dafs der Kern zuweilen mit dem Strome mit fortgerissen wird, t doch sah ich niemals, dafs dadurch irgend eine Ver\u00e4nderung in den Str\u00f6mungen veranlafst wurde. Schon diese letztere Beobachtung m\u00f6chte hinreichend sein um die Ansicht umzustofsen, dafs die Str\u00f6mung des Saftes durch - jenen Nucleus bedingt werde. Herr R. Brown hat auch schon die Beobachtung gemacht, dafs die Str\u00f6mung von dem Nucleus nicht aufgehalten wird, denn man sieht dieselbe zuweilen zwischen der Oberfl\u00e4che des Nucleus und der Wand der Zelle hindurchgehen, was allerdings zugleich beweist, dafs jener K\u00f6rper nicht immer genau mit der Wand der Zelle zusammenh\u00e4ngt, was aber allerdings gew\u00f6hnlich doch der Fall ist. Sitzt der Nucleus ganz fest\n16 *","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nan der Wand der Zelle und kommt irgend ein Strom auf denselben gestofsen, so weicht er seitlich ab und streift an ihm vor\u00fcber. Aufserdem sieht man den Nucleus in \u00fcberaus vielen F\u00e4llen, wo durchaus keine Bewegungen der Art zu beobachten sind.\nNach den Beobachtungen, welche ich \u00fcber die An\u2122 ziehungskraft der Zellenw\u00e4nde auf die rotirenden Schleimmassen, sowohl bei der Vallisneria, als in den Zellen der -\u00e4ufseren Charen-Haut angestellt und im Vorhergehenden mitgetheilt habe, m\u00f6chte ich den Schlufs ziehen, dafs die Beziehung, in welcher zuweilen die einzelnen Str\u00f6me in den Haarzellen der Tradescantien zu dem Nucleus der -i Zelle stehen, keine andere als die mechanische Anziehung ist, welche die gr\u00f6fsere Masse des Nucleus auf die aufser-ordentlich feinen Str\u00f6me aus\u00fcbt. Ist einmal ein solcher Strom von einem Nucleus angezogen, so mufs es natiir-\u00e4 lieh l\u00e4ngere Zeit dauern, bis derselbe durch irgend eine andere Ursache wieder loskommt. Der Nucleus ist vielleicht mit eine von den Ursachen, wodurch die gew\u00f6hnliche Rotations-Str\u00f6mung, wie wir dieselbe in den Charen, der Vallisneria u. s. w. kennen gelernt haben, so verschieden in den Tradescantien und den meisten anderen Pflanzen auftritt.\nHerr Robert Brown ist der Meinung, dafs die Haar-j Zellen der Tradescantien, welche jene wunderbarenBewe-* gungen zeigen, mit Luft gef\u00fcllt sind, und dafs diese die einzelnen Str\u00f6me von einander h\u00e4lt. Auch ich habe mich davon \u00fcberzeugt, dafs die H\u00e4rchen der aufgebl\u00fchten Tra- . descantien mehr oder weniger saftlos sind, und unter dem ' Mikroskope erst dann durchsichtig erscheinen, wenn das umgebende Wasser dieselben durchdrungen hat; doch dieses ist nicht allgemein, und man kann ganz bestimmt annehmen, dafs die Zellen jener H\u00e4rchen vor dem Aufbl\u00fchen noch vollkommen mit Zellensaft gef\u00fcllt sind ; erst sp\u00e4ter, wenn die Blume dem Aufbrechen nahet, und nach dem Aufbrechen derselben schwindet der Zellensaft durch Verdunstung immer mehr und mehr, so dafs zuletzt nur noch die kleine","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"245\nMasse eines feiiigek\u00f6rnten Schleimes zur\u00fcckbleibt, welche alsdann die beschriebene Bewegung in mehr oder weniger zahlreichen und feinen Str\u00f6men ausf\u00fchrt, bis endlich auch diese Masse austrocknet und die Bewegung aufh\u00f6rt. Bei einer anderen Gelegenheit, als ich die Rotations-Str\u00f6mung in den Brenn-Haaren der Loasen beschrieb, \u00e4ufserte ich die Ansicht, dafs die Trennung der allgemeinen Str\u00f6me in einzelne kleine und zarte, vielleicht nur dadurch entsteht, dafs die Masse des Stromes nicht ausreicht, um die grofse Fl\u00e4che der Zellenwand zu bedecken. In den konisch zugespitzten Brenn-Haaren der Loasen und der Nesseln, wo diese Bewegungen eben so sch\u00f6n, als bei den Loasen sind, da schien mir eine solche Ansicht nicht zu gewagt. Sind dergleichen Haare vollkommen ausgewachsen und alt, so tritt nicht selten in ihrem dicken, bulbusartigem Ende etwas Luft auf, w\u00e4hrend der gr\u00f6fsere Theil noch mit Saft gef\u00fcllt ist, worin jene Rotations-Str\u00f6mungen stattfinden. In diesem Zustande, und noch vorz\u00fcglicher in ganz jungen Haaren der Art, kann man beobachten, dafs in dem oberen, sehr schmalen Ende der Haare die ganze Saftmasse in zwei Str\u00f6me getheilt ist, wovon der eine emporstr\u00f6mt, sich in der kugelf\u00f6rmigen Spitze des Haares umbiegt und auf der anderen Seite wieder zur\u00fcckstr\u00f6mt, so dafs an diesem spitzen Ende des Haares die Rotations-Str\u00f6mung des Haares ganz in der Art stattfindet wie bei den Charen u. s. w. Dieselben Saftstr\u00f6me jedoch, welche in der Spitze ungetheilt verliefen, zeigen am anderen, dicken Ende des Haares eine \u00e4hnliche Zertheilung in mehrere feinere Str\u00f6me, wie wir sie im Vorhergehenden bei den Tradescantien beobachtet haben. Sind die einzelnen feinen Str\u00f6me mehr oder weniger bis zur Basis des Haares gekommen, so drehen sie um und steigen in entgegengesetzter Richtung wieder zur\u00fcck, indem 'sie sich immer mehr und mehr vereinigen und zuletzt nur einen einzelnen Strom bilden, der in die Spitze des Haares hineinl\u00e4uft. Diese Erkl\u00e4rung d\u00fcrfte aber wohl bei der mannigfaltigen Vertheilung der Str\u00f6me in den Zellen der Tradescantien","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nund in anderen Pflanzen geringere Anwendung finden, doch glaube ich, dafs man mit Bestimmtheit annehmen : kann, dafs alle die feinen Str\u00f6me, m\u00f6gen sie noch so weit von einander verlaufen, wenn sie eine und dieselbe Richtung verfolgen, doch nur einem solcher Str\u00f6me angeh\u00f6ren, wie dieselben ganz einfach in den Charen und Vallisne-rien-Zellen auftreten, und dafs alle \u00fcbrigen feinen Str\u00f6me in * jenen Zellen, welche der entgegengesetzten Richtung zulaufen, die rotirende Substanz wieder zur\u00fcckf\u00fchren.\nDie Rotations-Str\u00f6mung in den Zellen der Pflanzen ist nicht nur auf die wenigen, bis jetzt genannten Pflanzen beschr\u00e4nkt, sondern es ist eine, sehr allgemein verbreitete Erscheinung, denn die Namen der Pflanzen, in denen ich, wenn auch nur in einzelnen Theilen, diese Bewegung bemerkt habe, k\u00f6nnten ganze Seiten f\u00fcllen; doch bei den -meisten der vollkommenen Pflanzen tritt die Erscheinung ganz in der Art auf, wie wir sie so eben in den Haar-Zellen der Tradescantien kennen gelernt haben. Aber auch bei den vollkommenen Pflanzen, besonders bei den gew\u00f6hnlichen Dicotyledonen-Landpflanzen, findet man die Rotations - Str\u00f6mung gerade nicht in allen Zellen, sondern es sind auch hier meistens nur die einzelnen Haar-f\u00f6rmigen K\u00f6rper, welche die Oberfl\u00e4che einzelner Theile der Pflanze 1 bekleideten. So fand ich \u00e4hnliche Bewegungen in den zarten Wurzelbaaren bei allen Pflanzen, welche ich unter geh\u00f6rigen Umst\u00e4nden untersuchte, und gleichfalls konnte ich diese Erscheinung in den Haaren der \u00fcberirdi- * sehen Theile aller Pflanzen beobachten, wenn ich dieselben unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden und mit starker Vergr\u00f6fserung bei \u00fcbrigens guter Beleuchtung betrachtete, so dafs man es nicht mehr als ein besonderes Verdienst ansehen kann, * wenn diese Rotations-Str\u00f6mung auch in anderen, noch nicht nahmhaft gemachten Pflanzen aufgefunden wird, denn die Erscheinung ist offenbar f\u00fcr alle h\u00f6heren, ja selbst f\u00fcr eine Menge von niederen Pflanzen allgemein. Es kommt gegenw\u00e4rtig auch mehr darauf an die Art dieser Str\u00f6mung in m\u00f6glichst vielen Pflanzen kennen zu lernen, um","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"247\nvielleicht auf diesem Wege endlich zu einer wahrscheinlichen Erkl\u00e4rung der Erscheinung zu gelangen.\nDiese Rotations-Str\u00f6mungen kommen sowohl in den ungegliederten, als in den gegliederten Haaren der Landpflanzen vor, doch pflegen sie in den ersteren mehr in eben derselben Art aufzutreten, wie wir sie in den Wurzel-Haaren der Hydrocharis n\u00e4her beschrieben haben; in den einzelnen Zellen der gegliederten Haare dagegen ganz\nf \u00e4hnlich, wie bei den Tradescantien-Haaren, bald mehr bald weniger complicirt durch die Zahl und mannigfaltigen Verschlingungen der zarten Str\u00f6me. Die Abbildungen in Fig. 9 Tab. VIII. und Fig. 10 ebendaselbst zeigen die aufser-\nI ordentlichste Mannigfaltigkeit in der Richtung und in der\n*\tSt\u00e4rke dieser einzelnen Str\u00f6mungen, welche ich \u00fcberhaupt einer genaueren Betrachtung anempfehlen kann. Indessen selbst solche Landpflanzen, deren Wurzel-Haare, so wie alle anderen Haar-f\u00f6rmigen Gebilde auf der Oberfl\u00e4che des Stengels, der Bl\u00e4tter und anderer Theile jene Rotations-Str\u00f6mungen zeigen, haben nur sehr selten eben dieselbe in den Zellen ihres inneren Gewebes aufzuweisen, gew\u00f6hnlich nur alsdann, wenn die Substanz derselben sehr\n*\tsaftig ist, und dieselben sehr schnell wachsen, wie z. B. bei Sumpf- und Quellen-Pflanzen. Ueberhaupt kommen diese Str\u00f6mungen im Zellensafte nur in saftreichen Pflanzen oder einzelnen Pflanzentheilen vor, und sind nur w\u00e4hrend eines kr\u00e4ftigen Wachsens der Pflanzen sichtbar. Vertrocknet die Pflanze wegen Mangel an Wasser, oder erstirbt dieselbe durch Frost, so h\u00f6rt die Bewegung auf, doch im letzteren Falle, wenn der Frost nicht zu lange angehalten hat, erwacht die Bewegung sehr bald, wenn man die Pflanze einer h\u00f6heren Temperatur aussetzt. So kann man an den unaufgebliihten Knospen unserer, in den G\u00e4rten gezogenen Tradescantien noch sp\u00e4t im November, wenn die H\u00e4lfte der Pflanze schon erfroren ist, die Bewegung beobachten, wenn dieselben nur einige Stunden hindurch in einer warmen Stube stehen. Auch in denjenigen F\u00e4llen, wo die Rotations-Str\u00f6mung in den Zellen","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\ndurch zu grofse Trockenheit der Pflanze erl\u00f6scht, da beginnt dieselbe von Neuem, so bald man sie wieder geh\u00f6rig ern\u00e4hrt. Als Beispiel f\u00fchre ich hier die Jungermannien an; diese Gew\u00e4chse haben ein \u00e4ufserst kleinmaschiges Zellengewebe, und dasselbe ist meistens so saftlos, dafs darin auch keine Rotations-Str\u00f6mung vorhanden sein kann, ja die Zellen dieser Pflanzen sind h\u00e4ufig wohl nur mit feuchter < Luft gef\u00fcllt und die ern\u00e4hrende Feuchtigkeit zieht sich nur durch die Substanz der Zellenw\u00e4nde fort, daher denn auch ihr Wachsen sehr langsam vor sich geht. In den feuchten Gegenden unserer nordischen Gebirge geht indessen die Vegetation vieler Jungermannien rascher von Statten, und an diesen Pfl\u00e4nzchen findet man die Fruchtstiele \u00e4ufserst succulent und fast ganz ungef\u00e4rbt, so dafs sie ziemlich durchsichtig erscheinen; in ihren Zellen fin- l den \u00e4hnliche Rotations-Str\u00f6mungen wie in den Zellen der Vallisneria statt. HerrNees von Esenbeck *) hat diese Erscheinung an Jungermannia (Codonia) pusilia, hyalina und A. in. beobachtet. Die Bewegung geht in diesen Zellen zuweilen sehr rasch vor sich, wie denn auch das Wachsthum derselben, oft \u00fcber 1 und U Zoll in der L\u00e4nge, in Zeit von 1, 2 bis h\u00f6chstens 3 Mal 24 Stunden stattfindet. Nimmt man diese fructificirenden Jungermannien aus ihrem ] feuchten Standorte, so f\u00e4llt in Zeit von einigen Stunden das saftreiche Fruchtstielchen um, aber setzt man die Pflanze alsdann in Wasser, so erhebt sich das Stielchen wieder in einiger Zeit und steht so frisch wie vorher; doch t nur in seltenen F\u00e4llen kommt es wieder zur Rotations-Str\u00f6mung in den Zellen, obgleich das Stielchen oftmals wieder in bester Vegetation zu stehen scheint. In den Zellen der Bl\u00e4tter jener Jungermannien habe ich dagegen niemals diese Bewegungen beobachtet. Auch in den Zellen der Dr\u00fcsenstiele, welche auf den Bl\u00e4ttern der Drosera-Arten sitzen, bemerkt man die Rotations-Str\u00f6mung, sobald die Pflanze in recht feuchter Luft w\u00e4chst. Demnach sind\n*) Naturgeschichte der Europ\u00e4ischen Lebermoose etc. I. pag.66.","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"249\nes Structur-Verh\u00e4ltnisse, so wie der Grad der Intensit\u00e4t der Lebensth\u00e4tigkeit der Pflanze, welche es bedingen, dafs die Rotations-Str\u00f6mungen bald in den Zellen einzelner Theile, bald in den ganzen Pflanzen auftreten. Herr Treviranus hat jene Bewegungen in den Zellen der Junger-mannien noch nicht beobachtet und sucht defshalb die ganze Angabe f\u00fcr irrig zu erkl\u00e4ren, und \u00e4hnlich haben es auch noch andere Botaniker gemacht.\nDie Rotations-Str\u00f6mung ist auch bei einigen Pflanzen der unentwickeltsten Familien beobachtet; so bemerkte Gruithuisen dieses Ph\u00e4nomen bei den Closterien, wor\u00fcber ich k\u00fcrzlich * *) eine ausf\u00fchrlichere Beschreibung gegeben habe. Mir scheint es, als wenn in jedem der beiden R\u00e4nder dieser Pfl\u00e4nzchen, eine besondere, f\u00fcr sich bestehende Rotations-Str\u00f6mung stattfindet, dafs n\u00e4mlich die fortlaufenden K\u00fcgelchen an den Enden einer jeden Seite umdrehen und wieder bis zum anderen Ende zur\u00fccklaufen. Doch sieht man hier gewifs nur selten, dafs diese Str\u00f6me aus mehreren Reihen von K\u00fcgelchen bestehen, sondern gew\u00f6hnlich ist es eine einzelne Reihe von ganz einzeln verlaufenden K\u00fcgelchen, aber dicht daneben, oder dicht darunter findet eine \u00e4hnliche Str\u00f6mung nach entgegengesetzter Richtung statt. Amici***) sah die Rotation in einem gegliederten Fadenpilze, der sich in dem g\u00e4hrenden Safte des thr\u00e4-nenden Weinstockes gebildet hatte; das Ph\u00e4nomen rnufs hier nur selten auftreten, denn ich selbst habe diesen Pilz, den ich f\u00fcr eine Entwickelungsform von Mucor Mucedo halten m\u00f6chte, mehrmals beobachtet, auch das Emporsteigen der Sporenmasse in demselben bemerkt, aber niemals die vollkommene Rotations - Str\u00f6mung.\nEine grofse Anzahl von vollkommenen Pflanzen, besonders die saftigen, wozu die Gattungen Aloe, Mesembry-anthemum, Agave u. s. w. zu z\u00e4hlen sind, zeigen in ihren Parenchym-Zellen entweder keine Spur irgend einer Be-\n*) S.Wiegmanrds Archiv der Naturgeschichte v.1837. I. pag.432.\n*\u00a5) Ann, des scienc. d\u2019hist. nat. XXI. pag. 100. PI. I. f.2. AB.\n","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nwegung, oder es sind Bewegungen der Zellensaft-K\u00fcgelchen, welche mehr einer Molekular-Bewegung \u00e4hneln, als -mit den Rotations-Str\u00f6mungen in Zusammenhang zu bringen sind. Man sieht in einzelnen Zellen solcher Pflanzen einzelne kurze Str\u00f6me und unbestimmte, nach verschiedenen Seiten hin gerichtete oscillirende Bewegungen einzelner K\u00fcgelchen, aber vollst\u00e4ndige, hin und zur\u00fccklaufende Str\u00f6- ^ mungen, wie sie in anderen Pflanzen Vorkommen, habe ich darin nicht beobachtet. Dahin z\u00e4hle ich auch die Bewegungen in den Zellen im Inneren der1 K\u00fcrbifs-Pflanze, der Potamogetonen und Aloe-Arten, welche ich fr\u00fcher als Beweise f\u00fcr die Rotations-Str\u00f6mungen in den Zellen dieser Pflanzen beschrieben habe. Macht man zarte Schnitte aus dem inneren Parenchyme kr\u00e4ftig vegetirender K\u00fcrhifs-artigen Gew\u00e4chse, als den Gurken, den Springgurken, so I wie \u00fcberhaupt von saftigen h\u00f6heren Pflanzen, so wird man oftmals augenblicklichst, oftmals auch erst einige Zeit nachher in einigen Zellen unbestimmte Molekular-Bewegungen der einzelnen Zellensaft-K\u00fcgelchen bemerken; sie beginnen gew\u00f6hnlich mit einer oscillirenden Bewegung, wobei sie entweder nach irgend einer Seite der Zelle hinlaufen, oder immer auf ihrer Stelle liegen bleiben. Diese Bewegungen sind bald sehr rasch, bald sehr langsam und be- J sonders im letzteren Falle k\u00f6nnte man auf den Gedanken kommen, dafs dieselben auf physikalischem Wege, n\u00e4mlich durch das fortw\u00e4hrende Durchziehen des Wassers durch die Zellen veranlafst werde, denn durch die Vermischung i des eindringenden Wassers mit der consistenteren Fl\u00fcssigkeit des Zellensaftes, w\u00e4re allerdings die Ursache zu solchen Bewegungen gegeben. Aber aufser diesen so unbestimmten Bewegungen der K\u00fcgelchen, sieht man auch zuweilen , einzelne Zeilen, in welchen einzelne regelm\u00e4fsige Str\u00f6me von kleinen Partikelchen wenigstens durch einen Theil der Zellen verlaufen und sich alsdann wieder zertheilen und aufl\u00f6sen, kurz man sieht zuweilen auch in diesen Zellen, wenigstens eine Andeutung zu jenen Bewegungen, welche in den Haaren eben derselben Pflanzen so ausgezeichnet","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"251\nmannigfaltigauftreten. InFig. 11 Tab. VIII. sind einige Zellen aus dem Blattstiele von Caladium esculentum nach einem L\u00e4ngenschnitte dargestellt, worin die mannigfaltigsten Molekular Bewegungen zu beobachten sind. Die schmalen und langen K\u00f6rperchen, wrelche bei a, b und c im Inneren der Zellen dargestellt sind, zeigen eine langsame, aber sehr auffallende Bewegung nach den Seiten, bald nach der einen, bald nach der anderen und mitunter, was jedoch sehr selten ist, flectiren sie sich. Die kleinen runden Molek\u00fcle in d und e haben eine sehr lebhafte Molekular-Bewegung, doch bei einigen sieht man, dafs sie sich zugleich best\u00e4ndig um ihre Achse drehen, oft mit grofser Schnelligkeit und dabei auch einige fortschreitende Bewegung zeigen. Mitten unter diesen Molek\u00fclen zeigt sich in der Zelle f g ein \u00fcberaus feiner Strom, welcher von i nach h verl\u00e4uft und nun 3 \u2014 4 solcher kleinen Molek\u00fcle enth\u00e4lt, welche hier eine Zeitlang nach bestimmten Richtungen str\u00f6men. Schon diese wenigen Angaben m\u00f6chten den Schlufs erlauben, dafs zwischen der rotirenden Bewegung der Zellensaft-Kiigelchen und der Molekular-Bewegung derselben in den inneren Parenchym-Zellen eine gewisse Verwandtschaft stattfinde, d. h. dafs es Erscheinungen einer und derselben Lebens\u00e4ufserung sind, und diese Ansicht glaube ich auch durch wirkliche Beobachtungen erweisen zu k\u00f6nnen, indem man n\u00e4mlich noch in mehreren anderen F\u00e4llen, wirkliche Ueberg\u00e4nge der genannten Bewegungen in einander wahrnehmen kann. So habe ich dieses k\u00fcrzlich bei Closterium-Arten beschrieben*) und theile hier das Wesentlichste davon mit. Gruithuisen hatte schon vor vielen Jahren die Entdeckung gemacht, dafs in den Spitzen der Closterien eine Anzahl von kleinen, br\u00e4unlichen K\u00f6rperchen vorkommt, welche sich best\u00e4ndig in lebhafter tanzender Bewegung befinden. Diese K\u00f6rperchen befinden sich in kugelf\u00f6rmigen H\u00f6hlen, welche in der gallert-\nS.Ueber auffallende Bewegungen ln den verschiedenen Pflanzen* rlheiichen. Wiegmann\u2019s Archiv. 1837. Bd. I. pag. 426,","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\noder schleimartigen Masse gebildet sind, womit die H\u00f6hle der Spitzen jener Pfl\u00e4nzchen gef\u00fcllt werden. In jedem Horne der Closterien findet sich eine dieser H\u00f6hlen, und die darin enthaltenen br\u00e4unlichen K\u00f6rperchen, welche etwas elliptisch gestaltet sind, halte ich f\u00fcr Bl\u00e4schen, woraus nach Herrn Morrems Beobachtung wirkliche junge Closterien entstehen; sie finden sich best\u00e4ndig in lebhafter Mo- 1 lekular-Bewegung innerhalb jener H\u00f6hlen. Zuweilen treten einzelne jener Bl\u00e4schen aus der Umgrenzung der H\u00f6hle hinaus und dr\u00e4ngen sich entweder in die gr\u00fcnliche Masse der Pfl\u00e4nzchen hinein, oder sie laufen, den Seiten entlang, mehr oder weniger tief nach der Mitte zu; die Bewegung ist bald gleichm\u00e4fsig und schnell, bald langsam und gleichsam stofsweise, auch kehren die K\u00f6rperchen zuweilen sehr bald wieder nach den H\u00f6hlen zur\u00fcck und zeigen alsdann i wieder die lebhafte Bewegung, welche ihnen fr\u00fcher zukam. Diese Molekular-Bewegung der braunen K\u00f6rperchen in den H\u00f6hlen darf keineswegs durch Bewegung von Cilien erkl\u00e4rt werden, welche etwa die innere Wand jener H\u00f6hlen auskleiden k\u00f6nnten, denn man sieht aus einer Reihe von anderen Beobachtungen, die ich sogleich nachher auf-f\u00fchren werde, dafs auch eine solche Annahme, f\u00fcr welche aber keine Beobachtung spricht, die Erscheinung nicht er- j kl\u00e4ren kann. Ich ziehe vielmehr aus meinen Beobachtungen den Schlufs, dafs jene br\u00e4unlichen Closterien-Sporen aus der gew\u00f6hnlichen lebhaften Molekular-Bewegung in eine rein vorschreitende \u00fcbergehen k\u00f6nnen, so wie auch -aus dieser wieder zur\u00fcck in die Molekular-Bewegung, was ich auch in den Zellen einer Tradescantia habe verfolgen k\u00f6nnen.\nDie Molekular-Bewegungen in den Zellen der niederen Pflanzen sind sehr gew\u00f6hnlich, und wenn man viele dergleichen Pflanzen beobachtet, so sieht man auch hierin so grofse Verschiedenheiten, dafs man zu der Ueberzeugung gelangt, dafs die Partikelchen in den Zellen gewisser Pflanzen unter Umst\u00e4nden zu so aufserordentlich lebhaften und eigenth\u00fcmlichen Bewegungen gelangen k\u00f6nnen, wie man","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"253\nsie nur bei wirklichen Infusorien beobachtet. In den Con-ferven-Schl\u00e4uchen, welche in Fig. 3 Tab. X. abgebildet sind, waren die Bewegungen der K\u00fcgelchen in den H\u00f6hlen c und d ebenso lebhaft, als jene gleichbedeutenden in den Closterien, aber in solchen Zellen dieser Pflanzen, wie sie bei b c Fig. 5, dargestellt sind, wo schon die gr\u00fcne Masse fast g\u00e4nzlich hinausgetreten war, da konnte man Bewegungen der kleinen ungef\u00e4rbten Molek\u00fcle beobachten, welche die h\u00f6chste Bewunderung verdienten, und die Alles der Art \u00fcbertrafen, was mir bisher vorgekommen ist. Mit der gr\u00f6fsten Schnelligkeit schossen die kleinen durchsichtigen Molek\u00fcle in grofsen B\u00f6gen umher, und durch deren grofse Anzahl, welche sich unaufh\u00f6rlich durcheinander bewegten, entstand ein so lebhaftes Gewirr, dafs man lange Zeit und mit starker Vergr\u00f6fserung beobachten mufste, um nur zu erkennen, wodurch diese lebhaften Bewegungen bewirkt wurden. Hier war also keine oscillirende Bewegung, worin eigentlich die gew\u00f6hnlichen Molekular-Bewegungen bestehen, sondern es waren Bewegungen ganz eigener Art, welche man auch nicht einmal den Infusorien zuschreiben k\u00f6nnte, wenn man jene Molek\u00fcle im Inneren der Conferven-Zelle daf\u00fcr halten wollte, denn dergleichen Infusorien sind gar nicht bekannt, welche solche Bogen-f\u00f6rmige, stets zur\u00fcckkehrende Bewegungen mit der aufserordentlichsten Schnelligkeit ausf\u00fchren. Aehnliche Bewegungen durchsichtiger kugelf\u00f6rmiger Molek\u00fcle, habe ich oftmals in einzelnen Zellen fleischiger und vollkommen gesunder Pflanzen beobachtet, w\u00e4hrend in allen anstofsenden Zellen die normal gestalteten Zellensaft-K\u00fcgelchen ohne eigene Bewegung waren*); ich nannte damals diese selbst beweglichen Molek\u00fcle mit dem Namen Monaden, setzte aber auch an einem andern Orte hinzu, dafs es nicht bestimmt werden k\u00f6nnte, ob dieselben blofs umgewandelte Zellensaft-K\u00fcgelchen oder ob es wirkliche Infusorien w\u00e4ren. In faulenden Cactus- und Cucurbita-Arten, so wie in den Zellen der Spirogyren, habe ich\n*) S. Meyen. Ueber den Inhalt der Pflanzen - Zellen pag. 85,","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\nwiederholentlich die Umwandlung der gr\u00fcnen Zellensaft-K\u00fcgelchen in selbstbewegliche Molek\u00fcle verfolgen k\u00f6nnen; die Farbe dieser Zellensaft-K\u00fcgelchen schwindet zuerst, sie wird allm\u00e4lich schmutzig gelb-gr\u00fcn und endlich werden die K\u00fcgelchen wasserhell, vergr\u00f6fseren sich noch zuweilen und nehmen eine eigene Molekular-Bewegung an. Schon w\u00e4hrend dieser Umwandlung nehmen sie oftmals die Bewegung an, und man sieht auch noch vollkommen gr\u00fcne K\u00fcgelchen mit mehr oder weniger entf\u00e4rbten, und mit ganz farbelosen vermengt, sich schnell durcheinander bewegend. Man pflegte fr\u00fcher dergleichen Bewegungen mit monadenartig oder infusoriell zu bezeichnen, ohne dafs man immer daran dachte, dafs diese selbstbeweglichen Molek\u00fcle wirkliche Infusorien sind. Zwar habe ich mich zuweilen des Ausdruckes Infusorien f\u00fcr jene selbstbeweglichen Molek\u00fcle * *) bedient, doch ich habe auch an anderen Stellen bemerkt, dafs diese K\u00fcgelchen und Bl\u00e4schen der Monas Lens \u00e4hnlich oder vielleicht auch gleichartig w\u00e4ren.\nAuch Herr Valentin **) hat dergleichen Molekular-Bewegungen in den Pflanzen vielfach beobachtet; er sagt von ihnen, dafs sie eine lebhafte Bewegung in einer gewissen Peripherie ohne wahre Locomotion aufserhalb derselben h\u00e4tten, was allerdings der allgemeinste Fall ist, doch habe ich vorhin auch mehrere F\u00e4lle angef\u00fchrt, wo diese Molek\u00fcle wirkliche Ortsver\u00e4nderungen vornehmen. Fast in einer jeden Pflanze, sagt H. Valentin, sieht man K\u00fcgelchen der Art, und bei Hoya carnosa sah derselbe besonders in der zweiten, dicht unter der Epidermis liegenden Zellenschicht besonders auffallende Bewegungen der kleinen K\u00fcgelchen. Dasselbe kommt jedoch noch in Tausend anderen Pflanzen vor und es ist hiebei nur noch zu bemerken, dafs diese selbstbeweglichen Molek\u00fcle in den\nO S. z. B. Linnaea Bd. II. pag. 28.\n*0 Bericht \u00fcber die schlesische Gesellschaft f\u00fcr vaterl\u00e4ndische\nGultur im Jahre 1833.","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"255\nZellen der lebenden Pflanze nur selten aus den gr\u00fcngef\u00e4rbten Zellensaft-K\u00fcgelchen bestehen, sondern meistens sind es besondere, sehr kleine Partikelchen, oft von br\u00e4unlicher Farbe und etwas elliptischer Gestalt, \u00e4hnlich jenen selbstbeweglichen K\u00f6rperchen, von welchen wir bei den Bewegungen im Inneren der Closterien gesprochen haben, die auch sehr h\u00e4ufig bei wirklichen Conferven und anderen niederen Pflanzen zu finden sind.\nZuweilen, wie z. B. im Stengel der Piperarten, finden sich einzelne Zellen, welche sehr stark mit diesen br\u00e4unlichen, sich bewegenden K\u00fcgelchen gef\u00fcllt, w\u00e4hrend die daneben stehenden stark mit gr\u00fcngef\u00e4rbten gr\u00f6fseren Zel-lensaftk\u00fcgelchen versehen sind, und wahrscheinlich entstehen jene braune Molek\u00fcle aus zerfallenen gr\u00fcnen Zellen-saft-K\u00fcgelchen, ganz so, wie die lebhaften Molek\u00fcle in einzelnen Zellen des Marchantien-Laubes durch Zerfallen aus einem Ballen von Amylum entstehen, wor\u00fcber ich k\u00fcrzlich einige Beobachtungen bekannt gemacht habe.\nEs w\u00fcrde \u00fcber die Grenzen dieses Buches hinausgehen, wollte ich hier \u00fcber die selbstbeweglichen Molek\u00fcle in den Pflanzen specieller eingehen; es reicht vielmehr hin gezeigt zu haben, dafs eine Verwandtschaft zwischen dieser Bewegung und derjenigen bei der Rotations-Str\u00f6mung in den Zellen stattfindet, dafs Molek\u00fcle aus ihrer oscillirenden, monadenartigen Bewegung in eine rein fortschreitende \u00fcbergehen k\u00f6nnen, worin die Bewegung der K\u00fcgelchen in der Rotations-Str\u00f6mung besteht. Auch habe ich in Tradescantien-Haaren, deren Rotations-Str\u00f6mung durch zu niedrige Temperatur der Luft zum Stillstehen gebracht war, beobachtet, dafs die Molek\u00fcle ihre oscilli-rende Bewegung angenommen hatten und aus dieser in die gew\u00f6hnliche rotirende Bewegung wieder \u00fcbergingen, als die Pflanze durch h\u00f6here Temperatur wieder zur Vegetation f\u00e4hig gemacht wurde.\nAus allen diesen aufgef\u00fchrten Beobachtungen komme\n*) Wiegmann's Archiv von 1837. I. pag. 428.","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\nich zu dem Schlosse, dafs die K\u00fcgelchen und alle festen Stoffe, welche sich im Inneren der Zellen bewegen, in sich selbst die Ursache der Bewegung entwickeln k\u00f6nnen, und nicht immer durch die Bewegungen des Zellensaftes mechanisch mit fortgetrieben werden. Eine sehr grofse Anzahl von Beobachtungen haben mich erst in letzterer Zeit zu dieser Ansicht gef\u00fchrt, sie haben aber meine fr\u00fchere Erkl\u00e4rung jener Erscheinungen in den Charen, Vallisne-rien u. s. w. defshalb nicht als unrichtig nachgewiesen, sondern wir kommen dadurch nur zu dem Resultate, dafs jene Rotations-Str\u00f6mungen der K\u00fcgelchen im Zellensafte theils durch eigenth\u00fcmliche Bewegung des letzteren zu erkl\u00e4ren sind, theils durch Bewegungen, welche den festen, sich bewegenden Stoffen selbst eigenthiimlich sind.\nIndessen Herr Mayer*) zu Bonn, ein tiefblickender Gelehrte, hat jene Erkl\u00e4rung der Rotations-Str\u00f6mung schon vor langer Zeit errathen, und ich mufs defshalb die Untersuchungen desselben, worauf die Ansicht gegr\u00fcndet wurde, etwas n\u00e4her angeben. Herr Mayer beginnt die Erkl\u00e4rung der Rotations-Str\u00f6mung mit der Bemerkung, dafs diese Str\u00f6mungen und Bewegungen selbst nach dem Tode fort-dauern; oder sie \u00fcberleben gleichsam die weiche Pflanzensubstanz, welche bereits in Aufl\u00f6sung \u00fcbergegangen ist, w\u00e4hrend die Saftk\u00fcgelchen noch in gewohnter Ordnung ihre Str\u00f6mungen fortsetzen. An einer anderen Stelle heifst es, dafs die Bewegungen der K\u00fcgelchen des Pflanzensaftes freier und mannigfaltiger in abgeschnittenen St\u00fckr ken werden, weil ihnen dadurch ein freierer Spielraum zu ihren Bewegungen ertheilt ist. Dergleichen Angaben stimmen nun durchaus nicht mit denjenigen Resultaten, welche fleifsig angestellte Beobachtungen selbst solcher Botaniker geliefert haben, die ganz vertraut mit dergleichen Erscheinungen waren, was aber bei Herrn Mayer bekanntlich nicht der Fall ist. So hat derselbe jene Beobachtungen\n*) Supplemente zur Lehre vom Kreisl\u00e4ufe. Bonn 1837, pag, 49 u. s. w.","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fcber die Bewegungen, best\u00e4ndig durcheinander genommen, ob dieselben an verfaulten oder an lebenden Pflanzen angestellt worden waren, und ist gerade dadurch zu den eigenthiimlichen Ansichten \u00fcber die Bewegung und Bedeu-r tung der Zellensaft-K\u00fcgelchen gekommen; doch hat derselbe offenbar nicht mehr Pflanzentheile, sondern wirkliche Infusorien bei seinen Beobachtungen vor Augen gehabt. Herr Mayer glaubt, dafs sich diese K\u00fcgelchen aus der 1 Reihe des Ganzen trennen, dafs sie in egoistischer Selbst-heit auftreten und endlich in eigentliche Infusorien meta-morphosiren. Daher seien denn auch diese K\u00fcgelchen das eigentlich Lebendige der Pflanze; die Urwesen alles Le-j bendigen, aus welchen die organischen Wesen zusammengesetzt sein sollen. Herr Mayer nennt sie defshalb Biosph\u00e4ren, und es folgt aus jenen Angaben, dafs die Pflanze nichts Anderes als ein Thier sei; eine H\u00fclle f\u00fcr Myriaden von Thieren. \u201eDen Hamadryaden gleich bewohnen diese \u201esinnigen Monaden die geheimen Hallen der Rindenpall\u00e4-\u201este, welche wir Pflanzen nennen, und feiern hier in stil-\u201eler Zucht ihre T\u00e4nze und ihre Orgien.\u201c In solchen Be-^ trachtungen geht Herr Mayer immer weiter, um die hohe Wichtigkeit der Selbstbewegung der Zellensaft-K\u00fcgelchen darzuthun, welche er offenbar gar nicht beobachtet, sondern nur gl\u00fccklich errathen hat, denn alle die angegebe-nenBeobachtungen desselben bei Lemna polyrrhiza, Anthe-ricum rostratum, Tropaeolum majus u. s. w. sind wirklich unrichtig.\nNoch mehrere andere Gelehrte haben den Versuch , gewagt die Rotations-Str\u00f6mung in den Zellen der Pflanzen zu erkl\u00e4ren, doch eine wirkliche Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung ist noch nicht gegeben. Wir haben schon fr\u00fcher kennen gelernt, dafs Herr Amici in den gr\u00fcnen, aus K\u00fcgelchen zusammengesetzten Ueberzuge der inneren Fl\u00e4che - der Charen-Schl\u00e4uche die Ursache der Bewegung zu erkennen glaubte, und die Herren Dutrochet und Agardh wollten darin eine Nerven-Substanz wieder erkennen, welche durch unmittelbaren Einflufs auf den umspiilenden Saft\nMe y en. Pfl. Physiol, II.\tI ^","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"jene Bewegungen veranlasse. Herr De Candolle und mehrere andere Botaniker suchen die Rotations-Str\u00f6mung durch Contraction der Zellenw\u00e4nde zu erkl\u00e4ren, obgleich schon Corti sehr richtig nachgewiesen hat, dafs eine solche Contraction nicht vorhanden ist; auch k\u00f6nnte ich mir keine Vorstellung davon machen, wie die Contraction der Zellenw\u00e4nde, wenn sie wirklich vorhanden w\u00e4re, dergleichen Str\u00f6mungen hervorbringen k\u00f6nnte, als wir in den aufgef\u00fchrten F\u00e4llen kennen gelernt haben H\u00f6chst originell sind die Beobachtungen, welche Paolo Barbi\u00e9ri '\u25a0') zui Erkl\u00e4rung der Rotations-Str\u00f6mungen in den Charen angegeben hat. Nach diesen Beobachtungen sollen sich die Zellensaft-K\u00fcgelchen an der oberen Scheidewand theilen; die kleinsten sollen in die Scheidewand \u00fcbergehen und dort in den Achseln die Vegetation bef\u00f6rdern, welche der Hebel der Bewegung ist. Mit dem Sonnenmikroskope beobachtete Barbi\u00e9ri, dafs sich unter den Blattwinkeln der Charen haarf\u00f6rmige hohle R\u00f6hren befinden, deren Enden quastenf\u00f6rmig ausgebreitet sind und als Einsaugungsgef\u00e4fse dienten. Es sollen diese R\u00f6hren entweder spiralf\u00f6rmig gewunden oder straff ausgestreckt sein, je nachdem sie die umgebende Fl\u00fcssigkeit einsaugen oder dieselbe durch ihre Zusammenziehung in den Stengel entleeren. Dergleichen Sachen hat Barbi\u00e9ri noch mehrere gesehen, wovon aber den Charen nichts zukommt, denn man erkennt sogleich, dafs jene Einsaugungsgef\u00e4fse nichts weiter, als Vorticellen sind, welche zuf\u00e4llig an jenen Stellen der Charen aufsafsen, und daselbst auch von mir schon mehrmals beobachtet sind. Ich w\u00fcrde solche Beobachtungen weiter nicht angef\u00fchrt haben, f\u00e4nde man dieselben nicht schon in mehreren Lehrb\u00fcchern vorgetragen und besonders durch \u00d6ffentliche Bl\u00e4tter als wichtige Entdeckungen verbreitet.\nAuch f\u00fchre ich schliefslich noch an, dafs man versucht hat die Erscheinung der Rotations-Str\u00f6mung aus\nOsservazloni microscopiche, memoria fi.siologira botnnioa, Mantua 1828 u. 1831.","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"259\nphysikalischen Ursachen zu erkl\u00e4ren. Herr Raspail *) brachte z. B. eine \u00e4hnliche Bewegung hervor, wenn er Fetttropfen in W eingeist gofs und denselben in einer geschlossenen Glasr\u00f6hre \u00fcber einem Lichte erw\u00e4rmte; eine Flasche, wie sie zum K\u00f6lnischen Wasser benutzt wird, ist hiezu ganz anwendbar, um sich von jener Angabe zu \u00fcberzeugen, doch man wird auch finden, dafs der Unterschied zwischen diesen Bewegungen und jenen in den Zellen der Pflanzen sehr grofs ist und daher wohl gar nicht mit einander zu vergleichen ist.\nF\u00fcnftes Capitel.\nN\u00e4here Betrachtung* der assimilirten Nahrungs-stofFe 9 welche in den Zellen der Pflanzen gebildet werden.\nIn den fr\u00fcheren Abschnitten haben wir die verschiedenen Substanzen kennen gelernt, welche die Pflanzen im gel\u00f6sten Zustande als Nahrungsmittel aufnehmen, wir haben diejenigen dieser Substanzen, welche zur Ern\u00e4hrung der Pflanzen durchaus n\u00f6thig sind, und diejenigen, welche nur nebenbei in dieselben hineinkommen, zu unterscheiden gesucht, und im Verlaufe des Folgenden wird dieses \u00f6fters noch deutlicher nachgewiesen werden. Die aufgenommenen Nahrungsstoffe werden unter den Erscheinungen der Respiration innerhalb der Zellen weiter verarbeitet, und es gehen dabei, bei verschiedenen Pflanzen eine Reihe von Verbindungen hervor, welche von den Pflanzen wieder zur Bildung neuer Theile verbraucht werden.\nDie Zahl der assimilirten Nahrungsstoffe der Pflanzen ist nicht grofs, einige derselben, als Schleim und Zucker kommen fast allen Pflanzen und allen Theilen derselben zu, andere sind dagegen weniger allgemein verbreitet, als\n*) Journ. de pharmacie 1828. T.X\u00ceV. pag. 480 etc.\n17*","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\nz. B das Amylum. Einige dieser Stoffe, welche man in sehr verschiedenen Gew\u00e4chsen, durch ihr gleichm\u00e4fsiges : Auftreten wieder erkennt, zeigen dennoch in der Summe ihrer physischen und chemischen Eigenschaften einige Verschiedenheiten, und es scheint, dafs sich dergleichen wie Abarten zu den Hauptarten verhalten. So ist z. B. das Amylum eine Substanz, welche in der gr\u00f6fsten Zahl von Pflanzen anzutreffen ist, das Inulin aber, die Flechten-St\u00e4rke u. s. w. sind offenbar nichts weiter, als Abarten der wahren Starke und treten viel seltener als das Amylum auf. Herr v* Berzelius*) dem auch die Pflanzen-Physiologie die klarsten Darstellungen \u00fcber den chemischen Theil dieser Wissenschaft verdankt, meint, dafs es noch nicht m\u00f6glich gewesen ist durch Versuche mit vollkommener Gewifsheit auszumitteln, ob die ungleichen Ab- -arten eines und desselben Stoffes von der Ungleichheit in den Proportionen ihrer Elemente herr\u00e4hren, oder ob sie vielleicht von einer gr\u00f6fseren oder kleineren Menge fremder K\u00f6rper abstammen, die innig mit den gemeinschaftlichen, allen Abarten gleichen Hauptstoffe verbunden sind, wie es durch Chevreul\u2019s Versuche h\u00f6chst wahrscheinlich geworden ist.\nPflanzenschleim und Gummi.\nIm ersten Theile dieses Buches, pag. 189, habe ich schon die Bemerkung gemacht, dafs das Gummi oder der Pflanzenschleim zwar in den Zellen vorkomme, aber nie- * mais, so lange der Zellensaft nicht verdunstet ist, in Form von K\u00fcgelchen, sondern der Pflanzenschleim kommt im Zellensafte nur gel\u00f6st vor.\nDieser Pflanzenschleim, z. B. der Schleim aus der 4 Althaea-Wurzel, ist als ein aufgel\u00f6stes Gummi zu betrachten, und das Vorkommen des Gumm\u00f6s in dieser Gestalt, ist wohl ziemlich ganz allgemein in der Pflanzenwelt, wenigstens noch viel h\u00e4ufiger, als das Auftreten des Amy-lum\u2019s und eben so h\u00e4ufig als das des Zuckers.\n*) Lehrbuch der Chemie. III. 1827. p\u00abig. 215.","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"261\nDas arabische Gummi ist wohl das bekannteste von allen Gummi-Arten, und es hat auch mehrere chemische Analysen aufzuweisen. Nach Herrn v. Berzelius besteht das Gummi aus:\nKohlenstoff 42,682 = 12 Atome Sauerstoff 50,914 = 11 Wasserstoff 6,374 = 22\nworin offenbar Sauerstoff und Wasserstoff verbunden als Wasser enthalten sind.\nDie Abarten des Gummi sind im Pflanzenreiche \u00fcberaus zahlreich, ja Herr v. Berzelius*) hat sogar zwei Arten von Pflanzen-Gummi aufgestellt, wovon eine jede wiederum eine Mensre von Abarten aufzuweisen hat. Die eine dieser\nm\tO\nI Gummi-Arten wird durch das arabische Gummi repr\u00e4sen-tirt, die andere Art nennt Herr v. Berzelius Pflanzen-schleim. Dieser Pflanzenschleim findet sich ganz rein im Traganth - Gummi, wenn dasselbe mit kaltem Wasser behandelt ist; es bildet alsdann eine aufgequollene, schleimige, ungel\u00f6ste Substanz.\nDas Gummi ist im kalten und im kochenden Wasser l\u00f6slich, mit dem es eine schleimige Substanz bildet und # durch Alkohol niedergeschlagen wird. Der Pflanzenschleim ist dagegen im kalten Wasser unl\u00f6slich und gr\u00f6fstentheils auch im heifsen. Es haben nicht alle Chemiker diese spe-cifische Verschiedenheit des Gummis von dem Pflanzen-t- schleime anerkannt, sondern Viele halten den Pflanzenschleim f\u00fcr eine Abart des Gummi's, und das Traganth-Gummi, mit vielem Wasser \\ Stunde lang gekocht, soll dem arabischen Gummi v\u00f6llig \u00e4hnlich werden, was denn zu jener Ansicht \u00dc- noch mehr berechtigt.\nNach der Untersuchung von Herrmann besteht das trockene Traganth-Gummi aus\nKohlenstoff 40,50 = 10 Atome Wasserstoff 6,61 =20 und Sauerstoff 52,89 = 10\n*) 1. c. Pflanzenchemie pag. 314. 1 Auflage.","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262\nNach der Analyse von Gu\u00e9rin-Vary zeigt es 3 Atome Kohlenstoff weniger, als das arabische Gummi, daher man wohl mit Sicherheit annehmen kann, dafs sich der Pflanzen- : schleim von dem Gummi nur durch st\u00e4rkeren Wassergehalt unterscheidet.\nWirkliches Gummi, wenn auch in noch so schwachen L\u00f6sungen, kommt fast in allen Pflanzen vor, es geh\u00f6rt --hieher das Kirsch-Gummi, der Schleim der Althaea-Wur-zeln, wie \u00fcberhaupt der Malvaceen, der Schleim in den Wurzeln von Symphitum officinale u. s. w. Als Abarten des Pflanzenschleimes f\u00fchrt Herr v. Berzelius folgende auf: 4 Traganth-Gummi, Gummi von Pflaumen, Leinsaamenschieim, Quittenschleim, Salep und Ringelblumenschleim (Calendula).\nDer Schleim oder das Gummi in den Pflanzen ist ein \u00e4hnlicher Nahrungsstoff f\u00fcr dieselben, als das Amylum und 4 man kann deutlich beobachten, dafs der Bildung des Amy-lums wohl stets die Bildung des Schleimes vorangeht. In der jungen Pflanze tritt stets Schleim und Zucker zuerst auf, und in diese Stoffe wird auch das Amylum in den Cotyledonen des keimenden Saamens umgewandelt und zur Ern\u00e4hrung der jungen Pflanze verwendet.\nDie Secretion des Gummi\u2019s geschieht zwar in den Zellen, doch dieselben lagern es zuweilen auch aufserhalb j der Zellen nach bestimmten Richtungen hin ab, und auf * diese W eise erscheint das Gummi in den verschiedenartigen Gummi-Beh\u00e4ltern der Pflanzen, deren Structur wir schon im ersten Theile pag. 317 \u2014 322, keimen gelernt haben. Es entstehen diese Beh\u00e4lter aus regelm\u00e4fsig erweiterten Intercellular-G\u00e4ngen, sie sind, bei verschiedenen Pflanzen verschieden und enthalten mehr oder weniger grofse Massen von Gummi. In einigen Pflanzen h\u00e4uft sich das Gummi zu bestimmten Zeiten in den Beh\u00e4ltern einzelner Theile an, von wo aus rasche Bildungen neuer Massen vor sich gehen, wie z. B. in den inneren H\u00fcllen der Blattknospen, was so aufserordentlich sch\u00f6n an den jungen Lindenzweigen zu sehen ist; ferner h\u00e4uft sich das Gummi in den Zellen und den Gummibeh\u00e4ltern der","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"263\ninneren Rindenschichten an, sehr h\u00e4ufig besonders um diejenige Zeit, worin die Bildung der jungen Rinden und Holzschichten bevorsteht. Hier in der Rinde tritt die Absonderung des Gummi\u2019s auch sehr h\u00e4ufig krankhaft und zwar in sehr grofsen Massen auf; in solchen F\u00e4llen sammelt es sich in den Interceilular-G\u00e4ugen einzelner Stellen in so grofser Quantit\u00e4t, dafs es die Zellen auseinander treibt, die \u00e4ufseren Rindenschichten endlich zerreifst und abfliefst, wobei es sehr bald erh\u00e4rtet.\n*\tDie Massen von Gummi, welches auf diese W eise von einzelnen B\u00e4umen gebildet wird, sind au\u00dferordentlich grofs und wir sehen es auch nicht selten, dafs alte Kirschen-und Pflaumen-B\u00e4ume unserer G\u00e4rten, wenn sie von dieser\nI Krankheit einmal \u00fcberfallen werden, eine so grofse Menge von diesen assimilirten Nahrungsstoffen verlieren, dafs sie endlich abmagern und absterben. Herr De Candolle erz\u00e4hlt von einem St\u00fccke Anacardium-Gummi, welches von Anacardium occidentale, einer Terebinthacee abgesondert worden war und 7 Pfunde wog, obgleich es nur ~ von der ganzen Masse gewesen sein soll, welche durch eine einzige Spalte der Rinde jenes Baumes ausgelaufen\n*\twar. Das Auslaufen des Gummi\u2019s aus den durchbrochenen Rindenschichten l\u00e4fst sich wohl durch die grofse Verwandtschaft erkl\u00e4ren, welche dasselbe im frischen Zustande zum Wasser zeigt; es saugt dieses Letztere mit grofser Gewalt ein, quillt dadurch auf und fliefst durch die Spalten der Rinde ab. Das Traganth- Gummi, welches auf dem Ida gesammelt wird, findet sich auf dem Stengel der Astragalus-Arten besonders reich, wenn w\u00e4hrend\nt der Nacht Nebel geherrscht hat. Herr De Candolle *) erkl\u00e4rt dieses Austreten des Gummi\u2019s aus der Rinde auf eine andere Art; nach ihm steht dasselbe in einer innigen Verbindung mit dem Feuchtigkeits-Zustande der Luft. Der Holzk\u00f6rper eines Baumes soll die Feuchtigkeit der Luft st\u00e4rker einsaugen, als der Rindenk\u00f6rper, daher schwelle\n*) Pliys. v\u00e9g\u00e9t, I. png. 175.","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\ner bei feuchter Witterung st\u00e4rker an und dr\u00fccke mit aufser-ordentlicher Gewalt auf die Rinde, welche dadurch ihren Inhalt hinaus treibe. Wenn diese Erkl\u00e4rung die richtigere w\u00e4re, so m\u00fcfste auch wohl das Harz aus den Rinden der Coniferen auf diese Weise ausgetrieben werden, was doch nicht der Fall ist, \u00fcbrigens ist die Annahme, dafs der Holzk\u00f6rper der B\u00e4ume innerhalb seiner Rinde die Feuchtigkeit der Luft einsaugt, nicht nur ganz unerwiesen, sondern sogar h\u00f6chst unwahrscheinlich.\nEinige Pflanzen, besonders die succulenten, als die Cactus-Gew\u00e4chse, sind besonders reich an Gummi, welches nicht nur in allen den Zellen ihres Gewebes vorkommt, sondern auch in mehr oder weniger grofsen und zahlreichen Gummibeh\u00e4ltern. Diese grofse Masse von fl\u00fcssigem Gummi mufs dergleichen Pflanzen zu gewissen Zeiten hinreichende Nahrung geben, wenn denselben, wegen grofser Trockenheit der Luft und des Bodens, oft viele Monate hindurch keine Spur von rohem Nahrungssafte zufliefst. In den heifsen und den gr\u00f6fsten Theil des Jahres hindurch auch zugleich wasserlosen Steppen und Sandw\u00fcsten des s\u00fcdlichen Amerika\u2019s, sind diese Gew\u00e4chse oft die einzigen, welche auch w\u00e4hrend der trockenen Jahreszeit sich erhalten und ungest\u00f6rt fortgr\u00fcnen.\nEinen \u00e4hnlichen Zweck m\u00f6chte man auch den Anh\u00e4ufungen von Schleim zuschreiben, welche man so h\u00e4ufig in den H\u00fcllen der Saamen antrifft. Es giebt n\u00e4mlich sehr viele Saamen, die, wenn man sie in Wasser legt, sogleich anschwellen und ihre Oberfl\u00e4che mit einem mehr oder weniger festen und dicken Schleime bedecken. Als Beispiele nenne ich den Leinsaamen, den Saamen der Salvey-Arten, der Collomien, der Casuarinen, der Kresse, u. s. w. Es ist wohl ganz wahrscheinlich, dafs dieser Schleim, welcher als sehr leicht l\u00f6sliches Gummi in den Zellen der \u00e4ufseren H\u00fclle des Saamens abgelagert war, dafs dieser die Feuchtigkeit aus der Umgebung anzieht und bei dem Wachsen der jungen Pflanze aufgesaugt werde. Doch m\u00f6chte dieser Schleim vorz\u00fcglich eine st\u00e4rkere Anziehung","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"265\nund Anhaltung der Feuchtigkeit bezwecken. Ich werde in dieser Ansicht durch den Bau der Saamen der Casua-rinen und der Collomien best\u00e4rkt, denn bei diesen findet sich sogar eine Schicht von Zellen, deren Membranen aus Spiralfasern bestehen, und durch diese Fasern einen ganz aufserordentlichen Grad von Hygroscopicit\u00e4t zeigen, wodurch diese Saamen eine Menge von Feuchtigkeit anzie-hen, welches ohne diese Vorrichtung nicht stattfinden w\u00fcrde. Wenn man den Saamen einer Casuarine in Was-\ni\nser legt, so vergehen nur wenige Sekunden und die Schicht der spiralfaserigen Zellen hat so viel Wasser eingesaugt, dafs die ganze \u00e4ufsere Haut auseinandergesprengt wird und die einzelnen Zellen der \u00e4ufseren H\u00fclle umherliegen;\nI es sind indessen nicht nur die Spiralfasern, welche in diesem Falle das Integumentum mucosum bilden, sondern in jenen Zellen, deren W\u00e4nde durch die spiralf\u00f6rmig gewundenen Fasern gebildet werden, ist eine Menge von Schleim im getrockneten Zustande vorhanden.\nZucker.\n*\tDer Zucker tritt in den Pflanzen unter \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen wie der Pflanzenschleim auf; er wird von den Zellen gebildet und entweder in denselben aufbewahrt, oder aufserhalb nach bestimmten Richtungen hin abgela-\n+ gert, was z. B. bei den Nectarien oder Honigtr\u00e4gern der Blumen der Fall ist. Dergleichen Beh\u00e4lter im Inneren der Pflanze, wie wir sie zur Ablagerung des Gummi kennen gelernt haben, giebt es f\u00fcr den Zucker nicht. Da der\n*\tZucker im Wasser sehr leicht l\u00f6slich ist, so kommt er in der frischen Pflanze niemals in fester Form, sondern stets gel\u00f6st vor; h\u00e4uft sich der Zucker in den Zellen zarth\u00e4utiger Theile der Pflanze in grofser Menge an, so wird er nicht selten nach Aufsen hin abgelagert, und erscheint dann mehr oder weniger krystallisirt, was man z. B. auf der Oberfl\u00e4che sch\u00f6ner reifer Trauben sehen kann, so wie noch in vielen anderen F\u00e4llen.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nDer siifse Geschmack ist die cliaracteristische Eigenschaft des Zuckers, und an demselben erkennt man ihn sehr leicht; er ist eben so allgemein in der Pflanzenwelt verbreitet, als das Gummi, denn selbst in Pflanzen, welche im erwachsenen Zustande keine Spur von Zucker besitzen, da findet man denselben wenigstens in der keimenden Pflanze.\nDer Zucker zeigt ebenfalls eine Menge von Abarten, wovon mehrere sehr genau untersucht sind, da die Benutzung des Zuckers so \u00fcberaus mannigfach ist. Die vorz\u00fcglichsten Abarten des Zuckers sind: der Rohrzucker, der Syrup oder Schleimzucker, der Traubenzucker, Mannazucker u. s. w.\nDie n\u00e4here Kenntnifs der haupts\u00e4chlichsten dieser Zuckerarten ist nicht nur dem Chemiker von Wichtigkeit, sondern auch dem Physiologen, denn wir werden hiebei kennen lernen, dafs diese assimilirten Nahrungsstoffe in ihren physischen Eigenschaften sehr verschieden sein k\u00f6nnen, w\u00e4hrend die Proportionen, worin die Elementarstoffe derselben zusammengesetzt sind, bei den verschiedenen Stoffen ganz \u00fcberaus wenig verschieden sind, und es wird uns dadurch erkl\u00e4rlich werden, wie die Bildung und Umbildung einiger dieser Stoffe durch den Vegetations-Akt vor sich gehen kann.\nDie wichtigste Abart des Zuckers ist der Rohrzucker, der in vielen Pflanzen in so grofser Menge auftritt, dafs er aus demselben fabrikm\u00e4fsig im Grofsen geschieden wird und von den Menschen theils als Nahrungsmittel, theils als ein angenehm w\u00fcrzendes Mittel benutzt wird. Den meisten Zucker erhalten wir gegenw\u00e4rtig aus dem Zuckerrohr (Saccharum officinarum L.), in geringerer Menge kommt derselbe auch noch in vielen anderen Pflanzen vor, und er wird gegenw\u00e4rtig in verschiedenen Gegenden, mit mehr oder weniger Vortheil, aus dem Safte der Ahornb\u00e4ume und aus den Wurzeln der Runkelr\u00fcbe bereitet. Die Erfindung der Zuckerbereitung aus dem Zuckerrohre scheint den Chinesen anzugeh\u00f6ren, von wo aus dieselbe","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"267\nnach indien verbreitet ist. Zu den Zeiten der Griechen und R\u00f6mer kannte man diesen Zucker in Europa noch nicht, sondern das Saccharum, welches damals schon im Gebrauche war, ward in Indien aus dem Safte der Palmen bereitet.\nt\nSowohl im Zuckerrohre als in den Wurzeln der Runkelr\u00fcben, befindet sich der Zucker in den Parenchym-Zellen im gel\u00f6sten Zustande, und die schnelle Zerst\u00fccke-lung dieser Zellen, damit der darin enthaltene Zucker ohne weitere Zersetzung ausgelaugt werden kann, mufs bei der Zuckerfabrikation zuerst ausgef\u00fchrt werden, doch ist dieselbe nicht so leicht, als man gew\u00f6hnlich glaubt, \u00bb und hierin liegt ein Hauptgrund des niedrigen Ertrages, J welchen manche Methoden bei der Bereitung des Runkel-riiben-Zuckers darbieten. Die W\u00e4nde der Zellen m\u00fcssen durchaus zerrissen werden, sonst bleibt der Zucker in denselben zur\u00fcck, man mag dieselben der Maceration unterwerfen oder mit heifsen D\u00e4mpfen behandeln, wodurch, wie franz\u00f6sische Chemiker glauben, die Zellen zersprengt werden sollen, was aber nicht der Fall ist. Das Mikroskop belehrt hier ganz hinreichend; ich habe die zarth\u00e4u-* tigen Zellen aus dem Inneren der Cactus-Gew\u00e4chse und anderer Pflanzen 10, 12 und 24 Stunden lang kochen lassen, um ihre Membranen zu zerst\u00f6ren, damit die, darin enthaltenen Krystalie frei w\u00fcrden, und die Zellen blieben F dennoch unverletzt. Die Masse stand sp\u00e4ter mehrere Monate lang der Maceration ausgesetzt, und dennoch blieben die Zellen gr\u00f6fstentheils unverletzt; erst als ich die \u00fcbriggebliebenen Zellen trocknete und zerrieb, da wurden die Zellen-Membrane zerst\u00f6rt und nun liefsen sich die Kry-stalle sogleich ausschlemmen. Diese letztere Methode w\u00e4re auch bei der Bereitung des Runkelr\u00fcben-Zuckers als diejenige anzuwenden, welche den ganzen Zuckergehalt der R\u00fcben liefern w\u00fcrde, es ist jedocli bekannt, welche grofsen Schwierigkeiten sich der Ausf\u00fchrung derselben im Grofsen entgegenstellen. Durch Alkohol geschieht die Extraction des Zuckers selbst aus unverletzten Zellen vollkommener,","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"und dieses m\u00f6chte nur durch st\u00e4rkere Endosmose und Exosmose zu erkl\u00e4ren sein.\nEinige B\u00e4ume zeigen, zur Zeit des Fr\u00fchlings, in ihrem aufsteigenden Nahrungssafte ebenfalls eine so bedeutende Menge von Rohrzucker, dafs jener Saft nicht nur zur Bereitung des Zuckers, sondern auch zur Bereitung verschiedener gegohrener Getr\u00e4nke benutzt wird. Wir haben fr\u00fcher die Wege er\u00f6rtert, auf welchen jener aufsteigende Nahrungssaft emporgehoben wird; die Bildung des Zuckers erfolgt hiebei sowohl in allen Holzzellen als in den Zellen der Markstrahlen, worin Amylum abgelagert war. W\u00e4hrend des Durchgangs des rohen Nahrungssaftes durch die Spiralr\u00f6hren und durch die seitlich gelegenen Zellen wird jenes Amylum aufgel\u00f6st und in Zucker umgewandelt, und so wird dieser aufsteigende Saft immer reicher an Zucker, je h\u00f6her er hinaufsteigt. So fand schon Knight *) dafs der aufsteigende Saft im Stamme von Birken und Ahorn, dicht an der Wurzel fast geschmacklos war; er zeigte daselbst durchschnittlich nur 1,004 specifische Schwere, w\u00e4hrend dieselbe in dem Safte, der 7 Fufs hoch \u00fcber der Erde ausgezogen war, bis auf 1,008 stieg; in 12 Fufs H\u00f6he sogar 1,012 zeigte, so dafs der Saft in dieser H\u00f6he schon merklich s\u00fcfs war. Der Acer saccharinum oder Zucker-Ahorn ist in Nordamerika, seinem Vaterlande, so reich an Zucker, dafs der aufsteigende Saft desselben zur Fabrikation des Zuckers vielfach benutzt wird. Ein mittelm\u00e4fsig grofser Baum liefert in 24 Stunden ungef\u00e4hr 48 Quart Saft, der von alten B\u00e4umen siifser, als von jungen, aber auch der Menge nach geringer ist. Durchschnittlich soll daselbst der Saft an 5 Procent Zucker enthalten und das Ausfliefsen des Saftes 5\u20146 Wochen lang (?) an-halten. Die Bereitung des Zuckers aus dem Ahornsafte w\u00e4re um so vorteilhafter, wenn der Saft reicher an Zuk-ker w\u00e4re, indem dieser in dem Safte fast ganz rein, ohne\n*) On the stale in which the true sap of trus is disposited during Winter. Philos. Transact, f. 1805.","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"269\nallen Schleim und freie S\u00e4ure, nur mit einigen weinsauren und citronensauren Salzen gemischt ist. Im Friihlinge 1834 sind in Giefsen abermals neue Versuche \u00fcber den Zuckergehalt der Ahorns\u00e4fte angestellt; der Zucker-Ahorn gab nur 2,89 Proc. Zucker. Acer campestre 2,5 Proc., A. dasycarpum 1,9, A. Negundo 1,12, A. Pseudoplatanus 0,9, A. platanoides 1,1 und A. rubrum 2,5 Proc. Man fand, dafs durchschnittlich alle Ahornarten gleichviel Zucker geben, aber ungleiche Mengen Saft; der Zucker-Ahorn lieferte am wenigsten Saft (in seinem \\ aterlande scheint er sich etwas anders zu verhalten!), aber derselbe ist am zuckerreichsten. Ein Bohrloch am Stamme eines Zucker-Ahorns gab 14,12 Pfund Saft in eben derselben Zeit, in welcher eine gleichweite Oeffnung am Stamme eines Acer platanoides 29,1 Pfund Saft gab. Indessen diese Angaben k\u00f6nnen nicht als Norm betrachtet werden, denn hierin sehen wir bei Birken und selbst am Weinstocke sehr grofse Verschiedenheiten, welche sich auf die Dicke des Stammes, auf die Ueppigkeit der Vegetation u. s. w. zur\u00fcckf\u00fchren lassen. Gew\u00e4chse mit so grofsen Spiralr\u00f6hren, wie der Weinstock aufzuweisen hat, k\u00f6nnen auch in kurzer Zeit eine grofse Menge von Saft liefern.\nIm Zuckerrohr, in der Runkelr\u00fcbe, im Mays und wohl noch in sehr vielen anderen F\u00e4llen, tritt neben dem Rohrzucker noch der Syrup oder Schleimzucker auf; er ist ebenfalls sehr leicht in Wasser und in Alkohol l\u00f6slich, l\u00e4fst sich aber nicht krystallisiren wie der Rohrzucker. Dafs Rohrzucker und Schleimzucker sehr nahe verwandt sind, und wahrscheinlich nur durch ihren Wassergehalt verschieden, das ergiebt sich daraus, dafs sich Rohrzucker, bei hoher Temperatur sehr lange gekocht, in Schleimzucker umwandelt, wobei nichts weiter, als das Verdampfen des Wassers zu beobachten ist. Physiologisch m\u00fcssen wir den Schleimzucker als einen noch unvollkommen ausgebildeten Rohrzucker ansehen.\nDer Traubenzucker ist eine andere Abart des Zuckers, welche in sehr vielen Pflanzen vollkommen ge-","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nbildet, gleich dem Rohrzucker in anderen Pflanzen auf-tritt, er hat seinen Namen von den Weintrauben erhalten, -worin er in so grofser Menge enthalten ist, dafs man die Trauben zur Zuckerbereitung benutzen kann. An getrockneten Trauben und an Feigen, so wie an getrockneten Pflaumen u. s. w. erscheint der Traubenzucker als ein mehliger Ueberzug, der mehr oder weniger grofse Kry- \u00ab stalle zeigt. Der Zucker, welcher im Nectar der Pflanzen enthalten ist, scheint in allen F\u00e4llen nur Traubenzucker zu sein, wefshalb derselbe auch im Honig enthalten ist. Der Zucker ferner, welcher aus der St\u00e4rke bereitet ' wird, ist ebenfalls nur Traubenzucker, der weniger siifs ist als gew\u00f6hnlicher Zucker.\nAndere Abarten des Zuckers sind : Mannazucker, Schwammzucker und S\u00fcfsholzzucker, sowie Oelzucker und 3 Milchzucker, welcher in der thierischen Milch enthalten ist und mit dem vegetabilischen Zucker die gr\u00f6fste Verwandtschaft hat, so dafs man ihn in Traubenzucker umwandeln kann.\nMehrere Chemiker, welche diese verschiedenen Zucker-Abarten untersucht haben, sind zu der Ansicht gekommen, dafs alle die Zucker-Abarten als Zusammensetzungen von reinem Zucker und einem anderen schleimigen Stoffe an- ] zusehen w\u00e4ren. Rohrzucker und Traubenzucker sind zusammengesetzt aus:\nRohrzucker.\tTraubenzucker.\nKohlenstoff .\t44,78\t=\t12\tMaafs.\t\u2014\t37,37\t=\t12\tMaafs. f\nWasserstoff.\t6,40\t=\t22\t-\t\u2014\t6,78\t=\t28\nSauerstoff .\t48,82\t=\t11\t-\t56,51\t=\t14\nDer Mannazucker, auch Mannit genannt, ist eine andere, sehr wichtige Abart des Zuckers, welche mehr als 4 i der gew\u00f6hnlichen Manna ausmacht, und bei sehr vielen Pflanzen vorkommt. Die Manna ist eine zuckerartige Substanz, welche haupts\u00e4chlich von der Mannaaesche (Fra-xinus Ornus und F. Ornus var. rotundifolia), die h\u00e4ufig in Sicilien und Calabrien w\u00e4chst, abgesondert wird; sie fliefst nach Tenore\u2019s Mittheilungen aus der Rinde des","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Baumes in Folge k\u00fcnstlicher Einschnitte, welche 1113,11 gegen Ende des Juli macht, als ein dicker und sehr siifser Saft aus, welcher sich erh\u00e4rtet und dann in der Art auf-tritt, wie die Manna im Handel vorkommt. Die Manna aus der Mannaaesche besteht aus dem Mannazucker, etwas Rohrzucker und einem eigent\u00fcmlichen Extractivstoffe, welchem die bekannte Wirkung der Manna zukommt, und woran der Mannazucker keinen Antheil hat. Der Mannazucker besteht nach:\nDe Saussure,\tLiebig\naus Kohlenstoff\t38,53\t\u2014\t39,85\t=\t6 Atome.\nWasserstoff\t7,87\t\u2014\t7,7\t=\t14\nSauerstoff\t53,60\t\u2014\t52,5\t=\t6\nJa nach Brunner, Henry und Plissons Untersuchung enth\u00e4lt der Mannazucker sogar \u00fcber 40 Proc. Kohlenstoff und w\u00e4re also reicher an Kohlenstoff als Traubenzuckei.\nDie Absonderung der Manna, welche zwar noch nicht sehr h\u00e4ufig beobachtet ist, aber bei einigen Pflanzen in sehr grofser Menge auftritt, m\u00f6chte ich mit der Gummi-Absonderung der Kirschen, Pflaumen, Astragalen-B\u00e4umchen u. s. w. in Vergleich stellen ; so wie hier das Gummi in so aufserordentlich grofser Menge abgesondert wird, dafs es die Rinde zerreifst und ausfliefst, so wird dort der Mannazucker in Verbindung mit Rohrzucker und einem eigent\u00fcmlichen Extractivstoffe abgelagert; die Ursachen dieser Erscheinung m\u00f6chten in beiden F\u00e4llen die n\u00e4mlichen sein, n\u00e4mlich eine zu starke Absonderung dieser Stoffe im Inneren der Zellen, deren Ursachen nat\u00fcrlich sehr vielfach sein k\u00f6nnen, so dafs dieselbe bald als eine Art von Krankheit erscheint, bald aus zu starker Ern\u00e4hrung hervorgeht. Die Manna-Absonderung in den Aeschen und in vielen anderen Pflanzen ist keineswegs, als etwas Krankhaftes anzusehen, und sie wird auch nicht durch Insecten veranlafst; man hat aber wohl beobachtet, dafs \u00e4hnliche mannaartige Absonderungen oder eigentlich Ausscheidungen dieses Stoffes, auch bei anderen Pflanzen und zwar in Folge von Insekten veranlafst werden. Dieses gilt auch,","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\nnach Herrn Ehrenberg\u2019s Beobachtungen f\u00fcr die Absonderung der mannaartigen Substanz aus der Tamariske, welche . durch den Coccus manniperus veranlafst wird. Nach einigen Angaben soll auch die Aeschen-Manna durch ein Insekt, die Cicada Orni n\u00e4mlich, zum Ausflusse veranlafst werden? und es ist auch kein Grund vorhanden anzunehmen, dafs die Manna nicht auch aus den Verletzungen der Rinde das Aeschenbaumes ausfliefsen sollte, welche durch das genannte Insekt bewirkt werden, das \u00fcberaus h\u00e4ufig auf jenen B\u00e4umen vorkommt. Das Wahrscheinlichste m\u00f6chte sein, was auch Herr De Candolle annimmt, dafs die Klumpen-Manna aus den k\u00fcnstlichen Verletzungen geflossen ist, dafs dagegen die K\u00f6rner-Manna (Manna-Thr\u00e4nen etc.) durch die Verletzungen der Insekten zum Ausflufs gekommen ist. Auf den Rinden des Stammes von Pinus Strobus I kann man selbst das Harz in Form von kleinen Tr\u00f6pfchen ausfliefsen sehen, wenn der Stamm von Coccus-Arten bedeckt ist. De la Hire hat auch unter Pomeranzen-B\u00e4umen eine Art von Manna gefunden, welche von den Bl\u00e4ttern abgesondert war, und Rendaume erz\u00e4hlt, dafs auch die Nufsb\u00e4ume bisweilen eine Art von Manna von sich geben, aber auch davon sterben, wenn diese Absonderung zu stark geht. Die Manna der Weiden fand man dem cala- 1 brischen Manna sehr \u00e4hnlich, ja sie sollen noch mehr liefern als manche Aeschenb\u00e4ume. Bei allen diesen B\u00e4umen pflegt die Manna-Absonderung bei starker und lange anhaltender Hitze einzutreten und so lange zu dauern, bis h\u00e4ufige Regen fallen *).\nJedenfalls ist der Mannazucker dem Rohrzucker sehr nahe verwandt, und Herr Mitscherlich hat sogar gefunden, dafs die mannaartige Substanz, welche eine Abart der Tamarix \u201e gallica var. mannifera Ehrenb. am Sinai liefert, keinen Mannazucker enth\u00e4lt, sondern sich ganz wie Schleimzucker**) verh\u00e4lt.\n*) S. Da Hamel 1. c. I. pag. 158.\n\u00a5\u00a5) Nicht wie gemeiner Zucker, welcher in De Candolle\u2019s Phys. etc. zuerst angegeben und in mehrere B\u00fccher \u00fcbergegangen ist.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"273\nSt\u00e4rke oder Amylum.\nUeber die Form und die Struktur der Amylum-K\u00fcgelchen ist bereits im ersten Theile pag. 190\u2014200 ausf\u00fchrlich gesprochen worden. Das Amylum kommt in allen vollkommeneren Pflanzen vor, und selbst in sehr vielen niederen aus der Abtheilung der Acotyledonen. Bei den Farm z. B. tritt das Amylum im Marke des Stammes in sehr grofser Menge auf, so dafs man aus demselben Brod bereiten kann. In den Zellen des Thallus der Marchan-tien tritt das Amylum ebenfalls sehr h\u00e4ufig auf, und die Saamen der Charen sind damit auf eine h\u00f6chst auffallende Weise gef\u00fcllt. Einige Charen-Arten entwickeln in ihren Knoten sternf\u00f6rmige, h\u00f6chst eigent\u00fcmliche, den Gemmen zu vergleichende Gebilde, welche wir im n\u00e4chsten Buche genauer kennen lernen werden, die ganz mit Amylum gef\u00fcllt sind, welches zur Ern\u00e4hrung der auswachsenden Schl\u00e4uche verbraucht wird. Ja selbst im Inneren der gr\u00fcngef\u00e4rbten Zellensaft-K\u00fcgelchen, welche die innere Fl\u00e4che der Charen-Schl\u00e4uche bekleiden, treten in gewissen Zeitperioden mehr oder weniger grofse und regelm\u00e4fsig gestaltete Amy-lum-K\u00fcgelchen auf; in den jungen Aesten findet sich noch keine Spur von Amylum, wohl aber in den Schl\u00e4uchen des alten Charen-Stengels, wenn sich aus seinem Knoten neue Aestchen entwickeln. Wenn das Amylum in diesen gr\u00fcngef\u00e4rbten Zellensaft-K\u00fcgelchen auftritt, so scheint die schleimige, halbfeste Substanz derselben darin umgewandelt zu werden, aber es bleibt noch immer eine gr\u00fcngef\u00e4rbte Masse zur\u00fcck, welche die Amylum-K\u00f6rnchen umschliefst und immer mehr verschwindet, je gr\u00f6fser dieselben werden, so dafs es fast scheint, als wenn hier auch das Chlorophyll in Amylum zur\u00fcckgebildet wird. Die Bildung des Chlorophylls aus Amylum habe ich schon im ersten Theile pag. 193, so wie in meinen fr\u00fcheren Schriften gelehrt und jetzt lernen wir auch die R\u00fcckbildung des Chlorophylls in Amylum kennen. Das Auftreten einzelner Amylum-K\u00fcgelchen in den Schl\u00e4uchen einiger Conferven\nMe yen. Pfl. Piiysiol. II.\t18","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\nzur Zeit der Fruchtbildung werden wir ebenfalls im n\u00e4chsten Buche kennen lernen, worin von der Fortpflanzung : die Rede sein wird. Auch in den Flechten und in den Tangen tritt St\u00e4rke auf, doch ist dieses eine Abart der gew\u00f6hnlichen St\u00e4rke, von welcher erst sp\u00e4ter die Rede sein wird. Das Amylum befindet sich stets in den Zellen der Pflanzen abgelagert, und m\u00f6chte mit dem Fette der * Thiere am richtigsten zu vergleichen sein, was auch schon von den \u00e4ltesten Naturforschern angegeben wurde ; es wird, wie jede andere Reservenahrung in den Pflanzen und Thie-ren zu gewissen Perioden wieder aufgezehrt und zur Bildung neuer Stoffe verbraucht. Das Amylum ist sogar in einzelnen, sehr beschr\u00e4nkten Stellen des Pflanzengewebes vorkommend, wenn von diesen aus zu gewissen Zeiten grofse Organe entwickelt werden m\u00fcssen, wozu alsdann -das abgelagerte Amylum den Bildungsstoff darreicht. Dieses ist z. B. in dem fleischigen Bliithenboden vieler Pflanzen der Fall, so wie im Marke der Monocotyledonen, haupts\u00e4chlich der Palmen, so wie auch im Holzk\u00f6rper der Dicotyledonen, wo das Amylum die Zellen der Markstrahlen und die Holzzellen der inneren Holzschichten in grofser Menge erf\u00fcllt. Auch die \u00e4ufsersten Zellenschichten des Markes der B\u00e4ume haben nicht selten grofse Mas- 1 sen von Amylum, welche im Verlaufe des Sommers gebildet und f\u00fcr das kommende Fr\u00fchjahr aufgespeichert werden, und \u00fcberaus grofs ist die Anh\u00e4ufung des Amy-lum\u2019s in den Zellen des Markes und des Holzes, aus 4 welchem sich unmittelbar die jungen Knospen hervorbilden. Ebenso verh\u00e4lt es sich mit dem Amylum, welches in den Wurzelknollen und in den Cotyledonen der Saa-men abgelagert ist; je gr\u00f6fser die junge Pflanze wird, welche 4 aus diesen Theilen herausw\u00e4chst, um so mehr verschwindet das Amylum in denselben, und um die Zeit der Bliithe der Kartoffeln oder der Vicebohne, pflegt man gew\u00f6hnlich keine Spur von Amylum in der alten Knolle oder in den alten Cotyledonen der Bohne zu finden.\nIn den Bl\u00e4ttern verschiedener Pflanzen, sowohl der","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"275\nWasserpflanzen, z. B. bei Vallisneria und Zanichellia, als der Landpflanzen, wie bei Tradescantia und \u00e4hnlichen Gattungen, habe ich das Auftreten des Amylum's als eine ganz gew\u00f6hnliche Erscheinung beobachtet, und diese Amy-lum-K\u00f6rner werden auf ihrer Oberfl\u00e4che in Chlorophyll verwandelt', wenn sie mehr oder weniger dicht der Oberfl\u00e4che der Bl\u00e4tter liegen und dem Einfl\u00fcsse des Lichtes ausgesetzt werden. Herr Mold *) hat neuerlichst \u00fcber 5 diesen Gegenstand eine specielle Arbeit publicirt, worin er den Zusammenhang in der Bildung des Chlorophyll's und der Amylum-K\u00f6rner nachzuweisen sucht, indem er bei mehreren Pflanzen beobachtet hat, dafs sich in den, | durch Chlorophyll gef\u00e4rbten Zellensaft-Kiigelchen Amylum-K\u00f6rner als Kern zeigen. Herr Mold giebt eine ganze Menge von Pflanzen an, bei welchen er mehr oder weniger grofse Amylum-K\u00f6rner in den durch Chlorophyll gef\u00e4rbten Zellensaft-Kiigelchen (Chlorophyll-K\u00f6rner von H. M. genannt) beobachtet hat, doch ich mufs gestehen, dafs ich diese Angaben eigentlich nur in sehr wenigen F\u00e4llen best\u00e4tigt gefunden habe. So sagt Herr Mold, dafs er \u00fc solche, mit einem Amylum-Kern versehene Chlorophyll-K\u00f6rner in den Hautdr\u00fcsenzellen aller Pflanzen gefunden habe, welche er in dieser Beziehung untersuchte, und dennoch gelingt es mir nur in wenigen F\u00e4llen die blaue h F\u00e4rbung jener K\u00fcgelchen durch Jodine hervorzurufen, ja in diesem Augenblicke, dafs ich dieses schreibe, habe ich die Epidermis von ausgewachsenen Haferbl\u00e4ttern, von den Bl\u00e4ttern der Tulpe und von Bryophyllum calycinum unter + dem Mikroskope, und der Inhalt ihrer Hautdr\u00fcsenzellen ist durch Jodine vollst\u00e4ndig gelblich-braun bis tief-braun gef\u00e4rbt. Wohl aber fand ich jene grofsen und ungef\u00e4rbten K\u00fcgelchen in den Hautdr\u00fcsen-Zellen der Agave, welche im ersten Theile in d, d Fig. 3 Tab. V. abgebildet sind, ganz vollst\u00e4ndig aus Amylum bestehend. Aehnliche Chlorophyll-K\u00f6rner\n*) Untersuchungen \u00fcber die anatomischen Verh\u00e4ltnisse des Chlorophylls. T\u00fcbingen 1837.\n18 *","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nmit einzelnen Amylum- K\u00f6rnern beobachtete Herr Mohl auch in der Epidermis von Aspidium exaltatum und Calla aethiopica; im Diachym der Bl\u00e4tter von Abies pectinata^ Pinus alba, Camellia japonica, Iris fimbriata und Orontium japonicum, und Chlorophyll-K\u00f6rner mit mehreren Amylum-K\u00f6rnern sah er in den Bl\u00e4ttern von Sempervivum tecto-rum, in den Markzellen von Stapelia maculosa, und in dem Blattstiele von Pothos lanceolata. Aber auch in diesen F\u00e4llen ist das Vorkommen von wirklichen Amylum-K\u00fcgelchen, welche sich durch Jodine vollkommen blau f\u00e4rben, nur \u00e4ufserst selten. Ja Herr Mohl glaubt, man d\u00fcrfe annehmen, dafs jene feinen schwarzen P\u00fcnktchen, welche man bei sehr starken Vergr\u00f6fserungen *) in den durch Chlorophyll gef\u00e4rbten Zellensaft-K\u00fcgelchen beobachtet, gleichfalls aus .Amylum bestehen, worin ich aber nicht beistimmen kann, denn es l\u00e4fst sich auf keine Weise wahrscheinlich machen, dafs jene P\u00fcnktchen aus Amylum bestehen. Ueberhaupt erkl\u00e4re ich das Auftreten von Amylum-K\u00f6rnern im Inneren der durch Chlorophyll gef\u00e4rbten Zellensaft-Kiigelchen nach meinen, \u00fcber diesen Gegenstand sehr h\u00e4ufig angestellten Beobachtungen, als \u00fcberaus seltene F\u00e4lle, doch kommt es allerdings sowohl bei Land- als Wasserpflanzen vor. Die Umbildung des Amylum's in Chlorophyll bei der Vallisneria habe ich schon vorhin angegeben; sie ist bei Zanichellia, Najas, Ceratophyllum und Myriophyllum sehr leicht zu verfolgen. Die Umbildung einiger, durch Chlorophyll gef\u00e4rbten Zellensaft-Kiigelchen (welche nicht aus Amylum bestanden) in Amylum, habe ich in den Bl\u00e4ttern der Vallisneria zur Bl\u00fcthenzeit genau verfolgen k\u00f6nnen. In diesen kreisenden K\u00f6rperchen einzelner Zellen (!) tritt zuerst ein einzelnes, mehr oder weniger rundes Amylum-K\u00fcgelchen auf, in anderen sind es 2, 3 und selbst 4 von verschiedener Gr\u00f6fse, welche aber s\u00e4mmtlich noch durch eine ziemlich weiche, mit Chlorophyll gef\u00e4rbte Masse gemeinschaftlich umschlossen sind, wie es die Ab-\n\u00a5) S. pag. 282 im ersten Theile,","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"bildung derselben in Fig. 10 Tab. IX. zeigt. Aber auch bei dieser Pflanze ist die Bildung des Amylum in jene Zellensaft-K\u00fcgelchen nur sehr selten, und ich habe sie bis jetzt nur bei bl\u00fchenden Individuen gefunden, welche offenbar diesen N\u00e4hrstoff f\u00fcr die Ausbildung der Saamen bereiten. Das Auftreten des Amylums in den Zellen der Bl\u00e4tter ist aber keineswegs h\u00e4ufig, obgleich in denselben die Substanz f\u00fcr den herabsteigenden Bildungssaft gebildet wird und, wie ich glaube, so ist dieses auch erkl\u00e4rlich, denn Gummi oder Schleim, so wie Zucker und selbst die Substanz, welche dem Chlorophyll zum Substrate dient, werden gleichfalls als assimilirte Nahrungsstoffe zur Bildung neuer Theile des Ger\u00fcstes der Pflanzen verbraucht, und diese sind es, welche, bald in mehr, bald in weniger grofsen Massen in den Zellen der Bl\u00e4tter zubereitet werden und dann durch die inneren Schichten der Rinde zum Stamme u. s. w. wieder herabgef\u00fchrt, dort verbraucht oder modificirt und aufgespeichert werden.\nAmylum-haltige Saamen, Knollen und Wurzeln enthalten immer mehr Amylum, je mehr sie sich der Reife n\u00e4heren, und die Menge desselben schwindet wiederum darin, je mehr sie sich der neuen Vegetations-Periode n\u00e4heren und endlich von Neuem keimen. Bei den Kartoffeln, welche im Haushalte der Menschen eine so wichtige Rolle spielen, hat man diese Zunahme und Abnahme des Amylum\u2019s sehr genau untersucht. Es geben die Kartoffeln im Monat August, wenn sie noch lange nicht reif sind, in 100 Pfund nur ungef\u00e4hr 10 Pfund Amylum, dagegen im September schon 144, im October 14-J und im November sogar 17 Pfund. In dieser letzteren Menge erh\u00e4lt sich die St\u00e4rke in den Kartoffeln vom November bis zum M\u00e4rz, wenn das Leben in denselben wieder erwacht und Keime zu treiben beginnt. Im April haben die Kartoffeln nur noch 13f Pfund Amylum und im Mai nur noch 10 Pfund *).\nDiese Zunahme und Abnahme des Amylum\u2019s in ver-\n*) S. De Candolle\u2019s Phys, v\u00e9g\u00e9t. I. pag. 181.","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nschiedenen Zeiten ist bei den Saamen, den Wurzeln und selbst in den St\u00e4mmen der B\u00e4ume ganz allgemein, doch hat man die quantitativen Verh\u00e4ltnisse nur in wenigen f F\u00e4llen untersucht. Das Rhizom der Typha hat nach Lecoq's *) Untersuchungen im December 0,125 Theile Amylum, im April dagegen nur 0,108 Theile.\nDas Amylum, welches in den Wurzeln der B\u00e4ume, in den Zellen des Holzk\u00f6rpers und zuweilen selbst in den innersten Schichten der Rinde w\u00e4hrend des Winters aufgespeichert liegt, wird zur Zeit des Fr\u00fchlinges mit dem aufsteigenden rohen Nahrungssafte aufgel\u00f6st und zu den verschiedenen Bildungen verbraucht. Hierdurch sind Knight\u2019s Versuche zu erkl\u00e4ren, nach welchen die specifische Schwere des Holzsaftes zunahm, je h\u00f6her derselbe aus dem Stamme gezogen wurde.\nNeuerlichst hat Herr Hartig **) die Ansicht aufge- ~ stellt, dafs der neue Jahresring des Holzk\u00f6rpers, wenigstens in Beziehung auf die Menge der constituirenden Organe, schon vor der v\u00f6lligen Entwickelung der Bl\u00e4tter gebildet sei, und dafs diese ganze Bildung allein aus dem aufgel\u00f6sten Amylum des Holzes hervorgehe. Indessen jede wirkliche Untersuchung dieses Gegenstandes zeigt wohl, dafs die Bildung des jungen Holzringes erst nach der Entwickelung der Bl\u00e4tter erfolgt, und dafs der gr\u00f6fste Theil ! des Amylums, welches in den Zellen des Markes, der Markstrahlen, des Holzk\u00f6rpers und in den Rindenzellen befindlich war, zur Bildung der jungen Bl\u00e4tter verbraucht wird; der \u00fcbriggebliebene Theil des Amylums wird mit * dem aufsteigenden Safte nach den Bl\u00e4ttern gef\u00fchrt, daselbst weiter verarbeitet und dann als Bildungssaft in den innersten Schichten der Rinde zur Bildung der neuen Rinden und Holzschicht herabgef\u00fchrt.\nF\u00fcr diese Ausbildung der jungen Bl\u00e4tter aus den\n*) Journal de Pharmac. de 1828 pag. 222.\nUeber das St\u00e4rkemehl etc. In Erdmann\u2019s und Schweigger-Seidel\u2019s Journal v. 1835 Nro. 12.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"279\nreservirten Nahrungsstoffen lassen sich sogar einige Beobachtungen anf\u00fchren, welche man allj\u00e4hrlich wiederholen kann, und worauf auch schon Herr De Candolle aufmerksam gemacht hat. Es kommt n\u00e4mlich gar nicht selten vor, dafs B\u00e4ume, welche im Fr\u00fchlinge gepflanzt sind, ihre f Knospen entfalten und bald nachher absterben, wenn sie keine Wurzeln getrieben haben; in diesen F\u00e4llen ist es ganz klar, dafs die Entwickelung der Bl\u00e4tter aus der Masse der reservirten Nahrung, n\u00e4mlich aus dem abgelagerten * Amylum erfolgt ist, welches unter diesen Verh\u00e4ltnissen endlich ganz schwindet. Schon Mustel *) hat durch Versuche erwiesen, dafs B\u00e4ume, welche in einem guten Boden gewachsen waren, und sp\u00e4ter in einen schlechteren gepflanzt j wurden, in diesem letzteren zwar wuchsen, indessen sehr leidend aussahen und an ihrem Gewicht sogar verloren, indem die, in dem Holze ihrer St\u00e4mme aufbewahrte Reserve-Nahrung zur Bildung des neuen Laubes verbraucht wurde, und keine neue Ablagerung in hinreichender Menge stattfinden konnte. Wurden solche B\u00e4ume wieder in guten Boden gepflanzt, so wurde ihr Gewicht im n\u00e4chsten Jahre wieder sehr bedeutend vermehrt. Aehnlich verh\u00e4lt i es sich mit Zwiebeln, welche man in freier Luft wachsen l\u00e4fst, ohne ihnen eine andere Nahrung zukommen zu lassen, als die durch den Athmungsprozefs und durch die Feuchtigkeit der Luft. Wenn solche Zwiebeln aber auch zur Bl\u00fcthe gebracht werden, so findet man ihre Reserve-Nahrung vollkommen aufgezehrt und die Vegetation der Pflanze ist so ersch\u00f6pft, dafs sich die Zwiebel nicht mehr erholt, sondern abstirbt. Selbst dergleichen Blumenzwiebeln, welche man in blofsem Wasser Wachsen l\u00e4fst, werden dadurch so geschw\u00e4cht, dafs sie im n\u00e4chsten Jahre, selbst wenn man sie wieder in Erde setzt, schwerlich zur Bl\u00fcthe kommen.\nAuch das Amylum zeigt bei verschiedenen Pflanzen einige Abarten, dieselben sind jedoch einmal nicht so-\n*) Trait\u00e9 de la v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 181.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nzahlreich, als die Abarten des Gummi und des Zuckers, sie sind aber eben so auffallend verschieden, als die vorhergehenden. Die gew\u00f6hnliche St\u00e4rke, welche aus den -Kartoffeln, aus den Getreide-Arten u. s. w. bereitet wird, ist im nat\u00fcrlichen Zustande, wobei die einzelnen K\u00fcgelchen nicht zerquetscht sind, in kaltem Wasser unaufl\u00f6slich, wenn man dieselben aber zerreibt, so dafs die \u00e4ufseren Schichten zerrissen werden, so wird eine Menge von der * im Inneren der K\u00fcgelchen enthaltenen Substanz aufgel\u00f6st und zwar um so mehr, je l\u00e4nger man das Reiben fortsetzt. Ueber diesen Gegenstand herrschen die verschiedensten Angaben in den chemischen Lehrb\u00fcchern, indessen wenn man frische, so eben bereitete St\u00e4rke zu den Versuchen anwendet, welche noch nicht durch die W\u00e4rme beim Trockenen ver\u00e4ndert ist, so wird man sich mit H\u00fclfe des Mikroskopes \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dafs ein Theil aus 3 dem Inneren der Amylum-K\u00fcgelchen selbst im kalten Wasser l\u00f6slich ist. Filtnrt man die erhaltene L\u00f6sung und setzt Jodl\u00f6sung hinzu, so wird der darin gel\u00f6ste Stoff des Amylum\u2019s nicht blau, sondern gelblich braun gef\u00e4rbt, w\u00e4hrend das ungel\u00f6ste Amylum die bekannte blaue Farbe annimmt. Hieraus folgt schon, dafs in jedem Amylum-K\u00fcgelchen zwei chemisch verschiedene Stoffe enthalten sind, was auch die Herren Biot und Persoz *) durch Polarisations- j Versuche erwiesen haben. Das Amylum ist indessen ein sehr empfindlicher K\u00f6rper, welcher schon bei geringen W\u00e4rmegraden umgewandelt wird; so haben die Versuche von Gu\u00e9rin gezeigt, dafs die im kalten Wasser l\u00f6sliche * Substanz der Amylum-Kiigelchen, nachdem sie abgedampft und wieder in Wasser gelegt wird, nur noch 28,41 pro Cent L\u00f6sliches enth\u00e4lt; w\u00e4hrend das frische Amylum 41,3 pro Cent L\u00f6sliches enthielt.\nDas Amylum in Form von K\u00fcgelchen, wie es in den Zellen der Pflanzen vorkommt, kann man als ziemlich rein\n*) Sur l\u2019application de la polarisation circulaire \u00e0 l\u2019analyse de la v\u00e9get. des Gramin\u00e9es. \u2014 Nouv. Ann. du Mus. T. III. 1834.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"281\nansehen; die Chemiker wollen darin nur 99^ pro Cent als reines Amidon nachweisen und von dem noch fehlenden halben pro Cent sollen die \u00e4ufseren H\u00fcllen und ^ das Gewicht von einem eigenthiimilchen Oele ergeben. Andere Chemiker sind der Meinung, dafs das Amylum eine ganz einfache Substanz sei, und das darin enthaltene, im kalten Wasser L\u00f6sliche, sei schon ein umgewandeltes Amylum; diese Erkl\u00e4rung m\u00f6chte jedoch wohl nur eine blofse Annahme sein, denn die frische St\u00e4rke der Kartoffeln im Monat November ist wohl noch unver\u00e4ndert in der Knolle, und dennoch fand ich, dafs sich ein Theil derselben im kalten Wasser aufl\u00f6ste. Die Unrichtigkeit der Ansichten, welche Raspail \u00fcber das Amylum verbreitet hat, habe ich im Jahre 1828 zuerst nachgewiesen, und die Versuche des Herrn Payen haben meine Beobachtungen best\u00e4tigt ; so so viel ist aber gewifs, dafs die Coh\u00e4renz der \u00e4ufseren Schichten der Amylum-K\u00f6rner bedeutender ist, als die der inneren, und ebenso, dafs die inneren Schichten hygroskopischer sind als die \u00e4ufseren.\nDie neuesten Analysen geben f\u00fcr die Zusammensetzung des wasserfreien St\u00e4rke:\nKohlenstoff 44,00 = 12 Maafs Wasserstoff 6,64 = 20 Sauerstoff 44,33 = 10\nDas Auftreten des Amylums im Milchs\u00e4fte einiger Pflanzen ist eine ganz eigenth\u00fcmliche Erscheinung, welche wir sp\u00e4ter, bei der Betrachtung des Milchsaftes der Pflanzen kennen lernen werden. Hier bemerke ich nur noch, dafs jenes Amylum, welches im Milchs\u00e4fte der Euphorbien in Form von St\u00e4bchen auftritt, zuweilen auf eine eigenth\u00fcmliche Weise ver\u00e4ndert wird, indem es bei vollst\u00e4ndiger Beibehaltung seiner Form dennoch durch Jodine gelbbr\u00e4unlich gef\u00e4rbt wird.\nDas Jnulin ist eine Abart der St\u00e4rke, welche zuerst von Valentin Rose in der Wurzel von Inula Helenium entdeckt wurde; sp\u00e4ter fand man diese Substanz auch in anderen Pflanzen, haupts\u00e4chlich in den Georginen-Knollen","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nund nannte sie Dahlin u. s. w. Auch in den Zwiebeln des Colchicum autumnale, im Hanf, im Lichen fraxineus und vorz\u00fcglich in den Knollen des Helianthus tuberosus ist das Jnulin beobachtet worden. Herr Raspail f\u00fchrt eine Beobachtung an, welche vollkommen best\u00e4tigen m\u00f6chte, dafs das Jnulin nichts weiter, als ein noch unvollkommen ausgebildetes Amylum ist, und sich zu diesem etwa ebenso verh\u00e4lt, wie Schleimzucker zum Rohrzucker. Die Wurzel- < knollen des Helianthus tuberosus, welche auf den Antillen gezogen waren, sollen wirkliches Amylum geliefert haben, w\u00e4hrend die Wurzeln, welche hier in dem k\u00e4lteren Frankreich wuchsen, nun Jnulin geben. In den Wurzeln des ^ Anacyclus Pyrethrum soll das Jnulin bis zu 57 pro Cent Vorkommen.\nDas Jnulin ist nach Herrn v. Berzelius *) weifs, pulverf\u00f6rmig und \u00e4ufsert fein. Es wird in sehr geringer % Menge von kaltem Wasser aufgel\u00f6st (100Theilenur2Theile), in kochendem dagegen in Menge; die Aufl\u00f6sung ist schleimig, aber nicht kleisterartig wie die des Amylum\u2019s, und Jodine f\u00e4rbt das Jnulin gelb. Man bereitet das Jnulin indem man die Wurzeln der Inula Helenium oder die Knollen der Georginen u. s. w. zerreibt, dann mit Wasser stark auskocht und die Aufl\u00f6sung kochend lieifs durch Leinen filte-rirt, oder auch noch durch Eiweifs kl\u00e4rt. Dann wird die j Fl\u00fcssigkeit abgedampft, bis sie auf der Oberfl\u00e4che eine Haut zeigt, und beim Erkalten setzt sich das Jnulin in Pulverform ab. Die Georginen-Wurzeln enthalten 10 und die Erd\u00e4pfel 3 pro Cent dieses Stoffes.\nNeuerlichst hat Herr Marquart **) versucht das Jnulin noch auf anderem Wege darzustellen. Es gelang ihm auch, aus den verdickten Wurzeln der Georgina variabilis auf dem Wege der St\u00e4rkemehl-Bereitung eine milchige Fl\u00fcssigkeit abzuscheiden, welche unter starker Vergr\u00f6fserung\n*) Pflanzen - Chemie pag. 309.\nBericht \u00fcber die Fortschritte der Phytochemie im J. 1835. \u2014 Wiegmann\u2019s Archiv etc. 1836. II. pag. 135.*","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"283\neine sehr grofse Menge von kleinen K\u00fcgelchen enthielt, die durchsichtig und vollkommen rund waren, aber durch Jodine nicht blau gef\u00e4rbt wurden. Durch Gefrieren der Fl\u00fcssigkeit gelang es eine Trennung der K\u00fcgelchen zu bewirken, und sie f\u00fcr sich allein darzustellen.\nNach meinen eigenen Untersuchungen, welche ich umst\u00e4ndlich mit Georginen-Knollen angestellt habe, kommt das Jriulin im frischen Zustande der Pflanzen nur gel\u00f6st im Zellensafte vor, kann aber durch Gefrieren solcher Pflanzen-Theile, welche Jnulin enthalten, in Kiigelchen-Forrn ausgeschieden werden. Einmal ausgeschieden ist das Jnulin im kalten Wasser nur schwer l\u00f6slich, und daher bleibt es in den Zellen der aufgethaueten Pflanze zur\u00fcck, in welchem Zustande es sogar in Alkohol aufbewahrt werden kann. Dieses durch Gefrieren im Inneren der Zellen ausgeschiedene Jnulin zeigt sich in seinem Auftreten sehr \u00e4hnlich dem Ainylum; bald zeigt es mehr oder weniger regel-m\u00e4fsige K\u00fcgelchen, welche sich oft zu 2 und zu 3 aneinander lagern, ganz wie es auch bei dem Amylum beobachtet wird. Oft sind die Jnulin-K\u00fcgelchen traubenf\u00f6rmig aneinander gereiht, oft grofseBallen bildend und sehr h\u00e4ufig auch in mehr oder weniger unregelm\u00e4fsigen kantigen St\u00fcckchen vorkommend. Es erscheint dieses Jnulin halbdurchsichtig, ganz wie frisches Amylum, nur von einer Zusammensetzung der Jnulin-K\u00f6rperchen aus concentrischen Schichten wie es die Amylum-K\u00f6rperehen zeigen, ist nichts zu sehen. In den Georginen-Knollen ist das Jnulin vorz\u00fcglich in den \u00e4ufseren Zellenschichten abgelagert, die Inneren enthalten davon nur wenig; in der frischen, lebenden Pflanze befindet es sich jedoch nicht in K\u00fcgelchen-Form, wovon man sich am leichtesten \u00fcberzeugen kann, wenn man die Georginen-Knollen vor und nach dem Gefrieren untersucht. Auch kann man den Saft, welcher aus den zerriebenen Georginen-Knollen zur Bereitung des Jnulins erhalten wird, selbst durch Papier filtriren und durch Ei-weifs kl\u00e4ren, so dafs derselbe ganz ohne K\u00fcgelchen ist und dennoch setzt sich nach dem Abdampfen und nach","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\ndem Gefrieren das Jnulin ab. Jenes Jnulin, welches man durch Kochen und Abdampfen der Fl\u00fcssigkeit bereitet, ist viel feink\u00f6rniger, als dasjenige, welches durch Gefrieren -dargestellt wird.