The Virtual Laboratory - Resources on Experimental Life Sciences
  • Upload
Log in Sign up

Open Access

Neues System der Pflanzen-Physiologie: Dritter Band

beta


JSON Export

{"created":"2022-01-31T15:37:56.807961+00:00","id":"lit36695","links":{},"metadata":{"contributors":[{"name":"Meyen, Franz Julius Ferdinand","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Berlin: Haude & Spener","fulltext":[{"file":"a0005.txt","language":"de","ocr_de":"Neues S y s t e m\nder\nPflanzen-Physiologie\n\u00cf\nvon\ni\nF. J. F. 'Mey e n,\nDoctor der Philosophie, der Medicin und der Chirurgie, und aufserordentlicher Professor an der K\u00f6nig!. Friedrich Wilhelms-\nUniversit\u00e4t zu Berlin.\nW\tV\nDritter Band.\nMit sechs Kupfertafeln in Quart.\nBerlin, 1839.\nHaude und Spenersche Buchhandlung.\n(S. J. Joseephy.)","page":0},{"file":"a0006.txt","language":"de","ocr_de":"Hmi ai - 3\nMAX'PUi^CK'i W 8TS TUT\nBibliothek","page":0},{"file":"a0007introduction.txt","language":"de","ocr_de":"V o r w o r t.\nMit dem vorliegenden Bande schliefst dieses Buch \u00fcber die Physiologie der Pflanzen; die Krankheiten, so wie die Morphologie der Pflanzen werden noch in besonderen, f\u00fcr sich bestehenden Werken abgehandelt werden. Die ganze Arbeit, welche ich hiemit dem\n| geneigten Leser \u00fcbergebe, ist auf Beobachtungen, und zwar auf Beobachtungen durch eigene Anschauung und Pr\u00fcfung gegr\u00fcndet, denn \u00fcberall suchte ich mich, so viel es nur immer m\u00f6glich war, auch von der Richtigkeit der Beobachtungen meiner Vorg\u00e4nger zu \u00fcberzeugen.\nZwar ziemlich vertraut mit der Literatur der\n#\tPflanzen - Physiologie, habe ich dieselbe in diesem Werke dennoch nur in solchen Fallen vollst\u00e4ndig angezeigt, wo dieses von besonderer Wichtigkeit war, denn es scheint mir, dafs die Lehrb\u00fccher dieser Wissenschaft allm\u00e4lich zu volumin\u00f6s und zuletzt ganz unlesbar werden m\u00fcssen, wenn man den ganzen Ballast einer dreihundertj\u00e4hrigen Literatur immer\n*\twieder von Neuem mit herumzieht.\nDie beiden ersten B\u00e4nde dieses Buches sind in den Jahrb\u00fcchern f\u00fcr wissens cha ftliche Kritik angezeigt und zum Theil recensirt worden,\n- ja einer und derselbe Recensent, n\u00e4mlich Herr Prof.\n*\nt","page":0},{"file":"a0008.txt","language":"de","ocr_de":"IY\nC. H. Schultz, hat sich die M\u00fche gegeben dieses Buch sogar in verschiedenen Blattern mehr oder weniger ausf\u00fchrlich zu recensiren. Im Allgemeinen hat der g\u00fctige Recensent meine Arbeiten zwar gelobt, indessen die darin niedergelegten Resultate stimmen sehr h\u00e4ufig nicht mit den Tendenzen \u00fcberein, welche derselbe Recensent \u00fcberall zu verfechten strebt 5 daher wurden einzelne Stellen aus meinem Buche hervorgehoben und in ein so schlechtes Licht gestellt, wie es nur immer m\u00f6glich war; ja um dieses noch kr\u00e4ftiger auszuf\u00fchren, reiste der Recensent umher und suchte das Ausland wie das Innland von der Unfehlbarkeit seiner Ansichten zu \u00fcberzeugen und gegen die Richtigkeit meiner ihm widersprechenden Beobachtungen einzunehmen.