\nIn den Zellen der frischen Georginen-Wurzel findet man allerdings hie und da einige wenige, oft nur 3 \u2014 4 \u00e4ufserst kleine K\u00fcgelchen, oft auch noch mehr, und diese _ K\u00fcgelchen zeigen nicht selten eine Molekular-Bewegung, doch sie bestehen nicht aus Jnulin, indem dieses, wenn es durch Frost ausgeschieden ist und neben jenen K\u00fcgelchen liegt, eine ganz andere Strahlenbrechung zeigt. Diese kleinen K\u00fcgelchen, welche selbst bei 300maliger Vergr\u00f6-fserung wie kleine Molek\u00fcle erscheinen, kommen auch in den Zellen vieler anderen Pflanzen vor, und es scheint mir, als wenn sie aus Pflanzenleim bestehen, doch m\u00f6chte es nicht leicht sein \u00fcber die chemische Natur dieser klei- J nen K\u00fcgelchen mit Bestimmtheit zu entscheiden. Wenn man die Georginen-Knollen zerreibt und den ausgeprefs-ten Salt dem Gefrieren aussetzt, so werden mit den Jnulin-Kiigelchen auch jene kleinen Zellensaft-K\u00fcgelchen ausgeschieden, so wie auch eine Menge von Oel damit zur\u00fcckgehalten wird, so dafs das dadurch erhaltene Jnulin durchaus unrein ist. Wenn man aber die Fl\u00fcssigkeit zuerst aufkocht, so gerinnt das darin enthaltene Eiweifs und ! nimmt die kleinen Zellensaft-K\u00fcgelchen so wie das Oel mit fort, so dafs die Fl\u00fcssigkeit meistens sehr klar zu-r\u00fcckbieibt.\nEs ist sehr wahrscheinlich, dafs das Jnulin viel ver- \u2022 breiteter in der Pflanzenwelt ist, als man bisher geglaubt hat; es kommt bei vielen Pflanzen neben dem Amylum vor, bei denjenigen jedoch, wo weder Amylum noch Gummi auftritt, da mufs man haupts\u00e4chlich nach Jnulin suchen 4 und die Methode des Gefrierens dieser Pflanzen ist hiezu am vortheilhaftesten anzuwenden. Durch verd\u00fcnnte Minerals\u00e4uren wird das Jnulin sehr leicht aufgel\u00f6st, und bildet bei dem Kochen mit denselben noch leichter Zucker, als","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"285\nAmyliim. Salpeters\u00e4ure zersetzt das Jnulin in Apfels\u00e4ure und Oxals\u00e4ure *).\nNach der Analyse, welche ich ebenfalls der G\u00fcte des Herrn Mitscherlich verdanke, besteht das Jnulin aus:\nKohlenstoff 43,72 Wasserstoff 6,20 Sauerstoff 50,08\nund ist also dem Amylum am n\u00e4chsten verwandt. Bei 130\u00b0 R. erw\u00e4rmt, verliert es zum Theil die Eigenschaft durch Gefrieren, oder durch Abdampfung aus der w\u00e4sserigen L\u00f6sung abgeschieden zu werden, und bei hohem W\u00e4rmegrade schmilzt es, wobei ein angenehmer Zuckergeruch verbreitet wird, was bei dem Verbrennen des sich stark aufbl\u00e4henden Amylum\u2019s nicht der Fall ist.\nDie Flechten-St\u00e4rke auch Moos-St\u00e4rke genannt, wird ebenfalls als eine Abart des Amylum\u2019s aufgef\u00fchrt; sie wird durch Kochen aus verschiedenen Flechten gewonnen, und ist auch in den Tangen in bedeutender Menge enthalten. Die Moos-St\u00e4rke bildet im getrockneten Zustande eine hornartige Masse mit glasigem Bruche, die im Wasser aufschwillt; Jodine f\u00e4rbt dieselbe br\u00e4unlich. In dem Isl\u00e4ndischen Moose (Cetraria islandica Ach.), worin die Moos-St\u00e4rke in bedeutender Quantit\u00e4t enthalten ist, da findet man in den H\u00f6hlen der feinen haarf\u00f6rmigen Zellen, welche den haupts\u00e4chlichsten Theil dieses Flechtengewebes ausmachen, zwar eine Anzahl von kleinen K\u00fcgelchen, welche durch Kochen aufgel\u00f6st werden und wohl aus Moos-St\u00e4rke bestehen m\u00f6gen, ihre Menge reicht jedoch nicht hin, um die Masse von Moos-St\u00e4rke zu bilden, welche man aus diesen Flechten ziehen kann, der gr\u00f6fste Theil derselben wird vielmehr durch theilweise Aufl\u00f6sung der Zellenmembranen ausgezogen. Ebenso verh\u00e4lt es sich auch bei den Tangen, und hier ist es noch deutlicher zu sehen, dafs bei starkem und anhaltendem Kochen die Substanz der Zellenmembranen selbst aufgel\u00f6st wird. Wie nahe aber\n*) S. Berzelius Pflanzen - Chemie. 1837. 6. Bd. pag. 392.","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\ndiese ganze Substanz, so wie auch die durch Kochen erhaltene Moos-St\u00e4rke, dem wirklichen Amylum zu stehen scheint, das kann man daraus ersehen, dafs zuweilen das ganze Zellengewebe einer Flechte, sowohl die Membranen, als der Inhalt derselben durch Jodine gleichm\u00e4fsig blau gef\u00e4rbt wird, ein Fall, der allerdings selten vorkommt, denn gew\u00f6hnlich f\u00e4rbt Jodine diese Substanzen gelb. Wir werden sp\u00e4ter auf diesen Gegenstand nochmals zur\u00fcckkommen; hier gen\u00fcgte es zu zeigen, dafs Flechten-St\u00e4rke nur eine geringe Modification von gew\u00f6hnlicher St\u00e4rke sein kann, so dafs man auch in der Elementar-Analyse keine solche grofsen Verschiedenheiten zu erwarten hat, wie man sie neuerlichst hat nachweisen wollen.\nPflanzen - Eiweifsstoff.\nDas Pflanzen-Eiweifs kommt in mehr oder weniger grofsen Quantit\u00e4ten im Safte derjenigen Pflanzen-Zellen vor, welche der Verarbeitung der aufgenommenen Nahrungsstoffe vorstehen, so wie auch im Milchs\u00e4fte vieler, ja wahrscheinlich aller Pflanzen, welche einen solchen aufzuweisen haben. Im Albumen der Gr\u00e4ser, in den Cotyle-donen der H\u00fclsenfr\u00fcchte, und \u00fcberhaupt in denjenigen Zellen, worin Amylum abgelagert ist, da kommt der Eiweifsstoff in um so gr\u00f6fserer Menge vor, und ist aus dem Zellensafte durch Gerinnung zu trennen, wenn die Aufl\u00f6sung nicht zu sehr verd\u00fcnnt ist. Bringt man dergleichen Eiweifsstoff-haltende Fl\u00fcssigkeiten zum Kochen, so gerinnt das Eiweifs und scheidet sich in Form feiner Flocken ab. Auch S\u00e4uren, Alkohol und Gerbestoff schlagen Eiweifs nieder. Erhitzt man die Zellen feiner Schnitte aus der Kartoffel unter dem Mikroskope, so kann man neben dem Aufquellen der darin enthaltenen Amylum-K\u00fcgelchen auch das Gerinnen des Eiweifsstoffes beobachten, welcher sich alsdann zwischen die einzelnen Amylum-K\u00f6rperchen legt, und durch gr\u00f6fsere Durchsichtigkeit von dem umgebenden Amylum sogleich zu unterscheiden ist. Nach Soubeiran\u2019s*)\n*) Im Journal fle Pharm ar. T. XIV. pag. 397.","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"287\nArbeiten ist der Eiweifsstoff der Pflanzen, welchen er Glutin nennen will, farblos und eben so dicht wie Wasser. DieAuf-fl\u00f6sung tr\u00fcbt sich bei 40\u00b0 W\u00e4rme und gerinnt zwischen 50 und 60\u00b0, und zwischen 60 und 70\u00b0 scheidet es sich vollkom-+ men aus *). Nach Bostock wird noch eine Aufl\u00f6sung von 1 Gran Eiweifs in 1000 Gran Wasser durch Erw\u00e4rmung wolkicht, demnach dieses die beste Methode zur Ausscheidung desselben ist; einmal geronnen l\u00f6st sich das Eiweifs % nicht mehr in Wasser, und durch die Unl\u00f6slichkeit desselben in Alkohol kann man es auch aus dem Gluten bereiten. Wenn man Gluten in Alkohol auskocht, so bleibt gr\u00f6fstentheils Pflanzen-Eiweifsstoff zur\u00fcck; das anh\u00e4ngende | Amylum und die Kleie kann man durch L\u00f6sung des Ei-weifses in Kalihydrat bewirken, indem jene Stoffe dabei ungel\u00f6st Zur\u00fcckbleiben. Im kohlensauren Alkali wird Eiweifs nicht gel\u00f6st und nach dem Gerinnen auch nicht in \u00e4tzendem Ammoniak. In sehr bedeutender Menge kommt der Eiweifsstoff in dem Milchs\u00e4fte des ber\u00fchmten Kuhbaumes vor, welcher in einigen Gegenden S\u00fcdamerikas ein nahrhaftes Lebensmittel darbietet und wor\u00fcber in dem \u00ef Abschnitte, \u00fcber den Milchsaft der Pflanzen ausf\u00fchrlich die Rede sein wird. Aus dem Milchs\u00e4fte der Papaya . (Carica Papaya L.) wird das Eiweifs ebenfalls durch Gerinnen geschieden. Wie in allen anderen F\u00e4llen so auch liier, erh\u00e4lt man das Eiweifs, indem man die Milch durch Alkohol zum Gerinnen bringt, und von dem Geronnenen das Pflanzenwachs durch Aether entfernt u. s. w. Die Emulsionen, welche man durch Zerstofsen verschiedener * Saamen und Zerr\u00fchren mit Wasser erh\u00e4lt, sind reich an Pflanzen-Eiweifs, z. B. die Emulsion aus Mandeln, welche Mandelmilch genannt wird. Beim Kochen dieser Substanz gerinnt das Eiweifs und reifst einen Theil des fetten Oeles mit sich, welches durch Aether getrennt werden kann. Dieses ausgeschiedene Pflanzen-Eiweifs ist weifs und wird beim Trockenen durchsichtig und spr\u00f6de wie Tischlerleim.\n\u00a5) S. De Candolle Phys, v\u00e9g\u00e9t. I. pag. 330.","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nAuf \u00e4hnliche Weise kann man auch das Eiweifs aus frisch ausgeprefsten S\u00e4ften gr\u00fcner Pflanzen scheiden, und man findet es darin in bedeutender Menge, daher es auch erkl\u00e4rlich wird, dafs solche Pflanzen-Theile den Menschen und den grofsen grasfressenden Thieren eine hinreichende Nahrung geben k\u00f6nnen, denn das Eiweifs geh\u00f6rt zu den Stickstoff-haltigen K\u00f6rpern. Nach den Analysen von Gay-Lussac und Thenard sind 100\tZUL_\nKohlenstoff 52,883 Sauerstoff 23,872 Wasserstoff 7,540 Stickstoff 15,705\nEs w\u00e4re jedoch zu w\u00fcnschen, dafs man diese Analysen des Eiweifs aus verschiedenen Pflanzen wiederholen m\u00f6chte, denn gerade dieser Stoff scheint einer der wichtigsten bei der Ern\u00e4hrung der Thiere durch die Pflanzen zu sein, denn so wie die grofsen Gras-fressenden Thiere einzig und allein von gr\u00fcnen Pflanzen leben, in deren Zellensafte viel Eiweifsstoff enthalten ist, so ist es ebenfalls ausgemacht, dafs auch die Menschen durch Fr\u00fcchte und gr\u00fcne kohlartige Pflanzen vollst\u00e4ndig ern\u00e4hrt werden.\nSowohl Pflanzen-Eiweifs, als Pflanzenleim geh\u00f6ren zu denjenigeu Stoffen, welche man als vegetabilisch-animalisch bezeichnet hat. Das Pflanzen-Eiweifs ist auch in der That dem thierischen Eiweifs sehr \u00e4hnlich, ja man hat es auch mit dem Namen Faserstoff belegt, weil es mit dem thierischen Faserstoffe einige Aehnlichkeit hat. In beiden Stoffen findet sich aufser dem Stickstoffe zuweilen auch Schwefel und Phosphor, und sie sind es auch, welche bei der F\u00e4ul-nifs der Pflanzen den furchtbaren Gestank verursachen *). Die Fr\u00fcchte des efsbaren Hibiscus enthalten eine so grofse Menge von fl\u00fcssigem Eiweifsstoffe, dafs man sich desselben\n\u00a5) Man sehe \u00fcber diesen Artikel Herrn von Berzelius Pflanzen-Chemie. pag. 362 elc.\nsf\n&A,\t<\u25a0 /L\u00a3 $\nr\n","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"2S9\nauf Dominica zum Kl\u00e4ren des Saftes aus dem Zuckerrohre anstatt des thierischen Eiweifsstoffes bedient *).\nPflanzen - L eim.\nPflanzen-Leim ist in Verbindung mit Eiweifs und Amylum in den Saamen der Gr\u00e4ser, Leguminosen und in allen denjenigen enthalten, welche bei einer innigen Vermischung ihres Mehles mit Wasser eine schmierig klebrige . Substanz geben, wovon der Stoff seine Benennung erhalten hat. Die Charactere des Pflanzen-Leims sind nach Herrn v. Berzelius **), dafs derselbe im isolirten Zustande in Wasser fast unl\u00f6slich ist ***), dafs er im feuchten Zu-I st\u00e4nde klebt und nach dem Trocknen gelb und durchsichtig * wird. Im kochenden Alkohol ist Pflanzen-Leim aufl\u00f6slich und aus seiner Aufl\u00f6sung in S\u00e4uren wird er durch Cyaneisen - Kalium gefal lt.\nMan erh\u00e4lt reinen Pflanzen-Leim, wenn man den gew\u00f6hnlichen Gluten Beccaria\u2019s mit heifsem Alkohol digerirt, so lange als derselbe noch durch Kochen getr\u00fcbt wird und bei dem Erkalten zu Boden f\u00e4llt, besonders wenn man die L\u00f6sung mit Wasser vermischt. Wir besitzen noch f keine chemische Analyse des Pflanzen-Leims, doch sowohl Pflanzen-Leim als Pflanzen-Eiweifsstoff im feuchten Zustande sich selbst \u00fcberlassen, faulen mit demselben \u00fcbelen Ger\u00fcche, wie thierische Stoffe unter Entwickelung von Ammoniak t und Bildung von essigsaurem Ammoniak.\n\u2022 So aufserordentlich wichtig diese beiden Stoffe, der Pflanzen-Leim und das Pflanzen-Eiweifs bei der Ern\u00e4hrung der Pflanzen sind, so sind dieselben bisher doch nur von den Chemikern untersucht. In der Pflanzen-Chemie des Herrn v. Berzelius ist auch dieser Gegenstand mit der gr\u00f6fsten Umsicht und Klarheit dargestellt, und ich entnehme meine kurzen Mittheilungen aus jenem Werke*\n*) S. Davy Agrikultur-Chemie, pag. 93.\n**) Pflanzen - Chemie. I. pag. 363. >\nNach Davy scheint dieser Stoff mehr als 1000 Theile Wasser zur Aufl\u00f6sung zu erfordern.\nMe yen, Pfl. Physiol, II.\n19","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\nHerr v. Berzelius betrachtet Pflanzen -Eivveifs und Pflanzen-Leim als zwei Genera, deren Species sich in . verschiedenen Pflanzen \u00e4hnlich verhalten, wie das Fleisch : der verschiedenen Thierarten. Das Auftreten dieser beiden Stickstoff-haltigenK\u00f6rper ward zuerst in dem Waizen erkannt lind Beccaria\u2019s Gluten bestand fast g\u00e4nzlich daraus. Die Darstellung des Gluten aus den verschiedenen Getreide- -Arten und den H\u00fclsenfr\u00fcchten geschieht dadurch, dafs man das daraus bereitete Mehl mit Wasser zu einem steifen Teige anmacht, und es unter einem best\u00e4ndigen Wasserstrahl so lange knetet, als Letzterer noch dadurch milchicht wird. _j Die zur\u00fcckbleibende grauliche klebrige Masse ist elastisch und geschmacklos und besteht aus einem Gemenge von Pflanzen-Leim, Pflanzen-Eiweifs, von zerrissenen Zellenmembranen und etwas Amylum-K\u00fcgelchen, welche noch nicht ganz ausgewaschen sind. Aus diesem Gluten wird der Pflanzen-Leim durch Kochen in Alkohol ausgezogen; nach dem Hinzugiefsen von Wasser und Abdestilliren des Alkohols bleibt der Pflanzen-Leim in grofsen, zusammenh\u00e4ngenden Flocken zur\u00fcck. Der abgeschiedene Pflanzen-Leim ist blafsgelb, klebt stark und ist elastisch; zeigt keinen Geschmack, aber einen eigenen Geruch. Im getrockneten Zustande erscheint er gl\u00e4nzend und von gelblicher Farbe. , Mit diesem abgeschiedenen Pflanzen-Leim ist noch eine * andere schleimige Materie in Verbindung, welche die Aufl\u00f6sung milchicht macht. Dieser besondere Stoff ist noch nicht n\u00e4her bestimmt, er ist jedoch dem Pflanzen-Leime nahe verwandt.\ti\nDer Pflanzen-Leim und das Pflanzen-Eiweifs aus Roggen, Gerste und den H\u00fclsenfr\u00fcchten ist von Einhof n\u00e4her untersucht und ganz \u00e4hnlich den genannten Stoffen im Waizen gefunden. Die Kartoffeln enthalten nur Eiweifs*) und wie es scheint gar keinen Pflanzen-Leim.\n\u00a5) Daher auch das Wasser, welches bei der Bereitung der St\u00e4rke aus den Kartoffeln abl\u00e4uft, noch als ein leichtes Zahlungsmittel f\u00fcr K\u00fche benutzt werden kann, indem es das Eiweifs enth\u00e4lt, Welches im Zellensafte gel\u00f6st war.","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"291\nDa Amylum, Pflanzen-Eiweifs und Pflanzen-Leim die n\u00e4hrenden Bestandteile sind, welche in den Saamen der Getreide-Arten und der H\u00fclsenfr\u00fcchte enthalten sind, so hat man alle diese Saamen vielfach untersucht, um die relativen Mengen der genannten Nahrungsstoffe zu ermitteln. Herr De Candolle *) hat eine Reihe solcher Analysen neben einander gestellt, welche sehr belehrend sind, wenngleich man auch die gefundenen Verh\u00e4ltnisse nicht als absolut richtig ansehen darf, denn alle diese Saamen zeigen auf verschiedenem Boden und unter verschieden g\u00fcnstigen Verh\u00e4ltnissen, sehr verschiedene Quantit\u00e4ten der genannten Nahrungsstoffe.\nNach der angef\u00fchrten Tabelle des Herrn De Candolle enthalten in Hundert Theilen\n\tAmylum\tGluten\nWaizen nach Proust .\t.\t.\t74,50\t12,50\nVogel .\t.\t.\t68,00\t24,00\nWinterwaizen nach Davy\t77,00\t19,00\nSommerwaizen\t\t70,00\t24,00\nWaizen aus der Berberei\t74,00\t23,00\nSicilianischer Waizen .\t,\t.\t75,00\t21,00\nSpelz nach Vogel ....\t74,00\t22,00\nGerste nach Davy ....\t79,00\t6,00\nGerste nach Vogel ....\t87,00\t3,00\nRoggen nach Davy ....\t61,00\t5,00\nHafer nach Davy ....\t59,00\t6,00\nVogel ....\t59,00\t0,00\nCarolina - Reifs nach Vogel .\t85,07\t3,60\nPiemontesischer Reifs .\t.\t.\t83,80\t3,60\nErbsen nach Einhof\t.\t.\t32,95\t17,58\nSaubohnen nach Einhof .\t.\t34,00\t10,70\nSchminkbohnen nach Einhof\t46,00\t22,00\nLinsen nach Einhof .\t.\t.\t32,00\t36,00\nBuchweizen nach Zennick .\t52,29\t10,47\n*) Phys, v\u00e9g\u00e9t. I. pag, 328.\n**) Pflanzen-Eiweifs und Pflanzen-Leim.\n19 *","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292\nDa wir die Stickstoff-haltigen Substanzen, woraus der Kleber oder Gluten besteht, als nahrhafter fiir Menschen und Thiere halten, als das Amylum, so wird man aus : jener Tabelle den Werth der verschiedenen Nahrungs-Pflanzen in dieser Hinsicht genau zu w\u00fcrdigen im Stande sein. Dem Amylum-Gehalte nach steht die Gerste und der Reifs unter allen Getraiden obenan, dagegen haben diese -Saamen nur sehr wenig Gluten, daher sie auch, wie es allgemein bekannt ist, nur schlechte Nahrungsmittel sind, von welchen sehr grofse Quantit\u00e4ten gegessen werden m\u00fcssen um hinreichende Nahrung zu erhalten. Dem Ge- 4 halte von Pflanzen-Leim und Pflanzen-Eiweifs nach, stehen dagegen die Linsen und Bohnen obenan und dann folgt erst der Waizen. Der Gehalt an diesen letzteren Stoffen kann jedoch durch geeignete Stickstoff-haltige D\u00fcngung des Boden auf eine h\u00f6chst auffallende Weise gesteigert \" werden, Beobachtungen, welche f\u00fcr den Landbau von h\u00f6chster Wichtigkeit sind. Hermbst\u00e4dt hat die verschiedenen Mengen des Amylums und des Glutens untersucht, welche der Waizen bei verschiedener D\u00fcngung darbot Es gaben 100 Theile W'aizen bei einer D\u00fcngung mit:\n\tGluten und Amylum.\t\nMenschenharn\t\t35,10\t39,30\nOchsenblut\t\t34,24\t41,30\nMenschenkoth\t\t33,14\t41,44\nZiegenmist\t\t32,88\t42,43\nPferdemist\t\t13,68\t61,64\nTaubenmist\t\t12,20\t63,18\nKuhmist\t\t11,95\t62,34\nPflanzen-Tr\u00fcmmer-Erde .\t.\t.\t9,60\t65,94\nund in nicht ged\u00fcngtem Boden .\t9,20\t66,69\nFette oder fixe Oele.\nDie fetten Oele treten in den Zellen einer sehr grofsen Menge von Saamen auf, besonders in solchen, welche\nBulletin des scienc. agricul. de F\u00e9russac. \"VII. pag. 162.","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"293\ndurch Zerreiben mit Wasser eine Emulsion darstellen. Untersucht man dergleichen Saamen, z. B. die Mandeln bei starker Vergr\u00f6fserung, so kann man beobachten, dafs das Oel in mehr oder weniger grofsen Tropfen im Inneren der Zellen liegt, dafs ferner aufser diesem Oele noch unregelm\u00e4fsige K\u00fcgelchen und kleine Kl\u00fcmpchen einer gelblichen, wenig durchscheinenden Substanz an der inneren Fl\u00e4che der Zellenw\u00e4nde haftet und auch die H\u00f6hle der Zellen mehr oder weniger ausf\u00fcllt. Die Analysen der Emulsionen, welche man aus solchen Saamen bereitet, zeigen, dafs jene festeren Massen aus Pflanzen-Leim undPflanzen-Eiweifs bestehen, mit welchen noch eine betr\u00e4chtliche Menge von fettem Oele innig vermischt ist. Bei der Bereitung des fetten Oeles durch Auspressen aus solchen Saamen, kann man durch mehrmaliges Erw\u00e4rmen die Trennung jenes Oeles aus der Verbindung mit Pflanzen-Leim und Eiweifs bef\u00f6rdern. So wie in der Mandel, so verh\u00e4lt es sich auch in der Wallnufs, im Hanfsaamen, im Ricinus-Saamen u. s. w. Im reifen Zustande zeigen alle diese Saamen keine Spur von Amylum ; in den fr\u00fcheren Entwickelungs-Perioden derselben ist jedoch das Amy-lum in den Zellen des Embryo ganz deutlich nachzuweisen, und hieraus folgt, dafs sich das Amylum sp\u00e4ter aufl\u00f6st und in die genannten Stoffe, aber haupts\u00e4chlich in fettes Oel umwandelt. Bei dem Keimungs-Prozefs dieser Oel-lialtenden Saamen werden jedoch das fette Oel, so wie das Pflanzen-Eiweifs und der Pflanzen-Leim ebenfalls in einen Zucker-haltigen Schleim aufgel\u00f6st, welcher dann ebenso, wie bei dem Keimungs-Akte der Amylum-haltigen Saamen zur Ern\u00e4hrung verbraucht wird ; und hieraus, kann man mit Bestimmtheit schliefsen, dafs das fette Oel, eben so wie Amylum, Gummi, Zucker u. s. w. zu den assimi-lirten Nahrungsstoffen der Pflanzen geh\u00f6rt. In anderen F\u00e4llen tritt das fette Oel in Form von mehr oder weniger grofsen Tr\u00f6pfchen auch zwischen den Amylum-K\u00fcgelchen auf und schwimmt im Zellensafte, so lange derselbe noch vorhanden ist. In den Saamen der Charen ist dieses be-","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nsonders sch\u00f6n zu sehen; bei der Ber\u00fchrung mit Jodine wird dieses Oel gelbbr\u00e4unlich und die Amylum-K\u00fcgelchen, welche im Saamen der Charen sehr grofs und in Menge -vorhanden sind, blau gef\u00e4rbt. In den Saamen der niederen Pflanzen, als in denen der Moose, der Algen und wahrscheinlich auch in denen der Pilze, findet sich fast ganz allgemein etwas fettes Oel, dagegen fehlt das Amy-lum in denselben fast durchg\u00e4ngig. Auch in den Pollenbl\u00e4schen tritt h\u00e4ufig das fette Oel in Form kleiner Tr\u00f6pfchen auf, doch ist es darin ebenso selten, als das Amylum nachzuweisen. Auf der Oberfl\u00e4che der Pollenbl\u00e4schen tritt das fette Oel in Verbindung mit Wachs, mehr oder weniger mit irgend einem Farbestoffe gef\u00e4rbt, viel h\u00e4ufiger auf, und es m\u00f6chte daselbst gerade nicht von der Oberfl\u00e4che der Pollenbl\u00e4schen, sondern mehr von den Mutter-Zellen dargestellt worden sein, worin der Pollen gebildet wurde. \u201c Das fette Oel tritt jedoch noch in sehr vielen anderen Pflanzentheilen auf; im Allgemeinen immer da, wo irgend einer der aufgef\u00fchrten assimilirten Nahrungsstoffe in Reserve aufgespeichert wird, daher auch so h\u00e4ufig in den Wurzeln. In den verschiedenen Oel-f\u00fchrenden Saamen kommt das fette Oel nicht immer allein im Embryo vor, sondern auch in der Fruchth\u00fclle, wo es die Zellen im reifen Zustande ganz allein f\u00fcllt, und daher auch in einem 1 sehr reinen Zustande daraus entfernt werden kann. Dieser Fall findet bei der Olive statt, so wie bei den Fr\u00fcchten mehrerer Oel-Palmen, als bei Eiais guineensis L., ferner bei den Oel-tragenden Camellien, und in sehr geringem * Grade findet es sich in den Fruchth\u00fcllen mehrerer anderer Pflanzen, als bei Cornus sanguinea u. s. w. Bei der Cocos-Nufs befindet sich das Oel im Inneren des Saamens, n\u00e4mlich in den Zellen des Eiweifs-K\u00f6rpers und des Em- * bryo\u2019s; die w\u00e4sserige Fl\u00fcssigkeit, die sogenannte Cocos-Nufs-Milch, welche die junge Nufs f\u00fcllt, hat ein limpides Ansehen und enth\u00e4lt eine Menge von fettem Oel in Form der kleinsten Tr\u00f6pfchen aufgel\u00f6st. Durch Aufkochen dieser Fl\u00fcssigkeit gerinnt das darin enthaltene Eiweifs und dieses","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"295\nnimmt das Oel mit auf, welches sich gleich dem Milchrahm auf der Oberfl\u00e4che ansammelt.\nBei der Olive ist das bessere Oel in den Zellen des fleischigen Pericarpiums enthalten, aus welchen es durch gelindes Pressen gezogen wird. Das Oel aus den Embryonen der Oliven und deren n\u00e4chsten H\u00fcllen, ist weniger gut, weil es durch starkes Pressen ausgeschieden werden mufs, wobei eine Menge von Schleim und Pflanzen-Eiweifs etc. mitgenommen wird. Herr De Candolle f\u00fchrt Beobachtungen an, nach welchen 100Pfund Oliven 32 Pfund Oel geben, wovon 21 Pfund aus den Pericarpien gezogen werden, welche 76 Pfund auf 100 Pfund Fr\u00fcchte betragen. Die Embryonen jener 100 Pfund Oliven wiegen 7 Pfund und geben ungef\u00e4hr 4 Pfund Oel.\nDa das fette Oel nicht nur bei der Ern\u00e4hrung der Pflanzen, sondern auch im Haushalte der Menschen und der Thiere eine sehr wichtige Rolle spielt, so wird es interessant sein die verschiedenen Quantit\u00e4ten kennen zu lernen, in welchen dieses Oel in den Saamen verschiedener Gew\u00e4chse auftritt. Schiibler und Bentsch *) haben die Oel-gebenden Saamen Deutschlands in dieser Hinsicht untersucht und die folgende Tabelle giebt die Verh\u00e4ltnisse an, in welchen sie das Oel in den verschiedenen Saamen vorfanden.\nFolgende Saamen enthielten in 100 Theilen ihres Gewichtes :\nTheile Oel\nHaselnufs-Saamen ...... 60\nGartenkresse.................... . 56\u201458\nOliven.............................50\nWallnufs...........................50\nGartenmohn (Papaver somniferum L.) 47\u201450\nMandeln............................46\nEuphorbia Lathyris.................41\t(51\tnach\tChevallier)\n*) Ueber die fetten Oele Deutschlands. Eine Inaugural-Dissertation. T\u00fcbingen 1828.","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nTheile Oel\nRapses (Brassica campestris oleifera) 39 Winterrapses (BrassicaNapus oleifera) 33 Sommerrapses (Brassica praecox) . 30 Wau (Reseda luteola) .\t. ,\t.30\nHanf............................25\nLein............................22\nTanne (Pinus sylvestris) .... 24\nSonnenblume.....................15\nBucheckern......................12____16\nWeintrauben-Kerne...............10\u201411\nUeber den Oel-Gehalt der Wein-Saamen sind die Beobachtungen noch nicht geschlossen, denn es scheint gewifs zu sein, dafs die Menge des Oel es bei verschiedenen Variet\u00e4ten der Rebe verschieden ist, und dafs auch die verschiedene W\u00e4rme w\u00e4hrend des Sommers grofsen Einflufs 1 darauf zeigen.\nWie au\u00dferordentlich verschieden die Oele verschiedener Pflanzen schon in physikalischer Hinsicht sind, ist allgemein bekannt, und ihre Verschiedenheit zeigt sich auch in den Proportionen, worin ihre Elementar-Stoffe zusammengestellt sind. Zuerst ist zu bemerken, dafs alle fetten Oele der Pflanzen, ganz so wie die thierischen Fette, aus zwei, sehr leicht von ein- ! ander zu scheidenden Substanzen bestehen, welche bei verschiedenen Graden der W\u00e4rme schmelzbar sind, so dafs bei einer niederen Temperatur der eine Theil schon erh\u00e4rtet ist, w\u00e4hrend der andere noch fl\u00fcssig ist. Diese i Zusammensetzung ist in physiologischer Hinsicht sehr wichtig, wenngleich die chemischen Analysen keine so grofsen Verschiedenheiten in den Proportionen der Ele-mentar-Stoffe dieser Substanzen aufweisen, denn wir ha- 4 ben schon bei den verschiedenen Abarten des Zuckers und des Gummis auf eine Mischung verschiedener Stoffe hingedeutet, und bei den Harzen der Gew\u00e4chse ist diese Zusammensetzung aus verschiedenen, unter sich sehr \u00e4hnlichen Stoffen gleichfalls vorhanden\u00bb","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"297\nDen h\u00e4rteren, leichter gerinnbaren Theil der fetten Oele nannte Chevreul, der denselben entdeckte, Stearin und den anderen, rein \u00f6ligen Theil Elain und Olein.\nDie Zusammensetzung der fetten Oele aus ihren Elementar-Stoffen ist, wie Hr. v. Berzelius *) bemerkt, viel weniger variirend, als die vieler anderer, zu einer und derselben Gattung von Stoffen geh\u00f6rigen. Folgende Tafel \u00fcber die chemische Zusammensetzung der fetten Oele m\u00f6chte, zur Vergleichung mit den schon fr\u00fcher gegebenen Analysen des Amylum\u2019s und der \u00fcbrigen assimilirten Nahrungsstoffe von Interesse sein, indem sie zugleich zeigt, wie die Stearine viel reichhaltiger an Kohlenstoff, als die Elaine ist, welche dagegen mehr Sauerstoff enth\u00e4lt.\nKohlen- \"Wasser- Sauer- Stickstoff. Stoff. Stoff, stoff.\nLein\u00f6l.............. 76,01\t11,35\t12,64\t\u2014\tSaussure\nNufs\u00f6l.............. 79,77\t10,57\t9,12\t0,54\t\u2014\nRicinus\u00f6l........... 74,18\t11,03\t14,79\t\u2014\t\u2014\nBaum\u00f6l.............. 77,21\t13,36\t9,43\t\u2014\tG.L.u.Th\u00e9n.\nStearin von Baum\u00f6l\t.\t82,17\t11,23\t6,30\t0,30\tSaussure\nElain von Baum\u00f6l\t.\t.\t76,03\t11,54\t12,07\t0,35\t\u2014\nMandel\u00f6l............ 77,40\t11,48\t10,83\t0,29\t\u2014\nPiney-Talg.......... 77,00\t12,30\t10,70\t\u2014\tBobington\nWeifses Wachs\t.\t.\t.\t81,61\t13,86\t4,53\t\u2014\tSaussure\nDesgleichen......... 81,79\t12,67\t5,54\t\u2014\tG.L.u.Th\u00e9n.\nOstind. Pflanzenwachs 70,97 12,07 16,97 \u2014 Oppermann Brasil. Pflanzenwachs 72,26 12,70 16,04 \u2014\t\u2014\nMan sieht aus diesen Angaben, dafs die, bei einer bestimmten Temperatur zuerst gerinnbaren Stoffe des Oels den meisten Kohlenstoff und den wenigsten Sauerstoff enthalten, und dafs diese Verh\u00e4ltnisse in dem weifsen Wachse fast ganz \u00e4hnlich auftreten, nur um ein Kleines ist dessen Gehalt an Sauerstoff \u00e4rmer und an Wasserstoff reicher.\n*) Lehrbuch der Chemie, III. Bd. p. 395.","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\nPflanzens\u00e4uren.\nDie verschiedenen Stoffe, welche wir bisher kennen -gelernt haben, geh\u00f6ren zu denjenigen Pflanzenstoffen, welche die Chemiker mit dem Namen der indifferenten bezeichnen, indem sich dieselben weder als S\u00e4uren noch als Alkalien charakterisiren. Neben jenen assimilirten Nahrungsstoffen treten jedoch in den Pflanzen noch eine Reihe von Substanzen auf, welche ganz entschieden als S\u00e4uren erscheinen, deren chemische Zusammensetzung aber, so wie ihr Auftreten mit ziemlicher Gewifsheit lehrt, dafs auch sie als assimilirte Nahrungsstoffe, und nicht etwa, als Excrete zu betrachten sind. Die Zahl dieser S\u00e4uren, welche die Vegetation aus den aufgenommenen Nahrungsstoffen bereitet, ist unendlich grofs und j\u00e4hrlich scheint sie sich zu vergr\u00f6fseren, doch hier ist nicht der Ort alle ~ diese S\u00e4uren aufzuf\u00fchren und ihre Eigenschaften kennen zu lernen, denn dieser Gegenstand geh\u00f6rt der Chemie an. Von physiologischem Interesse ist es dagegen, wenn wir das Auftreten einiger S\u00e4uren n\u00e4her kennen lernen, welche ganz allgemein in der Pflanzenwelt erscheinen, und wenn wir uns \u00fcber die Zusammensetzung dieser S\u00e4uren und deren Bildung ein allgemeines Bild entwerfen.\nSo aufserordentlich h\u00e4ufig einige der allgemein be- 1 kannten Pflanzens\u00e4uren auftreten, so ist es doch nur in sehr seltenen F\u00e4llen zu beobachten, dafs sie als solche, n\u00e4mlich als reine S\u00e4uren im Zellensafte der Pflanzen auftreten, sondern gew\u00f6hnlich erscheinen sie in Verbindung \u00ee mit Alkalien und Erden und bilden Salze. Viele von diesen Salzen sind leicht l\u00f6slich und sind dann im Zellensafte gel\u00f6st, andere hingegen treten sogleich krystallisirt auf, und dahin geh\u00f6ren fast alle Verbindungen jener S\u00e4uren mit der Kalkerde, deren Krystalle wTir in Hinsicht ihres Vorkommens und in Hinsicht ihrer Form schon im ersten Theile n\u00e4her betrachtet haben.\nDie Pflanzens\u00e4uren, welche so allgemein in den Pflanzen Vorkommen, zerfallen in zwei Klassen, die einen be-","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"299\nstehen aus Kohlenstoff und Sauerstoff, wie die Kohlens\u00e4ure und die Oxals\u00e4ure, und die anderen bestehen aus Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff. Die Kohlens\u00e4ure kommt wohl in allen Pflanzen vor und ist abzuleiten einmal aus der Kohlens\u00e4ure, welche mit der Feuchtigkeit des Bodens in die Pflanze steigt, und einmal aus der Verbrennung des Kohlenstoffs der Pflanze mit dem Sauerstoff der Luft, worin die Respiration der Pflanze besteht. Wahrscheinlich ist es aber, dafs die Kohlens\u00e4ure in den Pflanzen, noch durch anderweitige Zersetzungen entsteht. In Verbindung mit Alkalien und mit Erden kommt die Kohlens\u00e4ure im Inneren der Pflanzen ebenfalls sehr h\u00e4ufig vor, und wir haben auch das Vorkommen des kohlensauren Kalkes in Krystallform kennen gelernt. Die Oxals\u00e4ure, welche der Kohlens\u00e4ure so nahe verwandt ist, denn die Kohlens\u00e4ure besteht aus 100 Theiien Kohlenstoff und 265,23 Sauerstoff, und die Oxals\u00e4ure aus 100 Theiien Kohlenstoff und 198,92 Sauerstoff, kommt ebenfalls in einer sehr grofsen Menge von Pflanzen vor, doch, wegen ihrer grofsen Verwandtschaft zu den Basen, wohl niemals im freien Zustande. H\u00e4ufig findet man die Oxals\u00e4ure in Verbindung mit Kali, als saures oxalsaures Kali, wie z. B. in den Bl\u00e4ttern der Oxalis-Arten u. s. w. aber am h\u00e4ufigsten kommt sie in Verbindung mit Kalkerde vor und bildet dann jenes unl\u00f6sliche Salz, dessen Krystalle so \u00fcberaus h\u00e4ufig in den Zellen der Pflanzen gefunden werden. Da die Oxals\u00e4ure nur reicher an Kohlenstoff als die Kohlens\u00e4ure ist, so k\u00f6nnen wir uns \u00fcber die Entstehung derselben schon ein Bild machen; sie kann aus der Kohlens\u00e4ure hervorgehen, indem derselben auf irgend einem Wege Sauerstoff entzogen wird, oder sie kann auch aus der Kohlens\u00e4ure hervorgehen, indem derselben noch mehr Kohlenstoff zugef\u00fchrt wird, was z. B. bei der Respiration der Pflanzen im Sonnenlichte stattfindet, wobei die Kohlens\u00e4ure der atmosph\u00e4rischen Luft zersetzt, der Sauerstoff ausgehaucht und der Kohlenstoff in der Masse der Pflanze deponirt wird. Die Chemie lehrt aber auch die Bildung","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\nder Oxals\u00e4ure aus Zucker, Starke, Holz, Leinen u. s. w. durch Einwirkung der Salpeters\u00e4ure, wobei Letztere Sauerstoff abgeben mufs und aus den ersteren Stoffen Kohlens\u00e4ure entwickelt wird, und dieses giebt uns eine Anweisung, auf welchem Wege solche Vorbildungen auch im Inneren der Pflanze stattfinden k\u00f6nnen. Durch Entziehung des Wassers, womit die Oxals\u00e4ure stets verbunden auftritt, wird dieselbe in Kohlens\u00e4ure und in Kohlenoxydgas zerlegt, ob aber solche Zerlegungen auch in der lebenden Pflanze Vorkommen, das ist wohl nicht wahrscheinlich.\nVon der anderen Reihe der Pflanzens\u00e4uren, welche\naus Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff bestehen, f\u00fchre ich nur die haupts\u00e4chlichsten, als die Aepfels\u00e4ure, Weins\u00e4ure, Citronens\u00e4ure, Essigs\u00e4ure und Equisets\u00e4ure auf. Die Essigs\u00e4ure ist zwar die bekannteste unter den Pflanzens\u00e4uren, es scheint mir aber, als w\u00e4re es gar nicht erwiesen, dafs die Essigs\u00e4ure, schon gebildet, in der lebenden Pflanze vorkomme. Wir erhalten dieselbe entweder als ein Produkt der G\u00e4hrung, wobei Zucker und Amylum-artige Substanzen umgewandelt werden, oder auch als Produkt der Verbrennung, und ganz besonders beachtenswert ist die Bildung der Essigs\u00e4ure aus Alkohol, durch blofse Oxydation desselben, welche mit H\u00fclfe einer sogenannten Contactsubstanz, wozu man hier por\u00f6ses Platin anwendet, ausgef\u00fchrt wird *).\nUm die Aehnlichkeit dieser Pflanzens\u00e4uren in Hinsicht ihrer Zusammensetzung mit den assimilirten Nahrungsstoffen zu zeigen, stelle ich hier die Analysen derselben nach den neuesten Untersuchungen nebeneinander; es enthalten:\nAraylum.\nKohlenstoff . . 44,00 Sauerstoff . . 49,33 Wasserstoff, .\t6,64\nEssigs\u00e4ure.\n\u2014\t47,54\n\u2014\t46,64\n\u2014\t5,82\nO S. Mitscherlich's Lehrbuch der Chemie. Dritte Auflage. I.\np. 153.","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"301\nDem Maafse nach angegeben, sind diese Stoffe zusammengesetzt aus:\nAmylum. Essig-\tCitronen-\tWein- Apfel-\tEquiset-\ns\u00e4ure.\tsaure.\tsaure.\ts\u00e4ure.\ts\u00e4ure.\n(an Bas.)\t\t(anBas.) (anBas\t.) (anBas.)\nKohlenstoff 12 M. 4 M.\t4 M.\t4 M. 4 M.\t4 M.\nSauerstoff 10 \u2014 3 \u2014\t4 \u2014\t5 \u2014\t4 \u2014\t3 \u2014\nWasserstoff 20 \u2014 6 \u2014\t4 \u2014\t4 \u2014 4 \u2014\t2 \u2014\nIm freien Zustande treten diese S\u00e4uren fast nur in den Fr\u00fcchten auf, wo sie das vorhandene Amylum und andere \u00e4hnliche Stoffe durch ihre katalytische Kraft in Zucker-haltige Stoffe umwandeln; ja es scheint, dafs sie selbst durch den Vegetations-Prozefs in vielen F\u00e4llen in Traubenzucker umgewandelt werden, was der Chemie allerdings noch nicht gegl\u00fcckt ist, dagegen haben wir die Bildung der S\u00e4uren aus jenen assimilirten Nahrungsstoffen kennen gelernt.\nWir haben im ersten Theile dieses Buches kennen gelernt, dafs die Krystalle in den Zellen der Pflanzen fast immer ohne K\u00fcgelchen auftreten, ja dafs ihr Erscheinen mit Amylum-K\u00fcgelchen, oder mit gr\u00fcngef\u00e4rbten Zellen-saft-Kiigelchen gerade zu den Seltenheiten geh\u00f6rt. Es ist dieses besonders auffallend, wenn einzelne Zeilen mit Kry-stallen gef\u00fcllt auftreten, w\u00e4hrend alle \u00fcbrigen Zellen, rund herum mit Amylum und mit gef\u00e4rbten Zellensaft-K\u00fcgelchen erscheinen. Doch ich glaube, dafs sich dieses durch die anhaltende Einwirkung der S\u00e4uren auf das Amylum erkl\u00e4ren l\u00e4fst, die Krystalle treten meistens nur in denjenigen Zellen auf, worin sich S\u00e4uren bilden, und diese, so lange sie durch die aufgenommenen Erden noch nicht neutralisirt sind, wandeln das Amylum in Zucker um, so dafs dann die Krystalle sp\u00e4ter als die einzigen festen K\u00f6rper in den Zellen Zur\u00fcckbleiben.\nEine speciellere Auseinandersetzung \u00fcber die Eigenschaften der genannten Pflanzens\u00e4uren, und der grofsen Anzahl von anderen Abarten von S\u00e4uren, geh\u00f6rt nicht mehr hieher, ich wollte nur versuchen wahrscheinlich zu","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\nmachen, dafs die Pflanzens\u00e4uren nicht als Excrete der Pflanzen betrachtet werden d\u00fcrfen, sondern dafs dieselben auf verschiedenen Weisen wieder umgewandelt und selbst wieder zur Ern\u00e4hrung und Bildung der Pflanzen verwendet werden k\u00f6nnen.\nBesondere Aufmerksamkeit m\u00f6chte wohl das Auftreten der Gerbs\u00e4ure in den Pflanzen verdienen, welche einmal in sehr vielen Pflanzen vorkommt, und dann bei einigen in sehr grofser Quantit\u00e4t. Die Chemiker sehen die Gerbs\u00e4ure als eine besondere Art von S\u00e4ure an, und die verschiedenen Gerbs\u00e4uren, welche von verschiedenen Pflanzen gewonnen werden, gleichsam als Variet\u00e4ten einer Art von Stoffen. Die Gerbs\u00e4uren r\u00f6then das Lackmuspapier, sind zusammenziehend aber nicht sauer, sie f\u00e4llen Leim-und Eiweifsstoff und verbinden sich mit thierischen Stoffen, worauf die Operation des Gerbens der thierischen H\u00e4ute beruht. Ihre Eigenschaft, die Eisenoxydsalze schwarz oder gr\u00fcn zu f\u00e4rben, ist allgemein bekannt.\nHerr v. Berzelius hat nach Wahlenberg\u2019s Beobachtungen eine grofse Menge von Pflanzen angef\u00fchrt, welche in ihren einzelnen Theilen Gerbs\u00e4uren aufzuweisen haben, doch dieses Verzeichnis liefse sich aufserordentlich ver-gr\u00f6fseren* Die Gerbs\u00e4ure kommt z. B. in den ausdauernden Wurzeln von Tormentilla erecta, Polygonum Bistorta, Lythrum Salicaria vor. In der Rinde und im Holzk\u00f6rper der B\u00e4ume ist sie sehr h\u00e4ufig und die Eichen und Birken, werden defshalb zur Bereitung dieser Stoffe so h\u00e4ufig benutzt. Nach Davy\u2019s Untersuchungen enth\u00e4lt die Eichenrinde 6,3 Theile Gerbs\u00e4ure; die weifse innere Rinde alter Eichen enth\u00e4lt 15 Theile, die von jungen Eichen sogar 16 Theile, w\u00e4hrend die gef\u00e4rbte innere Rinde der Eiche nur 4 Theile dieses Stoffes enth\u00e4lt. Im Holzk\u00f6rper kommt sie am reinsten vor und daher die Catechu aus den ensr-lischen Besitzungen Indiens, welche aus dem Holze verschiedener Mimosen bereitet wird und selbst 4S bis 54 Theile reiner Gerbs\u00e4ure enth\u00e4lt, so sehr vorgezogen","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"303\nwird *). Die Bl\u00e4tter von dergleichen Pflanzen, welche in ihrer Rinde und in ihrem Holze Gerbs\u00e4ure enthalten, sind ebenfalls reich an diesen Stoffen. In den Bl\u00e4ttern der Eichen und Birken vermindert sich die Menge der Gerbs\u00e4ure gegen den Herbst zu. Die Bl\u00e4tter der Vaccinien-Arten, so wie die von Arbutus Uva ursi, von Rhus Co-riaria, die Bl\u00e4tter der Theestr\u00e4ucher und \u00fcberhaupt vieler Pflanzen mit immergr\u00fcnenden Bl\u00e4ttern, enthalten in mehr oder weniger bedeutenden Mengen Gerbs\u00e4ure. Das Gambir-Extract, welches eine Art von Catechu ist, die besonders in den holl\u00e4ndischen Colonien Indiens aus den Bl\u00e4ttern der Nauclea Gambir L. und N. aculeata L. bereitet wird, wurde im Jahre 1833, allein auf der Insel Bin-tang bis zu der ungeheueren Masse von 7 \u2014 8,000,000 Pfunde bereitet.\nAber auch unter den krautartigen Gew\u00e4chsen giebt es viele, welche sehr reich an Gerbs\u00e4ure zu sein scheinen; die Musa-Arten enthalten in ihrem Wurzelstocke, im Schafte, in den Blattscheiden, den Bl\u00e4ttern und den unreifen Fr\u00fcchten viel Gerbs\u00e4ure; in vollkommen reifen Fr\u00fcchten findet sie sich nur noch in den H\u00fcllen und auch hier nur in sehr geringer Menge. Wahrscheinlich sind die meisten der \u00e4chten Wurzel-Parasiten reich an Gerbs\u00e4ure; die Lathraea Squamaria, die Orobanche, die Mono-tropa, Aegineta. u. s. w. beweisen die Angabe, und ihre dunkele, fast schwarze Farbe, welche sie allm\u00e4lich in der Luft annehmen, wird vielleicht durch die Gerbs\u00e4ure ver-anlafst. Am h\u00e4ufigsten kommt die Gerbs\u00e4ure in bedeutender Menge in den H\u00fcllen der Fr\u00fcchte vor, und viele derselben, als die der Granaten, der Mimosen und \u00e4hnlicher Gew\u00e4chse, welche in den spanischen L\u00e4ndern mit dem Namen Algaroba belegt zu werden pflegen, sind defshalb sehr bekannt und werden zu technischen Zwecken benutzt.\nUm uns mit der Natur der Gerbs\u00e4uren etwas n\u00e4her bekannt zu machen, werde ich die Eigenschaften der\n*) Man sehe meinen Grundrifs der Pflanzengeographie. pag. 116.","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nEichengerbs\u00e4ure und deren Elementar-Analyse angeben, da diese die bekannteste ist. Die krankhaften Ausw\u00fcchse auf den Bl\u00e4ttern von Quercus infectoria, welche unter dem -Namen der Gall\u00e4pfel bekannt sind, enthalten 26,4 Theile Gerbs\u00e4ure, welche durch blofse Infusion mit Aether aus-gezogen werden k\u00f6nnen. Die Eichengerbs\u00e4ure ist nach Herrn v. Berzelius in ihrem reinen Zustande farblos und die gelbe Farbe, welche sie nach dem Trockenen annimmt, ist eine Folge von dem Einfl\u00fcsse der Luft, und hiedurch l\u00e4fst sich die Farben-Ver\u00e4nderung gewisser H\u00f6lzer erkl\u00e4ren, welche, bei fortgesetztem Einfl\u00fcsse der Luft immer dunkeier und dunkeier gef\u00e4rbt werden, was man fr\u00fcher einem allm\u00e4lichen Verkohlungs-Prozesse zuschrieb. Das Mahagoniholz, das Birkenholz u. s. w. zeichnen sich durch allm\u00e4liche Farben-Ver\u00e4nderung ganz besonders aus. Die Gerbs\u00e4ure ist nicht krystallisirbar, l\u00f6st sich aber leicht in I Wasser, und es scheint, dafs sie nur im Zellensafte der Pflanzen gel\u00f6st vorkommt. In getrockneten Pflanzen schl\u00e4gt sie sich mit allen \u00fcbrigen unkrystallisirbaren Stoffen des Zellensaftes auf die Zellen-Membran nieder.\nDie Zusammensetzung der Gerbs\u00e4ure ist nach Herrn v. Berzelius : nach Herrn Liebig :\nKohlenstoff 52,49\t52,506 = 18 Atome\nWasserstoff 3,79\t4,124 = 16\tj\nSauerstoff 43,72\t43,370 = 12\nEs scheint, dafs die Gerbs\u00e4ure in den Pflanzen durch den organischen Prozefs zu wirklichen N\u00e4hrstoffen umgewandelt werden kann. Ich machte schon fr\u00fcher auf die Fr\u00fcchte 4 des Pisang\u2019s aufmerksam, welche vor ihrer Reife Gerbs\u00e4ure enthalten, auch lernten wir kennen, dafs gerade die Bastschicht der Eichenrinde, also diejenige, in welcher der Bildungssaft herabsteigt, am reichsten an Gerbs\u00e4ure ist. 4 Die jungen Bl\u00e4tter sind reicher an Gerbs\u00e4ure, als die ausgewachsenen; vielleicht bedient sich zuweilen die Natur dieses eigent\u00fcmlichen Stoffes, um Leim- und Eiweifsstoff in den Zellen zum Festwerden zu bringen.\nSchliefslich erinnere ich noch an die sch\u00e4dliche Wirkung,","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"305\nwelche die Gerbs\u00e4ure auf die Wurzelspitzen der Pflanzen aus\u00fcbt, eine Erscheinung, welche neuerlichst durch Herrn Payen ganz bestimmt erwiesen ist*). Wenn die Pflanze mit ihren Wurzeln in einem Wasser vegetirt, welches nur ein Tausendtheil von Gerbs\u00e4ure gel\u00f6st enth\u00e4lt, so wird dieselbe in kurzer Zeit get\u00f6dtet. Diese sch\u00e4dliche Einwirkung zeigt sich zun\u00e4chst in den Wurzelspitzen, welche durch die Einwirkung der Gerbs\u00e4ure undurchsichtig werden und zugleich so stark anschwellen; dafs sie die Feuchtigkeit nicht mehr fortleiten k\u00f6nnen. Das Vorkommen des Schleimes und des Eiweifsstoffes in den Zellen der Wurzelspitzen ist indessen ganz erwiesen; der letztere, besonders ausgezeichnet durch seine starke Endosmose, wird durch die Gerbs\u00e4ure niedergeschlagen und schon dadurch allein rnufs die gr\u00f6fste St\u00f6rung in der Function der Wurzelspitzen veranlafst werden, daher das Absterben der Pflanzen zu erkl\u00e4ren ist.\nPflanzen-Alkaloide und Extractivstoffe.\nZu den auffallendsten Bildungen, welche in den Zellen der Pflanzen Vorkommen, geh\u00f6ren diejenigen Stoffe, welche unter dem Namen der Pflanzen-Alkaloide bekannt sind; man hat diese Stoffe defshalb mit jenem Namen belegt, weil sie sich zu den S\u00e4uren wie Salzbasen verhalten, sich mit ihnen verbinden und Salze bilden. In jeder anderen Hinsicht unterscheiden sie sich jedoch von den mineralischen Alkalien h\u00f6chst auffallend; sie sind zusammengesetzt aus Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff und Kohlenstoff und die concentrirte Schwefels\u00e4ure zerlegt sie. Die Pflanzen-Alkaloide sind in kaltem, wie in kochendem Wasser nur sehr schwer l\u00f6slich, und viele von ihnen sind schon im krystallinischen Zustande bekannt. Das erste Pflanzen-Alkaloid wurde erst im Jahre 1816 durch Sert\u00fcrner in dem Opium entdeckt, und seit dieser Zeit sind schon in sehr verschiedenen Pflanzen diese Stoffe nachgewiesen;\n*) V. L\u2019Institut de 1835. Nro. 936.\nMe y en, Pfl. Physiol, IJ,\n20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nallj\u00e4hrlich werden jetzt neue Pflanzen-Alkaloide entdeckt, aber auch allj\u00e4hrlich wird es nachgewiesen, dafs diese oder jene der entdeckten Alkaloide etwas ganz anderes sind. Man erh\u00e4lt die Pflanzen-Alkaloide am leichtesten, wenn man die w\u00e4ssrigen Aufg\u00fcsse der Pflanzen-Substanzen mit mineralischen S\u00e4uren versetzt und sie dann durch Alkali oder durch Erden, vorz\u00fcglich durch Talkerde niederschl\u00e4gt. Jene Alkaloide kommen n\u00e4mlich, nach Herrn v. Berzelius in den Pflanzen immer als Salze, mehrentheils als saure Salze vor, und zwar in Verbindung mit Aepfels\u00e4ure, Gall\u00e4pfels\u00e4ure und bisweilen mit einer der Pflanze ganz eigen-thiimlichen S\u00e4ure.\nDie Pflanzen-Alkaloide haben meistens einen h\u00f6chst bitteren Geschmack; einige derselben verlieren in Verbindung mit Wasser ihre Krystallisations-F\u00e4higkeit und nehmen dagegen den narkotischen Geruch an, welcher der Pflanze zukommt, von der sie ausgeschieden sind; wie -dieses durch die neueren Untersuchungen von Atropin, Hyoscyamin und dem Daturin nachgewiesen ist. Sehr auffallend ist es, dafs bei den meisten stark wirkenden Arzneipflanzen gerade in diesen Alkaloiden die eigentlich wirksame Substanz jener Pflanzen nachgewiesen ist. In einigen der heilsamsten Medikamente hat man schon mehrere verschiedenartige Pflanzen-Alkaloide nachgewiesen, wie z. B. im Opium und in der China-Rinde; das Cinchonin, Chinin und Cusconin, welches in der China-Rinde vorkommt, erkl\u00e4rt man als Oxyde eines Radikales, welches aus 20 M. Carbon, 24 M. Hydrogen und 2 M. Stickstoffgas besteht, und sich mit Sauerstoff im Verh\u00e4ltnis von 1, 2 oder 3 M. verbindet. Im Opium hat man schon 4 verschiedene Alkaloide nachgewiesen, das Morphin, Code\u00efn, Narcotin und das Thebain.\nNach den bisherigen Beobachtungen m\u00f6chte man vielleicht anzunehmen berechtigt sein, dafs den Pflanzen der entschieden nat\u00fcrlichen Familien eigene Pflanzen-Alkaloide zukommen, die man als Arten betrachten mufs, w\u00e4hrend die einzelnen nat\u00fcrlichen (!) Gattungen solcher Familien","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"307\nwiederum Abarten jenes Alkaloides aufzuweisen haben, wozu nun noch die verschiedenen Oxydations-Stufen des Radikals der Alkaloide kommen, und demnach die Verschiedenheit unter diesen Stoffen noch gr\u00f6fser wird. Auf-t fallend ist der Stickstoffgehalt der Pflanzen-Alkaloide und der grofse Reichtlmm an Kohlenstoff, durch welchen sie sich fast von allen anderen Pflanzen-Substanzen unterscheiden. So zeigen nach den Analysen von\nMorphin,\t\tCode\u00efn,\tNarcotin, Strychnin,Brucin,Chinin v\t\t\t\ti.Cinchonin\nnach Liebig, j\t\tRobiquet, Liebig,\t\tdgi.\tdgi.\tdgi.\td.,j\nKohlenstoff:\t72,3\t71,3\t65,4\t76,4\t71,8\t75,7\t77,8\nWasserstoff:\t6,3\t7,5\t5,5\t6,7\t6,6\t7,5\t7,3\nStickstoff :\t4,9\t5,3\t2,5\t5,8\t5,0\t8,1\t8,8\nSauerstoff:\t16,2\t15,7\t26,9\t11,0\t17,3\t8,6\t5,9\nDen Atomen nach\t\t\t\t\t\t\t\nKohlenstoff:\t34\t32\t40\t30\t32\t20\t20\nWasserstoff:\t36\t39\t40\t32\t36\t24\t22\nStickstoff:\t2\t2\t2\t2\t2\t2\t2\nSauerstoff:\t6\t5\t12\t3\t6\t2\t1\nSchliefslich haben wir noch der grofsen Reihe von f Stoffen zu erw\u00e4hnen, welche am Allgemeinsten unter dem Namen von Extractiv-Stoffen bekannt sind; die Mannigfaltigkeit derselben ist so grofs, dafs fast jede einzelne Pflanzenart einen solchen' besonderen Stoff zu enthalten scheint. Herr De Candolle*) hat eine Menge dieser Stoffe aufgef\u00fchrt und umfafst dieselben mit dem Namen der hyper-hydrogenischen oder harzigen Substanzen, wozu indessen die chemischen Analysen derselben keine Veranlassung , geben; auch sind viele Stoffe daselbst aufgef\u00fchrt, welche theils zu den Harzen, theils zu anderen Substanzen hin-geh\u00f6ren. Gegenw\u00e4rtig lassen sich \u00fcber die Zusammensetzung dieser Extractiv-Stoffe, wohl noch keine allgemeinen Ansichten aufstellen; viele derselben bestehen aus Kohlen-:\tStoff, Wasserstoff und Sauerstoff, andere haben aber auch\nStickstoff aufzuweisen.\n*) Pliys. v\u00e9g\u00e9t, I. pag. 355.\n20*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\nDie Bedeutung der Extractiv-Stoffe in den Pflanzen keimen wir ebenso wenig, als die der Pflanzen-Alkaloide, welche kurz vorher er\u00f6rtert wurden.\nSechstes Capitcl.\nBeobachtungen und Ansichten \u00fcber den Assimilations- und Bildung^ -Prozefs in den\nPflanzen.\nNachdem wir die verschiedenen assimilirten Nahrungsstoffe der Pflanzen in ihrem Auftreten n\u00e4her kennen gelernt haben, wird es m\u00f6glich werden eine Darstellung von den Vorg\u00e4ngen zu geben, durch welche einige jener Stoffe \" bei der Ern\u00e4hrung der Pflanzen gebildet und wieder umge\u00e4ndert werden, ich w\u00e4hle hiezu die Betrachtung des keimenden Saamens, wor\u00fcber schon De Saussure*) sehr sch\u00f6ne Beobachtungen angestellt hat, doch war die Pflanzen-Physiologie damals noch nicht in dem Zustande, um die Vorg\u00e4nge bei den chemischen Umwandlungen der Stoffe durch die Vegetation angeben zu k\u00f6nnen, als es jetzt in einigen Punkten der Fall ist. *\t!\nDie Saamen der Pflanzen bed\u00fcrfen zu ihrem Keimen Feuchtigkeit, W\u00e4rme und Sauerstoffgas, welches ihnen entweder durch das umgebende Wasser oder durch die atmosph\u00e4rische Luft zugef\u00fchrt wird. De Saussure legte * verschiedene Saamen von Land- und Wasser-Pflanzen in ausgekochtes Wasser, welches unter einem, mit Quecksilber gesperrten Recipienten abk\u00fchlte; die Saamen zeigten nicht die geringste Spur von Keimen, War die angewendete Wassermasse 100 und 200mal gr\u00f6fser, als das Volumen der Saamen, so keimten sie, offenbar weil in dieser Menge von Wasser noch hinreichend genug Sauerstoff enthalten\n*) Chemische Untersuchungen \u00fcber die Yegetat. pag. 1 u. s. w-","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"309\nwar. Man kann \u00e4hnliche Versuche sehr leicht wiederholen, denn legt man eine Menge von Saamen, als Erbsen, Bohnen, Kresse u. s. w. in ein Glas und \u00fcbergiefst dieselben so weit mit Wasser, dafs sie von der atmosph\u00e4rischen Luft nicht unmittelbar ber\u00fchrt werden, so quellen die Saamen zwar auf, aber sie keimen nicht, und wenn einige der Saamen auch das W\u00fcrzelchen treiben, so kommen sie doch nicht weit.\nHerr Alexander von Humboldt *) hat die Entdek-kung gemacht, dafs man das Chlorwasser zur Bef\u00f6rderung des Keimens der Saamen anwenden k\u00f6nne. Das Chlorwasser entwickelt im Lichte Sauerstoff und dieser wirkt auf den Saamen ; doch De Saussure wiederholte jene Versuche auch im Dunkeln, und fand die Anwendung des Chlorwassers ebenso vorteilhaft. Sp\u00e4ter hat man in allen botanischen G\u00e4rten jene Entdeckung des Herrn von Humboldt benutzt, um sehr alte und schwer keimende Saamen zum Keimen zu bringen. Herr Alex, von Humboldt fand\nauch, dafs Pflanzen in Sauerstoffgas leichter keimten, st\u00e4rker und gr\u00fcner wurden, als in der atmosph\u00e4rischen Luft; er sah den Crocus sativus in Sauerstoffgas sehr schnell hervorkommen. Andere S\u00e4uren, so wie auch die Metalloxyde, zeigen keine besondere Wirkung auf das Keimen, offenbar weil ihnen der Sauerstoff fester ansitzt, als dafs er von den Saamen entzogen werden kann. Neuerlichst hat aber Herr Goeppert **) die Beobachtungen bekannt gemacht, nach welchen auch die \u00fcbrigen S\u00e4uren, als Schwefels\u00e4ure, Salpeters\u00e4ure, Citronens\u00e4ure u. s. w. im verd\u00fcnnten Zustande eine bef\u00f6rdernde Wirkung auf das Keimen der Saamen zeigen, w\u00e4hrend die Anwendung der fixen Alkalien gerade die entgegengesetzte Wirkung \u00e4ufseren sollen. Ich selbst konnte, bei der Wiederholung einiger dieser Versuche, diese auffallende Einwirkung der Sauerstoff-S\u00e4uren auf das Keimen der Saamen nicht bemerken.\nSchon um das Jahr 1777 hat Scheele die Entdeckung\n*) Aphorism, etc. pag. 68.\n**) Froriep\u2019s N\u00f6tigen. Nro. 861. Marz 1834.","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\ngemacht, dafs bei dem Keimen der Saamen der Sauerstoff der Luft verschwindet und in Kohlens\u00e4ure verwandelt wird; Scheele machte seine Versuche mit Erbsen, liefs sie auch in reinem Sauerstoffgas keimen und kam immer zu gleichem Resultate. Rollo hat die Entdeckungen Scheele\u2019s nur best\u00e4tigt*).\nHerr De Saussure hat diese Versuche \u00fcber den Ein-flufs des Sauerstoffgases auf die Saamen vielfach wieder- : holt und die Wissenschaft verdankt demselben fast Alles, was wir gegenw\u00e4rtig dar\u00fcber wissen, aber ganz besonders wichtig sind die Resultate der neueren Untersuchungen dieses ber\u00fchmten Gelehrten**); auch ist noch die sch\u00f6ne Arbeit von Daniel Ellis ***) anzuf\u00fchren, worin dieser Gegenstand mit grofser Umsicht behandelt und durch neue Versuche best\u00e4tigt wurde. In Folge jener letzteren Versuche des Herrn De Saussure zeigte es sich, dafs das Kei- 4 men der Saamen in der atmosph\u00e4rischen Luft nicht dazu dienen k\u00f6nne, um r\u00fccksichtlich der Zerst\u00f6rung des Sauerstoffes und der verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsigen Erzeugung der] Kohlens\u00e4ure f\u00fcr alle Saamen allgemeine Regeln aufzustellen. Bei dem keimenden Waizen und Roggen scheint ein ebenso grofses \\ olumen von Kohlens\u00e4ure gebildet zu werden, als Sauerstoff absorbirt wurde ; bei der Schminkbohne wurde mehr Kohlens\u00e4ure erzeugt, als Sauerstoff eingesaugt wurde, 1 und in noch anderen F\u00e4llen war dieses Verh\u00e4ltnifs gerade umgekehrt. Ja diese verschiedenen Verh\u00e4ltnisse wurden sogar, bei einem und demselben Saamen, in verschiedenen Stadien des Keimens beobachtet; in der ersteren Zeit ward j mehr Kohlens\u00e4ure erzeugt, als Sauerstoff verschwand, in der sp\u00e4teren ward das Gegentheil hievon beobachtet; es wurde also mehr Sauerstoff absorbirt, als das Volumen der gebildeten Kohlens\u00e4ure ausf\u00fcllte. Keimen die Saamen\n*) S. Ann. de Chemie. T. XXV. pag. 37.\n**) S. De l\u2019alteration de l\u2019air par la g\u00e9n\u00e9ration et par la fermentation. \u2014 Biblioth. univers. 1834. Juin. pag. 113\u2014199.\nFarther Inquiries into the changes induced of Atmospheric ait by the germination of seeds, the veget. of plants etc. London 1811","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"311\nin Sauerstoffgas, so wird stets melir von diesem Gase consumirt, als Kohlens\u00e4ure entbunden wird. Aber auch die Absorbtion des Stickstoffes wurde in allen F\u00e4llen bei dem Keimen der Saamen beobachtet, doch war es noch nicht zu ermitteln, wieviel hievon dem Keimen, dem G\u00e4h-rungsprozesse oder der Porosit\u00e4t des Saamens zuzuschreiben war.\nEs scheint mir, dafs man diese Erscheinungen bei dem keimenden Saamen, n\u00e4mlich die Aufnahme des Sauerstoffes und die Bildung der Kohlens\u00e4ure, mit den allgemeinen Respirations-Erscheinungen der Pflanzen zusammenstellen mufs, und was die Aufnahme einer gelingen Menge von Stickstoff betrifft, so ist diese auch bei der Respiration der ausgebildeten Pflanzen sehr wahrscheinlich, und neuere Untersuchungen der Art w\u00fcrden dar\u00fcbei vollst\u00e4ndigen Aufschlufs geben. Die Menge des Stickstoffgases, welches bei dem Keimen der Saamen aus der umgebenden Luft verschwindet, ist bei verschiedenen Pflanzen sehr verschieden, sie soll jedoch in einem gewissen Verh\u00e4ltnisse zur Menge des Sauerstoffgases stehen, welches in der Luft enthalten ist, worin die Keimung vor sich geht; sie soll n\u00e4mlich um so geringer sein, je gr\u00f6fser die Menge des Sauerstoffgases ist, welches die, den Saamen umgebende Luft enth\u00e4lt.\nHerr De Saussure hat keinen Unterschied in den Epochen des Keimens der Saamen beobachten k\u00f6nnen, sie mochten in der atmosph\u00e4rischen Luft oder in Sauerstoff keimen. Eben so wenig wirkte stark oxygenirtes Wasser. Die Saamen verschiedener Pflanzen gebrauchen jedoch verschiedene Quantit\u00e4ten Sauerstoff; bei den Buf-bohnen und Lattich schien das n\u00f6thige Sauerstoffgas ungef\u00e4hr den hundertsten Theil ihres Gewichtes zu betragen, bei dem Waizen, der Gerste schien das verbrauchte Sauerstoffgas ungef\u00e4hr den tausendsten oder zweitausendsteil Theil ihres Gewichts zu betragen. Wir haben vorhin kennen gelernt, dafs auch bei der Einwirkung des Chlorwassers auf das Keimen der Saamen der Sauerstoff, als","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\ndie wirkende Ursache anzusehen war, um so bemerkens-werther sind die Beobachtungen des Herrn Goeppert *), welcher sah, dafs auch Jod und Brom unter dem Einfl\u00fcsse des Sonnenlichtes, das Keimen der Saamen bef\u00f6rdern, und doch waren es die Verbindungen dieser Stoffe mit Wasserstoff. Ein 15 Sekunden langer Aufenthalt der Saamen von Camelina sativa in Bromdunst, bei 15\u00b0 R. W\u00e4rme war hinreichend, um die Entwickelung der Keime an diesen Saamen schon in wenigen Stunden hervorzurufen, w\u00e4hrend dieses in blofsem Wasser erst innerhalb 24 Stunden geschah.\nEs ist ein alter Volksglaube, welcher sich auch in die Schriften der Botaniker eingeschlichen hat, dafs die Dunkelheit das Keimen der Saamen bef\u00f6rdere; indessen es haben sich schon mehrere ausgezeichnete Botaniker davon \u00fcberzeugt, dafs die Saamen der Pflanzen eben so schnell im Schatten, als im Dunkeln, und hier eben so schnell als im Sonnenscheine keimen ; ich selbst habe diese Beobachtungen an 10 verschiedenen Saamen-Arten wiederholt, wovon einige im Dunkeln und andere im Sonnenlichte unter ganz gleichen Graden von W\u00e4rme und Feuchtigkeit vegetiren mufsten und auch immer ziemlich ganz gleichzeitig ihre W\u00fcrzelchen austrieben und die Cotyle-donen entwickelten. Man w\u00fcrde jedoch unrecht handeln, wollte man eine solche Thatsache dem gew\u00f6hnlichen Landmanne lehren, denn die Saamen werden nicht nur defs-lialb unter die Erde gebracht, damit sie im Dunkeln schneller keimen k\u00f6nnen, sondern damit sie daselbst mehr Feuchtigkeit finden, schneller ihre Wiirzelchen in die Erde treiben und weder durch Winde noch durch die V\u00f6gel entfernt werden k\u00f6nnen.\nAufser dem Wasser und dem Sauerstoffgase ist die Gegenwart der W\u00e4rme zum Keimen der Saamen durchaus nothwendig, denn es ist allgemein bekannt, dafs die\n*) Uebcr die Einwirkung des Chlors, Jod, Brora, der S\u00e4uren und Alkalien auf das Keimen der Saamen. \u2014 Froriep\u2019s Notizen Nr. 861. M\u00e4rz 1834.","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"313\nSaamen bei einer Temperatur unter dem Gefrierpunkte nicht mehr keimen. Nach den Versuchen der Hrn. Edwards und Colin *) keimten die Saamen nie unter 7\u00b0 Cels. ; doch Herr Goeppert sah das Keimen derselben noch bei 3\u00b0 R. Edwards und Colin untersuchten ferner, welche Grade von K\u00e4lte und von Hitze im Stande w\u00e4ren, das Keimungsverm\u00f6gen der Saamen zu zerst\u00f6ren, und man fand, was auch in vielen Gegenden des nordischen Rufslands bekannt ist, dafs selbst die hohe K\u00e4lte, wobei das Quecksilber gefriert, das Keimungsverm\u00f6gen der Saamen zu zerst\u00f6ren, nicht im Stande ist, wenn die Saamen trocken sind. Herr Goeppert **) hat \u00fcber diesen Gegenstand schon im Jahre 1828 und 29 eine Reihe von Beobachtungen angestellt, aus welchen hervorging, dafs trockene lebende Saamen selbst f\u00fcr die h\u00f6chsten K\u00e4ltegrade unempfindlich bleiben. Die Saamen werden jedoch durch die K\u00e4lte ge-t\u00f6dtet, wenn sie vor der Einwirkung derselben Wasser aufgenommen haben, und zwar ist der Grad der K\u00e4lte, wobei dieselben get\u00f6dtet werden, f\u00fcr verschiedene Arten von Pflanzen verschieden. Die Saamen von Gew\u00e4chsen w\u00e4rmerer Gegenden erfrieren im feuchten Zustande leichter, als die unserer k\u00e4lteren L\u00e4nder, und das Erfrieren derselben nach dem Keimen richtet sich haupts\u00e4chlich nach dem Vitalit\u00e4ts-Zustande der Pfl\u00e4nzchen.\nHohe Grade von W\u00e4rme zeigen jedoch sehr nachtheiligen Einflufs auf das Keimungsverm\u00f6gen der Saamen; 50\u00b0 Gels, ist ungef\u00e4hr die Temperatur, bei welcher die Saamen ihr Keimungsverm\u00f6gen verlieren, doch ist die Natur des umgebenden Mediums dabei sehr wohl zu beachten, denn, wie die Versuche lehrten, entsprachen jener W\u00e4rme des Wassers von 50\u00b0 Cels, eine Temperatur von 62\u00b0 in Wasserdampf, und 75\u00b0 Cels. in trockener Luft, wobei aber besonders auf die Dauer des Experimentes zu\n*) De l\u2019Influence de la Temp\u00e9rature sur la Germination. \u2014 Ann. des scienc. nat. 1834. Tom. IV. pag. 25/\u20142/0.\n**) Ueber die Warme - Entwickelung in den Pflanzen, u, s. w. p. 49 u. s. w.","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\nachten ist. So zerst\u00f6rte schon eine W\u00e4rme von 35\u00b0 Cels. nach dreit\u00e4giger Einwirkung das Keimungsverm\u00f6gen der Saamen, und wurden unsere Getreidearten im angefeuch teten Sande erhitzt, so waren 45\u00b0 die h\u00f6chste Temperatur, wobei die Keimkraft derselben noch nicht zerst\u00f6rt wurde.\nDie Herren Edwards und Colin *) haben sp\u00e4ter eine andere interessante Arbeit bekannt gemacht, worin durch Beobachtungen nachgewiesen wird, bei welchem Grade von W\u00e4rme die verschiedenen Arten und Abarten der Getreide mehr oder weniger gut gedeihen. Eine Temperatur \u00fcber 50\u00b0 C. k\u00f6nnen die Saamen dieser Pflanzen nicht mehr ertragen, wenn auch alle \u00fcbrigen Verh\u00e4ltnisse vorhanden sind, welche das Keimen der Saamen bedingen. Die Herren E. u. C. s\u00e4eten verschiedene Getreide-Arten zu Paris in den verschiedenen Sommermonaten und beobachteten alsdann den Erfolg, welcher nicht nur f\u00fcr die Landleute innerhalb der tropischen Gegenden, sondern auch f\u00fcr diejenigen unseres mittleren Europa\u2019s vom h\u00f6chsten Interesse sein m\u00fcssen. Gerste, Waizen und Roggen, welche im Juli ges\u00e4et waren, entwickelten Bl\u00e4tter aber keine Halme, offenbar in Folge der grofsen W\u00e4rme, welche im Mittel w\u00e4hrend dieses Monats 21,9\u00b0 zeigte. Etwas Aehnliches ist in sehr warmen Gegenden beobachtet. Im Mai 1S34 war die mittlere Temperatur zu Paris 18,23\u00b0 und Winterwaizen, der im Anf\u00e4nge des Monats ges\u00e4et war, kam nicht zur vollkommenen Entwickelung. Durch verschiedene dergleichen Versuche kamen die Herren E\u00bb und C. zu dem Schl\u00fcsse, dafs unsere Getreide keine Saa-men bilden, wenn die mittlere Temperatur auf ungef\u00e4hr 18\u00b0 steigt, bei einigen Arten kann dieselbe etwas h\u00f6her steigen, doch h\u00f6chstens auf 22\u00b0 C. Die sch\u00f6nen tempe-rirten Gegenden, wo die mittlere Temperatur nicht \u00fcber 18\u201419\u00b0 C. steigt, das sind die vorteilhaftesten f\u00fcr den\n*) M\u00e9moire de physiologie agricole sur la v\u00e9g\u00e9tation des C\u00e9r\u00e9ales sous de hautes temp\u00e9rature. \u2014 Ann. de scienc. nat. 1836. I. pag. 5 \u2014 23.","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"315\nAnbau unserer Cerealien. In tropischen Gegenden, wo in der Ebene die W\u00e4rme sehr hoch ist, da werden die Getreidearten unserer nordischen Gegenden gerade in den k\u00e4lteren Monaten gebauet, so wie wir tropische Pflanzen in der w\u00e4rmsten' Zeit unseres Sommers ziehen und auf solche Weise den Pflanzen ihre entsprechenden Temperaturen geben.\nDie Zeit, in welcher die Saamen ihre Keime zur Entwickelung bringen, ist bei verschiedenen Pflanzen sehr verschieden; einige Saamen liegen Monate und Jahre lang in der Erde, w\u00e4hrend andere in einigen Tagen, und einige sogar in noch viel geringerer Zeit aufbrechen und das junge Pfl\u00e4nzchen hervortreiben. Im Allgemeinen ist diese Keimzeit bei den verschiedenen Arten von Pflanzen sehr bestimmt, aber das Alter der Saamen und die verschiedenen Grade von Feuchtigkeit und W\u00e4rme, unter welchen jene Saamen keimen, bringen hierin sehr grofse Abweichungen zum Vorscheine. Jedermann weifs, dafs die ge-s\u00e4eten Saamen zur Fr\u00fchlingszeit, bei einem kalten Wetter langsamer aufgehen, als bei warmen, und auch der Einflufs der Feuchtigkeit ist hiebei oftmals so h\u00f6chst auffallend wahrzunehmen. Um den Einflufs einer h\u00f6heren W\u00e4rme auf das Keimen der Saamen nachzuweisen, hat Herr De Candolle jun. *) eine Reihe von Beobachtungen angestellt, indem er gewisse Saamen im Freien, bei 8\u201412\u00b0 C. W\u00e4rme keimen liefs, und andere Saamen, von eben denselben Arten, auch im Treibkasten bei 18 \u2014 25 W\u00e4rme s\u00e4ete. Es keimten bei diesen Versuchen:\nIm Freien: lm Treibkasten:\nErigeron caucasicus St. . . in 10 Tagen und in 2 Tagen Thlaspi ceratocarpum Murr.\t-\t8\t-\t-\t-\t4\nSolidago hirta Willd. ..,-11\t-\t--5\nAnthemis rigescens Willd.\t-\t7\t-\t-\t-\t6\nRheum undulatum L.........\t-\t8\t-\t-\t-\t7\nDuvana dependens Kunth .\t-\t22\t-\t-\t-16\n*) S. De Candolle\u2019s Phys. v\u00e9g. II. pag. 689.","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316\nu. s. w. Dergleichen Beobachtungen haben nat\u00fcrlich schon durch ihre ann\u00e4hernde Richtigkeit grofses Verdienst; im speciellen Falle werden sie bei Wiederholungen gewifs . nur selten \u00fcbereinstimmend gefunden werden. Ebendasselbe gilt auch von den Beobachtungen, welche Hr. De Candolle jun. an 863 verschiedenen Saamen-Arten angestellt hat, um die Keimzeit derselben genau zu bestimmen und hier\u00fcber zu allgemeinen Resultaten zu gelangen. In der * grofsen Physiologie des Herrn De Candolle*) finden sich mehrere Tabellen, worauf die Zahl der Tage verzeichnet ist, in welcher gewisse Saamen bei einer bestimmten Temperatur keimten. Auch hat Don Ramon de la Sagra **) eine Reihe von dergleichen Beobachtungen aufgezeichnet, welche im botanischen Garten der Havanna angestellt wurden, woraus ich nur einige F\u00e4lle und Beispiele anf\u00fchre. Es keimte Crotalaria retusa L. in 5 Tagen, Ce- l drela odorata in 9 \u201410 T.. Swietenia Mahagoni L. in 45 1., Solanum havanense in 22 T., Tamarindus indica L. in 23 T., Annona squamosa in 37 T., Cissampelos Pareira in 73 T. und Achras dissecta L. in 108 Tagen u. s. w.\nDie Saamen mit harten und die mit steinartigen H\u00fcllen gebrauchen einen sehr langen Zeitraum zum Hervortreiben ihrer Keime. So liegen die Mandeln oft ein ] halbes Jahr und die Pfirsiche selbst ein ganzes Jahr in der Erde, auch die efsbare Kastanie gebraucht so lange Zeit, und die Saamen der Kornelkirschen, der Rosen, des Weifsdorns u. dgl. a. gebrauchen sogar 1~ bis 2 Jahre. * Tittmann ***) ]ia^ me]irere sepr ausgezeichnete F\u00e4lle von langer Keimzeit mitgetheilt; bei dem Saamen der Veronica hederaefolia L. gelang es ihm nicht dieselben zum Keimen zu bringen. Zwei Jahre lang wurde ein damit bes\u00e4eter Topf gewartet und immer noch waren die Saa-\n\u00a5) fl, pag. 646 ete.\n) Anales de ciencias, agricultura, eomercio y artes. Habana 1827. pag. 26.\n***) Die Keimung der Pflanzen etc. Dresden 1821.","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"317\nmen steinhart. Mehrere Jahre liegen demnach diese Saarn en in der Erde und sie geh\u00f6ren mit zu denjenigen Pflanzen, welche zuweilen nach dem Umgraben eines Bodens, ganz pl\u00f6tzlich erscheinen, w\u00e4hrend lange Jahre vorher keine Spur von diesen Pflanzen auf demselben Boden zu finden war.\nAllgemeine Gesetze lassen sich fiir die Dauer der Keimzeit der Saamen verschiedener Gattungen und noch viel weniger fiir ganze Familien aufstellen, ja selbst f\u00fcr die einzelnen Arten kann dieselbe nur unter Bestimmung der Warme und der angewendeten Feuchtigkeit angegeben werden. Herr De Candolle sah z. B. den orientalischen Mohn in 12 Tagen keimen und ich beobachtete Molm-saamen, der auf die Oberfl\u00e4che einer feuchten Erde ge-streuet wurde, schon in 3 Tagen keimen. In warmen Fr\u00fchlingstagen keimt der Hafer nicht selten in Zeit von 24 Stunden, und bei schlechtem Wetter liegt er wochenlang in der Erde.\nSchliefslich haben wir noch bei dem Keimen der Saamen die Aufnahme der Feuchtigkeit zu betrachten, welche zwar sehr einfach vor sich geht, wor\u00fcber aber schon viele gelehrte Vermuthungen aufgestellt worden sind. Herr Tittmann hat hier\u00fcber die einfachsten und richtigsten Ansichten ausgesprochen; hiernach dringt die Feuchtigkeit sowohl durch die ganze Oberfl\u00e4che in das Innere des Saamens, als auch durch die Mikropyle. Ueberall wo die Saamenhiillen von einer harten, steinartigen Substanz gebildet sind, welche durch den Einflufs des W assers nicht leicht erweicht werden, da dringt die Feuchtigkeit nur durch die Mikropyle zum Embryo, und wenn man dergleichen Saamen die Mikropyle verklebt, was mit weichem Wachse und auch mit Siegellack auszuf\u00fchren ist, so kommt der Embryo nicht zur Entwickelung. Bei den anderen Saamen hingegen, wo die H\u00fcllen weich und h\u00e4utig sind, da wird die Feuchtigkeit auch durch die ganze Oberfl\u00e4che\n*) lieber den Embryo des Saamenkorns und seine Entwickelung zur Pflanze. Dresden 1817. \u00a7. 64.","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318\ndes Saamens eingesaugt, und in diesem Falle kommt der Embryo zur Entwickelung, selbst wenn man die Mikro-pyle verklebt. Die Membranen des Zellengewebes der : Saamenh\u00fcllen sind auch von einer ganz besonderen, mikroskopisch noch nicht nachweisbaren Structur, welche ihre Bestimmung, die Feuchtigkeit einzusaugen noch mehr bekr\u00e4ftigen m\u00f6chte; ich meine hiemit das Verm\u00f6gen die gef\u00e4rbten Fl\u00fcssigkeiten aufzusaugen. Man hat die Saa- * men verschiedener Pflanzen in gef\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeiten gelegt und darin keimen lassen, um den Lauf der aufgenommenen Feuchtigkeit erkennen zu k\u00f6nnen. Schon von Gleichen*) hat Erbsen-Saamen unter den angegebenen Verh\u00e4ltnissen keimen lassen; er bemerkte, dafs die gef\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeit von denselben nur durch denjenigen Theil aufgenommen wurde, welchen wir jetzt die Mikropyle nennen, und dafs die gef\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeit nicht eindrang, wenn die Mikropyle i verklebt wurde. Herr De Candolle**) hat dergleichen Versuche ausf\u00fchrlicher angestellt; er fand, dafs Saubohnen (Vicia Faba L.), welche zum Keimen in gef\u00e4rbtes Wasser gelegt waren, dieses anf\u00e4nglich durch die glatte Oberfl\u00e4che der Saamenh\u00fcllen aufnahmen, dann wurde auch die innere Haut gef\u00e4rbt, aber er bemerkte nicht, dafs die Farbe auch durch die innerste Haut eindrang. Dagegen nahm das W\u00fcrzelchen die gef\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeit auf und f\u00fchrte die- 1 selbe in ver\u00e4stelten und strahlenf\u00f6rmig verlaufenden G\u00e4ngen zu den Saamenbl\u00e4ttern. Ich wiederholte dergleichen Versuche mit verschiedenen Saamen und wandte eine con-centrirte Abkochung des Fernambukholzes an. Diejenigen * Saamen, deren H\u00fcllen weich und feinzellig waren, z. B, die Saamen der K\u00fcrbisse und Malven, nahmen die gef\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeit sogleich mit ihrer ganzen Oberfl\u00e4che auf, und s\u00e4mmtliche H\u00fcllen, bis auf den Amnios-Sack, 4 wurden durch und durch mit der gef\u00e4rbten Fl\u00fcssigkeit durchdrungen, und durch die glatte und straffe Haut des\nDas Neueste aus dem Reiche der Pflanzen etc. 1761 pag. 58.\n**) Phys, v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 657,","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"319\nalten Amnios-Sackes ging die gef\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeit nicht durch, und auch das W\u00fcrzelchen nahm nichts von der gef\u00e4rbten Fl\u00fcssigkeit an, so lange es noch von jener Haut eingeschlossen war. Dagegen konnte man bemerken, dafs t der Embryo auch schon im eingeschlossenen Zustande Feuchtigkeit eingesaugt hatte, welche er eben sowohl durch die Einsaugung der Cotyledonen-Fl\u00e4chen von dem Amnios-H\u00e4utchen erhalten haben mufste, als durch die s Spitze des W\u00fcrzelchens, denn alle diese Erscheinungen verhielten sich am K\u00fcrbifs- und Malven - Saamen ganz gleich, wenn auch die Mikropyle derselben stark verklebt worden war. Aus den Versuchen \u00fcber die Einsaugung J der Feuchtigkeit durch die Saamen, kam Herr De Candolle 1 zu dem Schl\u00fcsse, dafs diese Einsaugung bei den Saamen der Gew\u00e4chse nicht durch ein und dasselbe Organ erfolge, was auch schon durch die sch\u00f6nen Arbeiten des Herrn Tittmann deutlich nachgewiesen war. Die Beobachtung des Herrn De Candolle an einigen Gr\u00e4ser-Saamen, dafs die Feuchtigkeit nicht durch die Oberfl\u00e4che, sondern durch die Mikropyle eingesaugt wurde, ist dadurch zu er-l kl\u00e4ren, dafs die \u00e4ufsere Haut dieser Saamen meistens mit einer starken Kiesel-H\u00fclle versehen ist, wor\u00fcber sp\u00e4ter noch die Rede sein wird.\nDie Einsaugung der Feuchtigkeit durch die Zellen der Saamenh\u00fcllen u. s. w. geschieht auf jene Weise, welche gleich im Anf\u00e4nge dieses Theiles unter den Erscheinungen der Endosmose und der Exosmose n\u00e4her auseinandergesetzt wurden. So ist es denn auch zu erkl\u00e4ren, dafs einige * Saamen w\u00e4hrend des Keimens dem umgebenden Wasser *' einen Gehalt an Zucker mittheilen, wie es durch die Herren Edwards und Colin zuerst beobachtet worden ist.\nDie Menge der Feuchtigkeit, welche die Saamen zum Keimen bed\u00fcrfen, scheint bei verschiedenen Pflanzen sehr - verschieden zu sein ; einige gebrauchen nur \u00e4ufserst wenig und in anderen F\u00e4llen scheint es, als wenn die Feuchtigkeit des Saamens schon allein hinreichend ist, um die Keimung desselben, wenigstens die Verl\u00e4ngerung des Wiirzel-","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\nchen il. s. w. zu bewirken. So beobachtete Hr. Keith *) eine Eichel, welche auf einem trockenen Getreide-Boden lag und eine, mehrere Zoll lange Wurzel trieb, und bei den f Bohnen darf man nur die Cotyledonen befeuchten, so kommt das Wiirzelchen zur Entwickelung.\nDie erste Ver\u00e4nderung, welche der Saamen w\u00e4hrend des Keimens, gleich nach der Aufnahme des Wassers zeigt, wird in den Cotyledonen wahrgenommen, deren Substanz 4 weicher wird, oft eine leichte gr\u00fcnliche F\u00e4rbung annimmt und einen s\u00fcfslichen Geschmack zeigt. Hierauf erfolgt erst eine Verl\u00e4ngerung des W\u00fcrzelchen, welches den Bildungssaft aus den Cotyledonen erh\u00e4lt und dieses bricht durch die Mikropyle hervor, wobei die Saamenhiillen von dieser Stelle aus zerreifsen und den ganzen Embryo mit den Cotyledonen hervortreten lassen. Bei dem Saamen mit harten, steinartigen H\u00fcllen, welche meistens aus mehreren, * durch N\u00e4the aneinandergef\u00fcgten St\u00fccken zusammengesetzt sind, bedarf es schon einer bedeutenden Gewalt um dieselben zu sprengen, daher liegen diese Saamen auch durchg\u00e4ngig sehr lange in der Erde, bis die Cotyledonen durch die eingesaugte Feuchtigkeit so stark anschwellen, dafs sie die N\u00e4the auseinander sprengen. Die Cocos-Palme zeigt bei dem Keimen ihrer Saamen \u00e4ufserst merkw\u00fcrdige Erscheinungen, welche zugleich erkl\u00e4ren m\u00f6chten, wefshalb ! diese Palmen in unseren Gew\u00e4chsh\u00e4usern so \u00e4ufserst selten lange Jahre hindurch aushalten. Das junge Pfl\u00e4nzchen, welches aus der Cocos-Nufs hervorgekeimt ist, lebt wohl 3 bis 4 Jahre hindurch von dem Eiweifsk\u00f6rper der Nufs, * welcher durch eine \u00fcberaus grofse Anzahl von zarten Ge-f\u00e4fsbiindeln, die in die H\u00f6hle der Nufs, nach allen Richtungen hineinragen, aufgesaugt wird. Dicht \u00fcber der Oefihung der Nufs treibt der Strunk des jungen Pfl\u00e4nzchen + seine Wurzeln, welche sich gr\u00f6fstentheils zwischen der Nufs und dem faserigen Pericarpium hinziehen und sich\n*) On the Con\u00e7\u00fbt, of Germination ete. \u2014 The London and Edinburgh Philos. Magazine and Journal of Sc. Vol. VIII. pag.491.","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"321\nendlich durch Letzteres hindurchdr\u00e4ngen. Die Wurzeln des zweiten Kreises, welcher sich \u00e4ufserlich um den er-steren anlegt, dringen schon fr\u00fcher in das faserige Peri-carpium, und kommen endlich zur Oberfl\u00e4che desselben hervor, wenn es durch 2\u20143 und 4j\u00e4hrige Einwirkung der Feuchtigkeit etwas locker geworden ist. Ist die Einwirkung der W\u00e4rme und der Feuchtigkeit nicht stark genug, so dafs die Wurzeln des Pericarpium nicht durchbrechen k\u00f6nnen ; so mufs das Pfl\u00e4nzchen endlich eingehen, sobald der Eiweifsk\u00f6rper der Nufs vollkommen aufgezehrt ist. Die harte Nufs h\u00e4lt sich wahrscheinlich noch eine lange Reihe von Jahren in der Erde.\nObgleich wir vorhin kennen gelernt haben, dafs die Keimkraft der Saamen durch hohe Temperaturen zerst\u00f6rt wird, so hat man doch neuerlichst mehrfach in Erfahrung gebracht, dafs das Keimen der Saamen oftmals durch blo-fses Abbr\u00fchen mit kochendem Wasser auffallend bef\u00f6rdert wird. Herr Henslow *) hat \u00fcber diesen Gegenstand mit Capischen Akacien-Saamen Versuche angestellt, welche jene Annahme in jeder Hinsicht best\u00e4tigen; es wurden die Saamen in kochendes Wasser gelegt, welches man entweder sogleich abk\u00fchlen liefs, oder verschiedene Zeitperioden hindurch kochend erhielt, die H\u00e4lfte dieser Saamen wurden sogleich ges\u00e4et, die andere H\u00e4lfte liefs man dagegen 3 \u2014 4 Tage hindurch liegen und legte sie dann ein. Die Resultate waren folgende: Ein Saame von der ersteren H\u00e4lfte, welche man gleich s\u00e4ete, der Minute gekocht hatte, schlug ganz fehl, aber einer von den nicht gekochten schlug auch fehl. Der Saame, weicher 3 Minuten gekocht hatte, keimte in 14 Tagen, der welcher 6 Minuten gekocht hatte, keimte in 13 Tagen. Von den Saamen der anderen H\u00e4lfte, welche 3 \u20144 Tage nach dem Kochen liegen geblieben war, keimte der eine, welcher 1| Minute gekocht hatte in 8 Tagen, derjenige, welcher 3 Minuten gekocht hatte, keimte in 7 Tagen, und ebenso schnell der,\n*) Magaz. of natur. hist. Vol. IX. pag. 477. Me y en. Pfl. Physiol, II.\n21","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322\nwelcher 6 Minuten in kochendem Wasser gehalten worden war. Ein Saame, welcher 15 Minuten gekocht hatte, keimte in 13 Tagen, und einige andere Saamen, welche in kochen- -des Wasser gelegt waren und sich darin abgekiihlt hatten keimten erst in 9 Tagen, dagegen die ungekochten erst in 21 Tagen keimten.\nIndessen man glaube ja nicht, dafs die so eben angegebenen Resultate f\u00fcr alle Saamen gelten k\u00f6nnten; die * Amylum-haltenden Saamen mit zarten H\u00fcllen, wie unsere Getreide-Arten, halten eine so anhaltende Einwirkung der Temperatur des kochenden Wassers nicht aus; aber mit grofsem Vortheile m\u00f6chte das Abbr\u00fchen solcher Saamen anwendbar sein, welche reich an Oel und Eiweifs sind und dickere H\u00fcllen besitzen, ganz besonders, wenn diese Saamen alt geworden sind. Die ganze Einwirkung des kochenden W^assers auf die Bef\u00f6rderung des Keimens der i Saamen, beschr\u00e4nkt sich offenbar auf die Verst\u00e4rkung der Endosmose, welche durch die angewendete h\u00f6here Temperatur veranlafst wird; denn das kochende Wasser dringt durch die Zellen der alten eingetrockneten Saamen etwas schneller hindurch, als gemeines Wasser, und das schnellere Keimen derjenigen Saamen, welche mehrere Tage lang in der Luft liegen geblieben waren, liefse sich wohl dadurch erkl\u00e4ren, dafs nach dem Auskochen der Saa- J men der Zutritt des Sauerstoffes der atmosph\u00e4rischen Luft zu denselben n\u00f6thig geworden ist, was aber in der Erde nicht so schnell erfolgen kann.\nIch wiederholte jene Versuche \u00fcber den Einflufs des s kochenden Wassers auf die Keimkraft der Pflanzen-Saamen mit aller Vorsicht. Ich nahm die Saamen der Kresse, der rothen Winde (Ipomoea purpurea) und ausgesuchte gute Hafer-K\u00f6rner; bei jedem Versuche wurden 4 Saamen gleich- * zeitig in Anwendung gesetzt und sp\u00e4ter wurden sie s\u00e4mmt-lich bei gleicher Feuchtigkeit und gleicher W\u00e4rme dem Keimen ausgesetzt. Die Saamen, welche im Wasser lagen, bis dasselbe 80\u00b0 Temperatur erlangte, kamen nicht zum Keimen; diejenigen Saamen, welche nur 2 Sekunden lang","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"323\nin kochendes Wasser eingetaucht wurden, kamen sp\u00e4ter zum Keimen, oder sie keimten doch etwas langsamer, als solche Saamen, welche, ohne Ber\u00fchrung des kochenden Wassers, unter sonst gleichen Verh\u00e4ltnissen dem Keimen ausgesetzt waren. Der Hafer- und der Kressen-Saamen vertrugen am wenigsten die hohe Temperatur, sie keimten aber doch noch zuweilen, selbst wenn sie 15 Sekunden lang in kochendem Wasser gehalten waren. Alle \u00fcbrigen . Saamen der drei genannten Pflanzen keimten nicht mehr, wenn ich dieselben 5, 10, 15 und 20 Minuten lang gekocht hatte, wie es denn auch wohl nicht anders zu erwarten war.\n\u25ba Es ist schon eine alte Beobachtung, dafs sich die * St\u00e4rke und der Schleim der Saamen beim Keimen in einen zuckrigten Stoff um wandeln; man glaubte fr\u00fcher die Erscheinung durch eine blofse Oxydation erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen, indem man beobachtet hatte, dafs die Saamen Sauerstoff einsaugen. Andere waren der Meinung, dafs bei dem Keimen der Saamen eine Zersetzung des Wassers vor sich gehe, doch De Saussure*) zeigte schon, dafs durchaus kein Grund vorhanden w\u00e4re, aus welchem man auf F eine Wasserzersetzung durch das Keimen der Saamen schlie-fsen k\u00f6nne, und die neueren Untersuchungen haben \u00fcber diesen Gegenstand viel Licht verbreitet.\nDie Beobachtungen haben nachgewiesen, dafs bei dem !- Keimen der Saamen Feuchtigkeit, Sauerstoff und etwas Stickstoff aufgenommen werden, und dafs daf\u00fcr Kohlens\u00e4ure ausgehaucht wird ; die Stoffe, welche in dem Saamen aufbewahrt werden, haben wir kennen gelernt, und es 1 bleibt uns jetzt die Nachweisung der Ver\u00e4nderungen \u00fcbrig, welche diese Stoffe w\u00e4hrend des Keimens zeigen. Kirchhoff hat die wichtige Entdeckung gemacht, dafs Pflanzen-Leim und Pflanz en-Eiweifs in Verbindung als Beccaria\u2019s Gluten, unter Mitwirkung von W\u00e4rme und Wasser einen h\u00f6chst merkw\u00fcrdigen Einflufs auf die St\u00e4rke aus\u00fcben. Man ver-\n*) Chemische Untersuchungen etc. pag. 13 \u201415.\n21*","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324\nmischt 2 Theile St\u00e4rke mit 4 Theilen Wasser und giefst unter best\u00e4ndigem Umr\u00fchren 20 Theile kochendes Wasser dazu, wodurch die Masse kleisterartig wird; hiezu setzt man einen Theil fein gepulverten Gluten und l\u00e4fst das Ganze, bei 50 \u2014 75\u00b0 W\u00e4rme, 8 Stunden lang stehen. Schon nach 2 Stunden sagt Herr v. Berzelius *) hat die Consistenz dieser Fl\u00fcssigkeit abgenommen, was nachher schnell fortf\u00e4hrt, so dafs die Fl\u00fcssigkeit d\u00fcnnfl\u00fcssig, klar und siifs wird, und dabei einen Theil der St\u00e4rke in Gummi und ein anderer Theil in Zucker verwandelt worden ist. Diese Erscheinung erkl\u00e4rte schon die Zuckerbildung bei der Bereitung des Malzes, indem in der keimenden Gerste der Gluten auf die St\u00e4rke wirkt. Die Umwandlung der St\u00e4rke in Gummi und in Zucker geschieht jedoch noch auf verschiedenen anderen Wegen, welche ich hier ebenfalls auff\u00fchre, um dadurch um so leichter eine Einsicht in den Vorgang bei diesem Prozesse zu gewinnen.\nSp\u00e4ter wurden De Saussure\u2019s **) wichtige Beobachtungen bekannt, nach welchen die St\u00e4rke, nachdem sie mit Wasser zu einem Brei gemacht ist, bei einer Temperatur von 16 \u2014 20\u00b0 R., sei sie mit der Luft in Ber\u00fchrung oder ohne dieselbe, allm\u00e4lich in Zucker und Gummi umgewandelt wird, auch bildet sich dabei ein im kochenden Wasser unl\u00f6slicher, dem Holzstoff der Pflanzen \u00e4hnlicher Stoff, welcher sich durch Jodine blau f\u00e4rbt und St\u00e4rke - artiger Holzstoff genannt wird. Die umgebende Luft wird dabei in solcher Art und so gering ver\u00e4ndert, dafs sie selbst bei jener Umwandelung der St\u00e4rke in Zucker keinen Antheil haben kann. Die St\u00e4rke wird aber auch durch anhaltendes Kochen mit verd\u00fcnnten S\u00e4uren zuerst in Gummi und dann in Zucker umgewandelt, wobei weder eine Gas-Entwickelung noch eine Ver\u00e4nderung der umgebenden Luft stattfindet, ja auch die angewendete S\u00e4ure wird hiebei nicht\n*) Pflanzen-Chemie, pag. 373.\n\u00a5\u00a5) Philos. Trans, of the R. Soc. of London for 1819. Frei bearbeitet in Gilbert\u2019s Annal. 1820. 2tes St\u00fcck.","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"325\nzersetzt, sondern die St\u00e4rke allein ver\u00e4ndert ihre Zusammensetzung.\nSeit einigen Jahren glauben franz\u00f6sische Chemiker in keimenden Saamen, keimenden Wurzelknollen u. s. w. einen besonderen Stoff entdeckt zu haben, welchem man die Umwandelung des Amylum\u2019s in Gummi und in Zucker w\u00e4hrend des Keimungsaktes zuschreiben m\u00fcsse, und man nannte diesen Stoff Diastase. Die Darstellung der Diastase nach Payen geschieht aus frisch gekeimter Gerste, welche, ungef\u00e4hr mit der H\u00e4lfte Wasser in einem M\u00f6rsel zerquetscht und stark ausgeprefst wird. Die abfliefsende Fl\u00fcssigkeit enth\u00e4lt die unreine Diastase, welche durch Alkohol gef\u00e4llt und durch mehrmaliges Aufl\u00f6sen und abermaliges F\u00e4llen gereinigt wird. Die Diastase wird in warmer Luft bei\n45___55\u00b0 R. getrocknet und in Pulverform aufbewahrt.\nDas Malz enth\u00e4lt\tbis h\u00f6chstens x\u00a52\u00f6\u00f6 dieses Stoffes.\nAuf unver\u00e4nderte Amylum-K\u00fcgelchen \u00e4ufsert die Diastase jedoch bei 20 \u2014 26\u00b0 C. W\u00e4rme keinen besonderen Einflufs, wird aber eine h\u00f6here W\u00e4rme dabei in Anwendung gesetzt, so wird das Amylum in Kleister umgewandelt und auf diesen zeigt sich die Wirkung der Diastase h\u00f6chst auffallend. Nach Guerin\u2019s Angaben geben lOOTheile Amylum in 1393 Theilen Wasser gel\u00f6st und mit 12,25 Theilen Diastase vermischt, welche in 367 Theilen Wasser gel\u00f6st sind, schon bei einerW\u00e4rme von 20\u00b0 in Zeit von 24 Stunden gegen 77,64 Theile Zucker.\nEine \u00e4hnliche Einwirkung auf das gel\u00f6ste Amylum, hat aber schon Kirchhoff an dem Gluten Beccaria\u2019s entdeckt, und allem Anscheine nach ist die Diastase nichts Anderes, als eine, durch die Vegetation bei der Keimung bewirkte geringe Ver\u00e4nderung von Pflanzen-Leim und Pflanzen-Eiweifsstoff, gleichsam eine Abart derselben; aber es w\u00e4re besonders wiinschenswerth, dafs man recht bald die genaueste Untersuchung der Diastase anstellen m\u00f6chte.\nDa diese Umwandelung des Amylum\u2019s in Gummi und in Zucker, durch S\u00e4ure und durch Diastase, in der Luft, wie im luftleeren Raume, und ganz ohne Absorbtion oder","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326\nEntwickelung von Gasen vor sich geht, so ist die Erscheinung nach den bisherigen chemischen Theorien nicht zu erkl\u00e4ren, und so wurde Herr v. Berzelius *) durch diese, wie : durch mehrere andere Erscheinungen veranlafst, die wirkende Th\u00e4tigkeit, welche derselben zum Grunde liegt, n\u00e4her zu bestimmen. \u201eEs ist ausgemacht, sagt der grofse Chemiker, dafs viele, sowohl einfache, als zusammengesetzte K\u00f6rper, in fester sowohl, als in gel\u00f6ster Form, die Eigenschaften # besitzen, auf zusammengesetzte K\u00f6rper einen, von dem der chemischen Verwandtschaft durchaus verschiedenen Einflufs ausiiben, wobei sie in dem K\u00f6rper, auf welchen sie einwirken, eine Versetzung der Bestandteile in andere Verh\u00e4ltnisse hervorbringen, ohne dafs sie selbst mit ihren Bestandteilen an dem neuen K\u00f6rper notwendig Theil zu nehmen brauchten, wenn dieses auch bisweilen der Fall sein sollte.\u201c Die Zersetzung der Materie durch die be- -zeichnete Kraft nennt Herr v. Berzelius Katalyse, und er m\u00f6chte diese katalytische Kraft, als eine eigene Art der Aeufserungen der Materie in electrochemischer Hinsicht ansehen.\nWenden wir die vorgetragene Theorie auf die Erscheinungen des Keimungs-Aktes an, so m\u00fcssen wir sagen, dafs der Gluten, Pflanzen-Leim und Pflanzen-Eiweifs, oder die Diastase bei dem Keimen der Amylum-haltigen Saa- j men auf das Amylum einwirkt und die Umwandelung desselben in Gummi und in Zucker veranlafst. Noch vor einigen Jahren glaubte man auf diese Weise die Erscheinungen, welche das Keimen der Saamen darbietet, * auf das gl\u00e4nzendste erkl\u00e4rt zu haben, indessen heutigen Tages erheben sich gegen jene Erkl\u00e4rung die zahlreichsten Ein w\u00fcrfe.\tWir wissen gegenw\u00e4rtig, dafs die\nDiastase nur das aufgel\u00f6ste Amylum zersetzt oder viel- * mehr ver\u00e4ndert, und ferner l\u00e4fst sich die Erkl\u00e4rung nicht\n*) Einige Ideen \u00fcber die, bei Hervorbringung organischer Verbindungen in der lebenden Natur bisher nicht beobachtete, mitwirkende Kraft. \u2014 In Schumacher\u2019s Jahrbuch f\u00fcr 1836. Stuttgart und T\u00fcbingen 1836 pag. 88 \u2014 97.","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"327\nauch auf die Oel-haltenden Saamen anwenden, welche meistens gar kein Amylum enthalten und bei dem Keimen ebenfalls Zucker und Schleim entwickeln.\nDie neuesten chemischen Untersuchungen von Amylum, t Gummi und Zucker haben indessen gelehrt, dafs diese Stoffe isomerisch sind, d. h. in ihrer elementaren Zusammensetzung gleich, und wenn wir die Analysen dieser Stoffe neben einander stellen, als von:\nWasserfreiem Rohrzucker. Milchzucker. Trauben-Amylum.\tzucker \u00a5).\n(Maass)\t(M.)\t(M.)\t(M.)\nKohlenstoff 44,00=12 44,78=12 45,45=12 37,37 = 12 I\tWasserstoff 6,64 = 20 6,40=22 6,06=24 6,78 = 28\n1\tSauerstoff 49,33 = 10 48,82=11 48,49=12 56,51 = 14\nso sieht man, dafs Amylum am wenigsten Wasser, Rohrzucker und Milchzucker etwas mehr und Traubenzucker am meisten Wasser enth\u00e4lt. Im Vorhergehenden haben wir aber auch kennen gelernt, dafs Amylum schon durch anhaltendes Kochen in Gummi und in Traubenzucker verwandelt werden kann. Bei der Bereitung des Zuckers aus Amylum durch Schwefels\u00e4ure, geben 10 Theile Amylum nach De Saussure\u2019s Untersuchungen 11 Theile Zucker, woraus schon folgt, dafs das Wasser mit in die neue Verbindung \u00fcbergegangen sein mufs. Eben so ist es bekannt, dafs auch der Rohrzucker durch anhaltendes Kochen etwas mehr hydratisirt wird, und eben dasselbe hat auch Malagutti bei der Einwirkung von verd\u00fcnnten S\u00e4uren auf den Rohrzucker wahrgenommen, weicher dabei immer in Traubenzucker verwandelt wird. Dadurch wird es aber auch erkl\u00e4rlich, dafs der Zucker in allen s\u00e4uerlichen Fr\u00fcchten immer als Traubenzucker auftritt, indem die S\u00e4ure der Fr\u00fcchte allm\u00e4lich den Rohrzucker darin umwandelt. Ist die Einwirkung der S\u00e4ure auf den Zucker noch anhaltender, so wird der Traubenzucker wieder dehydratisirt und in Humuss\u00e4ure umgewandelt, was man ebenfalls k\u00fcnst-\n*) S. Mitscherlich\u2019s Lehrbuch der Chemie. 3te Aufl. h Pag<","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328\nlieh nachmachen kann. Somit komme ich hier auf den sehr wichtigen Gegenstand zur\u00fcck, auf welchen schon pag. 141 aufmerksam gemacht wurde, da Humus und Humuss\u00e4ure als die Nahrungsstoffe der Pflanzen dargestellt wurden, welche mit dem rohen Saftef dem Wasser des Bodens, aufgenommen werden, und also auch leicht in die verschiedenen assimilirten Nahrungsstoffe umgewandelt werden k\u00f6nnen, indem sie meistens nur dem Wassergehalte nach, unter sich verschieden sind. Bei der k\u00fcnstlichen Nachbildung einiger der assimilirten Nahrungsstoffe der Pflanzen, als des Schleimzuckers, Traubenzuckers und des Gummi\u2019s, da steht den Chemikern bis jetzt nur die chemische Bindung von Wasser in der Gewalt, aber die R\u00fcckbildungen des Zuckers in Gummi oder in Amylum sind noch nicht bekannt, doch bei der Darstellung der Humuss\u00e4ure aus dem Rohrzucker gelingt es sowohl die chemische Bindung des Wassers, als auch die Entziehung des Wassers zu bewirken.\nIn dem Mitgetheilten m\u00f6chte aber auch unsere ganze Kenntnifs von den Vorg\u00e4ngen bei dem Ern\u00e4hrungs- und Bildungs-Prozesse der Pflanzen bestehen, schon \u00fcber die Bildung der Stickstoff-haltigen K\u00f6rper, als des Pflanzen-Leims und des Pflanzen-Eiweifs wissen wir noch nichts, ja es sind meistens noch nicht einmal die Analysen dieser Stoffe ausgef\u00fchrt. Besonders wichtig w\u00e4ren die Vorg\u00e4nge bei der Bildung der Pflanzen-Faser oder der Pflanzen-Membran n\u00e4her zu kennen, da eben diese das Ger\u00fcste der Pflanzen bilden, worin alle \u00fcbrigen Stoffe aufgespeichert sind. Die Pflanzen-Membranen sind bei verschiedenen Pflanzen und in verschiedenen Theilen einer und derselben Pflanze sehr verschieden, doch kennen wir diese Verschiedenheiten nur in physikalischer Hinsicht. Diese Verschiedenheiten zwischen den Membranen der Baumwolle, des Flachses, des Hanfes, der Holzfaser und Rinden-faser u. s. w. verglichen mit der zarten Zellen-Membran der fleischigen Gew\u00e4chse, sind allgemein bekannt, und wenn erst eine hinreichende Menge von chemischen Ana-","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"329\nlysen dieser Stoffe vorhanden sein wird, dann wird man wohl auch die Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung derselben erkennen, und wahrscheinlich werden auch diese Verschiedenheiten nur als Abarten eines Hauptstoffes erkannt werden. So viel die verschiedenen, schon gegenw\u00e4rtig vorhandenen Analysen von dergleichen Substanzen ergeben, so scheint diese Verschiedenheit haupts\u00e4chlich in dem Quantum des Kohlenstoffes zu bestehen. Indessen \u00fcber die Zusammensetzung der Zellen-Membran k\u00f6nnen wir eigentlich noch gar nicht sprechen, denn wir besitzen, bis zum heutigen Tage, nur sehr wenige, eigentlich noch gar keine Analyse der Art, wo die vollkommen reine Membran zur Untersuchung angewendet ist. Auch geh\u00f6rt es gewifs zu den schwierigsten Aufgaben die Zellen-Membranen und die Spiralr\u00f6hren der Pflanzen vollkommen rein zur Analyse darzustellen; die Zellen m\u00fcssen zuerst frisch zerrieben und auf den verschiedensten Wegen von denjenigen Stoffen gereinigt werden, welche in ihrem Inneren enthalten waren. Sp\u00e4ter miifste man die zur\u00fcckgebliebene Masse trocknen, sehr fein pulvern und dann abermals alle Reinigungs-Versuche anstellen. H\u00f6lzer, deren Zellen-Membranen mit besonderen Pigmenten gef\u00e4rbt sind, darf man zu diesen Untersuchungen nur vergleichungsweise gebrauchen. Weder das trockene Mark der B\u00e4ume noch das Stroh der Gr\u00e4ser ist hinreichend rein um die gew\u00fcnschten Resultate geben zu k\u00f6nnen, ja nicht einmal der Hanf und die weifse Baumwolle k\u00f6nnen richtige Resultate geben, wenn sie nicht vorher auf die angegebene Wreise behandelt worden sind.\nBisher zeigten die chemischen Analysen der H\u00f6lzer, der Rinden und \u00fcberhaupt aller der verschiedenen Pflan-zentheile, welche aus Zellen-Membranen zusammengesetzt sind, nur Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, und zwar waren die Proportionen, in welchen diese beiden letzteren Stoffe auftreten, von der Art, dafs man ihr Vorkommen als Wasser in Verbindung mit Kohle vermuthen konnte. Wenn man diese Analysen mit der Analyse des Amylum's","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330\nverglich, so konnte man die Membranen der Pflanzen, als gebildet aus Amylum durch mehr oder weniger starke Carbonisation betrachten. Ja die Analysen der Baumwolle . und des trockenen Weidenholzes nach Ure, geben sogar nur sehr geringe Verschiedenheiten in der Zusammensetzung dieser Stoffe und der des Amylum\u2019s.\nIch setze hier die Resultate der Analysen verschiedener Holzarten neben die Analyse des Amylums, um auf diese *\nWeise den Grad der st\u00e4rkeren Carbonisation in den verschiedenen Holzarten vor Augen zu stellen. Es enthalten :\n\tAmylum.\tEichen-\tBuchen-\tFichten-\tWeiden-\n\t\tholz.\tholz.\tholz.\tholz.\n\tn.\tGay-Lussac u. Th\u00e9n.\t\tn. Herrm.\tn. Prout\nKohlenstoff .\t44,00\t52,53\t51,45\t45,75\t49,80\nSauerstoff . .\t49,33\t41,78\t42,73\t47,57\t44,62\nWasserstoff .\t6,64\t5,69\t5,82\t5,50\t5,58\nInteressant ist die Zusammenstellung der Analysen ' verschiedener H\u00f6lzer und Rinden, welche Herr De Candolle *) mitgetheilt hat, besonders um zu zeigen, wie verschieden der Gehalt an Kohlenstoff bei jenen Gebilden ist. Man erlangt dergleichen Resultate schon durch einfache chemische Operationen, n\u00e4mlich durch Verbrennen jener Stoffe mit Kupferoxyd. In manchen F\u00e4llen, wie z. B. bei der Eiche hat man mehr Kohlenstoff in dem Holze, als in der Rinde gefunden, w\u00e4hrend bei der Buche * das umgekehrte Verh\u00e4ltnifs stattfindet, und die Rinde der Birke und die des Korkes zeigen einen h\u00f6chst aufMlend starken Kohlengehalt. Es enthalten an Kohlenstoff und Wasser oder dessen Elemente:\t*\n\tRinde\tRinde d. Eiche, d. Buche.\t\tRinde d. Birke.\tPalmmark\tStroh.\nKohlenstoff\t51,04\t52,22\t62,12\t51,56\t52,00\nWasser . . .\t49,96\t47,78\t34,00\t48,47\t48,00\t4\nUebersch\u00fcssiges Wasserstoffgas 3,88 (?)\nAlle diese Untersuchungen sind von Gay-Lussac und Th\u00e9nard angestellt. Der Kork besteht nach Chevreul aus\n*) Phys. v\u00e9get. I. 154","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"331\nKohlenstoff . 64,94 Wasser .\t. 30,92\nWasserstoff .\t4,06 (?)\nAm Ende dieses Buches, wenn von dem Vorkommen der anorganischen Stoffe in den Pflanzen die Rede sein wird, dann werden wir noch die Zusammensetzung der Zellen-Membran und der Spiralfaser nach neuen Untersuchungen kennen lernen, und zugleich den Antheil n\u00e4her er\u00f6rteren, welchen, wie manche Gelehrte zu glauben geneigt sind, gewisse anorganische Stoffe bei der Bildung jener Elementarorgane nehmen, durch die das Ger\u00fcste der Pflanzen dargestellt wird.\nBei k\u00fcnftigen Untersuchungen der Art kann man die gegenw\u00e4rtigen Erfahrungen der Pflanzen-Anatomen in Anwendung setzen. Es scheint, als wenn die Zellen-Membran im Allgemeinen und der Holzstoff, durch welchen die Zellen-Membran jene H\u00e4rte und Eigent\u00fcmlichkeit des Holzes erh\u00e4lt, zwei sehr verschiedene Stoffe sein k\u00f6nnen. In allen Pflanzen, erscheint die Zellen-Membran bei ihrem ersten Auftreten sehr d\u00fcnn und zart, bei vielen Pflanzen bleibt dieselbe fast immer in diesem Zustande, bei einigen verdickt sie sich durch Anlagerung neuer Schichten, bei anderen verdickt sie sich auf eine \u00e4hnliche Weise, und wird von einer Substanz durchdrungen, welche diese Membranen verholzen. Die Verholzung der Zellenw\u00e4nde besteht nicht blofs in der Verdickung derselben, denn die Bastr\u00f6hren sind oftmals noch viel dicker und sind dennoch weich und biegsam; sehr weich sind sie bei den Asclepiadeen und Apocyneen. Dagegen giebt in anderen F\u00e4llen die Verdickung der Membranen der Zellen denselben eine steinartige H\u00e4rte, wie sie an den verdickten Parenchym-Zellen in schlechten Winterbirnen zu finden ist; doch hat man keinen Grund diese Verh\u00e4rtung mit der Verholzung zusammenzustellen. Die Substanz, welche die zarte Zellen-Membran verholzt, durchdringt dieselbe in allen ihren Theilen; man hat sie als einen besonderen Holzstoff darzustellen gesucht, doch die mikroskopische","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332\nUntersuchung giebt hiezu keine Veranlassung. Die verholzte Membran erscheint eben so einfach und gleichm\u00e4-fsig, als die unverholzte, aber meistens etwas dicker, und Spr\u00f6digkeit ist eine besondere Eigenthiimlichkeit derselben.\nGanz neuerlichst hat Herr Reade *) mehrere Analysen bekannt gemacht, wonach sogar die Spiralgef\u00e4fse und die Zellen auffallend verschiedene chemische Zusammensetzung zeigen sollen. Es wurden aus den Wurzeln der Hyacinthe die Spiralgef\u00e4fse von dem umgebenden Zellengewebe durch blofses Reiben mit den Fingern getrennt, und dann wurde das Zellengewebe der Wurzel und die Spiralr\u00f6hren, jedes f\u00fcr sich allein der Analyse unterworfen, welche H. Rigg ausf\u00fchrte. Hiernach zeigten ;\nSpiralgef\u00e4fse und Zellengewebc.\nKohlenstoff 41,8\t\u2014\t39,2\nWasserstoff 1,1 Sauerstoff 7,14 Stickstoff 4,3\t\u2014\t3,9\nWasser\t51,8\t\u2014\t48,5\nResiduum 1,\t\u2014\t1,0\n100 100\nWurden die Stoffe ohne vorhergehende Trennung in Spiralgef\u00e4fse und Zellengewebe (Fiber und umkleidende Membran, wie sich Herr Reade unrichtig ausdr\u00fcckt) ana-lysirt, so zeigte sich Wasserstoff und Sauerstoff im gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnisse des Wassers. Die Spiralgef\u00e4fse allein sollen jedoch freies Wasserstoffgas besitzen und das Zellengewebe freies Sauerstoffgas. Auch will man gefunden haben, dafs die Blumenkrone der Hyacinthe einen Ueberschufs von freiem Sauerstoffgas zeige, das Pistill und der Pollen dagegen reicher an Wasserstoff sei, was man durch das Vorherrschen der Spiralgef\u00e4fse in diesen und durch Vorherrschen von Zellengewebe in jenen Thei-len erkl\u00e4ren m\u00f6chte. Diese Erkl\u00e4rung ist jedoch ganz\n*) On the chemical Compos, ol Veget. Membrane and Fibre; wich a Reply to the Objections of Prof. Henslow and Lindley. The London and Edinb, Philos. Magaz. etc. Nov. 1837. pag. 421.","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"333\nunrichtig. Ferner wurden Bl\u00fcthenschafte von Hyacinthe\u00bb, welche im Wasser gewachsen waren, auf folgende Weise analysirt; man trennte die Epidermis von dem saftigen Zellengewebe, und dieses von dem festen Strange von R\u00f6hren und Fibern (!), welcher die haupts\u00e4chlichste St\u00fctze des Schaftes ausmacht, so wie auch die Spiralgef\u00e4fse von der inneren Fl\u00e4che jenes hohlen Stranges. Die Analysen ergaben f\u00fcr:\n\tKohlen- stoff.\t| Wasser-I Stoff.\tj Sauer-| Stoff.\tStick- stoff.\t| Wasser.\t| Residuum\nX)ie Epidermis .\t41,7\t_\t2,0\t4,0\t50,8\t1,5\nDas Zellengewebe unter der Epidermis . . .\t41,8\t\t2,1\t4,1\t50,5\t1,5\nDie l\u00e4ngerenZel-len (ducts and fibre), welche b\u00fcndelf\u00f6rmig durch das Zellengewebe verlaufen \t\t39,2\t0,5\t\t3,7\t55,6\t1,0\nDie Spiralgef\u00e4fse .....\t35,8\t1.7\t\u2014\u00bb\t3,9\t58,1\t0,5\nAuch nach diesen Untersuchungen enthalten die Spiralgef\u00e4fse freien Wasserstoff und das Zellengewebe Sauerstoff, indessen obgleich auch noch mehrere andere Analysen angef\u00fchrt werden, nach welchen man zu \u00e4hnlichen Resultaten gekommen ist, so m\u00f6ge es doch erlaubt sein, an der Richtigkeit derselben < zu zweifeln. Es geh\u00f6rt erstlich zu den schwierigsten, bei der Hyacinthe sogar zu den unausf\u00fchrbaren Arbeiten, die Spiralgef\u00e4fse in so grofser Menge, und zwar vollkommen getrennt vom Zellengewebe darzustellen, als zu wirklichen Analysen n\u00f6thig sind. Auch zerreifsen die Spiralgef\u00e4fse bei der Hyacinthe und h\u00f6chstens k\u00f6nnte man die Spiralfaser in reinem Zustande darstellen. Ferner wird durchaus gar nicht mitgetheilt, auf welche Weise man das Zellengewebe von den Substanzen","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\ngetrennt hat, die in den Zellen desselben enthalten sind, was aber durchaus n\u00f6thig ist, wenn man die Zusammensetzung der Zellen-Membran geben will.\nDie Bildung eines der Pflanzen-Membran \u00e4hnlichen Stoffes, ist der heutigen Chemie eigentlich noch nicht gegl\u00fcckt, wohl aber vermag die Kunst eine R\u00fcckbildung derselben in Gummi, in Zucker und zuweilen auch in einen Amylum-artigen Stoff zu veranlassen. Braconnot : hat schon die Entdeckung gemacht, dafs Holz, Stroh, Lumpen von Leinewand und Rinde in fein gepulvertem Zustande mit concentrirter Schwefels\u00e4ure \u00fcbergossen, allm\u00e4lich in Gummi umgewandelt werden, und wenn man dann die * Masse mit Wasser libergiefst und kocht, so bildet sich Traubenzucker. Diese Versuche zeigen wenigstens, dafs die Pflanzen-Membran mit Gummi und Amylum sehr nahe verwandt ist, was auch durch die Resultate der Analysen ^ best\u00e4tigt wird. Wenn man fein geraspeltes Holz mit kaustischem Kali zusammengl\u00fcht, so wird dasselbe, wie wir es schon fr\u00fcher kennen gelernt haben, in Humuss\u00e4ure umgewandelt; wenn man aber gr\u00f6fsere St\u00fccken in die gl\u00fchend heifse Masse hineinh\u00e4lt, darauf schnell in Wasser auslaugt und dann mit einer Jodl\u00f6sung bet\u00fcpft, so wird man zuweilen bemerken, dafs mehr oder weniger grofse St\u00fccke des Holzes g\u00e4nzlich blau gef\u00e4rbt werden. An Kie- j fernholz habe ich diese Beobachtung zweimal gemacht und zugleich bemerkt, dafs die blaue F\u00e4rbung in sehr kurzer Zeit wieder verschwindet. Aus jener F\u00e4rbung ist aber zu schliefsen, dafs die Membranen des Holzes durch jene Einwirkung des Kali\u2019s in einen, dem Amylum \u00e4hnlichen Stoff umgewandelt worden war. In der Natur wird die gebildete Pflanzen-Membran nur in sehr seltenen F\u00e4llen zerst\u00f6rt ; aber die starre, verdickte und verholzte Membran wird niemals wieder aufgel\u00f6st.\nWir haben im Vorhergehenden kennen gelernt, dafs die organischen Prozesse in den Pflanzen, wodurch die Assimilation und die Ern\u00e4hrung vor sich gehen, in einem best\u00e4ndigen Wechseln und Um\u00e4ndern der Verh\u00e4ltnisse be-","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"335\nstehen, in welchen die Elementarstoffe der aufgenommenen Nahrungsmittel befindlich waren, und alle diese Umwandelungen geschehen im Inneren der Zellen. Demnach ver-anlafst das Leben der Pflanzen, welches sich auch in jeder einzelnen Zelle derselben, als eine, fiir sich bestehende Th\u00e4tigkeit darstellt, wahre chemische Prozesse, welche sich bald durch mannigfache Zersetzungen und Bildung neuer Verbindungen nachweisen lassen, bald in blofser Umgestaltung der Proportionen der schon vorhandenen Stoffe bestehen. Ueberall sehen wir bei diesen Vorg\u00e4ngen die Wirkung chemischer Kr\u00e4fte, aber das Leben des Individuums, oder der organische Prozefs in demselben, l\u00e4fst alle diese chemischen Ver\u00e4nderungen nach einer gewissen Regel, bald langsamer, bald schneller vor sich gehen, ganz nach den periodischen Erscheinungen, welche das Leben eines jeden organischen K\u00f6rpers mehr oder weniger auffallend zeigt. Ja es zeigt sich das Leben der Pflanze bei dem Ern\u00e4hrungs-Prozesse, als eine Th\u00e4tigkeit, welche verm\u00f6gend ist, bestehende chemische Verbindungen aufzuheben, die einen Stoffe aus denselben zu diesen, die anderen zu jenen neueren Verbindungen hinzufiihren, woraus bei der Ern\u00e4hrung die einen angezogen, die anderen ab-gestofsen werden. Die ersteren dieser Stoffe bewirken durch verschiedenartiges Aneinanderreihen das Wachsthum der Pflanzen, die anderen stellen sich als Secrete und Excrete dar.\nDie Ern\u00e4hrung der Pflanzen und die der Thiere zeigt sich wegen der verschiedenen Structur dieser Organisationen sehr verschieden; bei den Thieren besteht dieselbe in einer best\u00e4ndigen Wiedererzeugung aller Theile durch die Kraft des Ganzen *), bei den Pflanzen dagegen, wo die, einmal vollst\u00e4ndig gebildeten Theile, welche das Ger\u00fcste der Pflanzen darstellen, dastehen, meistens ziemlich rigide sind und sich nicht wieder aufl\u00f6sen, sondern sich nur vergr\u00f6fseren oder verdicken k\u00f6nnen, da ist die Ern\u00e4hrung\n\u00a5) S. J. Muller\u2019s Physiologie des Menschen. 2te Auflage, pag. 346.","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336\nhaupts\u00e4chlich auf die best\u00e4ndige Erzeugung neuer Elementar-Organe gerichtet. So zeigt es sich denn auch in den Pflanzen so \u00e4ufserst deutlich, dafs die Ern\u00e4hrung in einer fortgesetzten Bildung neuer Theile besteht, wodurch sich das Wachsthum der Pflanzen dem Auge darstellt.\nDas Wachsen der Pflanzen \u00e4ufserst sich zun\u00e4chst unter folgenden wahrnehmbaren Erscheinungen. Bald sehen wir nur Vergr\u00f6fserung des Volumens, bald Vermehrung der Substanz, bald Vergr\u00f6fserung des Volumens mit Vermehrung der Substanz, und dieser letztere Fall m\u00f6chte wohl der allgemeinste sein, nur ist derselbe nicht immer zu erweisen. Wir sehen gar nicht selten, dafs die Zellenw\u00e4nde im jugendlichen Zustande weicher und dicker sind, als in einer sp\u00e4teren Zeit, man sehe z. B. die dicke Membran, welche die Spitzen der Endzeilen in den Aesten junger Charen bilden, wozu in Fig. 12 und 13 Tab. VII. die Abbildungen gegeben sind; besonders in letzterer Figur, bei der Zelle aa, siebt man die \u00fcberaus dicke Wand der Zelle in b. Eine solche Membran kann sich nat\u00fcrlich schon durch blofse Ausdehnung, sehr bedeutend vergr\u00f6-fseren, ohne dafs neue Substanz hinzuzutreten braucht. Auch in Fig. 8 Tab. VII. sehe man die \u00fcberaus dicken W\u00e4nde der j\u00fcngsten Charen-Schl\u00e4uche, welche sp\u00e4ter verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig so d\u00fcnn, wie in Fig. 7, 10, 11 u. s. w. auftreten. Gew\u00f6hnlich geschieht jedoch die Vergr\u00f6fserung der Membran, welche die verschiedenen Elementar-Organe der Pflanzen bildet, durch allm\u00e4liche Ausdehnung und Einschiebung von neuer Substanz ; und bald geschieht dieses allgemein, d. h. in allen Theilen der Membran eines Elementar-Organes, oder es geschieht nur partiell, d. h. an irgend einer besonderen Stelle derselben.\nDie Beobachtung lehrt, dafs bei der Bildung der Zellen-Membran in den Sporen der Algen, wie in dem Eiweifsk\u00f6rper der Saamen, ein Colliquesciren von K\u00fcgelchen und halbfester Masse geschieht, welche sich aneinandergereiht hatten; diese K\u00fcgelchen, welche h\u00e4ufig zum Theil aus Amylum bestehen, l\u00f6sen sich durch den orga-","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"337\nnischen Procefs in eine gleichm\u00e4fsigere Masse auf, welche sich mit dem umgebenden Schleime vereinigt und allm\u00e4lich zu der gleichm\u00e4fsigen Membran erh\u00e4rtet. Wir haben aber im ersten Theile dieses Buches kennen gelernt, dafs die f Zellen-Membran aus spiralf\u00f6rmig gewundenen Fasern besteht, welche bald mehr, bald weniger mit einander verwachsen auftreten, und ich habe daraus den Schlufs zu ziehen gewagt, dats die kleinen Theilchen der organischen s Materie, welche zur Bildung dieser Membranen benutzt werden, durch die organische Kraft der Pflanze stets in der Richtung einer Spirale aneinandergereiht werden und zu gleichm\u00e4fsigen Fasern verschmelzen, woraus dann die | Membran zusammengesetzt wird. Mein hochverehrter Lehrer, Herr Link, li\u00e2t meine Ansicht \u00fcber die Zusammensetzung der Zellen-Membran aus Spiralfasern eine Hypothese genannt, und glaubt, dafs man dieselbe eben sowohl umkehren k\u00f6nne und sagen, dafs die Membran im sp\u00e4teren Alter in Spiralfasern zerfalle. Doch ich glaube nicht, dafs ich \u00fcber diesen Gegenstand eine Hypothese vorgetragen habe, ich habe eigentlich nur die Beschreibung von Hunderten :jl von Beobachtungen dar\u00fcber gegeben, und diese erwiesen mir, dafs die Zellen-Membran aus Spiralfasern zusammengesetzt wird; umkehren kann man die Erkl\u00e4rung dieser Thatsache aber wohl schwerlich, denn z. B. in dem jungen Holze der Coniferen und Cycadeen sieht man ganz bestimmt, dafs die Membranen der langen Zellen bei ihrem ersten Auftreten ganz und gar aus Spiralfasern bestehen, welche noch nicht verwachsen sind und sich leicht auseinander ziehen lassen; in dem alten Holze dagegen sind jene Fasern mehr oder weniger ganz verwachsen und lassen sich nicht mehr auseinander ziehen, auch zerfallen sie nicht von selbst.\nEs ist im hohen Grade wahrscheinlich, aber noch nicht er-- wiesen, dafs die Spiralfasern aus welchen die Zellen-Membran zusammengesetzt wird, ebenfalls aus aneinandergestellten Molek\u00fclen bestehen, die aber, gleich bei der Zusammenstellung, miteinander verschmolzen wurden; sie sind nirgends Me y en. PH. Physiol. 11.","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nin den Fasern zu erkennen. Nur die breiten Fasern, welche die innere Schicht der Spiralfaser-Zellen des Oncidium altissimum darstellen, zeigen eine Zusammensetzung aus . kleineren l\u00e4nglichen K\u00f6rperchen, welche in Fig. 8 Tab. IV. des ersten Bandes abgebildet und in pag. 62 beschrieben sind. Ich habe diese einzelnen Glieder der Spiralfasern bald mehr bald weniger lang gesehen, jedoch in einer und derselben Zelle fast immer von gleicher L\u00e4nge. Es ist * mir gar nicht unwahrscheinlich, dafs sich diese Glieder der Spiralfaser bei der Vergr\u00f6fserung des Ganzen allm\u00e4lich ebenfalls verl\u00e4ngeren, und dann sich abermals theilen, so dafs auf diese Weise die Zahl der Glieder in einer solchen Spiralfaser immer gr\u00f6fser wird; in den \u00fcbrigen Spiralfasern ist dieses freilich noch nicht beobachtet worden, denn hier ist die Zusammensetzung der Faser aus kleineren Partikelchen nicht zu erkennen.\tI\nDer assimilirte Nahrungsstoff in den Zellen der Pflanze, welcher von der, sich vergr\u00f6fsernden Zellen-Membran angezogen wird, mufs offenbar zwischen die einzelnen kleinen Theilchen der urspr\u00fcnglichen Spiralfasern eingelagert werden, da man zu allen Zeiten die gr\u00f6fste Regelm\u00e4fsigkeit in der Structur der Zellen-Membran en erkennen kann. Diese Vergr\u00f6fserung der Zellen-Membran durch best\u00e4ndige Einlagerung hat aber \u00fcberall ihre Grenzen, und an solchen j Stellen der verschiedenen Pflanzen, wo die einzelnen Theile durch Erzeugung neuer Theile weiter fortwachsen, wie an den beiden Enden der Pflanzenachse, also nicht nur durch blofse Ausdehnung, da entsteht eine Theilung der End- i zellen, wenn dieselbe etwa die doppelte L\u00e4nge ihrer wahren Gr\u00f6fse erreicht haben. Die Endzeile von den durch Theilung hervorgegangenen zwei Zellen, vergr\u00f6fsert sich durch Einlagerung des aufgel\u00f6sten assimilirten Nahrungs- 4 Stoffes von Neuem, und wenn sie wiederum etwa die doppelte L\u00e4nge erreicht hat, so theilt sie sich ebenfalls.\n\u00bb\u25a0\nAuf diese Weise geschieht nun das Wachsthum der Pflanze; die Ablagerung des assimilirten N\u00e4hrstoffes geschieht haupts\u00e4chlich an den Endzeilen der einzelnen Theile, und die","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"339\nErn\u00e4hrung besteht hier in einer fortw\u00e4hrenden Erzeugung neuer Elementar-Organe, zu welchen jene assimilirte Nahrung selbst aus den entferntesten Theilen der Pflanze hingef\u00fchrt wird. Es ist zwar noch nicht durch unmittelbare Beobachtungen erwiesen, ob die Spiralr\u00f6hren auf eine \u00e4hnliche Weise wie die Zellen vergr\u00f6fsert werden, und sich dann durch Einschn\u00fcrungen mehr oder weniger vollkommen theilen, oder ob nicht an dem \u00e4ufsersten Ende der Stengelspitze wie der Wurzelspitze, die Spiralr\u00f6hre durch best\u00e4ndiges Fortwachsen der frei endenden Spiralfaser sich verl\u00e4ngert, was mir wenigstens ganz wahrscheinlich vorkommt. Ebenso m\u00f6chte ich die Theilung der gegliederten Spiralr\u00f6hren durch Abschn\u00fcrung annehmen, wenn man dieselben an jungen und an alten Theilen einer und derselben Pflanze vergleicht. Die Zellen von dergleichen Pflanzentheilen, welche sich durch best\u00e4ndige Erzeugung neuer Zellen verl\u00e4ngeren, sind fast immer mehr oder weniger von einem ziemlich undurchsichtigen, etwas tr\u00fcben Stoffe gef\u00fcllt, welcher ein sehr concentrirter Nahrungssaft zu sein scheint, der sowohl in den Pflanzen, wie bei den Thieren, immer in besonderer Menge dahin gef\u00fchrt wird, wo neue Bildungen vor sich gehen.\nDie doppelh\u00e4utigen Charen bieten in Bezug auf das Wachsthum der Zellen und die Entwickelung derselben vieles Interessante dar, was wegen der Durchsichtigkeit der jungen Exemplare sowie der Spitzen ausgewachsener Charen, gar leicht beobachtet werden kann. Der junge Quirl der Chara vulgaris zeigt sich in der Art, wie es Fig. 8 Tab. VII. darstellt; die dickh\u00e4utigen l\u00e4nglichen Zellen cd, ef, gh und ik sind die 4Aeste, welche hier die obere Fl\u00e4che des durchlaufenden Stengels oder Centralschlauches 1 umfassen. Auch dieser Centralschlauch ist von dicker Membran und ein Gr\u00f6fserwerden durch blofse Ausdehnung ist auch hier zu verfolgen. Bei m und n be-merkt man schon die Bildung von zarten Querw\u00e4nden, und in Fig. 7 Tab. VII. ist eine solche Spitze nach einem ausgebildeten Zustande dargestellt, wo die einzelnen Aestchen\n22 *","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\ndurch Theilung schon ganz und gar in kleine Zellen zerfallen sind; ja bei den Zellen n, n, n u. s. w. bemerkt man schon das Auftreten von L\u00e4ngsscheidew\u00e4nden. Nur in der Spitze von n bis m sind noch einige Scheidew\u00e4nde fehlend, denn diese Spitze erh\u00e4lt sp\u00e4ter die Form der Spitze, welche an dem Aestchen in Fig. 13 Tab. VII. dargestellt ist.\nDie Vermehrung der Zellen bei den Charen durch Entstehung von Querscheidew\u00e4nden und von Langssclieide-w\u00e4nden haben wir also in Fig. 8 und Fig. 7 kennen gelernt, aber die Bildung der Mutterzellen, welche sich auf der Oberfl\u00e4che des jungen Stengels befinden, wonach die Abbildung in Fig. 9 angefertigt ist, mufs man auf eine andere Weise zu erkl\u00e4ren suchen. Wir sehen, dafs die Substanz dieser Zellenw\u00e4nde bei ihrem ersten Auftreten sehr dick ist, und es scheint, als wenn diese Masse zur Bildung .einer neuen Lage von Zellen verwendet wird, welche die Mutterzellen darstellen. Dieser Stengel bildete das Internodium hinter dem zweiten Quirl der Pflanze und war noch sehr kurz, a b c d ist der \u00e4ufsere Umfang des ganzen Schlauches; ef, gh , ik, lm u. s. w. bilden einzelne Ab-theilungen auf der Oberfl\u00e4che, welche mit den Mutterzellen in den Antheren bei der Pollenbildung zu vergleichen sein m\u00f6chten. In diesen Mutterzellen zerf\u00e4llt die Substanz durch Bildung von Scheidew\u00e4nden in eine Anzahl von breiten Zellen, welche durch L\u00e4ngsscheidew\u00e4nde, wie bei. q, r, u. s. w. wieder in kleinere Zellen abgetheilt werden. Untersucht man eine grofse Anzahl von jungen Charen, so wird man alle Formen der Theilung jener Zellen beobachten, bis die Entstehung solcher Zellenreihen erkl\u00e4rlich wird, wie sie in Fig. 10 Tab. VII. dargestellt sind. Die Zellenreihe ab geh\u00f6rt hier der einen Mutterzelle zu, deren oberes Ende durch Inn angedeutet und auch noch zu erkennen ist, die Zellenreihe cd geh\u00f6rt dagegen der anderen Mutterzelle zu, deren Ende durch 111 angedeutet wird; und in den Winkel von Mn ragt die untere Spitze der Mutterzelle mmm hinein, ganz \u00e4hnlich wie es in Fig. 9","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"341\nzu sehen ist. In noch sp\u00e4teren Zeitr\u00e4umen verschwinde\u00bb alle Spuren von den gr\u00f6fseren Abtheilungen, welche ich hier Mutterzellen nannte, und die \u00e4ufsere Zellenschicht der Charen, welche durch best\u00e4ndige Theilung und A\u00fcs-\n*\tdehnung auf der oberen Fl\u00e4che des Centralschlauches entstanden ist, erh\u00e4lt ein Ansehen wie das in Fig. 11 Tab. VIL So aufserordentlich abweichend die Form und die Stellung der Zellen in dieser Abbildung und in jener von Fig. 9\n*\tist, so wird man doch durch Fig, 1.0 dar\u00fcber aufgekl\u00e4rt werden. Man versuche \u00fcberhaupt eine genaue Vergleichung der Form und Stellung der Zellen in Fig. 11 und in Fig. 10 anzustellen, denn es werden dabei mehrere sehr auffallende\nI Thatsachen klar werden. Zur Erleichterung dieser Vergleichung habe ich in beiden Figuren dieselben gleichbedeutenden Zellen mit gleichen Buchstaben bezeichnet. Die Zellenreihe ab Fig. 10 besteht aus den gr\u00f6feeren Zellen k, k, k und den dazwischen liegenden kleineren i, i, i; in Fig. 11 sind jene gr\u00f6fseren Zellen bei ab in der L\u00e4nge ausgedehnt, w\u00e4hrend die kleinen i, i, i, ganz dieselbe Gr\u00f6fso behalten haben, die sie in Fig. 10 zeigten. Zvvi-\nm sehen der Zellenreihe ab und der von cdFig. 11, liegen zwei andere Reiben, ef und gh von l\u00e4nglicheren Zellen, und diese sind entstanden aus den Zellen der Reihen e f und gh Fig. 10. Ob gleich die Form-Verschiedenheiten hier sehr 2-rofs sind, so kann man doch die Ver\u00e4nderungen nicht un-\nO\t7\nmittelbar wahrnehmen, indem sie zu langsam vor sich gehen, aber h\u00f6chst auffallend bleibt es immer, dafs bei dieser letzteren Ver\u00e4nderung, wodurch die Zellen in Fig. 11 aus jener von Fig. 10 hervorgehen, einzelne derselben, wie die von i, i, i in ihrer Gr\u00f6fse Zur\u00fcckbleiben, und wie endlich eine Uebereinstimmung in der Form aller Zellen hervorgeht, w\u00e4hrend dieselbe in Fig. 10 noch so sehr verschieden war. Die Abbildung in Fig. 11 ist nach\n_ einer, unter der Loupe getrennten Oberschicht der Chara vulgaris gemacht, und zwar von der inneren Fl\u00e4che aus gesehen, daher hier der schmale 4 seitige Raum (G 0, der jedesmal zwischen den Enden zweier langer Zellen.","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\neingekiammert ist, so deutlich hervortritt, w\u00e4hrend der elliptische Kreis, welcher das Viereck umzieht, schw\u00e4cher erscheint, indem derselbe den Umfang der Zellen auf der : oberen Fl\u00e4che dieser Zellenschicht andeutet, der in einer Warze besteht, welche etwas hervorragt, wie es in Fig. 13 bei den Zellen i, i zu sehen ist.\nDiese Vermehrung der Zellen durch Theilung beschr\u00e4nkt sich also nicht blofs auf Abschn\u00fcrung durch * Querw\u00e4nde, sondern die Theilung geschieht auch nach der L\u00e4nge der Zellen, also durch L\u00e4ngenw\u00e4nde; es wurde schon kurz vorher bei der Bildung der Zellen, welche die \u00e4ufsere Haut der Charen ausmachen, auf diese L\u00e4ngen-Theilung aufmerksam gemacht, aber am sch\u00f6nsten zeigt sie sich an dem langen Faden, welcher, als eine Fortsetzung des Embryo\u2019s von Tropaeolum majus \u00e4ufserlich, fast rund um den Saamen heruml\u00e4uft, anfangs nur aus -2 \u2014 3 langgestreckten Parenchym-Zellen-Reihen besteht, welche sich nach der Spitze hin immer mehr verl\u00e4ngeren und durch Abschn\u00fcrung neue Zellen bilden, wobei der Strang [aber auch best\u00e4ndig dicker wird und zuletzt wohl aus 20 neben 'einanderliegenden langgestreckten und saftreichen Zellen besteht, worin \u00fcberall die Rotations-Str\u00f6mungen zu sehen sind.\nUeber die Bildung der Zellen des Pflanzengewebes ward j schon vor langer Zeit hypothesirt, doch erst im gegenw\u00e4rtigen Decennio hat man diesen Gegenstand durch wirkliche Beobachtungen zu erforschen angefangen und diese Bem\u00fchungen sind auch mit dem besten Erfolge belohnt worden. Herr t Morren'*) hat zu zeigen gesucht, dafs er die Vermehrung der Zellen durch blofse Theilung zuerst beobachtet habe, und zwar an der niedlichen Aigen-Gattung Crucigenia, wo sich jeder vierte Theil bei der Vergr\u00f6fserung, oder vielmehr bei Fort- * Pflanzung wiederum in 4 kleinere Zellen theilt. Zwar habe ich die Crucigenia zu beobachten noch niemals Gelegenheit\n*) Bulletin de L\u2019Acad. royale des scienc. ete. de Bruxelles 1837 pag. 300.","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"343\ngehabt, aber bei Scenedesmus, einer Gattung, welche der Crucigenia zun\u00e4chst steht, habe ich die Vermehrung durch Theilung einer jeden einzelnen Zelle der Mutterpflanze sehr oft verfolgt, und hier kann man sehen, dafs die Bildung der neuen Zellen, woraus die k\u00fcnftige Pflanze besteht, eigentlich in einer Mutterzelle vor sich geht, deren Substanz sp\u00e4ter ganz verschwindet. Waren in der Mutterzelle nur 2 oder 4 Glieder (Zellen) gebildet, so vermehren sich diese sehr h\u00e4ufig durch nochmalige L\u00e4ngentheilung in die doppelte Zahl derselben. So m\u00f6chte es sich auch wohl bei Crucigenia verhalten, und dann w\u00e4re es kaum eine wirkliche Vermehrung der Zellen durch Abschn\u00fcrung. Dagegen hat Herr Morren *) die Bildung neuer Zellen, innerhalb der Mutterzelle, schon im Jahre 1830 an einer Palmella ganz vollst\u00e4ndig beobachtet; schade dafs jenes Pfl\u00e4nzchen nicht vollst\u00e4ndig systematisch bestimmt ist.\nSp\u00e4ter wurden Herrn v. Mirbel s Beobachtungen iibei die Bildung des Zellengewebes der Pflanzen bekannt ; es stellte dieser gelehrte Physiologe die Ansicht auf, dafs die Entwickelung des Zellengewebes \u00fcberhaupt auf dreifache Art vor sich gehen k\u00f6nne**). Erstens bilden sich die neuen Zellen auf der Oberfl\u00e4che der alten, und zweitens bilden sie sich zwischen den verbundenen W\u00e4nden der alten Zellen. Indessen ich glaube durch Beobachtungen zu der Annahme berechtigt zu sein, dafs diese beiden, scheinbar verschiedenen Bildungsweisen in eine zusammenfallen, indem n\u00e4mlich in beiden F\u00e4llen die Vermehrung der Zellen durch Theilung vor sich geht; ob diese Theilung durch Bildung von Querw\u00e4nden oder von L\u00e4ngswanden vor sieb geht, das ist ohne wesentliche Bedeutung, aber zwischen den verbundenen W\u00e4nden alter Zellen entstehen niemals neue Zellen, sondern die \u00e4lteren k\u00f6nnen sich theilen und auf diese Weise ihre Zahl nach allen Seiten hin vergr\u00f6fseren. Endlich, giebt Herr Mirbel an,\n*) B yd ragen tot de Natuurkundige Welenschappcn. V. pag.55.\n**) S.Mirbel, Rech, sur le Marchanda polyrnorpha. Note. pag.33>","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\ngeht die Entwickelung neuer Zellen auch auf der inneren Fl\u00e4che der W\u00e4nde \u00e4lterer Zellen vor sich, d. h. also in Mutterzellen, wie dieses bei der Bildung des Pollens schon vor l\u00e4ngerer Zeit bekannt war. Herr Mirbel erkannte schon, dafs die neuen Zellen, welche in Mutterzellen gebildet sind, nach dem Verschwinden dieser entweder mit einander vereint auftreten und ein zusammenh\u00e4ngendes Zellengewebe bilden, oder f\u00fcr ihre ganze Lebensdauer als getrennt \u00fcbrig bleiben. Letzteres findet z. B. bei der Bildung des Pollens statt, so wie bei den Sporen vieler cryp-togamischer Pflanzen; Ersteres dagegen bei der Bildung des Eiweifsk\u00f6rpers und in vielen anderen F\u00e4llen. Aber schon die Bildung des Pollens allein, bietet Beispiele f\u00fcr beide F\u00e4lle dar; man betrachte nur das Auftreten der einfachen und der zusammengewachsenen Pollenk\u00f6rner. Diese Bildung der Pollenzellen in besonderen Mutterzellen ist sp\u00e4ter durch Herrn v. Mirbel mit grofser Genauigkeit verfolgt, so dafs gegenw\u00e4rtig nur noch Weniges hinzuzuf\u00fcgen ist.\nm Jahr 1832 beobachtete Herr Dumortier *) die Vermehrung der Zellen durch wirkliche Theilung; sobald n\u00e4mlich die Endzeilen der Conferva aurea bedeutend l\u00e4nger geworden sind, als die darauf folgenden Zellen, so bildet sich in ihrem Inneren eine Scheidewand, wodurch aus der einen Zelle jedesmal zwei hervorgehen. Sp\u00e4ter wurde eine solche Vermehrung der Zellen durch Theilung von H. Morren **) an Closterien, und von H. Mohl an Conferva glomerata beobachtet; und gegenw\u00e4rtig ist die Zahl solcher Beobachtungen sehr vergr\u00f6fsert worden. H. Mohl ***) hat diesen Gegenstand sehr genau verfolgt; er beobachtete das Hervorsprossen der jungen Aeste der\n\u00a5) Recherches sur la structure compar\u00e9e et le d\u00e9veloppement des animaux et des v\u00e9g\u00e9taux. Bruxelles 1832. pag. 10.\n**) Sur les Closteries. \u2014 Ann. des scienc. nat. 1836. I. p. 281.\n***) Ueher die Vermehrung der Zellen durch Theilung. T\u00fcbing. 1835. Erschienen gegen Ende 1836.","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"345\nConferva glomerata, welche mit dem Utriculus des alten Conferven-Fadens noch immer in offenen Communicatio-nen stehen. Bei dem ersten Auftreten zeigen sich diese seitlich aussprossenden Aeste als blofse h\u00f6ckerige Protuberanzen, welche bis zur gew\u00f6hnlichen Schlauchl\u00e4nge aus-wachsen und sich alsdann abschn\u00fcren; hiebei zeigt sich zuerst eine Einschn\u00fcrung als eine ringf\u00f6rmige, in der Mitte durchbrochene Scheidewand, welche sich immer mehr ausbildet, bis endlich die neue Zelle von der alten vollkommen getrennt ist. Die neuentstandene Zelle ver-gr\u00f6fsert sich wieder und theilt sich abermals u. s. w.\nBei dieser Vermehrung der Zellen durch Theilung, welche so \u00fcberaus leicht und deutlich, sowohl bei den Conferven, als den Faden-Pilzen und den Charen zu beobachten ist, sind jedoch noch manche sehr beachtenswerte Erscheinungen zu er\u00f6rteren, welche der Deutung des Ganzen eine andere Richtung geben m\u00f6chten. Es wurde schon im ersten Theile pag. 167 das Auftreten der schleimigen H\u00fclle der Conferven er\u00f6rtert, welche von H. Mohl mit dem Namen der Intercellularsubstanz belegt worden ist; ich suchte schon damals nachzuweisen, dafs jene schleimige H\u00fclle von den Zellen selbst abgesondert werde, und dafs sie nicht zwischen den vereinigten W\u00e4nden der Con-ferven-Glieder gelagert ist, das kann ich gegenw\u00e4rtig auf das Bestimmteste angeben. Durch vielfache Beobachtungen \u00fcber die Abschn\u00fcrung der Zellen bei den Pilzen, Conferven und Charen geleitet, glaube ich, dafs man jene schleimige H\u00fclle der Conferven-F\u00e4den als eine Substanz ansehen kann, welche die Function der Mutterzellen in anderen F\u00e4llen versieht. Im Inneren dieses Mutterschlauches, welcher stets von der sich ausbildenden Zelle abgesondert und ausgedehnt wird, gehen die Theilungen der Zellen vor sich, und zwar kann man hiebei Folgendes ziemlich deutlich verfolgen. Die einfache Haut des Schlauches, welche \u00e4ufserlich noch von der schleimigen Mutter-H\u00fclle umgeben wird, schn\u00fcrt sich an einer bestimmten Stelle ein und bildet eine Falte mit vollst\u00e4ndig doppelter","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346\nMembran, welche bald mehr bald weniger rund um die innere Fl\u00e4che der Conferve verl\u00e4uft. Diese Falte w\u00e4chst immer tiefer in die H\u00f6hle der Zelle hinein, schliefst sich endlich vollst\u00e4ndig, und trennt nun die eine Zelle in zwei, ganz f\u00fcr sich bestehende Zellen, wovon eine jede ihre eigenen W\u00e4nde hat, welche sich sp\u00e4ter in manchen F\u00e4llen wieder von einander trennen, meistens aber innig verwachsen bleiben. Die schleimige H\u00fclle, welche den Um-fang dieser neuen Artikulation des Confervenfadens umkleidet, erh\u00e4lt bei einigen Arten, z. B. bei der Conferva glomerata, ebenfalls eine kleine Einschn\u00fcrung, sie f\u00fcllt aber noch zum gr\u00f6fsten Theile die starke Einschn\u00fcrung, H welche hier die Enden der anstofsenden Glieder zeigen. Bei anderen Conferven ist der Faden durchg\u00e4ngig vollkommen cylindrisch. Ziemlich \u00e4hnlich, wie hier bei den Conferven, verh\u00e4lt sich die Theilung der Schl\u00e4uche bei 4 denCharen; bei einigen, welche mit doppelten H\u00e4uten auf-treten, verdickt sich die schleimige H\u00fclle auf der Oberfl\u00e4che der Schl\u00e4uche auf eine eigenth\u00fcmliche Weise und so stark, dafs darin Mutterzellen gebildet werden, in welchen die kleineren Zellen entstehen, womit die Schl\u00e4uche dieser Charen bekleidet sind. Aber mit der Ausbildung dieser kleineren Zellen verschwindet zugleich jede Spur der Mutterzellen.\nEs w\u00e4re demnach auch hier, bei der Vermehrung j der Zellen durch Abschn\u00fcrung oder Theilung, eine Bildung derselben in eigenth\u00fcmlichen, umh\u00fcllenden Zellen anzunehmen, doch ist das Entstehen der Zellen in diesen F\u00e4llen sehr verschieden von jenem in wahren Mutterzellen, wie sie in den Antheren u. s. w. auftreten; zwar wird diese Bildung, so wie die der Sporen und der Zellen des Eiweifsk\u00f6rpers der Saamen, erst im folgenden Theile genauer nachgewiesen werden, hier aber mufs ich diesen Gegenstand wenigstens ganz im Allgemeinen charakterisi-ren. Bei der Bildung der Zellen in Mutterzellen, entsteht die neue Zellen-Membran auf der Oberfl\u00e4che der Contenta der Zellen, welche in diesen F\u00e4llen immer mit einer etwas consistenten und tr\u00fcben Substanz gef\u00fcllt sind.","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"347\nDiese Erh\u00e4rtung oder Krystallisation der neuen Membran aus der oberen Schicht jener Substanz geschieht auf \u00e4hnliche Weise, wie die Bildung der Sporenh\u00e4ute in Conferva glomerata und in den Spirogyren, wo ich dieselbe in beiden F\u00e4llen habe verfolgen k\u00f6nnen. Entweder bildet sich nun in jeder Mutterzelle nur eine neue Zelle, welche \u00f6fters noch eine zweite Haut innerhalb der ersteren bildet, oder die innere Substanz der Mutterzellen zerf\u00e4llt in mehrere gleichgrofse K\u00f6rper, deren Oberfl\u00e4che sich einzeln mit neuen Zellen-Membranen bekleiden, welche oftmals wieder als Mutterzellen auftreten und in ihrem Inneren die neuen Zellen mit ihren permanenten Zellen-| Membranen bilden, welche dann allein \u00fcbrig bleiben, wenn alle die Substanz der dazwischenliegenden Mutterzellenw\u00e4nde resorbirt ist.\nDie neugebildeten Zeilen im Inneren des Pflanzengewebes vergr\u00f6fseren sich nur bis zu einem bestimmten Umfange, und dann erscheint die Membran derselben in einem solchen Zustande, dafs weder eine weitere Ern\u00e4hrung, noch irgend ein Stoffwechsel an t denselben bemerklich wird; doch schon fr\u00fcher, ehe sie die constante Festigkeit erlangt hat, macht sich die fortwirkende Ern\u00e4hrung in neuen Bildungen bemerkbar, denn der Bildungsstoff wird n\u00e4mlich nicht mehr von der gebil-_i_ deten Membran eingenommen, sondern er lagert sich in Form von neuen Membranen auf die innere Fl\u00e4che der zuerst gebildeten ab, und dafs diese Bildungen auf \u00e4hnliche Weise entstehen wie die ersteren, oder urspr\u00fcnglichen y Zellenw\u00e4nde, das ist durch die Beobachtungen ebenfalls zu erweisen. Ich brauche an diesem Orte nur auf die Bildung neuer Schichten der Zellen-Membran aufmerksam zu machen, indem das Vorkommen und die Zusammensetzung dieser neuen Schichten, wodurch die Membran verdickt wird, schon im ersten Theile an mehreren Stellen sehr ausf\u00fchrlich er\u00f6rtert wurde.\nDiese Art des Wachsthumes bezeichnet man durch Anlagerung oder Auflagerung (Juxtapositio auch Appo-","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348\nsitio), w\u00e4hrend die erstere, wobei sich die Zellen-Membran durch Einlagerung von neuem Stoffe vergr\u00f6\u00dferte, durch Intussusceptio bezeichnet wird. Die Vergr\u00f6fserung oder Verdickung der Zellen-Membran, in Folge des Ern\u00e4hrungsprozesses durch Anlagerung, beweist ebenfalls dasselbe Resultat, welches wir vorhin, bei der Betrachtung des Wachsthums durch best\u00e4ndige Verl\u00e4ngerung und Theilung der Zellen in Folge der Ern\u00e4hrung, erhalten haben, dafs n\u00e4mlich die Ern\u00e4hrung der Pflanzen mit best\u00e4ndiger Erzeugung neuer Elementartheile begleitet ist, und dafs bei den Pflanzen \u00fcberhaupt, die Zeugung als ein fortgesetztes Wachsen ganz deutlich nachgewiesen werden kann ; denn die Bildung neuer Zellen in den vollkommensten Pflanzen ist ebensowohl als eine Zeugung anzusehen, wie die Abschn\u00fcrung der Sporen bei den niedrigsten Pflanzen.\nMit wenigen Worten will ich noch der partiellen Ern\u00e4hrung und der damit verbundenen partiellen Verdickungen und Ausw\u00fcchse gedenken, welche die Zellen-Membranen, so wie andere Theile im Inneren der Pflanzen aufzuweisen haben. Wir haben schon oftmals das Auswachsen der oberen W\u00e4nde der Epidermis-Zellen in Form von W\u00e4rzchen und langen Haaren erw\u00e4hnt, und auch schon, den \u00e4ufseren Erscheinungen nach, n\u00e4her kennen gelernt. Auch dafs in diesen Haaren die interessante spirale Structur wahrzunehmen ist, woraus man schon schlie-fsen k\u00f6nne, dafs diese partielle Vergr\u00f6fserungen nicht etwa durch blofse Ausdehnung der Membranen entstanden sind, sondern dafs auch hiebei eine Bildungskraft th\u00e4tig gewesen ist, welche die Anlagerungen und Einlagerungen der Stoffe in Folge der Ern\u00e4hrung ebenfalls in Form von Spirallinien ausf\u00fchrte, auch dieses haben wir schon im ersten Theile pag. 51 kennen gelernt Auch bei diesen partiellen Vergr\u00f6fserungen bemerkt man das Wachsen durch Intussusception und durch Juxtapositio ; der letztere Fall findet z. B. bei der Bildung der Cuticula der Epidermis-Zellen auf eine so h\u00f6chst auffallende Weise statt, ist aber noch nicht so deutlich zu erkennen, wie bei der Schichtung in","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"349\nden Amyhim-K\u00d6rperchen verschiedener Pflanzen; am auffallendsten aber bei der Bildung der Amylum-St\u00e4bchen, welche in so grofser Menge in der Milch der Euphorbien enthalten sind, und wozu Fig. 9. Tab* IX. eine Anzahl der haupts\u00e4chlichsten Formen darstellt. Hier m\u00f6chte es schwer fallen, die Ablagerungen als bedingt durch \u00e4ufsere Ursachen anzusehen, wie man es wohl bei der Bildung der Amylum-K\u00f6rner in den Zellen anderer Pflanzen erkl\u00e4ren k\u00f6nnte.\nBei den vollkommeneren Pflanzen pflegt man ein terminales und ein peripherisches Wachsen zu unterscheiden, Begriffe, welche sich aus dem Folgenden leicht ergeben werden.\nUeber das terminale Wachsen der haupts\u00e4chlichsten Pflanzentheile, als des Stammes, der Wurzeln und der Bl\u00e4tter hat man ebenfalls verschiedene Beobachtungen angestellt, theils um diejenigen Theile genauer zu bestimmen, welche sich ununterbrochen vergr\u00f6fseren, theils um die Zeiten zu bestimmen, in welchen das Wachsen besonders bemerkbar auftritt.\nUm die Art und Weise nachzuweisen, wie die Baumzweige wachsen, machte schon Stephan Haies*) die entsprechendsten Beobachtungen; ein junger Sch\u00f6fsling einer Rebe wurde durch 10 gleichweit entfernt stehende Punkte von Oelfarbe bezeichnet und im darauf folgenden Herbste in Hinsicht der Entfernungen der, fr\u00fcher gleichweit auseinanderstehenden Punkte untersucht. Die zwei untersten Punkte hatten sich nicht um Zoll entfernt, die zun\u00e4chst folgenden um Zoll, die folgenden f, die folgenden ebenfalls \u2022\u00a7, die folgenden -f, die folgenden T~-, die folgenden ly1^, die folgenden lf und die beiden letzten Punkte hatten sich um 3 Zoll voneinander entfernt. Aehnliche Versuche mit gleichem Resultate hat auch Du Hamei an-gestellt, aber am Umst\u00e4ndlichsten ist dieser Gegenstand\n*) 1. c. p. 186 etc.","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\ndurch Herrn Link*) er\u00f6rtert worden, und ich selbst habe \u00e4hnliche Beobachtungen an mehreren Pflanzen angestellt.\nIm Allgemeinen ist man aus diesen Beobachtungen \u00fcber das Wachsen des Stammes der Pflanzen zu dem Resultate gekommen, dafs sich der Stamm haupts\u00e4chlich an der Spitze verl\u00e4ngert, dafs sich aber auch die darunterstehenden Theile desselben, so lange der Stamm noch nicht vollkommen verholzt ist, etwas ausdehnen, aber um so weniger, je n\u00e4her der Basis -desselben. Diese Resultate stimmen auch vollkommen mit\nden mikroskopischen Beobachtungen \u00fcberein, welche man \u00fcber die Entstehung neuer Zellen durch Verl\u00e4ngerung und nachherige Theilung der Endzeilen eines terminal wachsenden Pflanzentheiles angestellt hat. Die gebildeten Zellen k\u00f6nnen sich noch etwas ausdehnen, und somit w\u00e4re das Wachsen der unteren Theile eines Stammes zu erkl\u00e4ren. Ein jeder Theil des Stammes dehnt sich nach gewissen Graden aus, welche nach der Spitze zu immer gr\u00f6fser werden, bis die Bl\u00fcthenknospe dem ferneren Wachsen eines Astes ein Ende macht, oder bis derselbe vollkommen ausgewachsen ist.\nDu Hamei machte schon die interessante Entdeckung**), dafs sich die Wurzeln bei ihrem Wachsen nur an den Enden verl\u00e4ngeren, und hier erkennt man denn auch die Vermehrung der Zellen an den Wurzelspitzen durch Verl\u00e4ngerung und nachmalige Theilung ziemlich deutlich.\nMit dem Wachsthume der Bl\u00e4tter verh\u00e4lt es sich jedoch ganz anders ; schon Stephan Haies ***) stellte hier\u00fcber Beobachtungen an, aus welchen er schlofs, dafs sich die Bl\u00e4tter auf gleiche Weise ausdehnen, d. h. dafs jeder ihrer Theile gleich w\u00e4chst. Herr Link hat am angef\u00fchrten Orte, diese Angabe ebenfalls best\u00e4tigt, und an einem jungen, aber schon gebildeten Blatte der Kartoffel und der Vicebohne habe ich es ebenfalls bemerkt. Bei den\n*) Elem. phil. bot. I. pag. 289.\n**) S. 1. c. p. 105.\n***) 1. c. p. 192,","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"351\nBl\u00e4ttern der Hyacinthe und der sch\u00f6nen Amaryllis hat jedoch Herr Link *) die Beobachtung gemacht, dafs sich dieselben eigentlich an ihrer Basis verl\u00e4ngeren, und dafs die Spitzen unver\u00e4ndert blieben, eine Thatsache, welche, wie es mir scheint, ebenfalls daf\u00fcr spricht, dafs die Bl\u00e4tter aus dem Stengel hervorgeschoben werden, und dafs defshalb der Stengel noch nicht, als zusammengesetzt aus Bl\u00e4ttern zu betrachten ist.\nAuch die Zeiten hat man zu bestimmen gesucht, in welchen das Wachsen der Pflanzen vor sich geht, ein Gegenstand, der eine sehr grofse Zahl von Beobachtungen verlangt, indem einmal die Verl\u00e4ngerung eines Pflanzen-tkeiles bei verschiedenen Gew\u00e4chsen, selbst in gleichen Zeitr\u00e4umen, so sehr verschieden ist, und indem auch diese Theile nicht zu allen Zeiten gleich schnell wachsen. Wir kennen dje \u00e4ufserst langsame Verl\u00e4ngerung des Stammes einiger Monocotyledonen, und sobald diese St\u00e4mme ihre Bl\u00fcthenschafte zu entwickeln beginnen, geht dieses Wachsthum so \u00e4ufserst schnell vor sich, dafs man t\u00e4glich und st\u00fcndlich die Verl\u00e4ngerung beobachten kann. Im Jahr 1793 kam zu Paris eine Fourcoya gigantea, welche beinahe 100 Jahre alt war, zur Bl\u00fcthe, wobei die Verl\u00e4ngerung des Bliithenschaftes durch Ventenat^*) beobachtet wurde; es zeigte derselbe in 77 Tagen eine L\u00e4ngenzunahme von 22~ Fufs, die Zunahme fand jedoch nicht regelm\u00e4fsig statt, an einigen Tagen betrug sie fast 1 Fufs, durchschnittlich kamen aber nur 3^ Zoll auf den Tag. Zwar wurden die Beobachtungen bei jener Pflanze nicht zahlreich genug angestellt, aber man kam schon zu dem Resultate, dafs die Pflanze bei Tage schneller wuchs als des Nachts, und zwar an den w\u00e4rmsten Tagen am schnellsten.\nSp\u00e4ter hat Herr E. Meyer ***) \u00fcber das periodische\n*) 1. c. pag. 293.\n**) Bulletin de la Societ. philomatique. I. pag. 651. 1795.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Verhandl. d. Vereines zur Bef\u00f6rderung des Gartenbaues m den Preufs. Staaten. Bd. V. pag. 110. 1828. und Ueber das periodische t\u00e4gliche Wachsthum einiger Getreidearten. \u2014 Linnaea. 1829. p.88>","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nWachsen genauere Beobachtungen angestellt. Aus den Beobachtungen \u00fcber die Verl\u00e4ngerung des Schaftes einer Amaryllis Belladonna ging hervor, dafs das Wachsthum dieser Pflanze bei Tage sehr viel rascher erfolgte als bei Nacht, dafs aber dasselbe zu allen Zeiten so bedeutend war, dafs es stets in noch k\u00fcrzeren Zeitperioden, auch ohne H\u00fclfe eines Vergr\u00f6fserungsglases bemerkbar wurde. Herrn Meyer\u2019s Beobachtungen an den Getreidearten f\u00fchr- \u25a0 ten dagegen zu viel genaueren Resultaten; das Wachsthum derselben zeigte sich, von 8 Uhr Morgens bis 8 Uhr Abends durchg\u00e4ngig gr\u00f6fser, als in der n\u00e4chtlichen H\u00e4lfte des Tages. Bei Tage zeigte es sich wieder in den ersten 6 Stunden, von 8 bis 2 Uhr n\u00e4mlich, st\u00e4rker als in den Nachmittagsstunden.\nEin schnelleres Wachsen liefse wohl auf ein schnelleres Zustr\u00f6men von Nahrungssaft schliefsen, und dennoch i haben wir pag. 85 kennen gelernt, dafs die gr\u00f6fste Menge Saft, welche die Agaven-Pflanzen geben, gerade in den Nachmittagsstunden gewonnen werden. Auch bei dem Aufsteigen des rohen Nahrungssaftes im Weinstocke, haben sich andere Periodicit\u00e4ten bemerkbar gemacht, und diese wurden durch \u00e4ufsere Verh\u00e4ltnisse ver\u00e4ndert. Es ist nicht zu zweifeln, dafs fortgesetzte Beobachtungen auch \u00fcber diesen Gegenstand Uebereinstimmung in den Erschei- ] nungen nachweisen werden. Aus den zahlreichen Beobachtungen, welche H. Meyer an den Getreide-Arten anstellte, leitete derselbe die Thatsache ab, dafs das Wachsthum der Pflanzen t\u00e4glich zwei Beschleunigungen und # zwei Verminderungen wahrnehmen lasse; die erste Beschleunigung trat zwischen 8 und 10 Uhr Vormittags ein, die zweite, von l\u00e4ngerer Dauer, dagegen von 12 bis 4 Uhr Nachmittags.\nBei der Wiederholung dieser Beobachtungen, welche ich an Haferpflanzen anstellte, erhielt ich \u00e4hnliche Resultate; die Pfl\u00e4nzchen wuchsen bei Tage schneller als des Nachts und in den Vormittagsstunden, besonders bis 9 und bis 10 Uhr wiederum schneller, als Nachmittags, doch","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"353\nverhielt es sich nicht an allen ganz gleich. In 12 Nachtstunden wuchsen sie durchschnittlich so viel, als in 6 \u2014 7 Morgenstunden und in 7\u20148 Nachmittagsstunden. Gew\u00f6hnlich verl\u00e4ngerten sich die Hafer-Pfl\u00e4nzchen in 24 Stunden um 10 \u201412 Decimeter.\nBald darauf hat auch Herr Mulder *) \u00e4hnliche Beobachtungen \u00fcber die Verl\u00e4ngerung der Bl\u00e4tter der Urania speciosa und der Bliithenknospe des Cactus grandiflorus angestellt, wobei ebenfalls ein periodisches Wachsen in den verschiedenen Stunden des Tages bemerkt wurde, doch fielen die Perioden keineswegs mit jenen zusammen, welche Herr Meyer bei den Getreide-Pflanzen gefunden hatte. Aus den Beobachtungen des Herrn Mulder an den Bl\u00e4ttern der Urania speciosa, geht n\u00e4mlich im Allgemeinen hervor, dafs sich jene Bl\u00e4tter des Nachts bedeutend st\u00e4rker verl\u00e4ngeren, als bei Tage; es zeigte z. B. ein solches Blatt am 15. Juni, von 5 Uhr Morgens bis 5 Uhr Nachmittags, eine L\u00e4ngenzunahme von 189 Niederl\u00e4ndischen Linien bis 199, dagegen hatte dieses Blatt um 5 Uhr des folgenden Tages eine L\u00e4nge von 230; demnach war das Blatt in den 12 Nachtstunden 3mal schneller gewachsen als bei Tage. Am folgenden 16. Juni verl\u00e4ngerte sich das Blatt bis 5 Uhr Nachmittags um 13 Linien, und bis zum 17ten 5 Uhr Morgens um 37. Am ITten bei Tage um 23 und in der darauf folgenden Nacht um 31 Linien. Aufserdem ist aber aus diesen Beobachtungen noch sehr deutlich zu sehen, dafs das Wachsthum in den Fr\u00fchstunden von 5 \u2014 7, bis 8 und selbst bis 9 Uhr ganz besonders stark war, dann wurde es schw\u00e4cher und pflegte von 11 bis 4 Uhr Nachmittags still zu stehen, erst nach 4 Uhr wieder zu beginnen und in den sp\u00e4teren Stunden, besonders von 8 \u201412 Uhr, noch st\u00e4rker aufzutreten als in den Morgenstunden. Zur klareren Ansicht will ich hier die Beobachtungen von 3 aufeinanderfolgenden Tagen neben-\nBydragen tot de Natuurkundige Wetenscheppen. IV. 1829. pag. 251 \u2014 262 und 420 \u2014 428.\nMe y en. PH. Physiol, il.\n23","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\neinandersetzen, wobei wir freilich bedauern m\u00fcssen, dafs diese interessanten Beobachtungen nicht auch die ganze Nacht durchgef\u00fchrt sind, Das Blatt zeigte:\nAm 22. Juni,\tAm 23, Juni und am 24. Juni,\n5h \u2014 547L. b. 68\u00b0 F. \u2014 635 L. b. 70\u00b0 F. \u2014 728L. b.70\u00b0 F,\n7h \u2014 552\t-\t-\t72 - \u2014644\t-\t-\t75 --736\t-\t-\t76\t-\n9h \u2014559\t-\t-\t76 -650\t-\t-\t76\t 751\t-\t-\t78\t-\n11h \u2014560\t-\t-\t80 -652\t-\t-\t80\t 755\t-\t-\t82\t-\t:\n12h \u2014 560 - - 84 --------- - \u2014 - \u2014755 -- 86 -\nlh\u2014--------------- _652 - - 82 ----755 - - 88 -\n4h \u2014 562\t-\t-\t82 -660\t-\t-\t79\t 756\t-\t-\t80\t-\n7h \u2014 573\t-\t-\t79 -673\t-\t-\t77\t- \u2014767\t-\t-\t77\t-\tH\n8h\u2014--------------\u2014676 - - 76 - \u2014772 - - 76 -\n10h \u2014 589 - - 74 -----------------------... _ ...\n12h \u2014 600 - - 74 ----704 - - 73 - \u2014795 - - 74 -\nEs scheint mir sehr bemerkens werth zu sein, dafs i zwischen dem periodischen t\u00e4glichen Wachsthume, welches aus obigen Beobachtungen hervorgeht, und zwischen dem periodischen Steigen des rohen Nahrungssaftes, weiches bei den Versuchen am thr\u00e4nenden Weinstocke bemerkt wurde, eine sehr grofse Uebereinstimmung herrscht.\nDie Beobachtungen, welche Herr Mulder \u00fcber die Verl\u00e4ngerung der Bl\u00fcthenknospe des Cactus grandiflorus angestellt hat, geben nat\u00fcrlich ganz andere Resultate; bei j den Bliithen zeigt sich die Verl\u00e4ngerung gerade in den Mittagsstunden am bedeutendsten, wenn auch die W\u00e4rme am st\u00e4rksten ist. Um diese Zeit, besonders von 12 \u2014 1 und von 1 bis 2, nahm die L\u00e4nge der Bl\u00fcthe nicht seiten um | 3 bis 4 Linien in einer Stunde zu, w\u00e4hrend sie des Nachts in ihrem Wachsthume ganz still stand. Aufseror-dentlich schnell geht die L\u00e4ngezunahme dieser Blume einige Stunden vor ihrem Aufbl\u00fchen vor sich, doch kann man diese Verl\u00e4ngerung nur einer Auflockerung des Gewebes zuschreiben.\nNach diesen Angaben \u00fcber das terminale Wachsthum der Pflanzen kommen wir zur Betrachtung der Erscheinungen, welche das peripherische Wachsthum derselben begleiten.","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"355\nAls im ersten Theile von der Zusammensetzung des Stammes der Dicotyledonen die Rede war, da mufste ich schon mit wenigen Worten andeuten, dafs die Bildung der neuen Holzschicht aus einem Safte hervorgehe, welcher von Oben nach Unten herabsteigt, und auf pag. 78 wurde schon die Bemerkung gemacht, dafs dieser herabsteigende Saft von dem emporsteigenden sehr verschieden ist, und nicht etwa als eine R\u00fcckstr\u00f6mung des Letzteren betrachtet werden darf. Der rohe Nahrungssaft, welcher von den Wurzeln aufgenommen ist, wird auf den angegebenen Wegen durch den Stamm der ganzen Pflanze gef\u00fchrt, wobei er mehr oder weniger bedeutend assimilirt wird, was man schon aus dem verschiedenen Gehalte desselben an Zucker und Schleim sehen kann, welchen dieser Saft in verschiedenen H\u00f6hen des Stammes zeigt. Dieser assimi-lirte Saft wird aus den St\u00e4mmen der Pflanzen nach den Bl\u00e4ttern und nach allen \u00fcbrigen app'endikul\u00e4ren Theilen gef\u00fchrt, wo das \u00fcbersch\u00fcssige Wasser durch die Transpiration verdunstet, ein Theil des Saftes zu den verschiedenen Bildungen in den Parenchym-Zellen und den Gef\u00e4fsen der Bl\u00e4tter verbraucht und das Uebrige, durch den Einflufs der Respiration u. s. w. h\u00f6her verarbeitet, wieder nach dem Stamme zur\u00fcckgef\u00fchrt wird. Diesen zur\u00fcckstr\u00f6menden Saft nennt man den Bildungssaft, Cambium, und er ist es, welcher durch die innersten Rindenschichten am Stamme entlang herabsteigt und sich selbst bis zu den Wurzelspitzen hin verbreitet. Man hat gegen das Vorhandensein eines solchen zur\u00fcckstr\u00f6menden Saftes sehr h\u00e4ufig gesprochen, ja man hat noch vor wenigen Jahren diese Ansicht l\u00e4cherlich zu machen gesucht, und dennoch sind schon gegenw\u00e4rtig so viele Thatsachen vorhanden, welche f\u00fcr das Dasein eines solchen Saftstromes sprechen, dafs man wohl schwerlich gegr\u00fcndete Zweifel dagegen erheben kann. Es ist bei den Pflanzen, wie bei den Thie-ren, die verarbeiteten Nahrungss\u00e4fte werden \u00fcberall dahin gef\u00fchrt, wo die Nahrung zu den neuen Bildungen gebraucht wird. Dieses ist eine ganz allgemein zu beobachtende\n23*","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356\nThatsache, welche man aber auch vor Allem Festhalten mufs; wefshalb dieses geschieht, das ist schwer einzusehen, und wir schreiben es dem Bildungstriebe zu, d. h. . dem geheimen Wirken der Lebenskraft, welche bald hier bald dort in deutlicherem Grade wirkt, die einen Stoffe anzieht und aneinanderordnet, die anderen dagegen auf verschiedenem Wege abst\u00f6fst. Hat z. B. ein Baum seine Knospen getrieben, was als eine der periodischen Erschei- * nungen der Pflanze anzusehen ist, wodurch eine Art von Vermehrung bewirkt ist, so sind eine Menge neuer, der Mutterpflanze gleicher Individuen hervorgesprofst, welche zu ihrer Entwickelung eine grofse Menge von Nahrungssaft anziehen, den einen Theil zu ihrer eigenen Ausbildung verbrauchen, den anderen an der Rinde der Mutterpflanze hinabschicken, wo derselbe zu neuen Bildungen verbraucht wird, welche einen innigem Zusammenhang i zwischen der Mutterpflanze und den jungen Individuen bewirken. Unter diesen neuen Bildungen jenes herabsteigenden Saftes, welchen wir mit dem Namen des Bildungssaftes bezeichnen, sind die neue Holz- und Rinden\u00bb Schicht die auffallendsten, sie gehen gleichzeitig vor sich, und werden durch das Wachsthum der Knospen veran-lafst; denn wenn diese abgebrochen werden, so entwickelt sich nicht fr\u00fcher jene Holz- und Rindenschicht, als bis j wiederum neue Knospen zur Entwickelung gekommen sind, welche aus dem Holze und zwar aus den Markstrahlen desselben hervorgehen. Durchschneidet man die Rinde des Stammes bis auf den Holzk\u00f6rper durch einen Zirkel- i schnitt, und entfernt einen Streifen der Rinde, so wird der Lauf des Bildungssaftes von Oben nach Unten gehemmt und, wie wir es schon im ersten Theile pag. 396 specieller kennen gelernt haben, die Bildung der neuen vollst\u00e4ndigen Holzschicht geht nicht weiter, als bis zum oberen Rande des angebrachten Zirkelschnittes.\nMan hat eine Reihe von Beobachtungen angestellt, durch welche ein Zur\u00fcckstr\u00f6men des Nahrungssaftes im Ilolzk\u00f6rper der B\u00e4ume erwiesen werden sollte, indessen,","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"357\nwie ich glaube, so lassen sich dieselben auch noch auf andere Weise erkl\u00e4ren. Ich meine hiemit die Versuche von Knight und Pollini, deren schon im ersten Theile im Kurzen Erw\u00e4hnung geschehen mufste. Herr Knight machte an verschiedenen Eichen-Aesten gew\u00f6hnliche zirkelf\u00f6rmige Entrindungen und fand im darauf folgenden Winter an einem noch lebenden Aste, dafs die specifische Schwere des Holzes oberhalb der Wunde \u2014 1114 und unterhalb derselben = 1111 war. Das Holz eines gleich alten unverwundeten Astes hatte dagegen eine specifische Schwere von 1112. Auch an dem Holze einer Fichte (Pinus Abies L.), dessen Stamm, mehrere Iahre vor dem F\u00e4llen, auf eine bedeutende Strecke im ganzen Umfange entrindet war, machte Herr Knight \u00e4hnliche Beobachtungen, und er fand die specifische Schwere des Holzes oberhalb der entrindeten Stelle, und die des Holzes unterhalb dieser Stelle im Verh\u00e4ltnisse wie 590:491. Aehnliche Beobachtungen mit \u00e4hnlichen Resultaten hat auch Pollini angestellt und in seiner sehr reichhaltigen kleinen Schrift \u00eefr) bekannt gemacht; er fand die specifische Schwere des Holzes;\n(oberhalb des (unterhalb des (amunver-Zirkelschniltes).Zirkelschnittes), letz. Stamme).\nau einem Platanen-Aste\t= 0,9472 \u2014 0,8724 = 0,9933\nan einer Feige\t= 0,9513 = 0,86/8 = 0,8867\nan einemRofskastanien-Baume= 0,6489 = 0,3365!= 0,5913-0,5910\nan einem Aste d. falsch. Afeacie = 0,8013 = 0,/809 =\ti\u2019oi9 )\nan einem Birnbaum- Stamme = 0,6108 = 0,8337 = 0>5925\nPollini macht selbst auf die grofsen Verschiedenheiten aufmerksam, welche das Holz von verschiedenen Aesten und verschiedenen St\u00e4mmen der Rofskastanie und der falschen Akacie in Hinsicht des specifischen Gewichtes zeigte, und man wird sich hiedurch \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, bis zu welchem Grade von Bestimmtheit dergleichen Untersuchungen \u00fcber die specifische Schwere des Holzes\n*) S. Saggio di osservazioni e di sperienze sulla vegetazieme degii Alberi. Verona 1815 pag. 135 etc.","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nf\u00fchre, und wie behutsam man auch hier mit den Schl\u00fcssen sein mufs. Indessen fast alle Beobachtungen zeigen, dafs die specifische Schwere des Holzes oberhalb eines Ringelschnittes bedeutender, als unterhalb desselben ist. Ich untersuchte in dieser Hinsicht das Holz eines Aeschen-stammes, der, in Folge einer sehr starken Maserbildung, endlich abgestorben war. Das Holz oberhalb der Maser-Bildung zeigte eine specifische Schwere von 0,998, dagegen dasjenige unterhalb der Maserbildung, welche mit der Wulst in Folge eines Ringelschnittes zu vergleichen war, um \\ieles leichter war. Auf der einen Seite des Stammes, wo durch die Wulst der Maserbildung das Herabsteigen der neuen Jahresringe schon seit 15 \u201420 Jahren vor dem Absterben des Baumes verhindert war, da war die sped-fische Schwere des Holzes = 0,996, und auf der anderen Seite des Stammes, wo die Jahresringe zwar herabgestiegen, aber nur zur geringen Ausbildung gekommen waren, da betrug die specifische Schwere nur 0,993, hier war aber auch von jeder Holzschicht nur der innere leichtere Theil gebildet ; der \u00e4ufsere und dichtere, wodurch die Jahresringe der Aeschen so sehr stark hervortreten, fehlte g\u00e4nzlich.\nDiese Beobachtungen 'erweisen also wohl, dafs das Holz oberhalb eines Ringeischnittes von einer Substanz durchdrungen wird, welche dasselbe specifisch schwerer macht, dais aber dieser Saft durch den Holzk\u00f6rper hindurch, von Oben herabsteigen soll, das erscheint mir rein hypothetisch. Stiege der Saft, welcher das Holz oberhalb eines Ringelschnittes specifisch schwerer macht, durch den Holzk\u00f6rper von Oben herab, so w\u00e4re gar nicht einzusehen, wefshalb derselbe nicht auch durch den entrindeten Theil des Holzk\u00f6rpers hindurchgehen sollte, und dann auch unterhalb des Zirkelschnittes die neue Holzschicht bildet: Mir scheint es vielmehr ziemlich vollst\u00e4ndig erwiesen zu sein, dafs ein Theil des durch die innere Rinde herabsteigenden Bildungssaftes, aus welchem der neue Holzring hervorgeht, auch seitlich in den schon gebildeten Holz-","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"359\nk\u00f6rper eindringt und auf diese Weise den Elementar-Organen des Holzes ein Stoff zugef\u00fchrt wird, welcher die W\u00e4nde derselben fester macht.\nSchon zu Haies Zeiten hat man die vorteilhafte, so wie die nachtheiligen Wirkungen des Ringelschnittes gekannt, und dieses war auch sehr noting, um den Grund aller der bemerkenswerten Erscheinungen einzusehen, welche bei der Ausf\u00fchrung desselben beobachtet werden. Vollf\u00fchrt man einen solchen Ringelschnitt an der Basis des Astes, so beobachtet man, dafs derselbe eine verh\u00e4ltnifs-m\u00e4fsig gr\u00f6fsere Menge von Bl\u00fcten und Fr\u00fcchten tr\u00e4gt, als derselbe ohne die Ringelung gezeigt haben w\u00fcrde. Ja man hat auch beobachtet, dafs einige B\u00e4ume in Folge des angewendeten Ringelschnittes ihre Fr\u00fcchte zur Reife gebracht haben, w\u00e4hrend sie dieselben ohne Ringelschnitt allj\u00e4hrlich vor der Reife abwTarfen; diese Erscheinungen, welche ich schon fr\u00fcher angef\u00fchrt habe, geh\u00f6ren mit zu den vorteilhaften Wirkungen des Ringelschnittes; aber auch die nachteiligen Wirkungen desselben lassen zum Theil auf einen, in der Rinde herabsteigenden Bildungssaft schliefsen. Stephan Haies beobachtete schon, dafs an einem Eiehenaste nach der Entrindung durch einen Zirkel-schnitt, nach wie vor die Bl\u00e4tter gr\u00fcnten, dafs sie aber gegen den Winter fr\u00fcher ab fielen, und er glaubte darin einen Beweis zu finden, dafs in den Ast viel weniger Saft hineingehe, wenn er entrindet ist; dieser Schlufs ist indessen nach unseren heutigen Erfahrungen nicht richtig. Neuerlichst hat auch Herr Eudes-Deslongchamps*) die Resultate von \u00e4hnlichen Beobachtungen bekannt gemacht, welche ich gleichfalls best\u00e4tigen kann. Es wurde einem kr\u00e4ftigen Baume ein Rindenring von etwa 1 Fufs L\u00e4nge abgesch\u00e4lt und derselbe schien dabei nicht zu leiden. Der obere Wundrand zeigte am Ende des Sommers eine starke Anschwellung , w\u00e4hrend die des unteren Randes, wie es ganz\n*) Effets de la d\u00e9cortication circulaire sur un H\u00eatre. \u2014 L\u2019Institut de 1836 pag. 314,","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nI\ngew\u00f6hnlich ist, weit geringer war. Im n\u00e4chsten Jahre entwickelten sich an diesem Baume die Bl\u00e4tter viel fr\u00fcher als an den unverletzten B\u00e4umen der Art. Anfangs war der Baum noch sehr kr\u00e4ftig, doch im Verlaufe des zweiten Sommers magerte er ab; die Bl\u00e4tter blieben klein und die Entwickelung der Triebe war sehr gering. Die Exsudationen auf der Oberfl\u00e4che des entrindeten Holzk\u00f6rpers wurden trockener und im dritten Jahre waren sie ganz vertrocknet.\nIm Anf\u00e4nge des dritten Jahres schlug der Baum abermals fr\u00fcher aus, aber die Bl\u00e4tter blieben klein, und im Anf\u00e4nge des vierten Jahres war der Baum todt. Es scheint mir aus den fr\u00fcheren Versuchen, im Vergleiche mit den meinigen hervorzugehen, dafs das Absterben der Pflanze in Folge des Ringelschnittes sehr verschieden ist; zuweilen stirbt ein junger Baum schon im zweiten Jahre ab, ganz junge einj\u00e4hrige Aeste mitunter schon im ersten Sommer, aber alte B\u00e4ume halten 7, 8 und noch mehr Jahre aus, sterben aber sicherlich ab, wenn die Communication zwischen dem oberen und dem unteren Rindenst\u00fccke nicht sehr bald wieder hergestellt wird; in sp\u00e4teren Jahren ist keine Rettung m\u00f6glich.\nWenn man junge St\u00e4mmchen \u00f6der einzelne Aeste entrindet und die entbl\u00f6fste Holzfl\u00e4che der Sonne ausgesetzt ist, so pflegt der Ast in kurzer Zeit abzusterben; wenn man denselben jedoch im Schatten h\u00e4lt oder \u00fcberhaupt verdeckt, so zieht der rohe Nahrungssaft durch den Holzk\u00f6rper, ern\u00e4hrt denselben noch l\u00e4ngere Zeit hindurch, und es bilden sich Exsudationen auf der Oberfl\u00e4che.\nDiese Exsudationen bestehen aus eben derselben Substanz, welche man in anderen F\u00e4llen wohl fiir neu gebildete Rinde erkl\u00e4rt hat. Es war schon im ersten Theile pag. 392 von der Rindenbildung die Rede, welche auf der Oberfl\u00e4che eines entrindeten Holzk\u00f6rpers vor\u2019sich geht, und im vergangenen Sommer hatte ich Gelegenheit diese Bildungen zu untersuchen. Von allen k\u00fcnstlichen Entrindungen, welche ich vornahm, zeigten erst diejenigen eine s\u00f6ge-","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"361\nnannte Rindenbildung auf der Oberfl\u00e4che des Holzk\u00f6rpers, welche am Ende des Juni ausgef\u00fchrt worden waren, und auch um diese Zeit mufste der entrindete Ast gegen starke W\u00e4rme gesch\u00fctzt und auf seiner Oberfl\u00e4che nicht rein abgewischt werden. Entfernte man das Cambium von der Oberfl\u00e4che des Holzes vollkommen, so fand auch keine weitere Bildung daselbst statt, blieb es aber sitzen, so zeigten sich sp\u00e4ter zellige Ausw\u00fcchse auf dem blofsen Holze, welche besonders stark an dem unteren Rande des oberen Rindenst\u00fcckes auftraten und an anderen Stellen nicht selten in ganz geraden Streifen der L\u00e4nge nach herabliefen. In diesen zelligen Bildungen, welche auf dem Holze der Ulme und der Haselnufs oft \u00fcber eine Linie dick auftreten, zeigt sich bald blofses kubisches Parenchym, welches dem des inneren Rindengewebes jener Pflanzen angeh\u00f6rt, oder es zeigen sich hie und da auch einzelne kleine Bastb\u00fcndel von geringer L\u00e4nge, welche wahrscheinlich in dem Cambium, welches auf dem Holze sitzen geblieben, schon ausgebildet waren; dem gr\u00f6fsten Theile nach bestehen sie ganz und gar aus jenem Rinden-Parenchym, welches mitunter sehr regelm\u00e4fsig gestellt ist, und sich bei jeder Rindenverletzung dieser Pflanzen bildet, was man gew\u00f6hnlich unter Reproduction der Rinde in Folge von Verletzungen versteht.\nSchon aus jenen Versuchen \u00fcber die specifische Schwere des Holzes oberhalb und unterhalb des Ringelschnittes, in Verbindung mit einer Reihe anderer Beobachtungen \u00fcber die Bildung des neuen Holzringes von der Rinde aus, geht hervor, dafs der Bildungssaft, welcher aus den Bl\u00e4ttern durch die innere Rindenschicht herabsteigt, auch seitlich in den Holzk\u00f6rper eindringt, und demselben einen Stoff zuf\u00fchrt, wodurch die einzelnen Elementar-Organe fester und specifisch schwerer werden. Aber auch in den Holzk\u00f6rper vermag dieser Bildungssaft eine kleine Strecke weit herabzuziehen, von hier aus wieder in die Rinde einzudringen und dann, wie gew\u00f6hnlich, durch die Rinde weiter hinabzusteigen; dieses l\u00e4fst sich z. B. nachweisen, wenn das","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nRiudenst\u00fcck, welches durch die Zirkelschnitte entfernt wurde, nur sehr schmal war. Hieher geh\u00f6ren jene h\u00f6chst interessanten Beobachtungen, welche die Herren Knight *) und Dutrochet **) \u00fcber die Bildung der Kartoffel-Knollen aus dem herabsteigenden Bildungssafte angestellt haben. Herr Knight vermuthete, dafs die Bildung der Knollen bei den fr\u00fchen Kartoffeln auf Kosten der Bliithen und Fr\u00fcchte dieser Pflanze vor sich gehe; er pflanzte defshalb dergleichen Kartoffeln und zerst\u00f6rte die Knollenbildung an der Wurzel, worauf die Pflanzen lebhaft bl\u00fchten und jede Blume Fr\u00fcchte ansetzte, sp\u00e4ter wurde jedoch der \u00fcbersch\u00fcssige Bildungssaft dennoch zur Knollenbiidung verbraucht, welche sich an den Spitzen der Seitenzweige ansetzten und sich vorher \u00f6fters in den Knoten zu bilden anfingen. In anderen F\u00e4llen, wo der herabsteigende Strom des Bildungssaftes aufgehalten wurde, zeigten sich die Knollen an der Basis der Bl\u00e4tter, und diese Versuche sind von mehreren Botanikern wiederholt und best\u00e4tigt. Herr Knight machte auch an einer Kartoffel-Pflanze dicht \u00fcber der Erde, einen Zirkelschnitt und zwar um die Zeit, als sie angefangen hatte Knollen zu bilden. Die Pflanze erhielt sich l\u00e4ngere Zeit ganz vollkommen; die Knollen wuchsen zwar, aber erhielten nicht ihre v\u00f6llige Gr\u00f6fse. Das abgenommene Rindenst\u00fcck war nur 5 Linien lang, und man kann annehmen, dafs der Bildungssaft, welcher sich aus der Rinde in den Holzk\u00f6rper gezogen hatte, auch durch die entrindete Strecke hindurchlief und dann auf dem gew\u00f6hnlichen Wege seinen Gang fortsetzte.\nHerr Dutrochet hat diesen letzteren Versuch mehrmals wiederholt und ist dabei zu noch bestimmteren That-sachen gekommen. Die Kartoffel-Pflanze wurde dicht \u00fcber der Erde durch Zirkelschnitte entrindet, und im Verlauf von einem Monate zeigten sich \u00fcberall in den Blatt-\n*) On the inverted action of the \u00ab.\u2019burnous vessels of trces-Philos. Transact, f. 1806. P. IT. pag. 293 \u2014 301.\n**) L\u2019agent imm\u00e9diat du mouvement vital ete. A Paris 1836 pag. 25 etc.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"363\nachsein die kleinen Knollen, welche roth oder violett gef\u00e4rbt und im Inneren mit Amylum gef\u00fcllt waren. Einige der entrindeten Kartoffel-Pflanzen zeigten keine Knollen in der Luft, und hier zeigte die Untersuchung, dafs der entrindete Holzk\u00f6rper fast bis auf seine Oberfl\u00e4che hin frisch und saftig geblieben war, so dafs sich also der herabstr\u00f6mende Saft zuriickziehen konnte. Uebrigens ist bei allen solchen Versuchen, welche man mit Kr\u00e4utern anstellt, eine feuchte schattige Luft sehr noting, damit nicht die Verdunstung auf die entrindete Stelle zu stark ein-wirkt und die Pflanze durch Vertrocknung des Gewebes an jenen Stellen t\u00f6dtet. Jene Versuche \u00fcber die Bildung der Knollen der Kartoffel-Pflanze sind mit vielfachen Ab\u00e4nderungen oftmals wiederholt, und es steht die Tliat-sache fest, dafs bei jedem Hindernisse, welches den R\u00fcckstrom des Bildungssaftes erschwert, die Bildung der Erdknollen zur\u00fcckgehalten wird und daf\u00fcr die Bildung von Luftknollen beginnt.\nAuch die folgende Beobachtung geh\u00f6rt zu den entschiedensten Beweisen, dafs der Bildungssaft in den Bl\u00e4ttern erzeugt und dann nach den verschiedenen Theilen hinabgef\u00fchrt wird. Es ist eine, den G\u00e4rtnern sehr bekannte Erscheinung, dafs die Fr\u00fcchte gar nicht oder nur sehr schlecht gedeihen, wenn die Enden eines fruchttragenden Zweiges keine Bl\u00e4tter besitzen, ein Fall, der sehr h\u00e4ufig durch insektenfrafs veranlafst wird. Durch die vielen interessanten Resultate geleitet, welche Herr Knight in Folge seiner Untersuchungen \u00fcber den herabsteigenden Bildungssaft erhalten hatte, machte derselbe an dem Aste eines Pfirsichen-Baumes, der aufser den zwei zur\u00fcckgebliebenen Bliithen alle Bl\u00e4tter verloren hatte, einen Versuch um die Fr\u00fcchte desselben zur Reife zu bringen. Zu diesem Zwecke wurde ein anderer stark belaubter Zweig der Spitze des bl\u00e4tterlosen aufgepfropft, und der Erfolg war den Erwartungen ganz entsprechend, denn die Fr\u00fcchte reiften sehr gut.\nSchon durch diese Thatsachen m\u00f6chte die Gegenwart","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\neines zuriickstr\u00f6menden Saftes, welcher auf \u00e4hnliche Weise von Oben nach Unten zieht, wie der aufsteigende von Unten nach Oben v\u00f6llig erwiesen sein. Wir haben aber auch Thatsachen kennen gelernt, welche erwiesen, dafs auch der aufsteigende Saft im Holzk\u00f6rper seitlich verl\u00e4uft, wenn demselben ein Hindernifs im Wege steht; dieselbe Erscheinung zeigt nun auch, wenn auch in einem geringeren Grade, der herabsteigende Bildungssaft, denn derselbe str\u00f6mt in der Rinde und zieht sich aus dieser in den Holzk\u00f6rper, um auch diesem einen verarbeiteten Nahrungssaft zuzuf\u00fchren. Den gebildeten Holzk\u00f6rper darf man nicht als eine todte, f\u00fcr immer unver\u00e4nderlich dastehende Bildung betrachten, aber am Wichtigsten ist das Herabsteigen jenes Saftes f\u00fcr die Bildung neuer und f\u00fcr die Verl\u00e4ngerung der alten Wurzeln, und dieses ist die haupts\u00e4chlichste Ursache, woran die B\u00e4ume endlich sterben, wenn zu irgend einer Zeit ihre Rinde rund um den Stamm, bis auf den Holzk\u00f6rper entfernt worden ist. Ganz auf dieselbe Weise ist der Tod der Pflanzen durch Zusammenschn\u00fcrung ihrer Rinde zu erkl\u00e4ren, was besonders in tropischen Gegenden durch die Schlingpflanzen gar nicht selten bewirkt wird, aber auch bei uns, und zwar nicht so selten, durch unschuldige Unwissenheit der Leute veranlafst wird. Man ist zuweilen gen\u00f6thigt einem Baume eine andere Richtung zu geben, wozu man denselben mit einer Schnur umschlingt und an einen anderen Gegenstand befestigt. Schon nach Verlauf des ersten Sommers zeigt die Rinde des zusammen geschn\u00fcrten Baumes oberhalb der Schnur eine starke Wulst, welche zuweilen schon im zweiten Jahre die Schnur bedeckt, und der Baum ist in einigen Jahren verloren, wenn nicht noch die Wulst durch mehrere L\u00e4ngenschnitte zertheilt und auf diese Weise eine offene Communication zwischen der Rinde oberhalb und unterhalb der Einschn\u00fcrung zu Stande gebracht wird. Ein solches Absterben der B\u00e4ume erfolgt bisweilen auch bei uns in Folge der Maserbildung, wenn sich dieselbe, was freilich sehr selten ist, rund um den Stamm herum-","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"365\nzieht. Der Baum kann dabei eine lange Reihe von Jahren stehen, bis dafs die Wulst der Masermasse so bedeutend ist, dafs die neue Holzschicht nicht mehr dar\u00fcber fort-ziehen kann, und dann erst tritt f\u00fcr den Stamm derselbe Zustand ein, wie wenn an demselben ein Ringelschnitt aus-gefiihrt w\u00e4re, und er stirbt ab, wegen Mangel an Nahrung, weil die alten Wurzelspitzen endlich verderben und keine neuen hinzukommen. Wenn man eine solche Masermasse auf dem L\u00e4ngendurchschnitt untersucht, so wird man bemerken, dafs die neuen Holzschichten jedesmal auf der unteren Fl\u00e4che der Wulst bedeutend dicker, als gew\u00f6hnlich sind, und es wird dieses durch die nat\u00fcrliche Annahme einer Stockung des Saftes erkl\u00e4rlich, woraus die Holz-Substanz gebildet wird.