\nZuerst erschien im November-Hefte der kritischen Jahrb\u00fccher von 1837 eine Recension des ersten Bandes dieses Buches, angeblich von einem Sch\u00fcler des Herrn Pr. C. H. Sch. einem Studierenden aus England, Ch. S....n unterzeichnet, worin ich sehr getadelt wurde, dafs ich das System der Pflanzen, welches Herr Pr. C. H. Sch. aufgestellt hat, nicht angenommen habe, indem gerade durch dieses zuerst wissenschaftlicher Geist in die Botanik gelangt sei. Dieser Tadel trifft mich nicht allein; ich befinde mich dabei in guter Gesellschaft, denn s\u00e4mmt-liche Botaniker haben jenes System ganz unbeachtet gelassen, und in diesem dritten Bande pag. 359 u. s. w. habe ich die Gr\u00fcnde vorgetragen, welche mich berechtigen bei Jussieu\u2019s nat\u00fcrlicher Einlhei-lung der Pflanzen zu bleiben. Aber es pafste sich","page":0},{"file":"a0009.txt","language":"de","ocr_de":"wohl \u00fcberhaupt nicht, dafs das Urtheil eines Sch\u00fclers \u00fcber einen so schwierigen Gegenstand in den kritischen Jahrb\u00fcchern aufgenommen wurde.\nDie verschiedenen Recensionen, welche Herr Pr. C. H. Schultz von dem zweiten Bande dieses Buches gegeben hat, k\u00e4mpfen gegen die Beobachtungen \u00fcber die verschiedenen Bewegungen, welche die S\u00e4fte in den Pflanzen zeigen. Ich glaube nachgewiesen zu haben, dafs die Rotationsstr\u00f6mung in den Zellen der Pflanzen eine sehr allgemein verbreitete Erscheinung ist, welche aber, und zwar oftmals in einer und derselben Pflanze, vielfach modificirt auftritt, und dafs die Bewegung des Milchsaftes, oder die sogenannte Circulation in den h\u00f6heren Pflanzen eine, hievon ganz verschiedene Erscheinung ist. Herr Pr. C. H. Schultz ist aber nicht derselben Ansicht, er glaubt vielmehr annehmen zu k\u00f6nnen, dafs die feinen Saftstr\u00f6me, welche ich in den Haaren und den gew\u00f6hnlichen Zellen der h\u00f6heren Pflanzen ganz allgemein beobachtet habe, mit dem Systeme der Milchsaftgef\u00e4fse im innigen Zusammenh\u00e4nge stehen, ja dafs sie die ersten Anf\u00e4nge solcher Gef\u00e4fse w\u00e4ren, und daher auch von ihm den Namen der vasa laticis contracta erhalten haben. Die Rotationsstr\u00f6mungen im Zellensafte sollen nur in den Zeilenpflanzen Vorkommen, welche derselbe fr\u00fcher holzlose, gegenw\u00e4rtig aber homorganische Pflanzen nennt; und die Circulation des Milchsaftes komme dagegen bei den Gef\u00e4fspflanzen vor, welche Herr Pr. C. H. Schultz fr\u00fcher Holzpflanzen, gegenw\u00e4rtig aber heteroganische Pflanzen nennt.","page":0},{"file":"a0010.txt","language":"de","ocr_de":"VI\nBei den Gelehrten vom Fache glaube ich nicht mehr n\u00f6thig zu haben diese, von Herrn Prof. C. H. Schultz aufgestellten Ansichten widerlegen zu m\u00fcssen, denn dieselben sind schon durch die Menge von Thatsachen als grundlos beseitigt, welche ich \u00fcber die Bewegung der S\u00e4fte in den Pflanzen im zweiten Bande dieses Buches mitgetheilt habe, und wenn man die Darstellung der Str\u00f6mungen in der einfachen Achlya prolif\u00e9ra betrachtet, welche in Fig. 18. Tab. X. dieses Bandes gegeben ist, so wird man sich von Neuem \u00fcberzeugen, dafs obige Angaben sehr irrth\u00fcmlich sind, denn darnach m\u00fclste jener Fadenpilz zu den vollkommenen Pflanzen gruppirt werden.\nIm Dec. 1838.\nJ. Meyen,","page":0},{"file":"a0011content.txt","language":"de","ocr_de":"Inhalt.\nVierte Abtheilung.\nSeite.\nVon der Fortpflanzung der Gew\u00e4chse..................... 1\nErstes Buch.\nVon der individuellen Fortpflanzung (Propagatio). ...\t4\nErstes Gapitel.\nUeb er die Knospen der h\u00f6heren Gew\u00e4chse................ 5\nD ie Knospen in Form von Knollen....................... 26\nDie Knospen in Form von Zwiebeln....................... 