\nDieser wichtige Lehrsatz, dafs die Bildung der Wurzeln aus dem herabsteigenden Bildungssafte erfolgt, erkl\u00e4rt eine Menge von Operationen, welche G\u00e4rtner und Landleute oftmals auszuf\u00fchren im Falle sind; vielfache Versuche haben ihnen hierin zuweilen die richtigsten Methoden an die Hand gegeben, ohne dafs sie dar\u00fcber n\u00e4here Erkl\u00e4rung zu geben im Stande sind. Bei dem Verpflanzen der B\u00e4ume ist z. B. das Beschneiden der Wurzelspitzen sehr vortheilhaft, wenn dieselben bei dem Ausnehmen verletzt oder durch langes Liegen an der Luft vertrocknet sind; bei dem Beschneiden der Aeste mufs man jedoch sehr .vorsichtig sein, denn die Knospen und die Bl\u00e4tter, welche sich aus denselben entwickeln, sind es, welche durch ihre Verdunstung als Pumpwerke dienen, und das Wasser des Bodens bei verletzten Wurzelspitzen emporheben. Sind die Wurzelspitzen dagegen unverletzt, so saugen sie aus eigener Th\u00e4tigkeit den Nahrungssaft ein und wenn auch alle Knospen abgeschnitten sind.\nBei dem Treiben der Obstb\u00e4ume zur Winterzeit, bringe man die Gew\u00e4chse so fr\u00fch wie m\u00f6glich unter Dach, damit sie noch durch den, aus den Bl\u00e4ttern herabsteigenden Saft neue Wurzelspitzen treiben, durch welche dann die Ern\u00e4hrung um so kr\u00e4ftiger vor sich geht. Werden","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\ndie Baume ohne Laub oder auch nur mit abfallendem Laube eingesetzt, so treiben sie erst sehr sp\u00e4t die Wurzeln, und zwar erst nach der Entwickelung der Knospen, aus welchen der Saft zur Wurzelbildung herabsteigt.\nSomit ist denn das Vorhandensein eines Saftes in den Pflanzen erwiesen, welcher von den Bl\u00e4ttern aus von Oben nach Unten hinabstr\u00f6mt und auf diesem Wege zu den neuen Bildungen verbraucht wird. Bei den Dicoty-ledonen, wo die Bastr\u00f6hren in der inneren Rindenschicht gelagert sind, da steigt dieser Saft in der inneren Rinde herab, und defshalb treten bei diesen Pflanzen alle jene Erscheinungen auf, wovon im Vorhergehenden die Rede war. Bei den Monocotyledonen kann dagegen eine Entrindung keine solche Wirkung hervorbringen, indem hier der R\u00fcckstrom dem Laufe der einzelnen Holzb\u00fcndel folgt, welche meistens in einer ganz anderen Ordnung gestellt sind. Aber auch bei diesen Pflanzen kann man sich vollkommen \u00fcberzeugen, dafs aus den Bl\u00e4ttern ein r\u00fcckstr\u00f6mender Saft nach dem Stamme verl\u00e4uft; wenn man n\u00e4mlich mit der geh\u00f6rigen Vorsicht die feinen Bastb\u00fcndel durchschneidet, welche in dem Blattstiele, oft dicht unter der Epidermis herablaufen, so wird man nach einiger Zeit bemerken, dafs der obere Rand der Wunde wulstf\u00f6rmig anschwillt, w\u00e4hrend der andere wie gew\u00f6hnlich zur\u00fcckbleibt. Die mikroskopische Untersuchung der Wulst zeigt jedoch, dafs gerade die Enden der durchschnittenen Bastr\u00f6hren angeschwollen sind, woraus man offenbar auf eine, in diesen R\u00f6hren vorhandene r\u00fcckstr\u00f6mende Fl\u00fcssigkeit schliefsen mufs. So sehen wir also die Wirkungen des herabstr\u00f6menden Bildungssaftes, doch wir k\u00f6nnen denselben weder f\u00fcr sich allein darstellen, noch in seiner Bewegung unmittelbar wahrnehmen. Aus den vorhandenen Beobachtungen geht jedoch ziemlich deutlich hervor, dafs der herabsteigende Bildungssaft durch die Elementar-Organe der innersten Rindenschicht gef\u00fchrt wird. Die Bastr\u00f6hren, welche den gr\u00f6fsten Theil der inneren Rinde bilden, haben einen so ausgezeichneten Bau, dafs man schon aus diesem zu","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"367\ndem Schl\u00fcsse gef\u00fchrt wird, dafs dieselben zur Fortbewegung einer Fl\u00fcssigkeit dienen, und die Beobachtungen, welche ich kurz vorher angef\u00fchrt habe, bewiesen, dafs jene Fl\u00fcssigkeit in den Bastr\u00f6hren von Oben nach Unten verlaufe. Die H\u00f6hle der Bastr\u00f6hren ist zwar sehr schmal, aber ihre L\u00e4nge so bedeutend wie die L\u00e4nge der R\u00f6hren selbst, und diese ist zuweilen so grofs, als die ganze Pflanze. Die H\u00f6hle der Bastr\u00f6hren ist so fein, dafs sie den feinsten Haarr\u00f6hrchen gleichen, und durch die grofse Zahl von T\u00fcpfelkan\u00e4len, welche in den dicken W\u00e4nden dieser R\u00f6hren Vorkommen, wird auch der seitliche Verlauf des herabsteigenden Saftes sehr erleichtert, so dafs derselbe aus den R\u00f6hren in das angrenzende Zellengewebe \u00fcbergehen kann.\nDas parenchymatische Zellengewebe, welches zwischen den Bastr\u00f6hren gelagert ist, zeigt ebenfalls einige Eigenschaften, wodurch der seitliche Durchgang von Fl\u00fcssigkeiten erleichtert wird. Die W\u00e4nde dieser Zellen sind zwar dick aber sehr weich und \u00fcberaus reich an grofsen T\u00fcpfeln. Bei einigen Pflanzen kann man auch zwischen diesen Zellen und denjenigen der Markstrahlen des Holzes die gr\u00f6fste Aehnlichkeit wahrnehmen, ja man sieht, dafs sich jene in diese unmittelbar fortsetzen oder auch umgekehrt, und hieraus m\u00f6chte ich schliefsen, dafs eben durch diese Parenchym-Zellen die seitliche Fortbewegung des Bildungssaftes, besonders die Ueberf\u00fchrung desselben in den Holzk\u00f6rper bewerkstelligt wird.\nVon diesen angef\u00fchrten Elementar-Organen der innersten Rindenschicht wird der Bildungssaft nach allen denjenigen Punkten gef\u00fchrt, wo derselbe zu neuen Bildungen verbraucht wird. Zur Bildung der neuen Holzschicht wird dieser Saft zwischen Holz und Rinde oder vielmehr auf der innersten Fl\u00e4che der Rinde ausgesondert, und hier wird er zur Bildung der einzelnen Eiernentar-Organe der Holz- und Rindenschicht verwendet. Es ist schon im ersten Theile, pag. 394 nachgewiesen, dafs diese Absonderung des Bildungsstoffes ganz allein yon der Rinde","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nausgeht; er wird im Fr\u00fchlinge, gleich nach der Entwickelung der jungen Bl\u00e4tter der Pflanzen in so grofser Masse abgesondert, dafs die Rinde dadurch mit Leichtigkeit von dem Holzk\u00f6rper zu trennen ist, und dafs er sich als eine halb fl\u00fcssige Masse darstellt. Die mikroskopische Untersuchung zeigt jedoch, dafs auch diese, so weiche Substanz schon organisirt ist und die zarten W\u00e4nde der verschiedenen Elementar-Organe des k\u00fcnftigen Holzes zeigt; doch auf welche Weise hier diese Bildungen vor sich gehen, das m\u00f6chte schwerlich nachzuweisen sein, da man selbst bei den zartesten Schnitten die weiche Substanz zerreifst.\nSchliefslich m\u00f6chte ich hiebei nur noch auf die Milch-saftsgef\u00e4fse mit ihrem Safte aufmerksam machen, welche stets in der N\u00e4he der Bastr\u00f6hren, meistens etwas mehr nach Aufsen hin gelagert sind und in solchen F\u00e4llen, wie bei den Euphorbien, wo wahre Bastr\u00f6hren fehlen, eigentlich i die Stelle derselben vertreten Ein \u00e4hnlicher Fall m\u00f6chte auch in den Bl\u00e4ttern der Hoya carnosa zu beobachten sein, worin sich die Bastr\u00f6hren des Stengels als eine Fortsetzung vorfinden und ver\u00e4stelt, gleich den Milchsaftsge-f\u00e4fsen in anderen Pflanzen erscheinen, w\u00e4hrend hier die Milchsaftsgef\u00e4fse in den Bl\u00e4ttern fehlen, doch im Stengel \u00e4ufserlich von den Bastr\u00f6hren Vorkommen. Bei der Betrachtung des Gef\u00e4fssystemes der Pflanzen wird hier\u00fcber j ausf\u00fchrlicher gesprochen werden.\nDrittes Buch.\nSecretions-Erscheinungen in den Pflanzen.\nWir haben in den vorhergehenden Abschnitten kennen gelernt, dafs der Assimilations-Prozefs eine Umwandelung der aufgenommenen Nahrungsstoffe bewirkt, und wir haben auch gesehen, dafs die Ern\u00e4hrung abermals eine Umwandelung der ausgebildeten assimilirten Nahrungsstoffe verur-","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"369\nsacht, und dafs hievon die einen Substanzen zu diesen, die anderen zu jenen Orten hingef\u00fchrt oder vielmehr von denselben angezogen und abgelagert werden. Diese Umwandelungen pflegt man mit den Absonderungen zusam-f menzustellen und dann hat man ein gewisses Recht anzu-liehmen, dafs die Ern\u00e4hrung in einer best\u00e4ndigen Secretion bestehe. Waren die Stoffe, welche bei solchen Umwandelungen durch den organischen Prozefs hervorgehen, von * der gew\u00f6hnlichen Pflanzen-Substanz nicht zu fremdartig in ihrer Zusammensetzung, so nannte man den ganzen Vorgang eine Secretion, waren die umgewandelten Stoffe jedoch von der Art, dafs sie dem organischen K\u00f6rper nicht | mehr niitzen konnten, sondern gleichsam von dem Brauchbaren ausgeschieden, so nannte man den Vorgang eine Excretion. Schon bei den Erkl\u00e4rungen des Verdauungsund Ern\u00e4hrungs-Prozesses der Thiere fanden jene Annahmen viele Schwierigkeiten, aber in der Lehre von der Ern\u00e4hrung und Absonderung der Pflanzen, waren solche Unterscheidungen zwischen Secretion und Excretion nicht durchzuf\u00fchren. Bei den Pflanzen kommt es h\u00e4ufig vor, f dafs Stoffe, welche ganz entschieden zu den vorz\u00fcglichsten assimilirten N\u00e4hrstoffen geh\u00f6ren, dafs diese von den Pflanzen nach Aufsen hin abgesondert werden, wo sie f\u00fcr das Leben derselben sicherlich zwecklos dastehen; so verh\u00e4lt es sich z. B. mit der Zucker-Absonderung im Nectar, mit dem Vorkommen des Zuckers in der Manna, mit dem Gummi, welches aus den Rissen der Rinde abfliefst u. s. w. Wollte man harzartige Stoffe zu den Excreten z\u00e4hlen, \u00bbwozu \u00fcbrigens gar keine haltbaren Gr\u00fcnde vorhanden sind, so ist das Vorkommen dieser Stoffe im Inneren der Zellen, oft mitten im Gewebe der Pflanzen, dieser Annahme wieder entgegen u. s. w. Ich folge hier den Ansichten des Herrn J. M\u00fcller *), nach welchen die Substanzen, welche durch Excretion aus dem K\u00f6rper entfernt werden, bereits im allgemeinen Nahrungssafte (dem Blute\n*) Physiologie des Menschen. I. pag. 407-Me y en. Pfl. Physiol. II,\n24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nbei den Thieren!) enthalten waren. Hiernach scheint es mir, dafs man bei den Pflanzen eigentlich nur die Ausscheidung des \u00fcberfl\u00fcssig aufgenommenen Wassers durch die Transpiration, als einen Excretions-Akt ansehen kann, alle \u00fcbrigen Absonderungen, welche in den Pflanzen Vorkommen, m\u00f6gen sie im Inneren der Zellen auftreten, oder m\u00f6gen sie nach Aufsen hin abgelagert werden, oder sogar in besonderen Apparaten vor sich gehen, m\u00f6chte man -besser durch Secretion hervorgegangen betrachten.\nAls die Ursache, durch welche die Umwandelung der Stoffe bei dem Secretions - Prozesse vor sich geht, ist die Lebenskraft anzusehen, unter deren Herrschaft die chemi-sehen Umwandelungen vor sich gehen; diese Vorg\u00e4nge jedoch, sind von der Chemie noch in keinem Punkte vollst\u00e4ndig dargestellt.\nIch beginne die specielle Betrachtung der secernirten Pflanzenstoffe mit der Untersuchung des Milchsaftes der = Pflanzen, da dieser, schon seit den fr\u00fchesten Zeiten der Pflanzen-Physiologie, stets mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet wurde.\nErstes Gapitel.\t1\nDas Circulations -System in den Pflanzen.\nDer ausgezeichnetste der secernirten S\u00e4fte der Pflanzen ist der Milchsaft, auch Lebenssaft genannt; derselbe be-* findet sich in eigenth\u00fcmlichen Gef\u00e4fsen, welche von den Zellen der Pflanzen ganz verschieden gebauet sind, und zeigt in diesen eine Bewegung, welche man f\u00fcr eine Erscheinung ansehen kann, die mit der Bewegung des Blutes ' in den Adern der Thiere in Analogie zu stellen ist. Die Gef\u00e4fse der Pflanzen, welche diesen Milchsaft oder Lebenssaft enthalten, werden nach ihrem Inhalte benannt, und heifsen demnach Milchsaft- oder Lebenssaft - Gef\u00e4fse.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"371\nUeber den Hau und die Vertheilung* der Milchsaft-Gef\u00e4fse.\nt Die Milchsaft-Gef\u00e4fse sind cylindrische Schl\u00e4uche\n\u2022 ?\nwelche meistens von sehr zarten und durchsichtigen Mein branen gebildet werden, nach Art der Blutgef\u00e4fse in den Thieren ver\u00e4stelt und verzweigt auftreten und gegenseitige \u00e9 Anastomosen bilden.\nDa der Milchsaft der Pflanzen meistens eine sehr auffallende F\u00e4rbung hat, so wurde er schon in den \u00e4ltesten Zeiten den Botanikern bekannt; Malpighi nannte die Ge\u00ab j f\u00e4fse, worin sich jener Milchsaft befindet vasa propria, vasa peculiaria und vasa lactifera, doch bei der Angabe ihrer Structur, verwechselt er dieselben mit den Harzg\u00e4ngen, wor\u00fcber im ersten Bande dieses Buches pag. 320 die Rede war. Grew nannte die eigenth\u00fcmlichen Gef\u00e4fse des Malpighi im Allgemeinen receptacula, aber gew\u00f6hnlich vasa, welche nach ihrem Inhalte verschiedene Beinamen erhielten; so finden wir bei Grew vasa lactea oder lactifera, ^ gummifera, resinifera und mucilaginifera, woraus wir sehen, dafs auch Grew die Secretions-Beh\u00e4lter mit den Milchsaft-Gef\u00e4fsen verwechselt, oder vielmehr die Verschiedenheit in der Structur derselben noch nicht erkannt hat. Sp\u00e4ter wurden die Milchsaft-Gef\u00e4fse in den Pflanzen von vielen Gelehrten mit den Blutgef\u00e4fsen in den Thieren verglichen, wor\u00fcber ich nur Mariotte*) und Chr. Wolff**) anf\u00fchre; besonders Letzterer hatte vortreffliche Ansichten \u00fcber den * Bau dieser Gef\u00e4fse, doch l\u00e4fst er uns in Ungewifsheit, ob er zu denselben durch wirkliche Untersuchungen oder durch blofse Speculation gekommen ist. Erst bei J.D.MoI-denhawer***) finden wir ganz bestimmte Beobachtungen \u00fcber den Bau der Milchsaft-Gef\u00e4fse; er nennt dieselben\n*) Oeuvres etc. \u00e0 Leide. 1717. pag. 132 etc.\nVern\u00fcnftige Gedanken. Leipzig 1737 pag. 639\n) De vasis plantar, pag. 38 und 39.\n24*","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nMarkgefafse (vasa medullaria) und (pag. 34) spricht ganz bestimmt von der Ver\u00e4stelung dieser Gef\u00e4fse. Rafn theilte \u00e4hnliche Beobachtungen mit und nannte diese Gebilde Wasser-Gef\u00e4fse. Herr Link * **) unterschied zuerst mit gr\u00f6fserer Bestimmtheit die Secretionsbeh\u00e4lter von den eigenen Gef\u00e4fsen, welche eine eigene Haut besitzen, gew\u00f6hnlich etwas weiter als die Fasergefafse oder Bastzellen, aber ungleich enger, als die Spiralr\u00f6hren sind. Herr v. Mirbel ***) beschrieb die Milchsaft-Gef\u00e4fse unter dem Namen der vaisseaux propres fasciculaires, hat aber dieselben mit den wirklichen Bastzellen verwechselt, welche bei den Asclepiadeen und Apocyneen besondere Eigen-thiimlichkeiten darbieten, worauf schon im ersten Bande pag. 104 aufmerksam gemacht wurde. Ganz neuerlichst hat Herr Mirbel -j-) sogar seine Verwunderung ausgesprochen, dafs man nicht schon l\u00e4ngst erkannt habe, dafs die Lebenssaft-Gef\u00e4fse des Herrn Schultz nichts Anderes, als die langen R\u00f6hren w\u00e4ren, welche das bekannte Rinden-Netz bilden, doch ich habe schon im ersten Bande pag. 115 gezeigt, auf welche Weise man zu so irrth\u00fcmlichen Ansichten gelangen konnte.\nIch mufs bei der historischen Auseinandersetzung dieses Gegenstandes leider so ausf\u00fchrlich handeln, indem diejenigen Botaniker, welche sich bis zur neuesten Zeit von dem Dasein der eigenen W\u00e4nde der Milchsaft-Gef\u00e4fse noch nicht \u00fcberzeugt haben, auf alle m\u00f6gliche Weise die fr\u00fcheren Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand zu verdecken gesucht haben ; J. P. Moldenhawer f\u00fchren sie als ihren Schutzpatron auf, dessen Angabe \u00fcber diesen Gegenstand jedoch zum Theil selbst gegen ihre Ansichten spricht. So sagt z. B.\nEntwurf einer Pflanzen-Physiologie, pag. 88 etc.\nNachtr\u00e4ge zu den Grundlehren. Heft II. pag. 3h\n***) Expos, de la Theor. etc. pag. 257.\nRemarques sur la nature et Porigine des couches corticales et du liber des arbres dicotyl\u00e9dones. \u2014 Ann. des scienc, nat. 1835. I. pag, 143.","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"373\nMoldenhawer *), dafs rdie eigenen Gef\u00e4fse in der Musa zwar Einschn\u00fcrungen zeigen, doch dabei nur aus einem St\u00fccke bestehen, also keine Querw\u00e4nde haben, obgleich er selbst zuweilen dunkele Querstriche bemerkt hatte. An einer anderen Stelle, n\u00e4mlich pag. 146 und 147 sagt er ausdr\u00fccklich, dafs diese Gef\u00e4fse sogar Seitenforts\u00e4tze haben, welche ohne Absatz unmittelbar aus der Haut des Schlauches entstehen. Auch Zenker**) und der Verfasser des\nf Catechismus der Botanik, welcher Leipzig 1824 erschien, haben manches Brauchbare \u00fcber den Bau der Milchsaft-Gef\u00e4fse mitgetheilt.\nNachdem aber Herr C. H. Schultz die Beobachtung\nI \u00fcber die Bewegung des Milchsaftes in seinen Gef\u00e4fsen gemacht hatte, mufste man auf den Bau und den Verlauf derselben gr\u00f6fsere Aufmerksamkeit richten. Nach Herrn Schultz ***) zeigen diese Milchsaft-Gef\u00e4fse in jungen und in alten Theilen der Pflanzen grofse Verschiedenheiten ; im Alter sollen (sie gegliedert sein und nur in der Jugend aus continuirlichen R\u00f6hren bestehen. Die Milchsaft-Gef\u00e4fse geh\u00f6ren zu den zartesten Theilen der Pflanzen, welche\n*\tmeistens durch Maceration viel fr\u00fcher zerst\u00f6rt werden, als die angrenzenden Theile; Herr Schultz bediente sich indessen zur besonderen Darstellung derselben sowohl der Maceration, des Gefrierens, wie auch des Kochens, und\nK meint, dafs diese Methoden eigentlich die einzig anwendbaren w\u00e4ren, indem das Messer jene Theile niemals so deutlich zeige. In Folge meiner Beobachtungen kann ich jedoch jenen Angaben nicht beistimmen, vielmehr wird es\n*\tmir gerade dadurch erkl\u00e4rlich, dafs selbst Herr Schultz \u00fcbereinanderstehende Zellenreihen f\u00fcr die Milchsaft-Gef\u00e4fse des Sch\u00f6llkrautes abgebildet hat, was Fig. 10. Tab. IV, des angef\u00fchrten Buches, unwiderleglich beweist. Sowohl bei der Maceration als beim Gefrieren und bei anhalten-\n~ dem Kochen, werden die zarten Gef\u00e4fse des Sch\u00f6llkrautes\n*) Beitr\u00fcge etc. pag. 137 und 387.\n**) Isis v. 1824.\n***) Die Natur der lebendigen Pflanze etc. I. pag. 516 etc.","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\nzerst\u00f6rt und der gelbe Saft dringt in die, unmittelbar angrenzenden Zellen, welche dadurch eine gelbe Farbe erhalten, und nun, als angeblich gegliederte Milchsaft-Gef\u00e4fse angesehen werden k\u00f6nnen.\nNach Herrn Schultz * *) sind die Milchsaft-Gef\u00e4fse ebenso wie die Spiralr\u00f6hren im ausgebildeten Zustande gegliedert, w\u00e4hrend sie im jugendlichen Zustande durch alle Glieder einen ununterbrochenen offenen Zusammenhang zeigen. Die Extremit\u00e4ten zweier Glieder sollen in der Regel gerade aufeinander einlenken, so dafs ihre W\u00e4nde parallel fortlaufen. \u201eOft bildet sich der Knoten durch die Einlenkung zur Seite, und zuweilen sieht man, dafs sich zwei kleinere Glieder zu den beiden Seiten der einen Extremit\u00e4t eines gr\u00f6fseren einlenken.\u201c Auch hiezu wird eine Abbildung citirt, aus weicher man aber ersieht, dafs die Beschreibung nach \u00fcbereinanderstehenden Zellen und nicht nach den Milchsaft-Gef\u00e4fsen gemacht ist. Sp\u00e4ter hat Herr Schultz verschiedene Entwickelungsstufen der Lebens-saftgef\u00e4fse zu unterscheiden gesucht, und dieselben mit verschiedenen Namen belegt. Oft soll bei verschiedenen Pflanzen nur die eine oder die andere dieser Formen von Gef\u00e4fsen Vorkommen, bei vielen Pflanzen sollen] jedoch die drei verschiedenen Entwicklungsstufen zu gleicher Zeit auftreten. Diese verschiedenen Entwickelungsstufen der Lebenssaft-Gef\u00e4fse sollen darbieten: 1) Die vasa laticis contracta; sie sind zart, am meisten contractil und dadurch oft zu einem dichten Gewebe verbunden. 2) Die vasa laticis expansa; es sind die gew\u00f6hnlichen Lebenssaftgef\u00e4fse welche stellenweise Einschn\u00fcrungen und bauchige Erweiterungen zeigen, wovon letztere die Neigung zur allgemeinen Expansion, erstere hingegen die contractile Eigenschaft dieser Gef\u00e4fse beurkunden sollen. 3) Die vasa laticis articulata; die Enden der Glieder dieser Gef\u00e4fse haben verengerte M\u00fcndungen, sind aber nicht geschlossen,\n*) 1. e. pag. 521 etc.\n*\u00a5]) S. Flora von 1834, pag. 120.","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"375\ndoch sollen sie sich an diesen Einschniirungsstellen sein-leicht trennen.\nHerr L. Treviranus *) suchte jedoch in neuester Zeit wiederum zu zeigen, dafs alle jene Angaben, welche f\u00fcr die Selbstst\u00e4ndigkeit der Milchsaft-Gef\u00e4fse sprechen, nichts als Irrthiiraer sind. Nach seiner Ansicht zerfallen die eigen th\u00fcmlichen Saftgef\u00e4fse in zwei Abtheilungen, n\u00e4mlich in einfache Secretionsgef\u00e4fse und in zusammengesetzte 9 Secretionsgef\u00e4fse; die Letzteren umfassen jene Secretions-beh\u00e4lter, von den im ersten Bande pag. 317 die Rede war, die einfachen Secretionsgef\u00e4fse sind dagegen diejenigen, welche von anderen Botanikern unter dem Namen | der Milchsaft-Gef\u00e4fse und Lebenssaft -Gef\u00e4fse beschrieben worden sind. Herr Treviranus meint, dafs diese einfachen Secretionsgef\u00e4fse senkrechte Reihen von Zellen w\u00e4ren, welche sich zuweilen von der rundlichen Form wenig entfernen , meistens aber in die L\u00e4nge gezogen und dabei von anderen gew\u00f6hnlichen Zellen umgeben sind, so dafs sie, wenn man ihren eigenthiimlichen Bau nicht ber\u00fccksichtigt, als blofse verl\u00e4ngerte Intercellularg\u00e4nge ansehen \u00ab kann. Diese Zellenreihen sind, nach Herrn Treviranus Meinung, als die eigenthiimlichen Organe f\u00fcr die Absonderung und erste Aufnahme secernirter S\u00e4fte zu betrachten, indessen ich glaube sp\u00e4ter zeigen zu k\u00f6nnen, dafs ,h sich die Sache in der Natur ganz anders verh\u00e4lt, als sie hier von Herrn Treviranus beschrieben ist.\nAus dieser geschichtlichen Uebersicht kann man ersehen, wie grofs die Zahl der verschiedenen Namen ist, * welche man diesen Gef\u00e4fsen beigelegt hat, Der Saft, nach welchem diese Gef\u00e4fse benannt werden, ging fr\u00fcher unter dem Namen succus proprius, succus coloratus, succus laeteus oder Milchsaft; um aber Verwechselungen mit anderen Secretionen zu vermeiden, welche zuweilen ebenfalls gef\u00e4rbt auftreten, nannte ihn Hr. Schultz Lebens-\n*') Physiolog. d. Gew\u00e4chse, t. pag. 140 etc,\n*\u00a5) Die Natur der lebendigen Pflanze. 1, pag, 531,","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\nsaft (latex), und die Gef\u00e4fse, welche denselben f\u00fchren, Lebenssaft-Gef\u00e4fse (vasa laticis seu latescentia).\nNach meinen eigenen Beobachtungen sind die Milchsaft-Gefafse mehr oder weniger vollkommen cylindrische Schl\u00e4uche, welche durch eine eigene gleichm\u00e4fsige Membran gebildet werden; sie verlaufen im ganzen Umfange des Stengels oder des Stammes der Pflanzen, parallel der Achse derselben, von der Wurzel bis zu den Bl\u00e4ttern, und allen anderen Theilen der Pflanzen, welche den Stamm oder dessen Ver\u00e4stelungen begrenzen. Fast immer ist das Vorkommen der Milchsaftgef\u00e4fse bei den Dicotyledonen in den inneren Schichten der Rinde zu beobachten, zuweilen kommen sie jedoch auch im Marke des Stengels vor, besonders in einigen Familien. Meistens sind die Gefafse, welche im Stengel parallel verlaufen von gleicher Gr\u00f6fse, doch die Dicke ihrer W\u00e4nde richtet sich nach dem Alter der Gef\u00e4fse. Bei den Euphorbien liegen die dickh\u00e4utigen und besonders grofsen Milchsaftgef\u00e4fse unmittelbar an der Oberfl\u00e4che des Holzk\u00f6rpers, w\u00e4hrend viel zartere weiter nach Aufsen in der Rindensubstanz, wie im Marke verlaufen. Bei einigen Pflanzen zeigen die Lebenssaftgef\u00e4fse des Stammes deutliche Ver\u00e4stelungen, und keine Spur von Abschn\u00fcrungen oder Scheidew\u00e4nden, wie man es allgemein bei den Euphorbien findet, und zwar am sch\u00f6nsten bei den strauchartigen, wo auch Herr Link die Ver\u00e4stelungen beobachtet hat. Bei anderen Pflanzen zeigen die Milchsaftgef\u00e4fse des Stengels nicht nur Ver\u00e4stelungen, sondern auch gegenseitige Verbindungen, also wirkliche Anastomosen, wie ich es schon in Fig. 10. Tab. VI. zum ersten Bande dieses Buches aus dem Stengel der Sarcostemma dichotoma abgebildet habe; bei den meisten Pflanzen scheinen dagegen zwischen den Milchsaft-Gef\u00e4fsen des Stammes keine Anasto-mosen stattzufinden, sondern sie laufen s\u00e4mmtlich parallel der Achse, ununterbrochen durch den ganzen Stamm. In dergleichen Pflanzen, wo der Stamm besondere Anamor\u00ab phosen eingeht, wo er z. B. kugelf\u00f6rmig anschwillt, wie bei dergleichen Euphorbien, da ist denn auch der Verlauf","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"377\ndieser ver\u00e4stelten Milchsaft-Gef\u00e4fse scheinbar sehr unregel-m\u00e4fsig, indessen sie bilden hier ein Netz, welches die ganze Substanz eines solchen Stammes durchzieht. Bei den Euphorbien fehlen alle Bastr\u00f6hren und gerade an der Stelle dieser treten die dicksten und gr\u00f6fsten Milchsaftgef\u00e4fse mit ihren Ver\u00e4stelungen auf, eine Thatsache, auf welche bisher, wie ich glaube, man noch nicht aufmerksam gemacht hat. Bei den Apocyneen und anderen Pflanzen hat man zwar zu sehen geglaubt, dafs die Milchsaftgef\u00e4fse nichts Anderes, als die Bastr\u00f6hren sind, doch ich habe dagegen nachgewiesen, dafs bei diesen Pflanzen die Bastr\u00f6hren an ihrem gew\u00f6hnlichen Orte Vorkommen, und dafs | dicht dar\u00fcber, also mehr in der gr\u00fcnen Zellenschicht der Rinde, die wirklichen verzweigten und anastomosirenden Lebenssaft-Gef\u00e4fse Vorkommen.\nIn den Bl\u00e4ttern und den blattartigen Organen der Pflanzen richten sich die Milchsaft Gef\u00e4fse im Allgemeinen ganz nach dem Verlaufe der Holz- und Spiralr\u00f6hren-Biindel. Die Hauptst\u00e4mme dieser Gef\u00e4fse, n\u00e4mlich die unmittelbaren Fortsetzungen dieser Gef\u00e4fse des Blattsfcie-* ies> verlaufen parallel den Blattnerven; in einigen Pflanzen sich deutlich ver\u00e4stelnd, wie z. B. bei Alisma Plantago, wozu ich auf Tab. XV. zu meiner Phytotomie eine grofse Abbildung gegeben habe, in anderen Pflanzen dagegen -f~ ohne Ver\u00e4stelungen, wenigstens habe ich sie daselbst noch nicht beobachten k\u00f6nnen, ja ich gestehe, dafs ich selbst in den Bl\u00e4ttern des Chelidonium\u2019s noch keine wirkliche \\ er\u00e4stelungen, aber wohl die vollkommensten Umbiegun-I gen beobachtet habe. M\u00f6gen sich die Milchsaft-Gef\u00e4fse in den Bl\u00e4ttern ver\u00e4steln oder m\u00f6gen sie unver\u00e4stelt Vorkommen, so kann man doch immer sehr deutlich sehen dafs einzelne dieser Gef\u00e4fse von den Hauptnerven in mehr oder weniger spitzen Winkeln ablaufen, bald den kleineren Nerven folgend, bald auch unmittelbar und ganz f\u00fcr sich allein, von dem Spiral r\u00f6hrenb\u00fcndel des einen kleinen Nerven zu dem eines anderen hin\u00fcbergehen, sich daselbst der Richtung dieses Nerven anlegen und mit demselben","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\nweiter fortlaufen. Bei den gew\u00f6hnlichen d\u00fcnnen Bl\u00e4ttern der Monocotyledonen und der Dicotyledonen, wo wirkliche Milchsaft-Gef\u00e4fse Vorkommen, da findet man die feinsten Aeste derselben unmittelbar auf der Epidermis der unteren Blattfl\u00e4che verlaufend. In den Figuren 3. und 4, Tab. IX, sind kleine St\u00fcckchen der Epidermis von der unteren Blattfl\u00e4che von Ficus elastica dargestellt; sie sind von solchen Stellen des Blattes entnommen, wo in der Tiefe die Holzb\u00fcndel der Nerven verlaufen, daher hier die Zellen der Epidermis sehr grofs und ohne Spalt\u00f6ffnungen auftreten. Diese beiden St\u00fcckchen, wonach die Abbildungen gemacht sind, lagen in eben derselben Stellung zu einander, nur etwas weiter entfernt, und dennoch zeigen die beiden, darunter weglaufenden Milchsaft-Gef\u00e4fse ganz verschiedene Richtungen. In Fig. 7, Tab. IX. ist das Endl\u00e4ppchen eines Blattes des Sch\u00f6llkrauts nach einer 20maligen Yer-gr\u00f6fserung dargestellt, um daran den Verlauf der Nerven und der Nervenverzweigungen nachzuweisen; selbst die feinsten Verzweigungen, welche man hier sieht, sind noch immer so stark, dafs sie aus einer oder aus mehreren Spiralr\u00f6hren, einigen langgestreckten Zellen und einem oder mehreren Milchsaft-Gef\u00e4fsen bestehen; erst von diesen feinen Aestchen verlaufen einzelne, zarte Milchsaft-Gef\u00e4fse quer \u00fcber zu den n\u00e4chsten Nervenzweigen, wie dieses in der Fig. 8. nach einer l\u00d6Omaligen Vergr\u00f6fserung schon ganz deutlich bei c und d zu sehen ist. Dergleichen Nervenverzweigungen, wie die bei e und bei f, bestehen schon aus zwei und selbst aus drei nebeneinanderliegenden Milch-saft-Gef\u00e4fsen, oftmals aber ebenfalls ohne alle Spiral r\u00f6hren. Diese liniaren Darstellungen in Fig. 7. und 8, sind nach unverletzten Bl\u00e4ttern angefertigt, welche ohne weitere Vorrichtungen unmittelbar unter das Mikroskop und zwar mit der unteren Blattfl\u00e4che nach Oben gelegt wurden. Mit einem guten neuen Mikroskope wird man hier, selbst noch bei sehr starken Vergr\u00f6fserungen, bei den feineren Nervenverzweigungen mit mehr oder weniger grofs er Deutlichkeit den Umfang und den Verlauf der Milchsaft-Gef\u00e4fse","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"379\nganz wohl verfolgen k\u00f6nnen, wobei die Str\u00f6mungen des Saftes, welche in diesen Gef\u00e4fsen Vorkommen und in der Fig. 8. durch die Richtung der Pfeile angegeben sind, sehr beh\u00fciflich sind, indem man oftmals gerade nur dadurch die Ablenkung und den weiteren Verlauf eines feinen Gef\u00e4-fses zu verfolgen im Stande ist. Will man dagegen den Verlauf dieser Gef\u00e4fse in den zarten Bl\u00e4ttern des Sch\u00f6llkrauts vermittelst des Messers darstellen, so wird man dieselben nur sehr selten und zwar immer nur auf sehr kleinen Strecken verfolgen k\u00f6nnen. Obgleich ich noch keine wirklichen Anastomosen zwischen den verschiedenen Gef\u00e4fsen in den Bl\u00e4ttern des Sch\u00f6llkrauts habe sehen k\u00f6nnen, was auch wohl nur durch die Schwierigkeit des Gegenstandes verursacht sein mag, so ist es doch im h\u00f6chsten Grade wahrscheinlich, dafs dergleichen Vereinigungen verschiedener Gef\u00e4fse daselbst wirklich stattfinden, denn nach dem Rande und besonders nach der Spitze der Blattlappen zu, laufen eine sehr grofse Anzahl von Gef\u00e4fsen zusammen; besonders an der Spitze schien es mir auch, dafs mehrere solcher Gef\u00e4fse sich vereinigten und nach der anderen Richtung hin sich wiederum verzweigten. In den Wurzeln des Sch\u00f6llkrauts sind Ver\u00e4stelungen und Anastomosen sehr h\u00e4ufig zu beobachten, und um so wahrscheinlicher wird es, dafs dergleichen auch im Blatte Vorkommen : auch wird die Betrachtung der Circu-lation des Saftes in diesen Gef\u00e4fsen, wor\u00fcber erst sp\u00e4ter die Rede sein kann, die gegenseitige Verbindung jener Blattgef\u00e4fse aufser Zweifel setzen.\nIn der Wurzel ist der Verlauf der Lebenssaftgef\u00e4fse nicht mehr so regelm\u00e4fsig, als im Stengel. Im Sch\u00f6ll-kraute z. B. wird man die Gef\u00e4fse der Wurzel nur sehr selten, auf bedeutenden Strecken gerade verlaufend beobachten, ja ein Fall, wie er in Fig. 6. Tab. IX. abgebildet ist, geh\u00f6rt schon zu den seltenen und kommt nur in den langgewachsenen Wurzeln vor. Oft l\u00e4uft hier ein Gef\u00e4fs, in einer Strecke von 2 bis o Zellen, ganz gerade neben den Seiten der Zellen, dann biegt es sich seitlich","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\num entweder an der Grundfl\u00e4che einer oder mehrerer Zellen zu verlaufen, und dann wieder eine gewisse Strecke den Seitenfl\u00e4chen der Zellen folgend, was man besonders im Rhizome findet. Hier sind wirkliche Ver\u00e4stelungen und wirkliche Anastomosen zu beobachten, wie ich dieselben auch an einem anderen Orte* **)) abgebildet habe. In den Wurzeln des Sch\u00f6llkrautes, so wie bei anderen Dicotyle-donen verlaufen diese Milchsaft-Gef\u00e4fse in der inneren und : mittleren Rindenschicht und bilden daselbst, besonders ihren unregelm\u00e4fsigen Verlaufs wegen ein sehr grofses und dichtes Netz. Die W\u00e4nde dieser Gef\u00e4fse, so wie \u00fcberhaupt die der ganzen Sch\u00f6llkraut-Pflanze sind \u00e4ufserst -zart und nur auf sehr feinen Schnitten und mit guten Mikroskopen zu erkennen, sonst k\u00f6nnte man geneigt sein, dieselben f\u00fcr blofse Intercellularg\u00e4nge anzusehen; besonders deutlich sieht man den Verlauf dieser eigenen Gef\u00e4fs- f w\u00e4nde, wo sich dieselben schr\u00e4g oder schief \u00fcber die W\u00e4nde der angrenzenden Zellen hinziehen, wie man es auch in Fig. 6. Tab. IX. dargestellt findet.\nNach diesen angegebenen wirklichen Beobachtungen bilden die Milchsaft-Gef\u00e4fse ein zusammenh\u00e4ngendes Gef\u00e4fs-system, welches durch alle Theile der Pflanzen verbreitet ist, und dieses war schon meine Ansicht \u00fcber diesen Gegenstand, als ich denselben im Jahre 1827 in derLinnaea j publicirte. Herr Link*) glaubt, dafs ich darin zu weit gegangen w\u00e4re, doch alle meine neueren Beobachtungen, auf welche ich mich, der G\u00fcte der Instrumente wegen, mehr verlassen kann, zeigen mir wenigstens, dafs ich die -Verbreitung der Milchsaft-Gef\u00e4fse schon vor 10 Jahren ziemlich richtig erkannt habe.\nEs haben die wirklichen Milchsaft-Gef\u00e4fse auf ihrem ganzen Laufe durch die Pflanze keine Spur von Scheidew\u00e4nden aufzuweisen, und besonders in einzelnen F\u00e4llen kann man dieselben auf weite Strecken verfolgen und sich\n*) S. Ueber die Secretionsorgane der Pflanzen. Tab, IX. Fig. 2\n**) Philos. bot. Ed. alt. I. pag. 302.","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"381\nhier\u00fcber vollkommen \u00fcberzeugen. Man beobachte nur die sch\u00f6nen Gef\u00e4fse der Art in den Blattstielen der Aroideen, bei Caladium violaceum z. B.; ferner bei den Feigen-Arten, besonders bei Ficus elastica, in dem Marke des Oleanders und in hundert anderen Pflanzen, wo die Schnitte so fein gemacht werden k\u00f6nnen, dafs durchaus keine T\u00e4uschung m\u00f6glich ist. Hie und da zeigen die Milchsaft-Gef\u00e4fse, besonders in der Wurzel kleine Einschn\u00fcrungen^), auch wohl kleine Erweiterungen nach irgend einer Seite, was besonders in ganz alten Pflanzen zu finden ist, aber man glaube nicht, dafs diese Einschn\u00fcrungen und Erweiterungen etwa durch die Contractilit\u00e4t der Ge-f\u00e4fsw\u00e4nde entstanden sind, da dieselbe diesen H\u00e4uten durchaus g\u00e4nzlich fehlt; sondern jene Einschn\u00fcrungen entstehen nur an solchen Stellen, wo die Kanten der Zellenenden zuweilen auf die W\u00e4nde der Gef\u00e4fse eindriicken, oder, wie in der Wurzel des Sch\u00f6llkrautes, wo sich die Gef\u00e4fse gleichsam durch die Intercellularg\u00e4nge hindurch dr\u00e4ngen und durch den gegenseitigen Druck der Zellen, in Folge der gr\u00f6fseren Ausdehnung der Wurzel, oftmals zusammengequetscht werden und sehr unregelm\u00e4fsige Formen annehmen. Ist der Schnitt nicht ganz fein genug, so glaubt man in solchen F\u00e4llen hie und da wirkliche Querw\u00e4nde in den Gef\u00e4fsen zu sehen, w\u00e4hrend diese Querlinien nichts weiter sind, als die Kanten der Zellen, welche unmittelbar den Gef\u00e4fsw\u00e4nden auflagen und mit ihnen abgeschnitten sind. Feine Schnitte aus frischen Wurzeln beweisen die ununterbrochene Continuit\u00e4t der Milchsaft-Gef\u00e4fse am deutlichsten, indem man dabei die Str\u00f6mungen des Milchsaftes beobachten kann, welche in gew\u00f6hnlicher Schnelligkeit auch durch dergleichen Stellen stattfindet, welche scheinbar durch dar\u00fcber oder darunter liegende Linien getheilt sind.\nIch habe schon fr\u00fcher die Bemerkung gemacht, dafs die Membran, welche die Milchsaft-Gef\u00e4fse bildet, im All-\n*) S. Fig. 6\u00bb Tab. IX. aus der Wurzel des Chelidonium roajus.","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382\ngemeinen sehr zart ist, ja in den jungen Theilen der krautartigen Pflanzen ist dieselbe meistens gar nicht nach-zuweisen, was aber auch in ausgebildeten krautartigen Pflanzen eben so schwer ist, wenn das Gewebe zart und dabei dennoch fest verbunden ist, wie es z. B. im Sch\u00f6llkraute der Fall ist. In den saftigen Monocotyledonen sind auch die zartesten Milchsaft-Gef\u00e4fse leichter nachzuweisen, wozu ich auch auf der 12ten Tafel der Phytotomie verschiedene Abbildungen aus Aroideen mitgetheilt habe; man sieht daselbst einige Milchsaft-Gef\u00e4fse, welche unmittelbar neben den weitl\u00e4uftig gewundenen Spiralge-f\u00e4fsen verlaufen, wo nat\u00fcrlich \u00fcber das Dasein einer eigenen Membran gar kein Zweifel \u00fcbrig bleiben kann, und so kann man auch in allen diesen F\u00e4llen deutlich sehen, dafs die Milchsaft - Gef\u00e4fse ungegliedert sind. Leichter ist es die eigenen W\u00e4nde der Milchsaft-Gef\u00e4fse in ganz alten Pflanzen nachzuweisen, besonders in solchen, welche sich schon dem Absterben n\u00e4heren; man kann alsdann zuweilen die Gef\u00e4fse nicht nur in ihrer nat\u00fcrlichen Lage deutlich sehen, sondern man vermag dieselben sogar aus ihrer nat\u00fcrlichen Lage zu trennen, ohne die angrenzenden Ele-mentar-Organe dabei zu zerst\u00f6ren. Im Stamme und in den Blattstielen der Feigen-Arten sind die Milchsaft-Gef\u00e4fse sehr grofs und wenn im Herbste die Bl\u00e4tter der gemeinen Feige abzufallen beginnen, dann ist die Gef\u00e4fshaut in den Blattstielen sogar etwas br\u00e4unlich gef\u00e4rbt und mit Leichtigkeit von den umgebenden Zellen zu trennen. Zu demselben Zwecke untersuche man die unreifen Fr\u00fcchte der Feige und man wird eine unz\u00e4hlige Menge von Milchsaft-Gef\u00e4fse darin finden, welche zwar sehr grofs sind, deren eigene W\u00e4nde jedoch nur schwer zu unterscheiden sind; erst wenn die Fr\u00fcchte zu reifen anfangen, kann man die feine Haut jener Gef\u00e4fse deutlich wahrnehmen.\nIn Pflanzen mit festerem Zellengewebe, kann man die eigenen W\u00e4nde der Milchsaft-Gef\u00e4fse und deren Verh\u00e4ltnis zu den angrenzenden Theilen am leichtesten durch Querschnitte nachweisen, doch ist es vorteilhaft, wenn","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"383\ndergleichen Pflanzen vorher einige Zeit hindurch in Alkohol gelegen haben, damit die Milch in den Gefafsen geronnen ist und dadurch auch auf dem Querschnitte die H\u00f6hlung derselben erf\u00fcllt. Querschnitte, welche man auf diese Weise t aus der Rinde des Stengels der Ceropegien-, der Ficus-und Euphorbien-Arten anstellt, gelingen ganz vollkommen, In Fig. 1. Tab. iX. ist die Abbildung eines schmalen Rindenst\u00fcckes der Ceropegia (Sarcostemma) dichotoma nach i einem Querschnitte gegeben; die untere Zellenmasse a b liegt zun\u00e4chst dem Holzk\u00f6rper und enth\u00e4lt die zerstreut stehenden B\u00fcndel von Bastzellen, welche durch c und d angedeutet sind ; erst mehrere Zellenschichten weiter nach Aufsen, als bei | e und f, treten einzelne Milchsaft-Gefafse auf, deren eigene W\u00e4nde hier ganz besonders leicht wahrzunehmen sind, indem dieselben etwas dicker, als die \u00fcbrigen W\u00e4nde der Zellen sind. Bei einer so starken Vergr\u00f6fserung, als diejenige, nach welcher dieser Querschnitt angefertigt ist, sind die Milchsaft-Gefafse der Ceropegia auch auf den L\u00e4ngenschnitten aufserordentlich deutlich zu sehen; hier sieht man an jeder Stelle mit Leichtigkeit, dafs die Gefafse\n-\teigene W\u00e4nde haben, dafs sie cylindrisch, ganz ohne Scheidew\u00e4nde und hie und da ver\u00e4stelt und anastomosi-rend sind. Man vergleiche hiezu die Abbildung inFig. 10. Tab. VI. des ersten Bandes. Man mufs aber recht alte Aeste zu diesen Untersuchungen anwenden.\nIn Fig. 2. Tab. IX. ist die Abbildung eines kleinen Endchen eines Milchsaft-Gefafses aus dem Blattstiele von Ficus elastica gegeben; ab ist das Milchsaft-Gef\u00e4fs mit der t darin enthaltenen Milch; die W\u00e4nde des Gef\u00e4fses werden unmittelbar von den W\u00e4nden der angrenzenden Zellen umschlossen, und nur an solchen Stellen, wie bei c, d, e und f, wo die Gef\u00e4fswand bei dem Winkel der angren-den Zellenenden vorbeigeht, da kann man dieselbe ganz\n-\tdeutlich als eine eigene, f\u00fcr sich bestehende Membran an-sehen. Ja die Membran dieser Gef\u00e4fsw\u00e4nde ist so bedeutend dick, dafs man selbst einige Schichten darin wahrzunehmen glaubt, aber niemals habe ich auf derselben T\u00fcpfel","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\nbeobachtet, welche auf den angrenzenden Zellenvv\u00e4nden dieser Pflanzen sehr h\u00e4ufig sind, wie es auch in der Abbildung dargestellt ist. Die Gattung Clusia hat \u00fcberaus grofse und dickh\u00e4utige Milchsaft-Gef\u00e4fse aufzuweisen, welche sich sehr gut von den angrenzenden Zellen unterscheiden. Nur die Milchsaft-Gef\u00e4fse der Euphorbien zeigen einen zusammengesetzteren Bau, als alle \u00fcbrigen, welche wir bisher kennen gelernt haben; ich habe in Fig. 5. Tab. IX. ein Endchen eines solchen Gef\u00e4fses aus Euphorbia magni-spina abgebildet, dessen Form von denjenigen der anderen Milchsaft-Gef\u00e4fse bedeutend ab weicht. Die W\u00e4nde dieses Gef\u00e4fses sind aufserordentlich dick, so dafs die Durchschnittsfl\u00e4che einer solchen einzelnen Wand, wie die von ab cd ebenso grofs, als die H\u00f6hle des Gef\u00e4fses acef ist. db gh ist der \u00e4ufsere Umfang dieses Gef\u00e4fses und a c e f der Umfang der Hole des Gef\u00e4fses. Die dicken W\u00e4nde zeigen in ihrer Substanz L\u00e4ngenstreifen und Querstreifen; die ersteren deuten die verschiedenen Schichten, woraus die Membran zusammengesetzt ist, was sich besonders auf dem Querschnitte, aus einer solchen strauchartigen Euphorbia sehr deutlich zeigt; und die feinen Querstreifen , wie sie auf der Abbildung dargestellt sind, m\u00f6chten vielleicht ebenfalls auf die Zusammensetzung dieser H\u00e4ute aus spiralf\u00f6rmig gewundenen Fasern schliefsen lassen. Im Allgemeinen verh\u00e4lt sich die Structur dieser Gef\u00e4fse ganz ebenso, wie die der Bastzellen der Apocyneen und \u00e4hnlicher Gew\u00e4chse, wor\u00fcber im ersten Bande die Rede war; woselbst auch in Fig. 9. Tab. VI. die Abbildung eines solchen Elementar-Organes aus Neriurn Oleander gegeben ist. Hoffentlich geben st\u00e4rkere Vergr\u00f6fserungen auch \u00fcber diesen Gegenstand noch mehr Aufschlufs, der allerdings noch lange nicht als vollst\u00e4ndig erkannt anzusehen ist. Ich habe die Structur dieser Milchsaft-Gef\u00e4fse zuletzt auf-gefiihrt, indem, wie ich es schon fr\u00fcher bemerkt habe, diese Gef\u00e4fse bei den Euphorbien gerade die Stelle der Bastr\u00f6hren einnehmen und auch, was sehr auffallend ist, in jeder Hinsicht die gr\u00f6fste Aehnlichkeit in der Structur","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"385\nmit den Bastr\u00f6hren der Apocyneen aufweisen, so dafs manche Botaniker in ihnen vielleicht gerade die Bastzellen erkennen werden. Mir scheint dagegen ans diesen neuen Beobachtungen sehr deutlich hervorzugehen, dafs eine Aehnlichkeit in der Function der Bastr\u00f6hren und derjenigen der Milchsaft-Gef\u00e4fse stattfinden mag, so dafs die einen die Function der anderen in gewissen F\u00e4llen ver-. treten k\u00f6nnen. In Hinsicht ihrer Structur zeigen sie in der That sehr deutliche Ueberg\u00e4nge; so habe ich schon an einer anderen Stelle nachgewiesen, dafs die Bastzellen des Oleanders zuweilen etwas Milchsaft enthalten, w\u00e4hrend . doch die wirklichen Milchsaft-Gef\u00e4fse des Oleanders gr\u00f6fs-i tenth eil s einen ziemlich ungef\u00e4rbten, aber consistenten Saft enthalten, der im Alter und auch in der Luft braun gef\u00e4rbt wird und zu einer festen Masse erstarrt. Bei dem Oleander sind zwar die Bastzellen unver\u00e4stelt, doch habe ich die ver\u00e4stelten R\u00f6hren der Art in den Bl\u00e4ttern der Hoya carnosa angegeben, wo sie einen \u00e4hnlichen consistenten, aber nur schwach gr\u00fcngef\u00e4rbten Saft enthalten ohne K\u00fcgelchen-Bildung, und nun sehen wir bei den Eu-* phorbien vollkommen ver\u00e4stelte und verzweigte Milchsaft-Gef\u00e4fse, welche nicht nur an der Stelle der gew\u00f6hnlichen Bastzellen auftreten, sondern auch mit diesen grofse Aehnlichkeit in der Structur zeigen. In den Bl\u00e4ttern eben derselben Euphorbien, deren Stengelgef\u00e4fse so \u00fcberaus dick sind, findet man dagegen eben so zarte und d\u00fcnnh\u00e4utige Milchsaft-Gef\u00e4fse verlaufend, wie diejenigen, welche ich in Fig. 3. und 4, Tab. IX. aus dem Blatte von Ficus elas-- tica dargestellt habe; auch bei den Euphorbien verlaufen sie sehr h\u00e4ufig dicht auf der Epidermis der unteren Blattfl\u00e4che, was \u00fcberhaupt als ziemlich allgemeine Regel angenommen werden kann.\nEs ist eine sehr auffallende Erscheinung, dafs ver-h\u00e4ltnifsm\u00e4fsig nur sehr wenige Pflanzen-Gattungen Milch-saft-Gef\u00e4fse aufzmveisen haben, indessen m\u00f6gen denn doch noch viele andere Pflanzen dergleichen Gef\u00e4fse besitzen, in denen sie bis jetzt noch nicht aufgefunden sind. Bei\nMe y en. Pfl. PIiyaioL II.\t25","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\nPflanzen mit auffallend gef\u00e4rbten Milchs\u00e4ften ist es leicht die Gef\u00e4fse aufzufinden, worin sich derselbe befindet, indessen in anderen F\u00e4llen ist dieses oftmals sehr schwer. ~ Findet man bei irgend einer Art einer Pflanzengattung Milchsaft-Gef\u00e4fse, so ist man sicher dieselben bei allen Arten dieser Gattung vorzufinden; anders verh\u00e4lt es sich jedoch mit den Gattungen einer und derselben Familie.\nEs giebt Gattungen, welche sich sehr nahe stehen, von * welchen die eine Milchsaftgef\u00e4fse besitzt, w\u00e4hrend ich sie bei der anderen nicht habe auffinden k\u00f6nnen. Bei den Pflanzen einiger Familien sind die Milchsaft-Gef\u00e4fse ganz allgemein vorkommend, als bei den Liliaceen, Papaveraceen\u00bb Euphorbiaceen, Asclepiadeen und Apocyneen, doch nicht so allgemein bei den Syngenesisten und den Urticeen.\nIn den tropischen Gegenden sind die Gew\u00e4chse mit Milch-saft-Gef\u00e4fsen im Allgemeinen h\u00e4ufiger, als in den nordischen * Gegenden; nach den Euphorbiaceen, den Urticeen und Apocyneen, welche nach Herrn Alex, von Humboldt *) daselbst am h\u00e4ufigsten Vorkommen, folgen die Papaveraceen, Cichoriaceen, Lobeliaceen, Campanulaceen, Sapateen und Cucurbitaceen. Wenn man dagegen einige Pflanzengattungen dieser Familien, als Urtica, Cucurbita u. s. w. untersucht, welche bei uns Vorkommen, so wird man sich nur mit gr\u00f6fster M\u00fche von dem Vorkommen der Milchsaft- 1 Gef\u00e4fse in diesen Pflanzen \u00fcberzeugen k\u00f6nnen.\nUeber den Milchsaft oder Lebenssaft der\nPflanzen.\t'\nDer Milchsaft der Pflanzen zeichnet sich vor allen anderen S\u00e4ften durch seine F\u00e4rbung, Consistenz und innere Organisation aus, er ist jedoch in dieser Hinsicht . bei verschiedenen Gew\u00e4chsen so sehr verschieden, dafs man denselben leicht nicht wieder erkennen w\u00fcrde. Die besondere F\u00e4rbung des Milchsaftes ist diejenige Eigenschaft,\n*) Reise nach den Aequinoctial-Gegenden. Bd. II. pag. 186.","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"387\nwelche am meisten in die Augen f\u00e4llt; der milchweifse Saft ist der am h\u00e4ufigsten vorkommende, er ist um so intensiver, je kr\u00e4ftiger die Pflanze ist, worin derselbe vor-t kommt, ja selbst das Clima scheint hierauf grofsen Einflufs zu haben, denn ich habe bei den Feigen, dem Mohne und einigen Cucurbitaceen in w\u00e4rmeren Gegenden verh\u00e4ltnifs-m\u00e4fsig viel mehr und einen viel intensiver gef\u00e4rbten Milch-it saft beobachtet. Auch der gelbe und orangenfarbige Milchsaft kommt h\u00e4ufig vor; das Sch\u00f6llkraut (Chelidonium majus L.), welches bei uns so gemein ist, enth\u00e4lt einen solchen, so wie die Gattungen Glaucium und Bocconia, und in tropi-\u25ba sehen Gegenden giebt es sehr viele Pflanzen mit gelbem * Milchs\u00e4fte. Einen mehr r\u00f6thlichen Milchsaft finden wir bei Sanguinaria und \u00e4hnlichen Pflanzen, aber den blauen Milchsaft, welchen Bernhardi bei Rhus glabrum beobachtet haben will, kann ich nicht wiederfinden. Bei Portulaca oleracea ist der Milchsaft br\u00e4unlich gr\u00fcn, und \u00fcberhaupt kommt ein gr\u00fcnlicher oder auch ungef\u00e4rbter Milchsaft viel h\u00e4ufiger vor, als man gew\u00f6hnlich glaubte, was Herr Link *) schon vor vielen Jahren angegeben hat. In neueren Zeiten hat man mehr auf die ungef\u00e4rbten, mattweifsen und opaken Milchs\u00e4fte aufmerksam gemacht, welche besonders bei einigen Familien der Monocotyledonen so ganz allgemein auftreten. Die meisten Liliaceen und Nar-cissineen haben einen mattweifsen, mehr opaken Milchsaft; Agapanthus zeigt dagegen in der Wurzel den saturirtesten Milchsaft. Caladium violaceum hat stets den sch\u00f6nsten weifsgef\u00e4rbten Milchsaft, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen Arum- und ~ Caladium-Arten gr\u00f6fstentheils nur einen opaken Milchsaft zeigen. Offenbar hat die Ueppigkeit, mit welcher solche Pflanzen vegetiren, auch hierauf den gr\u00f6fsten Einflufs; Caladium esculentum sah ich in den Tropen reich mit _ Milchsaft versehen; bei uns in den Gew\u00e4chsh\u00e4usern hat diese Pflanze dagegen nur wenigen und einen opaken Milchsaft. Ja nicht nur die Jahreszeiten zeigen hierin zuweilen\n*) Nachtr\u00e4ge. Heft II. pag, 33.\n25*","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\neinige Verschiedenheiten, sondern seihst in verschiedenen Theilen einer und derselben Pflanze findet sich der Milchsaft sehr verschieden gef\u00e4rbt. Besonders h\u00e4ufig findet man 4 es bei den Monocotyledonen, dafs der Milchsaft in den Gef\u00e4fsen des Wurzelstockes saturirt milchicht erscheint, w\u00e4hrend er in den Bl\u00e4ttern und den \u00fcbrigen Theilen dieser Pflanzen meistens nur mattweifs aussieht, freilich ist auch hiebei zu ber\u00fccksichtigen, dafs ein mattweifser Milch- * saft in gr\u00f6fserer Menge eine mehr saturirte weifse Farbe zeigt. Herr C. H. Schultz*) hat hier\u00fcber vortreffliche Beobachtungen bekannt gemacht, denen noch gegenw\u00e4rtig Weniges hinzuzuf\u00fcgen sein m\u00f6chte. Er sagt in angef\u00fchrter Stelle, dafs, von der mattweifsen Farbe des Lebenssaftes bis zur hellen Milchfarbe, welche derselbe in vielen F\u00e4llen zeigt, in den verschiedenen Theilen einer und derselben Pflanze, so wie in denselben Theilen zu verschiedenen Jah- i reszeiten und endlich von einer Pflanzenart und Gattung zur anderen best\u00e4ndige und allm\u00e4hliche Ueberg\u00e4nge sich finden. Bei der Gattung Acer machte Herr Schultz schon aufmerksam, dafs einzelne Arten einen gef\u00e4rbten, andere dagegen einen ungef\u00e4rbten Milchsaft haben; Letzteres findet z. B. bei Acer Pseudoplatanus statt, Ersteres dagegen bei Acer platanoides, saccharinum, Dasycarpum u. s. w. Indessen auch bei diesen Acer-Arten wird man in der Rinde der j jungen Stengel und in den Blattstielen gar nicht selten einen mehr ungef\u00e4rbten opaken Milchsaft beobachten, w\u00e4hrend er zu anderen Zeiten gew\u00f6hnlich saturirt milch-weifs ist. Wenn man den gelben Milchsaft in der Sch\u00f6ll- * kraut-Pflanze untersucht, so wird man denselben ebenfalls nicht nur in den verschiedenen Theilen der Pflanze etwas verschieden gef\u00e4rbt finden, so z. B. heller in den Stengel-gef\u00e4fsen als in den Blattgef\u00e4fsen, doch am gr\u00f6fsten sind 4 hier die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gef\u00e4fsen der Wurzel, und besonders an dem oberen Ende derselben, wo der Saft in einigen Gef\u00e4fsen oft tief orangenroth, in\n*) Die Nalur der lebendigen Pflanze. I. pag. 532.","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"389\nanderen fast braunroth und in einigen beinahe ganz hellgelb erscheint. Ueber die Ursachen dieser verschiedenen F\u00e4rbung k\u00f6nnen wir vielleicht sp\u00e4ter einige Vermuthungen wagen, aber die mikroskopische Untersuchung zeigt, dafs t in den dunkelen, fast braunrothen Gef\u00e4fsen der Saft schon abgestorben und sich in eine mehr feste gummiharzartige Substanz umgewandelt hat.\nBesonders bemerkenswert!! ist es jedoch, dafs der s Milchsaft in den verschiedenen Theilen der Pflanze in verschiedener Menge auftritt, so ist der Wurzelstock bald reicher an Milchsaft als der Stengel und die Bl\u00e4tter; bald findet man dagegen im Stamme oder im Stengel der Pflanze | verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig viel mehr jenes Saftes, als in der Wurzel, aber besonders reich an Milchsaft sind die Frucht- und Bl\u00fcthenhiillen. In diesen Theilen sind die Gef\u00e4fse oft in \u00fcberaus grofser Anzahl und bilden das mannigfaltigste Netz, welches besonders sch\u00f6n in den Valveln der Frucht-h\u00fclle von Chilidonium-Arten zu beobachten ist. Bei dem Mohne und bei dem Sallate (Lactuca sativa L.) sind die Gef\u00e4fse im Bliithenstiele, im Kelche, und bei dem Mohne ^ ganz besonders in der Frucht so \u00fcberaus strotzend mit Milchsaft gef\u00fcllt, dafs selbst bei leiser Ber\u00fchrung der Epidermis die Gef\u00e4fse, welche dicht darunter verlaufen, zerspringen und ihre Milch ausspritzen. Auf einer \u00e4hnlichen Operation beruht die Bereitung des Opium\u2019s, wozu die Mohnk\u00f6pfe auf ihrer Oberfl\u00e4che mehrmals geritzt werden, so dafs der Milchsaft aus den zerschnittenen Gef\u00e4fsen aus-fliefst und auf der Oberfl\u00e4che zu einer festen Masse gerinnt. Um diese Zeit, wenn die Frucht des Mohnes zu reifen beginnt, findet man in den anderen 1 heilen der Pflanze, als in den Bl\u00e4ttern und im Stengel nur noch sehr wenigen Milchsaft, ja meistens kommt alsdann, aus den abgeschnittenen Bl\u00e4ttern kaum ein kleines Tr\u00f6pfchen zum - Vorscheine.\nDer Milchsaft ist consistenter, als der Saft der angrenzenden Zellen, er zeigt meistens die Consistenz des dicken Rahms, und um so consistenter derselbe ist, um","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\nso tiefer oder saturirter ist die Farbe desselben, daher denn auch der Milchsaft in Hinsicht seiner Consistenz in den verschiedenen Theilen der Pflanze ebenso grofse Verschiedenheiten darbietet, als in Hinsicht seiner mehr oder -weniger intensiven F\u00e4rbung. Die Consistenz des Milchsaftes ist von der Masse der festen Stoffe abh\u00e4ngig, welche theils im gel\u00f6sten, theils im festen Zustande in dem Safte enthalten sind, letztere kann man mit dem Mikroskop beobachten und ich werde dar\u00fcber sogleich Bericht er- * statten.\nWenn man den Milchsaft verschiedener Pflanzen, als denjenigen der baumartigen Euphorbien, der Feigen, der Asclepias syriaca u. s. w. in hinreichend grofsen Massen einsammelt, so dafs derselbe nicht sogleich zu einer festen Masse zusammentrockenen kann, so bemerkt man, dafs sich die Milch sehr bald in zwei verschiedene Substanzen trennt, ganz \u00e4hnlich wie es die thierische Milch und * das thierische Blut zeigt. Es scheidet sich n\u00e4mlich eine dicke consistentere Masse von der wasserhellen Fl\u00fcssigkeit; erstere kann man mit dem Blutkuchen, letztere mit der Lymphe des Blutes vergleichen. Die Lymphe des Milchsaftes ist ungef\u00e4rbt und die darin schwimmenden festen Stoffe geben dem weifsen Milchs\u00e4fte die Farbe, je gr\u00f6fser die Masse dieser Stoffe ist, um so saturirter erscheint diese Farbe; bei dem gelben und dem r\u00f6thlichen Milchs\u00e4fte ist j auch die Lymphe etwas gef\u00e4rbt, aber offenbar nur durch die darin gel\u00f6sten Stoffe. Bei dem opaken oder matt-weifsen Milchs\u00e4fte, wie es z. B. bei vielen Liliaceen und Aroideen vorkommt, da wird die Farbe nur durch eine, f verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig sehr geringe Anzahl von kleinen K\u00fcgelchen verursacht, und l\u00e4fst man solchen Saft unter dem Mikroskope in reines Wasser fliefsen, so sieht man, dafs die ungef\u00e4rbte Lymphe etwas schleimig ist und sich nur -allm\u00e4lich mit dem umgebenden Wasser vermischt.\nIn den meisten F\u00e4llen ist der Milchsaft der Pflanzen mit einer aufserordentlichen Anzahl kleiner K\u00fcgelchen versehen; im Safte der Ficus elastica sind sie von der ver-","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"391\nh\u00e4ltnifsm\u00e4fsigen Gr\u00f6fse, wie sie die Zeichnung in Fig. 2, Tab. IX. angiebt; bei dem Sch\u00f6llkraute sind diese K\u00fcgelchen sehr viel kleiner als im vorhergehenden Falle, wie es auch die Gef\u00e4fse ab, cd u. s. w. in Fig. 6. Tab. IX. zeigen. Diese K\u00fcgelchen des Milchsaftes, welche man Milchsaft-K\u00fcgelchen nennen kann, sind meistens in einem und demselben Safte von gleicher Gr\u00f6fse und von gleicher Form; zuweilen findet man einzelne etwas gr\u00f6fser, aber wohl immer mehr oder weniger vollkommen kugelf\u00f6rmig. Leeuwenhoock*), Fontana**) und Rafn ***) haben diese K\u00fcgelchen im Milchs\u00e4fte der Pflanzen entdeckt, wodurch derselbe von den \u00fcbrigen Saften der Pflanzen, besonders von dem Zellensafte so auffallend verschieden erscheint. Ich glaubte fr\u00fcher diese Milchsaft-K\u00fcgelchen f\u00fcr Bl\u00e4schen halten zu m\u00fcssen, woran jedoch nur unvollkommene Instrumente Schuld hatten; mit den neueren Mikroskopen kann man sehr leicht beobachten, dafs jene K\u00fcgelchen nicht hohl, sondern solid sind. Diese kleinen Milchsaft-K\u00fcgelchen, welche nur | \u2014 TV so grofs sind, als die gew\u00f6hnlichen Zellensaft-K\u00fcgelchen, zeigen eine eigenth\u00fcmliche, oft sehr lebhafte Molekular-Bewegung; ich entdeckte diese freie Bewegung der K\u00fcgelchen zu einer Zeit, als Herrn Robeit Brown\u2019s Beobachtungen \u00fcber die Molekular-Bewegung noch nicht bekannt waren, und hielt damals jene Bewegungen der Milchsaft-K\u00fcgelchen f\u00fcr eine besonders auffallende Erscheinung f), welche aber schon vor mir durch R, Treviranus ff) an der Milch der Vinca entdeckt worden war. Gegenw\u00e4rtig erscheint mir diese Bewegung zwa\u00bb nicht mehr so wichtig, sie ist indessen noch eben so unerkl\u00e4rlich als vorher. Der Milchsaft der Euphorbien hat keine Milchsaft-K\u00fcgelchen, welche mit den vorhin ange-\n*) Epist. physiol. Lugd. Batav. 1685. pag. 20.\n**) Ueber das Yiperngift. pag. 56.\n***) Pflanzen-Physiologie pag. 87-\u201d 88.\nT) S. Ueber die Circulation des Lebenssaftes in den Pflanzen.\nLinnaea. II. pag. 653.\ntF) Vermischte Schriften. I. pag, 156.","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392\nf\u00fchrten verglichen werden k\u00f6nnen, dagegen schwimmen in demselben mehr oder weniger grofse und oft auch etwas regelm\u00e4fsig gestaltete tr\u00fcbe Flecken umher, und eine noch viel bewunderungsw\u00fcrdigere Anzahl von aufser-ordentlich kleinen, selbst noch bei 300maliger Vergr\u00f6fse-rung nur punktf\u00f6rmig erscheinende Molek\u00fcle, sind in der dicklichen Lymphe enthalten und zeigen hier eben dieselben Molekular-Bewegungen, wie sie Herr Robert Brown an den feinsten Molek\u00fclen so vieler anorganischen Stoffe aufgefunden hat. Diese kleinen selbstbeweglichen Molek\u00fcle kommen wohl fast in allen dickfl\u00fcssigen Milchs\u00e4ften vor, selbst auch in solchen F\u00e4llen, wo wirkliche Milchsaft-K\u00fcgelchen vorhanden sind; doch die schw\u00e4cheren Vergr\u00f6fserungen, mit welchen man fr\u00fcher gew\u00f6hnlich beobachten mufste, liefsen dieselben \u00fcbersehen.\nAufser diesen verschiedenartigen K\u00fcgelchen des Milchsaftes kommen in demselben bei einigen Pflanzen noch h\u00f6chst auffallende, und verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig auch sehr grofse K\u00f6rperchen vor; sie wurden vonRafn*) in verschiedenen Arten der Gattung Euphorbia aufgefunden und als kleine prismatische K\u00f6rperchen beschrieben. Sp\u00e4ter hielt man diese prismatischen K\u00f6rperchen f\u00fcr Krystalle, doch Herr T. Hartig war so gl\u00fccklich die Amylum-Natur derselben aufzufinden. Wir haben schon im ersten Theile dieses Buches \u00fcber das Vorkommen und die Form des Amylum gesprochen; dasselbe erschien immer in Form von K\u00fcgelchen und innerhalb der Zellen, hier aber sehen wir das Amylum in den Milchsaft-Gef\u00e4fsen auftreten und zwar in Formen, welche mit jenen K\u00fcgelchen keine Aehnlichkeit haben. Ich schlage vor die Amylum-K\u00f6rperchen in der Milch der Euphorbien mit dem Namen der Amylum-St\u00e4bchen zu bezeichnen; ihre Form ist zwar nicht nur bei den verschiedenen Arten, sondern selbst in der Milch einer und\n*) Pflanzen - Physiologie etc. pag. 88.\nUeber das St\u00e4rkemehl, das Cambium, den Nahrungssaft und den Milchsaft der Pflanzen etc. \u2014 Erdmann\u2019s und Sclyweigger-Seidel\u2019s Journal etc. von 1833. Nro. \u00ce2.","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"393\nderselben Art ganz aufserordentlich verschieden, doch gehen sie wohl s\u00e4mmtlich aus der Form eines ziemlich regelm\u00e4fsigen cylindrischen St\u00e4bchens hervor. In Fig. 9. Tab. IX. habe ich eine Reihe der ausgezeichnetsten Formen der Amylum-St\u00e4bchen aus der Milch verschiedener Euphorbien-Arten dargestellt. Die Form, welche man in a und b aus der Milch der Euphorbia palustris sieht, ist die gew\u00f6hnlichste; a ist das einfache St\u00e4bchen, welches man bald gr\u00f6fser bald kleiner findet, aber auch in der Milch einer jeden anderen Euphorbia enthalten ist, wenn auch die \u00fcbrigen Amylum-K\u00f6rperchen noch so abweichend gestaltet sind. Die Form in b entsteht durch seitliche Ver-\n| dickung der St\u00e4bchen \u00fcber den mittleren Theil ; gew\u00f6hnlich sind diese Anlagerungen nur fl\u00e4chenf\u00f6rmig, denn wird ein solches St\u00e4bchen auf die Seite gelegt, so erscheint es cylindrisch wie im vorhergehenden Falle. Sehr gew\u00f6hnlich treten diese Amylum-St\u00e4bchen an beiden Enden verdickt auf, wie es die Abbildungen in e aus der E. bal-samica, in t aus der E. triacantha, in u aus E. meloformis u. s. w. zeigen. Diese Verdickungen der Enden entstehen\n*\tdurch lokale Anlagerung von neuen Schichten und werden in vielen F\u00e4llen immer st\u00e4rker und st\u00e4rker, so dafs zuletzt Formen erscheinen, welche denen in 1 und m \u00e4hnlich sind. Diese breiten Enden sind indessen nicht rund sondern flach und gleichen einem kammf\u00f6rmigen Aufsatze, dessen Rand mehr oder weniger scharf ist; stellt man solche St\u00e4bchen auf den Rand, so sieht man, dafs ihre Dickendimension nur sehr gering ist. In vielen F\u00e4llen sind die\n\u2022\tR\u00e4nder dieser Aufs\u00e4tze uneben und gleichsam ausgezackt, wie in g, in o und p u. s. w. und es entstehen dadurch \u00f6fters die niedlichsten Formen. Bei einigen Euphorbien-Arten ist vorz\u00fcglich nur das eine Ende verdickt, wie z. B, die Abbildungen in d, i und k zeigen, und dann \u00e4hnelen diese K\u00f6rperchen gew\u00f6hnlichen Keulen. In noch anderen F\u00e4llen treten nicht nur an den Enden der St\u00e4bchen die Verdickungen oder Anlagerungen auf, sondern auch ganz genau in der Mitte des K\u00f6rpers, wie es die Abbildungen","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nin h, n und o zeigen. Auch diese seitlichen Verdickungen \u2022 zeigen die gr\u00f6fste Mannigfaltigkeit, wodurch dann die abweichendsten Formen entstehen, wie sie in den Abbildungen bei n, q, r und s zu finden sind. In diesen F\u00e4llen 5 ist die seitliche Vergr\u00f6fserung fast nur auf der einen Seite aufgetreten, hier aber auch um so gr\u00f6fser und auffallender. Auf diese Weise ist die Entstehung der unregelm\u00e4fsigen Formen der Amylum-St\u00e4bchen zu erkl\u00e4ren, welche man besonders h\u00e4ufig in der Milch gewisser Euphorbien-Arten * vorfindet, als z. B. in Euphorbia arborea, Antiquorum, meloformis u. s. w. Aufser diesen Amylum-St\u00e4bchen findet man jedoch in der Milch der Euphorbien zuweilen auch mehr oder weniger grofse Amylum-K\u00fcgelchen, und es ist mir ziemlich deutlich vorgekommen, als wenn sich die kleinen St\u00e4bchen aus den kleinen K\u00fcgelchen durch seitliche Anlagerung nach einer bestimmten Richtung bildeten. Die Verl\u00e4ngerung und Vergr\u00f6fserung der St\u00e4bchen geht ~ dann bei den verschiedenen Euphorbien-Arten bis zu einer bestimmten Grenze fort; bei einigen Arten jedoch, als z. B. bei Euphorbia erosa, mammillaris u. s. w. werden die St\u00e4bchen verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig doppelt und dreifach so lang, als in anderen Euphorbien-Arten. In der melonenf\u00f6rmigen Euphorbia habe ich jedoch beobachtet, dafs sich das Amylum auch in Form von kleinen und gr\u00f6fseren, bald mehr bald weniger regelm\u00e4fsig gestalteten Ballen oder j Kl\u00fcmpchen in den Milchsaft - Gef\u00e4fsen ansammelt, wozu die Abbildungen in v und w einige Formen zeigen. Hier sieht man, dafs sich die Ballen durch Anlagerung von einzelnen K\u00fcgelchen bilden, und daneben treten einzelne t ziemlich grofse und kugelf\u00f6rmige K\u00f6rperchen, so wie die anderen, mannigfaltig geformten Amylum-St\u00e4bchen auf. Die Quantit\u00e4t des Amylum\u2019s in der Milch der Euphorbien ist zuweilen aufserordentlich grofs, und sie hat wohl gr\u00f6fs- ^ tentheils den Gehalt an Gummi verursacht, welches einige Analysen des gew\u00f6hnlichen Euphorbien-Harzes nachgewiesen haben. In dem Milchsaft - Gef\u00e4fse der Euphorbia magnispina, welches in Fig. 5. Tab. IX. abgebildet ist,","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"395\nsieht man eine Menge von Amylum-St\u00e4bchen liegen, welche sich daselbst auffallend angeh\u00e4uft haben.\nWenn man diese St\u00e4bchen und K\u00fcgelchen in der Milch der Euphorbien mit Jodine in Verbindung bringt, r so werden sie bl\u00e4ulich gef\u00e4rbt und daraus schlofs Herr Hartig, dafs sie aus Amylum bestehen; indessen ich habe mehrmals gefunden, dafs sich die St\u00e4bchen und die grofsen Ballen in der Milch der Euphorbia meloformis und auch f in anderen Arten durch Jodine nicht mehr blau sondern br\u00e4unlich f\u00e4rben, und es scheint mir daraus hervorzugehen, dafs sich jene Amylum-St\u00e4bchen oftmals in Gummi oder einen, demselben \u00e4hnlichen Stoff umwandeln, ohne j vorher durch die Zuckerbildung hindurchzugehen. Auch sieht man in den Amylum-St\u00e4bchen der Euphorbien-Milch nur selten die verschiedenen Schichten, durch deren Anlagerung sich dieselben vergr\u00f6fsert haben; zuweilen sind sie allerdings ganz entschieden bemerkbar. Unter den gew\u00f6hnlichen Mikroskopen zeigen diese Amylum-K\u00f6rperchen einen zarten Anstrich eines gr\u00fcnlichen Farbentones, unter dem achromatischen Instrumente von Amici sind diesel-^ ben jedoch vollkommen farbenlos. In dem Milchs\u00e4fte mehrerer anderer Pflanzen findet man ebenfalls einzelne kleine St\u00e4bchen und gr\u00f6fsere K\u00fcgelchen, freilich nur in sehr geringer Zahl, und diese werden durch Jodine br\u00e4unlich gef\u00e4rbt. Es ist gewifs nur \u00e4ufserst selten, dafs einzelne Partikelchen des Milchsaftes von anderen Gew\u00e4chsen, als den Euphorbien-Arten, durch Vermischung mit Jodine blau gef\u00e4rbt werden. In den gr\u00f6fseren Amylum-r St\u00e4bchen der Euphorbien-Milch sieht man sehr h\u00e4ufig dergleichen unregelm\u00e4fsige schattige Streifen, wie sie die Abbildungen in Fig. 9. Tab. IX. zeigen, welche bei den Amylum-K\u00fcgelchen der Tulpen ganz gew\u00f6hnlich auftreten und schon pag. 199 des ersten Theiles gedeutet wurden* - Mir scheint es, dafs diese Streifen hier durch Zerreifsun-gen im Inneren der Substanz der K\u00f6rperchen entstehen, welche aber nur durch allm\u00e4liche Ausdehnung der inneren Schichten verursacht werden. Wird das Amylum dieser","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\nSt\u00e4bchen von der Pflanze wieder verbraucht, so geschieht die Aufl\u00f6sung desselben wieder von der Oberfl\u00e4che aus, wovon ich mich bei mehreren Euphorbien-Arten habe \u00fcberzeugen k\u00f6nnen.\nAlle die \u00fcbrigen festen Stoffe, welche im Milchs\u00e4fte der Pflanzen Vorkommen, befinden sich in demselben in einem mehr oder weniger vollkommen gel\u00f6sten Zustande und erscheinen formlos, daher sie sich dem Bereiche der mikroskopischen Beobachtung entziehen.\nHerr C. H. Schultz*), der die Beobachtungen \u00fcber die Natur und die Bewegung des Milchsaftes wieder in Anregung gebracht hat, ist \u00fcber die Gestaltung dieses Saftes ganz anderer Ansicht, er ist jedoch zu derselben durch die fehlerhafte Anwendung der Beleuchtung des Mikroskop\u2019s gekommen, indem er, statt des gew\u00f6hnlichen reflektirten Tageslichtes die direkten Sonnenstrahlen auf den zu beobachtenden Gegenstand reflektiren liefs. \u201eBetrachtet man\u201c sagt H. Schultz \u201eden Lebenssaft, wenn er eben ausgeflossen ist, mit direkten Sonnenstrahlen beleuchtet, so bemerkt man, dafs er durch und durch aus Theilen besteht, welche in einer lebendigen gegenseitigen Wechselwirkung und somit in einem ewigen Entstehen und Vergehen, und einer unaufh\u00f6rlichen Ver\u00e4nderung ihrer Gestalt begriffen sind, so dafs sich immer je zwei und zwei mit einander vereinigen, und so fort. Diefs ist nicht etwa eine blofse Anziehung und Abstofsung, sondern eine wirkliche Durchdringung und Vermischung der Substanz zweier Safttheile, so dafs im Fall die einzelnen einen verschiedenen Inhalt haben, dieser sich gleichm\u00e4fsig unter beiden vertheilen mufs, sobald sie sicli wieder von einander trennen.\u201c Hr. Schultz geht hierin noch weiter, um die Wichtigkeit dieser Art von Beobachtungen darzuthuen, denn er glaubt dadurch erkannt zu haben^ dafs jene Partikelchen des Milchsaftes nicht hohl sein k\u00f6nnen, und also auch nicht Luftblasen sind. In dem Folgenden werde ich jedoch zu\ni\n4\n*) Die Natur 4er lebendigen Pflanze etc. I, pag. 533 \u2014 34.","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"397\nzeigen versuchen, dafs jene angewendete Beobachtungs-Methode fehlerhaft ist, und dafs man den daraus gezogenen Resultaten eine ganz andere Deutung zu geben berechtigt ist. Erstlich zeigt sich die Organisation des Milchsaftes bei gew\u00f6hnlicher Beleuchtung ganz anders, und wir sind durchaus nicht berechtigt, dasjenige, was auf diese W eise wirklich und ganz bestimmt gesehen wird, f\u00fcr falsch zu erkl\u00e4ren, denn sonst m\u00fcfsten wir mit gleichem Rechte auch alle \u00fcbrigen Beobachtungen verwerfen, welche ohne Beleuchtung mit direkten Sonnenstrahlen angestellt sind. W\u00fcrden wir bei der Beleuchtung durch Reflection mn direkten Sonnenstrahlen irgend etwas der beobachteten Gegenst\u00e4nde deutlicher sehen, oder w\u00fcrde sich noch etwas mehr dabei zeigen, als bei der gew\u00f6hnlichen Beleuchtungs-Methode, so m\u00fcfste man nat\u00fcrlich der ersteren den Vorzug geben, indessen die Sache verh\u00e4lt sich ganz anders.\nIm Vorhergehenden haben wir kennen gelernt, dafs der Milchsaft der Pflanzen mit unendlich vielen kleinen K\u00fcgelchen gef\u00fcllt ist, welche eine mehr oder weniger lebhafte Molekular-Bewegung besitzen. Man k\u00f6nnte nun leicht zu der Vermuthung kommen, was leider auch bei vielen Naturforschern der Fall gewesen ist, dafs diese Milchsaft-K\u00fcgelchen eben jene Partikelchen w\u00e4ren, welche sich nach Herrn Schultz in einer best\u00e4ndigen Wechselwirkung befinden, was aber nicht der Fall ist. Jene Milchsaft-K\u00fcgelchen sind in dem Milchs\u00e4fte immer vorhanden, er mag sich im Schatten befinden oder von der Sonne beschienen werden; die Molek\u00fcle des Herrn Schultz sind jedoch nur durch unvollst\u00e4ndige Brechung der Lichtstrahlen entstanden und ver\u00e4ndern demnach auch ihre Faibe und ihre Gestalt bei einer jeden Ver\u00e4nderung in dem Durchg\u00e4nge der Lichtstrahlen. Man kann sich hievon auf das Bestimmteste \u00fcberzeugen, wenn man eine gewisse Anzahl von jenen K\u00fcgelchen unter das Mikroskop bringt, und dieselben mit direkten Sonnenstrahlen beleuchtet. Beobachtet man unter \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen einen Tropfen frischen Milchsaft\u2019s, so wird man eine gewisse Zeit hindurch","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nin demselben jene angebliche Wechselwirkung der schein-baren Molek\u00fcle beobachten, wie sie vorhin von Herrn Schultz beschrieben wurde, doch dieses wird dadurch erkl\u00e4rlich, dafs den Milchsaft-K\u00fcgelchen eine Molekularbewegung zukommt, welche einige Zeit hindurch selbst in dem ausgeflossenen Milchs\u00e4fte fortbesteht. Durch die best\u00e4ndige Ortsver\u00e4nderung dieser K\u00fcgelchen entsteht eine best\u00e4ndige Ver\u00e4nderung in der Brechung der durchgehenden * Lichtstrahlen; doch h\u00f6rt endlich jene Molekularbewegung der K\u00fcgelchen auf, so h\u00f6rt auch jene scheinbare Wechselwirkung der Molek\u00fcle auf, wenn auch noch ein verwirrtes Bild zur\u00fcckbleibt, welches aus lauter schattigen Ringen und + abwechselnden Farbenbildern zusammengesetzt ist.\nDa Herr Schultz auf \u00e4hnliche Beobachtungen seine Theorie von dem inneren Lebensprozefs gegr\u00fcndet hat *), so vr\u00e4re es w\u00fcnschenswert!\u00bb, dafs die Ursache des Irrthu- * mes, welche durch die angewendete Beobachtungs-Methode hervorgerufen werden, auf eine vollst\u00e4ndige Weise vonSeiten eines Physikers erkl\u00e4rt werden m\u00f6chte. Die Ursache des verwirrten Bildes, welches die Objekte bei der Beleuchtung mit direkten Sonnenstrahlen zeigen, beruht vielleicht auf der ungleichen Dichtigkeit und der ungleichen Strahlenbrechung, welche die verschiedenen Partikelchen desselben besitzen; der Milchsaft der Pflanze und das Blut der j Thiere bieten diese Eigenschaft, der K\u00fcgelchen wegen, welche in ihrer Lymphe schwimmen, in einem hohen Grade dar. Die K\u00fcgelchen zeigen bei jener Beobachtungs-Methode mehr oder weniger vollkommene Schattenringe und die Spectra der gebrochenen Lichtstrahlen, welche durch die Substanz der K\u00fcgelchen durchgehen, liegen neben und \u00fcbereinander, wodurch sich verschiedene Farben gegenseitig aufheben und nur einzelne in unbestimmter Lage Zur\u00fcckbleiben, welche dann mit den Schattenringen, die ebenfalls in einander \u00fcbergehen, ein vollkommen verwirrtes Bild darstellen m\u00fcssen; und so ist es denn auch\nS. Schultz, Ueber den inneren Lebensprozefs im Blute, Berlin 1822.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"399\nin der That. Scheinbare Gestalten durch halbe Schattenringe erzeugt, und unvollkommene prismatische Farbenbilder wechseln mit einander, und bei jeder Bewegung der wirklichen Milchsaftk\u00fcgelchen, welche denselben eigen ist, wird nat\u00fcrlich eine best\u00e4ndige Ver\u00e4nderung aller Schattenringe und aller Farbenbilder stattfinden m\u00fcssen, und wir werden dabei sehen k\u00f6nnen, dafs die scheinbaren Molek\u00fcle an der einen Stelle mit einander zu verschmelzen scheinen und an der anderen sich wieder trennen, um sich sogleich wieder mit den daneben liegenden zu verbinden. Aber dieses ganze Zusammenschmelzen und nach-herige Trennen, diese sogenannte Wechselwirkung, besteht in nichts weiter, als in einem Zusammenlaufen und nach-herigen Trennen der Schattenringe und der Farbenbilder, denn \u00e4ndert man pl\u00f6tzlich die Beleuchtung und reflektirt nun das gew\u00f6hnliche Tageslicht, so sieht man, dafs alle die Milchsaft-K\u00fcgelchen in ihrer alten Gestalt vorhanden sind, \u00fcberall genaue Umrisse zeigen, aber durch ihre Molekularbewegung bald \u00fcber bald unter einander zu liegen kommen, und dafs eben hierin die Ursache des best\u00e4ndigen Wechselns der Schattenringe und der Farbenbilder besteht, welches man bei der Beleuchtung mit reflectirtem direkten Sonnenlichte wahrnimmt. Als ich schon vor l\u00e4ngerer Zeit, n\u00e4mlich seit dem Jahre 1826, jene Beobachtungen \u00fcber den inneren Lebensprozefs des Herrn Schultz zu widerlegen suchte *), habe ich verschiedene F\u00e4lle angef\u00fchrt, an welchen jene Theorie mit Bestimmtheit scheitern mufste, und schon lange vor mir hat man gezeigt, dafs auch auf k\u00fcnstliche Weise, selbst durch anorganische Substanzen bei einer \u00e4hnlichen Beleuchtung alle die Erscheinungen wahrzunehmen sind, worauf jene Theorie von dem inneren Lebensprozesse gegr\u00fcndet ist. Auch die Saamen-feuchtigkeiten der Thiere und der Pflanzen zeigen ganz \u00e4hnliche Erscheinungen, und hier darf man doch wahrlich\n*) S. Ueber den inneren Lebensprozefs. \u2014 Isis von 1828 pag. 408 etc.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nnicht annehmen, dafs auch die Saamenthierchen mit der umgebenden Fl\u00fcssigkeit in jener best\u00e4ndigen Wechselwirkung begriffen sind, wodurch sie mit einander zusammenschmelzen und sich dann wieder von einander trennen.\nWir kommen gegenw\u00e4rtig zur Betrachtung der Zusammensetzung des Milchsaftes in chemischer Hinsicht, ein Gegenstand, der von h\u00f6chstem Interesse, indessen noch lange nicht hinreichend genug bearbeitet ist; es fehlen dar\u00fcber ganz besonders dergleichen Untersuchungen, durch welche unser hochverehrte Physiologe Johannes M\u00fcller die Organisation des thierischen Blutes lehrte. Erst dann, wenn die chemische Zusammensetzung der Milchs\u00e4fte einer gr\u00f6-fseren Anzahl von Pflanzen bekannt sein wird, erst dann wird man \u00fcber den Nutzen, welchen dieser Saft in dein Ern\u00e4hrungs-Prozesse der Pflanzen verursacht, mit gr\u00f6fse-rer Bestimmtheit sprechen k\u00f6nnen, indessen auch die, schon vorhandenen Thatsachen m\u00f6chten alle Aufmerksamkeit der Physiologen verdienen.\nDie Kenntnifs von der chemischen Zusammensetzung der Milchs\u00e4fte mufs uns endlich zurErkenntnifs des Nutzens derselben f\u00fchren, und so scheint es mir schon gegenw\u00e4rtig, als sehr gewifs, dafs die Milchs\u00e4fte, als die aus-gearbeitetsten Secrete der Pflanzen auftreten, und somit zur Ern\u00e4hrung und Bildung derselben verbraucht werden. Hiermit stimmte denn auch ihr st\u00e4rkeres Auftreten zu gewissen Zeiten und in einzelnen Theilen der Pflanze vollkommen \u00fcberein, so wie ihr Verschwinden zu anderen Perioden des Wachsthumes. Die Annahme, dafs die Milchs\u00e4fte zur Ern\u00e4hrung der Pflanzen dienen, wurde fr\u00fcher immer dadurch bestritten, dafs die Zusammensetzung derselben zu fremdartig sei, um zur Ern\u00e4hrung der Pflanze dienen zu k\u00f6nnen; doch diese Einwendung darf man heutigen Tages nicht nur nicht gelten lassen, sondern man kann vielmehr das Gegentheil mit grofserer Gewifsheit nach weisen. Die fetten Oele, die so h\u00e4ufig in den Coty-ledonen der Pflanzen zur Ern\u00e4hrung Vorkommen, so wie das Eiweifs im Zellensafte, sind eben so entfernt in ihrer","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"401\nchemischen Zusammensetzung von der Pflanzen-Membran und der Holzfaser, wie es die Harze, das Cautschuck, das Eiweifs und das Wachs der Milchs\u00e4fte sind; der Vegeta-t tions-Prozefs vermag mit Leichtigkeit dergleichen Stoffe oft schon durch blofse Ver\u00e4nderung in den Verh\u00e4ltnissen der Elementarstoffe so umzuwandeln, dafs sie zur Bildung der neuen Pflanzensubstanz verwendet werden k\u00f6nnen *). .Es ist allerdings noch zu fr\u00fch, um \u00fcber die Umwandlung der Milchs\u00e4fte in verschiedene andere Pflanzenstoffe etwas sagen zu k\u00f6nnen, besonders da die Menge der Stoffe, welche den Milchsaft zusammensetzen oft sehr grofs, und \u25ba deren chemische Zusammensetzung wiederum h\u00f6chst ver-\u25a0? * schiedenartig ist.\nObgleich schon manche interessante Analysen von verschiedenen Milchs\u00e4ften seit langer Zeit bekannt sind, so betrachtet Herr L. Treviranus den Milchsaft noch immer, als eine Aufl\u00f6sung des Harzes in Wasser vermittelst des Schleimes verursacht. Wir besitzen jedoch Analysen der ausgezeichnetesten Milchs\u00e4fte, wobei auch nicht eine Spur von Harz aufgefunden ist, und eben so unrichtig ist \u00bbedie Angabe mancher Botaniker, dafs der Milchsaft mit dem Alter der Pflanze in Harz umgewandelt werde. Ganz allgemein kann man die chemische Zusammensetzung des Milchsaftes der Pflanzen nicht charakterisiren, denn dieselbe ist bei verschiedenen Pflanzen-Gattungen und Pflanzen-Arten nur zu sehr verschieden. Herr De Candolle hat den ersten Versuch gemacht, die Milchs\u00e4fte der Gew\u00e4chse nach ihren vorherrschenden Bestandteilen in ge-\n-\twisse Klassen zu bringen; als solche betrachtete er das Cautschuck, das Opium und eine, dem tierischen Faser-\n-\tStoffe sehr \u00e4hnliche Substanz, und stellte hiernach drei verschiedene Gruppen von Milchs\u00e4ften auf. Auch ich f\u00fchre\nJ hier die Milchs\u00e4fte nach ihren vorherrschenden Bestandteilen unter drei verschiedenen Abteilungen auf.\n*) S. meine Abhandlung \u00fcber die Secretions-Organe der Pflanzen. Berlin 1837.\nPhys. v\u00e9g\u00e9t. I. pag. 230.\nMe y en. Pfl. Physiol. II.\n26","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nDer Milchsaft der meisten Pflanzen hat Harz und Gummi, als die vorherrschenden Bestandteile aufzuweisen, jedoch sind die Verh\u00e4ltnisse, in welchen diese Stoffe in demselben auftreten, bei verschiedenen Pflanzen so au-fserordentlich verschieden, dafs man ihren Anteil nicht im Allgemeinen angeben kann. Herr De Candolle hat die Milchs\u00e4fte der Pflanzen, welche Opium enthalten, zu einer besonderen Klasse gebracht, indessen bis jetzt sind die, dem Opium eigenth\u00fcmlichen, wirksamen Stoffe noch in keinen anderen Pflanzen, als dem Mohne vorgefunden, wenngleich .auch die Lactuca-Arten und \u00fcberhaupt mehrere Cichoraceen und Campanulaceen einen berauschenden Stoff enthalten, welcher auf das Nervensystem des Menschen eine beruhigende Wirkung aus\u00fcbet. Die Zusammensetzung des Opiums ist nach Bucholz: Harz 9 Theile, Gummi 30,7, Extractivstoff 35,6 und Cautschuck 4,8 Theile, und demnach w\u00e4re es wohl besser, wenn man auch den Milchsaft, der das Opium liefert, zu derjenigen Klasse bringt, welche Harz und Gummi als vorherrschende Bestandteile aufzuweisen hat. Der Milchsaft der Euphorbien geh\u00f6rt ebenfalls in diese Klasse; die Analysen des officinellen Euphor-bium\u2019s, welche Laudet, Braconnot, Pelletier und Brandes *) bekannt gemacht haben, geben:\nLaudet, Braconnot. Pelletier und Brandes.\nHarz .\t. .\t.\t64,0\t\u2014\t37,0\t\u2014\t60,8\t\u2014\t43,77\nWachs\t...\t\u2014\t\u2014\t19,0\t\u2014\t14,4\t\u2014\t14,93\nCautschuck\t.\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t7,84\nGummi\t. .\t.\t23,3\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\nMan darf sich \u00fcber die Verschiedenheiten in den Resultaten dieser Analysen nicht wundern, denn das Euphorbium wird aus dem Milchs\u00e4fte verschiedener Euphorbien-Arten gewonnen, als der E. officinarum L. der E. cana-riensis, der E. Antiquorum u. s. w. Ferner sind die Bestandteile des Milchsaftes nicht zu allen Zeiten der Pflanze dieselben, was besonders auf den Gehalt an Amylum\n*) Berzelius Pflanzen-Chemie. Erste Ausg. pag. 629.","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"403\nBezug li\u00e2t, worauf bei diesen Analysen noch gar nicht R\u00fccksicht genommen ist. Uebrigens kann man sicli \u00fcberzeugen, dafs selbst nach dem Ausfliefsen des Milchsaftes noch eine grofse Quantit\u00e4t der gr\u00f6fseren Amylum-St\u00e4behen im Inneren der Milchsaft-Gef\u00e4fse zur\u00fcckbleibt, daher der Gehalt an Gummi in der eingetrockneten Euphorbien-Milch sehr verschieden sein mufs. Das Cautschuck kommt wahrscheinlich in der Milch aller Euphorbien-Arten in kleiner Quantit\u00e4t vor, und ist darin mit Leichtigkeit nachzuweisen; selbst unter dem Mikroskope kann man die Ausscheidung des Cautschuck\u2019s vermittelst eines geringen Zugusses von Alkohol bewirken. Einige tropische Euphorbien scheinen sogar grofse Quantit\u00e4ten dieser Substanz zu enthalten.\nDas bekannte Gummi Gutti, welches von verschiedenen Pflanzen gewonnen wird, als von der Cambogia Gutta L. der Stalagmites cambogioides Murr. u. s. w. ist, aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls nur der eingetrocknete Milchsaft jener Gew\u00e4chse, und er enth\u00e4lt 80 Theile Harz und 19 Theile Gummi im gel\u00f6sten Zustande.\nDie zweite Klasse der Milchs\u00e4fte hat Cautschuck oder Federharz als vorherrschenden Bestandtheil aufzuweisen; es ist dieser Stoff in den Milchs\u00e4ften gewisser Pflanzen in solchem Zustande enthalten, dafs blofses Stehen derselben in freier Luft ein Gerinnen desselben bewirkt, wobei sich das Cautschuck als eine besondere Schicht auf der Oberfl\u00e4che des Saftes absondert. Die gr\u00f6fste Menge des k\u00e4uflichen Cautschucks wird von der Siphonia Cahucha Ostindiens und der angrenzenden L\u00e4nder gewonnen; es wird ferner aus der Urceoia elastica Roxb., der Vahea madagascariensis, des Ficus elastica, F. indica, der Jatropha elastica und auch von Artocarpus integrifolia bereitet. Die Siphonia elastica Pers. (Hevea guianensis Aubl.) giebt wahrscheinlich die gr\u00f6fste Menge des Cautschuck\u2019s, welches aus dem s\u00fcdlichen Amerika zu uns gef\u00fchrt wird. In geringer Menge findet man das Cautschuck in dem Milchs\u00e4fte sehr vieler Pflanzen; in den Familien der Pa paveraceen, der Euphorbiaceen, Apocyneen und der Syn-\n20 *","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\ngenesisten wahrscheinlich immer; fl\u00fcssiges Ammonium f\u00e4llt das Cautscliuck mit gr\u00fcnlicher . Farbe, daher man sich desselben bedienen kann, um auch kleinere Quantit\u00e4ten von Cautscliuck zu entdecken. Der frische Milchsaft (wahrschein- r lieh von Siphonia Cahucha), wie er in verschlossenen Ge-f\u00e4fsen zu uns in den Handel kommt, giebt nach Faraday\u2019s Analyse: 31,7 Cautscliuck, 56,37 Wasser, 1,9 Eiweifs und eine Spur von Wachs, so wie 7,13 eines eigenen bitteren Stoffes. Das k\u00e4ufliche Cautscliuck ist nicht rein, sondern mit etwas Eiweifs vermischt; wird der Milchsaft jedoch mit einer Kochsalzaufl\u00f6sung vermischt, so erh\u00e4lt man ihn ganz rein und zwar in einem weifsen Zustande.\nDie Herren Nees von Esenbeck und CI. Marquart* *) haben k\u00fcrzlich eine interessante Untersuchung \u00fcber die Zusammensetzung des Milchsaftes von Ficus elastica geliefert; in dem Milchs\u00e4fte der gr\u00fcnen Zw7eige fanden sie aufser etwas Harz, Wachs, Gummi, Extractivstoff und Kochsalz noch einen eigenen, dem Cautscliuck sehr \u00e4hnlichen Stoff, welcher f\u00fcr Viscin erkl\u00e4rt wurde; der Milchsaft in den alten St\u00e4mmen zeigte dagegen Harz, Gummi Wachs, Extractivstoff, Kochsalz und kein Viscin, dagegen fand sich statt des Viscins eine Quantit\u00e4t Cautscliuck. Es scheint, dafs das Viscin ein noch unausgebildetes, vielleicht wasserhaltiges Cautschuck ist, welches erst in den Gef\u00e4fsen der Bl\u00e4tter zu Cautscliuck umgewandelt wird, indessen w\u00e4re es doch m\u00f6glich, dafs die Feigenb\u00e4ume in ihrem Vaterlande nur Cautscliuck und kein Viscin bilden; auch in unserer gemeinen Feige scheint der Gehalt an Cautschuck und Viscin sehr verschieden zu sein, denn die Analysen, 4 welche Bizio und Geiger und Reimann ***) \u00fcber den Milchsaft derselben gegeben haben, sind zu sehr von einander abweichend. Sowohl Cautschuck als Viscin ist in Aether l\u00f6slich; wird die L\u00f6sung mit Schwefels\u00e4ure \u00fcber-\n*) Ueber den Milchsaft der Feigenb\u00e4ume, Viscin und Cautschuck.\n\u2014 Annalen der Pharmacie. Bd. XIV- Heft 1. p. 43.\n\u00a5\u00a5) Brugnatelli, Giornale di fisica etc. XX. pag. 41.