34\nAuftreten der Knospen an den Bl\u00e4ttern der Gew\u00e4chse. .\t.\t43\nZweites Gapitel.\nUeber die Knospen der niederen Gew\u00e4chse..................... 53\nVon den Brutknospen bei den Laub- und Lebermoosen. .\t.\t54\nFortpflanzung der Flechten durch Brutk\u00f6rner................. 5g\nFortpflanzung der Charen durch gemmenartige Gebilde. .\t.\t61\nDrittes Capitel.\nVon den verschiedenen Arten der k\u00fcnstlichen individuellen\nFortpflanzung............................................ g3\nI.\tVermehrung der Gew\u00e4chse durch Schnittlinge oder\nStecklinge.................................... 63\nVermehrung durch eigentliche Schnittlinge,\t.\t.\t65\nVermehrung durch Propfreiser................ 72\nII.\tVermehrung der Gew\u00e4chse durch Oculiren oder\nAeugeln....................................... gO\nIII.\tAllgemeine Betrachtungen \u00fcber die angef\u00fchrte Ver-\nmehrungs-Arten der Gew\u00e4chse durch Knospen.\t.\t85\nZweites Buch.\nVon der geschlechtlichen Fortpflanzung (Generatio). ,\t\u2666\t,\t99","page":0},{"file":"a0012.txt","language":"de","ocr_de":"VIII\nSeite.\nI.\tVon den m\u00e4nnlichen Geschlechts-Organen\nder Pflanzen..................................... 112\nErstes Capitel.\nSjmciellere Untersuchung \u00fcber die Bildung der Anthere und\ndes Pollens...........................,.............. H7\nZweites Capitel.\nUeber\tdie Structur der Pollenk\u00f6rner...................... 137\n1)\tBetrachtung der \u00e4ufseren Membran der Pollenk\u00f6rner\nin Hinsieht ihrer Structur........................ 146\n2)\tBetrachtung der \u00e4ufseren Membran der Pollenk\u00f6rner in Hinsicht der Oeffnungen, durch welche die innere\nSubstanz hinaustreten kann........................ 155\nAnhang............................................ 173\n3)\tUeber das Auftreten der \u00f6lartigen Substanzen auf der\nOberfl\u00e4che der Pollenk\u00f6rner................ .\t174\nDrittes Capitel.\nUeber\tden Inhalt der Pollenk\u00f6rner........................ 178\nViertes Capitel.\nVon den m\u00e4nnlichen Geschlechts - Organen der cryptogami-\nschen Gew\u00e4chse...................*\t.\t............. 196\nII.\tV on den weiblichen Geschlechts-Organen\nderPflanzen...................................... 226\nErstes Capitel.\nEntwickelungs-Geschichte des Pflanzen - Eychen\u2019s von seinem\nersten Auftreten bis zur Befruchtung.................... 249\nZweites Capitel.\nVon den plastischen Vorg\u00e4ngen, welche bei der Befruchtung\nder Pflanzen zu beobachten sind. .\t   272\nDrittes Capitel.\nFernere Ausbildung des Embryo\u2019s und des Eyweifsk\u00f6rper\u2019s. 330\nViertes Capitel.\nVon der Bastardzeugung. .................................. 364\nF\u00fcnftes Capitel.\nVon der Saamenbildung bei den cryptogamischen Gew\u00e4chsen..................\u00bb.............................. 3/5\nVon der Saamenbildung bei denFarrnkr\u00e4utern................ 376","page":0},{"file":"a0013.txt","language":"de","ocr_de":"IX\nSeite.\nVon der Fruchtbildung bei den Laub - und Lebermoosen. .\t381\nFruchtbildung bei den Characeen.......................... 394\nUeber den Bau und die Keimung der Sporen bei den bisher\nbetrachteten Cryptogamen.............................. 396\nF\u00fcnfte Abtlieilung.*\nVon den Bewegungen und der Empfindung der Pflanzen. 473\nErstes Gap i tel.\nVon der t\u00e4glichen Bewegung, welche die Bl\u00e4tter der Pflanzen\nzeigen............................................... 474\nZweites Capitel.\nVon dem Oeffenen und Schliefsen der Bl\u00fcthen............ 493\nDrittes Capitel.\nVon den Bewegungen, welche die Geschlechts - Organe der\nPflanzen behufs der Best\u00e4ubung zeigen. ,\t.\t.\t....\t503\n1.\tBewegung der Staubf\u00e4den zu den Pistillen.............. 505\n2.\tBewegung des Pistilles zu den Staubf\u00e4den.............. 512\n3.\tDie m\u00e4nnlichen und die weiblichen Geschlechts-\nOrgane suchen sich behufs der Best\u00e4ubung gegenseitig auf.................................... 513\nViertes Capitel,\nVon den Bewegungen, welche die Bl\u00e4tter der Pflanzen in\nFolge \u00e4ufserer Reize zeigen.......................\nSpecielle Betrachtung der Bewegungen an der Sinnpflanze\n(Mimosa pudica L.)................................\nVon der Bewegung der Bl\u00e4tter einiger anderer Leguminosen und einiger Oxalideen.\nVon den Bewegungen der Dionaea Muscipula u. s. w. .\t.\n515\n516\n539\n543\nF\u00fcnftes Capitel.\nVon den freiwilligen Bewegungen, welche die Bl\u00e4ttchen einiger Pflanzen zeigen......................................\n552\nSechstes Capitel.\nVon den freiwilligen Bewegungen, welche einige niedere Algen zeigen.......................\n562\nSiebentes Capitel.\nAllgemeine Betrachtungen \u00fcber die Ursache der Bewegungen\nbei den Pflanzen. .\t............................. 55g","page":0},{"file":"a0014.txt","language":"de","ocr_de":"X\nSeite.\nAchtes Capitel.\nVon der Richtung der verschiedenen Pflanzentheile. . .\t.\t579\n1.\tDie Richtung der Wurzel und des Stengels der\nPflanzen......................................... 579\n2.\tD ie Richtung der Bl\u00e4tter........................ 588\n3.\tDas Winden des Stengels und einiger dazu geh\u00f6- 592\nriger Theile.....................................\nErkl\u00e4rung der Abbildungen auf beiliegenden Tafeln. .\t.\t.\t597\nAlphabetisches Sachregister. . c\n619","page":0},{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"Vierte Abtheilung.\nVon der Fortpflanzung der Gew\u00e4chse.\n* Q\nOchon an verschiedenen Stellen der beiden vorhergehenden B\u00e4nde ist es angedeutet worden, dafs man die Individualit\u00e4t der Pflanzen nicht mit derjenigen der Thiere vergleichen \u00bb d\u00fcrfe, vielmehr mufs man die Pflanzen als eine Anh\u00e4ufung von Individuen betrachten, welche zwar ein gemeinschaftliches Leben f\u00fchren, die aber, getrennt aus jener Gemeinschaft, unter gewissen Verh\u00e4ltnissen auch f\u00fcr sich allein fortbestehen k\u00f6nnen. Es giebt nur sehr wenige Pfl\u00e4nzchen, und diese geh\u00f6ren der niedrigsten Stufe des Gew\u00e4chsreiches an, welche so einfach gebauet sind, dafs jedes Individuum aus einer einzelnen Zelle besteht; aber auch diese leben in gr\u00f6fster Zahl gesellig neben einander, oft, wie die Pro-'E tococcus- und Palmella-Arten, mit einem zarten Schleime umh\u00fcllt. Die Substanz dieser einfachen Pfl\u00e4nzchen, obgleich verschiedenartig, meistens sch\u00f6n gr\u00fcn gef\u00e4rbt, ist noch so wenig ausgebildet, dafs sie, wie es die Palmellen sehr h\u00e4ufig zeigen, auf Jodine blau reagirt, also gr\u00f6fstentheils aus Amylum besteht. Bei einer grofsen Keihe von niederen Pflanzen, als bei den Faden-Pilzen, den Conferven, den Ulven und Nostochineen, ist man dagegen schon zu ~ der Ansicht berechtigt, dafs jede Zelle, woraus diese einzelnen Pflanzen gebildet sind, ein f\u00fcr sich bestehendes Individuum darstellt, welches zwar mit anderen gemeinschaftlich neben einander lebt, aber auch f\u00fcr sich allein Nahrung aufnimmt, dieselbe weiter verarbeitet, neue Substanz bildet und sich fortpflanzt. Diese Zusammenh\u00e4ufungen von Zellen,\nMe y en. PH, Physiol. III.