\n***) Geigers Magaz, f\u00fcr Pharmac. Bd. XX. p. 145.","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"405\ngossen, so f\u00e4rbt sieb, nach den Erfahrungen der Herrn Nees und Marquart, die Schwefels\u00e4ure \u00fcber dem Viscin sogleich braun, die \u00fcber der Cautschuck-L\u00f6sung nimmt jedoch erst nach mehreren Tagen eine r\u00f6thlichbraune F\u00e4r-t bung an. Das schmierige, in Weingeist l\u00f6sliche Harz, welches Geiger und Reimann in der Milch der gemeinen Feige gefunden haben, ist offenbar nur Viscin.\nDer Milchsaft der Feigen ist \u00fcberaus reich an grofsen $ Milchsaft-K\u00fcgelchen, wor\u00fcber schon fr\u00fcher die Rede war? beobachtet man eine solche Milch unter dem Mikroskope und giefst ein Tr\u00f6pfchen Alkohol hinzu, so wird man sogleich die Bildung eines Coagulum\u2019s bemerken, welches jj aus einem Zusammenfliefsen der K\u00fcgelchen entsteht. Ein solches Coagulum hat alle Eigenschaften eines dem Viscin \u00e4hnlichen Stoffes, der durch Eintrocknen dem Cautschuck \u00e4hnlicher wird.\nEin dritte Klasse von Milchs\u00e4ften zeigt Pflanzeneiweifs und Pflanzenwachs als vorherrschende Bestandteile ; es geh\u00f6rt hieher die Milch des ber\u00fchmten Kuhbaumes S\u00fcdamerika^, und die der Papaye **), zweier Pflanzen, welche durch ihren Milchsaft f\u00fcr die Ern\u00e4hrung der Men-sehen sehr wichtig sind, daher ich hieselbst eine ausf\u00fchrlichere Mittheilung der Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand mache. Wir verdanken unsere Kenntnisse \u00fcber den Kuhbaum und dessen nahrhafte Milch fast ausschliefslich dem Herrn Alexander von Humboldt; in seinem Reiseberichte ***), hat dieser grofse Naturforscher die interessantesten Mittheilungen \u00fcber diesen Gegenstand bekannt gemacht. Es heifst daselbst: \u201eAm d\u00fcrren Abhange eines Felsen w\u00e4chst ein Baum, dessen Bl\u00e4tter d\u00fcrr und z\u00e4h sind. Seine dicken holzigen Wurzeln haben M\u00fche in das Gestein einzudringen. Mehrere Monate des Jahres befeuchtet kein erquickender Regen sein Laub. Die Aeste scheinen abgestorben und vertrocknet, bohrt man aber den\nGalactodendron utile Kunde Carica Papaya L.\n\u00a5\u00a5*) Buch V, Cap. XVI.","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"40\u00f6\nStamm an, so entfiiefst ihm eine milde und n\u00e4hrende Milch. Bei Sonnen-Aufgang ist diese vegetabilische Quelle am reichsten ; es kommen alsdann von allen Seiten her Neger und Eingeborne, mit grofsen N\u00e4pfen versehen, um die Milch zu sammeln, welche gelb wird und sich auf der Oberfl\u00e4che verdichtet. Die einen leeren ihre N\u00e4pfe unter dem Baume selbst aus, andere bringen das Gesammelte ihren Kindern. Man glaubt den Haushalt eines Hirten zu sehen, der die Milch seiner Heerde vertheilt.\u201c\nDas Vaterland dieses Baumes ist die K\u00fcsten-Cordillere von Venezuela, doch nach neueren Nachrichten verschiedener Reisenden, welche sich l\u00e4ngere Zeit hindurch in dem gegenw\u00e4rtigen Columbien aufhielten, scheint es wahrscheinlich, dafs in jenen Gegenden noch mehrere Arten von B\u00e4umen Vorkommen, welche eine \u00e4hnliche Milch als der Kuhbaum liefern *). Die Milch des Kuhbaums ist seitdem durch die Herrn Boussingault und Rivero n\u00e4her untersucht, und die merkw\u00fcrdigen Resultate dieser Untersuchung wurden durch Herrn Alexander von Humboldt **) bekannt gemacht. Die genannten Naturforscher sagen, dafs die vegetabilische Milch die n\u00e4mlichen physischen Eigenschaften wie die Kuhmilch besitzt, nur ist sie etwas klebriger; selbst der Geschmack ist der n\u00e4mliche. Die chemische Zusammensetzung dieser Milch ist jedoch von derjenigen der thierischen sehr verschieden; S\u00e4uren bringen sie nicht zum Gerinnen. Durch die W\u00e4rme wird die vegetabilische Milch des Kuhbaumes in zwei Substanzen gesondert, die eine ist von fetter Natur und schmelzbar, die andere dagegen faserig, von animalischer Natur. Die Bestandteile der Milch des Kuhbaumes sind nach jenen Untersuchungen folgende: Wachs (und zwar beinahe die H\u00e4lfte des ganzen Gewichtes), Fibrinstoff (Pflanzen-Eiweifs) etwas Zucker, ein magnesisches Salz und Wasser. Keine Spur von Cautschuck ward darin entdeckt, das Pflanzen-\n\u00a5) S. Loudon\u2019s Gardeners Magazine. 183t). pag. 100.\n\u25a0\u2019*) Reise in die Aerjuinoctial - Gegenden etc. Buch IX Noie G","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"407\nwachs war jedoch so \u00e4hnlich dem raffmirten Bienenwachse, dafs die Herrn Boussingault und Rivero selbst Kerzen daraus gefertigt haben.\nK\u00fcrzlich haben wir noch einige neue Nachrichten \u00fcber den ber\u00fchmten Kuhbaum erhalten, welche Herr Edw. Solly jun. * **)) publicirt hat. Man fand in der N\u00e4he von Caracas riesenhafte Kuhb\u00e4ume, deren glatter Stamm 60Fufs H\u00f6he zeigte, w\u00e4hrend sich die Krone, 40 Fufs hoch er-\n. hebend, mit 25 Fufs langen Aesten nach allen Seiten hin ausbreitete. Machte man Einschnitte in die Rinde, welche bis zum Holze eindrangen, so str\u00f6mte die schneeweifse Fl\u00fcssigkeit aufserordentlich schnell, so dafs in einer viertel\nI Stunde eine ganze Flasche mit Saft gef\u00fcllt wurde. Die\n*\tGef\u00e4fse, welche diese Milch f\u00fchren, sitzen in der inneren braunen Schicht der Rinde. Die Milch jenes Baumes war nach England gesendet und durch Herrn Solly n\u00e4her untersucht; sie war aber offenbar gr\u00f6fstentheils verdorben und demnach hat diese Untersuchung nur geringen Werth. Es bestand diese Milch aus 62 Theilen Wasser und Essigs\u00e4ure, 30,5 Galactin und etwas Gummi, Gluten u. s. w. Mit dem Namen Galactin hat Herr Solly jun. jene wachsartige\n*\tSubstanz belegt, welche in der Milch des Kuhbaumes in so orofser Menge enthalten ist; man hielt dieselbe fr\u00fcher f\u00fcr gew\u00f6hnliches Pflanzenwachs, sie unterscheidet sich aber vom Bienenwachs durch mehrere sehr auffallende Erschei-\nh nungen. Galactin wird durch kalte Schwefels\u00e4uie aufgel\u00f6st und durch heifse sogar zersetzt; es bildet mit Salpeters\u00e4ure keine Klees\u00e4ure.\nEinen \u00e4hnlichen nahrhaften Milchsaft liefert der Me-\n*\tlonenbaum oder die Papaye, doch ist die Quantit\u00e4t mit jener des Kuhbaumes gar nicht zu vergleichen. Auch \u00fcber den Milchsaft des Melonenbaumes, hat Herr Alexander von Humboldt^*) die genauesten Beobachtungen angestellt, welche ich hier theilweise anf\u00fchre, um die Aehnlichkeit dieser\n*) The Loncl and Edinb. Philos Mag, Nov, 1837.\n**) Preise etc- B V Cap XVI","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408\nMilch mit jener des Kuhbaumes noch mehr hervorzuheben. \u201eJe j\u00fcnger die Frucht des Melonenbaumes ist, um so mehr Milch liefert sie und diese befindet sich bereits auch in dem kaum befruchteten Keime. So wie die Frucht zeitiget, nimmt die Milch an Menge ab und wird w\u00e4sseriger. Sie enth\u00e4lt alsdann weniger von jenem thierischen, durch Einwirkung von S\u00e4uren gerinnbaren Stoff.\u201c Diese Bemer-kung, welche ich selbst an der Frucht der Papaye zu wiederholen Gelegenheit hatte, scheint mir besonders wichtig um f\u00fcr die Ansicht zu sprechen, dafs der Milchsaft zur Ern\u00e4hrung der Pflanzen gleich dem Blute in den Thieren benutzt werde. Bei unseren Feigen verh\u00e4lt es sich ganz \u00e4hnlich und die, in den Milchsaft-Gef\u00e4fsen der reifenden Feigen zur\u00fcckbleibende Milch wird br\u00e4unlich und gerinnt endlich. Bei der Papaye befindet sich der Milchsaft in wirklichen Milchsaft-Gef\u00e4fsen, welche sehr grofs und in bedeutender Anzahl, \u00fcberall in den inneren Schichten der Rinde verlaufen; auf welche Weise jedoch die Milch des Kuhbaumes vorkommt, und in weichen Theilen des Stammes der Sitz der Milchsaftbeh\u00e4lter befindlich ist, das wissen wir noch nicht hinreichend.\nDie Milch des Melonenbaumes ist ebenfalls reich an Pflanzen -Eiweifs, welches durch S\u00e4uren gerinnt, so dafs die ganze Masse durch Sch\u00fctteln k\u00f6rnig wie weifser K\u00e4se wird. Das durch S\u00e4uren gebildete Coagulum wird klebrig * und nimmt den Wachsgeruch an; das frisch bereitete Coagulum wird in Wasser aufgeweicht, zum Theil aufgel\u00f6st und f\u00e4rbt das Wasser gelblich. Die Milch mit blofsem Wasser in Verbindung gebracht, bildet gleichfalls H\u00e4ute * und eine zitternde Gallerte wird alsdann daraus niedergeschlagen. Kohlensaures Natrum zerst\u00f6rte wieder das Coagulum und machte die Milch fl\u00fcssig.\nIn den beiden F\u00e4llen, welche hier specieller abgehandelt 4 wurden, haben wir Milchs\u00e4fte kennen gelernt, welche auf eine ausgezeichnete Weise als Nahrungss\u00e4fte f\u00fcr die Menschen gelten und bald mit der Milch, bald mit dem Blute der 1 liiere zu vergleichen sind. Es giebt indessen noch","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"409\nmehrere Pflanzen, deren Milchsaft, als Nahrungsmittel benutzt wird, doch m\u00fcssen wir bedauren, dafs noch keine Analysen desselben bekannt geworden sind. So liefert die Tabayba dulce (Euphorbia balsamifera1) der canarischen t Inseln eine wohlschmeckende und nahrhafte Milch, w\u00e4hrend eine andere, ihr sehr nahe stehende Euphorbie, die E. ca-nariensis n\u00e4mlich, einen brennend \u00e4tzenden und scharfen Milchsaft aufzuweisen hat. Beide Euphorbien, sagt Herr * Leopold von Buch in seiner Beschreibung der canarischen Inseln, sind ausgezeichnet durch ihren Reichthum an Milch, den sie enthalten, welcher bei schwacher Verwundung wie ein Strahl hervorbricht und lange fortl\u00e4uft, vorz\u00fcglich in \u25ba der Tabayba, deren Rinde durch die Milch aufgeschwellt, ganz weifs und gl\u00e4nzend erscheint. Die Milch der Euphorbia balsamifera ist s\u00fcfs und unsch\u00e4dlich, dafs man sie nicht f\u00fcrchtet; die Einwohner verdicken sie zu einer Gallerte und geniefsen sie gelegentlich als eine Paste. Nach Burmann\u2019s Nachrichten soll die Asclepias lactifera der Insel Zeylon so reich an Milchsaft sein, dafs man sich, in Ermangelung der Kuhmilch, der Bl\u00e4tter dieser Pflanze zum Kochen der Speisen bedient, welche sonst mit Thiermilch zubereitet werden.\nAm auffallendsten erscheint hiebei, dafs der Milchsaft in verschiedenen Pflanzen einer und derselben Gattung, so auffallend verschiedene Eigenschaften zeigt, indem derselbe f bald als ein heftig wirkendes Gift, bald als ein wohlschmeckendes Nahrungsmittel auftritt. Indessen die scharfe Wirkung der Milchs\u00e4fte hat ihre Ursache in der Beimischung gewisser Stoffe und wir d\u00fcrfen deshalb wohl noch ~ nicht annehmen, dafs eine solche Milch auch den Pflanzen, worin sie erzeugt wird, nicht als Nahrungssaft dienen k\u00f6nne, was doch in anderen F\u00e4llen ganz offenbar ist. Auch hat Herr De Candolle darauf aufmerksam gemacht, dafs der Milchsaft gewisser Pflanzen unter besonderen Verh\u00e4ltnissen geniefsbar wird; so gebraucht man die jun-\n*) Phys, v\u00e9g. I. pag. 161.","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410\ngen Bl\u00e4tter der gemeinen Salat-Pflanze (Lactuca sativa); die alten Bl\u00e4tter und die alten Stengel schmecken bitter und etwas scharf, und bedeutend giftig wirkt die nahestehende Lactuca virosa. In Languedoc geniefsen die Bauern den jungen Papayer Hhoeas als Salat, und in mehreren L\u00e4ndern werden die ersten Sch\u00f6fslinge der Apocyneen gegessen.\nBei der Euphorbia canariensis enth\u00e4lt offenbar nur der Milchsaft jene heftig wirkende giftige Substanz, welche mehr oder weniger der Milch aller anderen Euphorbien-Arten zukommt, denn Herr Berthelot*) theilt die Beobachtung mit, dafs die Bauern auf Teneriffa, wenn sie durstig sind, die Euphorbia canariensis von ihrer Rinde befreien, worin n\u00e4mlich die Milchsaft-Gef\u00e4fse enthalten sind, und dann den blofsgelegten Holzk\u00f6rper aussaugen. Die Ziegen, welche jene Euphorbia fressen, sollen eine schlecht schmeckende Milch geben, giebt man ihnen aber wieder Salzpflanzen zu fressen, welche an der Meeresk\u00fcste wachsen, so soll die Milch derselben wieder wohlschmeckend werden.\nWir haben nach dem Vorhergehenden eine Menge von Thatsachen kennen gelernt, welche zeigen, dafs der Milchsaft der Gew\u00e4chse, wenigstens f\u00fcr Menschen und Thiere, ein sehr ausgebildeter Nahrungssaft sein kann und demnach steht der Annahme, dafs derselbe auch in den Pflanzen die Rolle eines ern\u00e4hrenden Saftes versieht, gewifs nichts im Wege.\nUeber die Bewegung des Milchsaftes in den\nPflanzen.\nDie Angaben der \u00e4ltesten Pflanzen-Physiologen \u00fcber die Bewegung des Milchsaftes in den Pflanzen beruhen mehr auf Vermuthungen, als auf wirklichen Beobachtungen, und aus jenen Vermuthungen scheint der ber\u00fchmte Phi\n*) S, De Candulle\u2019s Phys, vcg\u00e9t. L pag< 264.","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"411\nIJlosoph Christian Wolff*), nachdem er umst\u00e4ndlich die ^Analogic des thierischen Blutes mit dem Milchs\u00e4fte der lPflanzen nachgewiesen, zu dem Schl\u00fcsse gekommen zu \u2022'Sein, dafs sich dieser Milchsaft in seinen eigenen Gef\u00e4fsen Ibewege, und als der haupts\u00e4chlichste Nahrungssaft der ! Pflanzen zu betrachten sei. In den Schriften Du Hamel\u2019s ilfmden wir sehr viele Stellen, in welchen dieser ausgezeichnete Pflanzen-Physiolog der damaligen Zeit, sein ^Glaubens -Bekenntnifs f\u00fcr die Bewegung des Milchsaftes, so wie der eigenen S\u00e4fte \u00fcberhaupt, also auch der Harz-und Gummi-S\u00e4fte ausspricht. Freilich war Du Hamei \u00fcber -diesen Gegenstand noch nicht ganz im Reinen, denn wir iffinden seine Angaben \u00fcber denselben sehr oft als That-sachen benutzt, welche eine allgemeine Circulation, also ein Aufsteigen und ein nachheriges Absteigen der S\u00e4fte der Holzpflanzen darthun sollen, eine Ansicht, welche wir schon fr\u00fcher als ganz unhaltbar nachgewiesen haben. Oftmals giebt indessen Du Ilamel ganz vortreffliche Beobachtungen an, welche f\u00fcr eine aufsteigende und eine absteigende Bewegung der eigenen S\u00e4fte sprechen, und er empfiehlt zu ^solchen Beobachtungen gerade Pflanzen mit gef\u00e4rbtenS\u00e4ften, als den Mohn, das Sch\u00f6llkraut, die Artischocke, den Salat u. s. w.\nMariotte hatte schon beobachtet, dafs bei durchschnittenen Milchsaft-f\u00fchrenden Pflanzen die Schnittfl\u00e4che des oberen Endes der Pflanze unter Verh\u00e4ltnissen mehr Milchsaft ausfliefsen lasse, als die Schnittfl\u00e4che des unteren Endes, und dafs dieses auch alsdann stattfinde, wenn man * die Pflanze mit dem Wurzelende nach Oben kehre. F\u00fcr die Ursache dieser Erscheinung gab Mariotte **) eine Pressung des Saftes in den Gef\u00e4fsen an, etwa wie das Blut in die Gef\u00e4fse geprefst wird. Du Hamei ***) beschrieb dergleichen Thatsachen genauer, er liefs den Saft durch eine\n*) Vern\u00fcnftige Gedanken etc. Leipzig 1737, pag. 621 et 62.L\n**) Oeuvres. A Leide 1717. L pag. 132.\n***) Naturgeschichte der B\u00e4ume etc. I pag. 96.","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nZusammenziehung der Gef\u00e4fse auslaufen und meint, dafs es scheine, als wenn dieser Saft lieber von den \u00e4ufsersten der Zweige gegen die Wurzeln, als von den Wurzeln ge- -j gen die Zweige in die H\u00f6he steige. Auch J. H. D. Mol- 7 denhawer*) kannte die Milchsaft-Gef\u00e4fse in den Pflanzen und ahnete die Bewegung in denselben, doch durch van Marum **) und Rafn ***) wurde die Annahme einer Bewegung des Milchsaftes in dessen Gef\u00e4fsen ganz aufser Zweifel -t gestellt. Die schon vorhin von Mariotte und Du Hamei ' angef\u00fchrten Beobachtungen \u00fcber das Ausfliefsen des Milchsaftes wurden vollkommen best\u00e4tigt. Im Sch\u00f6llkraute, im Mohne u. s w. sind die Milchsaft-Gef\u00e4fse so fein, dafs + sie, gleich den feinsten Haarr\u00f6hrchen durch ihre anziehende Wirkung den Milchsaft festhalten und auf den Durchschnitten der Gef\u00e4fse nicht ausfliefsen lassen k\u00f6nnten, und da wir dennoch ein solches Ausfliefsen dieser S\u00e4fte beob-achten, so m\u00fcssen sich dieselben durch irgend eine Kraft in jenen Gef\u00e4fsen in Bewegung befinden. Du Hamei f\u00fchrte schon eine h\u00f6chst interessante Beobachtung an, nach welcher der Milchsaft in den nach Oben steigenden Str\u00f6men zuweilen anders gef\u00e4rbt ist, als in den nach Unten steigenden, denn ein durchschnittener unreifer Mohnkopf zeigt auf der Schnittfl\u00e4che des unteren St\u00fcckes einen gelblichen Milchsaft, w\u00e4hrend der auf der Schnittfl\u00e4che des oberen * St\u00fcckes eine weifse Farbe hat. Sehr beachtenswerth ist * auch eine Beobachtung von Thomson, welche Davy in seiner Agricultur-Chemie (pag. 275) auff\u00fchrte. Wenn ein Stengel einer Wolfsmilch (Euphorbia Peplus) durch 2 Einschnitte von dem oberen und von dem unteren Theile der Pflanze * getrennt wird, so fliefst der Milchsaft an den beiden Schnittfl\u00e4chen aus, und Thomson meint, dafs sich dieses nur durch die Lebensth\u00e4tigkeit der Gef\u00e4fse erkl\u00e4ren lasse,\n------------- 4-\n\u00a5) De var. plant, pag. 28 und pag. 39.\n**) De motu fluidor. in plaut. etc. Gr\u00fcningae 1773. 4. und einige Erfahrungen und Beobachtungen \u00fcber die Th\u00e4tigkeit der Pflanzengef\u00e4fse etc. In Gren\u2019s Journal d. Phys. 1792 pag. 360.\n**\u00a5) Entwurf einer Pflanzenphys, pag, 91, 125 etc,","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"413\nindem der Durchmesser jener Gef\u00e4fse so klein ist, dafs ihre haarr\u00f6hrenartige Anziehung mehr als hinreichend gewesen w\u00e4re den Inhalt der Gef\u00e4fse zur\u00fcckzuhalten, so dafs auch nicht ein Tr\u00f6pfchen h\u00e4tte ausfliefsen d\u00fcrfen.\nVan Marum glaubte, dafs die Ursache der Bewegung der Milchs\u00e4fte, durch welche dieselben aus ihren durchschnittenen Gef\u00e4fsen auslaufen, in der Reizbarkeit der Gef\u00e4fse bbestehe. Wurden n\u00e4mlich Milchsaft-f\u00fchrende Pflanzen 20 \u2014 30 Minuten lang der anhaltenden Einwirkung starker electrischer Str\u00f6me ausgesetzt, so wurde auf ihren Durcli-- schnittsfl\u00e4chen das Ausfliefsen des Milchsaftes nicht mehr Bbemerkt; van Marum glaubte, dafs hier die Gef\u00e4fse ge-lill\u00e4hmt worden w\u00e4ren, und dafs defshalb die Bewegung des Milchsaftes aufgeh\u00f6rt habe. Indessen wenn wir sp\u00e4ter zu erweisen suchen werden, dafs die Ursache dieser Bewegung in dem Safte selbst gesucht werden m\u00fcsse, so wird man aus jenen Versuchen von van Marum ebenfalls schliefsen k\u00f6nnen, dafs die bewegende Ursache im Inneren des Saftes durch die Einwirkung der Electricit\u00e4t aufgehoben oder zerst\u00f6rt sei. Herr Schultz *) bestreitet die Richtigkeit jener * Beobachtungen ganz und gar, und sagt, dafs er weder durch leise electrische Str\u00f6me, als durch heftige Schl\u00e4ge einen Stillstand der Bewegung des Milchsaftes bemerkt habe. Ich weifs noch nicht worauf diese Verschiedenheit + in den Angaben beruht, indessen ich selbst habe am Sch\u00f6llkraute den Stillstand der Bewegung des Saftes, schon nach schwachen electrischen Schl\u00e4gen beobachtet. Brug-manns**) stellte ebenfalls einige Beobachtungen an, welche \\die Bewegung des Milchsaftes durch die Reizbarkeit der Gef\u00e4fse erweisen sollten, er bestrich die frischen Schnittfl\u00e4chen von Milchsaft-f\u00fchrenden Pflanzen, als von Euphorbia lathyris und E. myrsinites mit stiptischen Mitteln, z. B. mit Alaun- und Vitriol-Aufl\u00f6sung und wollte be-\n*) Die Natur der lebendigen Pflanze. I. pag. 601.\nS. Coulcn De mutata humorum in regno organ, indole a vi vitali vasorum derivanda 1789. \u2014 Journ, de Phys. T. Lb pag.217=","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414\nmerkt haben, dafs dadurch das Auslaufen des Milchsaftes aus den Schnittfl\u00e4chen sogleich aufh\u00f6re. Diese Versuche werden gew\u00f6hnlich in allen Werken angef\u00fchrt um die Reizbarkeit oder die Irritabilit\u00e4t der Pflanzengef\u00e4fse zu 7 erweisen, obgleich sie von verschiedenen Seiten her und sogar schon durch van Marum als unrichtig nachgewiesen sind. Beobachtet man durch Anwendung stiptischer 1 Mittel ein wirkliches Aufh\u00f6ren in dem Ausfliefsen des j Milchsaftes aus den durchschnittenen Gef\u00e4fsen, so ist der Milchsaft in den Gef\u00e4fsenenden geronnen und dieselben werden alsdann durch einen Trombus ganz mechanisch geschlossen.\t4\nHerr Dutrochet hat auch sehr treffliche Gr\u00fcnde angegeben, dafs man die Bewegung des Milchsaftes nicht in einer Contraction der Gef\u00e4fse suchen d\u00fcrfe, denn er zeigt wie fest die W\u00e4nde dieser Gef\u00e4fse mit den umschlie-^ fsenden Elementar-Organen verwachsen sind, so dafs dadurch alle Zusammenziehung verhindert werde; auch meine Beobachtungen sprechen ganz f\u00fcr diese Ansicht, wenn auch Herr C. H. Schultz eine solche Zusammenziehung eines : Milchsaft-Gef\u00e4fses wirklich einmal beobachtet haben will, was mir jedoch nicht vorgekommen ist.\nEs ist sehr auffallend, dafs selbst diejenigen Botaniker, welche noch heutigen Tages die Bewegung des Milchsaftes j vergeblich abzudisputiren versuchen, von jenem Ausfliefsen* **) des Milchsaftes aus den durchschnittenen Gef\u00e4fsen und den Ursachen dieser Erscheinung wenig oder gar nicht sprechen. In einer alten Schrift von F. J. Frenzei ***) findet 4 man einen sehr weitschweifigen Versuch um jene Beob-* achtungen von Mariotte und Du Hamel u. A. m. zu wiederlegen, doch sind die Beweisgr\u00fcnde dagegen gr\u00f6fstentheils unrichtig angewendet, und die unerkl\u00e4rlichsten Thatsachen entweder ohne Beobachtungen bestritten oder ganz \u00fcber-\n*) Rozier, Journal de Phys. 1792. T. 51. pag. 217.\n**) L\u2019A gent imm\u00e9diat du Mouv. v\u00e9t. pag. 103.\n\u00a5*\u00a5) Phys. Beobacht, \u00fcber den Verlauf des Saftes in den Pflanzen und B\u00e4umen etc. Weimar 1804, pag. 166 etc.","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"415\ngangeil. Wollte man aber die Bewegung des Milchsaftes in seinen Gcf\u00e4fsen bestreiten, so h\u00e4tte man mit der Widerlegung der vorhin angef\u00fchrten Thatsachen anfangen m\u00fcssen; ja ich halte diese Thatsachen, schon f\u00fcr sich allein hinreichend, um unumst\u00f6fslich zu beweisen, dafs sich jener Saft im Inneren seiner Gef\u00e4fse durch eine eigene, ihm einwohnende Kraft bewege.\nAuf diesem Punkte stand es mit der Lehre von einer\nw\t,\neigenen Bewegung des Milchsaftes, als Herr Schultz-^) im Jahre 1819 so gl\u00fccklich war diese Bewegung des Milchsaftes unmittelbar zu beobachten, indem er die Bl\u00e4tter des Sch\u00f6ll-. krautes durch Reflexion der direkten Sonnenstrahlen unter ^ dem zusammengesetzten Mikroskope beleuchtete. Auch sah man diese Bewegung unmittelbar, wenn man die Gef\u00e4fse, worin dieselbe vor sich geht, von ihren Bedeckungen so weit trennte, dafs sie, als halbdurchsichtiger K\u00f6rper, unter dem Mikroskope beobachtet werden konnten. Herr Schultz sah auf diese Weise, dafs der Milchsaft in den geraden Gef\u00e4fsen des Stengels der Pflanze hinauf und in den danebenliegenden Gef\u00e4fsen wieder herabsteige, und dafs in * den Bl\u00e4ttern und den Wurzeln des Sch\u00f6llkrautes eine h\u00e4ufige Vermischung dieses Saftes durch die vielfachen Anastomosen der Gef\u00e4fse vermittelst seiner eigenen Bewegung vor sich gehe. Auch Herr Schultz sah, was schon \u25a0\u00ce- Du Hamei angab, dafs mehrere Str\u00f6me von den Bl\u00e4ttern zur Wurzel, als von den Wurzeln zu den Bl\u00e4ttern verlaufen, und somit kam er zu dem Schl\u00fcsse, dafs hier in den Milchsafts-Gef\u00e4fsen eine Circulation vor sich gehe.\n-\tObgleich diese beobachtete Bewegung von mehreren\nder ausgezeichnetsten Naturforscher der Berliner Universit\u00e4t, als von den Herren Link, Lichtenstein und Rudolphi best\u00e4tigt worden wrar, so fand die Entdeckung ziemlich ganz allgemein keinen Glauben, und eine zweite Schrift des Herrn Schultz: Ueber den inneren Lebensprozefs im\nUeber die Circulation des Saftes iin Sch\u00f6lUuaute etc Berlin 1821.","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nBlote, welche 1S22 erschien, that vollends die gr\u00f6fste Wirkung zum Nachtheile jener interessanten Entdeckung. Man sah sehr bald ein, dafs jene Theorie von dem inneren Lebensprozesse, wor\u00fcber wir pag. 14 gesprochen haben, irrig ist, indem sie auf einer optischen T\u00e4uschung beruht, und leider verwarf man mit dieser,Theorie auch die wirkliche Beobachtung \u00fcber die Bewegung des Milchsaftes. Eine ganze Reihe von Abhandlungen erschienen damals gegen diese Beobachtungen des Herrn Schultz, aber sie stritten s\u00e4mmtlich nicht gegen das eigentliche Factum, n\u00e4mlich gegen die beobachtete Str\u00f6mung des Milchsaftes, sondern nur gegen die \u00e4ufsere Einkleidung, worin dasselbe Herr Schultz bekannt gemacht hatte. Legt man ein zartes, kr\u00e4ftig vegetirendes Blatt einer Sch\u00f6llkraut-Pflanze, welche unverletzt neben das Mikroskop gestellt ist, auf den Objecttr\u00e4ger des Instrumentes und beleuchtet dasselbe durch Reflection der direkten Sonnenstrahlen, so wird man in denjenigen Richtungen des Blattes, woselbst sich Milchsaft-Gef\u00e4fse befinden, ein flimmerndes Str\u00f6men bemerken, w\u00e4hrend rings umher Alles ruhig ist. Ganz besonders sch\u00f6n sind dergleichen Stellen, an welchen sich die Gef\u00e4fse ver\u00e4steln. Man wollte jedoch diese Beobachtung f\u00fcr T\u00e4uschung erkl\u00e4ren*), doch ich glaube gezeigt zu haben **), dafs man auch in diesem best\u00e4ndigen Flimmern eine fortschreitende Bewegung nach verschiedenen Richtungen mit Deutlichkeit erkennen k\u00f6nne, und glaube schon zu jener Zeit mehrere Botaniker des In- und Auslandes von der Richtigkeit der Entdeckung des H. Schultz \u00fcberzeugt zu haben. Indessen schon fr\u00fcher hatte Herr Savi ***) in Italien und Herr Dutrochet f) in Frankreich die Beobachtung des Herrn Schultz best\u00e4tigt, obgleich sich Letzterer schon einige Jahre vorher dagegen erkl\u00e4rt hatte.\n\u00a5) S. Zenker in der Isis v. 1824, L. Treviranus Zeitschrift f\u00fcr Physiol. I. Heft 2. und in vielen anderen Schriften.\n**) S. Isis v. 1828 p. 394.\n***) Nuovo giornale de letterati. Jan. et Fev. 1825.\n\u2022f) L\u2019Agent imin\u00e9d. etc. pag. 60 etc.","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"417\nIn dem gr\u00f6fseren Werke \u00fcber die Natur der lebendigen Pflanze bat Herr Schultz im Jahre 1823 eine spe-ciellere Auseinandersetzung seiner Beobachtungen \u00fcber die Circulation des Lebenssaftes oder Milchsaftes gegeben; er fand, dafs diese Circulation selbst im Winter nicht aufh\u00f6re, wenn die Temperatur nicht unter dem Gefrierpunkte befindlich ist, was auch durch speciellere Angaben \u00e48 von H. Dutrochet *) best\u00e4tigt wurde. Herr Schultz verglich den Kreislauf des Lebenssaftes mit dem des Blutes in den sogenannten Haargef\u00e4fsen der Thiere, daher k\u00f6nne man die einzelnen Theile der Pflanzen abschneiden, und . dennoch einige Zeit hindurch die Circulation des Saftes J an denselben beobachten, wie dieses auch von der Circulation des Blutes in den Haargef\u00e4fsen der abgeschnittenen Theile der Thiere zu sehen ist.\nDer Kreislauf, meint H. Schultz, tr\u00e4gt in jedem Pflan-zentheile den Grund seiner Bewegung in sich selbst, und h\u00e4ngt nirgends von einem allgemeinen Zusammenh\u00e4nge ab ; es zeigt sich zwar ein solcher Zusammenhang, indessen derselbe kann unterbrochen werden, ohne dafs dadurch E eine n\u00f6thige St\u00f6rung eintritt, u, s. w. Der Verlauf der verschiedenen vegetativen Processe in einander ist eine unendliche Succession; der Holzsaft geht in den Kreislauf und der Kreislauf in die Bildungen \u00fcber**). Sp\u00e4ter hat i- Herr Schultz mehrere ausf\u00fchrlichere Er\u00f6rterungen \u00fcber die Bewegung der Pflanzens\u00e4fte, so wie \u00fcber die verschiedenen Arten der S\u00e4ftebewregung in den Pflanzen u. s. w. publicirt, welche in Form von Briefen an Herrn De Z Candolle in der Flora vom Jahr 1828 Nro. 2, 3, 9, 10 und 13 erschienen sind. In dem zweiten dieser Briefe belegt H. Schultz die Bewegung des Milchsaftes in den Pflanzen mit dem Namen der Cyclose, um dadurch den Einw\u00fcrfen der Physiologen zu entgehen, welche man so oft gegen die Annahme einer wahren Circulation in den\n*) 1. c. pag. 63\u201465.\n**) S. I. c. P. 569 etc.\nMe y en. Pfl, Physiol, l\u00ef,\n27","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418\nPflanzen, welche sich mit derjenigen in den Thieren vergleichen liefse, erhoben hat.\nIm Jahre 1835, nachdem man wohl ziemlich allgemein vermuthete, dafs die Bewegung des Milchsaftes in den Pflanzen eine anerkannte Thatsache sei, trat wieder Herr L. Treviranus*) auf und erkl\u00e4rte alle jene Angaben, welche man daf\u00fcr aufgestellt hatte, f\u00fcr irrth\u00fcmlich. Nachdem derselbe sehr weitl\u00e4uftig, aber niemals die angegebe- r nen Beobachtungen widerlegend, gegen die Bewegung des Milchsaftes in den Gef\u00e4fsen gesprochen hat, kommt folgende Bemerkung: \u201eBest\u00e4nde sie (die Bewegung n\u00e4mlich) fortw\u00e4hrend, als eine wahre Circulation, so miifste man 4 solche in unverletzten Milchbeh\u00e4ltern, wie man sie in Sch\u00f6llkrautbl\u00e4ttern, die noch auf ihrer Wurzel oder ihrem Stengel vegetiren, bei hellem Lichte deutlich durch die Oberhaut durchschimmern sieht, als ein stetes oder auch m unterbrochenes Hinfliefsen, Zur\u00fcckfliefsen, Umkehren des Stromes wahrnehmen. Aber von dem Allen ist nichts zu bemerken, der Saft ist dann in v\u00f6lliger Ruhe, wenigstens in Bl\u00e4ttern', u. s. w.\u201c Diese angeblichen Beobachtungen des Herrn Treviranus sind indessen nicht richtig; alle diejenigen Botaniker, welche Herrn Schultz Entdeckung best\u00e4tigt haben, sehen jene Bewegung in den Gef\u00e4fsen der unverletzten Pflanze, und ich glaube, dafs man j gegenw\u00e4rtig alle die Angaben gegen jene Bewegung beseitigen mufs, denn schon seit 1833 habe ich diese Bewegung an den Bl\u00e4ttern des Sch\u00f6llkrautes, vermittelst eines guten neuen Mikroskopes, auch ohne Beleuchtung durch direkte Sonnenstrahlen beobachten k\u00f6nnen, also auf * ganz gew\u00f6hnlichem Wege; wer aber dasjenige bestreiten will, was man auf diese Weise beobachtet, der mufs zuerst beweisen, dafs alles dasjenige falsch ist, was man vermittelst der zusammengesetzten Brillen, wie Hr. Wilbrand **) einst, bei seiner wohlgemeinten Warnung an die Natur-\n\u00a5) Physiol, d. Gew\u00e4chse. I. pag. 35i etc.\n**) S. Isis von 1828.","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"419\nforscher, die Mikroskope nannte, wirklich sieht, Doch es m\u00f6chte genug \u00fcber die Verschiedenheit in den Ansichten \u00fcber diesen Gegenstand gesprochen sein; wir wollen nun von den Beobachtungen ausgehen, welche ergeben, dafs sich der Milchsaft in eigenen Gef\u00e4fsen bewege, doch der ganze Zusammenhang, in welchem diese Bewegung zu den verschiedenen Gef\u00e4fsen der einzelnen Theile der Pflanze steht, der ist noch nicht hinreichend genug nachgewiesen und bleibt der n\u00e4chsten Zeit zur Erforschung Vorbehalten.\nAls Resultat meiner eigenen Untersuchungen \u00fcber die Circulation des Milchsaftes, stellte ich vor 10 Jahren den Satz auf, dafs sich der Milchsaft in seinem Gef\u00e4fssysterne bewege, er steige in einigen Hauptst\u00e4mmen, welche in paralleler Richtung im Umfange des Stammes verlaufen, von den Wurzeln zu den Bl\u00e4ttern, kreise daselbst in den unz\u00e4hligen Ver\u00e4stelungen und kehre in den feinsten Verzweigungen wieder um, um alsdann wieder durch die Haupt\u00e4ste zu den gr\u00f6fseren Gef\u00e4fsst\u00e4mmen zu gelangen, welche im Stamme der Pflanze verlaufen, und durch diese zur Wurzel zur\u00fcckzukehren, wo er gleichfalls alle Ver\u00e4stelungen und Verzweigungen durchl\u00e4uft, daselbst wieder Zulauf von roherem Safte erh\u00e4lt und dann den Kreislauf von Neuem beginnt. Im Folgenden glaube ich auch zeigen zu k\u00f6nnen, dafs die einzelnen Punkte jener Angaben auf wirklichen Beobachtungen beruhen.\nUm sich von der kreisenden Bewegung des Milchsaftes in den Bl\u00e4ttern der Pflanze zu \u00fcberzeugen, nehme man solche Pflanzen, deren Bl\u00e4tter so zart sind, dafs sie unter dem Mikroskope halb durchsichtig erscheinen; die Sch\u00f6llkraut-Pflanze ist eine der vorz\u00fcglichsten der Art. Man nehme eine vollst\u00e4ndige, ganz unverletzte Pflanze der Art, welche man vorher in einen Blumentopf gepflanzt hat, stelle sie neben das Mikroskop und biege ein einzelnes Blatt derselben in der Weise, dafs es mit der unteren Fl\u00e4che nach Oben gerichtet auf den Objektivtisch des Mikroskops zu liegen kommt. Die Befestigung mnfs sehr vorsichtig geschehen, damit nicht etwa der Blattstiel zu-\n27 *","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\nsammengedr\u00fcckt wird; die gew\u00f6hnlichen Federn, welche zum Festhalten der Objekte angebracht zu sein pflegen, taugen dazu sehr selten. Benutzt man zu diesen Beob- _ achtungen ein neueres grofses Instrument von Pl\u00f6fsl, so 1 empfehle ich die Anwendung der st\u00e4rksten Vergr\u00f6fserung durch die Linsen (also die Linsen 4, 5 und 6) und dabei das schw\u00e4chste Okular. Man erh\u00e4lt hiebei eine 200-malige Vergr\u00f6fserung mit der ausgezeichnetsten Beleuch- \u2666 tung des Objektes, welche sehr n\u00f6thig ist, um auch die dickeren Theile des Blattes durchscheinend zu machen.\nDa man das Blatt auf dem Objekttr\u00e4ger nicht feucht zu machen bedarf, so steht der Benutzung der st\u00e4rksten Linsen nichts im Wege; sollten dieselben aber durch die Verdunstung des Blattes dennoch beschlagen, so darf man nur eine feine Glimmerplatte dar\u00fcber legen. Zur Beleuchtung bediene man sich, an recht hellen Tagen des gew\u00f6hnlichen # Tageslichtes, oder auch Abends des gew\u00f6hnlichen Lampenlichtes; ist das Instrument gut, so wird man bei letzterer Beleuchtung den erw\u00fcnschten Gegenstand noch deutlicher sehen, als bei gew\u00f6hnlicher Tagesbeleuchtung; man sieht hiebei Alles klar und mit bestimmten Umrissen, ganz so, wie bei jeder anderen mikroskopischen Beobachtung.\nUnter den angef\u00fchrten Umst\u00e4nden wird man beobachten, dafs die feinsten Milchsaft-Gef\u00e4fse in den Bl\u00e4ttern jj des Sch\u00f6llkrauts dicht unter der Epidermis liegen, und dafs sich der gek\u00f6rnte Saft in denselben in fortw\u00e4hrender Str\u00f6mung befindet, und zwar in den verschiedenen Aesten und Zweigen nach verschiedenen Richtungen hin. In den ^ gr\u00f6fseren Adern bemerkt man mehrere nebeneinanderliegende Str\u00f6mungen, und wenn man nun das Blatt durch die Seitenschrauben des Objekttisches allm\u00e4lich weiter schiebt und die Nerven mit dem Verlaufe der darin enthaltenen + Gef\u00e4fse und den Richtungen der Str\u00f6me ihres Inhaltes aufzeichnet, was in der That nicht unm\u00f6glich auszuf\u00fchren ist, nur mufs man fast bei jedem Punkte den Fokus mehrmals ver\u00e4nderen, um auch die h\u00f6her oder tiefer liegenden Str\u00f6mungen zu erkennen, so wird man den Verlauf iese","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"421\n$\nStr\u00f6mungen von ganzen Theilen der Bl\u00e4tter nach weisen k\u00f6nnen. In Fig. 7. Tab. IX. habe ich zuerst die Spitze eines Blattes der Sch\u00f6llkraut-Pflanze nach einer 25maligen Vergr\u00f6fserung dargestellt, um an dieser Figur den Verlaut der Blattnerven und deren vielfache Verzweigungen naeh-weisen zu k\u00f6nnen. In der beistehenden Fig. 8. ist ein kleiner Theil jener Blattspitze nach einer st\u00e4rkeren Ver-gr\u00f6fserung dargestellt; jeder Hauptnerve und jeder Neben-f nerve eines solchen Blattes ist gew\u00f6hnlich, wie z. B. in a b Fig. 8., auf den verschiedenen Seiten mit mehreren solcher, f\u00fcr sich bestehender Saftstr\u00f6me begleitet, welche in der Abbildung nur zum Theil angedeutet und durch f die Richtung der Pfeile bestimmt sind. Von diesen Nebennerven verlaufen wiederum kleinere, in mehr oder weniger vollkommen rechten Winkeln abgehende und oft nui aus zwei einzelnen Milchsaft -Gef\u00e4fsen und einer zaiten Spiralr\u00f6hre bestehende Nerven, und von diesen gehen wiederum ganz einzelne Gef\u00e4fse ab, welche, von keinei Spiralr\u00f6hre begleitet, unmittelbar auf der Epidermis liegen und quer durch das Diachym verlaufen, um sich einem nahe liegenden Strome anzulegen, wie man es auf der Abbildung bei den Gef\u00e4fsen d und c ganz, deutlich dargestellt sieht. Eine genauere Ansicht der Figur 8. wird \u00fcber den Verlauf der meisten der Str\u00f6me eine gen\u00fcgendere Auskunft, als eine lange Beschreibung geben, denn bei jedem der Str\u00f6me, welche wegen ihrer Lage mein oder weniger ganz zu beobachten waren, ist die Richtung durch Pfeile angegeben. Gegen den Rand des Chelido-* nium-Blattes kann man das seitliche Umbiegen einzelner Gef\u00e4fse sehr genau beobachten; gew\u00f6hnlich verlauten sie alsdann eine Strecke weit als Randgef\u00e4fse, biegen alsdann aber wieder um und bilden auf diese ^ eise zur\u00fcckkeh -rende Str\u00f6mungen. Zuweilen, doch nur selten, geschehen diese Umbiegungen so pl\u00f6tzlich, dafs das Gef\u00e4fs die Form eines zusammengedr\u00fcckten Hufeisens erh\u00e4lt. Die Bl\u00e4tter der Aroideen haben durchg\u00e4ngig sehr starke Randnerven und an diesen kann man dergleichen seitliche Um-","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\nbiegungen der Milchsaft-Gef\u00e4fse selbst auf zarten Schnitten nacliweisen, wozu ich aus dem Blatte von Caladium nymphaeaefolium *) eine Abbildung mitgetheilt habe.\nEs ist kaum noting zu erinnern, dafs man durch die Beobachtung der Bewegung des Milchsaftes in den Gef\u00e4-fsen der unverletzten Bl\u00e4tter, gerade nicht das Vorhandensein der eigenen Gef\u00e4fsw\u00e4nde darthun kann, sondern man kann auf diese Weise nur den Verlauf der zuf\u00fchrenden und der zur\u00fcckfiihrenden Gef\u00e4fse kennen lernen, welche in ihrer Structur durchaus keine wahrnehmbaren Unterschiede aufzuweisen haben. Ich habe noch niemals beobachtet, dafs die Str\u00f6mung des Milchsaftes in irgend einem Gef\u00e4fse ihre Richtung ver\u00e4ndern kann, aber wohl kann man dieses durch k\u00fcnstlich, an entsprechenden Stellen angebrachten Druck ganz nach Belieben bewirken; wenn man n\u00e4mlich durch einen solchen Druck das Fortstr\u00f6men des Saftes verhindert, so dreht sich derselbe in den meisten der verschlossenen Gef\u00e4fse um, und str\u00f6mt in entgegengesetzter Richtung nach anderen Seiten\u00e4sten, welche nicht verschlossen sind, hebt man wieder den Druck auf, und ist die Substanz des Blattes nicht verletzt worden, so kehrt die Richtung der Str\u00f6mungen wieder um und dieselben verlaufen wieder ganz wie vorher. Ich mache hiebei nur darauf aufmerksam, dafs es sich mit der Bewegung des Blutes in den Parenchym- oder den Haar-gef\u00e4fsen der Thiere ganz ebenso verh\u00e4lt, demnach man jene Beobachtung nicht etwa als Grund gegen eine vorhandene regelm\u00e4fsige Circulation des Milchsaftes in den Pflanzen ansehen darf. Legt man ein unverletztes Blatt der Sch\u00f6llkraut-Pflanze unter das Mikroskop und befestigt dasselbe auf dem Objekttische durch den Federdruck auf den Blattstiel, so h\u00f6rt die Bewegung des Saftes in einiger Zeit ganz auf, oder sie besteht nur noch, und zwar sehr langsam, in einzelnen kleinen Gef\u00e4fs\u00e4sten, welche mit einander Zusammenh\u00e4ngen. Hebt man nach einiger Zeit den\n*) Phyto tarn. Fig. li. Tab. X.","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"Druck wieder auf und stellt dadurch die freie Communication zwischen dem Stengel und dem Blatte der Pflanze wieder her, so beginnt die Circulation in den Gef\u00e4fsen des Blattes von Neuem, wenn der Blattstiel nicht zu sehr zerquetscht ist, und hieraus m\u00f6chte ich den Schlufs ziehen, dafs ein Str\u00f6men des Milchsaftes aus den Gef\u00e4fsen des Stengels nach dem Blatte, und ebenso umgekehrt, vermittelst anderer Gef\u00e4fse aus dem Blatte nach den Gef\u00e4fsen des Stengels gerade dadurch erwiesen ist. Auch kommt noch dazu, dafs man, bei dem Blofslegen der Milchsaft-Gef\u00e4fse des Blattstieles durch feine Schnitte, ebenfalls ein Ausstr\u00f6men des Milchsaftes nach verschiedenen Richtungen beobachtet, was nicht stattfinden k\u00f6nnte, wenn sich jener Saft in denselben nicht in wirklicher Bewegung bef\u00e4nde.\nIm Vorhergehenden pag. 379 habe ich angegeben, dafs man die Enden der Milchsaft-Gef\u00e4fse in der Substanz der Bl\u00e4tter nicht weiter erkennen kann, ja dafs man bei vielen Pflanzen keine wirklichen Anastomosen der Gef\u00e4fse in den Bl\u00e4ttern beobachten kann, d. h. man kann nur sehr selten mit einiger Bestimmtheit beobachten, dafs dieser Theil des Gef\u00e4fses das Ende des zufiihrenden und jener Theil das Ende des zur\u00fcckf\u00fchrenden Gef\u00e4fses darstellt. Dagegen sieht man jedoch, dafs in jenem \u00fcberaus niedlichen und vielfach anastomosirenden Adernetze, wie es in Fig. 7. und 8. Tab. IX. dargestellt ist, und wie man es mit jedem einfachen Mikroskope noch besser selbst beobachten kann, einzelne Saftstr\u00f6me nach der einen und andere Saftstr\u00f6me nach der entgegengesetzten Richtung verlaufen, und man kann das Umkehren solcher Str\u00f6me in mehr oder weniger grofsen B\u00f6gen besonders an dem Rande der Bl\u00e4tter beobachten; es bleibt daher wohl nichts weiter \u00fcbrig, als einen wirklichen, unmittelbaren Uebergang der zuf\u00fchrenden Str\u00f6me in die zur\u00fcckf\u00fchrenden anzunehmen. Wo soll der Saft herkommen, wenn er best\u00e4ndig nach einer gewissen Richtung str\u00f6mt, und wo soll er bleiben, wenn er in anderen Gef\u00e4fsen best\u00e4ndig in ent-","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"gegengesetzter Richtung verl\u00e4uft, wenn man nicht annimmt, dafs hier eine wirkliche Circulation in zuf\u00fchrenden und in zuriickfiihrenden Gef\u00e4fsen besteht, welche unter einander in Communication stehen.\nGanz in derselben Art, wie ich diese Circulation in den Bl\u00e4ttern angedeutet habe, findet dieselbe auch in allen anderen blattartigen Theilen der Pflanzen, als in den Kelchbl\u00e4ttern, den Blumenbl\u00e4ttern, den Fruchth\u00fcllen u. s. w. statt, und ist darin \u00fcberall zu beobachten, wenn diese Theile durchsichtig genug sind. Die Zahl der Gef\u00e4fse und der Milchsaftstr\u00f6me ist stets um so gr\u00f6fser, und das Netz, welches sie bilden, um so feiner und k\u00fcnstlicher, je edeler oder wichtiger das Organ ist, worin dasselbe vorkommt. Diese einzelnen Theile haben, selbst getrennt von der Pflanze, noch einige Zeit hindurch jene Circulation in ihren Gef\u00e4fsen aufzuweisen, doch dieses darf uns nicht zu der Annahme verf\u00fchren, dafs die Circulation des Milchsaftes in den einzelnen Organen und Theilen der Pflanze jedesmal eine, f\u00fcr sich allein bestehende sei, welche nicht im allgemeinen Zusammenh\u00e4nge mit der Bewegung des Saftes, in den \u00fcbrigen Theilen der Pflanze steht, sondern die Bewegung des Saftes in den abgeschnittenen Pflanzentheiien, verh\u00e4lt sich ganz ebenso, als die Bewegung des Blutes in den Haargef\u00e4fsen abgeschnittener thierischer Theile. In den Flossen eines Aales sieht man, oft noch nach 15 bis 20 Minuten die Bewegung des Blutes; so lange dauert es niemals in durchschnittenen Bl\u00e4ttern, und aus welchem Grunde sollte man diese \u00e4hnlichen Erscheinungen nicht aus ganz gleichen Ursachen ableiten?\nIn kr\u00e4ftigen Pflanzen w\u00e4hrend der warmen Jahreszeit ist die Bewegung des Milchsaftes aufserordentlich schnell, ja die Schnelligkeit in der Bewegung des Blutes in den Amphibien ist jener oft weit nachstehend; bei niederer Temperatur wird sie jedoch immer langsamer und unter dem Gefrierpunkte steht die Bewegung still. Zuweilen kann man deutlich beobachten, dafs bei dem Zusammen* stofsen zweier, aus verschiedenen Richtungen kommender","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"425\nStr\u00f6me, ein augenblickliches Stocken in der Bewegung in dem einen oder dem anderen Aste entsteht, bis dafs die Masse abgelaufen ist, ganz in derselben Weise, wie dieses bei der Beobachtung des Blutumlaufes in den Haar-gef\u00e4fsen zuweilen zu sehen ist. In einzelnen Milchsaft-Gef\u00e4fsen h\u00f6rt mitunter die ganze Bewegung des Saftes auf, derselbe gerinnt alsdann zu einer festen Masse von br\u00e4unlicher Farbe und bleibt in den Gef\u00e4fsen als eine abgestorbene Masse zur\u00fcck; dergleichen sind besonders h\u00e4ufig im Wurzelstocke zu finden.\nDie Bewegung des Milchsaftes in den Bl\u00e4ttern habe , ich defshalb ausf\u00fchrlicher abgehandelt, weil dieselbe hier I unmittelbar sichtbar wird, und also auf keine Weise mehr zu bestreiten ist; in den \u00fcbrigen Theilen der Pflanze jedoch, als im Stengel und in der Wurzel, da kann man die Bewegung des Milchsaftes nur aus dem Ausfliefsen der durchschnittenen Gef\u00e4fse erkennen, wovon schon fr\u00fcher, an verschiedenen Steilen die Rede war, und hier mufs das anatomische Messer den Verlauf der Gef\u00e4fse nach weisen, um aus diesen den Zusammenhang kennen zu lernen, in 1 welchem die zuf\u00fchrenden und zur\u00fcckf\u00fchrenden Str\u00f6me zu einander stehen. Was \u00fcber diesen Gegenstand bis jetzt zu ermitteln gewesen ist, das haben wir schon fr\u00fcher kennen gelernt; ich habe nachgewiesen, dafs zwischen den f- Gef\u00e4fse des Stengels bei vielen Pflanzen wirkliche Anasto-mosen stattfinden, dafs also auch hier nicht einmal eine vollkommene Trennung zwischen den zuf\u00fchrenden und den zur\u00fcckf\u00fchrenden Gef\u00e4fsen stattfindet, welche auch in \u00dc- ihrer Structur und Gr\u00f6fse ganz \u00fcbereinstimmend sind. Im Wurzelstocke und auch im oberen Theile der Wurzel ist der Verlauf und die Verzweigung der Milchsaft-Gef\u00e4fse aufserordentlich mannigfach, und hier ist eine Unterscheidung zwischen zuf\u00fchrenden und zur\u00fcckf\u00fchrenden Gef\u00e4fsen am wenigsten m\u00f6glich.\nMan hat diese Bewegung des Milchsaftes der Pflanzen, welche in einem eigenen Gef\u00e4fssysteme stattfindet, das durch alle Theile der Pflanze im offenen Zusammenh\u00e4nge steht,","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426\neine Circulation genannt, und nach dem Allen, was im Vorhergehenden dar\u00fcber mitgetheilt wurde, hat man hiezu auch vollkommenes Recht, Die Bewegung des Blutes in den Haargef\u00e4fsen abgeschnittener Flossen, Kiemen u. s. w. 7 wird man ebenfalls mit dem Namen einer Circulation belegen, und ganz \u00e4hnlich verh\u00e4lt es sich mit der Bewegung des Milchsaftes, wenn auch kein Herz vorhanden ist, durch welches die ganze Circulation des Blutes in den Thieren -veranlafst wird. Ich sehe keinen Grund, der uns berechtigt der Bewegung des Milchsaftes in den Pflanzen einen anderen Namen beizulegen, als den der Circulation und empfehle denselben beizubehalten.\tH\nDie Ursache der Bewegung des Milchsaftes anzugeben, oder diese Erscheinung \u00fcberhaupt zu erkl\u00e4ren, das m\u00f6chte ebenso schwer und gegenw\u00e4rtig ebenso unm\u00f6glich sein, als die Erkl\u00e4rung der Rotations-Str\u00f6mungen in den Zellen; indessen ich m\u00f6chte vermuthen, dafs beide Erscheinungen eine und dieselbe Ursache zum Grunde haben. Bei der Betrachtung der Rotations-Str\u00f6mung habe ich auf pag. 256 angegeben, dafs den rotirenden Massen zuweilen das Prinzip . der eigenen Bewegung inliegt, welches denselben durch den Nutritions-Prozefs in den Zellen zuertheilt wird. Auch bei der Circulation des Milchsaftes kann man durch wirkliche Beobachtungen nachweisen, dafs die Ursache der * Bewegung ganz allein in dem Safte zu suchen sei, und * eine solche Kraft, welche Fl\u00fcssigkeiten nach bestimmten Richtungen hin bewegt, nannte Kielmeyer die Propulsionskraft. An einem andereft Orte habe ich umst\u00e4ndlicher nachgewdesen, dafs organische Molek\u00fcle, welche mit der * lebhaftesten Molekular-Bewegung begabt sind, in eine, nach bestimmten Richtungen verlaufende, fortschreitende Bewegung \u00fcbergehen k\u00f6nnen, und auch aus dieser wieder zu ihrer Molekular-Bewegung zur\u00fcckkehren. Die Molekular- + Bewegung scheint indessen den Molek\u00fclen aller Materie auzugeh\u00f6ren, und in den kleinen Partikelchen des Milchsaftes der Pflanzen haben wir sie ebenfalls nach ge-\nwiesen,","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"427\nEs sind schon gegenw\u00e4rtig sehr verschiedene Meinungen \u00fcber die Ursache der Circulation des Milchsaftes ausgesprochen, doch sie alle erkl\u00e4ren nicht, was hier zu erkl\u00e4ren ist. Die meisten Botaniker sprechen von einer Reizbarkeit der Gef\u00e4fse, welche die Ursache der Saftbewegung sein soll, indessen ich gestehe, dafs, selbst wenn man hier unter Reizbarkeit ein Contractions-Verm\u00f6gen der Gef\u00e4fsw\u00e4nde annimmt, welches aber nach allen guten Beobachtungen nicht vorhanden ist, ich mir dadurch dennoch keine befriedigende Erkl\u00e4rung von der Circulation des Saftes geben kann. Nach den Ansichten der Herren \u201e De Candolle und L. Treviranus, soll die Bewegung der S\u00e4fte \u00c8 durch die Zusammenziehung der Zellen mit H\u00fclfe der Zusammenziehung der Gef\u00e4fse erfolgen, doch von Beiden ist nichts zu beobachten.\nAuch hier hat man versucht die Lebenserscheinung rein durch \u00e4ufsere Ursachen zu erkl\u00e4ren; so nahm Herr Amici u. A. m. die W\u00e4rme, als eine solche Ursache an, welche die ganze Circulation des Lebenssaftes in den Pflanzen bewirke. Die \u00e4ufsere Temperatur hat allerdings gro-f fsen Einflufs auf die Circulation des Milchsaftes, wie auf jede andere Saftbewegung in den Pflanzen, aber dieser Einflufs ist mittelbar, denn die W\u00e4rme bewirkt zuerst eine kr\u00e4ftige Vegetation und diese ist mit einer schnelleren -+- Circulation aller S\u00e4fte verbunden.\nHerr Schultz sucht die Ursache der Circulation des Milchsaftes in der gegenseitigen Wechselwirkung der kleinen Theilchen des Saftes mit denen der Gef\u00e4fsw\u00e4nde, indessen von dieser Wechselwirkung ist bei der Beobachtung unter gew\u00f6hnlicher Beleuchtung durchaus nichts zu sehen, und ich habe auch schon fr\u00fcher zu zeigen gesucht, dafs dieselbe auf einer optischen T\u00e4uschung beruht.\n*) 1. c. pag. 593.","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\nZweites C a p i t e 1.\nFarben-Bildung in den Pflanzen.\nDas Auftreten der Farben in den Pflanzen wird durch verschiedenartige Stoffe veranlafst, welche durch den Secretions-Procefs meistens innerhalb der Zellen gebildet werden. Wir haben schon im ersten Theile dieses Buches*) das Auftreten der Farben in den gef\u00e4rbten Pflanzentheilen n\u00e4her kennen gelernt, dort geschah es jedoch nur in so weit, als sich die n\u00e4chsten Ursachen derselben durch das anatomische Messer nach weisen liefsen, hier wollen wir dagegen versuchen mehr in das Wesen der Erscheinung einzudringen, um die Ursachen der mannigfachen Farbenwunder der Pflanzenwelt etwas anschaulicher zu machen. Als Resultat der anatomischen Untersuchung dieses Gegenstandes ergiebt sich, dafs die F\u00e4rbungen der verschiedenen Pflanzentheile auf folgende Weise dargestellt werden: Entweder sind die Zellenw\u00e4nde ungef\u00e4rbt und mehr oder weniger vollkommen durchsichtig, der Zellensaft zwar ebenfalls ungef\u00e4rbt und wasserhell, aber die darin enthaltenen K\u00fcgelchen sind gef\u00e4rbt und scheinen durch die W\u00e4nde der Zellen hindurch; dieser Fall ist der gew\u00f6hnlichste. Ferner wird die F\u00e4rbung durch einen gef\u00e4rbten Zellensaft veranlafst, welcher durch die ungef\u00e4rbten Zellen-Membranen durchscheint, und endlich wird die F\u00e4rbung auch durch wirkliche F\u00e4rbung der Zellenw\u00e4nde hervorgerufen.\nDie Bildung der verschiedenen Farben, welche unter den vorher angef\u00fchrten \u00e4ufseren Verh\u00e4ltnissen in den Pflanzen auftreten, war mit wenigen Ausnahmen bis zur neuesten Zeit ein unl\u00f6sliches R\u00e4thsel. Es sind viele Hypothesen \u00fcber diesen Gegenstand aufgestellt und viele der geistreichsten und der gelehrtesten Arbeiten sind dar\u00fcber\n*) pag.181 \u2014189 und pag. 200 \u2014206,","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"429\nerschienen, aber man blieb fern von der L\u00f6sung des Farben-R\u00e4thsels. R. Boyle *) ist der einzige unter den \u00e4lteren Naturforschern, welcher den richtigen Weg bei diesen t Untersuchungen eingeschlagen hat; er untersuchte das Verhalten der Pflanzenfarben gegen S\u00e4uren und gegen Alkalien, doch der Zustand der Chemie war damals noch von der Art, dafs es zur Auffassung des wahren Verh\u00e4lt-\\ nisses \u00fcber diesen Gegenstand nicht kommen konnte.\nErst Herr Alexander von Humboldt, dem auch die Pflanzen-Physiologie sehr viele der interessantesten Beobachtungen verdankt, trug entschieden die Ansicht vor, dafs | die verschiedenen Farben der Pflanz en th eile von chemi-* sehen Verbindungen abh\u00e4ngig sind. In Folge einiger Beobachtungen \u00fcber den Einflufs des Wasserstoffgases auf die Farbe der Pflanzen, wor\u00fcber wir erst sp\u00e4ter sprechen k\u00f6nnen, sagt Herr Alexander von Humboldt**): \u201eHinc\nsequitur flores vegetabilium, nullo solis radio collustratas, variis coloribus tingi posse, qui non a lumine, sed (ut metalla oxydata et fungi demonstrant) ab oxygenis copia pendere videntur.\u201c Die Wirkung des Lichtes bei dem F Auftreten der gr\u00fcnen F\u00e4rbung in den Pflanzen, erkl\u00e4rt dieser gelehrte Physiker durch einen blofsen Reiz, welcher den chemischenProzefs Inder lebenden Pflanze hervorrufe.\nDer erste Schritt zur Erkl\u00e4rung der gr\u00fcnen Farbe in F den Pflanzen, geschah offenbar durch die Entdeckung des Blattgr\u00fcn\u2019s, Chlorophyll, dessen Natur wir sogleich n\u00e4her kennen lernen werden, wenn auch Herr Ph. A. Pieper ***) dasselbe eine bequeme Eselsbr\u00fccke nennt, mit deren An-~ n\u00e4hme wenig gewonnen w\u00e4re. Herr Treviranus f ) glaubt\n*) Exp\u00e9rimenta et considerationes de coloribus. - Op era omnia. Genevae 1680. T. 1.\n**) Florae friburgensis specimen etc. acced. Aphorismi ex doc-trina Physiolog. chemicae plantarum. Berolini 1793. 4to. pag. 18.1.\n***) D as wechselnde Farben - Verh\u00e4ltnifs in den verschiedenen Lebens-Perioden des Blattes nach seinen Erscheinungen und Ursachen. Berlin 1834, pag. 58.\n*f) Physiologie der Gew\u00e4chse. I. pag. 543,","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430\nzwar noch gegenw\u00e4rtig, dafs sich das Licht in den Pflanzen-Organen verk\u00f6rpere und dafs dadurch die gr\u00fcne Farbe in denselben erscheine; aber bei einer solchen Annahme, ! kann nicht einmal die Entstehung der gr\u00fcnen Farbe in 1 dergleichen Theilen erkl\u00e4rt werden, welche dem Zutritte des Lichtes g\u00e4nzlich abgeschlossen sind. Verk\u00f6rpertes Licht kennt man \u00fcbrigens nicht, seitdem auch die Nebelsterne in unz\u00e4hliche Welten aufgel\u00f6st worden sind, dem- ij nach jene Annahme ganz ohne alle Analogie dasteht.\nSchon Herr v. Berzelius hat die wachsartige Natur des Chlorophyll's nachgewiesen, aber noch ausf\u00fchrlichere Untersuchungen dieses Gegenstandes haben wir in der ? geistreichen Schrift des Herrn CI. Marquart*) erhalten. Da die gr\u00fcne Farbe in den Pflanzen die vorz\u00fcglichste Rolle spielt, ja selbst bei der Bildung der \u00fcbrigen Pflanzenfarben, so werden wir uns mit der Kenntnifs dieses 4 Farbenstoffes umst\u00e4ndlich besch\u00e4ftigen. Das freie Chlorophyll l\u00f6st sich leicht in fetten und in \u00e4therischen Oelen, so wie in absolutem Alkohol und in Aether, daher kann man sich dieser Substanzen bedienen, um die Extraction 1 des Chlorophyll's zu bewirken. Aetzkalilauge verh\u00e4lt sich gegen Chlorophyll anfangs indifferent und erst sp\u00e4ter bildet sich eine gr\u00fcnliche L\u00f6sung, auf welcher das Chlorophyll als eine weiche Masse schwimmt. In sehr verd\u00fcnn- j ter Aetzkalilauge l\u00f6st sich dagegen Alles bis auf einen hellgr\u00fcnen, wachsartigen R\u00fcckstand auf. In einer Aufl\u00f6sung des kohlensauren Kali wird das Chlorophyll gelblich gef\u00e4rbt, aber nicht vollst\u00e4ndig gel\u00f6st. In destillirtem Wasser anhaltend digerirt, bildet sich aus dem Chlorophyll eine gelbe L\u00f6sung, doch bleibt dasselbe mehr pulverig zur\u00fcck und etwas dunkeier gef\u00e4rbt. Durch anhaltende Digeration in Weingeist von 30 pro Cent, l\u00e4fst sich das Chlorophyll in eine gelbe Aufl\u00f6sung verwandeln, und dieser Vorgang wird durch hinzugef\u00fcgte Kohlens\u00e4ure beschleunigt. Concentrirte Schwefels\u00e4ure l\u00f6st das Chloro-\n*) Die Farben der Bl\u00fcthen, Bonn 1835,","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"431\nphyll mit der intensivsten blaugriinen Farbe und hinter-l\u00e4fst einen dnnkelen \u00f6ligen K\u00f6rper. Uebergiefst man diese L\u00f6sung mit Weingeist von 40 pro Cent, so f\u00e4rbt sich diese saure Aufl\u00f6sung dunkel indigblau u. s. vv.\nAus allen jenen Thatsachen hebt Herr Marquart vorz\u00fcglich zwei hervor, welche zur Erkl\u00e4rung der Entstehung der \u00fcbrigen Farben aus dem Chlorophyll sehr wichtig sind, n\u00e4mlich erstens das Gelbwerden des ChlorophylFs durch r Behandlung mit Wasser (wahrscheinlich durch chemische Bindung des Wassers), und zweitens das Blauwerden des Chlorophyll\u2019s durch Behandlung mit concentrirter Schwe-: fels\u00e4ure und Alkohol, ohne Zweifel, wie Herr Marquart aj|glaubt, durch chemische Entziehung von Wasser. Im Verlaufe dieser Betrachtungen werden sich auch noch manche e sch\u00f6nen Thatsachen ergeben, welche f\u00fcr jene sinnreiche Theorie sprechen.\nEhe ich in der Betrachtung \u00fcber die Farben-Bildung in den Pflanzen weiter gehe, m\u00f6chte es n\u00f6thig sein zu bemerken, dafs die Erkl\u00e4rung der Pflanzenfarben eine und dieselbe sein mufs, m\u00f6gen dieselben in den verschieden-#sten Theilen des Gew\u00e4chses auftreten; die Farben der Blumenbl\u00e4tter und deren Ver\u00e4nderungen m\u00fcssen also ganz auf dieselbe Art erkl\u00e4rt werden, wie die Farben auf den \u00fcbrigen Theilen der Pflanze, denn die Farbenstoffe und deren Umwandlungen sind in den gew\u00f6hnlichen Bl\u00e4ttern u. s. w. dieselben, wie man sie in den Blumenbl\u00e4ttern findet.\nAlle Blumenbl\u00e4tter sind im Zustande der geschlosse-*nen Knospe von gr\u00fcnlicher Farbe, und aus dieser entwickeln sich alle die \u00fcbrigen Farben, welche die Blumenbl\u00e4tter der verschiedenen Pflanzen aufzuweisen haben; dasselbe ist aber auch an den jungen Bl\u00e4ttern zu beobachten. Ich nahm junge, erst seit einigen Tagen hervor-' gewachsene Pfl\u00e4nzchen der gemeinen Bohne (Vicia Faba) von sch\u00f6ner gr\u00fcner Farbe und setzte dieselben in einen verschlossenen Kasten, so dafs sie dem Einfl\u00fcsse des Lichtes g\u00e4nzlich entzogen wurden. In dem gr\u00f6fsten Theile","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432\ndieser Bl\u00e4tter nahm das Chlorophyll allm\u00e4lich eine gelbe Farbe an, aber zu gleicher Zeit ver\u00e4nderte sich der gr\u00fcne Farbenstoff in einigen Zellen zu einer bl\u00e4ulich rothen und einer vollkommen rothen Fl\u00fcssigkeit, welche diese Zellen f\u00fcllte, und demnach werden also auch diese Farben, abgeschlossen von dem Einfl\u00fcsse des Lichtes gebildet.\nDie gr\u00fcne Farbe kommt den meisten Pflanzen zu, und gewisse Theile derselben, als haupts\u00e4chlich die Bl\u00e4tter, sind fast immer gr\u00fcn gef\u00e4rbt und zeigen nur ausnahmsweise eine andere F\u00e4rbung; dagegen erscheint die gr\u00fcne F\u00e4rbung in den Blumenbl\u00e4ttern und im Saamen nur \u00e4ufserst selten. 'Wenn man dergleichen Pflanzen, denen eine gr\u00fcne F\u00e4rbung zukommt, im Dunkeln wachsen l\u00e4fst, also entzogen dem Einfl\u00fcsse des Lichtes, so kommt die Ausbildung der sch\u00f6nen gr\u00fcnen Farbe nicht zu Stande, sondern sie erhalten eine blasse weifsgelbliche F\u00e4rbung und bleiben stets von zarterer Structur. Man nennt solche Pflanzen vergeilte, verschnackte oder etiolirte Pflanzen, doch m\u00f6chte es passender sein diesen krankhaften Zustand die Bleichsucht zu nennen, und dergleichen Pflanzen also bleichs\u00fcchtige. Diese bleichs\u00fcchtigen Pflanzen zeigen im Inneren der Zellen eine Menge von K\u00fcgelchen, doch das Chlorophyll, welches im gesunden Zustande der Pflanze diese K\u00fcgelchen durchdringt und f\u00e4rbt, ist nicht zur Ausbildung gekommen. In dem fr\u00fcheren Abschnitte, als von der Respiration der Pflanzen die Rede war, haben wir (pag. 147) kennen gelernt, dafs die gr\u00fcngef\u00e4rbten Pflanzentheile, wenn sie der Einwirkung der Sonnenstrahlen unmittelbar ausgesetzt werden, eine Menge von mehr oder weniger reinem Sauerstoffgase aushauchen, und dafs diese Erscheinung ganz verschieden und unabh\u00e4ngig von der allgemeinen Respiration der Pflanze ist, denn diese besteht, \u00e4hnlich wie die Respiration bei den Thieren, in einer best\u00e4ndigen Entkohlung. Das Verhalten der gr\u00fcngef\u00e4rbten Pflanzentheile im Sonnenlichte ist best\u00e4ndig mit einer Anh\u00e4ufung von Kohlenstoff begleitet, denn die Kohlens\u00e4ure der umgebenden Luft wird einge-athmet und zersetzt, so dafs die Kohle in der Substanz","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"433\nder Pflanze zuriickbleibt und der Sauerstoff ausgehaucht wird. Die Bl\u00e4tter der bleichs\u00fcchtigen Pflanzen hauchen im Sonnenlichte kein Sauerstoffgas aus, indessen an heifsen Sommertagen sind oftmals schon wenige Stunden hinreichend, um den bleichs\u00fcchtigen Pflanzen, wenn sie den Sonnenstrahlen ausgesetzt werden, ihre sch\u00f6ne gr\u00fcne Farbe zu geben, und hiemit ist zugleich die Ausbauchung des Sauerstoffes, also auch die Anh\u00e4ufung von Kohlenstoff verbunden, \u2019Wir besitzen zwar noch keine Analyse des Chlorophyll\u2019s, indefsen aus der Aehnlichkeit dieses Stoffes mit dem Pflanzenwachse l\u00e4fst sich schliefsen, dafs dasselbe mit zu den Kohlenstoff-reichsten Absonderungen der Pflanzen geh\u00f6rt, und nimmt man an, wie es Herr Alexander von Humboldt zuerst lehrte, dafs die Wirkung des Lichtes bei der Farbenbildung der Pflanzen nur als eine reizende anzusehen ist, welche den chemisch vitalen Prozefs in den einzelnen Pflanzenzellen verst\u00e4rkt u. s. w., so kann man die Entstehung der gr\u00fcnen Farben auch in solchen Pflanzentheilen erkl\u00e4ren, welche durch vielfache H\u00fcllen der unmittelbaren Einwirkung des Lichtes g\u00e4nzlich entzogen sind. So erscheint die gr\u00fcne Farbe in den Embryonen vieler Pflanzen, worauf besonders Herr Alexander von Humboldt, L. Treviranus, De Candolle, Marquart und andere Botaniker aufmerksam gemacht haben. Bei den Malvaceen und den Rhamneen scheint es fast allgemein zu sein, dafs der Embryo gr\u00fcn gef\u00e4rbt auftritt; bei den Papilionaceen ist es ebenfalls sehr h\u00e4ufig, so auch bei Caryophylleen, bei der Citrone, den Pistazien, der Mistel u. s. w. Ferner erscheint die sch\u00f6ne gr\u00fcne Farbe in der gr\u00fcnen Zellenschicht der Rinde, obgleich dieselbe in der Mitte gelagert und \u00e4ufserlich noch durch die Korkschicht umschlossen ist, welche keine gr\u00fcne F\u00e4rbung zeigt und den Durchgang des Lichtes ganz verhindert. Auch in den Zellen der innersten Holzschicht, welche unmittelbar um das Mark gelagert ist, findet man nicht selten etwas gr\u00fcnliche F\u00e4r_ bung, welche durch die gr\u00fcnlich gef\u00e4rbten Amylum-Kiigeleben verursacht wird. In allen diesen F\u00e4llen ist die unmittelbare\n28\nMe yen. Pfl. Physiol, II,","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434\nEinwirkung des Lichtes auf die gef\u00e4rbten Theilc ganz undenkbar. So hat auch eine andere Beobachtung des Herrn Alexander von Humboldt die allgemeine Aufmerksamkeit der Physiologen erregt, indem derselbe auf seiner ber\u00fchmten Reise einen gr\u00fcngef\u00e4rbten Fucus sah, welcher aus einer Tiefe des Meeres von 150\u2014180 Fufs emporgehoben wurde, wo, nach den Berechnungen der Physiker die St\u00e4rke des Lichtes im Verh\u00e4ltnisse von 1 l 1477,8 geschw\u00e4cht ist. In der Physiologie des Herrn De Candolle *)\u2022 finden wir sogar eine Beobachtung von Heinr. Wydler verzeichnet, der bei Tangen, die in einer sehr betr\u00e4chtlichen Tiefe wuchsen, sogar die innere Substanz gr\u00fcn gef\u00e4rbt beobachtete, wo also schwerlich die unmittelbare Einwirkung des Lichtes angenommen werden kann. Herr Pieper**) hat zwar zu zeigen gesucht, dafs Pflanzen, welche bei g\u00e4nzlichem Lichtmangel vegetiren, keine Farbe bekommen k\u00f6nnen, doch die Beweisf\u00fchrung ist sicherlich nicht \u00fcberzeugend. Um z. B. zu beweisen, wie nach seiner Ansicht, selbst die Embryonen so vieler Pflanzen gr\u00fcn gef\u00e4rbt auftreten k\u00f6nnen, sagt Herr Pieper, dafs nur sehr wenig Licht noting sei, um die gr\u00fcne Farbe zu erzeugen; indessen ich glaube, es lafst sich viel wahrscheinlicher machen, dafs jene Embryonen von jedem unmittelbaren Lichteinflusse abgeschlossen sind, und dafs also eine andere Erkl\u00e4rung \u00fcber die Entstehung der gr\u00fcnen Farbe daselbst gegeben werden mufs.\nZur Entwickelung der gr\u00fcnen Farbe durch die reizende Einwirkung des Lichtes, ist jedoch bei verschiedenen Pflanzen-Arten, und selbst bei ganzen Familien ein sehr verschiedener Grad von Lichtst\u00e4rke n\u00f6thig; einige, wie die hoch entwickelten Pflanzen, verlangen eine gr\u00f6fsere Menge von Licht, w\u00e4hrend andere, wie z. B. viele Cryptogamen schon bei einer sehr geringen Lichtmenge gr\u00fcn gef\u00e4rbt werden, denen sogar ein st\u00e4rkeres Licht f\u00fcr die Entvvicke-\n*) II. pag. 900.\n1. c. pag. 43.","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"435\nlung der gr\u00fcnen Farbe \u00e4ufserst sch\u00e4dlich ist. Als solche 3 sind die Marchantien und \u00fcberhaupt die Lebermoose anzusehen, welche eigentlich nur im Schatten feuchter Geigenden \u00fcppig vegetiren. Herr Marquart *) ist sogar der Meinung, dafs bei Schatten-Pflanzen, wenn sie im Lichte wachsen m\u00fcssen, gerade die entgegengesetzte Wirkung von dem Lichte beobachtet wird, n\u00e4mlich die Entstehung einer ^Art von Bleichsucht. Aspidium patens L. und mehrere andere Farrnkr\u00e4ufer zeigten v\u00f6llig bleiche Wedel, so weit die Lichtstrahlen auf dieselben fielen; sie waren aber an denjenigen Steilen vollkommen gr\u00fcn, welche gesch\u00fctzt ge--j|gen die Lichtstrahlen wuchsen. Ich glaube etwas Aeim-Juiches beobachtet zu haben, doch die im Lichte gewachsenen i Farrnwedel waren nicht bleich, sondern gelblich gef\u00e4rbt, ... \u00e4hnlich den abgefallenen Bl\u00e4ttern zur Herbstzeit.\nWie \u00e4ufserst wenig Licht n\u00f6thig ist, um die gr\u00fcne 1: Farbe in gewissen Pflanzen hervorzurufen, das hat schon Herr Alexander von Humboldt **) gezeigt, indem er junge 41 Pflanzen von Lepidium sativum L. bei einer Erleuchtung durch das Licht einer Laterne gr\u00fcn werden sah. Aehnliche ^Versuche machte auch Herr De Candolle ***) mit bleichs\u00fcchtigen Pflanzen, welche er im Scheine von 6 Lampen wachsen liefs und das Gr\u00fcnwerden derselben beobachtete, wobei sie aber keinen Sauerstoff in merklicher Menge ausgehaucht haben sollen. Man hat sogar allgemeine Regeln \u00fcber die Menge des Sonnenlichtes aufstellen wollen, welche die Pflanzen zu ihrem vollkommenen Gedeihen bed\u00fcrfen, doch meiner Ansicht nach sind die Ausnahmen r-~von diesen Regeln wohl zu grofs und zu h\u00e4ufig. Die Mo-nocotyledonen sollen zwar ein helles Sonnenlicht bed\u00fcrfen, o! aber keine Mittagssonne von 10 \u2014 3 Uhr, w\u00e4hrend die Di-cotyledonen volles Sonnenlicht bed\u00fcrfen. Doch wer kennt nicht die grofsen Familien der Monocotyledonen, deren\n*) 1. c. pag. 47.\n**) Aphorismi, pag. 179.\n\u00a5*\u00a5) S. Mein, des savans \u00e9trangers de l\u2019Instit. T. \u00ce \u2014 Gilbert s Annal. XIV, pag. 364 etc.\n28 *","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436\n4\nIndividuen best\u00e4ndig der brennendsten Sonnenhitze aus-gesetzt sind?\nHerr Alexander von Humboldt f\u00fchrt auch das Wasser- \" stoffgas als ein solches Reizmittel auf, welches, gleich dem Lichte, die griine Farbe in den Pflanzen hervorrufen k\u00f6nne; er brachte eine keimende Zwiebel von Crocus sa-tivus in eine der Gruben von Freiberg, wo die Luft so stark mit Wasserstoff gef\u00fcllt war, dafs ein Licht darin t erlosch und die Lungen darin angegriffen wurden, und dennoch zeigten die Pflanzen, nach Verlauf von 16 Tagen, blafsgr\u00fcne Bl\u00e4tter und gelbe Blumenkronen. Hieher geh\u00f6rt auch die Beobachtung des Herrn Alex, von Humboldt *), + welche von De Candolle unrichtig mitgetheilt ist; es wurde n\u00e4mlich beobachtet, dafs Rasenst\u00fccke, welche zu verschiedenen Zwecken in die Gruben von Freiberg bis \u00fcber 200 und 300 Ellen tief gebracht worden waren, da- \u00e2 selbst in einer sehr wasserstoffreichen Luft fortvegetirten, und nicht nur ihre gr\u00fcne Farbe behielten, sondern auch in den unentwickelten Bl\u00e4ttern die gr\u00fcne F\u00e4rbung zeigten. Herr Alexander von Humboldt macht hiebei zugleich auf eine andere Thatsache aufmerksam; er fand in jenen Gruben, dafs die jungen Spitzen des Lichen verticillatus, welcher gegenw\u00e4rtig als Rizomorpha subterranea bekannt ist, wenn sie recht \u00fcppig wuchsen, eine gr\u00fcnliche F\u00e4r- j bung zeigten. Die Luft war arm an Sauerstoff, aber reich * an Wasserstoff. Entwickelte gr\u00fcngef\u00e4rbte Pflanzen von Poa annua, Plantago lanceolata, Trifolium arvense und Cheiranthus Cheiri, welche in die Tiefe dieser Mienen -gebracht wurden, behielten ihre gr\u00fcnen Bl\u00e4tter und ent- * wickelten neue Bl\u00e4tter, welche gr\u00fcn gef\u00e4rbt waren.\nMan hat die Wirkung des Wasserstoffgases auf die Entwickelung der gr\u00fcnen Farbe in den Pflanzen in Zweifel gezogen; Herr De Candolle ***) brachte bleichs\u00fcchtige\n*) Gren\u2019s Journal d. Physik. 1792. Ir Thl. pag. 196 \u2014 204.\n**) Phys, v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 899.\n\u00a5*Y) Phys. v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 899.","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"437\nPflanzen unter Gef\u00e4fse mit Wasserstoffgas; sah aber durch die Einwirkung desselben keine gr\u00fcne F\u00e4rbung entstehen, welche in \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen durch das Sonnenlicht bewirkt wird. Indessen Herr Alexander von Humboldt hat ganz deutlich angegeben, dafs die Luft in jenen Gruben nicht ganz aus Wasserstoffgas bestand ; es waren noch andere Gasarten darin enthalten und aller Wahrscheinlichkeit nach eine gr\u00f6fsere Quantit\u00e4t von Kohlens\u00e4ure, als der Luft\n\u25a0\ngew\u00f6hnlich zukommt, welche aber, wie wir es fr\u00fcher kennen gelernt haben, die Vegetation bei dem Einfl\u00fcsse des Sonnenlichtes in gewisser Hinsicht sehr bef\u00f6rdert.\nWir haben schon fr\u00fcher darauf hingedeutet, dafs das (Auftreten der gr\u00fcnen Farbe in den Bl\u00e4ttern der Pflanzen \u25a01 mit einer starken Karbonisation begleitet ist, es steht demnach nichts im Wege anzunehmen, dafs auch in anderen Theilen der Pflanzen, in Folge eines \u00e4hnlichen Karboni-sations-Prozesses, der gr\u00fcne Farbestoff auftritt, und dafs also nicht immer die Zersetzung der Kohlens\u00e4ure, in Folge der Einwirkung des Lichtes die Ursache jener F\u00e4rbung zu sein braucht. Aus den sch\u00f6nen Untersuchungen von Se-#nebier *) geht hervor, dafs bleichs\u00fcchtige Pflanzen weniger Kohlenstoff enthalten, als \u00e4hnliche Pflanzen mit gr\u00fcnen Bl\u00e4ttern, dafs sie weniger feste, harzige und in Weingeist l\u00f6sliche Stoffe zeigen als diese, und dagegen mehr .Wasser und Kohlens\u00e4ure aufzuweisen haben.\nNach Senebier\u2019s Beobachtungen sind nur gr\u00fcngef\u00e4rbte Pflanzen der Bleichsucht f\u00e4hig, denn Pflanzen mit rothen Bl\u00e4ttern entwickeln diese Farbe auch ohne Einflufs des 3 Sonnenlichtes. Wenn man ausgewachsene gr\u00fcne Pflanzen in einen dunkeln Raum setzt und sie also abgeschlossen vom Lichte vegetiren l\u00e4fst, so werden die Bl\u00e4tter nicht mehr bleich, sondern sie behalten die gr\u00fcne Farbe, bis sie abfallen; werden aber junge, noch unvollkommen ausge-' wachsene gr\u00fcne Pflanzen dem Einfl\u00fcsse des Lichtes entzogen, so beobachtet man zwar ein Blasserwerden ihrer\n*) Phys, v\u00e9g\u00e9t. IV. p. 280 etc,","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"Farben, indessen dieses ist, wie schon Herr De Candolle -gezeigt hat, keine wirkliche Bleichsucht, sondern nur eine Vertheilung der schon dagewesenen F\u00e4rbung, indem sich die Substanz der Pflanze immer mehr ausdehnt, ohne dafs i neue Chlorophyll-Bildung erfolgt. Wenn Landpflanzen im ' Wasser wachsen m\u00fcssen, so geht die Entwickelung ihrer gr\u00fcnen Farbe ebenfalls langsam und nie so vollkommen vor sich, wie es bei den Landpflanzen, die in der Luft wachsen, der Fall ist, und zwar wenn auch die Sonne 4 auf das Wasser scheint. Senebier ist der Meinung, dafs hier die unterdr\u00fcckte Respiration die Ursache sei, durch welche die Ausbildung der gr\u00fcnen Farbe zur\u00fcckgehalten wird, und hierin kann man wohl beistimmen. Es ist zwar wahr, dafs viele Wasserpflanzen, welche ganz unter Wasser wachsen, meistens eine sehr dunkele gr\u00fcne F\u00e4rbung zeigen, und dafs also hier, auch unter dem Wasser, der Respirations-Prozefs ganz nat\u00fcrlich vor sich geht; indessen \u00ae hiebei ist zu bemerken, dafs die Struktur der Wasserpflanzen in Hinsicht der Respirationsorgane eine ganz andere ist, als bei den Landpflanzen, und dafs Letztere zum Ath-men unter Wasser nicht organisirt sind. Auch haben wir schon kennen gelernt, wie aufserordentlich gering die Menge des Lichtes zu sein braucht, welche bei den unvollkommeneren Gew\u00e4chsen die gr\u00fcne Farbe hervorruft, daher dergleichen Wassergew\u00e4chse selbst in bedeutenden Tiefen | kr\u00e4ftig vegetiren.\nDurch die Beobachtungen \u00fcber das Verhalten der gr\u00fcnen Pflanzentheile im Sonnenlichte ist es also auf das Bestimmteste erwiesen, dafs die Vegetation unter gewissen * Verh\u00e4ltnissen die Kohlens\u00e4ure der Luft zersetzen kann, und dafs dadurch der Pflanzensubstanz ein Zuschufs an Kohlenstoff hervorgeht. Diese Zunahme an Kohlenstoff aus der Luft mag allerdings sehr betr\u00e4chtlich sein, beson- + ders wenn wir an die grofse Menge von Bl\u00e4ttern eines hohen Baumes denken; und da wir nachgewiesen haben, dafs gerade aus den Bl\u00e4ttern ein hochorganisirter Bildungssaft herabsteigt, so k\u00f6nnen wir von dieser Seite her die","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"439\nAnnahme, dafs die Kohlens\u00e4ure der atmosph\u00e4rischen Luft hei der Ern\u00e4hrung der Pflanzen mit in Betrachtung zu ziehen ist, wohl gestatten. Wir haben aber auch ganz bestimmt nachgewiesen, dais die Pflanzen in einem reinen, unl\u00f6slichen Boden, und begossen mit destiliirtem Wasser nicht wachsen, obgleich ihnen die Kohlens\u00e4ure der atmosph\u00e4rischen Luft zu Gebote stand. Bedenken wir aber, dafs die grofse Masse von Bl\u00e4ttern, worin sich eine Menge der Kohlenstoff-reichsten Substanzen durch den Einflufs des Sonnenlichtes aus der atmosph\u00e4rischen Luft gebildet haben (n\u00e4mlich durch Zersetzung der Kohlens\u00e4ure und Beibehaltung der Kohle), allj\u00e4hrlich zu Boden fallen und durch Umbildung in Humus den Boden d\u00fcngen, so m\u00fcssen wir uns allerdings gestehen, dafs die Pflanzen, wenn auch nur mittelbar, aus der Kohlens\u00e4ure der Luft eine sehr grofse Menge von Kohlenstoff an sich ziehen.\nIch darf diesen Gegenstand nicht fr\u00fcher \\erlassen, ehe ich die eigenthiimlichen Ansichten \u00fcber die Ursache der verschiedenen Pflanzenfarben angedeutet, welche Herr Macaire-Prinsep *) dar\u00fcber mitgetheilt hat; es sind diese Ansichten besonders defshalb bemerkenswert!!, weil Herr De Candolle und viele andere Botaniker und Physiker denselben den gr\u00f6fsten Beifall gegeben haben, obgleich im Jahre 1826 die Pflanzen-Physiologie in Deutschland so weit gekommen war, dafs man schon damals die g\u00e4nzliche Unhaltbarkeit jener neuen Lehren nach weisen konnte. Herr Macaire-Prinsep nennt die gr\u00fcngef\u00e4rbten Zellensaft-K\u00fcgeL chen mit Herrn De Candolle die gr\u00fcne Chromula (Chromule verte), doch haben wir gegenw\u00e4rtig kennen gelernt, dafs auch diese K\u00fcgelchen nur durch einen gr\u00fcnen Farbestoff gef\u00e4rbt sind. Die gr\u00fcne Chromula soll sich in die \u00fcbrigen E'arbestoffe der Pflanzen durch verschiedene Ursachen umwandeln und dann die rotlie Chromula, gelbe Chromula u. s. w. darstellen, doch wir haben schon im\n*) M\u00e9rn. sur la color\u00e2t, aulunmale des teudles. \u2014 Soc, de Phys. etc. de Geneve. Torn IV. 182b. p<\u2018g Geigers Magaz. v 1829. A.ug. pag. tl\u00e4 etc.\nMcnj. de ia\ni-3 \u2014 53- \u201c","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\nersten Theile dieses Buches keimen gelernt, dafs die blauen, violetten und rothen Farben durch gef\u00e4rbten Zellensaft hervorgebracht werden, und diesen kann man doch unm\u00f6glich mit dem Namen einer Chromula belegen. Wir \" gehen zur Betrachtung der \u00fcbrigen Pflanzenfarben \u00fcber, und werden dabei noch oftmals auf die unrichtigen That-Sachen aufmerksam machen, auf welche Herr Macaire seine Ansichten gest\u00fctzt hat.\nSo grofs auch die Farbenverschiedenheit ist, welche ; die Blumen und die \u00fcbrigen Theile der Pflanzen aufzuweisen haben, so kann man doch stets zwei Reihen von Ver\u00e4nderungen unterscheiden, in welche die urspr\u00fcnglich gr\u00fcne Farbe jener Theile eingeht. Entweder .verwandelt + sich die gr\u00fcne Farbe eines Pflanzentheiles in Gelb und dieses Gelb in Orange, und das Orange endlich in Orange-roth, oder sie verwandelt sich in Blau und dieses Blau in Violett, welches durch Rothviolett endlich ebenfalls in Roth # \u00fcbergehen kann. Der Grundton in diesen beiden Farbenreihen ist blau und gelb, und dieses sind die beiden Farben, welche im Spectrum das Gr\u00fcn erzeugen.\nEs sind zu verschiedenen Zeiten Hypothesen aufge-stellt, welche die Ursache dieser Farbenver\u00e4nderungen nach zwei bestimmten Reihen erkl\u00e4ren sollten; man findet eine ziemlich ausf\u00fchrliche Darstellung derselben in der schon mehrmals genannten 'Schrift des Herrn Marquart J; und nur die gangbarsten Ansichten der gegenw\u00e4rtigen Zeit k\u00f6nnen hier in aller K\u00fcrze aufgef\u00fchrt werden.\nHerr De Candolle stellte schon eine Eintheilung der Pflanzenfarben in zwei verschiedene Reihen auf; er nannte die Farben der einen Reihe die xanthischen Farben und die der anderen Reihe die cyanischen Farben. Sch\u00fcbler und Frank *) **) fanden durch vielfache\n*) Theor. \u00e9l\u00e9ment, de la botanique. 1813. pag. 174 und Phys. v\u00e9g\u00e9t. I\u00cf, p. 907.\n**) Untersuchungen \u00fcber die Bl\u00fcthcnfarben u. s. w. Eine Inaugural-Dissertation. T\u00fcbingen 1825. \u2014 Enthalten in Schweiggers Jahrb, der Chemie und der Physik v 1826, XVI, pag. 285-321-","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"441\nVersuche, dafs in den Farben der xanthischen Reihe das Gelb die Grundfarbe sei, und dafs diese Farbe wohl in Roth und W eifs \u00fcbergehen k\u00f6nne, aber nie in Blau, w\u00e4hrend in der cyanischen Reihe das Blau die Grundfarbe r ist, und dafs diese Farbe in Roth und Weifs \u00fcbergehen k\u00f6nne, aber nie in Gelb. Hierauf stellten Seh\u00fcbler und Frank eine Stufenleiter auf, nach welcher die Ver\u00e4nderungen der Farben erfolgen k\u00f6nnen. Die gr\u00fcne Farbe, * a^s die Farbe der Bl\u00e4tter und der Blumenbl\u00e4tter im Kno-spenzustande steht in der Mitte, und von ihr aus laufen jene beiden Farbenreihen in entgegengesetzter Richtung. In dieser Reihenfolge, wie die verschiedenen Farben in jj der folgenden Stufenleiter nebeneinander gestellt sind, geschehen alle Ver\u00e4nderungen der Pflanzenfarben; eine gelbe Blume kann niemals unmittelbar in eine blaue \u00fcbergehen, und eine blaue niemals unmittelbar in eine gelbe; wohl aber entstehen blaue Blumen und gelbe Blumen aus gr\u00fcngef\u00e4rbten Blumenbl\u00e4ttern, und ebenso gehen blaue und gelbe Blumen in rothe \u00fcber.\nDie Farbenleiter kann man in folgender Art darstellen. t\tGr\u00fcn.\nGr\u00fcnlichblau.\nBlau.\nBlauviolett.\nViolett.\nGr\u00fcnlichgelb.\nGelb.\nOrangegelb.\nOrange.\nOrangeroth.\nRoth.\nViolettroth.\nRoth.\nDie Farbenreihe zur linken Seite wurde von Sch\u00fcbler y die desoxydirte Reihe genannt, und die andere Reihe hiefs die oxydirte. Die oxydirte Reihe fiel mit De Candolle\u2019s xanthischen Farben zusammen und die' desoxydirte mit den cyanischen Farben, doch m\u00fcssen jene Benennungen wegfallen, indem die Thatsachen, worauf jene Oxydation der ~ xanthischen Farben begr\u00fcndet sein soll, nicht richtig sein m\u00f6chten.\nHerr Marquart *) hat neuerlichst gefunden, dafs einer *) 1. c, pag, 55.","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\njeden dieser beiden Farbenreihen ein eigent\u00fcmlicher Farbestoff zukomme, welcher allen anderen Farbent\u00f6nen eben derselben Reihe zum Grunde liegt, worauf ich schon im ersten Theile pag. 185 mit einigen Worten aufmerksam machen mufste.\nDer Farbestoff, welcher der eyanischen Farbenreihe zum Grunde liegt, wurde von H. Marcpiart Anthokyan *), Blumenblau genannt, dagegen derjenige der xanthischen Reihe Anthoxanthin **), Biumengelb. Das Blumenblau ist % der f\u00e4rbende Stoff in allen blauen, violetten und rothen Blumen und Bl\u00e4ttern, wie \u00fcberhaupt in allen denjenigen Theilen, worin diese Farben Vorkommen, und nur durch die verschiedenen Grade der S\u00e4urung wird die Verschiedenheit der F\u00e4rbung desselben hervorgerufen. Auch die braunen uiid pommeranzenfarbigen Theile der Pflanzen werden teilweise mittelst dieses Stoffes gef\u00e4rbt, so wie auch die braunen und schwarzen Flecke, welche hie und $ da auf einzelnen Pflanzentheilen erscheinen, durch Blumenblau dargestellt werden.\nAuch Herr Hope ***) hat nachgewiesen, dafs in den Pflanzen zwei verschiedene Farbestoffe Vorkommen, der eine, welchen er Erythrog\u00e8ne nennt, bildet mit S\u00e4uren die rothen Farben, und der andere, welcher Xauthog\u00e8ne benannt wird, soll mit Alkalien die gelbe Farbenverbindungen darstellen. Es ist leicht einzusehen, dafs das Ery- | throg\u00e8ne mit dem Blumenblau des Herrn Marcpiart, und das Xauthog\u00e8ne mit dem Blumengelb zusammenf\u00e4llt, auch m\u00fcssen die letzteren Namen beibehalten werden, indem die Schrift des Herrn Marquart viel fr\u00fcher erschienen ist,\t^\nals Herr Hope seine Untersuchungen in der Soeiet\u00e4t zu Edinburg vorgetragen hat.\nDie Darstellung des BluinenblaiVs haben wir schon\n4.\n*) von uv&og und xv\u00e2voGi\u00e7. von livd-og und {jc\u00efp-QiG/uct.\nS. Observations sur les mati\u00e8res color\u00e9es et colorables des feuilles et des fleurs des plantes. \u2014- L\u2019Institut, d, 15. P ehr. 183t\nPag- 59.","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"443\nim ersten Theile pag. 185 keimen gelernt; es ist leicht l\u00f6slich in Wasser und in schwachem Weingeiste, aber unl\u00f6slich in absolutem Alkohol, Schwefel\u00e4ther, \u00e4therischen und fetten Oelen; es ist sehr hygroskopisch, aber im trockenen Zustande unver\u00e4nderlich. Die w\u00e4sserige L\u00f6sung des Anthokyan\u2019s ist meistens blau, sie verliert aber am Lichte allm\u00e4lich die Farbe, was man z. B. an einem Auszuge aus den Blumen der Vinca minor beobachten kann. Durch S\u00e4uren wird das Blumenblau roth gef\u00e4rbt, und zwar ist schon die Kohlens\u00e4ure hinreichend, um diese rotlie F\u00e4rbung hervorzurufen. Durch Alkalien wird dagegen die blaue Farbe in Gr\u00fcn verwandelt. Eine Tinktur der Blumen von Scilla sibirica ist nach Herrn Mar-quart fast farbenlos im verschlossenen Glase, und r\u00f6thet nicht das Lackmuspapier, aber nach der Filtration, wobei es Kohlens\u00e4ure angezogen hat, ist die Farbe lila und dann wird das Lackmuspapier durch die Tinktur ger\u00f6thet.\nHerr Marquart fand ferner, dafs der Extractivstoff der violetten Blumen viel leichter l\u00f6slich in Weingeist ist, als der reine blaue Extractivstoff, aber durch wiederholtes Aufl\u00f6sen und Abdampfen des violetten Extractivstoffes aus den Blumenbl\u00e4ttern der Iris pumila wurde derselbe endlich rein blau, was wahrscheinlich durch die Entfernung der Kohlens\u00e4ure geschehen sein mag, durch welche das Blumenblau vorher ger\u00f6thet worden war. Dasselbe best\u00e4tigt sich auch durch die Beobachtung, dafs violette Blumen in Alkohol sch\u00f6n blau werden, und eine sauer reagirende Tinktur geben. Durch einen Zusatz von S\u00e4uren wird die violette L\u00f6sung in eine rotlie Fl\u00fcssigkeit umgewandelt, was auch bei dem reinen Blumenblau der Fall ist.\nDer Farbestoff der rothen Pflanzen stimmt in seinen Eigenschaften mit dem des reinen Anthokyan\u2019s \u00fcberein ; seine w\u00e4sserige L\u00f6sung reagirt immer sauer und er ist in Weingeist noch leichter l\u00f6slich, als der violette und der rein blaue Farbestoff. Durch wiederholtes Aufl\u00f6sen und Abdampfen erh\u00e4lt man aus diesem rothen I arbestoff","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\neinen violetten oder einen blauen, schwerl\u00f6slichen Stoff, der \u00fcberhaupt mehr oder weniger roth ist, aber durch einen geringen Zusatz von S\u00e4uren wieder seine fr\u00fchere rothe Farbe annimmt. Die weingeistigen Tinkturen der + rothen Blumen sind farbelos und reagiren nicht sauer und zwar, wie H. M. nachweist dadurch, dafs der harzige Ex-tractivstoff aus jenen Blumen mit gel\u00f6st ist; sobald aber dieser durch Abdampfung getrennt wird, indem er sich nach dem Verdampfen des Weingeistes niederschl\u00e4gt, tritt die rothe Farbe des rothen Extractivstoffes hervor und dann reagirt die Fl\u00fcssigkeit sauer. Einige Blumen geben sogleich rothe Tinkturen, als die des Cactus speciosissimus, Papaver bracteatum u. s. w., was durch das relative Verh\u00e4ltnifs des Harzes zum f\u00e4rbenden Extractivstoff bedingt wird. Auch die rothe Farbe der Pflanzen wird durch S\u00e4uren noch ver\u00e4ndert, doch wird sie dadurch entweder noch h\u00f6her roth oder sie geht selbst in gelbroth oder orange -\u00fcber, was bei den Pelargonien beobachtet wurde.\nAuch in der interessanten Dissertation von Sch\u00fcbler und Lachenmeyer *) finden sich sehr gute Bemerkungen, welche f\u00fcr die Ansicht sprechen, dafs die rothen Farben der Blumen aus einem ges\u00e4uerten Blau hervorgehen. So werden die rothen Hortensien blau gef\u00e4rbt., wenn man ihrer Erde Kohle, Alaun, Eisenoxydul u. s. w. hinzusetzt, woraus man schliefsen k\u00f6nnte, dafs die Umwandelung der rothen Farbe in eine blaue durch Desoxydation geschieht. Andere Ueberg\u00e4nge aus Roth in Blau beobachtet man auch an den Blumen der Pulmonaria-, Borago-, Myosotis-, Ipo-moea- und Echium-Arten zu verschiedenen Zeiten ihres 4 Bliihens.