\t\\","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\n\u00e4hnlich den Pflanzen der genannten Familien, finden sich nun zwar auch bei allen h\u00f6heren Gew\u00e4chsen, doch bei diesen zeigt sich die Selbstst\u00e4ndigkeit der einzelnen Zellen nicht mehr in einem so hohen Grade; denn sie nehmen zwar einzeln den rohen Nahrungssaft auf, und verarbeiten ihn zur Substanz f\u00fcr die neuen Bildungen, ja sie respiri-ren und bilden, aber keine Spur von Fortpflanzungs-Verm\u00f6gen ist ihnen eigen.\nAber auch diese h\u00f6heren Pflanzen sind Anh\u00e4ufungen von mehr oder weniger vielen kleineren Individuen, denn jede Knospe, welche sich auf der einfachen Pflanze entwickelt, ist der Keim zu einer neuen, der Mutterpflanze \u00e4hnlichen Pflanze, und gleich mit der Ausbildung dieser Knospe zum jungen Triebe findet die Bildung neuer Knospen oder Keime f\u00fcr die k\u00fcnftigen Individuen statt, welche sich, in der folgenden Zeit, auf dem neuen Triebe auf \u00e4hnliche Weise entwickeln, und dabei mit der urspr\u00fcnglich einfachen Pflanze, dem Mutter-Individuum gleichsam, durch Herabsendung von Holzbiindeln, welche man defshalb bildlich f\u00fcr die Wurzelfasern der Knospe erkl\u00e4rt hat, auf eine solche Weise in Verbindung treten, dafs s\u00e4mmtliche Individuen einer solchen hoch entwickelten Pflanze, eines dikotyledonischen Baumes z.B. gemeinschaftlich durch einen und denselben Theil, die Wurzel n\u00e4mlich, ihre rohe Nahrung aufnehmen.\nDie Knospen der Pflanzen, diese Keime k\u00fcnftiger Individuen k\u00f6nnen nach einem gewissen Grade von Ausbildung von der Mutterpflanze getrennt werden, ja in vielen F\u00e4llen, welche wir sp\u00e4ter speciell kennen lernen werden, trennen sie sich von selbst und entwickeln sich zu neuen Pflanzen, wenn man ihnen die passende Nahrung zukommen l\u00e4fst.\nDiese Ansichten von der Individualit\u00e4t der Pflanzen-Knospen sind gewifs schon sehr alt; Caspar Friedrich Wolff, welchen Deutschland stets zu seinen gr\u00f6fsten Forschern z\u00e4hlen wird, nennt in seiner Theorie der Generation die Knospe oder das Auge, stets die einfache Pflanze, und","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Erasmus Darwin*) hat diese Ansicht noch weiter ausgef\u00fchrt; nach ihm ist die Pflanze aus eben so vielen Individuen zusammengesetzt, als dieselbe Knospen entwickelt hat, ja ein Baum ist hiernach als eine Familie oder ein Volk individueller Pflanzen anzusehen, gleich dem Polypen aus dessen Seiten junge Polypen hervorwachsen, oder dem Korallenstamme, in dessen Astzellen ebenso viel Thiere wohnen. So logisch richtig diese Annahme auch ist, so mufs man doch, wie ich glaube, Knospen und entwickelte Individuen, welche aus den Knospen hervorgehen k\u00f6nnen, nicht f\u00fcr gleichbedeutend halten, denn bei vielen Pflanzen gehen Tausende und Tausende von Knospen allj\u00e4hrlich zu Grunde, welche sich daher nie zu eigenen Individuen entwickeln. Will man die h\u00f6her entwickelten Pflanzen in Hinsicht ihrer Individualit\u00e4t mit den Thieren vergleichen, so kann dieses h\u00f6chstens mit den Polypen stattfinden, welche man auch sehr sinnreich Pflanzen-Thiere genannt hat; aber auch bei dieser Vergleichung wird man sehr bald auf wesentliche Verschiedenheiten stofsen, und4 nur fiir gewisse niedere Pflanzen wird diese Vergleichung vollst\u00e4ndig passend erscheinen. Man wird hiebei gewifs erkennen, dafs eine Vergleichung zwischen Thieren lind Pflanzen auch in Hinsicht ihrer Individualit\u00e4t, gar nicht so verwerflich ist, wie dieses wohl zuweilen gelehrt wird; \u00fcberhaupt mufs man diejenigen Naturforscher, welche da glauben, dafs zwischen Pflanzen und Thieren in keiner Hinsicht eine Vergleichung statt finden darf, auf ein tieferes Studium der Organisation jener Gesch\u00f6pfe, durch die ganze Reihe ihrer Formen hindurch, verweisen, denn solche Vergleiche lassen sich ohne specieile Kenntnisse in den verschiedenen Wissenschaften, welche \u00fcber jene Gegenst\u00e4nde handeln nicht anstellen. Ja selbst wenn dergleichen Ansichten nur als Glaubensbekenntnisse angesehen werden sollten, so darf man dieselben nicht so bestimmt\n*) Phytonomie oder philosophische und physische Grunds\u00e4tze des Acker-und Gartenbaues. Aus dem Engl, von Hebenstreit. I. pag. it\n1 *","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nverwerfen, wenn man nicht im Stande ist die Unhaltbarkeit, ja nicht einmal die Unwahrscheinlichkeit derselben nachzuweisen.\nDie Fortpflanzung der Gew\u00e4chse durch Knospen ist zwar nicht so gew\u00f6hnlich, als die durch Saamen, welche in Folge geschlechtlicher Vereinigung ausgebildet werden, aber bei vielen Pflanzen findet sie fast einzig und allein auf jenem Wege statt, man bezeichnet sie mit dem Namen der individuellen Fortpflanzung (Propagatio), und sie besteht in der Entwickelung (Evolutio) von Theilen, welche die Keime zu neuen Individuen enthalten, die durch Selbstbildung, d. i. durch das Wachsthum der Mutterpflanze hervorgegangen sind. Die andere Art der Fortpflanzung k\u00f6nnen wir die geschlechtliche (Generatio) nennen; sie besteht in der Entwickelung von Keimen (Saamen), welche aus der gegenseitigen Einwirkung verschiedener Geschlechts - Organe hervorgehen.\nErstes Buch.\nVon der individuellen Fortpflanzung (Propagatio).\nDie individuelle Fortpflanzung eines Gew\u00e4chses um-fafst jede Art von Vermehrung derselben, die nicht durch wirkliche Saamen ausgef\u00fchrt wird; gew\u00f6hnlich nennt man diejenigen Gebilde, durch welche das Individuum einer Pflanze vermehrt wird: Knospen, Gemmen, Augen u. s. w. Diese Knospen sind in vielen F\u00e4llen so verschiedenartig gestaltet, und zeigen sich auch in ihrer Entwickelung so vielfach verschieden, dafs man ihnen verschiedene Namen beigelegt hat, welche wir in der Folge n\u00e4her kennen lernen werden.\nBei den vollkommeneren Pflanzen wissen wir stets die Fortpflanzung durch Knospen und die durch Saamen sehr bestimmt zu unterscheiden, doch bei einigen niederen\ni","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"5\nPflanzen, wo die Zeugung durch geschlechtliche Differenz noch nicht nachgewiesen ist, wie bei den Oscillatorien, vielen Algen, Pilzen und Flechten, da wird man \u00f6fters in Verlegenheit kommen zu bestimmen, ob eine gewisse Vermehrungs-Art derselben durch Saamen, oder ob sie durch Knospen, oder knospenartige Organe ausgefiihrt wird. Ja\nhier, bei diesen niederen Gew\u00e4chsen, kommt noch eine\n/\nandere, sehr eigent\u00fcmliche Vermehrungs-Art in Betrachtung, welche den h\u00f6her