\nDas Anthoxanthin oder Blumengelb ist dagegen ein harziger Extractivstoff, der nur sehr selten in Wasser l\u00f6slich ist; in Alkohol ist derselbe schwerer l\u00f6slich, als der + blaue, violette und rothe Farbestoff. So ist es erkl\u00e4rlich,\n*) Untersuchungen \u00fcber die Farbenver\u00e4nderungen der Bl\u00fclhen T\u00fcbingen 1833, pag. 18,","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"445\nweshalb der gelbe Farbestoff nicht im gel\u00f6sten Zustande in den Zellen auftritt, sondern \u00e4hnlich dem Chorophyll, indem es n\u00e4mlich entweder die Zellensaftkiigeichen durch dringt und gelb f\u00e4rbt, oder als eine weiche mehr schleimige, durch und durch gelbgef\u00e4rbte Masse die Zeilen f\u00fcllt. In den Blumen des Crocus moesiacus und des Papaver nudicaide ist der gelbe Farbestoff schon im Wasser l\u00f6slich und daher durch Digeration ausziehbar, in den Blumenbl\u00e4ttern der Cassia ligustrina ist derselbe jedoch nur in Aether vollkommen l\u00f6slich. Das Blumengelb findet sich jedoch auch in einer und derselben Blume in sehr verschiedenen Graden der L\u00f6slichkeit, so dafs man einen Theil desselben schon durch Wasser, einen anderen Theil nur durch Alkohol und den noch \u00fcbrig bleibenden Theil endlich nur durch Aether ausziehen kann. So aufseror-dentlich empfindlich das Blumenblatt gegen die kleinsten Quantit\u00e4ten von S\u00e4uren und Alkalien ist, eben so indifferent verh\u00e4lt sich das Blumengelb gegen geringe Mengen von S\u00e4uren und Alkalien. Concentrirte Schwefels\u00e4ure f\u00e4rbt das Blumengelb dunkel indigblau, ganz ebenso, wie wir es bei dem Chlorophyll kennen gelernt haben, eine Thatsache, welche schon auf die grofse Aehnlichkeit hindeutet, die zwischen diesen beiden Stoffen vorhanden ist. Ohne Zutritt des Wassers h\u00e4lt sich die Farbe sehr lange, sie verschwindet aber, wenn die Schwefels\u00e4ure dem Zutritte von Wasserdampf ausgesetzt ist, eine Thatsache, welche ganz besonders f\u00fcr die geistreiche Theorie des H. Marquart spricht, nach welcher der gelbe Farbestoff aus dem Blattgr\u00fcn hervorgegangen ist, und dieses durch Wasserentziehung in Blumenblau umgewandelt wird. Herr Hope*) theilt dagegen die Ansicht von Macaire, wonach der gelbe Farbestoff durch blofse S\u00e4uerung aus dem blauen Farbestoff hervorgegangen ist, eine Ansicht, welche man hinreichend widerlegt hat.\nIn allen gelben Blumen fand Herr Marquart neben\n*) 1. c.","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\ndem Blumengelb noch einen farbelosen ExtractivstofF und die Aufl\u00f6sung dieses Stoffes reagirt sauer, wenn die Pflanze zur S\u00e4urebildung geneigt ist. Durch Stehen an der Luft nimmt 4 dieser Extractivstoff leicht etwas Farbe an und wird gelblich oder br\u00e4unlich ; auch durch concentrirte Schwefels\u00e4ure wird derselbe gelb gef\u00e4rbt. Auch in den weifsen Blumen soll dieser Extractivstoff Vorkommen; auch werden die weifsen Blumen gelb, wenn Alkalien auf dieselben *\u25a0 einwirken ; so f\u00e4rbt \u00e4tzendes Ammonium die weifse Blume von Vinca minor sch\u00f6n gelb.\nEs findet sich indessen in allen weifsen Blumen noch ein hellgelbliches, zuweilen weifsliches Harz, welches sich 4 in Aether und Alkohol l\u00f6st; es scheint dasselbe Harz zu sein, welches bei der Bereitung des Blumenblau\u2019s aus allen blauen und rothen Blumen zur\u00fcckbleibt. Herr Marquart nennt jenes Harz: Blumenharz und h\u00e4lt es f\u00fcr eine lieber-\n\u00a5\ngangsstufe zwischen Chlorophyll und Anthokyan. Das Blumenharz wird von der concentrirten Schwefels\u00e4ure mit brauner Farbe gel\u00f6st und diese braune Aufl\u00f6sung nimmt allm\u00e4lich eine dunkelpurpurrothe Farbe an, welche sich * verliert, sobald die Schwefels\u00e4ure Wasser anzieht. Schliefs-lich h\u00e4lt Herr Marqaurt die weifse Farbe der Blumen f\u00fcr eine Uebergangsstufe zwischen Gr\u00fcn und Blau, eine Meinung, welcher ich gerne beistimme, obgleich ich die Er- jj scheinung in einer anderen Art erkl\u00e4ren m\u00f6chte. Ich glaube n\u00e4mlich, dafs jener farbeloser oder hellgelbliche harzige Extractivstoff die Basis ist, woraus der Chemismus < der Vegetation sowohl das Blattgr\u00fcn, als das Blumenblau und Blumengelb bilden kann, und es scheint mir als wenn auf demselben Wege auch eine R\u00fcckbildung, der genannten Stoffe in den farbelosen Extractivstoff stattfinden k\u00f6nne.\nMan glaube aber ja nicht, dafs der ungef\u00e4rbte harzige Extractivstoff die Ursache der weifsen Farbe in den Blumen ist.\nMit der weifsen Farbe der Blumen ist es \u00fcberhaupt eine eigene Sache und mehrere Physiologen wollen eine rein weifse Farbe gar nicht anerkennen, sondern darin","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"447\nimmer noch eine andere Farbe, entweder ein leichtes Blau oder Roth, oder auch ein Gelb erkennen. Man kann allerdings nicht l\u00e4ugnen, dafs in den meisten F\u00e4llen schon bei dem ersten Blicke, irgend ein fremder Farbenton in dem f Weifs der Blumen zu erkennen ist. In den weifsen Campanula-Blumen erkennt man den bl\u00e4ulichen Anstrich, und in den weifsen Blumen der Aepfelbliithen und der Rosen mit Leichtigkeit den r\u00f6thlichen Anstrich u. s. w. Es kom-1 men aber auch F\u00e4lle vor, wie z. B. bei der weifsen Lilie, wo es gewifs schwer halten m\u00f6chte einen fremden Farbenton wieder zu erkennen. Die Darstellung der gl\u00e4nzend-weifsen Farbe der weifsen Lilie wird durch die eigen-| thiimliche Structur der Epidermis-Zellen dieser Blumenbl\u00e4tter nachgeholfen und eine Menge von kleinen H\u00f6hlen in der Substanz, welche mit Luft gef\u00fcllt sind, tragen noch mehr dazu bei. Wenn man aber ein solches Blumenblatt der Lilie stark zusammendr\u00fcckt, so verschwindet die sch\u00f6ne, sammtartige weifse Farbe und es tritt eine schmutzig gr\u00fcnlichweifse daf\u00fcr ein, welche die eigentliche Farbe der Zellenw\u00e4nde ist.\n\u00a7 Einige Botaniker sind der Meinung, dafs die weifse Farbe der Blumen durch unvollkommene Ausbildung des Farbestoffes entsteht, und f\u00fchren daf\u00fcr mehrere Gr\u00fcnde an, als: die Analogie der etiolirten Pflanzen mit der weifsen F\u00e4rbung, ferner die schnelle Ver\u00e4nderung, welche viele weifse Blumen durch den Einflufs des Lichtes zeigen, indem sie, bald nach dem Aufbrechen, eine andere Farbe annehmen ; und endlich soll daf\u00fcr auch die grofse Anzahl * von weifsen Blumen sprechen, welche in nordischen Gegenden Vorkommen. Diese Meinung hat scheinbar viel f\u00fcr sich, sie mufs indessen wohl noch etwas anders erkl\u00e4rt werden, denn man erinnere sich daran, dafs alle die Blumenbl\u00e4tter, welche mit weifser Farbe auftreten und - alsdann, nach dem Einfl\u00fcsse des Lichtes, in eine andere F\u00e4rbung \u00fcbergehen, dafs diese vorher s\u00e4mmtlich giiinlich gef\u00e4rbt waren, wovon die Untersuchung der Knospen, in geh\u00f6rig fr\u00fchem Zustande, hinl\u00e4ngliche Beweise liefeit. Es","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nscheint mir, dafs das Chlorophyll hiebei zuerst seine chemische Natur ver\u00e4ndert, dafs dadurch die gr\u00fcne Farbe schwindet, und dafs sich dann, durch Hinzutritt von Sauerstoff der blaue Farbestoff bildet, welcher nach Maafsgabe der S\u00e4ure, bald violett, bald roth oder selbst etwas orange auftritt. Wenn nun aber die Ver\u00e4nderung der weifsen Farbe in den Blumen nach dem Zutritte des Lichtes erfolgt, so ist hiebei keineswegs das Licht die unmittelbare Ursache der Erscheinung, sondern das Licht wirkt auch hier nur als Reiz, indem es zugleich mit einer h\u00f6heren W\u00e4rme einwirkt und den Vegetations-Prozefs in seiner Intensit\u00e4t steigert. Die bekannte Beobachtung von Don Ramon de la Sagra *) an den Blumen von Hibiscus muta-bilis L. ist gerade hier zu erw\u00e4hnen. Die Blumen dieses Hibiscus sind des Morgens weifs, um Mittag rosenroth und Abends dunkelroth, Ver\u00e4nderungen, welche in dem regelm\u00e4fsigen Clima innerhalb der Wendekreise auch ganz regelm\u00e4fsig auftreten. De la Sagra hatte eine solche Pflanze im botanischen Garten der Havanna, wo dieselbe gew\u00f6hnlich bei 30\u00b0 Cels. bl\u00fchte und jene, vorhin angegebenen Ver\u00e4nderungen der Farben zeigte; eines Tages aber, n\u00e4mlich am 20. October, als die W\u00e4rme nicht \u00fcber 19\u00b0 stieg, blieb die Blume des Hibiscus mutabilis den ganzen Tag hindurch weifs und r\u00f6thete sich erst am folgenden Tage um Mittag.\nWenn man weifse Blumen in Papier trocknet, so pflegen sie sehr bald diejenige Farbe anzunehmen, deren Ton man schon vorher in dem Weifs erblicken konnte; so haben Adrien de Jussieu und Roeper weifse Campanula-Blumen blau werden sehen. Die weifse Farbe derBI\u00fcthen wird \u00fcberhaupt, bei dem Trocknen in Papier, nur selten unver\u00e4ndert bleiben, doch alle die Vorg\u00e4nge, welche hiebei zu beobachten sind, m\u00f6chten sich nicht so leicht erkl\u00e4ren lassen, da hier schon der Chemismus seine Th\u00e4tigkeit ganz rein zeigt.\n*) Anales de ciencias, agricultura, commercia y artes. Habana\n1828. II. pag. 116.","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"449\nDie interessante Entdeckung des Herrn Marquart*) \u00fcber das Y orkonnnen des Indigo\u2019s in den weifsen Bliithen einiger Orchideen, giebt \u00fcber die Ver\u00e4nderung der weifsen Bliithenfarbe in eine gr\u00fcnliche und blaue vollst\u00e4ndige Aufkl\u00e4rung. Bei Limodorum Tankerviliia wird die Bractee, welche den Fruchtknoten umschliefst und sich sp\u00e4ter l\u00f6st, auffallend blau gef\u00e4rbt, und eine \u00e4hnliche Farben-Y er\u00e4nderung erleiden die Sepala zuweilen an ihrer \u00e4ufseren Seite. In diesen F\u00e4llen ist nicht der Zellensaft blau gef\u00e4rbt, sondern die Zellen-Substanz selbst ist fleckenweise dunkelindigoblau gef\u00e4rbt, gleichsam als wenn eine blaue gallertartige Masse in derselben befindlich w\u00e4re. Frisch durchgeschnittene Bl\u00fcthenschafte der genannten Pflanze wurden auf der ganzen Schnittfl\u00e4che blau, und eine Reihe von YTersuchen zeigten, dafs diese F\u00e4rbung einem Indigo-Gehalt zuzuschreiben war.\n( Die Yer\u00e4nderungen der weifsen Farbe in eine reine und sch\u00f6ne gelbe Farbe, sind gewifs sehr selten; bei der Tamarinde findet es statt, dafs, wie Hayne **) mittheilt, und wie ich es selbst beobachtet habe, die Blume am ersten Tage weifse und am zweiten Tage gelbe Blumenbl\u00e4tter zeigt. Dieses Gelb der Tamarinden-Blume ist indessen eine ganz andere Farbe, als das sch\u00f6ne Gelb, welches den Syngenesisten und \u00fcberhaupt den gelben Blumen eigen ist; das letztere Gelb bildet sich aber auch unmittelbar aus dem Chlorophyll, welche Farbe man an den unentwickelten Blumenbl\u00e4ttern noch immer beobachten kann, meistens wird die Farbe dieser Blumenbl\u00e4tter vorher gr\u00fcnlichgelb und dann erst sch\u00f6n gelb. Bei manchen Pflanzen mit mehr saftigen, gelben Blumenbl\u00e4ttern, wird die Farbe beim Trockenen wieder gr\u00fcnlich, was man besonders sch\u00f6n bei Lotus corniculatus und bei den Hieracien beobachten kann.\nBemerkungen \u00fcber das Vorkommen des Indigo in der Familie der Orchideen und \u00fcber die Indigopflanzen im Allgemeinen.\n**\") Getreue Darstellung und Beschreibung der Arzneigew\u00e4chse etc. 4to. X. 1827. Num. 41.\nWeyen, Pfl. Physiol, II.\n29","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\nEs ist gegenw\u00e4rtig keine so seltene Erscheinung mehr, wenn man weifs und blau oder roth gef\u00e4rbte Blumen zu gleicher Zeit, auf einer und derselben Pflanze findet; in der Cordill\u00e8re Chile's beobachtete ich mehrere grofse Gestr\u00e4uche der Colletia spinosa Lam., welche weifse und rothe Blumen in gr\u00f6fster Anzahl, auf einem und demselben Stamme zeigten, doch bemerkte man fiir verschiedene Aeste, eine ganz bestimmte Trennung der Farben, Dicht daneben standen einzelne Str\u00e4ucher dieser Pflanze mit weifsen und wieder andere mit rothen Blumen, Alle diese Pflanzen saugten eine und dieselbe Nahrung ein, und alle wurden von derselben Sonne beschienen*). Bei Po-lemonium coeruleum hat schon Linn\u00e9e an einer und derselben Pflanze weifse und blaue Blumen beobachtet. Zwar glauben mehrere Physiologen annehmen zu d\u00fcrfen, dafs Blumen, denen z. B. eine blaue oder rothe Farbe zukommt, wenn sie weifs auftreten, in ihrer vollkommenen Ausbildung zur\u00fcckgehalten sind, aber die Annahme dieser Meinung f\u00e4llt schwer, wenn man \u00fcppig wachsende Pflanzen sieht, von denen einige blaue oder rothe Blumen und andere, dicht danebenstehende, ganz weifse Blumen zeigen. Ja jene Colletien mit rothen und weifsen Blumen auf einem und demselben Strauche, wucherten in gr\u00f6fster Uep-pigkeit; viele Tausende von rothen und von weifsen Gl\u00f6ckchen bedeckten ihre Oberfl\u00e4che wie mit einem pr\u00e4chtigen Teppiche, und demnach kann jene Meinung nicht ganz allgemein richtig sein.\nBlumen mit weifser Farbe treten zuweilen, wenn ihre Entwickelung wirklich unterdr\u00fcckt ist, mit gr\u00fcner Farbe auf; so sah Herr Schultz **), dafs Brombeerstr\u00e4ucher und Myrrhis temula, welche in schattigen Geb\u00fcschen wuchsen, mit unentwickelten gr\u00fcnen Blumen auftraten.\nHerr Schultz***) hat auch die Meinung aufgestellt, dafs es zur Erkl\u00e4rung derFarben-Ver\u00e4nderungen durchaus n\u00f6thig\nS, Meyen, Reise etc. I. 297.\n**) Die Natur der lebendigen Pflanze. II. pag. 151.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Die Natur der lebendigen Pflanze etc. II. pag. 154.","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"451\nsei, dafs man alle Farben, als blofse Tr\u00fcbungen von weifs und schwarz denkt, die in ihren Ueberg\u00e4ngen zu einander gelb und blau werden. Wenn es auch scheint, als wenn auf diese Weise dasjenige erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnte, was vorhin unerkl\u00e4rt blieb, so sehen wir doch die gr\u00f6fsten Schwierigkeiten, ohne hiebei dasjenige zu erkl\u00e4ren, was durch die bestehenden Erfahrungen wirklich leicht zu erkl\u00e4ren ist.\nGanz besonders bemerkenswerth ist es, dafs gewisse 8 Farben der Blumen gewissen Gattungen besonders eigen sind, ja es giebt mehrere Gattungen, deren Bliithen ganz bestimmt nur eine bestimmte Farbe zeigen, so dafs dergleichen Arten, welche man, obgleich sie anders gef\u00e4rbt jjwaren, fr\u00fcher zu jenen Gattungen brachte, gegenw\u00e4rtig, nachdem man sie genau untersucht hat, als eigene Gattungen anerkannt worden sind. So haben alle Campanulae blaue Blumen, oder dieselben sind in weifs \u00fcbergegangen; Campanula aurea L. aber, welche eine goldgelbe Corolla besitzt, geh\u00f6rt gar nicht zu dieser Gattung. In anderen Gattungen sind dagegen verschiedene Arten mit verschieden gef\u00e4rbten Blumen versehen, und diese Farben, wenngleich igSie auch zu einer und derselben Farbenreihe geh\u00f6ren, sind zuweilen ganz constant, so dafs man darauf hat Arten gr\u00fcnden k\u00f6nnen. Als Beispiele f\u00fchre ich an: Hemerocallis flava und H. fulva, Gentiana lutea, Anagallis phoenicea und A. arvensis, Crocus-Arten, Narcissus-Arten u. s. w.\n-t-\t'\nDa diese verschiedenen Farben meistens zu einer und derselben Reihe geh\u00f6ren, oder, nach unserer Auseinandersetzung dieses Gegenstandes, einen und denselben Farbestoff zur * Grundlage haben, so k\u00f6nnte man im Allgemeinen wenigstens die Gattungen zu dieser oder zu jener der genannten Farbenreihen ordnen; jedoch dieses kann nicht immer nach dem blofsen Anschauen ausgef\u00fchrt werden, auch scheinen in der Natur manche Ausnahmen vorzu--kommen.\nFast alle Calceolarien haben gelbe Blumen oder dunkel orange, fast braune; nur ein Paar Arten haben vollst\u00e4ndig violette Blumen. Auch die Gattungen Linum, Iris, Lupi-\n29*","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452\nnus, Aconitum etc. \u00bbhaben gelbe und auch blaue Arten aufzuweisen.\nViele Cultur-Pflanzen zeigen die gr\u00f6fste Mannigfaltigkeit in ihren Bl\u00fcthenfarben, und es sind besonders einige Gattungen bekannt, welche wohl alle bekannten Pflanzenfarben aufweisen m\u00f6chten. Bei den Hyacinthen ist die weifse und die blaue Farbe die gew\u00f6hnlichste, doch gegenw\u00e4rtig hat man so viele Spielarten, dafs aufser der gr\u00fcnen Farbe, alle \u00fcbrigen an den Bl\u00fcthen dieser Gattung zu beobachten sind, selbst vollkommen gelbe Spielarten sind nicht mehr selten. Ganz dasselbe kann man von den Georginen und den Malven sagen, und wir sehen hier, dafs in den Bl\u00fcthen einer und derselben Art die Farben der entgegengesetzten Reihen auftreten k\u00f6nnen. Indessen es giebt auch viele Pflanzen, wo die Blumen in einem und demselben Individuum die Farben der entgegengesetzten Reihen aufzuweisen haben, obgleich durchschnittlich auch die Cultur-Pflanzen in ihren Farben-Ver\u00e4nderungen nach einer gewissen Regel verfahren, und diese Ver\u00e4nderungen sich in den Farben einer und derselben Reihe bewegen. Sch\u00fcbler und De Candolle haben in ihren Schriften eine Menge von Pflanzen aufgef\u00fchrt, an deren Bl\u00fcthen, Farben von beiden Reihen bekannt sind, und andere F\u00e4lle der Art w\u00fcrden in grofser Zahl aufzuf\u00fchren sein. Bei der gemeinen Aster sind die im Centrum stehenden Scheiben-Bliithen immer gelb, w\u00e4hrend die Strahlen-Bliithen in den verschiedensten Farben von Roth bis Blau, jedoch nicht in Gelb \u00e4ndern. Senecio elegans zeigt gelbe Scheiben-Bliithen und violette Strahlen-Bliithen. Die Blume des Stiefm\u00fctterchen zeigt oft 2 gelbe und 2 blaue Blumenbl\u00e4tter, doch oft stehen sich diese Farben auf einem und demselben Blumenblatte entgegen. Indessen in der sch\u00f6nen Schrift des Herrn Marquart ist mit gr\u00f6fster Genauigkeit, selbst auf die Umwandlung der Farben in entgegengesetzte Reihen aufmerksam gemacht, wie sie gar nicht selten in den\npag. 85 etc-","page":452},{"file":"p0453.txt","language":"de","ocr_de":"453\nZellen einiger Blumen zu verschiedenen Zeiten stattfindet. Von dem Farben Wechsel in den Blumen des Goldlacks war schon im ersten Bande pag. 187 die Rede; hier nur noch einige F\u00e4lle, in welchen die Farbe gelber Blumen in Roth und Purpur u. s. w. \u00fcbergeht. Die Bl\u00fcthen der Myosotis versicolor sind anfangs schwefelgelb und gehen dann in blau \u00fcber. Die Blumenbl\u00e4tter von Geum coccineum sind in der jungen Knospe gr\u00fcn; Herr Marquart sah dieselben gelb werden und dann nach und nach immer mehr roth, und je rother die Farbe wurde, je mehr traten die rothen Zellen \u00fcber die gelben in Menge und in Intensit\u00e4t hervor. Auch bei Cheiranthus scoparius Willd., sowie am Vexillum mehrerer gelbbl\u00fchender Astragalus-Arten und des Lotus corniculatuswurde der Uebergang der gelben Farbe in eine rothe beobachtet. In allen diesen F\u00e4llen, welche \u00fcberaus zahlreich sind, wenn man nur besonders darauf achtet, bilden sich die verschiedenen Farbenstoffe zu verschiedenen Zeiten des Bl\u00fchen\u2019s, und zwar tritt das Gelb zuerst auf und sp\u00e4ter das Roth oder das ges\u00e4uerte Blau.\nEbenso wichtig und der genauesten Beachtung werth, ist der Farbenwechsel, welchen die Pflanzenbl\u00e4tter zur Zeit des Herbstes bei ihrem Abfallen zeigen; man betrachtete diesen Gegenstand fr\u00fcher, als eine begleitende Erscheinung des Absterbens der Bl\u00e4tter, oder als eine Folge der Verminderung in der Ern\u00e4hrung, und glaubte defshalb nicht mehr besondere Aufmerksamkeit darauf richten zu d\u00fcrfen. Es ist allerdings wahr, dafs das abfallende Blatt im Absterben begriffen ist, und dafs hieinit in demselben das Spiel der chemischen Verwandtschaften freier auftntt, doch wir haben schon oftmals Gelegenheit gehabt kennen zu lernen, dafs sich das Leben in einzelnen abgetrennten Pflanzentheilen noch lange Zeit hindurch erhalten kann, besonders wenn man die starke Verdunstung derselben unterdr\u00fcckt; dasselbe gilt auch f\u00fcr die abgefallenen Blatter, welche bei verschiedenen Pflanzen noch mehr oder weniger stark belebt sind. Bei einigen Pflanzen beginnt die","page":453},{"file":"p0454.txt","language":"de","ocr_de":"454\nEntf\u00e4rbung der Bl\u00e4tter schon einige Zeit vor ihrem Abfallen; bei einigen fallen die Bl\u00e4tter noch vollkommen gr\u00fcn ab, und bei anderen bleiben die entf\u00e4rbten und vollkommen abgestorbenen Bl\u00e4tter noch sehr lange Zeit hindurch an den Pflanzen sitzen, und daher glaube ich, dafs man die Farben-\\ er\u00e4nderungen an den Bl\u00e4ttern zur Herbstzeit ebenfalls als Wirkung des Lebens betrachten mufs, bis dafs dieses erloschen ist und dann die Verwesung der Bl\u00e4tter ihren Anfang nimmt.\nDie ersten wirklichen Versuche \u00fcber die Ursache der verschiedenen F\u00e4rbung in den Bl\u00e4ttern zur Herbstzeit hat Herr Macaire -Prinsep in der schon pag. 439 angef\u00fchrten Abhandlung geliefert, doch die richtigere Erkl\u00e4rung dieses Vorganges haben wir erst durch Herrn von Berzelius erhalten. So mannigfach auch immerhin die Farben der abgefallenen Bl\u00e4tter sind, so findet man doch die gelbe und die rothe Farbe am h\u00e4ufigsten. Die Ver\u00e4nderung der gr\u00fcnen Farbe geschieht ganz allm\u00e4lich und die Bl\u00e4tter werden entweder mit einzelnen, mehr oder weniger gro-fsen gelben Flecken bedeckt, oder die ganze Fl\u00e4che der Bl\u00e4tter wird gelb. In anderen F\u00e4llen werden die Bl\u00fcthen r\u00f6thlich und selbst roth gef\u00e4rbt, doch geht diese Farbe eigentlich wohl immer durch gelb hindurch. Die Bl\u00e4tter an dergleichen Pflanzen, deren Fr\u00fcchte S\u00e4uren enthalten, und \u00fcberhaupt zur S\u00e4urebildung geneigt sind, wie z. B. der Weinstock, an denen geschieht dieser Farbenwechsel viel schneller. Der Weinstock mit weifsen Fr\u00fcchten zeigt gelbe, mehr in orange \u00fcbergehende Flecke auf den abgefallenen Bl\u00e4ttern, w\u00e4hrend die Bl\u00e4tter des Weinstockes mit blauen Fr\u00fcchten zur Herbstzeit nicht gelb, sondern fast tief purpurroth werden\u201c, eine Farbe, welche durch gelbe, rothe und durch viele tief blau gef\u00e4rbte Zellen hervorgebracht wird.\nDie Herren Robinet und Guibourt *) haben noch\n*) Journal de Pharraac. 1827. Tome XIII. pag. 27 und im Auszuge in Eschweiler\u2019s Literatur-Bl\u00e4tter zur Flora von 1829, pag. 411 etc.","page":454},{"file":"p0455.txt","language":"de","ocr_de":"455\ndarauf aufmerksam gemacht, dafs die herbstliche Blattfarbe meistens mit derjenigen sehr \u00fcbereinstimmend ist, welche auch in den \u00fcbrigen Theilen der Pflanzen verbreitet ist. So geben Pflanzen mit gelben Blumen oft gelbe H\u00f6lzer, welche zum Gelbf\u00e4rben gebraucht werden k\u00f6nnen, oder sie tragen Fr\u00fcchte von gelber Farbe, z. B. die Cucurbitaceen, einige Leguminosen u. s. w. Dagegen finden sich rothe Blumen fast immer mit rotlien Fr\u00fcchten vereinigt. Am auffallendsten ist dieses bei verwandten Arten oder Spielarten, welche in der Farbe wechseln. So sind die Fr\u00fcchte der wilden Quitten-, Birn-, Mispeln- und Elsbeeren, deren Bl\u00e4tter im Herbste gelb werden, ganz oder doch im Inneren gelb, wenn auch bei einigen die Oberhaut roth ist, w\u00e4hrend diejenigen von Crataegus arbutifolia, dessen Bl\u00e4tter roth werden, auch von einem stark violetten Safte gef\u00e4rbt sind; auch der Weinstock mit seinen Variet\u00e4ten geh\u00f6rt hieher. Rothe Bl\u00e4tter beobachtet man bei Hedera Helix, Prunus Padus und Populus tremula, doch werden diejenigen Bl\u00e4tter dieser Pflanzen, welche mit Hautpilzen bedeckt sind, nach Eschweiler\u2019s Beobachtung gelb. Rothe Bl\u00e4tter sieht man ferner zur Herbstzeit bei Sonchus asper, Solidago canadensis und bei mehreren Helianthus-Arten, wo immer gelbe Blumen Vorkommen, so wie auch bei Rubus caesius und Fragaria vesca.\nGelbe Bl\u00e4tter zeigen Carpinus Betulus, Betula alba, Ulmus campestris, Fraxinus excelsior, Acer campestre und A. Pseudoplatanus, Liriodendron tulipifera (bisweilen roth-gesprengt). Sambucus nigra und S. racemosa mit rothen Fr\u00fcchten, so wie Viburnum Opulus und V. Lantana mit blauschwarzen Fr\u00fcchten, Daphne Mezereum zeigt gelbe Bl\u00e4tter und rothe Bl\u00fcthen und Fr\u00fcchte. Bei der Pappel findet man nach PiepeF s Beobachtung die h\u00f6chsten Bl\u00e4ttei wohl zu Dunkel-Indigo \u00fcbergehen, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen gelb sind.\nDie Herren Robinet und Guibourt haben eine ganze Reihe von Pflanzen-Familien angegeben, von welchen die eine H\u00e4lfte zur Herbstzeit gelbe Bl\u00e4tter und die an eie","page":455},{"file":"p0456.txt","language":"de","ocr_de":"456\nH\u00e4lfte rotbe Bl\u00e4tter zeigt, indessen es verh\u00e4lt sich dieser Farbenwechsel nicht immer so regelm\u00e4fsig, und man wird gewifs sehr h\u00e4ufig Ausnahmen finden.\nRothe Bl\u00e4tter beobachtet man zur Herbstzeit bei: Amaranthaceen, Berberideen, Ericeen, Caprifoliaceen, Eu-phorbiaceen, Onagrarien, Polygoneen, Vitiferen u. s. w. Gelbe Bl\u00e4tter kommen dagegen vor bei den Acerinen, Amentaceen, Aurantiaceen, Cucurbitaceen, Geraniaceen, Leguminosen, Malvaceen, Meliaceen, Myrtaceen, Rham-neen, Tiliaceen, Urticeen und einigen Vitiferen u. s. w.\nHerr Macaire-Prinsep hat die Beobachtung bekannt gemacht, dafs der Farbenwechsel aus dem Gr\u00fcn in Gelb und Roth, welchen man an den abgefallenen Bl\u00e4ttern zur Herbstzeit beobachtet, nur bei der Einwirkung des Lichtes erfolgt. Bei abgefallenen Bl\u00e4ttern, welche in Masse auf einander liegen, werden die obersten immer schneller entf\u00e4rbt, als die untersten. In solchen F\u00e4llen, wo die Pflanzen ganz im Dunkeln wuchsen, da fielen die Bl\u00e4tter gr\u00fcn ab, und es fand keine gelbe Farbenbildung statt. Bei Bl\u00e4ttern, welche sich durch ihre Stellung zum Theil bedecken, da wird der freie Theil stets fr\u00fcher und st\u00e4rker gef\u00e4rbt. Bedeckt man Bl\u00e4tter, welche eine gelbe Farbe annehmen, ehe sie roth werden, so fallen die Bl\u00e4tter gelb ab; also auch bei dieser letzteren Ver\u00e4nderung ist der Einflufs des Sonnenlichtes n\u00f6thig, denn der bedeckte Theil beh\u00e4lt die Farbe, w\u00e4hrend sich der freie Theil r\u00f6thet. Die Beobachtung Senebier\u2019s, dafs dergleichen gef\u00e4rbte Bl\u00e4tter keinen Sauerstoff aushauchen, ward auch durch Maeaire\u2019s Versuche best\u00e4tigt, ja diese Eigenschaft verliert sich schon an den Bl\u00e4ttern, wenn sie dem Absterben nahe sind, aber oftmals noch eine vollkommen gr\u00fcne Farbe haben, woraus deutlich- zu sehen ist, dafs die Aushauchung des Sauerstoffes nicht durch den gr\u00fcnen Farbestoff veranlafst wird, sondern durch den Lebensprozefs, dessen chemische Wirkung durch den Einflufs des Sonnenlichtes angeregt wird.","page":456},{"file":"p0457.txt","language":"de","ocr_de":"457\nK\u00fcrzlich hat auch Herr Mohl *) das Auftreten der rothen Farbe in den Bl\u00e4ttern zur Herbst- und Winterzeit einer speciellen Untersuchung unterworfen; er kommt durch seine Beobachtungen ebenfalls zu dem Schl\u00fcsse, dafs jeder Zusammenhang zwischen der Erzeugung einer rothen Farbe der Bl\u00e4tter im Herbste und zwischen dem Absterben derselben zu l\u00e4ugnen ist. Man m\u00fcsse vielmehr annehmen, dafs die Erzeugung der rothen Farbe der Bl\u00e4tter im Herbste - und Winter Folge der, in dieser Jahreszeit eintretenden Ver\u00e4nderung der physiologischen Functionen des Blattes ist, dafs aber das Absterben der Bl\u00e4tter nur zuf\u00e4llig bei einigen Pflanzen mit dieser Periode zusammenf\u00e4llt, w\u00e4h-[ rend es bei anderen erst Monate lang nachher eintritt. Eine \u00e4hnliche Beeintr\u00e4chtigung der normalen Functionen wie zur Herbst- und Winterzeit, erfolgt bei den Bl\u00e4ttern auch durch Insektenstiche und selbst durch Entophyten, und es zeigt sich auch hiebei die rothe Farbe in den Bl\u00e4ttern. Viele Laubmoose und Lebermoose, besonders die Sphagnum-Arten, zeigen auf hohen Gebirgen und in S\u00fcmpfen eine auffallend braunrothe F\u00e4rbung, doch diese i ist in der F\u00e4rbung der Zellen-Membran begr\u00fcndet.\nDas Auffallendste bei diesem Auftreten der rothen F\u00e4rbung zur Herbstzeit m\u00f6chte jedoch darin bestehen, dafs viele Bl\u00e4tter, welche in jener Zeit roth werden, auch bald nachher absterben; andere erhalten sich noch bis zum Fr\u00fchjahre, w\u00e4hrend andere im Fr\u00fchjahre nicht absterben, sondern ihre rothe Farbe wieder verlieren, wieder gr\u00fcn werden und weiter wachsen, was z. B. an den Bl\u00e4ttern * von Sempervivum- und Sedum-Arten, von Hedera Helix, Ruta muraria und sehr vielen anderen Pflanzen zu beobachten ist. Hier zeigt sich der rothe Zellensaft bald in den Zellen der Epidermis, bald in mehreren oberfl\u00e4chlich liegenden Zellenschichten, und die gr\u00fcngef\u00e4rbten Zellensaft-\u2018 K\u00fcgelchen bleiben unver\u00e4ndert in diesem gef\u00e4rbten Zellen-\n*) Untersuchungen \u00fcber die winterliche F\u00e4rbung der Blatter\u00ab T\u00fcbingen 1837.","page":457},{"file":"p0458.txt","language":"de","ocr_de":"458\nsafte. In einer sp\u00e4teren Zeit verschwindet wieder der + gef\u00e4rbte Zellensaft, und es bleiben nach wie vor die gr\u00fcn-gef\u00e4rbten K\u00fcgelchen im Zellensafte zur\u00fcck. Es m\u00f6chte 4 nicht wahrscheinlich sein, dafs sich die rothe Farbe des j Zellensaftes aus dem Chlorophyll der gr\u00fcngef\u00e4rbten K\u00fcgelchen gebildet hat, denn sie entsteht und vergeht wieder, ohne dafs irgend etwas von Ver\u00e4nderungen an jenen K\u00fcgelchen zu beobachten ist. Eine Elementar-Analyse des blauen Farbestoffes w\u00fcrde wahrscheinlich zeigen, dafs derselbe nur wenig verschieden ist von den assimilirten Nahrungsstoffen der Pflanze, welche im Zellensafte gel\u00f6st sind, und dafs nur dadurch das pl\u00f6tzliche Erscheinen und aber- 4 malige Verschwinden desselben m\u00f6glich wird.\nDie chemische Untersuchung des gelben Farbestoffes in den entf\u00e4rbten Bl\u00e4ttern, welche zuerst Herr Macaire lieferte, zeigte wenigstens, dafs dieser Stoff dem Chlorophyll verwandt ist; das Letztere ist in Oelen l\u00f6slich, der gelbe Farbestoff dagegen unl\u00f6slich. Schliefslich glaubt Herr Macaire, dafs der gelbe Farbestoff in den herbstlich gef\u00e4rbten Bl\u00e4ttern nichts Anderes ist, als Chlorophyll, , welches durch eine Art von Oxydation oder S\u00e4urung, Sauerstoff aufnahm, doch diese Erkl\u00e4rung haben alle neueren Untersuchungen, als unrichtig nachgewiesen ; und schon Pelletier\u2019s Beobachtungen lehrten ganz entschieden, dafs \u00ab das Chlorophyll durch keine S\u00e4ure ger\u00f6thet werde.\t*\nIn der angef\u00fchrten Schrift des Herrn Pieper findet man sehr gute Gr\u00fcnde gegen die Ansicht aufgestellt, nach welcher man jenen Farbenwechsel der absterbenden Bl\u00e4t- . ter durch Oxydation und Alkalisation zu erkl\u00e4ren glaubte, * indessen soll damit keineswegs alle Einwirkung des Chemismus abgel\u00e4ugnet werden. Zuweilen, sagt Herr Pieper, findet man wohl die gelbe, orange und rothe Farbe mit einer vorwaltenden Acidit\u00e4t verbunden; Beides geht dann + aber aus den Lebensbedingungen der Pflanze zugleich hervor. Dieses sieht man daraus, dafs die Farbe des abfallenden Blattes in der Pflanze das ganze Jahr voraus bestimmt liegt, und dafs die Farbe des Holzes h\u00e4ufig mit","page":458},{"file":"p0459.txt","language":"de","ocr_de":"459\nder des welkenden Blattes iibereinstimmt. Sehr gut weist Herr Pieper darauf hin, dafs der Farbenwechsel nicht stattfindet, wenn das Leben der Bl\u00e4tter pl\u00f6tzlich aufgehoben wird, als z. B. durch Abbrechen zu einer Zeit, in welcher der Farbenwechsel noch nicht begann. Werden dergleichen Bl\u00e4tter durch schnelle Entziehung des Wassers getrocknet, so behalten sie ihre urspr\u00fcngliche F\u00e4rbung, in entgegengesetztem Falle werden sie schwarz in Folge 9 der Verwesung.\nUeber den Farbenwechsel bei dem welkenden Blatte zur Herbstzeit findet man viele, sehr sch\u00f6ne specielle Beobachtungen in der Schrift des Herrn Pieper verzeich-| net, auch findet man daselbst schon angegeben, dafs die Bl\u00e4tter der Erle (Ainus glutinosa) zwar zusammengeschrumpft aber gr\u00fcn abfallen; doch zeigen sich, sobald das Blatt zu welken anf\u00e4ngt, mitten im Parenchym von je zwei Rippen rostbraune Streifen, welche abgestorben zu sein scheinen, und daselbst ist das Parenchym auch sehr d\u00fcnn, so dafs ein Mangel an Feuchtigkeit die Ursache zu sein scheint, wefshalb diese Bl\u00e4tter meistens gr\u00fcn abfallen * und keinen Farbenwechsel eingehen.\nGanz neuerlichst haben wir durch Hrn. v. Berzelius *) die sch\u00f6nsten Untersuchungen erhalten, welche uns \u00fcber die Natur des gelben und rothen Farbestoffes in denBl\u00e4t-f tern zur Herbstzeit aufser allen Zweifel setzen. Der gelbe Farbestoff jener Bl\u00e4tter stimmt nicht mit dem Blumengelb des Herrn Marquart \u00fcberein, sondern es ist ein eigenth\u00fcm-liches Fett, ein Mittelk\u00f6rper zwischen fettem Oele und y Harz, welches mit Beibehaltung seiner Eigenschaft, in Alkohol schwer l\u00f6slich, schmierig und fettig zu sein, ausgebleicht werden kann. Herr Berzelius nennt diesen Farbestoff Xantophyll, Blattgelb und stellte ihn durch kalte Infusion der gelben Bl\u00e4tter in starkem Alkohol dar, welche er 48 Stunden lang anhalten liefs. Wird die erhaltene\nUeber die gelbe Farbe der Bl\u00e4tter im Herbste und \u00fcber den rothen Farbestoff der Beeren und Bl\u00e4tter im Herbste. \u2014 S. Annal, der Pharmacie. Bd. XXI. Heidelb. 1837. pag. 257\u2014267.","page":459},{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"460\nInfusion bis auf \u25a0\u00a7\u2022 abdestillirt, so setzt sich bei dem Er- 4 kalten eine k\u00f6rnige Substanz ab, und bei fortgesetzter Destillation erh\u00e4lt man eine gelbe, weiche, schmierige Sub- , stanz, welche, gleichwie die \u00fcbrigen K\u00f6rner die farbige i Substanz der gelben Bl\u00e4tter darstellt. Die L\u00f6sung dieses Stoffes wird durch Wasser so gef\u00e4llt, dafs eine blafs- | gelbe Milch entsteht. Von Aether wird das Xanthophyll aufgel\u00f6st, und in concentrirter Schwefels\u00e4ure wird es braun. Ueber die Bildung des Xantophylhs aus dem Chlorophyll *\u2019 sagt Herr Berzelius: Man hat allen Grund zu vermuthen, dafs beim Verschwinden der gr\u00fcnen Farbe und Verwandlung dieser in Gelb, das Blattgelb durch eine von der _j K\u00e4lte bewirkte Ver\u00e4nderung der Organisation des Blattes, und dadurch ver\u00e4nderten organischen Prozefs, aus dem Blattgr\u00fcn hervorgebracht werde, doch vergebens wurde es versucht, die Umwandelung k\u00fcnstlich zu verursachen.\nIm Vorhergehenden habe ich jedoch zu zeigen gesucht, ^ dafs dieser Farbenwechsel auf den Bl\u00e4ttern zur Herbstzeit, ein Akt des absterbenden Lebens sein mufs, und dafs die K\u00e4lte nicht die Ursache desselben ist, das liefse sich wohl auf verschiedenem Wege erweisen.\nDie braune Farbe des Laubes, sagt Herr Berzelius, hat mit der gelben keine Gemeinschaft; sie wird darin von einem anfangs farbelosen Extract hervorgebracht, welches durch Einwirkung des Sauerstoffes braun wird, doch kann 1 man in diesem letzteren Falle auch beobachten, dafs alle Zellen-Membranen des Blattes eine braune Farbe erhalten ( haben, die selbst durch Digestion mit schwacher Kalilauge nicht ausgezogen werden kann. Die verschiedenen Ver- * h\u00e4ltnisse, in welchen dieser braunwerdende Extractivstoff mit dem Blattgelb auftritt, geben der herbstlichen Farbe der Bl\u00e4tter eine Menge von Nuancen.\nAuch \u00fcber den rothen Farbestoff der Blatter im * Herbste hat Hr. v, Berzelius *) die genauesten Untersuchungen angestellt; auch er sah rothe Bl\u00e4tter nur an solchen\n*) 1. c. p. 265.","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"461\nB\u00e4umen und Str\u00e4uchern, deren Fr\u00fcchte roth sind, und er untersuchte das Laub des Kirschenbaumes und besonders das der rothen Johannisbeeren, welches oft so roth wie ihre reifen Beeren aussieht. Der Farbestoff wurde mit Alkohol ausgezogen, welcher nach dem Abdestilliren eine rothe Fl\u00fcssigkeit zuriickliefs, die zuerst von gef\u00e4lltem Harze und Fett abfiltrirt werden mufste. Der Farbestoff ist in Wasser l\u00f6slich und stimmt also wohl ganz mit dem\n*\trothen Extractivstoff \u00fcberein, welchen Herr Marquart aus den rothen Blumen erhielt und f\u00fcr ein ges\u00e4uertes Blumenblau erkl\u00e4rte. Auch Macaire wiefs schon nach, dafs der rothe Farbestoff in den rothen Bl\u00e4ttern zur Herbstzeit\nf mit demjenigen in den rothen Bl\u00e4ttern und Bl\u00fcthen \u00fcberhaupt \u00fcbereinstimmt. Herr Berzelius nennt diesen rothen Farbestoff Erythrophyll, Blattroth und spricht sich gegen die Ansicht aus, nach welcher diese rothe Farbe immer nur ein ges\u00e4uertes Blau w\u00e4re; er fand denselben Farbestoff auch in den Fr\u00fcchten des Kirschenbaumes und der schwarzen Johannisbeere (Ribes nigrum), so dafs dieser Farbestoff offenbar mit dem ger\u00f6theten Blumenblau nach 4 Marquart einer und derselbe ist. Demnach h\u00e4tten wir gegenw\u00e4rtig folgende f\u00fcr sich bestehende Farbestoffe: das Blattgr\u00fcn, das Blattgelb, das Blumengelb, das Blumenblau und das Blattroth, welche den Farben der Pflanzentheile zun\u00e4chst zum Grunde liegen, und die n\u00e4chste Zeit mag die Verwandtschaft und die Analysen dieser einzelnen Farbestoffe n\u00e4her nachweisen, aber besondere Aufmerksamkeit m\u00f6ge man auf das Blumenharz und \u00fcberhaupt auf\n*\tdie farbeloseil harzigen Extractivstoffe richten, welche neben jenen Farbestoffen in den gef\u00e4rbten Pflanzentheilen auftreten.\nUeber die Farben der Rinden und der verschiedenen H\u00f6lzer, welche zum Farben gebraucht werden, sind noch - einige besondere Bemerkungen n\u00f6tliig. Die gelbe, braune und mehr oder weniger dunkelbraune F\u00e4rbung der Zellen-Membran, welche besonders in einigen Familien der Pflanzen, als z. B. im Holze und der Rinde der Palmen, der","page":461},{"file":"p0462.txt","language":"de","ocr_de":"462\nbaumartigen Farm, in den Jungermannien u. s. w. fast * * ganz allgemein vorkommt, besteht in der F\u00e4rbung der Zellen-Membranen, woraus die gef\u00e4rbten Theile jener 4 Pflanzen zusammengesetzt sind, worauf schon im ersten 1 Theile dieses Baches pag. 182 aufmerksam gemacht wurde. I Die Ursache dieser F\u00e4rbung ist noch nicht nachgewiesen; j der Farbestoff durchdringt die ganzen Membranen und j haftet an denselben so fest, dafs er wohl kaum trennbar 1 ist. Ganz ebenso verh\u00e4lt es sich in den braungef\u00e4rbten ^ Rinden der \u00fcbrigen Pflanzen, und es scheint eben derselbe Stoff zu sein, welcher in manchen F\u00e4llen auch die Zelien-saft-K\u00fcgelchen braun f\u00e4rbt*). In den gef\u00e4rbten H\u00f6lzern i der Dicotyledonen, welche wegen ihrer vielfachen technischen Benutzung so bekannt sind, verh\u00e4lt es sich zum Theil etwas anders, hier sind die Membranen der Elementarorgane, welche das Holz bilden, zwar ebenfalls etwas gef\u00e4rbt, aber der gr\u00f6fsere Theil des Farbestoffes liegt in 1 den Zellen selbst und schimmert durch die W\u00e4nde derselben hindurch. Es w\u00e4re sehr zu w\u00fcnschen, dafs man gegenw\u00e4rtig die verschiedenen Farbestoffe solcher H\u00f6lzer nochmals untersuchte, um zu sehen, ob dieselben nicht mit den schon vorher genannten der Bl\u00e4tter und Blumen \u00fcbereinstimmen.\nH. Dutrochet**) hat schon nachgewiesen, dafs im Ebenholze (Diospyros Ebenum Retz) der Farbestoff im l! Inneren der Holzzellen liege; derselbe kommt aber nicht nur in den kurzen Pleurenchym-Zellen vor, welche H. D. clostres genannt hat, sondern die Zellen der Markstrahlen sind ganz besonders stark damit gef\u00e4rbt und, was H. Du- i\\ trochet \u00fcbersehen hat, auch die Membranen der Elementarorgane dieses Holzes sind etwas gelbbr\u00e4unlich gef\u00e4rbt.\nDer Farbestoff in den Zellen des Ebenholzes erscheint unter dem Mikroskope dunkel violettblau. Im Brasilienholze (Caes\u00e4lpinia brasiliensis und mehrere andere Arten\n*) S. Bd. I. pag. 206.\n*) Recherch. nat. et phys. sur la struct, intime etc. p. 35-","page":462},{"file":"p0463.txt","language":"de","ocr_de":"463\njener Gattung), im Sappanhol-ze (Caesalpinia Sappan), Campeschenholze (Haematoxylon campechianum), und im Sandelholze (Pterocarpus santalinus L.) verh\u00e4lt es sich ganz ebenso, nur dafs die Farben verschieden und nicht r so stark sind. Unser gew\u00f6hnliches Maulbeerholz und auch das Lindenholz ist gelblich, doch hier liegt die Farbe nur in der Membran der Zellen.\nEinige auffallende Eigenthiimlichkeiten zeigt das sch\u00f6n sgefleckte harte Holz, welches bei uns unter dem Namen des Tiegerholzes im Handel vorkommt; es zeigt einen braunr\u00f6thlichen Grund, welcher hie und da mit mehr oder weniger grofsen, tief dunkel braunrothen Flecken durch-jbrochen ist. Diese letzteren Flecke werden durch die Markstrahlen veranlafst, deren Zellen mit einem dunkel braunrothen Farbestoffe gef\u00fcllt sind; die langen Holzzellen dagegen sind in ihrer Membran ebenfalls etwas gelblich gef\u00e4rbt, aber in ihren H\u00f6hlen mit einem gelbbr\u00e4unlichen Stoffe gef\u00fcllt, der die Masse weniger dunkel f\u00e4rbt, weil die Zellenw\u00e4nde hier sehr dick und nur wenig gef\u00e4rbt sind. Besonders auffallend sind hier noch die grossen get\u00fcpfelten Spiralr\u00f6hren des Holzes, welche in ihren H\u00f6hlen ganz mit Zellen gef\u00fcllt sind, die viel auffallender gebauet sind, als jene blasenf\u00f6rmigen Zellen in den Spiralr\u00f6hren des Eichenholzes. In den Spiralr\u00f6hren des Tiegerholzes sind die W\u00e4nde jener Zellen \u00fcberaus dick und man kann oft 30 und noch mehr Schichten darin erkennen, welche nach allen Seiten hin, durch ausgezeichnet sch\u00f6n ver\u00e4stelte und verzweigte T\u00fcpfelkan\u00e4le durchbrochen wer-* den, die von der H\u00f6hle der Zellen ausgehen und meistens ebenso wie diese mit einem br\u00e4unlichen Farbestoffe gef\u00fcllt sind. Die H\u00f6hle dieser einzelnen Zellen ist meistens sehr klein und dunkel gef\u00e4rbt, w\u00e4hrend die \u00fcberaus dicken W\u00e4nde nur hellgelblich gef\u00e4rbt sind.\nDie Entf\u00e4rbungen, welche das todte Holz allm\u00e4lich zeigt, m\u00f6chten kaum an diesem Orte anzuf\u00fchren sein, indem dieselben ganz und gar dem Chemismus angeh\u00f6ren. Einige H\u00f6lzer werden, der Luft und dem Lichte ausgesetzt","page":463},{"file":"p0464.txt","language":"de","ocr_de":"464\nallm\u00e4lich immer dunkeier und dunkeier gef\u00e4rbt; das Birkenholz, das Erlenholz, aber besonders das Mahagoniholz zeichnet sich hierin ganz besonders aus; man hat die Erscheinung durch allmaliche Verbrennung der Kohle zu erkl\u00e4ren gesucht, doch viel wirksamer m\u00f6chte hiebei die Gerbs\u00e4ure sein, deren Eigenschaften wir fr\u00fcher kennen gelernt haben.\nDrittes Capitel.\nVon den Dr\u00fcsen der Pflanzen.\nBei den Thieren werden die haupts\u00e4chlichsten, ja fast alle Secretionen durch besondere Organe ausgefiihrt, welche sich durch eigenth\u00fcmliche Structur auszeichnen und den Namen der Dr\u00fcsen f\u00fchren; bei den Pflanzen dagegen geh\u00f6ren die Secretionen durch besondere Dr\u00fcsen zu den ; Seltenheiten. Durch die sch\u00f6nen Untersuchungen des Herrn J. M\u00fcller \u00fcber die Structur der thierischen Dr\u00fcsen ist man zu dem allgemeinen Resultate gelangt, dafs die Fl\u00e4chen der ser\u00f6sen H\u00e4ute die Absonderungen bewirken, und dafs die mannigfaltige Structur der Dr\u00fcsen eigentlich nur Vergr\u00f6fserung \u2018 der Absonderungsfl\u00e4che bezweckt. 1 Dasselbe sehen wir eigentlich auch in den Pflanzen, denn auch hier werden alle Secretionen von den Zellen-Mem- j branen bewirkt; bald lagern diese die abgesonderten Stoffe in das Innere der Zellen hinein, sonderen dann also mit der inneren Fl\u00e4che ab, bald lagern sie die abgesonderten Stoffe nachAufsen, und Letzteres findet besonders alsdann statt, wenn die Absonderung im Inneren der Zellen sehr stark ist. Die Dr\u00fcsen der Pflanzen sind nichts als Zellen, bald einzeln stehend, bald in mehr oder weniger grofsen Massen zusammengeh\u00e4uft, welche die verschiedenartigen Stoffe absondern; bald liegen sie im Inneren des Gewebes der Pflanzen, bald ragen sie \u00fcber die Oberfl\u00e4che dersel-","page":464},{"file":"p0465.txt","language":"de","ocr_de":"465\nLen hinaus, und diese sind es haupts\u00e4chlich, welche man vorzugsweise mit dem Namen der Dr\u00fcsen belegte *). Bald sondern jene Zellen die eigenth\u00fcmlichen Stoffe im Inneren ab, bald werden diese auf der \u00e4ufseren Oberfl\u00e4che niedergeschlagen. Man hat eine Menge der verschiedensten Gebilde zu den Dr\u00fcsen der Pflanzen gebracht, doch ich verstehe darunter, nach den vorhergegangenen Definitionen, nur solche Gebilde, welche besondere S\u00e4fte r absondern, und da die Mannigfaltigkeit unter den Pflanzen-Dr\u00fcsen sehr grofs ist, so sind mehr oder weniger specielle Eintheilungen noting, um die verschiedenen Arten der Dr\u00fcsen n\u00e4her kennen zu lernen und ihre Bedeutung kla-frer aufzufassen.\nNach den wichtigsten Differenzen unterscheidet man \u00e4ufsere Dr\u00fcsen und innere Dr\u00fcsen.\nDie \u00e4ufseren Dr\u00fcsen liegen auf der Oberfl\u00e4che der Pflanzen und treten einfach und auch zusammengesetzt auf. Die einfachen \u00e4ufseren Dr\u00fcsen bestehen aus einer oder aus einigen wenigen, meistens nur aus zwei Zellen, die zusammengesetzten \u00e4ufseren bestehen dagegen i aus mehr oder weniger grofsen H\u00e4ufchen von Zellen.\nDie einfachen Dr\u00fcsen stellen sich in Form von H\u00e4rchen dar, womit die Oberfl\u00e4che der Pflanzen mehr oder weniger h\u00e4ufig bekleidet ist; sie sind wiederum ungestielt , und gestielt. Die ungestielten einfachen Dr\u00fcsen bestehen aus einer einzelnen Zelle, welche mit ihrer \u00e4ufseren Wand zu einem kleinen, etwas keulenf\u00f6rmig angeschwollenen H\u00e4rchen ausgewachsen ist; gerade in dem keulenf\u00f6rmigen * Ende dieser Zelle scheint der haupts\u00e4chlichste Sitz der Absonderung zu sein. Bei dem Helleborus foetidus treten diese einfachen Dr\u00fcsen sehr h\u00e4ufig auf, besonders am Blumenstengel, und enthalten ein gelblichgr\u00fcn gef\u00e4rbtes Oely welches den unangenehmen Geruch jener Pflanze verur-~ sacht; auch bei Sisymbrium-Arten habe ich dergleichen einfache keulenf\u00f6rmige H\u00e4rchen beobachtet und Fig.21\u201423.\n*) S. Meyen, Ueber die Secretions-Organe der Pflanzen pag, 5.\nMeyen, Pfl. Physiol, II,\n30","page":465},{"file":"p0466.txt","language":"de","ocr_de":"466\nTab. I. in meiner Schrift \u00fcber die Secretions-Organe abgebildet. Jene keulenf\u00f6rmigen Dr\u00fcsenhaare des Hellebo-rus foetidus zeigen noch mehrere besondere Eigent\u00fcmlichkeiten. Bald nachdem das Ende des H\u00e4rchen vollkommen kugelf\u00f6rmig angeschwollen ist, bemerkt man, dafs sich im Inneren der Membran noch eine zweite \u00e4ufserst zarte gebildet hat, welche den Inhalt des Ganzen umschliefst. Etwas sp\u00e4ter trennt sich an der Spitze des K\u00f6pfchens die innere Haut von der \u00e4ufseren, und dann erscheint dasselbe sehr h\u00e4ufig durch eine durchsichtige Sichel umschlossen, welche nichts weiter als die \u00e4ufsere Membran ist, von der sich die innere mit ihrem Inhalte zur\u00fcckgezogen hat. Endlich springt das Dr\u00fcsenk\u00f6pfchen auf, indem sich der obere Theii desselben in Form eines kreisrunden Scheibchen abl\u00f6st und dann einen gestielten Becher zur\u00fcckl\u00e4fst, der noch einige Zeit hindurch die se-cernirte Substanz enth\u00e4lt, bis auch die zarte innere Haut zerst\u00f6rt wird.\nDie einfachen gestielten Dr\u00fcsen sind viel h\u00e4ufiger bei den Pflanzen auftretend, und allgemein unter dem Namen der dr\u00fcsenf\u00f6rmigen Haare oder der Dr\u00fcsen - tragenden Haare (pili glanduliferi und pili capitati De Candolle, glandulae stipitatae simplices Link) bekannt. Die Dr\u00fcse sitzt hier am Ende des Haares und besteht entweder aus einer einzelnen Zelle, oder aus 2, 3 bis 4 Zellchen, welche nach einer bestimmten Regel zusammengestellt sind. Es bildet sich diese Dr\u00fcse aus der Endzeile des H\u00e4rchens, welche dann \u00f6fters noch mehrmals getheilt wird, doch herrscht wohl kein wesentlicher Unterschied zwischen solchen Dr\u00fcsen, welche bald aus einer einzelnen Zelle, bald aus mehreren bestehen, und oftmals dicht neben einander auftreten. Auch die Form dieser Dr\u00fcsen ist sehr verschieden und man k\u00f6nnte folgende Formen besonders unterscheiden. Es sind die K\u00f6pfchen dieser einfach gestielten Dr\u00fcsen:\n1) elliptisch, wie bei Salpiglossis hybrida, bei Erodium cicutarium u. s. w.;","page":466},{"file":"p0467.txt","language":"de","ocr_de":"467\n2)\tkugelf\u00f6rmig, wie bei der Primula sinensis, bei (Domarum palustre;\n3)\ttas ch en f\u00f6rmig, wie die einfachen gestielten IDriisen an dem Blumenstiele von Antirrhinum majus *).\n4)\thutf\u00f6rmig. So wie bei der vorhergehenden Form lie Dr\u00fcse der Seitenfl\u00e4che nach zusammengedr\u00fcckt war,\n:,so ist sie bei den hutf\u00f6rmigen von Oben herab linsenf\u00f6rmig zusammengedr\u00fcckt und erscheint, mehr oder weniger '\u00e4hnlich der Form eines Hutpilzes. Die Scrophularia nodosa zeigt sehr einfache und niedliche Dr\u00fcsen der Art, aber ausgezeichnet sind sie bei den Collomien, wo sie lilidie Bl\u00e4tter und den Kelch auf beiden Seiten bekleiden nijmd diesen Theilen durch ihre starke Absonderung ein sehr . gl\u00e4nzendes Ansehen geben.\nIch habe hier die haupts\u00e4chlichsten Formen dieser Dr\u00fcben, welche man gew\u00f6hnlich unter Kopfhaare (pili capitati Oe Candolle) angiebt aufgef\u00fchrt, doch wie wenig wesentlich diese Formverschiedenheiten sind, das geht wohl daraus hervor, dafs man sehr h\u00e4ufig auf einer und derselben Pflanze, mind oft sogar dicht neben einander jene verschiedenen Formen der Dr\u00fcsen vorfindet. H\u00e4ufig entwickeln sich die elliptischen Dr\u00fcsen aus den kugelf\u00f6rmigen, und nicht selben werden elliptische zu kugelf\u00f6rmigen. Zwischen den hutf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen der Collomia grandiflora **), der Eu-[:oca viscosa***) u. s. w. finden sich viele Formen von -.ihutf\u00f6rmigen und elliptischen Dr\u00fcsen. Schliefslich unterscheide ich noch zwei andere Formen von einfachen gestielten Dr\u00fcsen, welche besonders durch ihr Auftreten bei bestimmten Pflanzen bemerkenswert!) sind, und zwar:\n5)\tgefl\u00fcgelte Dr\u00fcsen, wo das Dr\u00fcsenk\u00f6pfchen aus zwTei ellipsoidischen und neben einander gestellten Zellen besteht, welche am unteren Theile mit einander\nr *) S. F. 21\u201423. Tab. II. in meiner Schrift \u00fcber die Secretions-rOrgane, wo \u00fcberhaupt zu allen diesen Formen eine Menge von Abbildungen zu finden sind.\n**) S. Meyen, Secretionsorg. Tab. IV. Fig. 17.\n***) 1. e. Fig. 20, Tab. VII.\n30*","page":467},{"file":"p0468.txt","language":"de","ocr_de":"468\nverwachsen sind und am oberen mehr oder weniger weit auseinanderstehen. Auf den Blumenstielen der Lysimachia vulgaris *) sind solche Dr\u00fcsen vorkommend.\n6)\tkreuzf\u00f6rmige Dr\u00fcsen. Diese Form ist sehr jl niedlich ; sie wird aus vier kleinen, regelm\u00e4fsig \u00fcber Kreuz gestellten Zellchen zusammengesetzt, welche um die Spitze des Stielchens gelagert sind, so dafs dieses dazwischen durchscheint und als eine 5te in der Mitte stehende Zelle . angesehen werden kann. Bei den Urticeen, wenigstens * bei der Gattung Urtica kommen diese kleinen und nied-l liehen Driischen zwischen den vielen und grofsen Haaren ' u. s. w. in Menge vor, und sind in Fig. 7-\u201413. Tab. VIII. meiner Abhandlung \u00fcber die Secretions-Organe abgebildet. Zu dieser Form geh\u00f6ren auch wohl die kleinen Dr\u00fcsen bei den Sesameen, welche von Herrn Endlicher so sch\u00f6n beschrieben worden sind.\nBesonders bemerkenswerth sind auch\t*\n7)\tdie blasenf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen, deren Auftreten etwas ausf\u00fchrlicher bestimmt werden mufs. Es werden diese Dr\u00fcsen aus mehr oder weniger grofsen und blasen-formig angeschwollenen, einzelnen Zellen gebildet, welche auf einem kurzen Stiele sitzen, der bald aus einer einfachen haarf\u00f6rmigen Zelle besteht, bald aus mehreren Zellen, welche in Form eines kegelartigen Stieles zusammenstehen. Die Gattung Chenopodium giebt f\u00fcr den ersteren Fall die be- \u00a7 sten Belege; man erkennt an den jungen Bl\u00e4ttern, so wie auch auf der Oberfl\u00e4che aller \u00fcbrigen Theile der jungen Pflanze, schon mit blofsem Auge, einen k\u00f6rnigen Staub, und dieser besteht aus lauter einzeln stehenden, kurzge- % stielten, blasenf\u00f6rmigenDr\u00fcschen, welche schon Guettard***) erkannt und glandes globulaires genannt hat. Bei der gemeinen Melde sind diese Dr\u00fcsen sehr grofs und mehr oder weniger regelm\u00e4fsig kugelf\u00f6rmig oder keulenf\u00f6rmig -gestaltet, auch unter sich in Hinsicht der Gr\u00f6fse sehr ver-\n*) 1. c. Fig. 42. Tab. II.\n\u00a5\u00a5) Linnaea VII. pag. 10 etc.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Observ\u00e2t, sur les plantes, \u00e0 Paris, 1747. II. p, 10\u201414.","page":468},{"file":"p0469.txt","language":"de","ocr_de":"469\nschieden. Je \u00e4lter die Blatter werden, je mehr verschwinden : die Dr\u00fcsen, ja auf der oberen Fl\u00e4che jener Bl\u00e4tter pflegt nur \u2018\u2022\u25a0i selten noch eine Spur von diesen Dr\u00fcsen zur\u00fcckzubleiben, i deren Form man \u00fcberhaupt nur an ganz jungen Pflanzen-theilchen der Art erkennen kann. Zu diesen blasenf\u00f6rmi-a gen Dr\u00fcsen stelle ich auch diejenigen, welche auf der Oberfl\u00e4che der Tetragonien und einiger Mesembryanthe-smum-Arten Vorkommen; bei den ersteren sind sie ganz ^deutlich gestielt, -doch ist der Stiel aus einer Menge von Zellen zusammengesetzt, bei Mesembryanthemum crystalli-;num tritt dagegen dieser Stiel nicht so deutlich hervor, jUSt aber in seiner Anlage nicht zu verkennen, wie es f\u00fcr ijfalle diese F\u00e4lle die Abbildungen auf Tab. VII. und Tab. II. ;;s zu meiner Abhandlung \u00fcber die Secretions-Organe nach-weisen.\nDie Stoffe, welche von den aufgef\u00fchrten einfachen Dr\u00fcsen abgesondert werden, sind \u00fcberaus verschieden; in \u2022den meisten F\u00e4llen sind sie von \u00f6ligt, harziger Natur und werden nicht nur im Inneren abgelagert, sondern auch nach Aufsen. Es sind aber auch F\u00e4lle bekannt, in welschen die gew\u00f6hnlichen Haare, an ihren Spitzen, mehr oder weniger grofse Massen eines besonderen \u00f6ligt-harzigen Stoffes absondern, oliue irgend eine eigenth\u00fcmliche Vorrichtung, etwa wie jene der einfachen Dr\u00fcsen zu besitzen, ^und wir sehen daraus abermals, dafs die Absonderungen \u2022der Pflanzen nur durch Zellen bewirkt werden. Bei der Fysimachia ist es nicht selten, dafs man an den Spitzen der H\u00e4rchen kleine Tr\u00f6pfchen des abgesonderten Stoffes (^beobachtet, doch hier zeigen auch einige H\u00e4rchen kleine j Dr\u00e4schen, die anderen dagegen nicht. Cuphea selenoides hat nur H\u00e4rchen von rother Farbe, die bald aus einer \u2022einfachen Zellenreihe, bald aus mehreren gebildet sind, sund ebenfalls an ihren Spitzen harzige Stoffe absondern, jolme jene besondere Structur zu zeigen, welche den vor-j her beschriebenen Dr\u00fcsen eigen ist.\nMitunter ist die Absonderung der gestielten Dr\u00fcsen sehr auffallend ; bei der Primula sinensis werden dieselben","page":469},{"file":"p0470.txt","language":"de","ocr_de":"470\nzuweilen verhaltnifsm\u00e4fsig sehr grofs, platten sich oben ab, platzen auf und nehmen die Form eines regelm\u00e4fsigen Bechers an, aus dem, einige Zeit hindurch, eine \u00e4therisch \u00f6lige Fl\u00fcssigkeit ausfliefst *).\nDie kreuzf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen erscheinen ungef\u00e4rbt und enthalten eine durchsichtige und etwas schleimige Fl\u00fcssigkeit, welche aber nicht nach Aufsen abgelagert wird, ebensowenig, als bei den blasenf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen der Chenopo-dien, Tetragonien u.s. w., wo die mehr oder weniger grofsen Blasen mit einer etwas schleimigen aber wasserhellen Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt sind, die mitunter, wie bei den Tetragonien sehr reich an ganz kleinen Molek\u00fclen ist. Ueber-haupt bemerkt man an den abgesonderten Stoffen der letzteren Arten von Dr\u00fcsen, keine so grofse Abweichung, in Hinsicht ihrer chemischen Zusammensetzung von den \u00fcbrigen S\u00e4ften der Pflanzen, als dieses bei den anderen Dr\u00fcsen der Fall war.\n8) Die Brennhaare geh\u00f6ren ebenfalls zu den einfachen Dr\u00fcsen und reihen sich zun\u00e4chst den blasenf\u00f6rmigen an; sie sind in vieler Hinsicht so h\u00f6chst ausgezeichnet, dafs eine speciellere Betrachtung derselben n\u00f6thig erscheint.\nDie Brennhaare der Nesseln h\u00e4tten uns, ihrer Brennen-erregenden Wirkung wegen, wohl schon lange bekannt sein sollen, doch \u00fcber die Structur derselben sind bis zur neuesten Zeit sehr unrichtige Ansichten im Gange gewesen. Man dachte sich das H\u00e4rchen als einen Ausf\u00fchrungsgang einer zusammengesetzten Dr\u00fcse, welche den \u00e4tzenden Saft absondert, indessen die H\u00e4rchen dieser Gebilde sind vollst\u00e4ndige, ganz f\u00fcr sich bestehende Zellen, deren unteres Ende stark bulbusartig angeschwollen und von Aufsen mit einer einfachen Zellenlage, gleichsam wie mit einer Fortsetzung der Epidermis \u00fcberzogen sind, wodurch der Bulbus auf einem, mehr oder weniger langen Stiele befestigt erscheint. Bei der Gattung Urtica ist dieser\n*) S. Secretions-Organe etc. pag 28. Tab, 1. Fig, 8\u201414.","page":470},{"file":"p0471.txt","language":"de","ocr_de":"Stiel bedeutend dick, von sch\u00f6n gr\u00fcngef\u00e4rbten Zellen gebildet und in seiner Spitze sitzt der Bulbus des Brenn-haares. Die einfache Zellenschicht, welche den Bulbus seitlich umkleidet, ist nicht immer gleich hoch hinauflau-r fend, ja zuweilen, was man bei den Brennhaaren der Loa-sen so h\u00e4ufig findet, fehlt sie fast ganz, und dann steht der Bulbus des Brennhaares ganz frei und nur mit seiner Basis auf der Oberfl\u00e4che der Pflanzen befestigt. Zuweilen * ist die Ausdehnung des Bulbus so stark, dafs sich die Zellen der umschliefsenden H\u00fclle an verschiedenen Stellen von einander trennen, und die darunter liegende Haut alsdann frei wird*). Sind die Brennhaare der gemeinen f Nesseln stark ausgewachsen, so kann man den Bulbus derselben unter der umschliefsenden Zellenlage nur sehr selten wahrnehmen, was dann aber auf L\u00e4ngenschnitten auszuf\u00fchren ist; bei den jungen Haaren ist der Bulbus seht deutlich zu sehen.\nAuf den Bl\u00e4ttern einiger Jatropha-Arten, bei denen ebenfalls Brennhaare Vorkommen, da sitzen dieselben auf der Oberfl\u00e4che der Rippen, und sie sind mit ihren Spitzen, \u00a7 der Fl\u00e4che zu, viel st\u00e4rker geneigt, als bei den Nesseln, auch ist der Bulbus nicht ganz, sondern nur an der Basis und zur Seite von der umh\u00fcllenden Zellenlage eingeschlossen.\nDie Spitze dieser Brennhaare ist \u00fcberall mit einem kugelrunden feinen K\u00f6pfchen besetzt, welches bei den Nesseln und den Loasen seitlich gelegen ist und auf der convexen Seite der Biegung einen kleinen T\u00fcpfelkanal in + der Substanz der Membran aufzuweisen hat. Bei den Ja-trophen ist das K\u00f6pfchen an der Spitze der Brennhaare sehr grofs und gerade aufsitzend, d. h. die Spitze dieser Haare ist nicht umgebogen wie die der Nesseln und Loasen. Sticht man sich mit den Spitzen jener Brennhaare, - so bricht das K\u00f6pfchen in der Haut ab und bleibt in der\n*) S. \u00fcber diesen Gegenstand: Meyen, Uebci die Secretion**\nOrgane etc. pag, 41\u201444. 4 ab. \"VIII.","page":471},{"file":"p0472.txt","language":"de","ocr_de":"472\nWunde zur\u00fcck, wobei zugleich eine Menge des Saftes in die Wunde fliefst, welcher im Inneren des Brennhaares enthalten war. Dieser Saft ist es eben, der die \u00e4tzende Wirkung auf die Haut des Menschen hervorruft; wenn man die Haut damit betupft, nachdem das K\u00f6pfchen des Haares abgeschnitten ist, so wird man sich davon \u00fcberzeugen k\u00f6nnen. Die Fl\u00fcssigkeit ist etwas consistenter, als gew\u00f6hnlicher Zellensaft; eine Menge kleiner Molek\u00fcle und etwas condensirter Schleim sind darin enthalten und zeigen die Rotationsstr\u00f6mungen, welche ich schon fr\u00fcher n\u00e4her nachgewiesen habe.\nBei der Gattung Jatropha sind diejenigen Arten, welche nicht brennen, auch ohne jene Brenn-Haare, dagegen bei der Gattung Urtica s\u00e4mmtliche Arten mit solchen Haaren versehen sind, doch ist der Saft in denselben nicht bei allen Arten \u00e4tzend; aber aufserdem wird der \u00e4tzende Saft bei einigen Nesseln noch in anderen, und viel kleineren Haaren zubereitet, welche sich von den gew\u00f6hnlichen nur sehr wenig unterscheiden, und wie diese nur aus der Reihe der Epidermis-Zellen hervorragen.\nDie zusammengesetzten Dr\u00fcsen werden ebenfalls aus Zellen gebildet, welche in mehr oder weniger grofsen Massen vereinigt sind und eine mehr regelm\u00e4fsig sph\u00e4rische Form annehmen. Zwischen den einfachen und den zusammengesetzten Dr\u00fcsen findet sich eine grofse Zahl von Uebergangsformen, so dafs man oft in Verlegenheit ist, ob sie der einen oder der anderen Abtheilung zuzurechnen sind, obgleich die extremen Formen dieser beiden Abtheilungen ganz \u00fcberaus verschieden von einander sind. Bald findet man die Dr\u00fcse aus einem einzelnen Zellchen bestehend, und der Stiel wird aus mehreren Zellenreihen zusammengesetzt, so dafs er, der Basis zu, immer dicker wird, wie bei Saxifraga punctata*); bald ist die Dr\u00fcse aus mehreren Zellen zusammengesetzt und der Stiel stellt ein einfaches gegliedertes H\u00e4rchen dar, wie man es an\n*) S. I. c. Tab. V1\u00ce. Fig.31; Tab. IV. Fig. 18 - 22. u. s w,","page":472},{"file":"p0473.txt","language":"de","ocr_de":"473\nden Dr\u00fcsen auf dem Blumenstiele der Sanguisorba carnea sehen kann *).\nAuch die zusammengesetzten Dr\u00fcsen zeigen in Hin-sicht ihrer Zusammensetzung, ihrer Form, Gr\u00f6fse und Absonderung die gr\u00f6fsten Verschiedenheiten, wovon wir hier die haupts\u00e4chlichsten hervorheben wollen. Die zusammengesetzten Dr\u00fcsen sind hohl in ihrem Inneren, oder sie sind durch und durch mit Zellengewebe cwsgefiillt. Von den hohlen zusammengesetzten Dr\u00fcsen sind mir drei Hauptformen bekannt:\n1) Die scheibe nf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen. Sie haben eine scheibenf\u00f6rmige Gestalt mit einer flach conkaven\nI Oberfl\u00e4che und einem sehr kurzen, nabelartigen Stiele auf der unteren Fl\u00e4che; sie werden aus einer einfachen Haut gebildet, die aus kleinen, gelbgef\u00e4rbten, tafelf\u00f6rmigen Zellen besteht und der ganzen Dr\u00fcse eine sch\u00f6ne gelbe F\u00e4rbung giebt, die um so dunkeier erscheint, je \u00e4lter die Dr\u00fcsen sind. Auf der oberen Fl\u00e4che dieser Dr\u00fcsen ist keine regel-m\u00e4fsige Stellung der Zellen zu bemerken, wohl aber auf der unteren Fl\u00e4che, wo die Zellen mehr vom Nabel aus\n*\tstrahlig gestellt sind. Bei dem Hopfen (Humulus Lupulus L.) sind diese Dr\u00fcsen sehr ausgezeichnet, so dais man die Fl\u00e4chen der jungen Bl\u00e4tter und Stengel gelb punktirt erblickt, und auf den Kelchbl\u00e4ttern der m\u00e4nnlichen Bl\u00fcthen,\n\u25a0h so wie auf den Schuppen und Saamenh\u00fcllen der Z\u00e4pfchen der Hopfen-Pflanze findet man diese goldgelben Dr\u00fcsen in sehr grofser Anzahl. Diese Dr\u00fcsen sind es, welche die wirksame Substanz des Hopfens enthalten, und das Mi-\n*\tkroskop weist nach, dafs der Inhalt in einer schleimigen Fl\u00fcssigkeit, einer Menge von Oeltr\u00f6pfchen und einer unz\u00e4hlbaren Menge von kleinen K\u00fcgelchen einer festeren Substanz besteht. Diese K\u00fcgelchen sind dunkel, zeigen eine durchsichtige, wahrscheinlich schleimige Umh\u00fcllung und zeigen eine \u00fcberaus lebhafte freie Bewegung, welche sogar die kleinen Oeltr\u00f6pfchen mit in eine flimmernde\n*) 1. C. Tab, IV. Fig. 36-40,","page":473},{"file":"p0474.txt","language":"de","ocr_de":"474\nBewegung setzt. Die ausf\u00fchrlichere Beschreibung, so wie \u00ablie Abbildungen zu diesem Gegenst\u00e4nde findet man in der Abhandlung \u00fcber die Secretions-Organe pag. 38 \u2014 40 Tab. V. Fig. 17\u201421. u. s. w. worauf ich verweise.\nAehnliche Dr\u00fcsen kommen auch auf der unteren Flache der Bl\u00e4tter von Ribes nigrum vor, doch enthalten diese nur ein gelbgr\u00fcnes Oei, welches jener Pflanze den unangenehmen Geruch mittheilt.\n2)\tDie m\u00fctzenf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen; sie kommen auf dem Diptam (Dictamnus albus L.) in so grofser Menge und so aufserordentlich grofs vor, dafs sie schon mit blo~ lsem Auge zu erkennen sind; besonders sind es die Bl\u00fc-thentheile und dieBliithenstengel, worauf man diese Dr\u00fcsen vorz\u00fcglich sch\u00f6n ausgebildet findet. Sie werden aus einer einfachen Haut gebildet, welche aus kleinen Zellen zusammengesetzt ist, die man als eine Fortsetzung der Epidermis ansehen kann, wovon die obersten in eine haarf\u00f6rmige Spitze auswachsen, welche dem Ganzen eine m\u00fctzenf\u00f6rmige Gestalt giebt. Die grofse H\u00f6hle im Inneren ist mit einem \u00e4therischen Oele von gr\u00fcner Farbe gef\u00fcllt, welches jenen Pflanzen den \u00fcberaus angenehmen Geruch mittheilt und bei warmer Witterung in solcher Menge verdunstet wird, dafs die Atmosph\u00e4re rund um die Blumen der Pflanze entz\u00fcndbar wird. Bei dem rothen Diptam sind die Zellen, welche die Wand dieser Dr\u00fcsen bilden, mit rothem Zellensafte gef\u00e4rbt, bei dem weifsen Diptam sind sie jedoch ungef\u00e4rbt.\n3)\tDie keulenf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen; sie sitzen in den Blattwinkeln bei den Pflanzen der Gattungen der Ru-biaceen, und sind bei Galium Aparine schon durch Guettard aufgefunden, aber, selbst ganz neuerlichst noch, von den Botanikern \u00fcbersehen. Bei der Rubia tinctorum sind 20 \u2014 30 solcher keulenf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen in einem jeden Quirl zu finden, sie sind hier sehr grofs, werden im Alter br\u00e4unlich gef\u00e4rbt und daher leicht erkennbar. Die H\u00f6hle im Inneren des keulenf\u00f6rmig angeschwollenen Endes Ft deutlich zu erkennen, doch \u00fcber das Secret in densel-","page":474},{"file":"p0475.txt","language":"de","ocr_de":"ben, werden erst die zuk\u00fcnftigen Beobachtungen Aufschluss geben.\nDie zusammengesetzten Dr\u00fcsen, welche im Inneren keine H\u00f6hlung zeigen, sondern von einer und derselben Zellenmasse durch und durch gebildet werden, zeigen ebenfalls grofse Verschiedenheiten, sowohl in Hinsicht ihrer Structur, als in Hinsicht ihrer Absonderungen. Ich f\u00fchre . hier zuerst zwei Arten von zusammengesetzten Dr\u00fcsen auf, welche aus einem grofsmaschigen, wasserhellen Zellengewebe gebildet werden und nicht nach Aufsen absondern , als :\n\u25ba\t1) Die gegliederten Dr\u00fcsen. Diese gegliederten\n^ Dr\u00fcsen bilden einen deutlichen Uebergang zwischen den einfachen und den zusammengesetzten Dr\u00fcsen; die einfachste Form findet sich auf dem Kelche der Bryonia alba, wo es kleine H\u00e4rchen sind, deren letztere 4 bis 5 Zellen etwas blasenf\u00f6rmig angeschwollen und perlenf\u00f6rmig aneinander gereiht sind. Die Zellen sind mit einer etwas k\u00f6rnigen limpiden Masse gef\u00fcllt und sondern auch etwas Klebriges nach der \u00e4ufseren Oberfl\u00e4che hin aus. Zusam-r mengesetzter sind diese Dr\u00fcsen schon bei der Sanguisorba carnea, wo der Uebergang aus einer einfachen Zellenreihe in eine gr\u00f6fsere Anh\u00e4ufung von Zellen immer deutlicher wird, doch bleibt hier der Stiel noch immer ganz einfach. F Die Zellen in jenen Dr\u00fcsen der Sanguisorba sind sehr regelm\u00e4fsig gestellt *) und enthalten in ihrem Inneren ein grofses ungef\u00e4rbtes K\u00fcgelchen eines harzigen Stoffes, welches gr\u00f6fstentheils die H\u00f6hle jeder Zelle f\u00fcllt und durch-\nr\t\\\nscheint.\n2) Die Perl-Dr\u00fcsen. Es sind mehr oder weniger grofse und ziemlich regelm\u00e4fsig kugelf\u00f6rmig gestaltete, wasserhelle K\u00f6rperchen, meistens von der Grofse eines Nadelkn\u00f6pfchens, zuweilen auch wohl 3- und 4 mal so grofs und durch einen \u00e4ufserst feinen Stiel an der Oberfl\u00e4che der Pflanzen befestigt. Man glaubt ein Harztr\u00f6pf-\n*) S, Secretions- Organe etc. Tab. IV. Fig. 36 \u2014 40.","page":475},{"file":"p0476.txt","language":"de","ocr_de":"476\nehen oder ein Wassertr\u00f6pfchen auf den Pflanzen zu sehen, wo sie Vorkommen. Sie bestehen aus grofsen und \u00e4ufserst zarth\u00e4utigen Zellen, welche mit einer wasserhelien Fl\u00fcssigkeit von salzig-s\u00fcfsem Gesehmacke gef\u00fcllt sind; in einzelnen Zellen sind an der inneren Wand etwas consistentere Fl\u00fcssigkeiten abgelagert, und in jeder einzelnen Zelle findet sich noch ein gr\u00f6fseres rundes K\u00fcgelchen, welches sich in kochendem Alkohol aufl\u00f6st und aus Harz zu bestehen scheint. Im Alter platzen diese Dr\u00fcsen auf und ein schwarzes Fleckchen, welches aus den schwarzgewordenen Zellenw\u00e4nden besteht, bezeichnet noch lange Zeit hindurch den fr\u00fcheren Sitz solcher Dr\u00fcsen; doch an anderen Stellen entwickeln sich wieder neue Dr\u00fcsen der Art und zwar durch Anschwellen und Theilung der \u00e4ufsersten Zellen, welche die Spitzen der zusammengesetzten H\u00e4rchen bilden, die sich aus den Epidermis-Zellen solcher Pflanzen entwickeln, welche jene Perl-Dr\u00fcsen aufzuweisen haben. Besonders grofs sind diese Dr\u00fcsen auf der unteren Blattfl\u00e4che der Cecropia peltata und C. palmata; bei ersterer Pflanze habe ich dieselben von der Gr\u00f6fse eines Reiskornes beobachtet, und dann erkennt man ihren Stiel schon mit blofsem Auge, womit sie meistens an den Seitenfl\u00e4chen der Blattnerven befestigt sind. In den Zellen dieser grofsen Dr\u00fcsen findet man mehrere Harzk\u00fcgelchen zu gleicher Zeit, was auch auf der Abbildung derselben in Fig. 24. Tab. VIII. meiner Abhandlung \u00fcber Secretions-Organe zu sehen ist. Auf dem weifsen Filze, welcher die untere Fl\u00e4che jener Bl\u00e4tter bedeckt, sind die abgestorbenen Dr\u00fcsen als schwarze Flecken besonders deutlich zu sehen. Ich habe diese Perl-Dr\u00fcsen bisher bei mehreren Arten der Gattung Begonia, z. B. bei B. platanifolia und B. vitifolia, bei den genannten Cecropien, bei den Piper-Arten, bei der Urtica macrostachys und bei Bauhinia anatomica gefunden *).\nEtwas verschieden von jenen Dr\u00fcsen sind die weitzen-\n*) S. die ausf\u00fchrlicheren Mitlhcilungen hier\u00fcber in Meyen\u2019s Secretions-Organe etc. pag. 47 etc.","page":476},{"file":"p0477.txt","language":"de","ocr_de":"477\nf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen, welche bei Pouronma guyanensis an der Basis des Blattstieles Vorkommen, wo sie einen braunen Flecken bilden, der aus einer grofsen Anzahl solcher weitzenf\u00f6rmig gestalteten und aufrecht neben einander stehenden dr\u00fcsigen K\u00f6rpern, untermischt mit braunen, gegliederten H\u00e4rchen von gleicher L\u00e4nge gebildet wird. Die H\u00e4rchen sind an ihrer Basis zu 4 und zu 6 mit einander verwachsen und zwischen ihnen sitzen jene weifsen Dr\u00fcsen, welche mit zunehmendem Alter eine gelbliche Farbe annehmen und immer mehr heranwachsen, so dafs zuweilen mehr als Hundert derselben schon mit blofsem Auge deutlich zu erkennen sind. In Menge f\u00fchlen sich diese alten Dr\u00fcsen etwas fettig an.\nDie \u00fcbrigen Arten der zusammengesetzten Dr\u00fcsen haben eine festere Structur und die meisten sind grofs und zeichnen sich durch eine anhaltend starke Secretion nach Aufsen hin aus; sie sind entweder ungestielt, warzenf\u00f6rmig \u00fcber die Oberfl\u00e4che des Stengels hervorragend, oder stark gestielt. Als ungestielte zusammengesetzte Dr\u00fcsen f\u00fchre ich die linsenf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen auf, welche auf der inneren Fl\u00e4che des merkw\u00fcrdigen Schlauches der Nepenthes destillatoria Vorkommen; sie bestehen aus einem straffen, kleinmaschigen braunen Zellengewebe, und haben die Form von Linsen. Da die linsenf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen nach Guettard gegenw\u00e4rtig ganz allgemein Lenticellen genannt werden, und auch durchaus nichts mit den Dr\u00fcsen gemein haben, so kann man sich jenes Namens zu anderen Benennungen bedienen.\nDie warzenf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen ragen nur wenig \u00fcber die Oberfl\u00e4che der Pflanzen hervor; es sind mehr oder weniger grofse K\u00f6pfchen von einem sehr kleinmaschigen festen Zellengewebe, welches einen sehr klebrigen harzigen Saft nach Aufsen absondert. Bei der Robinia vis-cosa sind diese Dr\u00fcsen zuerst durch Herrn Link entdeckt'; sie entstehen auf der Oberfl\u00e4che der jungen Stengel aus kleinen warzenf\u00f6rmigen Ausw\u00fcchsen, welche allm\u00e4lich immer mehr \u00fcber die Epidermis hervorragen, sie sind anfangs","page":477},{"file":"p0478.txt","language":"de","ocr_de":"478\nganz glatt und sondern nichts ab. Haben sie sp\u00e4ter eine gewisse Gr\u00f6fse erreicht, so beginnt die Absonderung \u00fcber der ganzen Oberfl\u00e4che und so reichlich, dafs zuletzt der ganze Stengel damit bedeckt wird. Man sehe zu diesen, wie zu den vorhergehenden Dr\u00fcsen die Abbildungen, welche sich in meiner Abhandlung \u00fcber die Secretions-Organe befinden.\nDie grofsen zusammengesetzten Dr\u00fcsen sind diejenigen, welche am allgemeinsten bekannt sind; bei den Rosen, den Rubus-Arten und den Drosera-Arten treten sie sehr h\u00e4ufig auf und werden, ihrer klebrigen Absonderung wegen, sogleich bemerkbar. Diese Dr\u00fcsen haben mehr oder weniger langte Stiele, welche zuweilen, wie bei der Drosera, Nepenthes, den Cassien u. s. w. sogar Spiralr\u00f6hren enthalten, welche bei den ersteren Pflanzen auch in die dr\u00fcsigen K\u00f6rper hineingehen. Die Dr\u00fcse sitzt an der Spitze jener Stiele in Form eines mehr oder weniger regelm\u00e4fsig runden, oder ellipsoidischen K\u00f6pfchens und besteht aus einem viel dichteren Zellengewebe als der Stiel; meistens ist der Stiel noch gr\u00fcngef\u00e4rbt, oder die Zellen desselben enthalten rothen Zellensaft, dessen K\u00fcgelchen mitunter, wie bei der Drosera angliea die bekannte Rotations-Str\u00f6mung zeigen, w\u00e4hrend das Dr\u00fcsenk\u00f6pfchen eine mehr braunrothe Farbe besitzt und mit der klebrigen Absonderung bedeckt wird. Von diesen Dr\u00fcsen der Gattungen Rosa, Rubus und Drosera habe ich ebenfalls am angef\u00fchrten Orte auf Tab. VI. die n\u00f6thigen Abbildungen mitgetheilt.\nZu den \u00e4ufseren zusammengesetzten Dr\u00fcsen der Pflanzen geh\u00f6ren auch diejenigen, welche Nectar absondern und unter dem Namen der Nectarien bekannt sind. Es treten die Nectarien in den Bl\u00fcthen der Pflanzen auf, bald auf diesem bald auf einem anderen Theile derselben, doch meistens geschieht die Absonderung des Honig-haltenden Saftes in der N\u00e4he des Fruchtknoten. Es zeigen sich diese Gebilde nicht selten in Form von Dr\u00fcsen, welche diesen Namen ganz vorz\u00fcglich verdienen, doch in anderen F\u00e4llen wird","page":478},{"file":"p0479.txt","language":"de","ocr_de":"an irgend einer Fl\u00e4che der Bliithentheile jener Honig-haltende Saft abgesondert, ohne dafs man an denselben auch nur eine Spur von einem eigent\u00fcmlichen Baue wahrnehmen kann, und es verh\u00e4lt sich mit diesen Absonderungen wie mit den meisten Anderen, welche bald durch eigent\u00fcmliche Dr\u00fcsen, bald an der glatten Oberfl\u00e4che gew\u00f6hnlicher Zellen vor sich gehen. Auch bei den Nectar-absondernden Dr\u00fcsen ist das Vorkommen der Spiralr\u00f6hren .von keiner Bedeutung; die dr\u00fcsige Substanz selbst besteht nur aus Zellengewebe, und die Spiralr\u00f6hren gehen nur in den Tr\u00e4ger hinein, auf dessen Spitze dieselbe sitzt. In der fleifsigen Schrift des Herrn Kurr *) finden sich hier\u00fcber \u00ab. schon die richtigen Angaben.\nDie Nectarien der Kaiserkrone (Fritillaria imperialis) sind von besonders auffallendem Baue, sie bestehen in linsenf\u00f6rmigen Gr\u00fcbchen, welche durch eine Schicht von kleinmaschigen ungef\u00e4rbtem Zellengewebe dargestellt werden, w\u00e4hrend das umgebende Zellengewebe orangegelb gef\u00e4rbte K\u00fcgelchen enth\u00e4lt. Es ist besonders der Rand dieser Grube, welcher \u00fcber die Fl\u00e4che des Blumenblattes bedeutend hervorragt, und am unteren Theile derselben F biegt sich dieser Rand um ein Bedeutendes \u00fcber die Grube, so dafs dadurch eine halbverschlossene H\u00f6hle entsteht. Der Nectar wird auf der ganzen Fl\u00e4che dieser Dr\u00fcsen abgesondert und es bildet sich aus dem abgesonderten, + etwas consistenten Safte ein wasserheller Tropfen, der die ganze Grube erf\u00fcllt und mit seiner Convexit\u00e4t weit \u00fcber die Fl\u00e4che der Blumenbl\u00e4tter hervorragt, aber durchaus nicht von einer eigenen Membran umschlossen ist, wie - dieses von mehreren Botanikern angegeben worden ist. Durch eine starke Ersch\u00fctterung kann man den Nectar aus den Dr\u00fcsen zum Ausfliefsen bringen und die Dr\u00fcsenfl\u00e4che sondert dann von Neuem ab. K\u00f6lreutter sammelte\n\u00a5) Untersuchungen \u00fcber die Bedeutung der Nectarien in den Blumen auf eigene Beobachtungen und Versuche gegr\u00fcndet. Stuttgart 1833, pag. 106,","page":479},{"file":"p0480.txt","language":"de","ocr_de":"480\nfliesen abgesonderten Saft und erhielt aus 46 Blumen eine ganze Unze desselben; er konnte, w\u00e4hrend der Dauer der Bliithe, t\u00e4glich 3\u20144mal den angesammelten Saft abnehmen. Die abgedunstete Fl\u00fcssigkeit hatte den ekelhaften Geschmack fast ganz verloren, und nach Vauquelin\u2019s Untersuchungen enthielt der Nectar der Kaiserkrone: Wasser, Zucker (Traubenzucker), doppelt \u00e4pfelsauren Kalk u. s. w. Der Nectar der Agave geminiflora wurde von Buchner jun. untersucht, und es fand sich in demselben viel unkrystal-lisirbarer Zucker, Wasser und Spuren von Gyps. Das specifische Gewicht desselben war = 1,09.\nDie Absonderung des Nectar's geschieht zuweilen in einer unglaublichen Quantit\u00e4t; so sah ich zu Macao eine Urania speciosa in Bliithe, welche aus 6 bis 7 Blumenb\u00fcscheln t\u00e4glich mehr, als ein Quart eines ziemlich dicken Honigsaftes absonderte, der, nachdem die Spatha damit ganz gef\u00fcllt war, \u00fcber dieselbe hinweglief.\nMeistens ist das Zellengewebe, welches die absondernde Fl\u00e4che der Nectarien bildet, wenig oder gar nicht von dem \u00fcbrigen Zellengewebe verschieden, woraus der Nectarientr\u00e4ger besteht; oft sind die Zellen mit ganz glatten W\u00e4nden versehen, oft zeigen sie Papillen, oder die Papillen wachsen sogar in kleine H\u00e4rchen aus, eine Organisation, welche wir so h\u00e4ufig an der Epidermis der Pflanzen vorfinden, ohne dafs damit irgend eine Absonderung in Verbindung steht.\nDer verschiedene Geschmack, welcher dem Bienen-Honige aus verschiedenen Gegenden zukommt, m\u00f6chte den verschiedenen Oelen, Harzen und Extractivstoffen seinen Ursprung verdanken, welche dem Nectar der verschiedenen Pflanzen zugemischt sind. Oft wird der Honig in einer bestimmten Gegend, vorz\u00fcglich nur von einer, daselbst sehr h\u00e4ufig vorkommenden Pflanze gesammelt, und der Ertrag desselben verringert sich, wenn diese Pflanzen durch besondere Verh\u00e4ltnisse weniger zur Bl\u00fcthen-Ausbildung gelangen.\nUeberden Zweck derNectar-Absonderung bei denPflan-zen hat man sehr viele Vermuthungen aufgestellt; dieselbe","page":480},{"file":"p0481.txt","language":"de","ocr_de":"481\ntritt nur in den Bliithen der Pflanzen auf und bei den Cryp-togamen fehlt sie g\u00e4nzlich. Die Absonderung zeigt sich mit dem Befruchtungsakte zu gleicher Zeit, und nur selten vor dem Er\u00f6ffnen der Antheren, so dafs man die Vermu-thung \u00e4ufsern kann, dafs die Nectar-Absonderung mit der r Befruchtung im innigen Zusammenh\u00e4nge steht. Zwar giebt es viele Pflanzen, welche keine Spur einer besonderen Nectar-Absonderung zeigen, doch vielleicht geschieht hier die Absonderung im Inneren der Zellen einiger Blumen-v theile, denn es ist bekannt, dafs viele Blumenbl\u00e4tter einen siifslichen Geschmack zeigen und Zucker enthalten, der zuweilen sogar auf ihrer Oberfl\u00e4che heraus krystallisirt *).\nHerr Kurr ist der Meinung, dafs die Nectar-Abson-| derung der Ausdruck einer vikarirenden Th\u00e4tigkeit sei, die bestimmt ist, sich sp\u00e4ter in dem Ovarium zu concentriren gleichsam wie die Menstruation bei dem Weibe. Seine Versuche haben gezeigt, dafs die Saamen der Pflanzen vollkommen reiften, wenn auch die Nectarien ausgeschnitten waren, und demnach steht die Honig-Absonderung mit der Fruchtbildung in keinem wechselseitigen Zusammenh\u00e4nge. In meiner Schrift \u00fcber die Secretions-Organe (pag. 54) habe I ich noch eine \u00e4hnliche Ansicht \u00fcber den Zweck der Nectar-Absonderung aufgestellt, nach welcher dieselbe die iiber-m\u00e4fsige Ausscheidung von Kohle durch die Absonderung der \u00e4therisch-\u00f6ligen und harzigen Stoffe, welche in der Blume so h\u00e4ufig Vorkommen, gleichsam kompensirt, da die Produkte der Nectar-Absonderung gr\u00f6fstentheils in Wasser und in stark hydrotisirten Stoffen, als dem Traubenzucker u. s. w. bestehen. Der Traubenzucker m\u00f6chte ^derjenige feste Pflanzenstoff sein, welcher die geringste Menge von Kohle enth\u00e4lt.\nWir kommen jetzt zur Betrachtung der inneren Dr\u00fcsen, welche im Inneren des Gewebes der Pflanzen liegen und von Guettard glandes v\u00e9siculaires, von Herrn Link glam ~ dulae impressae (vertiefte Dr\u00fcsen) und von Herrn De Candolle\n*) S. Kurr 1. c. pag. 158. Me y en. Pfl, Physiol. II.\nu. s. w.\n31","page":481},{"file":"p0482.txt","language":"de","ocr_de":"482\nblasige Dr\u00fcsen (glandulae vesiculares) genannt worden sind. Sie bestehen aus kleinen H\u00e4ufchen von mehr oder weniger grofsen blasenf\u00f6rmigen Parenchym-Zellen, welche zu einer sph\u00e4rischen Masse zusammengestellt sind und sich von dem umgebenden Zellengewebe auffallend unterscheiden. Diese inneren Dr\u00fcsen sondern ein \u00e4therisches Oel ab, welches mehr oder weniger mit anderen festen Stoffen, als mit Harz und Campher vermischt ist ; die abgesonderte Fl\u00fcssigkeit zeigt sich zuerst im Inneren der Zellen, welche die Dr\u00fcse bilden, sp\u00e4ter aber treten diese Zellen in der Mitte der Dr\u00fcse auseinander und es bildet sich dadurch eine H\u00f6hle, welche mit zunehmendem Alter meistens immer gr\u00f6fser wird und sich mit dem \u00e4therischen Oele f\u00fcllt, welches die Dr\u00fcsen-Zellen zuerst in ihrem Inneren absonderen, sp\u00e4ter aber auch nach Aufseil hin deponiren.\nBei den Myrten, den Labiaten, Rutaceen, den Oranjen u. s. w. treten diese Oel-absondernden inneren Dr\u00fcsen ganz allgemein und oft in gr\u00f6fster Anzahl auf; die Bl\u00e4tter dieser Pflanzen erhalten durch jene Dr\u00fcsen ein punktirtes Ansehen, wenn man dieselben gegen das Licht h\u00e4lt, und die durchscheinenden, hellen P\u00fcnktchen sind eben die mit Oel gef\u00fcllten Dr\u00fcsen, welche, mehr oder weniger dicht unter der Epidermis liegen. In Fig. 14. Tab. V. des ersten Bandes ist eine solche Dr\u00fcse aus dem Blatte der Melaleuca salicifolia nach einem Querschnitte in c abgebildet, und aus der Raute, dem Diptam u. s. w. sind die Abbildungen dieserDriisen in der Schrift \u00fcber die Secretions-Organe der Pflanzen (Tab. IV. Fig. 2., 9. u. s.w.) zu finden. Man hat die Bl\u00e4tter solcher Pflanzen zuweilen mit folia perforata bezeichnet, und noch ganz neuerlichst hat man die durchscheinenden Flecke derselben mit dem Namen der Poren belegen wollen, was der Verwechselungen wegen, wohl nicht anzuempfehlen sein m\u00f6chte, denn jene Dr\u00fcsen stehen \u00fcberhaupt in keiner offenen Gemeinschaft mit der atmosph\u00e4rischen Luft, sondern die Epidermis der Pflanze l\u00e4uft dar\u00fcber weg und ist meistens ganz gew\u00f6hnlich an solchen Stellen gebauet. In den Bl\u00e4ttern kommen diese\n\u25a0","page":482},{"file":"p0483.txt","language":"de","ocr_de":"4S3\nDr\u00fcsen gr\u00f6fstentheils dicht unter der Epidermis der oberen Blattfl\u00e4che vor; bei einigen Pflanzen jedoch auch auf der unteren Blattfl\u00e4che. Zwar wird in diesen inneren Dr\u00fcsen der Pflanzen eine grofse Menge von \u00e4therischem Oele abgesondert, dergleichen Pflanzen aber, welche sehr stark riechen, r pflegen jedoch noch andere, \u00e4ufsere Dr\u00fcsen zu besitzen, worin sie ein \u00e4hnliches \u00e4therisches Oel absondern; so z. B. kommen bei dem Diptam nicht nur diese inneren Dr\u00fcsen in so sehr grofser Menge vor, sondern der Stengel s und die Bl\u00fcthentheile desselben sind noch stark mit \u00e4ufse-ren und sehr grofsen m\u00fctzenf\u00f6rmigen Dr\u00fcsen bekleidet, deren Bau wir fr\u00fcher (pag. 474) kennen gelernt haben, und aufser diesen kommen noch mehrere andere kleine [ kugelf\u00f6rmige Dr\u00fcsen an verschiedenen Stellen der Oberfl\u00e4che des Diptam vor.\nBei den Oranjen sind diese inneren Dr\u00fcsen in grofser Menge anzutreffen, besonders in einzelnen Theilen, als im Fruchtknoten, und vorz\u00fcglich in der \u00e4ufseren Schale der Fr\u00fcchte, hier werden sie so grofs und die Zellen auf der inneren Fl\u00e4che, welche die H\u00f6hle darstellt, gl\u00e4tten sich so bedeutend ab, dafs man diese Gebilde mehr f\u00fcr \u00a7 Oelbeh\u00e4lter ansehen kann; doch beobachtet man dieselbe von ihrer ersten Entstehung an, so wird man sich \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dafs sie eigentlich ebenso, wie die inneren Dr\u00fcsen, an den \u00fcbrigen Stellen dieser Pflanzen auftreten und dafs sich die H\u00f6hle im Inneren dieser Dr\u00fcsen nur\n-h\nallm\u00e4lich erweitert und zuletzt zu den grofsen Beh\u00e4ltern umwandelt, welche mit dem \u00e4therischen Oele gef\u00fcllt sind. Die \u00e4ufsere Rindenschicht der Oranjen-Fr\u00fcchte besteht * fast ganz und gar aus jenen dicht neben einander liegenden Oeibeh\u00e4ltern, ja es fehlt hier fast alles dazwischen liegeude Parenchym, und es dr\u00e4ngt sich die Wand der einen Dr\u00fcse an die Wand der anderen Dr\u00fcse und die Zellen, welche diese W\u00e4nde darstellen, sind hiezu auf das - regelm\u00e4fsigste mit einander vereinigt. In den weifsen Blumenbl\u00e4ttern der Oranjen erkennt man die einzelnen inneren Dr\u00fcsen durch die kleinen gr\u00fcnen Flecke, welche\n31*","page":483},{"file":"p0484.txt","language":"de","ocr_de":"484\ndadurch hervorgerufen werden, dafs das darin enthaltene Oel von gr\u00fcnlicher Farbe ist und durchscheint.