entwickelten Gesch\u00f6pfen durchaus g\u00e4nzlich abgeht, n\u00e4mlich die Vermehrung durch blofse Theilung, wie sie auch bei den niedrigsten Thieren, den Infusorien n\u00e4mlich, beobachtet wird. Die Vermehrung der h\u00f6heren Pflanzen durch Stecklinge oder Schnittlinge ist in keiner Hinsicht mit jener Fortpflanzung der niederen Gew\u00e4chse durch Theilung zu vergleichen, denn bei jener sind es immer die Knospen, welche das Individuum fortpflanzen, m\u00f6gen die Schnittlinge mit entwickelten Knospen eingesetzt werden, oder m\u00f6gen sich die Knospen an denselben erst durch \u00e4ufsere g\u00fcnstige Verh\u00e4ltnisse entwickeln.\nDie specielle Betrachtung der individuellen Fortpflanzung beginne ich mit den am h\u00f6chsten entwickelten Gew\u00e4chsen, und komme dann zu den niederen und zu den einfachsten; es scheint mir wenigstens, dafs dieser Weg dem entgegengesetzten, auf welchem man mit den einfachsten Gew\u00e4chsen anf\u00e4ngt, deren Vermehrung oft auf verschiedene Weise gedeutet werden kann, vorzuziehen sein m\u00f6chte.\nErstes Capitel.\nlieber die Knospen der h\u00f6heren Gew\u00e4chse,\nDa die individuelle Vermehrung der h\u00f6heren Gew\u00e4chse durch Knospen vermittelt wird, so werden unsere Untersuchungen mit der Betrachtung der Knospen dieser Gew\u00e4chse","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\n\nam zweckm\u00e4fsigsten beginnen m\u00fcssen. Aus den bisherigen Beobachtungen der Gew\u00e4chse geht hervor, dafs sich Knospen fast an allen Theilen derselben entwickeln k\u00f6nnen, ja bei den Gattungen Lemna, Riccia und Chara hat man bemerkt, dafs sich Knospen selbst in den Wurzelzasern lind in den Wurzelhaaren entwickeln, doch diese Knospen sind in Hinsicht ihrer Form, ihrer Structur und ihrer Entstehung sehr verschieden von den gew\u00f6hnlichen der h\u00f6heren Pflanzen.\nDie Knospen der h\u00f6heren Pflanzen zeigen ein Achsengebilde, welches eine unmittelbare Fortsetzung der Achse der Mutterpflanze ist; mag diese Knospenachse noch so kurz sein, so ist sie doch mit einer gewissen Anzahl von blattartigen Gebilden versehen, welche sie umfassen wie die Bl\u00e4tter den ausgebildeten Stengel, und unter dem Namen der Knospen-Schupp en, Knospen-Bl\u00e4ttchen, H\u00fcllbl\u00e4ttchen u. s. w. bekannt sind. Aber der wichtigste Theil in jeder Knospe ist derjenige, aus welchem die Entwickelung des Sch\u00f6fslinges hervorgeht, er ist in den Knospen verschiedener Pflanzen von verschiedener Gr\u00f6fse und verschiedener Form, besteht aber immer aus einem sehr zarten und kleinmaschigen Zellengewebe, \u00e4hnlich dem Kerne (Nucleus) in dem unbefruchteten Eychen der Pflanzen, in welchem sich der Embryo der h\u00f6heren Gew\u00e4chse bildet. Dieser Theil ist die Spitze der Knospen-?ichse, es ist der wahre Keim in der Knospe, der niemals fehlt, aber zuweilen nackt, meistens jedoch mit mehr oder weniger zahlreichen H\u00fcllen, den Knospen-Bl\u00e4ttchen, umkleidet auftritt; ich nenne ihn den Kern der Knospe, womit ich zugleich andeuten will, dafs die Entstehung des Kernes der Knospen und die des Kernes der Saamen auf \u00e4hnliche Weise vor sich geht. Diese Kerne sind oberfl\u00e4chliche Bildungen, bestehend in einem Aggregate von Zellen, welche nach den jeder Art determinirten Bildungsgesetzen an gewissen Stellen auftreten, und bei fortschreitender Ausbildung mehr oder weniger Zeichen von Selbstst\u00e4ndigkeit