\nDie inneren Dr\u00fcsen stehen in keinem unmittelbaren Zusammenh\u00e4nge mit den Spiralrohren, und die Abbildung, welche Herr C. H. Schultz *) von dergleichen Dr\u00fcsen aus der Melaleuca salicifolia mitgetheilt hat, wonach die Spiralr\u00f6hren in die Spitze der Dr\u00fcse inseriren sollen, und wodurch sie mit den Verzweigungen der Blattrippen Zusammenh\u00e4ngen sollen, ist falsch und ebenso erdacht, wie die \u00fcbrigen geistreichen Lehren, welche dieser ausgezeichnete philosophische Botaniker in seinen Schriften bekannt gemacht hat. Herr Schultz nennt diese Dr\u00fcsen Oels\u00e4cke und stellt sie mit den Harzk\u00fcgelchen zusammen, welche von vielen Pflanzen im Inneren der Zellen abgesondert werden, wor\u00fcber pag. 211 im ersten Theile die Rede war; hieraus wird man aber leicht ersehen k\u00f6nnen, dafs demselben alle richtigen Begriffe \u00fcber diesen Gegenstand fehlen.\nWir haben im Vorhergehenden nachgewiesen, wie die inneren Dr\u00fcsen durch allm\u00e4liche Ausdehnung der H\u00f6hle in ihrem Inneren zu Beh\u00e4ltern umgewandelt werden, welche den abgesonderten Stoff aufbewahren, und hieraus kann man die Verwandtschaft der inneren Dr\u00fcsen und der Secretions-Beh\u00e4lter, welche, ihrem Baue nach, schon im ersten Theile pag. 317 er\u00f6rtert wurden, auf das Bestimmteste erkennen, und dieses f\u00fchrt uns wiederum zu dem Schl\u00fcsse, dafs in allen Gummi-, Harz-, Oel-Beh\u00e4ltern u.s. w. gerade die Zellen der W\u00e4nde es sind, welche den, in dem Beh\u00e4lter (welcher gleichsam die H\u00f6hle im Inneren der Dr\u00fcse ist) abgelagerten Stoff gebildet haben. Ich habe auf diese Verwandtschaft, ja auf den offenbaren Uebergang, welcher zwischen diesen, in ihren Extremen freilich sehr verschieden erscheinenden Gebilden stattfindet schon an einem anderen Orte **) aufmerksam gemacht. Man findet n\u00e4mlich bei\n*) Die Natur der lebendigen Pflanze. I. Tab. IV. Fig'. 14.\nS. Mcyen, Secretions*Organe etc, pag. 58 und 59","page":484},{"file":"p0485.txt","language":"de","ocr_de":"485\ndem Hypericum perforatum gar nicht selten, sowohl auf den Bl\u00e4ttern, wie auf dem Kelche, den Blumenbl\u00e4ttern und der Oberfl\u00e4che des Stengels einzelne schwarze oder dunkelbraunrothe Flecke, welche gew\u00f6hnlich die Gr\u00f6fse der daneben vorkommenden inneren Dr\u00fcsen haben. Diese dunkelen Flecke sind durch einen violettroth gef\u00e4rbten, harzigen Stoff gebildet, welcher die Zellen und die H\u00f6hle im Inneren dieser Dr\u00fcsen anf\u00fcllt. Am auffallendsten sind diese Flecke auf den gelben Blumenbl\u00e4ttern des Hype-r ricum\u2019s, wo gew\u00f6hnlich 4\u20145 auf jedem derselben und zwar mehr nach der Spitze hin Vorkommen. Hier bei dem Hypericum ist es durch Beobachtungen noch vollst\u00e4ndig nachzuweisen, dais diese festen farbigen Stoffe von Iden Zellen der Dr\u00fcse gebildet sind; bei den schwarzen P\u00fcnktchen jedoch, welche unter \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen bei den Gossypien Vorkommen, ist dieses nicht mehr so leicht der Fall.\nDer krautartige Stengel der Gossypien, so wie die Blumen und Blattstiele, selbst die verschiedenen blattartigen Theile, enthalten dicht unter der Epidermis eine grofse Menge von dunkelblauen P\u00fcnktchen, welche durch eine t dunkelblaue Substanz verursacht werden, die in kleinen kugelrunden H\u00f6hlen abgelagert ist. Die W\u00e4nde dieser H\u00f6hlen werden durch die zun\u00e4chst liegenden Zellen zusammengesetzt, welche sich zu einer glatten Fl\u00e4che vereinigt + haben. Auch in der Substanz der Cotyledonen kommen diese dunkelblauen Flecke sehr h\u00e4ufig vor, und zwar sehr grofs, so dafs man hier am leichtesten den Bau der W\u00e4nde dieser Gebilde einsehen kann.","page":485},{"file":"p0486.txt","language":"de","ocr_de":"486\nViertes Capitel.\nVon der Absonderung* des Harzes, des Gummi's und des \u00e4therischen Oeles in besonderen Secretions - Beh\u00e4ltern.\nDie Bildung des Gummi\u2019s im Inneren der Zellen ist, wie wir es schon fr\u00fcher kennen gelernt haben, ganz allgemein bei den Pflanzen, und ebenso haben wir schon im ersten Theile dieses Buches eine Menge von F\u00e4llen kennen gelernt, wo selbst die Harze und Harze mit \u00e4therischen Oelen u. s. w. in Form von Kugeln im Inneren der Zellen auftraten, doch alle diese Substanzen, als die Harze, Gummata und \u00e4therischen Oele werden noch in gr\u00f6fserer Menge in jenen besonderen Beh\u00e4ltern abgelagert, welche ebenfalls in Hinsicht ihres Baues, schon im ersten Theile n\u00e4her er\u00f6rtert, aber in meiner Schrift \u00fcber die Secretions-Organe, pag. 18 \u2014 24 speciell beschrieben worden sind. Man betrachtet diese Secretions-Organe, als entstanden aus erweiterten Intercellular-G\u00e4ngen, doch darf man dieselben nicht f\u00fcr blofse Beh\u00e4lter ansehen, worin die Secrete aufbewahrt werden, sondern man mufs den Beh\u00e4lter mit der H\u00f6hle im Inneren der inneren Dr\u00fcsen vergleichen und die Zellen, welche die W\u00e4nde der Beh\u00e4lter bilden, als die absondernde Dr\u00fcse betrachten. Auch haben wir bereits im ersten Theile dieses Buches kennen gelernt, dafs die Zellen, welche die W\u00e4nde dieser Beh\u00e4lter bilden, mitunter eine abweichende Structur von den zun\u00e4chst angrenzenden zeigen, ja zuweilen selbst in Papillen ausgewachsen sind, wie bei Cycas; aber in den meisten F\u00e4llen kann man zwischen diesen Zellen und den angrenzenden nur sehr geringe Unterschiede wahrnehmen, welche dabei auch nicht wesentlich sind.\nIch kenne keine Pflanze, in welcher man diese Verwandtschaft der innerenDriisen mit denSecretions-Beh\u00e4ltern deutlicher sehen kann, als in den Knollen-artigen Wurzeln","page":486},{"file":"p0487.txt","language":"de","ocr_de":"487\nder Georginen. Diese Wurzeln enthalten \u00fcberaus zahlreiche Secretions-Beh\u00e4lter, welche mit einem gr\u00fcnlichen, zum Theil fetten, zum Theil \u00e4therischen Oele gef\u00fcllt sind, und es verlaufen dieselben nicht nur der L\u00e4ngenachse der Wurzel parallel, sondern auch vollkommen horizontal mitten zwischen den Zellen der Markstrahlen, ein Fall, der bei anderen Pflanzen noch nicht beobachtet ist. Schon an diesen l\u00e4ngeren Beh\u00e4ltern sieht man, dafs die Zellen, welche unmittelbar die W\u00e4nde derselben bilden, nach der freien Fl\u00e4che etwas blasenartig angeschwollen und von dem gr\u00fcnen Oele gef\u00e4rbt sind, welches sie zuerst in ihrem Inneren absondern und dann auch nach Aufsen in den erweiterten Intercellular-Gang ablagern, welcher nun als Secretions-Beh\u00e4lter auftritt. An den kleinen Beh\u00e4ltern jedoch, welche oft nur 4, 5 \u2014 6 Zellen lang sind, da sieht man die Aehnlichkeit, ja die vollkommene Gleichheit derselben mit den inneren Dr\u00fcsen, in deren Mitte eine H\u00f6hle zum Beh\u00e4lter der abgesonderten Stoffe auftritt. Das \u00f6lige Secret der Georginen-Wurzel wird im folgenden Sommer, wenn die neue Pflanze daraus hervorw\u00e4chst, meistens ganz vollkommen resorbirt; wobei dasselbe gew\u00f6hnlich ein milchigtes Ansehen erh\u00e4lt.\nZuweilen werden die Secretionen der Art so stark, dafs die Beh\u00e4lter der abgelagerten Stoffe \u00fcberf\u00fcllt werden, endlich reifsen und die abgesonderte Substanz aus-fliefsen lassen, wie dieses bei dem Gummiflufs und dem Harzflusse bekannt ist. Im letzteren Falle wird man durchschnittlich finden, dafs die Absonderung des Harzes, z. B. bei unseren Coniferen, nicht nur durch diejenigen Zellen ausgef\u00fchrt wird, welche die Harzg\u00e4nge der Rinde und des Holzes bilden, sondern, dafs noch mehr oder weniger grofse Massen der Zellen des Holzk\u00f6rpers, ja oftmals der ganze Holzk\u00f6rper des Stammes dieser B\u00e4ume durch und durch mit einem \u00e4hnlichen flarze durchzogen ist, welches zuerst in den Zellen abgesondert ist, dann die Membranen der Zellen durchdringt, dieselben damit impr\u00e4gnirt und dann sogar die Zeilen aus ihrer gegenseitigen Verbindung","page":487},{"file":"p0488.txt","language":"de","ocr_de":"488\ntreibt und hie und da in die neuentstandenen Intercellular-G\u00e4nge abgelagert wird. Wir erkennen in diesem Zustande eine Krankheit, d. h. einen abnormen Lebensprozefs, und dieser besteht in einer zu starken Secretion jenes Harzes, welches im normalen Zustande nur nach gewissen Beh\u00e4ltern hin abgelagert wird.\nAls ich fr\u00fcher die Bildung der assimilirten Nahrungsstoffe nachzuweisen suchte, da haben wir gesehen, dafs viele der Vorg\u00e4nge, welche dabei in der Natur nachzuweisen sind, auch k\u00fcnstlich veranlafst werden k\u00f6nnen. Ueber die Bildung der Secrete, wde des Harzes, der \u00e4therischen Oele und vieler anderer Stoffe, schwebt jedoch noch immer ein tiefes Dunkel, ja die Chemie hat noch nicht einmal alle diese Stoffe in ihrer n\u00e4heren Zusammensetzung nachgewiesen, und gerade die Grundstoffe dieser einzelnen Substanzen sind es, welche erforscht werden m\u00fcssen um k\u00fcnftig auch den dunkeln Secretions-Prozefs in den Pflanzen aufzukl\u00e4ren. Bei der Betrachtung der assimilirten Nahrungsstoffe haben wir kennen gelernt, dafs alle die einzelnen Substanzen eine grofse Menge von Abarten aufzuweisen haben, welche in verschiedenen Pflanzen auftreten und sich mehr oder weniger von einander unterscheiden, in ihren Hauptcharakteren jedoch mit einander \u00fcbereinstimmen. Ganz dasselbe, ja noch in einem viel ausgezeichneteren Grade, findet sich in den verschiedenen Secreten, welche an diesem Orte zu betrachten sind. Ja die Harze und \u00e4therischen Oele sind fast von jeder Pflanzenart verschieden und diese Verschiedenheit kann eben dadurch um so mannigfacher sein, indem die genannten Stoffe immer noch aus mehreren anderen zusammengesetzt sind.\nMan wird hier keine Aufz\u00e4hlung der verschiedenen Harze und Oele erwarten, welche aus verschiedenen Gew\u00e4chsen bereitet werden, ebenso wenig, als die Angaben der physischen und chemischen Eigenschaften dieser einzelnen Stoffe, welche man schon in den chemischen Werken vorfindet; f\u00fcr die Physiologie ist nur die n\u00e4here und","page":488},{"file":"p0489.txt","language":"de","ocr_de":"489\nentferntere Zusammensetzung jener Substanzen wichtig, indem sie nur dadurch auf den Weg geleitet werden kann, um die Bildung derselben aus den aufgenommenen Nahrungsmitteln zu erkl\u00e4ren.\nAlle Harze der Pflanzen, m\u00f6gen sie sp\u00e4ter fl\u00fcssig f bleiben oder gleich bei ihrem Austreten aus der Pflanze erh\u00e4rtet sein, sind in der Jugend der Pflanze, oder \u00fcberhaupt bei ihrem ersten Auftreten mehr oder weniger ganz fl\u00fcssig. Das Ausfliefsen dieser Harze geschieht entweder stdurch Risse in der Rinde, welche die W'\u00e4nde der Harzg\u00e4nge zerst\u00f6rten, oder durch Einschnitte in die Rinde und den Holzk\u00f6rper, welche man absichtlich zum Ausfliefsen und Auffangen dieser Harze ausf\u00fchrt. Im ersten Theile ^|pag. 319, ward schon die Vermuthung aufgestellt, ob sich diese fl\u00fcssigen Massen von Harz und Gummi, welches sich in den zusammenh\u00e4ngenden Beh\u00e4ltern befindet, nicht vielleicht auf eine \u00e4hnliche Weise bewegen m\u00f6chte, wie der Milchsaft, was sich nat\u00fcrlich durch direkte Beobachtungen, wegen der Undurchsichtigkeit der Rinde u. s. w., niemals wird best\u00e4tigen lassen k\u00f6nnen. Der Gegenstand verdient jedoch die genauesten Untersuchungen in k\u00fcnftiger Zeit, idenn das Verhalten dieser Substanzen bei ihrem Ausfliefsen, wenn man die Beh\u00e4lter durchschneidet, m\u00f6chte wohl auf einige Bewegung schliefsen lassen, doch ist dieselbe wohl nur in den jungen Pflanzen anzunehmen, wenn die Secrete ganz fl\u00fcssig und noch nicht erstarrt sind. Du Hamei entrindete zur Saftzeit einen Kirschbaum in einer Breite von 1^ Fuis, und sah am oberen Schnitte der Wunde eine grofse Menge Gummi, zwischen Rinde und Holz aus-^fliefsen, wodurch der Baum endlich vertrocknete; doch an dem unteren Schnittrande wurde kein Hervortreten von Gummi beobachtet. Soviel ist aber auch bei den Coniferen und anderen Harz-absondernden B\u00e4umen gewifs, dafs das Harz in den Beh\u00e4ltern von Oben nach Unten ' herabsteigt und sich defshalb oft in der N\u00e4he der Wurzel, ja selbst unter der Erde durch Zerreifsen der Rinde der Wurzeln in mehr oder weniger grofsen Massen ansammelt,","page":489},{"file":"p0490.txt","language":"de","ocr_de":"490\nEine solche herabsteigende Bewegung eines abgesonderten Saftes in gr\u00f6fseren Beh\u00e4ltern, liefse sich nat\u00fcrlich durch die eigene Schwere des Saftes am einfachsten erkl\u00e4ren.\nMan pflegt im Allgemeinen zwei Gattungen von Harzen aufzustellen, die eine umfafst die fl\u00fcssigen Harze, welche unter dem Namen der Balsame bekannt sind, die andere dagegen die trockenen Harze. In den Balsamen sind die verschiedenen festen Stoffe, welche sie enthalten, mit \u00e4therischem Oele aufgel\u00f6st, und unter den festen Stoffen der Balsame verhalten sich einige zu den Basen gleich S\u00e4uren, andere dagegen, als die wirklichen Harze sind indifferent. In der Natur kommen die Harze stets im Zusammenh\u00e4nge mit \u00e4therischen Oelen vor, in der Jugend der Pflanze sind sie fl\u00fcssig und es scheint, dais die Harze durch irgend eine Umwandelung aus dem Oele hervorgehen, ja, dafs diese Umwandelung in einer blofsen Oxydation bestehe. Der Terpenthin ist ein der bekanntesten Harze, welches in dem Terpenthin-Oele das Harz aufgel\u00f6st enth\u00e4lt, das Oel hat hier eine solche Verwandtschaft zu dem Harze, dafs es nur durch Hinzuf\u00fcgung von Wasser abdestillirt werden kann. Das Terpenthin\u00f6i besteht aus 88,4 Kohlenstoff und 11,6 Wasserstoff, und es besteht aus zwei verschiedenen Oelen, welche jedoch in ihrer Zusammensetzung gleich und dem Maafse nach aus 5 Theilen Kohlenstoffgas und 8 Theilen Wasserstoffgas zusammengesetzt sind. Aus dem Terpenthin\u00f6le sondert sich eine krystallinische Materie, welche aus 5 M. Kohlenstoffgas, 11 M. Wasserstoffgas und 1^ Sauerstoffgas besteht, eine Zusammensetzung, welche sich auch in der krvstallinischen Substanz einiger anderer \u00e4therischen Oele, als des Carda-mom-Oeles u. s. w, vorfindet. Man kann demnach diese krystallinischen Substanzen als Hydrate des Oeles ansehen.\nEine grofse Reihe von anderen \u00e4therischen Oelen, haben dieselbe Zusammensetzung mit dem Terpenthin-Oele, n\u00e4mlich aus 5. M. Kohlenstoffgas und 8M. Wasserstoffgas; als solche f\u00fchre ich auf die \u00e4therischen Oele der verschiedenen Coniferen, das Citronen- und Limonen-Oel,","page":490},{"file":"p0491.txt","language":"de","ocr_de":"491\ndas Oel des Copaiva-Balsam, und die Basis des Cajeput-Oeles u. s. w. Die Bildungen dieser Kohlen-Wasser-stoffigen Verbindungen in den Pflanzen sind schwieriger zu erkl\u00e4ren, als die Bildungen der assimilirten Nahrungsstoffe, welche meistens als Kohlen-Hydrate anzusehen waren; zur Darstellung der ersteren Stoffe ist wohl die Zersetzung eines Theiles des Wassers n\u00f6thig, dessen Sauerstoff dann zu verschiedenen Zwecken verbraucht werden kann, indem die Pflanzen ja auch best\u00e4ndig Sauerstoff ein-athmen.\nDie Harze, welche in den genannten Oelen enthalten sind, als das Colophonium im Terpenthin, der Kampher in dem \u00e4therischen Oele der verschiedensten Pflanzen, das Copaiva-Harz im Copaiva-Balsam sind als Oxyde der genannten Kohlenwasserstoff - Verbindungen zu betrachten, sie bestehen aus 5 M. Kohlenstoffgas, 8 M. Wasserstoffgas und i M. Sauerstoffgas. Ein anderes Harz, welches im Terpenthin vorkommt, besteht aus 10 M. Kohlenstoffgas, 15 M. Wasserstoffgas und 1 M. Sauerstoffgas; wir sehen also auch hier, dafs die geringsten Aenderungen in der Proportion der Elementarstoffe auffallende Verschiedenheiten erzeugen k\u00f6nnen, w\u00e4hrend wir den Grund dieser \u00e4ufseren Verschiedenheiten in den isomerischen K\u00f6rpern nicht erkennen k\u00f6nnen.\nAufser den genannten Oelen und Harzen haben die Chemiker in dem Terpenthin noch zwei verschiedene S\u00e4uren entdeckt, n\u00e4mlich die Sylvin-S\u00e4ure und die Pinin-S\u00e4ure, welche man als Oxyde eines Radikales von 10 M. Kohlenstoff und 15 M. Wasserstoffgas betrachten will, welche aber unter sich ebenfalls isomerisch sind.\nDie trockenen Harze sind ebenfalls sehr zusammengesetzt, doch enthalten sie nur sehr weniges fl\u00fcchtiges Oel, sonst findet man in denselben verschiedene Abarten von Harz, S\u00e4uren, worunter die Benzo\u00d6-S\u00e4ure am ber\u00fchmtesten ist, und verschiedene andere minder wichtige Stoffe. In Herrn v. Berzelius Pflanzen-Chemie sind alle die wichtigsten dieser Harze, sowohl die fl\u00fcssigen als die trockenen","page":491},{"file":"p0492.txt","language":"de","ocr_de":"492\nn\u00e4her beschrieben und ihr Ursprung angegeben, worauf ich verweisen kann, indem diese Gegenst\u00e4nde nicht der Physiologie angeh\u00f6ren.\nBeachtenswerth ist jedoch der allm\u00e4liche Uebergang, welchen die trockenen Harze der Pflanzen in ihrer Zusammensetzung zu den Gummi-Harzen darbieten, welche ebenfalls in besonderen Secretions-Beh\u00e4ltern abgesondert werden, die aus erweiterten Intercellularg\u00e4ngen hervorgehen und vorz\u00fcglich in einzelnen Theilen der Pflanzen, als bei den Umbelliferen in der Wurzel auftreten. Ich habe schon im ersten Theile pag. 321 die Analysen einer Reihe solcher Gummi-Harze angegeben; man sieht aus denselben die Verwandtschaft, worin diese abgesonderten Stoffe mit den Milchs\u00e4ften der Pflanzen stehen, welche sich in einem eigenen Gef\u00e4fssysteme bewegen und noch entschiedener als ein allgemeiner N\u00e4hrstoff zu betrachten sind, \u00e4hnlich dem Blute in den Thieren.\nWir haben schon im Vorhergehenden den Zusammenhang kennen gelernt, in welchem die fl\u00fcchtigen Oele mit den Harzen stehen, hier wollen wir das Vorkommen dieser Oele betrachten, wor\u00fcber ebenfalls Herr v. Berzelius die genauesten Beschreibungen mitgetheilt hat. Die fl\u00fcchtigen Oele kommen in allen Pflanzen vor, welche Ger\u00fcche von sich geben, und diese werden nur durch die Verfl\u00fcchtigung des abgesonderten Oeles verursacht. Viele Pflanzen sondern in allen ihren Theilen \u00e4therische Oele ab, viele nur in einzelnen, und besonders sind es die Blumen, welche am Allgemeinsten ein solches Oel enthalten; fast eine jede Pflanzenart hat ein eigenes \u00e4therisches Oel aufzuweisen, denn wohl niemals haben zwei verschiedene Pflanzenarten einen und denselben Geruch. Mitunter sind diese Oele selbst in den verschiedenen Theilen einer und derselben Pflanze verschieden, wozu der Pommeranzenbaum ein auffallendes Beispiel giebt, indem das Oel der Bl\u00fcthen, der Fruchtschaalen und der Bl\u00e4tter dieser Pflanze auffallend verschieden riechen. Die Secretion dieser Oele geschieht entweder in besonderen Dr\u00fcsen, sowohl in ein-","page":492},{"file":"p0493.txt","language":"de","ocr_de":"493\nfachen als in zusammengesetzten; in gr\u00f6fsererMenge wird es jedoch in den inneren Dr\u00fcsen abgesondert. Am Allgemeinsten wird jedoch das fl\u00fcchtige Oel in den gew\u00f6hnlichen Zellen einzelner Pflanzentheile abgesondert, wo es bald mehr, bald weniger deutlich in Form von kleinen r Oeltr\u00f6pfchen im Zellensafte auftritt, oder selbst als gr\u00f6fsere Oelmassen sichtbar wird. Dieses findet fast immer in den Blumenbl\u00e4ttern statt, und nur in sehr seltenen F\u00e4llen wird dieses Oel daselbst durch innere Dr\u00fcsen abgesondert. - Wenn dagegen andere Pflanzentheile, als Bl\u00e4tter, Stengel, Fr\u00fcchte u. s. w. stark riechen, so pflegt das Oel fast immer durch innere Dr\u00fcsen abgesondert zu sein. Bei der Wurzel der Valeriana*), den Scitamineen u. s. w., da tritt das lOel mit einem Harze gebunden auf und zwar in Form von Kugeln, mehr oder weniger grofs, welche in dem Inneren der absondernden Zellen enthalten sind. Aehnliche Absonderungen habe ich noch bei mehreren anderen Pflanzen beobachtet z. B. im Stengel fleischiger Euphorbien, in den Bl\u00e4ttern der Clusien u. s. w. und \u00e4hnlich verh\u00e4lt es sich zuweilen auch in den Blumen, z. B. bei den starkriechenden Magnolien. Bei der Magnolia grandiflora liegen die \u00e9 Zellen, welche das fl\u00fcchtige Oel und Harz enthalten, dicht unter der Epidermis der \u00e4ufseren Blumenblattfl\u00e4che, bald mehr, bald weniger zerstreut umher, und der abgesonderte Ballen ist zuweilen fast eben so grois, als die H\u00f6hle der , Zellen selbst\u00bb\nF\u00fcnftes C a p i t e 1.\nVon dem Ger\u00fcche der Pflanzen.\nDie verschiedenen Ger\u00fcche der Pflanzen verdanken fast s\u00e4mmtlich ihren Ursprung den \u00e4therischen Gelen, de-\n*) S. den ersten Theil pag. 211, etc.","page":493},{"file":"p0494.txt","language":"de","ocr_de":"494\nren Absonderung wir im Vorhergehenden er\u00f6rtert haben, und nach den verschiedenen Graden der Fl\u00fcchtigkeit dieser Stoffe richtet sich auch die Fl\u00fcchtigkeit und die Permanenz der Pflanzenger\u00fcche. In allen denjenigen F\u00e4llen, wo die \u00e4therischen Oele und die denselben verwandten Stoffe, im Inneren der Pflanzen durch besondere Dr\u00fcsen abgesondert werden, da ist die Menge dieser Riechstoffe so grofs, dafs die Ursache des Geruches der Pflanzen sogleich in die Augen f\u00e4llt, und in solchen F\u00e4llen ist dieser Geruch best\u00e4ndig anhaltend, w\u00e4hrend, wie es allgemein bekannt ist, die Ger\u00fcche anderer Pflanzen zu gewissen Zeiten ganz verschwinden. Der Geruch der Pflanzen kann in den verschiedenen Theilen derselben verschieden sein', die Entstehung desselben ist jedoch auf gleiche Weise zu erkl\u00e4ren, und meistens ist es auch ein und derselbe Stoff, nur durch kleine Ver\u00e4nderungen in der elementaren Zusammensetzung verwandelt, welcher den verschiedenen Geruch in verschiedenen Theilen der Pflanze veranlafst. Bei der Betrachtung der Pflanzen-Dr\u00fcsen haben wir schon kennen gelernt, dafs bei einigen Pflanzen die riechenden Stoffe auf sehr verschiedenem Wege abgesondert werden, z. B. bei dem Diptam, wo innere Dr\u00fcsen und \u00e4ufsere Vorkommen, und auch diese Letzteren wieder verschiedene Formen aufzuweisen haben; ja auch hier kann nun wieder der Fall eintreten, dafs die abgesonderten Riechstoffe in den verschiedenen Absonderungsorganen verschieden sind. Ganz gew\u00f6hnlich findet Letzteres statt, wenn z. B. sehr fl\u00fcchtige Riechstoffe in den zarten Blumenbl\u00e4ttern abgesondert werden, und eben dieselbe Pflanze noch besondere \u00e4ufsere Dr\u00fcsen besitzt, welche an anderen Theilen der Pflanze Vorkommen; z. B. bei den Rosen, wo der feine Duft der Blumenbl\u00e4tter und der st\u00e4rkere Geruch des klebrigen Saftes, welchen die grofsen zusammengesetzten Dr\u00fcsen auf den anderen Theilen absondern, sehr auffallend verschieden sind.\nMan hat verschiedene Classificationen der Pflanzengeriiche in Vorschlag gebracht, doch alle solche Classify","page":494},{"file":"p0495.txt","language":"de","ocr_de":"495\ncationen, die nach den verschiedenen Eindr\u00fccken aufge-? stellt sind, welche die Riechstoffe der Pflanzen anf unsere Sinne aus\u00fcben, m\u00f6chte ich f\u00fcr \u00fcberfl\u00fcssig halten, denn einmal sind diese Eindr\u00fccke auf die Sinne verschiedener Individuen sehr verschieden, und zweitens weifs jeder gebildete Mensch diese individuellen Eindr\u00fccke zu bezeichnen, F\u00fcr die Physiologie kann nur eine Classification der Pflanzenger\u00fcche nach der Natur der Stoffe von Nutzen ^sein, welche diese Ger\u00fcche veranlassen; die Chemie mufs hier zu H\u00fclfe kommen und die Ursachen zu erkl\u00e4ren suchen, wefshalb jene Stoffe unter verschiedenen Verh\u00e4ltnissen verschiedene Wirkungen hervorbringen.\nNach \u00e4hnlichen Grunds\u00e4tzen hat schon Fourcroy*) il die Riechstoffe der Pflanzen eingetheilt; er unterschied: 1) die extractiven oder schleimigen Riechstoffe; 2) die \u00f6ligen und sehr fl\u00fcchtigen Riechstoffe, welche in W^asser unaufl\u00f6slich sind, aber von Alkohol und Oelen aufgenommen werden, z. B. bei der Tuberose, dem Jasmin, dein Heliotrop u. s. w. ; 3) die \u00f6ligen fl\u00fcchtigen, die sogenannten aromatischen Riechstoffe, welche in Wasser, besonders in warmen und noch mehr in Weingeist aufl\u00f6slich sind. f Die Riechstoffe der Labiaten z. B. 4) Die gew\u00fcrzhaften und sauren Riechstoffe, welche die blauen Pflanzenfarben r\u00f6then. Der Storax, die Vanille, der Canell u. s. w. 5) Die Schwefelvvasserstoffigen Riechstoffe, wozu die der h Kresse, des L\u00f6ffelkrautes u. s. w. gez\u00e4hlt werden.\nDen wichtigsten Unterschied zeigen die Pflanzenger\u00fcche in Hinsicht ihrer Permanenz, sie sind hiernach ausdauernd oder periodisch. Ueberall wo \u00e4therische Oele, ;!-Harze u. s. w. abgelagert in den Pflanzen Vorkommen, da sind die Ger\u00fcche dieser Pflanzen best\u00e4ndig anhaltend, nur unter verschiedenen \u00e4ufseren Verh\u00e4ltnissen, bald mehr bald weniger stark. Am st\u00e4rksten riechen im Allgemeinen\n*) Sur l\u2019Esprit recteur de Bocrhaavc, PArome des Chimistes fran\u00e7ais, ou le principe de l\u2019odeur des v\u00e9g\u00e9taux. \u2014 Ann. de Chimie T. XXVI. pag. 232.","page":495},{"file":"p0496.txt","language":"de","ocr_de":"496\ndiejenigen Pflanzen, deren \u00e4therisches Oel vermittelst innerer Dr\u00fcsen abgesondert wird, und dieses wandelt sich im Inneren der lebenden Pflanze nur selten in Campher und \u00e4hnliche Harze um; am ausdauerndsten pflegen dagegen die Ger\u00fcche derjenigen Pflanzen zu sein, wo der riechende Stoff in Form kleiner Oel- oder Harzk\u00fcgelchen im Inneren der Zellen gelagert ist, wie dieses meistens bei den gew\u00fcrzhaften Pflanzen der Fall ist; sie zeigen noch im getrockneten Zustande, oft eine lange Reihe von Jahren hindurch, jenen Geruch, der sich nur sehr allm\u00e4lich verliert. Aber am festesten sind diejenigen Ger\u00fcche, wo der Riechstoff mehr die W\u00e4nde der Zellen durchdringt, etwa so, wie das Terpenthin\u00f6l im Coniferen-Holze, wenn dasselbe durch zu starke Absonderung dieses Oeles jenen krankhaften Zustand zeigt, wodurch es die Benennung des Kienes erh\u00e4lt. Zwar findet sich das Terpenthin\u00f6l mit den Harzen im Kienholze ebenfalls im Inneren der verschiedenen Zellen der Markstrahlen, den get\u00fcpfelten R\u00f6hren und selbst in neugebildeten Intercellularg\u00e4ngen, aber die Durchdringung der W\u00e4nde jener Elementarorgane mit den abgesonderten Stoffen ist auch ganz deutlich wahrzunehmen. Auch im Cedernholze, wie im Holze der Cy-pressen findet letzterer Fall statt, und diese zeigen, ebenso wie kienenes Holz, noch nach l\u00e4nger als 100 Jahren etwas Geruch, besonders wenn man das Holz reibt oder die Oberfl\u00e4chen desselben erneuert. Sehr auffallend ist dieser Geruch an den chinesischen Holzsachen, welche aus einem leichten Nadelholze bereitet sind; nach einer sehr langen Reihe von Jahren zeigen sie jenen Geruch fast unver\u00e4ndert, besonders sind es die Kisten, welche zum Verpacken der Kleider und zum Schutz gegen Insektenfrafs angefertigt werden, deren Holz einen \u00fcberaus starken, fast kam-pherartigen Geruch haben, wo der Riechstoff ebenfalls die Zellenw\u00e4nde durchdringt.\nEinige Pflanzen zeigen im frischen Zustande fast gar keinen Geruch, w\u00e4hrend dieselben getrocknet einen starken und ausdauernden Geruch verursachen; der Steinklee","page":496},{"file":"p0497.txt","language":"de","ocr_de":"497\n(Trigonella Foenrnn Graecum) sind daf\u00fcr, als die auffallendsten Beispiele anzuf\u00fchren, doch bei beiden Pflanzen ist es mir noch nicht m\u00f6glich gewesen, den riechenden Stoff in der lebenden Pflanze zu beobachten. Die ausdauernden Ger\u00fcche dieser beiden Pflanzen im getrockneten Zustande lassen auf einen bestimmten Riechstoff schliefsen, welcher sich bei denselben erst mit dem Verdunsten des Vegetationswassers entwickelt, oder dann wenigstens frei und fl\u00fcchtig wird. Im Allgemeinen riechen die Pflanzen im frischen Zustande st\u00e4rker, als im getrockneten, ja die meisten verlieren im letzteren Falle die Ger\u00fcche fast g\u00e4nzlich. Viele Pflanzen zeigen erst ihren Geruch, wenn \u00bbsie zerdr\u00fcckt oder zerrieben werden, wie z. B. die Bl\u00e4tter t der Zimmet- und Campher-B\u00e4ume, und dieses r\u00fchrt davon her, dafs der Riechstoff eine harz\u00e4hnliche Substanz ist, welche in den dickwandigen Zellen eingeschlossen und zwar starkriechend, aber nur wenig fl\u00fcchtig ist; werden die Zellen dieser Pflanzen zerdr\u00fcckt und wird die riechende Substanz zerrieben, so geschieht auch durch die vergr\u00f6fserte Oberfl\u00e4che derselben eine st\u00e4rkere Verfl\u00fcchtigung, daher der st\u00e4rkere Geruch. Sind die abgesonderten Riechstoffe d\u00fcnnfl\u00fcssig, wie die gew\u00f6hnlichen \u00e4therischen Oele, so pflegen sie meistens sehr leicht durch das Pflanzengewebe durchzudringen, und man darf diese Pflanzen nur leise anfassen, um den angenehmen Geruch wahrer zunehmen; dr\u00fcckt man bei solchen Pflanzen, besonders wenn ihre Substanz etwas saftig ist, st\u00e4rker, so mischt sich mit dem Geruch des Oeles noch der frische grasartige Geruch, den das Zellengewebe der meisten saftigen \"gr\u00fcnen Pflanzen zeigt.\nMan pflegt zu sagen, dafs die Pflanzen w\u00e4hrend des Sonnenscheines weniger riechen, als im gew\u00f6hnlichen Schattenlichte, doch dieser Ausspruch ist sehr einzuschr\u00e4nken. Diejenigen Pflanzen mit ausdauernden Ger\u00fcchen, wo sich der Riechstoff in Massen abgesondert und in verschiedenen Theiien aufgespeichert hat, scheinen mir auch w\u00e4hrend des Sonnenlichtes zu riechen, aber gerade in der\n32\nWeyen. Pfl. Physiol. II.","page":497},{"file":"p0498.txt","language":"de","ocr_de":"498\nh\u00f6heren W\u00e4rme w\u00e4hrend des Sonnenscheines wird um so mehr jener fl\u00fcchtige Stoff verfl\u00fcchtigt. Es scheint, als wenn ein gewisser Grad von Feuchtigkeit erforderlich ist, um die Schleimhaut der Nase geh\u00f6rig zu afficiren, aber vor Allem m\u00f6chte ich geneigt sein, anzunehmen, dafs der Geruchssinn Abends und Nachts st\u00e4rker ist, als bei Tage; bei mir findet dieses wenigstens statt. So k\u00f6nnten ge- j wisse Pflanzen bei Tage eine schw\u00e4chere Wirkung auf den Geruchssinn veranlassen, als Abends. Bei einigen j anderen Pflanzen ist es jedoch ganz bestimmt, dafs sie bei Tage nur schwach riechen und Abends sehr stark, und : sie sind es, welche den Uebergang zu den Pflanzen mit | periodischem Ger\u00fcche bilden, wovon gleich nachher die Rede sein wird.\nWir haben bisher nur \u00e4therische Oele, Campher, Harze u. s. w. als diejenigen Substanzen kennen gelernt, 1 welche den Geruch der Pflanzen veranlassen, aber auch diese J Stoffe zeigen in Hinsicht ihrer Fl\u00fcchtigkeit aufserordentlich grofse Verschiedenheiten. Von der gr\u00f6fsten Anzahl von Pflanzen kann man den Riechstoff vermittelst der Destil- I lation schon mit blofsem Wasser abziehen, haupts\u00e4chlich wo d\u00fcnnfl\u00fcssige \u00e4therische Oele vorhanden sind. In anderen F\u00e4llen werden die riechenden Stoffe durch Wasser und Weingeist ausgezogen, in noch anderen haften sie nur an fetten und \u00e4therischen Oelen. Die riechenden Stoffe der wei- 1 fsen Lilie, und die des Jasmins, sowohl des Jasminum officinale, als des Philadelphus coronarius sind von dieser Art; um sie von den genannten Bl\u00fcthen zu trennen, mufs man dieselben mit fettem Oele maceriren und dann vom Oele abdestilliren, worauf man sich \u00fcberzeugen kann, dafs jene riechenden Stoffe auch bei diesen genannten Pflanzen wirkliche \u00e4therische Oele'sind. Auf diese Weise wird in Italien das Jasminen-Oel bereitet und in unseren Apotheken das Oel der weifsen Lilien, welches jedoch immer nur sehr schwach riecht, obgleich der Geruch der wreifsen Lilien so \u00fcberaus stark ist.\nUeppige Vegetation bef\u00f6rdert auch die Absonderung","page":498},{"file":"p0499.txt","language":"de","ocr_de":"499\nder riechenden Stoffe, daher einige Gew\u00e4chse Europas innerhalb der Tropen noch st\u00e4rker riechen und defshalb daselbst auch sehr hoch gesch\u00e4tzt werden; der Jasmin ist als eine dieser Pflanzen anzusehen, welche die Spanier und Portugiesen \u00fcberall nach ihren tropischen Kolonien \u00fcbergef\u00fchrt haben, und daselbst \u00fcberaus stark riecht. Es sind aber auch Beobachtungen vorhanden, nach welchen t riechende Pflanzen in einer w\u00e4rmeren Luft ihren Geruch .verlieren; so hat Nocca*) bemerkt, dafs eine Calendula im warmen Gew\u00e4chshause ihren Geruch verloren hatte und Herr Link **) hat das Marrubium vulgare in Portugal ohne allen Geruch beobachtet. Es sind dieses Erschei-ui.nungen, welche mit der Bildung der periodischen Ger\u00fcche Jder Pflanzen auf gleiche Weise zu erkl\u00e4ren sind, und '7 wor\u00fcber auch etwas sp\u00e4ter noch die Rede sein wird.\nUnser gelehrte Botaniker Herr C. H. Schultz hat im 2ten Theile ***) seines ber\u00fchmten Werkes, welches er die Natur der lebendigen Pflanze genannt hat, einige geistreiche Fragen aufgestellt, welche er auf eine echt philosophische Weise, d. h. ohne dar\u00fcber Beobachtungen angestellt zu haben, gel\u00f6st hat. Die Fragen sind: \u201eWelche Theile der Blumen bringen den Geruch hervor? Sind es die Blumenbl\u00e4tter, oder die Staubf\u00e4den mit dem Pollen? Dafs es der letztere vorz\u00fcglich ist, scheinen die Beobachtungen der Ver\u00e4nderungen, welche der Pollen in eingeschlossener Luft erzeugt, wahrscheinlich zu machen.\u201c In solchen F\u00e4llen, wo bei gef\u00fcllten Blumen keine Antheren vorhanden sind, da, meint Herr Schultz, kommen vielleicht die Stoffe, welche sich h\u00e4tten in den Antheren bilden sol-- len, auf eine ver\u00e4nderte Weise zum Vorscheine. Man wird diese Erkl\u00e4rung gewifs f\u00fcr sehr geistreich halten.\nDie Beobachtungen haben gelehrt, dafs der Pollen der Pflanzen auf seiner Oberfl\u00e4che verschiedenartige Stoffe absondert, welche aber haupts\u00e4chlich in fettem Oele und\n*) Usteri, Annalen der Botau, T. V. pag. 8\u201410.\n*0 Elem. phil. bot. pag. 376.\n***) pag. 170.\n32 *","page":499},{"file":"p0500.txt","language":"de","ocr_de":"500\nWachs bestehen, denen man gerade keinen auffallenden Geruch zuschreiben kann. Dagegen der eigenth\u00fcmliche, oft sehr starke und widerliche Geruch, welchen der Pollen einiger Pflanzen in einem ausgezeichneten Grade zeigt, ist nicht von dem Oele, sondern von der Ausd\u00fcnstung der befruchtenden Feuchtigkeit abzuleiten, womit die Pol-lenbl\u00e4schen gef\u00fcllt sind, und dieser Geruch hat die gr\u00f6fste Aehnlichkeit mit dem Ger\u00fcche der spermatischen Feuchtigkeit derThiere; die n\u00e4here Ursache desselben ist jedoch noch g\u00e4nzlich unbekannt. Bei dem Berberitzenstrauche, wenn er in voller Bliithe steht, ist dieser Geruch sehr leicht wahrzunehmen, und in geringerem Grade bemerkt man denselben auch bei anderen Pflanzen, welche eine grofse Menge Pollen zu gleicher Zeit ausstreuen, wie bei den Palmen, den Aroideen und den Amentaceen. Der Einflufs des eigenth\u00fcmlichen Geruches des Pollens auf den allgemeinen Geruch der Bl\u00fcthe ist bei einigen Pflanzen sehr deutlich wahrnehmbar, wo sich der Geruch der Bl\u00fcthe nach dem Aufbrechen der Antheren und w\u00e4hrend des Befruchtungsaktes stark ver\u00e4ndert, aber gr\u00f6fseren Einflufs auf den Geruch der Bl\u00fcthen darf man dem Pollen nicht zuschreiben. Einige Aroideen und Stapelien geben gegen das Ende ihrer Bliithezeit einen mehr oder weniger starken, aashaften Geruch von sich, ja bei einigen Arten riechen die Bl\u00fcthen sehr \u00e4hnlich den Excrementen der Menschen, und Insekten werden dadurch verf\u00fchrt, ihre Eier hineinzulegen. Ich glaube nicht, dafs man diese stinkenden Ger\u00fcche einer fauligen Zersetzung zuschreiben darf, denn die Bl\u00fcthen jener Pflanzen sind noch ganz frisch, wenn sie diese Ger\u00fcche zeigen, und da es auch Pflanzen giebt, welche \u00e4hnliche Ger\u00fcche in vollkommen frischem Zustande zeigen, so mufs man auch jene als Ex-cretionen der lebenden Pflanze ansehen. Solche stinkenden Ger\u00fcche k\u00f6nnen nur durch Stickstoff-haltige Substanzen erzeugt werden, und die Gegenwart des Stickstoffgases in den Bl\u00fcthen ist durch die Beobachtungen \u00fcber die Respiration der Pflanzen nachgewiesen, Die Bl\u00fcthen hauchen","page":500},{"file":"p0501.txt","language":"de","ocr_de":"501\nneben der Kohlens\u00e4ure best\u00e4ndig Stickstoffgas aus; in den \u00fcbrigen Theilen der Pflanzen findet dieses weniger, meistens ganz unbemerkbar statt, und es scheint, dafs hier das Stickstoffgas zu den Stickstoff-haltigen Nahrungsmitteln , verbraucht wird, w\u00e4hrend in der Bliithe nach vollendeter Pollenbildung das Stickstoffgas nicht mehr verbraucht wird, In dem Abschnitte \u00fcber die Respiration der Pflanzen (pag. 157) habe ich schon darauf aufmerksam gemacht, j wodurch sich die Respiration der Bl\u00fcthen von der Respiration der \u00fcbrigen Theile der Pflanze unterscheidet, und ich kann defshalb darauf verweisen.\nIn neueren Zeiten hat man die Entdeckung gemacht, I dafs mehrere Pflanzen wirkliches Ammonium aushauchen, * wodurch nat\u00fcrlich die Ger\u00fcche derselben h\u00f6chst auffallend sein m\u00fcssen. Das Chenopodium Vulvaria L, ist seines scheufslichen Geruches wegen sehr bekannt; nach Chevalliers Entdeckung wird von dieser Pflanze freies Ammonium entwickelt, welches man durch anhaltende Respiration unter einer Glasglocke vermittelst Salzs\u00e4ure nachweisen kann. Nach den Untersuchungen von Chevallier und Bouillay *) sollen selbst eine Menge von wohlriechenden P Pflanzen-Bl\u00fcthen Ammoniak-Gas aushauchen, woraus man sehen kann, dafs. die Gegenwart dieses Stoffes noch keineswegs den stinkenden Geruch veranlafst, welchen mehrere Pflanzen in so hohem Grade zeigen.\nDie periodischen Ger\u00fcche der Pflanzen zeichnen sich haupts\u00e4chlich dadurch von den ausdauernden aus, dafs sie durch \u00e4ulserst fl\u00fcchtige Stoffe verursacht werden, welche nicht vorr\u00e4thig in den Pflanzen abgesondert sind, wie die -\u00e4therischen Oele und Harze, sondern nur in gewissen Perioden erzeugt und auch sogleich ausgedunstet werden. Wir kennen Pflanzen, welche eigentlich nur nach Sonnenuntergang und Nachts einen Geruch von sich geben; ei-\n*) Note sur le d\u00e9gagement d\u2019un gaz ammoniacal pendant la v\u00e9g\u00e9t\u00e2t. de Clienopodium Vulvaria. \u2014 Ann. des scienc. etc. Ionie \u00ee pag. 411.","page":501},{"file":"p0502.txt","language":"de","ocr_de":"502\nliige von diesen sind bei Tage g\u00e4nzlich geruchlos, andere zeigen dagegen bei Tage eben denselben Geruch, nur um Vieles schw\u00e4cher. Es ist eine sehr bemerkenswerthe Erscheinung, dafs verschiedene Pflanzen, deren Bliithen fast nur des Abends und des Nachts riechen, eine unter sich \u00e4hnliche F\u00e4rbung zeigen; die Farbe ist gelbbraun, mehr oder weniger stark mit schmutzigem Schwarz gemischt, und man nennt dieselbe Trauerfarbe; Hesperis tristis L. Pelargonium triste W., Gladiolus tristis L., Epidendron nocturnum sind die bekanntesten Pflanzen der Art; Pelargonium triste zeigt bei Tage keine Spur von Geruch, erst gegen Sonnenuntergang und meistens zur bestimmten Stunde findet sich der Geruch ein, w\u00e4hrend die anderen Pelargonium-Arten gerade an warmen Sommertagen sehr stark riechen; aber auch bei ihnen ist der Riechstoff nur in einem ausgehauchten Dunste bestehend, der vom Zellensafte aufgenommen, aber nicht als eigener Stoff abgelagert wird. Reibt man die Pelargonien-Bl\u00e4tter, so wird jene riechende Substanz von der Umh\u00fcllung befreit und die Bl\u00e4tter zeigen dann den st\u00e4rkeren Geruch. Hesperis tristis zeigt auch bei Tage etwas Geruch, dagegen Hesperis matronalis, welcher seines h\u00f6chst angenehmen Geruches wegen, den er Abends und Nachts verbreitet, so sehr gesch\u00e4tzt ist, zeigt auch bei Tage einen sehr feinen Geruch. Es giebt \u00fcberhaupt sehr viele Blumen, welche bei Tage nur sehr wenig riechen und Abends bedeutend st\u00e4rker, doch bei diesen Allen kommt niemals der riechende Stoff in Form eines Oeles im Inneren von Dr\u00fcsen vor. Der Cactus grandiflorus entwickelt seinen herrlichen Geruch gleich mit der Er\u00f6ffnung der Blume, welche meistens gleich nach Sonnenuntergang, zuweilen auch noch sp\u00e4ter erfolgt. H\u00f6chst auffallend ist dagegen eine Erscheinung, welche Herr Recluz an einer Cacalia angestellt hat; es zeigten die Blumen dieser Pflanze im Sonnenlichte die Entwickelung eines aromatischen Geruches, welcher sogleich verschwand, sobald die Einwirkung der Sonnenstrahlen verhindert wurde.","page":502},{"file":"p0503.txt","language":"de","ocr_de":"Wir haben hiermit kennen gelernt, dafs die Entwickelung der periodischen Ger\u00fcche ebenfalls, sowohl bei Tage, als des Nachts, und sogar bei dem Einfl\u00fcsse des Sonnenlichtes stattfinden kann, docli werden die einen vorziiglicli im Dunkeln und \u00fcberhaupt im Schattenlichte, die anderen dagegen bei dem direkten Einfl\u00fcsse des Sonnenlichtes entwickelt, Wir haben aber auch kennen gelernt, dafs sich die Respiration der Pflanzen im SchattenliclA e und im Sonnenlichte gar sehr verschieden verh\u00e4lt, dafs im Schat-r tenlichte best\u00e4ndig Sauerstoff eingesaugt und Kohlens\u00e4ure ausgehaucht wird, w\u00e4hrend bei den gr\u00fcnen Pflanzentheilen im Sonnenlichte Kohlens\u00e4ure zersetzt und Sauerstoff und Stickstoff ausgehaucht wird, demnach die chemischen Ver-( bindungen, welche durch den Lebensprozefs in verschiedenen Perioden und unter solchen verschiedenen Verh\u00e4ltnis-sen gebildet werden, auch sehr verschieden sein m\u00fcssen, und mit Bestimmtheit kann man behaupten, dafs die Bil dung dieser periodischen Pflanzen-Geriiche mit der Respiration der Pflanzen im innigsten Zusammenh\u00e4nge steht. Die meisten jener riechenden Stoffe sind \u00e4therische Oele, wenn der Duft auch noch so fein ist, dafs er selbst durch 4 dicke Wasserschichten hindurchdringt, und die Bildung dieser Oele kann man schon durch blofse Ausbauchung von Kohlens\u00e4ure aus den gew\u00f6hnlichen assimilirten Nahrungsstoffen erkl\u00e4ren. In einigen anderen F\u00e4llen ist die Entstehung des riechenden Stoffes noch bestimmter zu erkl\u00e4ren, indem die Chemie die Umwandelung von Stoffen gelehrt hat, welche der Lebensprozefs der Pflanzen ebenfalls zeigt. Das Bittermandel\u00f6l verwandelt sich durch blofse Oxydation, d. h. durch blofse Absorbtion von Sauerstoff in Benzoes\u00e4ure, und diese Umwandelung wird durch den Ein\u00fcufs des Sonnenlichtes noch bef\u00f6rdert. So kann in den Pflanzen ein Geruch, welcher im Schatten ausdauernd war, im Sonnenlichte verschwinden, denn da* :\tBittermandel\u00f6l hat einen sehr eigenth\u00fcmlichen Geruch,\nwelcher von derjenigen der Benzoes\u00e4ure sehr verschieden","page":503},{"file":"p0504.txt","language":"de","ocr_de":"504\nist. Die Chemie lehrt aber auch *), dafs die Benzoes\u00e4ure in Kohlens\u00e4ure und in eine \u00f6lartige, angenehm \u00e4therisch riechende Substanz umgewandelt werden kann. Ich habe diese Beispiele angef\u00fchrt, um zu zeigen, dafs man die Entstehung und das Verschwinden der periodischen Pflanzen-geriiche, unter verschiedenen Respirations-Erscheinungen, auf ganz \u00e4hnliche Weise zu erkl\u00e4ren hat; doch nur die speciellen Untersuchungen \u00fcber die Bildung der Ger\u00fcche, welche in dieser Hinsicht noch gar nicht angestellt sind, k\u00f6nnen die einzelnen F\u00e4lle k\u00fcnftig speciell erkl\u00e4ren.\nViele Pflanzen haben in den Bl\u00fcthen und in den Bl\u00e4ttern sehr verschieden riechende Stoffe abgesondert, was aber ebenfalls leicht einzusehen ist, indem die Respiration in diesen so verschiedenartigen Organen der Pflanze sehr verschieden, ja zuweilen in ihren Resultaten gerade entgegengesetzt ist. Viel zu allgemein wird in den physiologischen Lehrb\u00fcchern gesagt, dafs das Sonnenlicht zur Bildung der riechenden Stoffe in den Bl\u00fcthen der Pflanzen nicht durchaus n\u00f6thig sei, weil Senebier, und auch viele andere Botaniker bemerkt haben, dafs einige Pflanzen auch im Finstern riechen. Diese Beobachtungen beziehen sich indessen einmal nur auf solche Pflanzen, welche ihren Riechstoff bei der gew\u00f6hnlichen Respiration im Schattenlichte entwickeln, und zweitens auf solche, deren Blumen schon ausgebildet waren, als sie dem Tageslichte entzogen wurden. Ich glaube, es ist noch kein Beispiel vorhanden, dafs Pflanzen, welche in vollkommener Finsternifs gezogen wurden, wohlriechende Blumen entwickelten. Dagegen ist es bei mehreren wohlriechenden Blumen bekannt, dafs die Bl\u00fcthen vor dem Aufbrechen und der Geruch-entwickelnng abfallen, wenn sie zu wenig Licht erhalten. Auch ist der verminderte Einflufs von Licht, W\u00e4rme und Feuchtigkeit an tropischen Gew\u00e4chsen, welche in unseren Treibh\u00e4usern gezogen werden, in Bezug auf die Entwickelung der aromatischen Stoffe h\u00f6chst merklich, aber diese\n*) S. Mltschcrlich\u2019s Lehrbuch 3le Aufl. 1. pag, 99.","page":504},{"file":"p0505.txt","language":"de","ocr_de":"505\nsteht iin Allgemeinen keineswegs mit dem h\u00f6heren W\u00e4rmegrade der Luft im unmittelbaren Zusammenh\u00e4nge.\nMit wenigen Worten habe ich noch die verschiedenen Wirkungen zu erw\u00e4hnen, welche die riechenden Pflanzen auf den Menschen verursachen; der Gegenstand geh\u00f6rt offenbar nicht zur Pflanzen-Physiologie und ich werde defshalb auch nur diejenigen Punkte hervorheben, welche zu unrichtigen Ansichten \u00fcber die Natur der riechenden Stoffe Veranlassung gegeben haben. Es ist eine, allen - Physiologen bekannte Erscheinung, dafs starke Ger\u00fcche jeder Art auf das Nervensystem der Menschen von sehr auffallender, oft h\u00f6chst sch\u00e4dlicher Wirkung sind, ja selbst Blumen von den angenehmsten Ger\u00fcchen \u00e4ufsern solche I sch\u00e4dliche Wirkung, wenn sie in grofser Menge beisammen stehen. Der feine Geruch der Lindenbliithen bewirkt Ohnmacht und Bet\u00e4ubung, wenn man unter einem bl\u00fchenden Baume der Art schl\u00e4ft; auch die Veilchen haben auf gesunde Damen einen \u00e4hnlichen Eindruck gemacht, wenn deren zu viele im Schlafgemache befindlich waren. Der Einflufs der Pflanzenger\u00fcche auf kranke, hysterische Frauen ist noch auffallender, aber in allen diesen F\u00e4llen, wo an-* genehme Ger\u00fcche so sch\u00e4dlich wirken, da ist das Nervensystem stets in einem sehr geschw\u00e4chten, oder doch h\u00f6chst gereitzten Zustande.\nGanz anders verh\u00e4lt es sich dagegen mit den Ge-+ riichen giftiger Pflanzen, besonders mit den narkotischen, deren Ausd\u00fcnstungen ganz \u00e4hnliche Wirkungen hervorbringen, als der innerliche Gebrauch derselben. Man schreibt diese Wirkung den Ger\u00fcchen jener Pflanzen zu, doch es sind F\u00e4lle bekannt, wie bei der Manzinella, wo die Ausd\u00fcnstung fast ganz geruchlos ist und dennoch die furchtbarste Wirkung hervorbringt. Aelmlich verh\u00e4lt sich auch die Ausbauchung des wurzelnden Sumach\u2019s (Rhus radicans L.), doch man empfindet die giftige Wirkung dieser Pflanzen in einem noch weit h\u00f6heren Grade, wenn man die Aeste derselben mit blofsen H\u00e4nden abbricht, wodurch man wohl zu dem Schl\u00fcsse kommen kann, dafs die giftig","page":505},{"file":"p0506.txt","language":"de","ocr_de":"506\nwirkende Substanz in jenen Pflanzen abgesondert ist, und dals sie, auch durch Verfl\u00fcchtigung, in einiger Entfernung als Dunst eine \u00e4hnliche giftige Wirkung hervorruft. Die fabelhaften Nachrichten von javanischen und macassarischen Giftb\u00e4umen sind jedoch vollkommen als unrichtig nachgewiesem\nSechstes Ca pile!.\nAusscheidung w\u00e4sseriger Fl\u00fcssigkeiten auf der Oberfl\u00e4che und in besonderen Beh\u00e4ltern der\nPflanzen.\nAls im Anf\u00e4nge dieses Buches von der Transpiration der Pflanzen die Rede war, da wurde nachgewiesen, dafs das ausgehauchte Wasser der Pflanzen nicht vollkommen rein, sondern mehr oder weniger stark mit organischen und anorganischen Stoffen verunreinigt ist, wodurch die schnelle F\u00e4ulnifs desselben bewirkt wird ; gegenw\u00e4rtig will ich eine Reihe von F\u00e4llen auff\u00fchren, welche die Ausscheidung einer w\u00e4sserigen Fl\u00fcssigkeit zeigen, worin ebenfalls nur sehr wenig organische und anorganische Substanzen enthalten sind, so dafs man dieselbe als eine Erscheinung betrachten kann, welche mit der Transpiration der Pflanzen verwandt, also mehr zu den Excretionen, als zu den Secretionen zu rechnen ist.\nSenebier *) hat mehrere der hieher geh\u00f6rigen Erscheinungen angef\u00fchrt und dieselben in den Paragraphen: von der wahrnehmbaren Transpiration gestellt, doch mit vielen anderen Secretionen, welche auf der Oberfl\u00e4che der Pflanzen, vermittelst wirklicher Dr\u00fcsen vor sich gehen, zusammengestellt, so dafs ich demselben hierin nicht folgen kann..\n*) Phys, veg\u00e9t. IV. pag. 87","page":506},{"file":"p0507.txt","language":"de","ocr_de":"507\nDagegen hat Herr Treviranus *) eine sehr dankensvverthe Zusammenstellung dieser Erscheinungen gegeben, welche er in zwei Rubriken bringt; in der ersteren geschieht die Ausscheidung des Wassers an der Oberfl\u00e4che der Pflanze, und in der anderen wird sie in besonderen Schl\u00e4uchen und Anh\u00e4ngen ausgefiihrt.\nUeber die Excretion des Wassers auf der Oberfl\u00e4che der Bl\u00e4tter sind schon viele Beobachtungen angestellt; man sah das Wasser aus den Spitzen der Bl\u00e4tter des Pi-sangs und der Calla aethiopica hervortreten, doch am vollst\u00e4ndigsten handelte hier\u00fcber eine Stelle in SenebieEs Physiologie der Pflanzen **), wo es heifst: Dafs man den Thau auf den Bl\u00e4ttern von einer eigenen Excretion unterscheiden m\u00fcsse, welche von verschiedenen Botanikern, als von Hedwig, Guettard und Benedikt Pr\u00e9vost***) beobachtet worden ist; der Letztere hat dieselbe vorz\u00fcglich sorgf\u00e4ltig studirt, und ihren Sitz alsbald an den Spitzen der Bl\u00e4tter der Gr\u00e4ser gefunden, wo dieses abgesonderte Wasser einen ansehnlichen Tropfen bildet; er sah diese Excretion auch an den Spitzen der Z\u00e4hne bei den Bl\u00e4ttern verschiedener Pflanzen-Arten, wo diese kleinen Wassertr\u00f6pfchen nach bestimmten Regeln geordnet sind, welche der Art angeh\u00f6ren. Im Allgemeinen beobachtete er, dafs nur ein einzelnes, kugelf\u00f6rmiges Tr\u00f6pfchen am Ende des Blattes stand, wenn dasselbe glatt und mit einer scharfen Spitze versehen war; doch auch an eif\u00f6rmigen, l\u00e4nglichen und lanzettf\u00f6rmigen Bl\u00e4ttern fand sich etwas Aehnliches, wo sich diese Absonderung jedoch nur bei den j\u00fcngsten Bl\u00e4ttern bemerken liefs. Herr v. Mirbel f) beobachtete auf den Bl\u00e4ttern der Capuciner-Kresse 5 Wassertr\u00f6pfchen, welche an den Enden der 5 Hauptnerven derselben safsen,\n*) Physiologie. I. pag. 499.\n**) Tome IV. pag. 87.\n***) Man kann noch die Namen Phil. Miller, Putysch, Ciias Bjer= kander u. s. w. hinzusetzen.\n*{\u2022') Eiern, phys. v\u00e9g\u00e9t, I. pag. 201.","page":507},{"file":"p0508.txt","language":"de","ocr_de":"508\nund auf den Bl\u00e4ttern des Kohles und des Mohnes sollen sieh bedeutende Quantit\u00e4ten von Wasser anh\u00e4ufen.\nDie Monocotyledonen zeigen diese Excretion des W assers auf der Oberfl\u00e4che der Bl\u00e4tter am h\u00e4ufigsten, und besonders bei einigen dieser Gew\u00e4chse kann man sich, zur warmen Sommerzeit, t\u00e4glich von dieser Erscheinung \u00fcberzeugen, wie z. B. bei den zartbl\u00e4ttrigen Gr\u00e4sern. Wenn man junge May\u2019s-Pfl\u00e4nzchen oder Gersten-Pfl\u00e4nzchen, welche im Blument\u00f6pfe in der Stube wachsen, des Abends stark begiefst, so zeigen dieselben am folgenden Morgen kleine Wassertr\u00f6pfchen auf der Oberfl\u00e4che der Bl\u00e4tter; sie sitzen gew\u00f6hnlich nur an der Spitze der Bl\u00e4tter, indessen h\u00e4ufig auch am Rande des Mitteltheiles derselben. Untersucht man die Epidermis der Bl\u00e4tter solcher Stellen, wo die Absonderung des Wassers geschah, so wird es bei der gr\u00f6bsten Sorgfalt wohl nur selten m\u00f6glich sein irgend eine Oeffnung wahrzunehmen, durch welche das Wasser durchgehen konnte; doch wenn man mit geh\u00f6riger Vorsicht in der Epidermis junger Bl\u00e4tter des May\u2019s und der Calla aethio-pica kleine Verletzungen anbringt, so kann man, ganz besonders an diesen Stellen, das Hervortreten kleiner Wassertr\u00f6pfchen, schon wenige Stunden nach dem Begiefsen beobachten, und daraus m\u00f6chte man den Schlufs ziehen, dafs alle diese Excretionen von Wasser durch blofses Ausstr\u00f6men des ansteigenden rohen Nahrungssaftes aus den Rissen der Epidermis erfolgt. So ist auch die Beobachtung von Herrn Schmidt *) zu erkl\u00e4ren, welcher sah, dafs das Wasser an den Spitzen der Bl\u00e4tter von Arum Colocasia aus zwei kleinen Oeffnungen hervortrat, welche in einer Vertiefung unter der Spitze befindlich waren und zwar so grofs, dafs ein starkes Haar eingebracht werden konnte. Das Vorkommen dieser L\u00f6cher geh\u00f6rt allerdings nicht zum normalen Zustande der Pflanze, indessen geringe Verletzungen treten an den Spitzen solcher Bl\u00e4tter,\nLeber Ausscheidungen von Fl\u00fcssigkeiten an den Blattspiiz.cn von Arum Colocasia. -r- Linnaca. VI pag. 65.","page":508},{"file":"p0509.txt","language":"de","ocr_de":"509\nwelche sich im Verlaufe ihrer Ausdehnung etwas kr\u00fcmmen, gar nicht so selten auf, sie sind aber so gering, dafs wirk-liehe Oeffnungen schwer nachzuweisen sind.\nIch habe die abgesonderte Wassertropfen auf den Bl\u00e4ttern des May\u2019s \u00f6fters geschmeckt, aber darin nichts erkannt; gr\u00f6fsere Massen w\u00fcrden erst die festen Stoffe angeben k\u00f6nnen, welche darin im gel\u00f6sten Zustande enthalten sind. Schneidet man die jungen Bl\u00e4tter der Gr\u00e4ser quer durch, bald nachdem sie mit Wasser begossen sind, so tritt das Wasser in Form von kleinen Tr\u00f6pfchen an denjenigen Punkten des Querschnittes hervor, wo gerade die Spiralr\u00f6hren durchschnitten sind, und es ist zu ver-muthen, dafs eben dasselbe Wasser auf der Oberfl\u00e4che der Bl\u00e4tter ausgedunstet w\u00e4re, wenn die Spitzen derselben nicht abgeschnitten worden w\u00e4ren.\nDas Ansammeln der Wassertropfen an den Spitzen dieser Bl\u00e4tter findet \u00fcberhaupt im Allgemeinen nur dann statt, wenn der Wassergehalt der umgebenden Luft so bedeutend ist, dafs die Verdunstung auf der Oberfl\u00e4che der Bl\u00e4tter wenig oder gar nicht stattfinden kann. Daher die Erscheinung des Nachts sehr allgemein ist, ebenso wie in heifsen Gew\u00e4chsh\u00e4usern; aber man kann sich von der Richtigkeit meiner Angabe noch leichter \u00fcberzeugen, wenn man von mehreren, nebeneinanderstehenden jungen Getreide-Pfl\u00e4nzchen einige mit einer engen Glasr\u00f6hre bedeckt und die \u00fcbrigen frei stehen l\u00e4fst. Wird die Erde dieser Pfl\u00e4nzchen stark begossen, so zeigen sich auf den Bl\u00e4ttern der eingeschlossenen Pflanzen schon nach 4 \u2014 6Stunden kleine Wassertropfen, w\u00e4hrend dieses austretende Wasser auf den freistehenden Pflanzen verdampft. Wenn man sich nun der grofsen Kraft erinnert, mit welcher das Wasser durch die Endosmose der Wurzelspitzen u. s. w. eingesaugt und emporgehoben wird, so wird man es glaublich finden, dafs jenes Austreten der Wassertr\u00f6pfchen auf der Oberfl\u00e4che so zarter oder verletzter Bl\u00e4tter nur die folge des starken Druckes ist, mit welchem das Wasser in diesen Pflanzen emporgetrieben wird.","page":509},{"file":"p0510.txt","language":"de","ocr_de":"An diese Erscheinungen schliefst sich unmittelbar die Absonderung einer grofsen Menge von Wasser, welche man in den Bl\u00fcthen\u00e4hren von Amomum Zerumbet L. in unseren Gew\u00e4chsh\u00e4usern so h\u00e4ufig beobachtet, und von Herrn Treviranus auch schon beschrieben ist. Die Fl\u00fcssigkeit besteht aus einem geruch- und geschmacklosen auch chemisch fast ganz reinem Wasser, welches sich in den Vertiefungen zwischen den \u00fcber einanderliegenden schuppenf\u00f6rmigen Bl\u00e4ttchen ansammelt und zuweilen in so gro-fser Menge, dafs fast die ganze Bl\u00fcthen\u00e4hre damit \u00fcberschwemmt wird. Herr Treviranus beobachtete schon, dafs sich diese Fl\u00fcssigkeit des Nachts gr\u00f6fstentheils wiedererzeugt, wenn man dieselbe am Abende abgiefst. Bei der Maranta gibba Sm. sah ich diese Wasser-Absonderung so stark, dafs die Fl\u00fcssigkeit aus den r\u00f6hrenf\u00f6rmigen Kelchen best\u00e4ndig ablief. Sowohl in diesen F\u00e4llen, als auch bei der Wasser-Ausscheidung auf den Bl\u00e4ttern, geschieht dieselbe haupts\u00e4chlich des Nachts und auch noch in den Morgenstunden. Die Transpiration h\u00f6rt in unseren Gegenden des Nachts fast ganz und gar auf, was sich nach dem Feuchtigkeitszustande der Luft richtet; die Einsaugung des Wassers durch die Wurzeln, und das Aufsteigen desselben bis in die Bl\u00e4tter der Pflanzen dauert aber best\u00e4ndig fort, so dafs dann in einigen so seltenen F\u00e4llen, wie die angef\u00fchrten, ein Durchdringen der Fl\u00fcssigkeit in Folge des Druckes geschieht, mit welchem die S\u00e4fte durch die nachstehenden emporgehoben werden. Wenn dann bei Tage die Temperatur der Luft so hoch steigt, dafs die Feuchtigkeit die Atmosph\u00e4re nicht mehr s\u00e4ttigt, so geht die Verdunstung auf der ganzen Oberfl\u00e4che der Bl\u00e4tter vor sich, und dann wird man nur noch in sehr seltenen F\u00e4llen eine Ausscheidung der w\u00e4sserigen Fl\u00fcssigkeit auf der Oberfl\u00e4che der Bl\u00e4tter bemerken. Ja es scheint mir sogar nicht sehr unwahrscheinlich, dafs diese Wasser-Ausscheidung zuweilen durch die Oeffnungen der Hautdr\u00fcsen erfolgt, was\n*) Zeitschrift f\u00fcr Physiologie, III. pag. 75.","page":510},{"file":"p0511.txt","language":"de","ocr_de":"511\n\"dann durch eine Ueherfiiilung der Spiralr\u00f6hren mit Fl\u00fcssigkeit zu erkl\u00e4ren w\u00e4re, welche aus den Enden mit Gewalt hervortritt, in die Intercellular-G\u00e4nge dringt, und durch die Spalt\u00f6ffnungen abl\u00e4uft, wenigstens m\u00f6chte ich auf diese -Weise die Erscheinung erkl\u00e4ren, welche ich schon fr\u00fcher \u00fcber das Austreten des Wassers aus den Spalt\u00f6ffnungen mitgetheilt habe, welche in der Tiefe kleiner Gr\u00fcbchen auf der Oberfl\u00e4che des Bl\u00fcthenschaftes und der inneren sBlattscheiden des Musa-Stammes Vorkommen, wo keine Verdunstung stattfinden kann, indem diese verschiedenen Theile \u00e4ufserst fest \u00fcbereinander gewickelt sind.\nDiese Wasser-Ausscheidung auf der Oberfl\u00e4che der |Bl\u00e4tter soll zuweilen noch grofsartiger auftreten; schon Senebier erz\u00e4hlt, dafs die Pappeln und Weiden Wassertropfen absondern, welche man auffangen kann; Smith sah zuweilen diese Aussonderung auf den Bl\u00e4ttern der genannten B\u00e4ume so stark, dafs das Wasser wie ein leichter Regen herabfiel, es geschah in England auf schattigen Pl\u00e4tzen bei heifsem und stillem Wetter. Auch Du Hamei kannte schon diese Erscheinung, sowohl an Weiden, als _ an Pappeln. Auch von Herrn De Candolle *) wird die Beobachtung eines solchen Regens aufgef\u00fchrt, welchen die Caesalpinia pluviosa in Brasilien veranlassen soll.\nDie Absonderung einer w\u00e4sserigen Fl\u00fcssigkeit in besonderen Beh\u00e4ltern, welche bei einigen Pflanzen-Arten und bei ganzen Gattungen vorkommt, hat die allgemeine Aufmerksamkeit zwar in einem h\u00f6heren Grade auf sich gelenkt, aber, obgleich solche Pflanzen, besonders in eng-\u201e lischen G\u00e4rten, in aufserordentlicher Vollkommenheit ge-' zogen werden, so ist man mit einer genauen Kenntnifs \u00fcber die Art dieser Wasser-Absonderung und die Bedeutung derselben noch sehr weit zur\u00fcck. Die Nepenthes-Arten sind die bekanntesten unter diesen Gew\u00e4chsen; sie - zeigen an den Enden ihrer Bl\u00e4tter l\u00e4ngliche Schl\u00e4uche, welche die Form eines Kruges mit geschlossenem Deckel\n*) Pliys. v\u00e9gt't, 1- pag. 255,","page":511},{"file":"p0512.txt","language":"de","ocr_de":"512\nhaben, und durch einen gebogenen Stiel in der Art befestigt sind, dafs sie mit ihrem oberen Ende stets aufrecht stehen. Die Entwickelung dieses Schlauches geschieht erst dann, wenn die Bl\u00e4tter eine gewisse L\u00e4nge erreicht haben, welche jedoch bei verschiedenen Individuen verschieden ist. Bei den jungen Schl\u00e4uchen sind die Deckel noch vollkommen fest geschlossen, so dafs durchaus keine offene Verbindung zwischen der H\u00f6hle des Schlauches und der atmosph\u00e4rischen Luft stattfinden kann, und dennoch sind die Schl\u00e4uche zu dieser Zeit ganz mit Luft gef\u00fcllt. Bei der weiteren Ausbildung dieses Schlauches, den ich nur bei Nepenthes destillatoria beobachtet habe, bemerkt man einige Wasser-Anh\u00e4ufung auf dem Grunde desselben, w\u00e4hrend der Deckel noch immer vollkommen geschlossen ist, und \u00f6ffnet man alsdann den Schlauch, so ist das abgesonderte Wasser, welches nat\u00fcrlich nicht von Aufsen hineinkommen konnte, ganz klar und sehr wenig s\u00fcfslich schmeckend. Ich habe bemerkt, dafs die abgesonderte Wassermasse h\u00f6chstens ~ des Schlauches, vor dem Er\u00f6ffnen desselben, anf\u00fcllt. Die Herrn Loddiges *) sahen die Schl\u00e4uche der Nepenthes phyllamphora vor dem Er\u00f6ffnen der Deckel zum Dritt-theile mit einem s\u00e4uerlich schmeckenden Wasser angef\u00fcllt, welche jedoch nach dem Oeffnen der Deckel verdunstete. Rumph beobachtete dagegen, dafs die Schl\u00e4uche des Nepenthes im Vaterlande der Pflanzen, vor dem Oeffnen des Deckels am meisten Wasser enthalten, welches sich sp\u00e4ter durch Verdunstung vermindere, aber Nachts wieder ersetzt w\u00fcrde. Indessen man kann in jedem Gew\u00e4chshause sehen, dafs sich die Verdunstung und die Anh\u00e4ufung des Wassers in den Schl\u00e4uchen der Nepenthes-Arten ganz nach dem Feuchtigkeitszustande der Luft und des Bodens richtet. Ist die Luft des Gew\u00e4chshauses sehr feucht, so dafs keine starke Verdunstung stattfinden kann, und ist der Boden feucht, so wird die Absonderung so bedeutend, dafs der ge\u00f6ffnete Schlauch zuweilen bis \u00fcber die H\u00e4lfte mit Wasser\n*) Botanical Magaz, Nro. 2629=","page":512},{"file":"p0513.txt","language":"de","ocr_de":"513\ngef\u00fcllt wird, und giefst man dasselbe aus, so erzeugt es sich in einigen Tagen von Neuem. Die s\u00fcfsliche Fl\u00fcssigkeit im Inneren des Schlauches lockt eine grofse Menge von Insekten herbei, welche darin ihren Tod finden.\nDie Absonderung einer solchen Menge von Fl\u00fcssigkeit in einem besonderen Schlauche veranlafst nat\u00fcrlich die n\u00e4here Untersuchung derStructur desselben, um die Organe der Aussonderung kennen zu lernen. Herr Treviranus *), 1 dem die Wissenschaft schon viele sehr sch\u00f6ne Beobachtungen verdankt, gab auch hier\u00fcber die erste genauere Nachweisung; er fand die innere Oberfl\u00e4che des Schlauches der Nepenthes destillatoria in der oberen H\u00e4lfte gef\u00e4rbt (und mit einem blauen Reife bedeckt, wie es solche Theile zu sein pflegen, welche gegen die Aufnahme und Einwirkung des Wassers gesch\u00fctzt sein sollen; in der unteren rl H\u00e4lfte dagegen ist sie gl\u00e4nzend und voll kleiner, driisen* i\u00df artiger, abw\u00e4rtsgerichteter H\u00fcgel, welche von der Oberhaut insofern entbl\u00f6fst sind, als diese an jeder solchen Stelle ein rundes Loch hat. Herr Treviranus sagt, dafs es wahrscheinlich sei, dafs eben durch jene Dr\u00fcsen die Absonderung des Wassers geschehe, und dafs sich eben defshalb der Schlauch nur soweit mit Wasser f\u00fclle, als diese Dr\u00fcsen auf der inneren Fl\u00e4che desselben Vorkommen. Indessen jene Dr\u00fcsen kommen nicht nur auf der Fl\u00e4che des unteren Theiles des Schlauches vor, sondern auf der ganzen Fl\u00e4che desselben, und auch auf der unteren Fl\u00e4che des Deckels, und dennoch wird hier keine Wasser-Absonderung wahrgenommen. An gr\u00f6fseren Schl\u00e4uchen kann man &rzwar schon mit blofsem Auge wahrnehmen, dafs das Wasser in Form kleiner Tr\u00f6pfchen gerade an denjenigen Stellen der Schlauchfl\u00e4che ausgesondert wird, wo diese Dr\u00fcsen ihren Sitz haben, doch dieses h\u00e4ngt offenbar mit einer anderen Erscheinung zusammen wovon sogleich die Rede sein wird.\nDie Dr\u00fcsen auf der inneren Fl\u00e4che der Nepenthes^\n*) Zeitschrift f\u00fcr Physiologie. IIT, pog. 73. ftleyen, Pfl, Physiol, II.\n33","page":513},{"file":"p0514.txt","language":"de","ocr_de":"514\nSchlauche treten in sehr grofser Anzahl auf; es sind runde, j linsenf\u00f6rmig zusammengedr\u00fcckte K\u00f6rper von sehr klein- j maschigem Zellengewebe, welches im ausgebildeten Zu- \u00a7 st\u00e4nde der Dr\u00fcse von br\u00e4unlicher F\u00e4rbung ist. In den jungen, noch unge\u00f6ffneten Schl\u00e4uchen sind diese kleinen Dr\u00fcsen von gr\u00fcner Farbe und die Zellchen derselben sind noch sehr saftig, aber gerade w\u00e4hrend dieser Zeit findet | gar keine Wasser-Absonderung im Schlauche statt.\nAlle diese Dr\u00fcsen haben ihren Sitz unter der Epidermis j oder der oberen Zellenschicht der inneren Schlauchfl\u00e4che ; 1 dieselbe reifst sp\u00e4ter an dem unteren Rande der darunter sitzenden Dr\u00fcsen, es entsteht dadurch eine Querspalte, welche sich allm\u00e4lich vergr\u00f6fsert, wobei die Dr\u00fcse mit \\ ihrem unteren Rande immer mehr hervortritt, bis endlich die Oeffnung der Epidermis ziemlich regelm\u00e4fsig rund wird und der obere Rand der Dr\u00fcsen nur noch durch einen | kleinen Vorsprung der Epidermis bedeckt wird, so dafs J dieselben meistens mit mehr als f ihrer Oberfl\u00e4che frei \u00fcber die Epidermis hervorragend). Wie schon oben angegeben wurde, so habe ich selbst beobachtet, dafs das * abgesonderte Wasser gerade an den Stellen der Dr\u00fcsen hervortritt, aber nach meiner Vermuthung wird es nicht von den Dr\u00fcsen abgesondert, sondern es tritt aus der verletzten Stelle zwischen der zerrissenen Epidermis und j der Dr\u00fcse hervor, ganz in derselben Art, wie das Wasser, welches anf der Oberfl\u00e4che der Bl\u00e4tter vieler Pflanzen zum Vorschein kommt. Waren es die Dr\u00fcsen, welche , absonderten, so w\u00e4re nicht einzusehen, wefshalb nicht auch die Dr\u00fcsen auf dem Deckel und der inneren Fl\u00e4che des oberen Theiles des Schlauches das Wasser absonderten. Der Zweck jener eigenthiimlichen, dr\u00fcsenartigen K\u00f6rper w\u00e4re uns also noch unbekannt, und man hat dieselben wohl nur defshalb f\u00fcr die absondernden Organe angesehen, weil sie gerade an den absondernden Fl\u00e4chen Vorkommen.\n*) Siehe die Abbildungen in meiner Schrift \u00fcber die Secretions-Organe etc. Tab. V. Fig. 13 etc.","page":514},{"file":"p0515.txt","language":"de","ocr_de":"515\nVielleicht dienen diese Dr\u00fcsen zur Absonderung des gl\u00e4nzenden Ueberzuges, womit die ganze innere Fl\u00e4che der Nepenthes-Schl\u00e4uche bekleidet ist, obgleich in anderen F\u00e4llen, woselbst \u00e4hnliche Ueberziige Vorkommen, durchaus keine Dr\u00fcsen vorhanden sind, welche dieselben absondern.\nAuch bei den Sarracenia-Arten, welche \u00e4hnliche Schl\u00e4uche wie Nepenthes aufzuweisen haben, ist die Absonderung des Wassers im Inneren derselben erwiesen* r \u00e4hnlich wie bei Nepenthes, f\u00fcllt die Fl\u00fcssigkeit nur den unteren Theil des Schlauches, welcher mit feinen H\u00e4rchen ausgekleidet ist und nach dem Ausgiefsen ersetzt sich dieselbe von Neuem.\nCephalotus follicularis Lab., wovon die prachtvolle r. Abbildung auf der vierten Tafel des botanischen Atlasses fs. zu Flinder\u2019s Reise nach Australien befindlich ist, hat ebenfalls dergleichen Schl\u00e4uche wie Nepenthes; Herr Robert Brown *) sagt von denselben: \u201edafs sie gew\u00f6hnlich /s zur H\u00e4lfte mit einer w\u00e4sserigen Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt gefunden wurden, worin man oft eine grofse Menge kleiner t? ertrunkener Ameisen antraf. Diese Feuchtigkeit von matt-m s\u00fcfslichem Geschmack mag vielleicht zum Theil aus dem Schlauche selbst ausschwitzen; wahrscheinlicher aber besteht sie aus blofsem Regenwasser, das sich darin gesammelt und erhalten hatte. Der Deckel des Schlauches war bei vollendetem Wachsthume entweder fest auf die Oeff-nung gedr\u00fcckt und verschlofs dieselbe v\u00f6llig, oder er stand aufgerichtet und liefs die M\u00fcndung ganz offen, und es ist daher nicht unwahrscheinlich, dafs die Richtung des Deckels * von dem Zustande der Atmosph\u00e4re, oder auch von anderen \u00e4ufseren Ursachen bedingt werde.\u201c\nDa es gegenw\u00e4rtig bei den Gattungen Nepenthes und \u00ab Sarracenia erwiesen ist, dafs jene Aussonderung des Wassers durch den Schlauch geschieht, so mufs man,\n; wohl dasselbe schon aus Analogie f\u00fcr Cephalotus annehmen, ebenso auch bei Dischidia Rafflesiana, wor\u00fcber\n*) Vermischte Schriften, I. pag. 146.\n33*","page":515},{"file":"p0516.txt","language":"de","ocr_de":"516\nWallich*) n\u00e4here Beschreibung gegeben hat. Bei letzterer Pflanze findet noch das Eigent\u00fcmliche statt, dafs eine Menge von W\u00fcrzelchen in die Fl\u00fcssigkeit des Schlauches hinabreichen und von dem Stiele des Schlauches ausgehen, so dafs selbst Wallich vermutet, dafs diese Fl\u00fcssigkeit von Aufsen in den Schlauch hineinkomme.\nAm Schl\u00fcsse dieses Capitels erw\u00e4hne ich die bekannten Schl\u00e4uche, welche die Utricularien aufzuweisen haben; indem dieselben, in Hinsicht ihrer Form und Structur sehr grofse Aehnlichkeit mit den Schl\u00e4uchen, der vorhin genannten Gattungen zeigen. Die Schl\u00e4uche der Gattungen Nepenthes, Sarracenia u. s. w. wachsen in der Luft und sonderen Wasser ab; die Schl\u00e4uche der Utricularien wachsen dagegen unter Wasser und scheiden Luft aus, daher ich diese Gebilde eigentlich mit den vorhergehenden nicht zusammenstellen sollte, auch tue ich es nur, weil von verschiedenen Botanikern gelehrt wird, dafs diese Schl\u00e4uche der Utricularien zu verschiedenen Zeiten bald Luft bald eine schleimige Fl\u00fcssigkeit absonderen. Der Bau der Utri-cularien-Schl\u00e4uche ist sehr zusammengesetzt, ich habe denselben in meiner Schrift \u00fcber die Secretions -Organe ausf\u00fchrlicher beschrieben und mit Abbildungen begleitet**). Die Schl\u00e4uche sind gestielt, aber der Stiel ist solide und daher keine offene Communication mit der H\u00f6hle des Schlauches und dem Inneren des Stieles stattfinden kann. Die W\u00e4nde der Schl\u00e4uche bestehen aus zwei Zellenschichten, wovon die Zellen der inneren oft mit einem blauen oder violetten Zellensafte gef\u00fcllt sind, aber auf der inneren Fl\u00e4che des Schlauches findet man eine sehr grofse Menge regelm\u00e4fsig geformter und sehr niedlich gestellter H\u00e4rchen, welche in kleinen H\u00e4ufchen, jedesmal zu 4, n\u00e4mlich zu zwei l\u00e4ngeren und zwei k\u00fcrzeren zusammengestellt sind. Der Deckel des Schlauches ist frei von jenen H\u00e4rchen, zeigt aber eine \u00fcberaus niedliche Anordnung der Zellen.\n*) Plant. asiatic. II. pag. 35. Tab. 142. Fig. 6 et 7,\n**) P;'\u00bb* 12 etc. Tab, V. Fig, 1 \u201410,","page":516},{"file":"p0517.txt","language":"de","ocr_de":"517\nDie ganz jungen Schl\u00e4uche, wenn die H\u00e4rchen auf der inneren Fl\u00e4che noch nicht entwickelt sind, enthalten eine w\u00e4sserige, etwas schleimige Fl\u00fcssigkeit, wenn aber dieselben ausgewachsen sind, so zeigen sie zwar eine Luft-- blase in ihrer H\u00f6hle, doch daneben befindet sich noch immer mehr oder weniger von jener Fl\u00fcssigkeit. Obgleich der Deckel bei den ausgewachsenen Schl\u00e4uchen ge\u00f6ffnet ist, so habe ich doch niemals gesehen, dafs das \\ Hervortreten jener Luftblase aus der H\u00f6hle desselben so schnell vor sich geht, was vielleicht durch die \u00fcberaus grofse Menge von kleinen H\u00e4rchen und gestielten Dr\u00fcsen verhindert wird, welche vor der durch das Oeffnen des J Deckels entstandenen Spalte sitzen. Auch steht die Luft-Absonderung in den Utricularien-Schl\u00e4uchen keinesweges mit der Bl\u00fcthenzeit der Pflanze im Zusammenh\u00e4nge, sondern sie erfolgt wenn die H\u00e4rchen auf der inneren Fl\u00e4che der Schl\u00e4uche entwickelt sind, und es ist nicht schwer dergleichen Individuen von Utricularien zu finden, welche an ihren Spitzen noch ganz junge Blasen zeigen, die noch mit Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt sind, w\u00e4hrend die \u00e4lteren in ihrem .Inneren eine kleine Luftblase zeigen und die \u00e4ltesten schon wieder ganz mit Wasser gef\u00fcllt sind. Dieses Alles kann man sowohl vor, als w\u00e4hrend und nach der Bl\u00fcthenzeit dieser Pflanzen beobachten, doch h\u00e4ngt das Hinaufkommen dieser Pfl\u00e4nzchen nach der Oberfl\u00e4che des Wassers, allerdings mit der Luft-Entwickelung in den Schl\u00e4uchen zusammen. Eine sehr grofse Zahl von Utricularien sind schon von ihrer Wurzel getrennt, wenn sie zum Bl\u00fchen auf die f Oberfl\u00e4che des Wassers kommen, und ohne diese Luft-' Absonderung in den Schl\u00e4uchen w\u00fcrde es schwerlich gelingen, da die Pflanze in ihrem Inneren nur sehr wenig Luftbeh\u00e4lter hat und defshalb, ihrer Schwere wegen zu Boden fallen w\u00fcrde. Ist die Th\u00e4tigkeit der Zellen der : Schl\u00e4uche aufgehoben, so f\u00fcllen sich dieselben ganz mit dem umgebenden Wasser und die Pflanze f\u00e4ngt an niederzusinken. Die Entwickelung dieser Schl\u00e4uche der Utricu-laria ist leicht zu beobachten, wobei noch Vieles sehr","page":517},{"file":"p0518.txt","language":"de","ocr_de":"518\nInteressante bemerkbar wird, was sich leichter durch ausf\u00fchrliche Abbildungen nachweisen l\u00e4fst, die ich gelegentlich an einem anderen Orte bekannt machen werde. Ein jeder Utricularien - Schlauch entwickelt sich aus einem bestimmten Theile des Blattes, oder vielmehr aus einer gewissen Zahl von Aestchen der Bl\u00e4tter, welche sich mit ihren Spitzen hackenf\u00f6rmig zusammenkr\u00fcmmen, sp\u00e4ter verwachsen und so einen gestielten Sack bilden, dessen Oeffnung dann durch einen Deckel verschlossen wird. Der Stiel des Schlauches ist ein Theil des Blattes, welches man im jungen Zustande sehr leicht erkennt; sp\u00e4ter erh\u00e4lt das ausgewachsene Blatt allerdings ein fremdartiges Ansehen, aber auch dann erkennt man noch sehr wohl, dafs jene Schl\u00e4uche \u00e4ulserst regelm\u00e4fsig gestellt sind.\nSiebentes Capitel.\nSecretion verschiedenartiger Stoffe, welche auf der Oberfl\u00e4che der Pflanzen Vorkommen.\nBei sehr vielen Pflanzen kommen auf der Oberfl\u00e4che einzelner Theile, als der Bl\u00e4tter, des Stengels u. s. w. verschiedenartige abgesonderte Stoffe vor, welche bald klebrig, bald schmierig, bald geruchlos, aber gr\u00f6fstentheils stark j riechend sind. Die meisten dieser Stoffe werden durch die verschiedenartigen \u00e4ufseren Dr\u00fcsen abgesondert, welche wir fr\u00fcher er\u00f6rtert haben, und von diesen kann daher an diesem Orte nicht mehr die Rede sein. Ich werde hier 4 nur die haupts\u00e4chlichsten von denjenigen Absonderungen auff\u00fchren, welche bei verschiedenen Pflanzen auf der Oberfl\u00e4che einzelner Theile Vorkommen, und von den oberfl\u00e4chlich liegenden Zellen ohne alle besondere Vorrichtungen < ausgef\u00fchrt werden.\nAm auffallendsten erscheint die klebrige balsamische Substanz, welche die \u00e4ufsere Oberfl\u00e4che der Knospenbl\u00e4ttchen einer Menge von Pflanzen bekleidet; bei den","page":518},{"file":"p0519.txt","language":"de","ocr_de":"519\nPappeln, besonders bei der Balsampappel wird sie in bedeutender Quantit\u00e4t abgesondert und zeichnet sich durch einen sehr starken Geruch aus; auch die Rofskastanien zeigen auf ihren Knospen eine starke Absonderung jenes klebrigen, riechenden Stoffes, welcher zuweilen, wenn die Knospe aufbl\u00fcht, in Masse herabfliefst. Die Oberfl\u00e4chen jener Bl\u00e4tter, welche die Substanz unmittelbar absondern, sind mit glatter Epidermis versehen und zuweilen wie bei . der Rofskastanie mit zusammengesetzten Dr\u00fcsen bekleidet ; in anderen F\u00e4llen sind es blofse einfache Haare, welche ebenfalls absondern. Dergleichen Baumknospen, welche stark mit Haaren bekleidet sind, zeigen jene Absonderung p nicht, und ich m\u00f6chte Herrn De Candolle beistimmen I welcher die Vermuthung ausspricht, dafs sowohl jener o balsamische Ueberzug, als auch die Bedeckung mit H\u00e4rchen, die Knospen gegen die sch\u00e4dliche Wirkung des W assers sch\u00fctzen m\u00fcssen, doch ist es auffallend, dafs die st\u00e4rkste Absonderung gerade dann erfolgt, wenn sich die Knospenbl\u00e4tter \u00f6ffnen und dann also nicht mehr sch\u00fctzen k\u00f6nnen.\nIn unseren Gegenden giebt es unter den hohen Pflanzen nur wenige, welche \u00e4hnliche Absonderungen von einem 1 klebenden und wohlriechenden Stoffe auf der Oberfl\u00e4che der Stengel zeigen; die jungen Birken triebe zeigen eine solche Absonderung auf der Epidermis in sehr geringem Grade, sie ist jedoch so stark riechend und so best\u00e4ndig f- in ihrem Ger\u00fcche, dafs selbst das Leder, welches in Rufsland mit solcher Birkenrinde gegerbt wird, und unter dem Namen der Juchten bekannt ist, von jenen abgeson. derten Stoffen seinen eigenthiimlichen Geruch erh\u00e4lt. Der klebrige und mehr oder weniger stark gef\u00e4rbte Stoff, welcher auf dem oberen Theile des Blumenstieles der Silene viscosa abgesondert wird, hat grofse Aehnlichkeit mit dem Viscin und wird ebenfalls ohne Dr\u00fcsen auf der Epidermis des Stengels abgelagert, doch in den meisten anderen \u2019 F\u00e4llen, wo die Blumenstiele mit einer klebrigen Substanz bedeckt sind, da sind besondere Dr\u00fcsen f\u00fcr die Absonderung derselben vorhanden\u00bb Besonders auffallend erschien","page":519},{"file":"p0520.txt","language":"de","ocr_de":"520\nes mir, dafs eine Menge von Pflanzen, deren \u00e4hnliche Gattungen, bei uns in Europa, ganz gew\u00f6hnliche krautartige Bl\u00e4tter besitzen, dafs diese sowohl in Chile als im s\u00fcdlichen Peru mit gl\u00e4nzenden, lederartigen Bl\u00e4ttern versehen sind, und ganz aufserordentlich h\u00e4ufig auf ihrer Oberfl\u00e4che, sowohl der Bl\u00e4tter, als des Stengels und noch mancher anderer fl heile, mit einem harzigen, mehr oder weniger klebrigen, meistens aber stark gl\u00e4nzenden Stoffe \u00fcberzogen sind. Es ist schon in den niederen H\u00f6hen Chiles der Fall, dafs die meisten strauchartigen Gew\u00e4chse auf der Oberfl\u00e4che des Stengels, und auch h\u00e4ufig auf den Bl\u00e4ttern jenen harzigen Stoff absondern, aber in den bedeutenderen H\u00f6hen der peruanischen Cordill\u00e8re, ganz besonders in den \u00fcberaus trockenen Ebenen von 10 und 14000 Fufs H\u00f6he, da sind fast s\u00e4mmtliche kleinen strauchartigen Gew\u00e4chse, mehr oder weniger stark mit jener harzigen Absonderung bekleidet, und auch im Inneren m\u00fcssen die Holzmassen dieser Gew\u00e4chse so stark mit Harz durchdrungen sein, dafs diese Gew\u00e4chse sehr gut brennen, selbst im frischen Zustande, gleich nach dem Abpfl\u00fccken. Vielleicht steht diese Erscheinung mit der starken Transpiration in Verbindung, welche diese Gew\u00e4chse in einer so trockenen Luft *) und einem so wasserarmen Boden zu Grunde richten m\u00fcfste, wenn nicht die Oberfl\u00e4che derselben mit einem Firnisse bedeckt w\u00e4re, welcher die Transpiration unterdr\u00fcckt. Aus den Bl\u00e4ttern der Laretia acaulis Hook. (Selinum acaule) **) schwitzt unter \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen ein Harz aus, welches mitunter mehr oder weniger grofse Massen, von j \u2014 i Loth Schwere und dar\u00fcber darstellt.\nDer schmierige Stoff, welchen das Reoeptaculum von Atractylis gummifera aussondert, ist von Herrn Macaire-\n) S.Mcyen s Reise um die Erde. I, pag. 460 u. s.w. Ich habe nirgends Solche hohe Grade von Lufttrockenheit wieder beobachtet und auch, so viel mir bekannt ist, haben andere Reisende kein? h\u00f6here Trockenheit bemerkt.\nS. Meyen\u2019s Reise etc. 1, pag. 315.","page":520},{"file":"p0521.txt","language":"de","ocr_de":"521\nPrinsep*) untersucht und als reiner Vogelleim erkannt, wie man ihn k\u00fcnstlich aus Viscum album u. s. w. zieht. H. Macaire nennt die Substanz Viscine und hat sie auch im Inneren der Rinde von Viscum album und Ilex aqui-folium vorgefunden; sie ist schmierig, h\u00f6chst klebrig, unl\u00f6slich in Wasser und in Aether, dagegen wenig l\u00f6slich in Alkohol und nur zum Theil bei einer hohen Temperatur desselben. In Schwefel\u00e4ther und in Terpenthin\u00f6l ist die Viscine l\u00f6slich.\nAufserordentlich ist auch die Absonderung einer wachsartigen Substanz, welche mehr oder weniger stark die Oberfl\u00e4che einzelner Theile verschiedener Pflanzen bedeckt; der blaue Reif, die Pruina, welche die Fr\u00fcchte der Pflaumenb\u00e4ume bedeckt, ist als eine solche Absonderung am bekanntesten, derselbe erzeugt sich mehrmals von Neuem, wenn man die Oberfl\u00e4che dieser Fr\u00fcchte abwischt. Es ist diese Substanz in Wasser unl\u00f6slich, dagegen wird sie in heifsein Alkohol und Aether gel\u00f6st, auch sie bildet wahrscheinlich ein Schutzmittel gegen die Einwirkung des Regens auf die Frucht. Die Kirschen, welche einen solchen Ueberzug entbehren, platzen bei jedem Regen sehr h\u00e4ufig, doch bei den Pflaumen, wo noch die Reifung langsamer vor sich geht, da kommt das Platzen dennoch nur \u00e4ufserst selten vor. Die Weintrauben, die Feigen, Orangen, K\u00fcrbisse u. s. w. zeigen einen \u00e4hnlichen Reif. Herr Nees von Esenbeck und Marquart **) haben den Reif der Fr\u00fcchte an Beninsaca cerifera untersucht und in demselben 66 pCt, weifsen Wachs, 29 pCt. Harz und 5 pCt. Extractivstoff gefunden,\nBei sehr vielen Pflanzen werden die Bl\u00e4tter mit einem \u00e4hnlichen Reife \u00fcberzogen, wie jener der Pflaumen; einen solchen Fall kennt man ganz allgemein an unseren Kohlbl\u00e4ttern, wo dieser Staub dem gr\u00fcnen Blatte eine bl\u00e4uliche Farbe giebt. Auch bei den Gattungen Cacalia,\n\u00a5) M\u00e9m. de la Soc. de Phys, et d\u2019hist. nat. de Gen\u00e8ve. Tom. VR part. I.\n**) Buchner\u2019s Repertorium, Bd. U,","page":521},{"file":"p0522.txt","language":"de","ocr_de":"522\nPrimula, Mesembryantliemum, Papaver u. s. w. kennt man einige Arten, welche auf den Bl\u00e4ttern, wie auf der Oberfl\u00e4che des Stengels, einen solchen bl\u00e4ulichen Reif aufzuweisen haben; doch der graue Staub auf den Bl\u00e4ttern der Chenopodien u. s. w. wird nicht durch eine \u00e4hnliche wachsartige Secretion bewirkt, sondern er besteht in kleinen blasenf\u00f6rmigen Dr\u00f6schen, von welchen schon fr\u00fcher die Rede war. Auch auf den Bl\u00e4ttern der B\u00e4ume, z. B. der Pappeln wird zuweilen die Secretion einer wachsartigen Materie beobachtet, aber die Bl\u00e4tter der Heliconia brasi-liensis sind auf ihrer unteren Fl\u00e4che mit einer \u00e4hnlichen, sehr feinen, weifsgef\u00e4rbten Materie in solcher Menge \u00fcberzogen, dafs man mit Leichtigkeit eine Menge davon ein-sammeln kann. Auch in unseren Gew\u00e4chsh\u00e4usern zeigt diese Pflanze jene Absonderung, welche meistens eine, \u25a0\u00a7 Linie dicke Schicht bildet, die aber bei diesen Pflanzen in ihrem Vaterlande noch bedeutender ist. In kochendem Alkohol l\u00f6st sich dieses wachsartige Pulver nur zum Theil, vollkommen aber in kochendem Terpenthin-Oele.\nSt\u00e4rkere Ablagerungen eines ziemlich reinen Pflan-zenwachses findet man auf den Fr\u00fcchten vieler Pflanzen, und die Myrica cerifera in Nordamerika ist in dieser Hinsicht am bekanntesten, die Fr\u00fcchte derselben sind mit einer dicken Wachslage \u00fcberzogen, welche man durch Schmelzen in kochendem Wasser abtrennen, reinigen und dann als gew\u00f6hnliches Wachs zu Lichten verwenden kann. Man hat schon oftmals anempfohlen, dafs dieser Strauch auch bei uns zur Wachsbereitung angezogen werde, da die Bereu bis 32 Theile *) Wachs enthalten sollen. Die Beeren der Myrica, welche im Garten zu Carlsruhe gezogen waren, gaben nur ihres Gewichtes an Wachs. Das Wachs der Myrica unterscheidet sich jedoch in mancher Hinsicht von dem Bienenwachse, wor\u00fcber die chemischen Handb\u00fccher nach zu sehen sind. Aufser dem japanischen Wachse, welches von Rhus succedanea und Croton sebiferum s-e-\n\u00a5) $. Dana Journal de Phys. T. LXXX1X= pag, 154","page":522},{"file":"p0523.txt","language":"de","ocr_de":"523\nwonnen wird, und dem Wachse der Corypha cerifera, hat besonders das Wachs der Ceroxylon Andicola grofse Ber\u00fchmtheit erlangt, welches den, oft 50 Fufs hohen Palmenstamm seiner ganzen L\u00e4nge nach \u00fcberzieht; es wird eingesammelt und ebenfalls zur Bereitung von Wachskerzen verbraucht. Es ist dieses Wachs neuerlichst durch Herrn Boussingault *) untersucht und in der elementaren Zusammensetzung \u00e4hnlich dem Bienenwachse gefunden. Der Stengel von Rubus occidentalis und auch mehrerer Weidenarten zeigt auf seiner Oberfl\u00e4che ebenfalls einen feinen Anflug von einer \u00e4hnlichen Substanz, wie der Reif auf den Pflaumen, aber in bedeutender Menge wird eine wachsartige Materie auf der Oberfl\u00e4che der Peperomien-Saamen ausgeschieden. Am bekanntesten ist das Wachs, welches, in Verbindung mit \u00e4therischen und fetten Oelen, auf der Oberfl\u00e4che der Pollenbl\u00e4schen abgesondert wird und woraus die Bienen ihren Wachs bereiten.\nMan sieht schon aus diesen hieselbst angef\u00fchrten F\u00e4llen, wie aufserordentlich allgemein die Absonderung des vegetabilischen Wachses nach der Oberfl\u00e4che der Pflanzen stattfindet, aber im Inneren des Pflanzengewebes, n\u00e4mlich im Inneren der einzelnen Zellen ist die Wachsabsonderung noch allgemeiner, ja wohl bei allen vollkommeneren Pflanzen nachzuweisen, denn das Blattgr\u00fcn (Chlorophyll) ist ebenfalls eine wachsartige Substanz, welche in vielen Eigenschaften mit dem gew\u00f6hnlichen vegetabilischen Wachse \u00fcbereinstimmt, und auf das merkw\u00fcrdige Auftreten des Galactin in der Milch des Kuhbaumes habe ich schon fr\u00fcher aufmerksam gemacht, und ebenso wurde schon fr\u00fcher \u00fcber die elementare Zusammensetzung dieser Stoffe und deren Stellung, gesprochen.\nGanz ebenso, wie man es bei vielen, in der Luft wachsenden Pflanzen ziemlich deutlich nachweisen kann, dafs jene Absonderungen, auf der \u00e4ufseren Oberfl\u00e4che, oftmals nur zum Schutze der Pflanze gegen die Einwirkung\n\u00a5) Ann. de Chim. et Phys. 1835. Mai.","page":523},{"file":"p0524.txt","language":"de","ocr_de":"524\ndes Regens oder gegen zu starke Transpiration vorhanden Sind, so ist auch bei den im Wasser wachsenden Gew\u00e4chsen etwas Aehnliches nachzuweisen. Alle Conferven und alle langen, die einen mehr, die anderen weniger, sind mit einer schl\u00fcpfrigen Oberfl\u00e4che versehen. Herr De Candolle vermuthete schon, dafs die Wasserpflanzen durch jenen schliipferigen Ueberzug gegen die aufl\u00f6sende Wirkung des Wassers gesch\u00fctzt w\u00fcrden. Die h\u00f6heren Wasserpflanzen, denen dieser schleimige Ueberzug fehlt, zeigen daf\u00fcr eine besondere Straffheit in der Membran der oberfl\u00e4chlig gelegenen Zellen, oder auch eine besonders feste und wachsartig gl\u00e4nzende Cuticula. Herr De Candolle hat noch die Frage gestellt, ob die schl\u00fcpfrig machende Materie der Conferven ein wirklicher Auswurfsstoff sei, oder ob dieselbe wohl daher r\u00fchren sollte, dafs das Wasser durch seine Ber\u00fchrung mit der Pflanze eine Ver\u00e4nderung erleide? Heutigen Tages mufs man unzweifelhaft annehmen, dafs jener Schleim auf den Conferven, wo er so leicht zu beobachten ist, eine secernirte Substanz ist; derselbe bildet sich Laid nach der Entwickelung des jungen Conferven-Fadens, und wird besonders bei einigen, als z. B. bei den Spirogyren, sehr bedeutend stark. Wenn diese Pflanzen abzusterben anfangen und sich in den einzelnen Gliedern l\u00f6sen, dann kann man zuweilen sehen, wie sich diese Schleimmasse von der Membran der Pflanze trennt, und zwar in Form von mehr oder weniger grofsen Lappen; entst\u00e4nde die Schleimmasse durch eine Art von F\u00e4ulnifs der Membran, so w\u00fcrde sie um diese Zeit an Dicke noch zunehmen. Einige Tangen sind so \u00fcberaus reich an Schleim, dafs die Ausscheidung desselben auf der Oberfl\u00e4che, noch lange nach dem Herausnehmen derselben aus dem Wasser fortbesteht.\nBesondere Aufmerksamkeit hat man, schon seit l\u00e4ngerer Zeit einer anderen Erscheinung geschenkt, welche ich mit der vorhergehenden in Vergleich stellen m\u00f6chte; ich meine hiemit die Aussonderung einer schleimigen Fl\u00fcssigkeit, welche sehr h\u00e4ufig an den Wurzelspitzen der Pflan-","page":524},{"file":"p0525.txt","language":"de","ocr_de":"zen beobachtet werden kann, Du Hamei *) hat schon die Beobachtung gemacht, dafs sich an der Spitze von Wurzeln, welche im Wasser gezogen sind, eine sulzige Materie bildet, und er stellt schon die Frage, ob diese Materie als eine Absonderung aus dem Safte der Wurzel anzusehen sei. Brugman\u2019s*) hat diese Aussonderung der Wurzelspitzen als eine allgemeine Erscheinung erkannt und n\u00e4her beobachtet Er bemerkte, dafs die Wurzeln verschiedener Pflanzen, welche mit aller Vorsicht aus dem Boden entnommen waren, an ihren Spitzen kleine Tr\u00f6pfchen einer schleimigen Masse absonderten, und dafs diese Absonderung haupts\u00e4chlich des Nacht\u2019s stattfand. Die ab-I gesonderte Feuchtigkeit war so bedeutend, dafs sie, von mehreren Wurzeln zusammengenommen hinreichte, um Saamen zum Keimen zu bringen, und dafs der Sand rund um die Spitzen dieser Wurzeln zu einem kleinen Kl\u00fcmpchen zusammengeklebt wurde. Eben dieselben Beobachtungen sind sp\u00e4ter von mehreren Botanikern wiederholt und best\u00e4tigt. Sprengel erz\u00e4hlt, dafs er am Strande der Ostsee und in d\u00fcrren Sandebenen Gr\u00e4ser und andere Pflan-\u00ef zen behutsam ausgehoben habe und jedesmal den Sand rund um die Wurzeln feuchter beobachtet habe. Man kann sich von dieser Aussonderung der Wurzelspitzen am leichtesten \u00fcberzeugen, wenn man dergleichen Pflanzen in einem Glase mit Sand oder mit weifsem Marmor wachsen l\u00e4fst, so dafs man die Spitzen dieser Wurzeln mit H\u00fclfe einer Loupe beobachten kann. L\u00e4fst man Pflanzen in blofsem Wasser wachsen, wie z. B. die Hyacinthen in den =*\u25a0 gew\u00f6hnlichen Blumengl\u00e4sern, so ist die Anh\u00e4ufung einer schleimigen Masse an den Spitzen der Wurzeln sehr deutlich zu verfolgen, und dafs diese Substanz in der Wurzel ausgesondert wird, das m\u00f6chte in diesem Falle dadurch zu erweisen sein, dafs die Wurzeln der Hyacinthenzwie-* beln in Kalkwasser gesetzt, eine bemerkbare Quantit\u00e4t\nNaturgeschichte der B\u00e4ume. I. pag. 107.\n\u00a5\u00a5) Diss. de Lolio ejusdemque varia specie noxa et usu. L, B, 1785, von Herrn Alexander v. Humboldt und Link citirt.","page":525},{"file":"p0526.txt","language":"de","ocr_de":"526\nvon Kohlens\u00e4ure von sich geben, wie dieses durch Herrn Wiegmann sen. beobachtet ist. Ich glaube nicht, dafs man hiebei eine reine Absonderung von Kohlens\u00e4ure durch die Wurzeln annehmen darf, sondern dafs dieselbe in dem ausgesonderten Safte enthalten war, und mit diesem hinausgetrieben wurde. In einigen anderen F\u00e4llen ist diese Absonderung der Wurzelspitzen selbst in freier Luft zu beobachten. Es ist bekannt, dafs die May\u2019s-Pflanzen, wenn sie sehr grofs werden, aus dem Knoten ihrer untersten Glieder eine Menge von Wurzeln ausschicken; diese Wurzeln, besonders wenn sie sehr grofs sind, zeigen auf ihrem, nach dem Ende zu gerichteten Spitzen eine Masse von fl\u00fcssigem Gummi, welches gallertartig und ganz wasserhell erscheint. Schneidet man eine solche Wurzel ab und legt dieselbe in Wasser, so dringt in Zeit von 24 Stunden eine so grofse Masse von Gummi aus den Wurzelspitzen hervor, dafs die Oberfl\u00e4che derselben zuweilen 3\u20144 Linien dick damit belegt wird, und, was eben das Merkw\u00fcrdigste dabei ist, diese Absonderung oder vielmehr diese Ausscheidung, geschieht mit einer solchen M\u00e4chtigkeit, dafs die Zellen der \u00e4ufseren Schicht ganz aus ihrem Zusammenh\u00e4nge gerissen werden und dann einzeln, oder zu kleinen H\u00e4ufchen im Gummi umherliegen und eine sph\u00e4rische Form angenommen haben. In diesem Falle ist die Erscheinung leicht begreiflich, denn man kennt die Eigenschaft eines solchen Gummi\u2019s, welches dem Traganth-Gummi zuzugeh\u00f6ren scheint, eine grofse Menge von Wasser aufzusaugen und dadurch anzuschwellen. In den Zellen jener May\u2019s-Wurzeln ist ein solches Gummi in grofser Menge angesammelt, welches durch das eingesaugte Wasser aufquillt, durch die W\u00e4nde der Zellen durchgetrieben und nach Aufsen abgelagert wird. Vielleicht liefse sich aber auch, auf eine \u00e4hnliche Weise, die Absonderung der schleimigen Fl\u00fcssigkeit auf den Wurzelspitzen anderer Pflanzen erkl\u00e4ren; ich kenne wenigstens keine Gr\u00fcnde, welche dagegen sprechen.","page":526},{"file":"p0527.txt","language":"de","ocr_de":"Brugmans und Coulon *) zogen indessen aus ihren, schon am Anf\u00e4nge angegebenen Beobachtungen, viel wichtigere Schl\u00fcsse; sie glaubten, dafs diese Aussonderung der Wurzelspitzen als eine Erscheinung anzusehen w\u00e4re, welche man mit der Ausscheidung der Excremente der Thiere vergleichen m\u00fcsse, und dafs diese ausgeschiedenen Stoffe den nachbarlichen Pflanzen bald nahrhaft, bald sch\u00e4dlich w\u00e4ren. Auf diese Weise sei es denn auch zu erkl\u00e4ren, ' wefshalb einzelne Pflanzen auf gewisse andere Pflanzen eine sehr sch\u00e4dliche Wirkung aus\u00fcben; z. B. die Scharte (Serratula arvensis) auf den Hafer, das Erigeron acris auf den Weizen, die rundbl\u00e4ttrige Wolfsmilch (Euphorbia f Peplus) und die Scabiosa arvensis auf den Lein, die Aeker-Spurre (Spergula arvensis) auf den Buchweizen und der gemeine Alant (Jnula Helenium) auf Daucus Carota. Ja Brugmans will beobachtet haben, dafs die Wurzeln anderer Pflanzen, welche in der N\u00e4he der Wurzeln des Taumel\u00ab lulchs (Lolium temulentum) in einem gl\u00e4sernen Geschirre in Wasser standen, wie angefressen aussahen, indessen bei aller Hochachtung gegen jenen ausgezeichneten Ge\u00ab * lehrten, glaube ich, aus verschiedenen Gr\u00fcnden jene Angabe f\u00fcr irrth\u00fcmlich erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen. Schon Hedwig**) schrieb gegen jene Folgerungen, welche Brugmans und Coulon aus ihren Beobachtungen gezogen haben, wobei er - zum Schl\u00fcsse sagt, dafs wenn man den Wuchs und die Gewohnheiten jener Pflanzen n\u00e4her erw\u00e4gt, welche auf andere einen so sch\u00e4dlichen Einflufs ausiiben sollen, so wird es nicht mehr zweifelhaft bleiben, warum dicht um : die Scharte der Hafer, warum dicht um die Scabiosa arvensis der Lein u. s. w. k\u00fcmmerlich wachsen, ja zuletzt wohl gar eingehen.\nAufgefordert von Herrn De Candolle hat Herr Ma-caire eine Reihe von Beobachtungen \u00fcber die Natur jenes ausgeschiedenen Stoffes angestellt, deren Resultate im\n*) Diss. de mutata humor, indole a vi vitale denio. pag. 77 etc.\n**) Zus\u00e4tze zu der deutschen Uebersetzung des Herrn Alexander von Humboldt\u2019s Aphorismen, pag. 184 \u2014192.","page":527},{"file":"p0528.txt","language":"de","ocr_de":"528\nJahre 1832 bekannt gemacht wurden *). Es fanden diese Versuche grofsen Beifall, und ziemlich ganz allgemein hat man die Resultate derselben anerkannt, obgleich sie gr\u00f6fs-tentheils unrichtig sind. Herr Macaire beobachtete n\u00e4mlich, dafs das Wasser, worin er Pflanzen mit ihren Wurzeln hineinstellte, durch verschiedene Stoffe verunreinigt wurde, welche die Wurzelenden ausschieden; ja das Wasser erhielt \u00f6fters den Geruch nach irgend einem Stoffe, welcher in den angewendeten Pflanzen enthalten war. Hieraus schlofs man, dafs diese Stoffe von den Wurzelspitzen ausgeschieden worden seien; es wird aber durchaus nicht angegeben, dafs die Wurzelspitzen unverletzt waren, und dieses war gerade das wichtigste Erfordernifs bei diesen Versuchen. Waren die Spitzen verletzt, so flofs etwas von den darin enthaltenen Stoffen in das Wasser, ganz besonders von dem Milchs\u00e4fte derjenigen Pflanzen, welche zu jenen Versuchen angewendet wurden. Durch eine Reihe anderer Versuche, welche aber ebenfalls sehr zu bezweifeln sind, indem der Integrit\u00e4t der Wurzelspitzen keine geh\u00f6rige Aufmerksamkeit geschenkt wurde, glaubt H. M. den Schlufs ziehen zu k\u00f6nnen, dafs jene Ausscheidungen der Wurzeln dazu dienten, um den Pflanzen dergleichen Stoffe abzuf\u00fchren, welche entweder nicht assimilirt werden k\u00f6nnen, oder der Gesundheit der Pflanzen nachtheilig werden k\u00f6nnten. Verschiedene Pflanzen wurden zuerst in Wasser gestellt, worin etwas Kalk, essigsaures Blei, salpetersaures Silber oder Meersalz gel\u00f6st war; nachdem jene Pflanzen einige Tage in den L\u00f6sungen der genannten Stoffe gestanden, wurden sie herausgenommen, sorgf\u00e4ltig abgewaschen und in reines Wasser gesetzt, worauf sie sich der aufgenommenen fremden Stoffe wieder entledigten, etwa wie die Thiere, wenn sie Gift zu sich genommen haben. Bei allen diesen Versuchen ist niemals \u00fcber den Zustand der Wurzelspitzen durch mikroskopische Beobachtungen berichtet worden, es wird aber Alles ganz\n*) S. \u00ceV\u00cf\u00e8m. <le la Soc. de Gen\u00e8ve, 1832. Tome Y, pag. 287.","page":528},{"file":"p0529.txt","language":"de","ocr_de":"529\neinfach erkl\u00e4rlich, wenn nur eine der Spitzen hei jeder der angewendeten Wurzeln verletzt war; denn es ist \u00fcber allen Zweifel nachgewiesen worden, dafs der zuriickstr\u00f6-ioende Saft der Rinde auch bis in die Spitzen der Wurzeln hinabsteigt, und mit diesen werden alsdann jene fremdartigen Stoffe durch die verletzten Wurzelspitzen ausfliefsen. Ja der eine der Versuche des Herrn Macaire kann selbst zur Beweisf\u00fchrung f\u00fcr die Existenz eines herabsteigenden Saftstromes in den Wurzeln angef\u00fchrt werden. Es wurde eine Pflanze von Mercurialis annua genommen und die Wurzeln derselben in zwei Partien getheilt, worauf die eine in ein Gef\u00e4fs mit reinem Wasser, die andere in ein Gef\u00e4fs mit einer L\u00f6sung von essigsaurem Blei gestellt wurde; nach einigen Tagen fand Herr Macaire, dafs auch das reine Wasser in dem ersteren Glase eine Spur von essigsaurem Blei enthielt, welches die Wurzeln ausgesondert haben sollten, w\u00e4hrend ich es auf dem, schon vorhin angegebenen Wege zu erkl\u00e4ren suchen m\u00f6chte.\nDie angef\u00fchrten Zweifel gegen die Richtigkeit der Versuche von Macaire, werden jedoch auch durch eine Reihe anderer Versuche, welche Herr Unger*) und ich zur Ermittelung des fraglichen Gegenstandes angestellt haben, am besten unterst\u00fctzt. Es ist n\u00e4mlich durchaus n\u00f6thig, dafs man zu diesen Versuchen Pflanzen in Anwendung setzt, deren Wurzeln im Wasser entwickelt sind, nur in diesem Falle kann man sich vergewisseren, dafs die Wurzelspitzen s\u00e4mmtlich unverletzt sind. Wir wandten zu unseren Versuchen Lemna-Arten an; Herr Unger liefs dieselben in Bleizucker und Schwefelammonium-L\u00f6sungen wachsen, w\u00e4hrend ich mich des Eisenvitrioles und des blausauren Kalks bediente. Es wurden also zu diesen Versuchen Stoffe gew\u00e4hlt, welche schon in den kleinsten Quantit\u00e4ten gegen einander reagiren; es wurden die Pfl\u00e4nzchen, welche mit einem oder dem anderen dieser Stoffe geschw\u00e4ngert waren, zusammen in ein Glas mit reinem Wasser gesetzt\n\u00a5) Ueber den Einflufs des Bodens etc. pag. 147.\nMeyen. Pfl. Physiol. II,\t34","page":529},{"file":"p0530.txt","language":"de","ocr_de":"530\nund niemals sahen wir, Herr Unger und ich eine Ausscheidung der aufgenommenen Salze durch die Spitzen der unverletzten Wurzeln, sie zeigte sich aber bei meinen Versuchen, wenn die W\u00fcrzelchen durchschnitten wurden.\nSomit glaube ich nachgewiesen zu haben, dafs man jenen Aussonderungen an den Spitzen der Wurzeln, keine so wichtige Bedeutung zuschreiben darf, als dieses besonders durch Herrn De Candolle, sich st\u00fctzend auf Macaire\u2019s unrichtige Beobachtungen geschehen ist.\nSchliefslich habe ich noch die Aussonderungen anorganischer Stoffe anzuf\u00fchren, welche man bei verschiedenen Pflanzen und meistens unter besonderen Verh\u00e4ltnissen wahrnimmt. Wir haben schon im ersten Theile, pag. 242 kennen gelernt, dafs dergleichen Stoffe durch die Zellenw\u00e4nde hindurch ausgeschieden werden k\u00f6nnen und sich dann auf der \u00e4ufseren Fl\u00e4che der Zellenw\u00e4nde krystalli-siren; hiemit ist denn auch die Erscheinung zu vergleichen, wenn man auf der Oberfl\u00e4che einzelner Theile verschiedener Pflanzen mehr oder weniger starke Salzeffloresci\u00ab rungen beobachtet. Im Allgemeinen ist diese Salzausscheidung ein Zeichen von starkem Salzgehalte des Bodens, wodurch die Salzmenge in der Pflanze zu stark wird; doch m\u00f6chte ich dieselbe keinesweges als ein Zeichen einer activen Aussonderung betrachten, durch welche sich die Pflanze des zu grofsen Gehaltes jener fremden Stoffe entledigt, sondern es scheint mir, dafs auch hier, wie in anderen F\u00e4llen, wo Zucker und Gummi nach Aufsen hin abgelagert werden, diese Stoffe erst im Inneren der Zellen in zu grofser Masse enthalten sind. In den Salzsteppen Asiens hat Pallas sehr oft bemerkt, dafs die Pflanzen mehr oder weniger stark mit Salzkrusten bedeckt waren und glaubte daraus schliefsen zu k\u00f6nnen, dafs das Salz des Bodens mit dem verdunsteten Wasser emporgestiegen und sich auf den Pflanzen abgesetzt habe. In den Sand- und Salzsteppen von S\u00fcdamerika verh\u00e4lt es sich ganz ebenso; die Poa thalassica und mehrere andere Pflanzen, welche in jenen Steppen des s\u00fcdlichen Peru und des n\u00f6rdlichsten","page":530},{"file":"p0531.txt","language":"de","ocr_de":"531\nChile\u2019s Vorkommen, habe ich ganz allgemein mit starken Salzkrusten und mit einzelnen H\u00e4ufchen von Salzkrystallen bedeckt gefunden, und dieses Salz war eben dasselbe, welches den Boden, oft auf weite Strecken, mit dicken Massen bekleidete *). Auch in unseren Gegenden hat man verschiedene Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand gemacht; so sah man, dafs die Bl\u00e4tter der Reaumuria vermiculata eine grauliche, salzig-schmeckende Substanz ausscheiden, welche aus kohlensaurem Natron und kohlensaurem Kali bestanden, und auch auf den Bl\u00e4ttern der Ta-marix gallica hat man einen salzig-schmeckenden Reif beobachtet. Die Kalk - Inkrustationen, welche die Charen I in einem so hohen Grade zeigen, und auch nicht selten bei anderen Pflanzen eben derselben stehenden Gew\u00e4sser Vorkommen, worin die Charen wachsen, diese m\u00f6chte ich durch Ablagerung des Kalkes aus dem umgebenden Wasser erkl\u00e4ren, aus welchem die Kohlens\u00e4ure von der Pflanze eingesaugt wird, wodurch jener basische kohlensaure Kalk aufgel\u00f6st enthalten wurde.\nBoletus suberosus *) schwitzt eine s\u00e4uerliche Feuch-1 tigkeit aus, welche in der Sonne anschiefst und die reinste krystallisirte Zuckers\u00e4ure giebt. Bisweilen sah Haeger die Oberfl\u00e4che dieses Schwammes ganz mit prismatischen Kry-stallen bedeckt; vielleicht bestanden letztere aus Schwamm-+ zucker, welcher solche Krystallisation zeigt.\nVon besonderem Interesse ist noch die Ablagerung einer, vielleicht ziemlich ganz reinen kohlensauren Kalkerde auf der oberen Blattfl\u00e4che einiger Saxifraga-Arten; * in gr\u00f6fserer Menge findet man dieses Excret gerade auf solchen Arten dieser Gattung, deren Bl\u00e4tter an den R\u00e4ndern kleine napff\u00f6rmige Vertiefungen besitzen, wie z. B Saxifraga Aizoon, S. caesia, intacta, oppositifolia u. s. w. und diese Vertiefungen sind mit einer kleinen weifsen Kruste bedeckt, welche dem Blattrande ein niedlich punktirtes\n*) S. Meyen\u2019s Reise etc I. pag. 378.\n*\u00a5) S. Alex. v. Humboldt, Aphorismen, pag. 122.\n34 *","page":531},{"file":"p0532.txt","language":"de","ocr_de":"532\nAnsehen geben. Herr Unger *) hat diesen Gegenstand k\u00fcrzlich ausf\u00fchrlicher behandelt; er giebt an, dafs die Zellen der Epidermis in den Gr\u00fcbchen, wo diese Absonderung haupts\u00e4chlich stattfindet, zarter werden und die darunter liegenden Zellen nicht mit gr\u00fcn gef\u00e4rbten K\u00fcgelchen versehen sind; ich kann mich aber davon nicht \u00fcberzeugen, dafs diese Zellchen als eine Fortsetzung des Gef\u00e4fsb\u00fcndels anzusehen w\u00e4ren, wie es Herr Unger angiebt, auch haben die Gef\u00e4fsbiindel bei allen solchen Absonderungen unmittelbar nichts zu thun. Sind die Bl\u00e4tter jener Saxifraga-Arten sehr alt, und ist der Boden recht Kalkhaltig, so findet man h\u00e4ufig, dafs auch ein mehr oder weniger gro-fser Theil der \u00fcbrigen Epidermis mit einer sehr feinen Kalkkruste bekleidet ist, und man sieht schon hieraus, dafs die Gr\u00fcbchen allein es gerade nicht sind, welche jenen Kalk ausscheiden.\nAchtes G a p J t e 1.\nUeber die unorganischen Stoffe in den\nPfl anzen.\nLange Zeit hindurch hat man ziemlich allgemein angenommen, dafs nicht nur die organischen Stoffe der Pflanzen durch die Lebensth\u00e4tigkeit derselben aus dem reinen Wasser gebildet werden, sondern auch, dafs die Pflanzen im Stande w\u00e4ren, selbst anorganische Substanzen zu erzeugen. Eine Reihe von ungenaueren Beobachtungen, welche Schrader**), H. Braconnot ***) und A. m. bekannt\n*) 1. c. pag. 179.\n**) und J. S B. Neumann, zwei Preisschriften \u00fcber die eigentliche Beschaffenheit und Erzeugung der erdigen Bestandteile in den verschiedenen inl\u00e4ndischen Getreidearten. Berlin 1800.\n***) Recherches sur la force assimilatrice dans les v\u00e9g\u00e9taux. \u2014 Ann. de Chimie. T. 60. pag. 187, und Gehlert Journal der Chemie. T. 9. pag. 130.","page":532},{"file":"p0533.txt","language":"de","ocr_de":"533\ngemacht haben, gingen von Buch zu Buch, und haben haupts\u00e4chlich dazu beigetragen, dafs viele Botaniker dieser Annahme selbst bis zur neuesten Zeit Glauben schenkten. Die genannten Gelehrten liefsen Pflanzen in Schwefelblu-men, in Sand, Silberglatte, in gestofsenem Glase und in anderen unl\u00f6slichen Substanzen unter Begiefsen mit destil-lirtem Wasser wachsen, und beobachteten dabei eine Zunahme der organischen und unorganischen Stoffe in den aufwachsenden Pflanzen. In den lezteren Jahren sind diese Versuche endlich als unrichtig nachgewiesen, die Herrn Lassaignes *) und Jabionski **) haben bestimmt nachgewiesen, dafs die Pflanzen, welche in einem vollkommen reinen Schwefel wachsen, durchaus gar keine Zunahme? weder an organischen noch an erdigen Bestandtheilen zeigen. Auch zeigten die Versuche, welche ich \u00fcber das Wachsen der Pflanzen in vollkommen reinem, mehrmals ausgewaschenen und ausgekochten cararischen Marmor angestellt habe***), dafs die Entwickelung des jungen Pfl\u00e4nzchen nicht weiter ging, als die aufgespeicherte Nahrung in den Cotyledonen dazu ausreichte. Auch unter den Versuchen von Daubeny findet sich einer, welcher die Schraderschen Resultate widerlegt. Es wurden n\u00e4mlich 100 Gran Gei-stenk\u00f6rner in Schwefelblumen ges\u00e4et und mit destilliitem Wasser begossen; die Gerstenhalme, welche auf diese W eise gezogen wurden, waren nur 16 Gran schwer und nach der Verbrennung zeigten sie nur 1 Gran Asche, w\u00e4hrend den Hundert Gran Gersten-Saamen mehr als 2,2 Gran zukam. W\u00e4re bei diesen Versuchen der Schwefel ganz rein gewesen und h\u00e4tte man mit aller Vorsicht den Zutritt des Staubes u. s. w. abgewendet, so w\u00fcrde man wohl noch weniger Halmmasse erhalten haben. Auch die vielen\n*) Observations s. I. germination des graines dans le soufre. Journ. de Pharmac. T. VII. pag. 509.\nBeitrag zur L\u00f6sung der Frage, ob durch den Vegetations Prozefs chemisch unzerlegbare Stoffe gebildet werden? \u2014 VVi-\u00f6\nrnann\u2019s Archiv I. pag. 206 \u2014 212.\n***) S. pag. 130.","page":533},{"file":"p0534.txt","language":"de","ocr_de":"534\n\u00e4hnlichen Beobachtungen, welche John*) mit verschiedenen Pflanzen anstellte, die er in vollkommen gereinigtem Sande wachsen liefs, sind so richtig, dafs sie gleichfalls die Schraderschen Versuche widerlegen.\nGegenw\u00e4rtig ist man also der Ansicht, dafs alle anorganischen Stoffe, welche in den Pflanzen Vorkommen, von diesen aus dem Boden aufgenommen worden sind, und zwar in unver\u00e4ndertem Zustande, ganz wie es die Beobachtungen erwiesen, welche schon pag. 31 angef\u00fchrt wurden. Fr\u00fcher war die Erkl\u00e4rung, auf welchem Wege die unl\u00f6slichen Kalkverbindungen u. A. m. in die Pflanzen hineinkommen sollten, schwerer, doch gegenw\u00e4rtig wissen wir, dafs auch diese durch Gegenwart von freier S\u00e4ure, wozu meistens schon die Kohlens\u00e4ure hinreichend ist, im Wasser l\u00f6slich werden und so mit den \u00fcbrigen Stoffen von den Wurzeln der Pflanzen aufgenommen werden k\u00f6nnen. So gelangt selbst die phosphorsaure Kalkerde und phosphorsaure Magnesia in die Pflanzen und bildet daselbst Doppelsalze, wie es durch die Beobachtungen der Herren Nees von Esenbeck und Marquart in Mirabils Jalappa nachgewiesen, von mir aber, im ersten Theile dieses Buches, mit Unrecht in Zweifel gestellt worden ist; und \u00e4hnlich verh\u00e4lt es sich mit der Aufnahme der Alaunerde, Schwererde u. s. w. Im Inneren der Pflanzen k\u00f6nnen diese aufgenommenen chemischen Verbindungen gegenseitige Zersetzungen und Bildung anderer Verbindungen eingehen; ja die Pflanzen erzeugen in ihrem Inneren eine Menge von organischen S\u00e4uren, welche hiebei ebenfalls sehr th\u00e4tig sind. So werden alle die Kalkverbindungen, welche von den Pflanzen aufgenommen sind, durch anhaltende Einwirkung der Oxals\u00e4ure, welche in sehr vielen Pflanzen auftritt, zersetzt; die Kalkerde verbindet sich mit jener S\u00e4ure, und die freigewordenen S\u00e4uren gehen nun anderweitige Verbindungen mit Kali, Natrum, Magnesia u. s. w. ein, welche sich, schon im gel\u00f6sten Zustande, in Verbindung mit an-\n*) Ueber die Ern\u00e4hrung der Pflanzen elc. pag, 196 etc.","page":534},{"file":"p0535.txt","language":"de","ocr_de":"535\nderen S\u00e4uren in den Pflanzen vorfanden. Die schwerl\u00f6s-liehen Verbindungen krystallisiren, die anderen bleiben im gel\u00f6sten Zustande in den Pflanzen-Zellen zur\u00fcck.\nEs ist \u00fcberfl\u00fcssig die verschiedenen Salze aufzuf\u00fchren,\n' welche man in den verschiedenen Theilen dieser oder jener Pflanze gefunden hat, indem das Auftreten derselben gr\u00f6fs-tentheils von dem Inhalte des Bodens abh\u00e4ugt, und ihre Ver\u00e4nderungen alsdann auf chemischem Wege leicht zu * erkl\u00e4ren sind. Doch auch hier finden sich einige Erscheinungen vor, welche bis jetzt unerkl\u00e4rlich geblieben sind, die wir defshalb auch ausf\u00fchrlicher er\u00f6rteren m\u00fcssen.\nIn einer sehr grofsen Anzahl von Pflanzen hat man I die Kieselerde vorgefunden, in einigen sogar in sehr bedeutenden Quantit\u00e4ten, und da wir gegenw\u00e4rtig wissen, dafs die Kieselerde (Kiesels\u00e4ure) in einigen ihrer Verbindungen mit Kali und Natron im Wasser l\u00f6slich ist, so k\u00f6nnte man den Ursprung dieser Substanz ebenfalls von Aufsen her vermuthen, und da wir nun auch durch Versuche kennen gelernt haben, dafs die Pflanzen keine anorganischen Substanzen erzeugen k\u00f6nnen, so bleibt auch i keine andere Erkl\u00e4rung \u00fcber die Erzeugung der Kieselerde in den Pflanzen \u00fcbrig. Die ungenaueren Beobachtungen einiger Gelehrten hatten die Erzeugung der Kieselerde durch die Pflanzen zu beweisen versucht; doch Davy stellte u schon im Jahre 1801 Versuche \u00fcber das Wachsthum des Hafers in reiner kohlensaurer Kalkerde an und fand, dafs der Hafer in jener Substanz sehr wenig wuchs und gelb wurde, ehe sich einige Bl\u00fcthen zeigten. In der Asche , dieser Pflanzen fand man viel weniger Kieselerde, als in einer gleichen Masse von Saamen, und gesunde gr\u00fcne Haferpflanzen vom Felde, dessen Boden ein feiner Sand war, gaben verh\u00e4ltnifsin\u00e4fsig noch weit weniger Kiesel. Indessen das Auftreten der abgelagerten Kieselerde in den - verschiedenen Pflanzen, ist so h\u00f6chst eigent\u00fcmlich, dafs wir noch weit entfernt sind, dieselbe vollst\u00e4ndig zu erkl\u00e4ren.\t.\nNach den Untersuchungen von La Mathene und Davy","page":535},{"file":"p0536.txt","language":"de","ocr_de":"536\nist es schon bekannt, dafs die Epidermis in verschiedenen Pflanzen eine bedeutende Menge von Kieselerde enth\u00e4lt, wodurch deren Oberfl\u00e4che die H\u00e4rte, Gl\u00e4tte und Sch\u00e4rfe erh\u00e4lt, welche mehrere Pflanzen in einem sehr hohen Grade besitzen. Das gew\u00f6hnliche spanische Rohr (Calamus Rotang) zeigt in der Epidermis eine solche Quantit\u00e4t von Kieselerde, dafs es oft am Stahle Funken giebt, und die Benutzung des Schachtelhalms zum Poliren gr\u00fcndet sich ebenfalls auf den starken Kieselgehalt, welchen man in der Epidermis dieser Pflanzen vorfindet; in den Gr\u00e4sern ist dieselbe ebenfalls in solcher Menge enthalten, dafs dadurch die Sicheln beim M\u00e4hen so leicht stumpf werden. Nach Davy\u2019s Untersuchungen zeigte die \u00e4ufsere Rinde des dicken spanischen Rohres (Chamaerops excelsa) 90 p. C. Kieselerde, des Bambusrohres 71,4 p. C. des gew\u00f6hnlichen d\u00fcnnen spanischen Rohres 48,1 p. G, und in den Halmen unserer gew\u00f6hnlichen Getreidearten fand Davy 5 p. C. Kieselerde *).\nNach John\u2019s**) Untersuchungen fand sich in 570 Gran getrocknetem Equisetum palustre 43 Gran Kieselerde, in 480 Gran getrocknetem Eq. hyemale 39 Gr. \u2022 286 Gran der Bl\u00e4tter von Chamaerops humilis gaben 11 Gr.; 103 Gran Bl\u00e4tter des Zuckerrohres 4 Gr. und 240 Gran Pteris aqui-lina 9y Gr. Kieselerde. Aber in allen diesen Pflanzen fand John auch Kali, so dafs es wahrscheinlich ward, dafs die Kieselerde in \\ erbindung mit dem Kali im aufgel\u00f6sten Zustande aufgenommen wurde; in den amerikanischen\n*) Anmerk. Die neueren Ausgahen von Davy\u2019s Agricultural chemistry, worm diese Beobachtungen pubhcirt, sind mir nicht zur Hand, ich entnehme sie aus Herrn v. Berzelius Pflanzen - Chemie. 482/. I. pag, 614. bemerke aber dazu, dafs die Angaben \u00fcber diesen Gegenstand in Herrn De Candolle\u2019s Phys, v\u00e9g\u00e9t. I. pag. 384. sehr verschieden lauten. F\u00fcr Chamaerops excelsa wird hier Bonnet-Canne genannt, f\u00fcr d\u00fcnnes spanisches Rohr wird Schilfrohr (Arundo Phragmites L. angegeben und unter Gelreidelialmen, werden Korn-halrnen angef\u00fchrt, welche 6,5 p. C. Kieselerde gaben.\n**) lieber die Ern\u00e4hrung der Pflanzen etc. Berlin 1819, pag.70.","page":536},{"file":"p0537.txt","language":"de","ocr_de":"537\nTabaschir, wovon sp\u00e4ter die Rede sein wird, fand man sogar 30 pro Cent Kali.\nDie Kieselmasse in der Epidermis der Equisetum-Arten ward neuerlichst durch Herrn Struve *) genauer analysirt, und es fand sich, dafs dieselbe zusammengesetzt war aus:\nKieselerde, Thonerde, Kalkerde, Mangan.\nbeiEquisetum hiemale: 97,52 \u2014 1,7 \u2014 0,69 -\u2014 \u2014\n.\t- limosum: 94,85 \u2014 0,99\u2014 1,57 \u2014 1,696\narvense: 95,48 \u2014 2,55\u2014 1,69 \u2014 \u2014 und die Kieselmasse aus der Rinde des Calamus Rotang zeigte sogar 99,20 Kieselerde und 0,54 Kalkerde. Dafs , \u00fcbrigens diese Kieselmasse etwas verschieden ist von der-^ jenigen, welche in der Natur vorkommt, das beweist schon ihre leichte Aufl\u00f6sbarkeit in kaustischem Kali. Leider ist bei jenen Analysen von Herrn Struve auf den Kaligehalt der untersuchten Pflanzen gar nicht geachtet worden.\nHerr Struve hat die Entdeckung gemacht, dafs, wenn man solche Pflanzen, die in der Epidermis Kieselerde enthalten, unter Zutritt der Luft verbrennt, dafs alsdann die Kieselerde in derselben Form zur\u00fcckbleibt, wie sie in der f lebenden Pflanze abgelagert war, und da sie hier die ganze Oberfl\u00e4che umkleidet, so erh\u00e4lt man in der zur\u00fcckbleibenden Kieselmasse ebenfalls die ganze Form der Pflanze wieder, wenn dieselbe nicht schon w\u00e4hrend des + Gl\u00fchens zerst\u00fcckelt ward. Die Darstellung dieses Kiesel-panzers der Pflanzen ist, durch Corrosion derselben, vermittelst concentrirter Schwefels\u00e4ure noch viel leichter, nur werden auf diesem Wege die Massen stark zerst\u00fcckelt; - aber man versichert sich auch dabei, dafs jener Kieselpanzer nicht durch die Gl\u00fchhitze entstanden ist, sondern schon in der lebenden Pflanze vorhanden war. In Form feiner glasartiger Lamellen schwimmt alsdann der Kieselpanzer auf der Oberfl\u00e4che der Fl\u00fcssigkeit, woraus man die S\u00e4ure durch Auswaschen mit Wasser entfernen kann. Beobachtet man diese Kiesel-Lamellen, und untersucht\n*) De- silicia in plantis nonnulla. Hiss, inaugur. Berol. 1835.","page":537},{"file":"p0538.txt","language":"de","ocr_de":"538\nnicin daneben die Epidermis der lebenden Pflanzen, so wird man sich \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dafs die Kieselerde in der \u00e4ufsersten Schicht, der sogenannten Cuticula abgelagert ist, und die ganze Oberfl\u00e4che des Pflanzentheiles mit allen den Papillen, H\u00f6kern, Spitzen, Vertiefungen u. s. w., welche die Epidermis-Zellen so h\u00e4ufig zeigen, \u00fcberzieht und durchdringt. Herr Struve hat die Kieselpanzer von Equisetum hiemale, E. limosum und E. arvense durch Verbrennung dargestellt, und Abbildungen derselben mitge-theilt. Diese Abbildungen stellen den Kieselpanzer als eine gleichm\u00e4fsige durchsichtige Masse dar, worin elliptische und mehr oder weniger runde K\u00fcgelchen zu sehen sind, welche sich in Reihen gelagert befinden, ganz nach den Ansatzpunkten der Zellenw\u00e4nde, welche fr\u00fcher darauf befestigt waren. Ich habe diese Kieselpanzer ebenfalls mikroskopisch untersucht, und zwar sowohl diejenigen, welche durch Verbrennen gebildet waren, als auch die feinen Lamellen, welche durch Corrosion mittelst der Schwefels\u00e4ure dargestellt waren, und mir erschien diese Kieselablagerung in der Cuticula, als eine ganz gleichm\u00e4fsige Masse, wie wenn sie geschmolzen w\u00e4re; nur im Alter der Pflanze zeigten sich z. B. in der Kiesel-Lamelle von Equisetum hyemale mehr oder weniger zahlreiche Ver-dickungen, welche in der horizontalen Lage, ungef\u00e4hr ein Ansehen wie dasjenige in Fig. 15. Tab. V. des ersten Bandes darboten, aber s\u00e4mmtlich durch die gleichm\u00e4fsige \u00e4ufserst d\u00fcnne Masse verbunden waren. Diese Verdickungen wurden durch geschlossene schattige Ringe angedeutet, aber zuweilen zeigte sich noch ein zweiter und ein dritter Ring im Inneren, und ganz in der Mitte ein dunkeier Punkt; ich bemerkte jedoch nicht, dafs diese Verdickungen nur nach dem Verlaufe der Zellenw\u00e4nde erschienen, welche fr\u00fcher daran festsafsen, sondern sie zogen sich \u00fcber die ganze Fl\u00e4che der Membran hin, und viele lagen dicht nebeneinander, so dafs sie sich genau ber\u00fchrten und zuweilen sogar mit einander Zusammenfl\u00fcssen. Die verschiedenen Ringe in einer und derselben Verdickung, m\u00f6chte","page":538},{"file":"p0539.txt","language":"de","ocr_de":"539\nich durch Auflagerung neuer Platten \u00fcber die Aelteren ' erkl\u00e4ren. Aber nicht nur in der Cuticula, sondern auch in den Membranen der Hautdr\u00fcsen - Zellen kommen diese IKieselablagerungen vor, so dafs man auch diese durch \u2018Verbrennung u. s. w. in ihrer vollst\u00e4ndigen Form von \" (der Pflanze trennen kann. In Fig. 12., 13. und 14. Tab. V. \u2022des ersten Bandes sind dergleichen Kieselpanzer der Hautdr\u00fcsen von Equisetum hiemale abgebildet, wobei die streitige Structur auf den Seitenfl\u00e4chen, welche der Spalt\u00f6ffnung .zugewendet sind, sehr bemerkenswerth erscheint.\nUm die Bildung dieses Kieselpanzers bei den Pflanzen zu erkl\u00e4ren, nimmt man gegenw\u00e4rtig gew\u00f6hnlich an, dafs \u25a0 rjdiese Kieselerde im gel\u00f6sten Zustande von den Pflanzen i -aufgenommen wurde, und dafs sie bei der Verdunstung (des Wassers, an der Oberfl\u00e4che der Pflanze wiederum abgelagert ward. Wenn auch die Quantit\u00e4t des gel\u00f6sten ; Kiesels in dem Wasser sehr gering ist, so wird doch die-\u2022selbe durch die grofse Menge des durchgehenden Wassers allm\u00e4lich in der Pflanze so bedeutend angeh\u00e4uft, dafs sie \u2018sich als eine zusammenh\u00e4ngende Platte auf der Oberfl\u00e4che Ljdarstellt. Indessen mit dieser Erkl\u00e4rung m\u00f6chte man heu-ntigen Tages nicht mehr ganz auskommen, denn 'zuerst k\u00f6nnte man fragen, wie es komme, dafs verschiedene 1 Bilanzen-Arten, welche in einem und demselben Boden \u25a0dicht neben einander stehen, in Hinsicht ihres Kieselgehaltes dennoch so grofse Verschiedenheiten aufzuweisen haben. Die Bildung des Kieselpanzers kommt nur bei einigen Pflanzen-Familien vor, und bei den Dicotyledonen ist sie eigentlich noch gar nicht nachgewiesen worden. 'Auch die Verdunstung des eingenommenen Wassers kann nicht als Ursache jener Kieselbildung angesehen werden, denn es findet sich diese Kiesellage auch in der Cuticula des Schachtelhalmes, der unter Wasser steht, und wir wissen jetzt, dafs auch eine Menge von niederen Pflanzen, welche ganz unter Wasser leben, gleichfalls mit einem i Kieselpanzer versehen sind. W\u00e4re die Verdunstung des Wassers die Ursache der Kieselablagerung in der Cuticula,","page":539},{"file":"p0540.txt","language":"de","ocr_de":"540\nso w\u00fcrde man, wenigstens einige Ablagerung dieser Sub- j stanz, auch auf den W\u00e4nden der Lufth\u00f6hlen und L\u00fccken j jener Equisetum- und Gr\u00e4ser-Arten erwarten k\u00f6nnen, was id jedoch nicht der Fall ist, obgleich es ziemlich gewifs ist, Jj dafs auch diese Fl\u00e4chen mit der Respiration und Trans- j piration verbunden sind. Aber noch viel auffallender ist die Bildung der Kieselrnassen im Inneren der Spongia lacustris, wo dieselbe in Form von ziemlich starken und gleich- v langen Nadeln auftritt, welche auf eine solche Weise neben- j einander und mit ihren Spitzen aneinander gelagert sind, dafs sie ein zusammenh\u00e4ngendes, \u00e4ufserst niedliches Netz bilden, welches gleichsam das Skelett jener Pflanze dar- -> stellt, das man sowohl durch Verbrennung, als durch anhaltende Maceration von der organischen Substanz trennen und aufbewahren kann. In den Bl\u00e4ttern der Dicotyledonen hat man zwar ebenfalls Kieselerde vorgefunden; so kom-men nach De Saussure\u2019s Untersuchungen in den Bl\u00e4ttern der Eichen zur Herbstzeit 14,5 pro C. Kieselerde vor, in den Bl\u00e4ttern der Schwarzpappel 11,5, in den Bl\u00e4ttern des I Haselnufsstrauches 11,3 und in den Bl\u00e4ttern der Gold- i ruthe 3,5 pro C. doch war es hier noch nicht nachgewiesen, wo die Kieselerde ihren Sitz hat. Es ist wohl wahrscheinlich, dafs die Kieselerde auch in den Bl\u00e4ttern der Dicotyledonen ihren Sitz in der Cuticula der Epidermis hat, doch g die Masse ist zu gering um sie wahrzunehmen, ja in den Bl\u00e4ttern einiger Pflanzen soll gar keine Kieselerde vorge- I ; funden sein. Auch in der Rinde des Maulbeerbaumes hat man 15,25 pro C. Kieselerde gefunden und selbst in den -\nN\ttj\nBlumen-Bl\u00e4ttern der Essigrose (Rosa gallica) eine Spur derselben nachgewiesen. Die Saamen von Lithospermuni- I Arten enthalten in ihren H\u00fcllen zuweilen sehr viel Kieselerde und zwar in Verbindung mit kohlensaurem Kalke,\n\u2022h\nund Davy hat in der That keinen Irrthum begangen, wie es Herr Roeper irrth\u00fcmlich vermuthet, wenn er behauptete, dafs in allen hochst\u00e4nglichten Pflanzen Kieselerde nach-11 zuweisen ist.\nDieses allgemeine Auftreten der Kieselerde in den","page":540},{"file":"p0541.txt","language":"de","ocr_de":"541\nPflanzen, w\u00fcrde weiter nichts Wunderbares zeigen, da dieselbe, wie alle \u00fcbrigen Substanzen im gel\u00f6sten Zustande von den Pflanzen aufgenommen wird, aber wir haben gesehen, dafs gewisse Pflanzen jene Erde in gr\u00f6fserer Masse enthalten, als dicht daneben stehende, und dafs dieselbe vorz\u00fcglich nur in gewissen Theilen der Pflanze abgelagert wird, selbst wo keine Verdunstung stattfinden kann, ja zuweilen sogar auf eine sehr eigenth\u00fcmliche Art, wie in der Spongia lacustris, wodurch man hinl\u00e4nglich darauf gef\u00fchrt wird, dafs die Kieselablagerung in jenen Pflanzen etwas h\u00f6chst Wesentliches\u2019ist, ohne welche dieselben wahrscheinlich gar nicht bestehen k\u00f6nnen, etwa wie die h\u00f6heren Thiere nicht ohne phosphorsauren Kalk u. s. w.\nIn der schon angef\u00fchrten Schrift des Herrn Struve werden jene Kieselablagerungen mit dem Namen des Ske\u00ab lett\u2019s der Pflanzen belegt, ein Vergleich, der nicht zn billigen ist, denn die Bedeutung des Thier-Skeletts und die der Kieselablagerung in den Pflanzen ist wohl sehr verschieden von einander. Aber wir sehen wohl deutlich, dafs die Ablagerung der Kieselerde in den Pflanzen, ganz ebenso nach gewissen, der Art zugeh\u00f6rigen Gesetzen erfolgt, wie die Ablagerung der Kalkmasse zum Corallenstocke, und schliefsen auch hieraus, dafs die Kieselerde zum Bestehen der Pflanzen, worin sie in besonderer Gestaltung vorgefunden wird, durchaus n\u00f6thig ist.\nSehr bemerkenswerth ist noch das Auftreten des Ta-baschir\u2019s, welches man in den St\u00e4mmen der Bambusa-Arten findet; es erscheint in mehr oder weniger grofsen St\u00fccken, welche nach den Untersuchungen der Chemiker oftmals gr\u00f6fstentheils aus Kiesels\u00e4ure bestehen, mitunter aber auch mit Kali und Kalk vermischt sind. Das Tabaschir, welches Herr Alex, von Humboldt von einer Bambusacee aus den peruanischen Cordilieren mitgebracht hat, enthielt 30 pro C. Kali. Das Tabaschir bildet sich in kleinen L\u00fccken, welche im Inneren der Masse des Stengels, eigentlich nur in dem Gewebe des Knotens Vorkommen, aber in keiner unmittelbaren Verbindung mit der \u00e4ufseren Oberfl\u00e4che stehen,","page":541},{"file":"p0542.txt","language":"de","ocr_de":"542\noder es bildet sich in der grofsen L\u00fccke, welche den Stengel dieser Pflanze von einem Knoten bis zum anderen durchzieht; auch hier liegt es zun\u00e4chst dem Gewebe des Knotens und f\u00fcllt das Ende der H\u00f6hle zuweilen mit St\u00fccken von bedeutender Gr\u00f6fse. Es sind keine Verletzungen in der Rinde des Stengels zu bemerken, wo im Inneren das Tabaschir abgesondert ist, demnach man die Bildung desselben nicht etwa von einem Insektenstiche u. s. w, ableiten kann. Das Tabaschir f\u00fcllt jene L\u00fccken und zeigt ganz deutlich, dafs es aus einer Menge von Schichten besteht, welche sich \u00fcber oder auf einander gelegt haben. Ist die L\u00fccke noch sehr klein, worin die Secretion des Tabaschir's erscheint, so pflegen mehr kugeligte Massen abgesondert zu werden, welche aus concentrischen Schichten bestehen; sind die L\u00fccken dagegen gr\u00f6fser, so geschieht die Secretion der Massen an einzelnen W\u00e4nden derselben; es werden alsdann immer wieder neue Schichten abgelagert und dadurch die Alten mehr nach dem Inneren der L\u00fccke gef\u00fchrt, wo sie oft mit den Massen der entgegengesetzten L\u00fcckenw\u00e4nde zusammenstofsen und dann auch mit einander verkleben, woraus hervorzugehen scheint, dafs die abgesonderte Masse anfangs noch weich ist. Da bei derBam-busa die Absonderung der Kieselerde in der Epidermis des Stengels sehr bedeutend ist, so kann man es erkl\u00e4rlich finden, dafs hier, in der N\u00e4he der Epidermis, in eigenen H\u00f6hlen eine besondere Absonderung eben derselben Substanz erfolgt, welche im gew\u00f6hnlichen Falle nur auf der Oberfl\u00e4che stattfindet. Es ist eine abnorme, iiberm\u00e4-fsige Secretion, oder vielmehr eine Excretion, welche Aehnlichkeit mit der \u00fcberm\u00e4fsigen Harz-Absonderung im Holze der Coniferen hat, wodurch das Tabaschir in mehr oder weniger grofsen Massen im Inneren der Substanz des Bambusen-Stengels auftritt. Die lokalen Kalk-Absonderungen nach den H\u00f6hlen im Inneren der Pflanzen, wie wir sie schon im ersten Theile dieses Buches kennen gelernt haben, und ferner die lokalen Kalk-Absonderungen nach Aufsen, wie wir sie auf den Bl\u00e4ttern einiger Saxifraga-","page":542},{"file":"p0543.txt","language":"de","ocr_de":"543\nArten vorfinden, sind mit jenen lokalen Kiesel-Absonderungen in Vergleich zu stellen, und aus der Reichhaltigkeit dieser Stoffe im Boden, worauf die Pflanzen wachsen abzuleiten. Das Tabaschir erscheint unter den mannigfaltig-\n' steil Farben, bald weifs und undurchsichtig wie Kreide, bald opalisirend oder milchweifs; bald gelblich und durchsichtig wie Glas, bald durchsichtig und gef\u00e4rbt, und zwar gehen diese Farben von hellgelb bis tief dunkel braunroth\n*\tund fast bis zur schwarzen Farbe durch, wozu ich selbst die Musterst\u00fccke auf der Insel Lu\u00e7on gesammelt habe. In der Arbeit von E. Turner *) sind mehrere dieser Tabaschir-Arten untersucht und auch in Hinsicht ihres Ge\nI haltes an Luft und Wasser n\u00e4her bestimmt; das kreideartige Tabaschir enth\u00e4lt 0,4 Kalk, das durchscheinende nur 0,3 und das durchsichtige enth\u00e4lt nur eine Spur von Kalk.\nSchon mehrere Jahre vor meiner Reise um die Erde, ehe ich Gelegenheit hatte, mich selbst von dem Vorkommen des Tabaschir\u2019s zu \u00fcberzeugen, haben wir eine sehr lehrreiche Abhandlung von Herrn Brewster **) erhalten, worin das Vorkommen des Tabaschir\u2019s in dem Bambus-\n*\tStengel zum erstenmal genauer beschrieben und das auffallende Brechungsverm\u00f6gen dieser eigenth\u00fcmlichen Substanz mitgetheilt wurde. Herr Brewster widerlegte schon ganz trefflich die unrichtigen Beobachtungen der Eingeborenen jener indischen L\u00e4nder, wo das Tabaschir vorkommt, nach welchen die Absonderung dieses Stoffes in Folge einer Durchbohrung des Stengels durch Insekten veranlafst werde, indem das Tabaschir auch im Knoten solcher Stern\n*\t'gei vorkommt, welche nicht von Aufsen verletzt sind,\ndoch kommt es nicht selten vor, dafs diese Verletzung, welche von den Holzk\u00e4fern verursacht werden, unmittelbar auf den Heerd der Tabaschir-Absonderung stofsen, und da die Substanz bei ihrem ersten Auftreten weich ist, so\nThe Edmb. Journal, of Science. Vol. VIII. pag. 337. 182S.\nOn the Natur. Hist, and Properties of Tabashir, the Silic. concretion in the Bamboo. \u2014 The Edinb. Journ. of Science, V VIII. pag, 285,","page":543},{"file":"p0544.txt","language":"de","ocr_de":"544\nk\u00f6nnen selbst Insekten-St\u00fccke davon eingeschossen werden, |H wodurch das Tabaschir eine dunkele F\u00e4rbung erh\u00e4lt. Die Lufth\u00f6hlen in den Internodien eines jeden Bambusstam- !\u00dc mes sind jedoch durch keine innere Haut umkleidet, wie fj es Herr Brewster angiebt, sondern die Wand dieser L\u00fccken besteht aus einem feinmaschigen und unregelm\u00e4fsig zerrissenen Zellengewebe.\nEbenso verschieden der Gehalt der Pflanzen an Kieselerde ist, eben so verschieden zeigt sich bei verschiedenen * Pflanzen der Gehalt an anderen anorganischen Substanzen, sowohl an Metallen als an Alkalien, Erden und Salzen, Viele Pflanzen zeichnen sich vorzugsweise aus durch einen st\u00e4rkeren Gehalt an diesem oder an jenem alkalischen Salze, w\u00e4hrend andere Pflanzen, welche oft dicht daneben stehen, verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig nur wenig von jenem Salze ent- ! halten. Es w\u00fcrde sehr \u00fcberfl\u00fcssig sein, wollte ich hier das Vorkommen der Erden und Salze, welche man in r den Pflanzen gefunden hat, einzeln er\u00f6rtern, da dieses so I ganz von dem Vorkommen dieser Substanzen im Boden abh\u00e4ngt, dafs man sich jeden speciellen Fall sehr leicht erkl\u00e4ren kann. Im Allgemeinen steht die Menge der anorganischen Substanzen mit der Ueppigkeit des Wachsthums der Pflanzen und dem Alter derselben im innigsten Zusammenh\u00e4nge; kr\u00e4ftig wachsende Pflanzen verdunsten in gleicher Zeit eine gr\u00f6fsere Menge von Wasser, als If minder kr\u00e4ftige, daher geht eine gr\u00f6fsere Menge von Fl\u00fcssigkeit durch die Pflanzen hindurch und demnach auch eine gr\u00f6fsere Menge von anorganischen Substanzen, welche in dieser Fl\u00fcssigkeit gel\u00f6st waren, in den Pflanzen zu- # riickbleiben. So werden denn auch Pflanzen, welche auf einem, ihnen zutr\u00e4glichen Boden wachsen, von den in demselben enthaltenen Salzen mehr aufnehmen als andere daneben wachsende Pflanzen.\nDie Anh\u00e4ufung dieser Substanzen kann aber nur in denjenigen Theilen der Pflanzen stattfinden, welche trans-piriren, und sie wird in solchen Theilen um so st\u00e4rker sein, je st\u00e4rker die Transpiration ist. So wird es denn","page":544},{"file":"p0545.txt","language":"de","ocr_de":"545\nauch erkl\u00e4rlich, dafs man aus dem Holze der B\u00e4ume ver~ h\u00e4ltnifsm\u00e4fsig weniger Asche erh\u00e4lt, als aus saftigen Kr\u00e4utern; Davy sagte schon, dafs Kr\u00e4uter gew\u00f6hnlich 4\u20145mal und Str\u00e4ucher 2 \u00bb\u20143 mal so viel Pottasche geben, als B\u00e4ume, Die Bl\u00e4tter geben deren eine gr\u00f6fsere Menge als die Aeste, diese mehr als der Stamm, der Splint mehr als das Holz u. s. w. Will man die relativen Mengen der anorganischen Substanzen kennen lernen, welche in verschiedenen Pflanzen und Pflanzentheilen enthalten sind, so mufs man gleiche Quantit\u00e4ten derselben verbrennen und dann die zur\u00fcckbleibenden Aschenmassen untersuchen. Da man zu sehr wichtigen technischen Zwecken dieses Verbrennen I der Pflanzen sehr oft vornimmt, besonders zur Bereitung der Pottasche und der Soda, so war es sehr erw\u00fcnscht zu wissen, in welchen Verh\u00e4ltnissen jene Alkalien, Salze u. s. w. in verschiedenen Pflanzen und in verschiedenen Pflanzentheilen Vorkommen, und defshalb haben wir auch \u00fcber diesen Gegenstand die ausf\u00fchrlichsten und genauesten Arbeiten aufzuweisen.\nHerr De Saussure hat in seinem, schon so oft ange\u00ab f\u00fchrten Werke, mit der gr\u00f6fsten Sachkenntnifs hier\u00fcber gehandelt, und ich mufs einen Jeden auf das Capitel in jenem Buche: Ueber die Asche der Gew\u00e4chse verweisen, der sich hier\u00fcber specieller belehren will; eine Tabelle + giebt die Resultate der Ein\u00e4scherungen und Analysen einer sehr grofsen Menge von Pflanzen und deren verschiedenen Theile, so dafs diese Arbeit vorz\u00fcglich f\u00fcr die Pflanzen-Physiologie von Interesse ist. Durch einen sehr h\u00fcbschen * Versuch zeigte De Saussure *) von welchem grofsen Einfl\u00fcsse die Natur des Bodens auf den Aschengehalt der Pflanzen ist; er liefs Bufbohnen unter drei verschiedenen Verh\u00e4ltnissen wachsen, die ersteren wurden mit destillir-tem Wasser ern\u00e4hrt, die anderen wuchsen in Kieselsand und wurden unter freiem Himmel mit Regenwasser begossen, w\u00e4hrend die letzteren in gew\u00f6hnlicher Gartenerde wuchsen. Hundert getrockneteTheile dieser Pflanzen zeigten\n*) 1. c, pag. 258,\nMe y en. Pfl. Physiol. II,\n35","page":545},{"file":"p0546.txt","language":"de","ocr_de":"546\nnach der Ein\u00e4scherung: von den ersteren 3,9 Theile Asche,\nvon den zweiten 7^ Theile Asche und von den letzteren\n12 Theile, und so kam schon Herr De Saussure zu dem Schl\u00fcsse,\ndafs das Verh\u00e4ltnifs der Bestandtheile der Asche fast immer\nmit demjenigen der Bestandtheile des Bodens gleich steht.\nFolgende Analysen der verschiedenen Theile der Eiche nach\nDe Saussure sind so belehrend, dafs ich dieselben hier auf-\nf\u00fchre und zur besonderen Durchsicht empfehle.\nw g* o td bd 5' <\n\u00ab ft ft\ncL p\nft\nW \u00f6\nx p\nw- I\nrt <t ft P\ne \u00bb ^ \u00a9 \u00a9 5\n8 S\nft ft ft 3^\nft\n? &\u2022 i \u00a7\u25a0\ns \u00ab\npa td\nx p\nft & p\nST Pj p ft* B\n\u00a3 ft 52 ft \u00a9\n\u00a7 S\nW g,\no \u00bb ft\n3\ner\no\ntd G0\nft* rp 3 p-\nft r+\n<\nO\nS3\nft\u2019\na\nft\n3\nC/5\nP\n3\n\u00a9\np\no\ns\nft P \u00abq\ner cp o a \u00fc. B\n^ n O\nft ft\n\u00bb, ft g\ner c\u00bb p o\nft\nN\n8* \u2022\np:\nO\n&\tC/)\nn\ner\np:\trt*\n3\n. er\nO\n\u00ab ?\ncr>\n\u00ab\u25a0+\ntt\n\u00a9\nft\nft\nW\ns*\ner\ntt\nP: !=* PS\n5 ? S 2 2\nCu \u00a3 d\n\u00ab a rt\nft\tft\nW ? H 3\u2019 EL ft*\ner *^, er\nft\t<rt\nto\nro\n\u00a9\nCO\nif\u00fc ffi *4 05\tCi\nr r oj O t\u00ee O\n\noo\n>\t\tES Ct>\ta \u00ab a\t\u00ab Q*\t\u00a9 O O\nC/3\tp\ta\t\t\to\no er ft\ta\t\u00ab a\tT \u00bb p\t\u25bat CTS ft\tH\n* *\t\tl\ta\tC:\tO\n> 3\ntt\ner\n\u00ab\nT\n\u00a9\np\na\nN\nft\n3\n?r\net\nB\ntt\na\ntt\n\u00a9\nft\nft\nft\no\nST*\n\u00a9\n\u00a9\no\n\u00a9\nH\ner\nft\n\t\t\t\t\tB\tp\u2014'\t\u00a9\n\t\t>\t\tN\tft\tO\t\u00a9\n549\t745\t< p 05 05 ft ft\thalten\tft a \u00ab a fr 1\tn Pflan-\tder gr\u00fc-\t\u00a9 \u00a9 H \u00a9 O \u00a9 \u2022\ni i\nco\n47 17 26 7 >8,6 32 7 7 51 24 66\t*9zIeS 9lP!\u00ef -soj\tnj\t\u00a9\ni 21 18,25 28.5 4.5 7.5 24 3 3,75 10.5 66\t\u2022U9p.ia\t\u00a3 gjnesjoTjdsoxjjj\t<*\u25a0\n0,12 23 12.25 63.25 32 11 66 65 10\t\t\t\t\u2014\u2014\u2014\u2014\tt-S \u2022n3Pja\t?T ajnesaajijO'Nj\n\u00a9 \u00a9\tf I\tMl P f -1 to H. i\tto 1 o< 9< yi to Qi u\t\u00ab4\tCo\tj> \u2022apj9|9saiy[\tS. 3\nto \u00a9\to h* 1\t\u201e lo\trd \u00a9 1\t1\t^\tW \u00abi p.\t^\t^\t\u2022op\u00a3xo\t\u00a7 9Tt9S\u00eflle\u00ef9IM\tf\n25,24 25.5 ' 32,58 22,75 20,65 23.5 31.5 22,75 8,5\t\u00a9\u2666* a> \u2022isnpia^","page":546},{"file":"p0547.txt","language":"de","ocr_de":"547\nIch erlaube mir zu diesen Mitteilungen nur noch die Anmerkung, dafs diese Analysen der Pflanzen-Asche nat\u00fcrlich keinen Nachweifs \u00fcber die Zusammensetzung der Salze in der lebenden Pflanze geben k\u00f6nnen, indem die organischen S\u00e4uren durch das Feuer zerst\u00f6rt werden.\nFolgende Tabelle giebt die relative Menge der Potasche, welche man in verschiedene Pflanzen gefunden hat, wodurch die Angaben auf pag. 545. erwiesen werden:\n7 Theile Pottasche.\n12 \u2014 \u2014\n1000 Theile Pappelholz gaben .\t.\n\u2014 B\u00fcchenholz................\n\u2014\t\u2014\tEichenholz..............15\t\u2014\t\u2014\n\u2014\t\u2014\tUlmenholz...............39\t\u2014\t\u2014\n\u2014\t\u2014\tWeinreben...............55\t\u2014\t\u2014\n\u2014\t\u2014\tDistel.................. 58\t\u2014\t\u2014\n\u2014\t\u2014\tFarrenkraut............. 62\t\u2014\t\u2014\n\u2014\t\u2014\tBufbohnen (Vicia FabaL.)\t.\t200\t\u2014\t\u2014\n\u2014\t\u2014\tWicken (Vicia sativa L.)\t.\t275\t\u2014\t\u2014\n\u2014\t\u2014\tWermuth................ 730\t\u2014\t\u2014\n-\u2014\t\u2014\tErdrauch(Furaaria officia. L.) /90\t\u2014\t\u2014\nAuch diese Angaben sind nat\u00fcrlich nur ann\u00e4herungsweise richtig, denn die Quantit\u00e4ten aller dieser anorganischen Substanzen ver\u00e4ndern sich von Tag zu Tag; zur Erreichung unseres Zweckes sind sie jedoch hinreichend.\nNach den Mittheilungen des Herrn De Candolle *) enth\u00e4lt die nat\u00fcrliche Soda, welche nichts Anderes, als die zur\u00fcckbleibende Asche gewisser Pflanzen ist, das kohlensaure Natron in folgenden Quantit\u00e4ten. Die Soda von Aigues mortis, welche fast aus allen Meerstrandpflanzen und Fettpflanzen der K\u00fcste von Languedoc bereitet wird, nur 3 \u2014 8 Procent; die Soda von Narbonne (aus Salsola Soda und aus Salicornia-Arten) 14 \u201415 Procent; die Soda von Alicante (aus Salsola sativa, Chenopodium se-tigerum u. s. w.) 25 \u2014 30 Procent, und die Sicilianische Soda (von Salsola sativa) sogar 55 Procent.\nSchlie\u00dflich f\u00fchre ich hier eine Beobachtung auf, wel-\nPhys. v\u00e9g. I. p. 387.","page":547},{"file":"p0548.txt","language":"de","ocr_de":"548\nche schon im vorigen Jahrhundert von Jaquin angestellt und sp\u00e4ter auch von anderen Chemikern wiederholt sein soll, n\u00e4mlich die Umwandlung des Natron\u2019s in Kali durch den Vegetations-Prozefs der Salsola Kali. John* *) spricht hier\u00fcber ebenfalls, und die Angabe ist auch immer nachgeschrieben, ohne dabei an die hohe Bedeutung derselben zu denken. John hat Hyacinthen in einer Natron-L\u00f6sung wachsen lassen, woraus dieselbe einiges Salz aufnahm, aber bei der Analyse der Pflanzen konnte er nur Kali und keine Spur von Natron finden. Doch wir wissen, wie schwer es bis zur neuesten Zeit war, kleine Quantit\u00e4ten Natron aus Kali-L\u00f6sungen herauszufinden, und daher kann man aus solchen Beobachtungen noch keine so wichtigen Schl\u00fcsse ziehen. W\u00fcrde eine solche Umwandlung des, durch die Wurzeln aufgenommenen Natron\u2019s in Kali im Inneren der Pflanze wirklich best\u00e4tigt werden, so w\u00e4re es erwiesen, dafs der Lebensprozefs der Pflanzen auch anorganische Substanzen zu erzeugen vermag, wenn auch nur durch Umwandelung aus anderen Stoffen. Es w\u00e4re gewifs sehr w\u00fcnschenswerth, wenn \u00fcber diesen Gegenstand sehr bald neue Versuche angestellt w\u00fcrden, denn es scheint, dafs man jener Angabe \u00fcber die Umwandelung genannter Stoffe sehr allgemein Glauben schenkt.\nIn den letzteren Jahren haben die Herren Goeppert**) undReade***) von einem Kali- und Kalk-Skelette gesprochen, welches nach dem Verbrennen der Pflanzen zur\u00fcckbleibt und die Form der Zellen, so wie aller \u00fcbrigen Elementar-Organe der Pflanzen vollst\u00e4ndig nachweist. Hr. Goeppert hat schon nachgewiesen, dafs haupts\u00e4chlich die Kr\u00e4uter, und also haupts\u00e4chlich solche Pflanzen ein Kali-Skelett zeigen, welche grofse Mengen von Kali enthalten. Das Holz der B\u00e4ume dagegen, welches so \u00e4ufserst w'enig\n*) Ueb er die Ern\u00e4hrung der Pflanzen Berlin 1819, pag. 167, 180 etc.\n\u00a5\u00a5) Poggendorff\u2019s Annal. Bd. XXXVI\u00cfI pag. 568.\n*\u00a5\u00a5) The London and Edenb. Philos. Magaz, und Journ. of Scienc. for Nor. 1837 pag. 415 etc.\n*\t\u00abi\u00bb","page":548},{"file":"p0549.txt","language":"de","ocr_de":"549\nKali enth\u00e4lt, zeigt auch nur \u00e4ufserst selten eine Spur eines solchen sogenannten Kali-Skelett^. Dieses Auftreten des Kali\u2019s oder des Kalkes in Form der Elementar-Organe nach der Verbrennung derselben, ist aber keineswegs von der Bedeutung des Kieselpanzers, denn es ist wohl leicht einzusehen, dafs jene Substanzen bei der Einwirkung des Feuers auf die W\u00e4nde der umschliefsenden Elementar-Organe niedergeschlagen werden und nach der Zerst\u00f6rung der Kohle in jener Form Zur\u00fcckbleiben m\u00fcssen.\nHerr Reade hat aber auch zu beweisen gesucht, dafs die Pottasche, der Kalk und die Kieselerde, so wie die Metalloxyde u. s. w., welche inan in dem nach der Ver\u00bb\nI hrennung zur\u00fcckbleibenden Ger\u00fcste an trifft, als organisir-bare Stoffe in die Struktur der Pflanzen eindringen, und somit als constituirende Theile der Zellen-Membran und der Spiralfasern zu betrachten sind. Indessen je genauer man die Zellen der Pflanzen zerst\u00fcckelt und durch S\u00e4uren, Alkalien, Alkohol und Aether von den anh\u00e4ngenden Substanzen reinigt, um so geringer wird die Menge von Asche, welche dieselben nach dem Verbrennen zeigen, und es ist ja ganz\n*\tbestimmt nachgewiesen, dafs sich das \\orkommen dieser Substanzen nach dem Boden richtet. Die Zellen-Membran der einen Pflanze enth\u00e4lt Kieselerde, die der anderen nicht ; die der einen enth\u00e4lt viel Pottasche, die der anderen viel Kalkerde, und dennoch bleibt die Zellen-Membran in allen F\u00e4llen was sie wirklich ist. Man mufs demnach jene genannten anorganischen Substanzen, welche in der Zellen-Membran und der Spiralfaser Vorkommen, nicht als con-\n*\tstituirende Theile, sondern als zuf\u00e4llige Beimischungen an-sehen. Diese anorganischen Beimischungen sind freilich nicht ganz gering, denn Hr. Prof. Mitscherlich fand, dafs die Asche der zarten Flachsf\u00e4den, welche ich vielfach verkleinert und auf jede m\u00f6gliche Weise gereinigt hatte, fast Y\u00e4 Procent der angewendeten Masse betrug, und diese Asche zeigte die Form \u00e4ufserst zarter Membranen, welche zum Theil die Form der Fasern beibehalten hatten. Man h\u00e4tte glauben sollen, dafs diese zarten Membranen der","page":549},{"file":"p0550.txt","language":"de","ocr_de":"550\nAsche aus Kieselerde best\u00e4nden, indessen die weitere Untersuchung lehrte, dafs sie aus Kali, Kalk und einer kleinen Spur von Kieselerde und Eisen bestanden. Das Zellengewebe des Hollundermarkes gab dagegen eine gr\u00f6fsere Menge von Asche. Herr Mitscherlich fand in 0,5945 Thei-len Mark 0,0105 Theile Asche, welche viel Kalk, etwas Kali und Thon, aber keine Spur von Kieselerde enthielt. Dieser gr\u00f6fsere Aschengehalt mag vielleicht dadurch zu erkl\u00e4ren sein, dafs sich die Zellen des Hollundermark s nicht leicht zerst\u00fcckeln lassen, daher ihren Inhalt an anorganischen Substanzen bei der Reinigung beibehalten.\nSchon pag. 391 versprach ich, am Ende dieses Buches die Resultate neuerer Analysen der Zellen-Membran und der Spiralfaser anzugeben, welche gegenw\u00e4rtig, nachdem k\u00fcrzlich ^rschiedene Beobachtungen \u00fcber Gegenst\u00e4nde, die hiemit in innigem Zusammenh\u00e4nge stehen, durch Herrn Schleiden :) publicirt worden sind, von noch gr\u00f6fserem Interesse sein m\u00f6chten* **). Die Angaben einiger Englischer Geleinten, dafs sich in der Zellen -Membran freier Sauerstoff und in den Spiralgef\u00e4fsen freier Wasserstoff befinde, wurden durch Herrn Mitscherlichs Analysen nicht best\u00e4tigt, denn der Sauerstoff war sowohl in den Zellen-Membranen, als in der Spiralfaser nur in solchem Verh\u00e4ltnisse, dafs er mit dem darin enthaltenen Wasserstoffe Wasser bilden konnte, so dafs man alle diese festen vegetabilischen Gebilde, wie es schon fr\u00fcher vielfach angegeben wurde, als\n\u00a5) Einige Bemerkungen \u00fcber den vegetabilischen Faserstoff uttd sein % erh\u00e4ltnifs zum St\u00e4rkemehl. \u2014 Poggendorffs Annal. April 1838.\n**) Die anhaltende K\u00e4lte im vergangenen Winter hielt leider die Ausf\u00fchrung der ganzen Reihe von Analysen \u00fcber die elementare Zusammensetzung der reinen Zellen - Membran und der Spiralfaser, welche Herr Professor Mitscherlich mit grofsen Aufopferungen f\u00fcr die Wissenschaft unternommen und mir zur Publication g\u00fctigst mit-getheilt hat, so weit zur\u00fcck; aber n\u00e4chstens hat die Wissenschaft eine ausf\u00fchrlichere Arbeit \u00fcber jenen, f\u00fcr die Physiologie so interessanten Gegenstand, von diesem ausgezeichneten Chemiker zu erwarten.","page":550},{"file":"p0551.txt","language":"de","ocr_de":"551\nVerbindungen von Kohlenstoff mit Wasser ansehen mufs, Wiederholte Analysen der reinen Flachsfaser gaben f\u00fcr 100 Theile nur 45,98 Kohle, w\u00e4hrend die reinen Spiralfasern aus dem Bliithenschafte des Pisangs 48,88 Kohle und die Zellen des Innersten aus dem Hollundermarke sogar 50,65 Kohle enthielten. Leider zeigten s\u00e4mmtliche Analysen etwas \u00fcberschiifsigen Wasserstoff, welcher aber in um so geringerer Menge auftrat, je vollkommener die Analyse ausgef\u00fchrt werden konnte; bei den vorstehenden mufste zur vollst\u00e4ndigen Verbrennung Sauerstoffgas durchgeleitet werden, und vielleicht ist dieser Methode das Vorkommen des \u00fcbersch\u00fcssigen Wasserstoffes zuzuschreiben.\nDiese grofse Verschiedenheit in dem Gehalte an Kohlenstoff, welche die Bastr\u00f6hren, die reine Spiralfaser und die Membran der parenchymatischen Zellengewebe zeigt, mufs in der .That sehr auffallen; die Bastr\u00f6hren des Flachses stehen hierin zun\u00e4chst dem Gummi, dem Jnulin und der St\u00e4rke, dann kommt die reine Spiralfaser, und die straffe Zellen-Membran des Hollunders ist am reichsten an Kohlenstoff. Aber mit diesem verschiedenen Gehalte an Kohlenstoff steht das physische Verhalten der genannten Elementar-Organe in gewisser Beziehung. Die Substanz der Bastr\u00f6hren ist viel weicher, als die der Zellen-Membran des Hollundermarkes, Letztere ist aber auch reicher an Kohlenstoff. Die Bastr\u00f6hren und das Zellengewebe l\u00f6sen sich nicht in kalter concentrirter Schwefels\u00e4ure, dagegen l\u00f6sen sich die Spiralfasern des Pisang\u2019s in derselben augenblicklich; die anderen Stoffe aber nur dann, wenn sie vorher in einer starken L\u00f6sung von kaustischem Kali ge kocht waren, obgleich ihre Reaction gegen Jodine zeigte, dafs sie dadurch nicht in St\u00e4rke umgewandelt waren.","page":551},{"file":"p0552.txt","language":"de","ocr_de":"Zur g\u00fctigen Beachtung!\nBedeutende Druckfehler mochten in diesem zweiten Theile, wie der Verfasser glaubt, nicht stehen geblieben sein, die \u00fcbrigen mag der geneigte Leser g\u00fctigst \u00fcbersehen. In den Holzschnitten auf pag. 70 und pag. 72 findet man andere Pflanzen eingezeichnet, als in beistehendem Texte aufgef\u00fchrt werden. Die beabsichtigte Erkl\u00e4rung ist jedoch durch dieses \\ ersehen des Zeichners durchaus nicht beeintr\u00e4chtigt, pag. 188. Z. 8 v. O. 1. Plaschnick statt Plesnig.\nAm Schl\u00fcsse des dritten Bandes, welcher noch in diesem Jahre erscheinen wird, soll ein vollst\u00e4ndiges Sachregister beigegeben werden.","page":552},{"file":"p0553.txt","language":"de","ocr_de":"* Erkl\u00e4rung der Abbildungen auf beiliegenden\nTafeln.\nTab. VII.\n|\t(Nach 350 maliger Vergr\u00f6fserung gezeichnet.)\nFig. 1. Darstellung der Spitze des Wurzel-H\u00e4utchens, welches die Spitze der Wurzeln yon Hydrocharis Morsus ranae be kleidet; es besteht aus einer einfachen Schicht von saftigen Parenchym - Zellen, welche mit einigen kleinen gr\u00fcngef\u00e4rbten K\u00fcgelchen gef\u00fcllt sind.\na b c, \u00e4ufserer Umfang des ganzen H\u00e4utchens.\ng h i k, innere H\u00f6hle desselben, worin die Spitze der Wurzel enthalten ist.\ni Fig. 2. Spitze der eigentlichen Wurzel der Hydrocharis, nach\u00bb dem sie aus der Hohle des H\u00e4utchens gezogen war, welches in fig. 1. dargestellt ist.\ne,\tdie \u00e4ufserste Spitze, welche das Ende der H\u00f6hle bei g h fig. 1. ausf\u00fcllte.\nf,\tdas abgeschnittene Ende, welches in der Oeffnung bed fig. 1. steckte.\nDas Zellengewebe dieser Wurzelspitze ist viel kleinmaschiger, straffer und so stark mit gr\u00fcngef\u00e4rbten Zellensaftk\u00fcgelchen gef\u00fcllt, dafs das Ganze sch\u00f6n dunkelgr\u00fcn gef\u00e4rbt er scheint.\nFig. 3. und 4. Darstellung zweier zarter Wurzelspitzchen von Poa annua. Die Zellen auf der Oberfl\u00e4che der Spitzen sind etwas blasenf\u00f6rmig aufgetrieben, aber von der Struktur der sogenannten Wurzel-Schw\u00e4mmchen ist nichts zu sehen. In einiger Entfernung von der Spitze treten die Wurzel - H\u00e4rchen auf der Oberfl\u00e4che auf, welche nichts weiter sind, als haar f\u00f6rmige Ausw\u00fcchse der oberen Zellenw\u00e4nde der Epidermis der Wurzel. Anfangs erscheinen die Wurzel-H\u00e4rchen als blofse Papillen, sp\u00e4ter werden sie sehr lang und oftmals auch sehr unregelm\u00e4fsig gebogen.","page":553},{"file":"p0554.txt","language":"de","ocr_de":"554\nFig. 5. Darstellung der Spitze einer Wurzel von Tropaeolum majus, welche in Wasser hervorgewachsen war. a b, der Umfang der abgeschnittenen Wurzelspitze, c, die Spitze der Wurzel, deren Zellen ellipsoidisch geformt und nur locker mit einander verbunden sind. Einige dieser Zellen l\u00f6sen sich allm\u00e4hlich von der Spitze ab, wodurch dann die Oberfl\u00e4che der \u00e4ufsersten Spitze erneuert wird.\nfg und hi, sind Zellenreihen, welche das, der L\u00e4nge nach durchschnittene Wurzel-H\u00e4utchen andeuten. Auch hier be steht das Wurzel-H\u00e4utchen aus den Zellen der \u00e4ufsersten Schicht, welche sich von der Oberfl\u00e4che der Wurzel abl\u00f6sen und somit auch die seitliche Einsaugungsfl\u00e4che derselben erneueren.\nFig. 6. Darstellung eines kleinen Endchens einer Lemna-Wurzeh ab, die zarte Wurzel, deren oberfl\u00e4chlich gelagerte Zellen ; hieselbst dargestellt sind; h\u00e4ufig ist der Verlauf derselben etwas spiralf\u00f6rmig um die Achse der Wurzel gewunden.\ncdef, das dicke Wurzelh\u00e4utchen, welches das Ende des Wurzelst\u00fcckes a umschliefst und bei ef abgeschnitten ist. Die Abbildung sollte nur das Verh\u00e4ltnifs der wahren Wurzel zu dem -umschliefsenden W urzel-H\u00e4utchen zeigen, welches gleich einem H\u00fctchen die Spitze mehr oder weniger weit bekleidet. Auch die Struktur des Wurzel-H\u00e4utchen und der Wurzel selbst, ist hier so auffallend verschieden, dafs man diese Theile sogleich f\u00fcr ganz verschiedenartig betrachten mufs.\nFig. 7. Darstellung eines jungen Endquirl\u2019s der Chara vulgaris, ] dessen einzelne Aestchen durch Bildung von Querw\u00e4nden in eine Reihe von Zellen verwandelt sind. Der j\u00fcngste Zustand eines solchen Quirl\u2019s ist in fig. 8. dicht daneben dargestellt, 4 wo sowohl der Mittelschlauch 1, woraus der wahre Stengel hervorgeht, als auch die einzelnen Aestchen c d, e f, g h, und i k, als einfache Zellen auftreten, w7orin sich durch Querw\u00e4nde, wie bei n und m, jene Gliederung bildet, welche die Aestchen in einem w7eiter ausgebildeten Zustande, w7ie in fig. 7. zeigen. Hier sieht man nicht nur das Auftreten von Querw\u00e4nden, wodurch eine Zelle in mehrere getheilt wird, sondern man sieht j auch die Entstehung von L\u00e4ngenscheidew\u00e4nden, wie bei n, n, u. s, w. \u2022 ig. 9. Zeigt die oberfl\u00e4chliche Bildung eines jungen Internodiums des Stengel der Chara vulgaris; es war das Internodium hinter dem zweiten Quirl einer ganz jungen Charen - Spitze.\na b, das Ende des Internodiums, welches an den zweiten Quirl grenzte, und c d der Anfang desselben, womit es im dritten Quirl safs.\ne f, g h, i k, Im u. s. w. bilden einzelne, zellenartige Abthei- j","page":554},{"file":"p0555.txt","language":"de","ocr_de":"555\nlungen auf der Oberfl\u00e4che des Schlauches, welche f\u00fcr Mutterzellen zu halten sind, worin die innere condensirte Substanz durch Bildung von Scheidew\u00e4nden in eine Anzahl von breiten Zellen zerf\u00e4llt, welche wiederum durch L\u00e4ngsscheidew\u00e4nde, wie bei r, q u. s. w. in kleinere Zellen abgetheilt werden.\nFig. 10 zeigt einen kleinen Theil eines (solchen Charen-Schlau ches aus einer weiteren Entwickelungsstufe. Die Zellenreihe ab geh\u00f6rt hier der einen Mutterzelle zu, deren oberes Ende Inn noch deutlich zu erkennen ist, dagegen ist die Seitenwand, welche zwischen den urspr\u00fcnglichen Mutterzellen von 1 nach h f herablief, g\u00e4nzlich verschwunden, d. h. sie ist resor-birt, wie dieses mit den W\u00e4nden der Mutterzellen bei der Pollenbildung in den Antheren fast immer der Fall ist.\nFig. 11. Darstellung eines Theiles der \u00e4ufseren Zellenschicht von einem ausgebildeten Internodium des Stengels von Chara vulgaris. Zur n\u00e4heren Verst\u00e4ndigung sind die verschiedenen Zellen in dieser Abbildung mit den gleichbedeutenden in der vorhergehenden von Fig. 10. mit gleichen Buchstaben bezeichnet.\na b und c d entsprechen den Zellenreihen a b und c d in Fig. 10., obgleich das Ansehen derselben so sehr verschieden von einander ist.\nDie Zellen i, i, i von Fig. 10., haben in Fig. 11., ziemlich dieselbe Form behalten, sind nur etwas gr\u00f6fser geworden und auf dem unteren Theile derselben, durch die anliegenden gr\u00f6fseren Zellen etwas viereckig zusammengedr\u00fcckt. Die dazwischen liegenden Zellen k, k, k in der Reihe cd Fig. 11. sind dagegen in ihrer Form von den gleichnamigen in Fig. 10. ganz ver\u00e4ndert Vorz\u00fcglich bemerkenswert!! ist aber die Ver\u00e4nderung in der Form und Grofse der zwischen liegenden Zellen, welche in der Reihe ef und gh enthalten sind; vergleicht man dieselben mit den gleichnamigen in Fig. 10., so sieht man, dafs sie sich in einem ganz anderen Verh\u00e4ltnisse vergr\u00f6fsert und ihre Form ver\u00e4ndert haben, als die angrenzenden Zellen k, k, k, w\u00e4hrend die kleinen Zellen i, i, i in ihrer Form und Grofse fast unver\u00e4ndert zur\u00fcckgeblieben sind. Man kann hieraus sicherlich den Schlufs ziehen, dafs, wenigstens f\u00fcr den vorliegenden Fall, die Form der Zellen auf keine Weise durch den gegenseitigen Druck derselben bestimmt werden kann, sondern dafs die Form einer jeden Zelle eben so eigenth\u00fcmlich angeh\u00f6rt, wie eine gewisse Krystallform einem bestimmten anorganischen Stoffe angeh\u00f6rt, u. s. w.\nIn den verschiedenen grofsen Zellen dieser Abbildung ist zugleich die Rotations-Str\u00f6mung angedeutet, welche in jeder","page":555},{"file":"p0556.txt","language":"de","ocr_de":"556\neinzelnen Zelle stattfindet, ganz entsprechend der Richtung der Pfeile, die auf der Zeichnung angebracht sind. Die rotirenden Massen verlaufen stets dicht an den Seitenw\u00e4nden der Zellen, und bestehen aus einem schleimigen Stoffe, in welchem eine grofse Menge \u00e4ufserst kleiner Molek\u00fcle befindlich sind. Die Bewegung dieser schleimigen Masse geht ununterbrochen gleich-m\u00e4fsig vor sich; bald schleichen sie in Form eines feinen Stromes, bald zu greifseren Massen, ganz in der Art, wie es die Abbildung zeigt. Einige der Zellen zeigen so dicke und breite Str\u00f6me, dafs fast die ganze Hohle derselben damit gef\u00fcllt wird, werden die Zellen aber grofser, so werden auch die Strome dieser consistenten Massen immer feiner; zuweilen ist die rotirende Masse in mehrere Theile getheilt, welche sich aber h\u00e4ufig wieder vereinigen und an anderen Stellen abermals wieder trennen, aber, so lange die Masse grofs genug ist, um die ganze Fl\u00e4che der Zelle zu bedecken, so lange findet auch diese Theilimg nicht statt.\nFig. 12. Darstellung der Spitze eines jungen Aestchen von Chara capitata.\na b das Ende des ausgebildeten Internodiums des Stengels worauf die Aeste des zweiten Wirtels sitzen, k h und k o sind zwei vollst\u00e4ndig abgebildete Aeste dieses jungen Wirtels, w\u00e4hrend der zwischensitzende von der vorliegenden Fl\u00e4che abgeschnitten ist, doch erkennt man die fr\u00fchere Stellung; dessel-\n' ben durch den zwischenliegenden Kreis.\nfggf ein vollst\u00e4ndiges Internodium, welches zwischen den beiden Quirlen von Aesten liegt; es ist eine einfache grofseZelle, auf deren inneren Fl\u00e4che gr\u00fcngef\u00e4rbte elliptische, etwas linsenf\u00f6rmig zusammengedr\u00fcckte K\u00f6rperchen in spiralf\u00f6rmig aneinandergereihten Linien, wie sie bei 11 und auf der ganzen Oberfl\u00e4che des untersten Internodiums bei ab dargestellt befindlich sind. In dieser Art ist die ganze Fl\u00e4che des Internodiums bekleidet; die Bekleidung ist aber gr\u00f6fstentheils weggelassen, damit die Massen sichtbar werden k\u00f6nnen, welche im Inneren des Internodiums, so wie in den \u00fcbrigen Zellen der Aeste in best\u00e4ndiger Bewegung befindlich sind. Die Richtung der rotirenden Saftstr\u00f6me ist in allen Zellen dieser Abbildung durch die Richtung der Pfeile ganz genau angegeben, nur in den Endzeilen, wie bei k, k, fand noch keine Bewegung statt, oder dieselbe war wenigstens noch nicht sichtbar, da auch der Zellensaft noch wasserhell war. In den grofseren Zellen sieht man \u00e4hnliche gek\u00f6rnte Schleimmassen, welche sich an den W\u00e4nden hinziehen, wie sie in den Zellen der vorhergehenden Figur angedeutet sind: doch aufser diesen schleimigen Massen befinden","page":556},{"file":"p0557.txt","language":"de","ocr_de":"sich noch mehr oder weniger grofse K\u00fcgelchen, welche einzeln im wasserhellen Safte umherschwimmen und mit dem vorhergehenden in Gesellschaft die Rotationen um die H\u00f6hle der Zellen ausf\u00fchren. Das Uebrige, was noch zur Erkl\u00e4rung t dieser Darstellungen n\u00f6thig sein m\u00f6chte, ist schon im Texte ausf\u00fchrlicher mitgetheilt.\n11, mm, n n deuten die Streifen auf denW\u00e4nden der Schl\u00e4uche, welche frei von der gr\u00fcnen Bekleidung sind, und auch die Indifferenzial-Fl\u00e4che f\u00fcr die Bewegung der entgegengesetzten Strome darstellen ; wie es auch die Pfeile zeigen, so bewegt sich die Str\u00f6mung auf beiden Seiten dieser Streifen gerade nach entgegengesetzten Richtungen.\nFig. 13. Abbildung der Spitze eines Aestchens aus einem jungen Quirl von Chara vulgaris. Die beiden \u00e4ufsersten Zellen sind ganz einfach und ohne die Bekleidung durch eine besondere Zell en schicht, wie sie auf den \u00fcbrigen Zellen der Aeste und des Stengels dieser Pflanze ganz gew\u00f6hnlich vorkommt. Sehr bemerkenswerth ist hier die verschiedene Richtung der Str\u00f6mungen, welche in den aneinanderliegenden Zellen stattfinden, was ebenfalls durch Pfeile angedeutet ist. Auch die aufser-ordentlich dicke Haut der Zelle a a, welche durch b angegeben ist, mufs sogleich in die Augen fallen.\nDie kleineren Zellen, welche den Ueberzug bilden, sind von sch\u00f6ner dunkelgr\u00fcner Farbe, und nur in sehr jungen Aestchen f scheinen die Rotations - Str\u00f6mungen hindurch, welche in der H\u00f6hle der darin eingeschlossenen Zellen vor sich gehen.\nTab. II.\nFig. 1. Darstellung eines L\u00e4ngenschnittes aus dem Blumenschafte der Tradescantia ciliata; es sind mehrere nebeneinander liegende Zellen mit den darin vorkommenden Rotations-Str\u00f6mungen.\na b eine Zelle, wTorin die Rotations-Str\u00f6mung am einfachsten vor sich geht; ein einfacher Strom zieht sich von c nach d, dem Laufe einer Spirallinie folgend, dreht sich am Ende der Zelle um und verl\u00e4uft, bei dem Nucleus e vor\u00fcber, wieder zum anderen Ende der Zelle, wo er abermals umdreht und in die Richtung zur\u00fcckkehrt, von welcher wir ausgingen.\ngh eine Zelle, worin die Str\u00f6me in ihrem Verlaufe sehr mannigfaltig sind, ihre Richtung ist durch die Richtung der Pfeile angegeben. An den Enden der Zelle sind die str\u00f6menden Massen bedeutend breiter, weil hier mehrere der zarten Str\u00f6me zusammenlaufen und sich mit einander vereinigen So verschieden auch der Verlauf der feinen Str\u00f6me in diese Zellen ist, so wird man im Allgemeinen bemerken, dafs s\u00e4mmt-\nMeyen. PH. Physiol. II,\t36","page":557},{"file":"p0558.txt","language":"de","ocr_de":"558\nliehe zu zwei, nach entgegengesetzter Richtung verlaufenden Str\u00f6mungen geh\u00f6ren, und dafs sich diese ebenfalls in spiraler Richtung um die L\u00e4ngenachse der Zelle drehen.\ni eine kleine f\u00fcr sich bestehende Rotations-Str\u00f6mung, welche aus einigen kleinen Molek\u00fclen und etwas Schleimmasse besteht und w\u00e4hrend der Stockung aus der Masse des sich umdrehenden grofsen Saftstromes hervorging. Diese besonderen Str\u00f6mungen halten nicht lange an.\nIm zeigt eine solche partielle Rotations-Str\u00f6mung, welche aus der allgemeinen hervorgegangen ist, von noch gr\u00f6fserem Interesse, denn hier zieht sich der Umkehrungspunkt des Saftstromes o mehr nach der Mitte der Zelle und aus seiner \u00e4ufs er en Oberfl\u00e4che kommt die neue Str\u00f6mung p hervor, welche bis zum Ende der Zelle verl\u00e4uft, daselbst umkehrt und in Form eines sehr feinen Stromes zur allgemeinen Str\u00f6mung auf der entgegengesetzten Seite zur\u00fcckkehrt.\nq r, eine Zelle, worin der Umdrehungspunkt des Saftstromes schon fast bis zur Mitte herabger\u00fcckt ist, worauf sich aus dem oberen Rande des umkehrenden Stromes eine vollst\u00e4ndige zweite Rotations-Str\u00f6mung von u \u00fcber v nacht zur\u00fcck gebildet hat, Die Richtung der Pfeile giebt auch hier \u00fcberall die Richtung des Verlaufes der Str\u00f6mungen an.\nFig. 2. Darstellung eines L\u00e4ngenschnittes aus einem Blatte der Vallisneria spiralis, parallel der Blattfl\u00e4che gef\u00fchrt. In jeder Zelle des Schnittes zeigt sich die einfache Rotations-Str\u00f6muno-deren Richtung durch die der Pfeile \u00fcberall angegeben ist. In den Zellen der Seite a b sind die rotirenden K\u00fcgelchen tief gr\u00fcn gef\u00e4rbt und werden durch Jodine nicht blau gef\u00e4rbt; die gr\u00f6fseren K\u00fcgelchen dagegen, welche in der Zelle de rotiren, bestehen aus St\u00e4rke mit einem oberfl\u00e4chlichen Anfluge von Chlorophyll. Aufser diesen gr\u00fcnen Zellensaft-K\u00fcgelchen sieht man noch in einzelnen Zellen eine grofse ziemlich kugelf\u00f6rmige Schleimmasse an den W\u00e4nden umherziehen, welche ganz wasserhell und ungef\u00e4rbt ist. Von besonderem Interesse ist das Umdrehen des K\u00fcgelchenstromes an den Enden der Zellen, besonders wenn sich daselbst gr\u00f6fsere Massen zusammengeballt haben, wie bei e oder bei f; hier kommt es nicht selten vor, dafs die angeh\u00e4uften K\u00fcgelchen die Zelle so stark f\u00fcllen, dafs eine Verstopfung eintritt und die Bewegung der K\u00fcgelchen dadurch auf l\u00e4ngere Zeit aufgehalten wird. In der Gruppirung der K\u00fcgelchen ist keine Regel zu erkennen; bald liegen sie einzeln, bald zu zwei oder zu drei, bald aber auch in mehr oder weniger grofsen Haufen vereinigt, was durch die Bewegung sehr bald wieder ver\u00e4ndert wird.","page":558},{"file":"p0559.txt","language":"de","ocr_de":"559\nFig. 3. Darstellung eines \u00e4hnlichen Schnittes, welcher aus dem Blatte einer Vallisneria zur Sommerzeit angefertigt ist; aufser den Zellensaft-K\u00fcgelchen sieht man noch einige freie gek\u00f6rnteSchleim-massen, welche einzelne Gruppen von K\u00fcgelchen umh\u00fcllen. Am Ende der Zelle c d sieht man eine kleine, f\u00fcr sich bestehende Rotations-Str\u00f6mung in e, \u00fcber welcher der Hauptstrom in f vor\u00fcberl\u00e4uft.\nFig. 4. Darstellung eines Querschnittes aus einem Theile eines Blattes der Vallisneria; nur einige wenige Zellen sind unverletzt zur\u00fcckgeblieben, so dafs auch die Rotations-Str\u00f6mung in derselben wahrzunehmen ist. a b, die Epidermis der oberen Blattfl\u00e4che, cd, die Epidermis der unteren Blattfl\u00e4che; in den Zellen beider war die Rotations - Str\u00f6mung schon erloschen, e f, eine Lufth\u00f6hle.\nk, 1, m, einzelne Zellen, welche unmittelbar auf der Epidermis liegen und die Rotations-Str\u00f6mung nach der Richtung der Pfeile zeigen, welche parallel der Blattfl\u00e4che stehen. In der Zelle p dagegen, welche gleichsam verbindend zwischen den beiden \u00e4ufseren Zellenschichten liegt, str\u00f6men die K\u00fcgelchen in einer anderen Richtung, n\u00e4mlich gerade im rechten Winkel auf die Blattfl\u00e4che stofsend. Vergleicht man nun die Richtung dieser Str\u00f6me in dem Querschnitte, mit der Lage derselben an dem L\u00e4ngenschnitt der Fig. 2. und 3., so wird es erkl\u00e4rlich werden, wefshalb in letzteren die Strome stets an den Seiten-. w\u00e4nden verlaufen. Nur dann kann der Strom auf den vorliegenden Zellenfl\u00e4chen verlaufen, wenn der L\u00e4ngenschnitt gerade durch solche Zellen, wie p in Fig. 4. verl\u00e4uft,\nFig. 5. Darstellung eines jungen Wurzelh\u00e4rchens der Hydro-charis Morsus ranae; das Ende c d steckt zwischen den Zellen der Epidermis der Wurzel, deren Oberfl\u00e4che durch die W\u00e4nde der angrenzenden Zellen in a und b bezeichnet werden. Auch hier ist die rotirende Masse, \u00e4hnlich wie in den jungen Charen-Zellen in einem feink\u00f6rnigen zusammenh\u00e4ngenden Schleime bestehend, und die Richtung des Stromes verl\u00e4uft parallel der L\u00e4ngenachse, w\u00e4hrend sie sich in dem ausgewachsenen langen Haare spiralf\u00f6rmig um dieselbe dreht.\nFig. 6. Darstellung einiger Zellen von den feinen Staubfaden-H\u00e4rchen der Tradescantia ciliata, mit den darin enthaltenen zarten Saftstr\u00f6men; die Richtung der Pfeile giebt den Verlauf der einzelnen Str\u00f6mungen an, welche aber zu verschiedenen Zeiten sehr ver\u00e4nderlich sind, was man auf der daneben stehenden Abbildung in Fig. 7. sehen kann, worin dieselbe Zelle ab nach Verlauf einer halben Stunde abermals dargestellt wurde,","page":559},{"file":"p0560.txt","language":"de","ocr_de":"560\num die Ver\u00e4nderung der einzelnen Str\u00f6mungen bestimmter nachzuweisen. Diese feinen Str\u00f6me verlaufen nicht etwa in einer und derselben Fl\u00e4che, wie man es vielleicht aus der Darstellung glauben m\u00f6chte, sondern die einen verlaufen an der oberen, die anderen an der unteren Zellenwand, w\u00e4hrend ein grofser Theil derselben nach allen Richtungen hin mitten durch die H\u00f6hlen der Zellen ziehen und ihre Richtung ebensobald wieder ver\u00e4ndern, wie die \u00fcbrigen Strome.\nFig. 8. zeigt eine der kugelf\u00f6rmigen Endzeilen der Staubfaden-Haare der Tradescantia ciliata; die Abbildung ist w\u00e4hrend der heifsen Sommerzeit angefertigt und zeigt eine sehr grofse Zahl von mehr oder weniger zarten Str\u00f6men, welche nach allen Richtungen hin, bald an den Wanden der Zellen, bald mitten durch die H\u00f6hle derselben verlaufen.\nFig. 9. Darstellung der untersten Zelle eines Staubfaden-H\u00e4rchens der Tradescantia ciliata mit den daranstofsenden Zellen des Filamentes; in diesen wie in jenen findet die Rotations-Str\u00f6mung auf ganz \u00e4hnliche Weise statt, aber die Mannigfaltigkeit in der Richtung der Str\u00f6me ist in der Zelle c d e f besonders grofs; es scheint, dafs die zarten Str\u00f6me in dieser Zelle mehrmals um die Achse derselben verlaufen. Der Globulus oder Nucleus in g zeigt auch hier keine weitere Beziehung zu den Str\u00f6mungen.\nFig. 10. Darstellung einiger Zellen eines H\u00e4rchens von der Basis des Stylus der Cobaea scandens. Die Richtung der Pfeile, giebt auch hier die Richtung der Str\u00f6mungen an.\nFig. 11. Darstellung einiger Zellen aus dem Blattstiele von Caladium esculentum nach einem L\u00e4ngenschnitte. Die schmalen und l\u00e4nglichen K\u00f6rperchen, welche bei a, b und c im Inneren der Zellen dargestellt sind, zeigen eine langsame, aber h\u00f6chst auffallende Bewegung nach den Seiten, bald nach der einen, bald nach der anderen und mitunter, was jedoch sehr selten ist, flectiren sie sich. Die kleinen runden Molek\u00fcle in d und e haben eine sehr lebhafte Molekular-Bewegung, wobei einige sich best\u00e4ndig um ihre Achse drehen, oft mit grofser Schnelligkeit und dabei zugleich eine fortschreitende Bewegung zeigen.\nTab. IX.\nFig. 1. Darstellung eines Querschnittes aus der inneren Rindenmasse des Stengels der Ceropegia (Sarcostemma) dichotoma.\nab die innerste Rindenmasse, welche dem Holzk\u00f6rper zun\u00e4chst liegt und die zerstreut stehenden Bastb\u00fcndel c und d enth\u00e4lt. Die Faser-Zellen dieser Bastb\u00fcndel sind sehr locker nebeneinander liegend und zeigen selbst bedeutend grofse","page":560},{"file":"p0561.txt","language":"de","ocr_de":"561\nIntercellularg\u00e4nge, auch ist die Zusammensetzung der W\u00e4nde derselben aus einer Reihe von concentrischen Schichten sehr deutlich wahrzunehmen.\nDie Zellenschicht g h liegt ungef\u00e4hr in der Mitte der Rinde, und zwischen dieser Mitte und den Bastb\u00fcndeln findet sich der Verlauf der eigentlichen Milchsafts - Gef\u00e4fse, welche in e, f und f auf ihren Querschnitten ganz deutlich von den angrenzenden Zellenw\u00e4nden zu unterscheiden sind, doch findet man dieses nur in sehr alten Stengeln so deutlich ausgebildet, aber ganz vorz\u00fcglich sch\u00f6n im Marke.\nUeber die K\u00fcgelchen und die Schleimmassen, welche in den Zellen dieses Schnittes enthalten sind, ist im Texte an verschiedenen Stellen ausf\u00fchrlich gehandelt.\nFig. 2. Abbildung eines kleinen L\u00e4ngenschnittes aus dem Blattstiele von Ficus elastica.\na b das Milchsafts-Gef\u00e4fs mit einem kleinen Theile der darin enthaltenen Milch, welche sich unter dem Mikroskope als dergleichen K\u00fcgelchen zeigt, die in einer wasserhellen Fl\u00fcssigkeit schwimmen.\nDie Parenchym-Zellen, welche das Gef\u00e4fs umschliefsen, sind sehr dickh\u00e4utig und zeigen mehr oder weniger breite T\u00fcpfel, welche auf den durchschnittenen W\u00e4nden ihre Vertiefungen zeigen. Auf die regelm\u00e4fsige Stellung dieser T\u00fcpfel und deren Entstehung ist im ersten Theile aufmerksam gemacht worden.\nFig. 3. und 4. Darstellung von feinen Milchsafts-Gef\u00e4fsen aus dem Blatte von Ficus elastica; die Gef\u00e4fse verlaufen unmittelbar auf den Epidermis-Zellen und zwar nach den verschiedensten Richtungen, w7ie es die beiden Figuren zeigen, welche zu einander in nat\u00fcrlicher Lage gestellt sind.\nFig. 5. Darstellung eines kleinen Theiles eines Milchsaft-Gef\u00e4fses von Euphorbia magnispina.\nb dgh der \u00e4ufsere Umfang des Gef\u00e4fses.\na c e f der Umfang der Hohle des Gef\u00e4fses, worin die Amylum-St\u00e4bchen in i mit etwas zur\u00fcckgebliebener Milch eingeh\u00fcllt sind.\nFig. 6. Darstellung eines L\u00e4ngenschnittes aus der Rinde der Wurzel von Chelidonium majus. S\u00e4mmtliche Zellen waren ebenso stark mit kleinen Amylum-K\u00fcgelchen gef\u00fcllt, wie es die Zellenreihe i k der Abbildung zeigt.\nab, cd, ef, gh Milchsaft-Gef\u00e4fse mit gelber Milch gef\u00fcllt, deren K\u00fcgelchen durch die P\u00fcnktchen angedeutet sind.\nFig. 7. Darstellung des Endl\u00e4ppchens eines Blattes von Cheli-donium majus nach einer 20maligen Vergr\u00f6fserung, um den Lauf der Nerven und deren Verzweigung darin im Grofsen nachzuweisen.","page":561},{"file":"p0562.txt","language":"de","ocr_de":"562\nFig. 8. zeigt einen kleinen Theil jenes Bl\u00e4ttchens nach einer 100 maligen Vergr\u00f6fserung, wobei der Lauf des Milchsaftes in den verschiedenen Gef\u00e4fsen durch die Richtung der Pfeile angegeben ist. Die Abbildung ist nach einem unverletzten Blatte angefertigt, wor\u00fcber im Texte pag. 378, 421 u. s. w. n\u00e4here Nachweisung gegeben ist\nFig. 9. Darstellung einer Reihe ausgezeichneter Formen von Amylum-St\u00e4bchen aus dem Milchs\u00e4fte verschiedener Euphorbien.\na, b, Amylum-St\u00e4bchen aus dem Milchs\u00e4fte der Euphorbia palustris, es ist die gew\u00f6hnlichste und einfachste Form, welche auch in der Milch jeder anderen Euphorbia vorkommt.\nc \u2014 h' Amylum-St\u00e4bchen aus dem Milchs\u00e4fte der Euphorbia balsamifera.\ni \u2014 1,desgl. aus E. triacantha. m \u2014 n' desgl. aus E. globosa. o \u2014 t' desgl. aus E. arborea. u \u2014 wT desgl. aus E. meloformis.\nFig. 10. Zellensaft-K\u00fcgelchen aus dem Blatte einer Vallisneria spiralis, wor\u00fcber im Texte pag. 276 ausf\u00fchrliche Beschreibung gegeben ist.\nGedruckt bei den Gebr. Unger,","page":562},{"file":"p0562s0001table7.txt","language":"de","ocr_de":"\n\u2014\u201c\u201c\u2014\n\u2014\nzw. w. 4\n\u00c4fl-\n\u00fbUZ-.-\n","page":0},{"file":"p0562s0003table8.txt","language":"de","ocr_de":"mv del/.","page":0},{"file":"p0562s0004.txt","language":"de","ocr_de":"\n\n\t\n\n\n\n\n\t\n\n\n\u2022 - ..\n*\n\n","page":0},{"file":"p0562s0005table9.txt","language":"de","ocr_de":"\u25a0 I\n\n","page":0},{"file":"p0562s0006.txt","language":"de","ocr_de":"\n\n\n","page":0}],"identifier":"lit36694","issued":"1838","language":"de","pages":"562","startpages":"562","title":"Neues System der Pflanzen-Physiologie: Zweiter Band","type":"Book","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:53:34.359807+00:00"}