geben. Der Kern der Knospe entwickelt sich","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"7\nbei fortgesetzter Ern\u00e4hrung zum neuen Triebe, welcher das neue Individuum darstellt; der Kern des Saamens bedarf aber erst einer geschlechtlichen Vermischung, um in seinem Inneren den Embryo, den eigentlichen Kern des Saamens zu erzeugen, wor\u00fcber wir in der Folge n\u00e4heren Aufschlufs erhalten werden. Bei einigen Pflanzen, ich nenne als Beispiel nur die Gattung Poa unter den Gr\u00e4sern, w\u00e4chst aber auch der Kern des unbefruchteten Eychen\u2019s, bei unterdr\u00fcckter Befruchtung, in ein neues, wenn auch sehr unvollkommenes Individuum aus, und man pflegt dergleichen Gew\u00e4chse, freilich mit Unrecht, lebendig geb\u00e4rende zu nennen. In der Folge werde ich auch noch andere Beispiele, von einem selbstst\u00e4ndigen Fortwachsen des Nucleus des Eychen\u2019s, bei langsam vor sich gehender Befruchtung, anzuf\u00fchren Gelegenheit haben.\nSchon h\u00e4ufig hat man die Knospen mit den Saamen in Vergleich gestellt, aber in neueren Zeiten haben, besonders franz\u00f6sische Botaniker, hierin mehr zu erkl\u00e4ren gesucht, als die wirkliche Beobachtung der Natur gestattet. Die Knospen nannte Herr Turpin fixe Embryonen, im Gegens\u00e4tze zu den Saamen, welche nach der Reife abfallen; der Vergleich w\u00e4re ganz passend, wenn wir auch wissen, dafs sich die Knospen vieler Pflanzen nach vollkommener Ausbildung von der Mutterpflanze abl\u00f6sen, und dagegen die Saamen mancher Pflanzen auf der Mutterpflanze sitzen bleiben und zu neuen Individuen auswachsen; aber wir haben schon vorhin gesehen, dafs die Knospe mit dem unbefruchteten Eychen zu vergleichen ist, welches noch keinen Embryo hat; ja die unbefruchteten Eychen sind nichts Anderes, als Knospen, und die Eyhiillen sind mit den Knospenbl\u00e4ttchen, den Kernh\u00fcllen der Knospen zu vergleichen. Unrichtig ist es aber, wenn man mit Herrn Turpin die Knospenbl\u00e4tter mit den Cotyledonen des Embryo\u2019s vergleicht.\nHerr De Candolle versteht unter Knospe die ganze\n*) Organograpliie v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 211.","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nAnh\u00e4ufung von Schuppen oder H\u00e4uten, welche den jungen Trieb in seiner Jugend umgeben; dieser Begriff von der Knospe ist aber wesentlich verschieden von denjenigen der \u00fcbrigen Botaniker. Die beste und passendste Definition \\on Knospe hat wohl M\u00f6nch*) gegeben; er versteht darunter diejenigen Theile der Pflanzen, durch welche sie * auch ohne vorhergegangene Befruchtung vermehrt werden, die sich meistens auf der Aufsenseite der Pflanze, bei einigen auch unter der Erde vorfinden, deren Gestalt \u00fcbrigens beschaffen sein mag, wie sie will. C. F. Wolff, der die Knospe oder das Auge der Pflanze, als die einfache Pflanze betrachtete, meint, dafs sich dieselbe von der Pflanze blofs dadurch unterscheide, dafs ihr Stamm noch sehr kurz, gleichsam zusammen gezogen ist, und folglich die Bl\u00e4tter \u00a7 auf solche Art zusammen geschoben sind, dafs immer die oberen von den unteren eingeschlossen und umgeben werden. Herr Meyer **) versteht dagegen unter einer Knospe im Allgemeinen die, schon \u00e4ufserlich sichtbar gewordene Anlage eines oder mehrerer Pflanzenglieder derselben Reihe, was aber ebenfalls viel zu beschr\u00e4nkt zu sein scheint, denn man sieht nur zu oft, dafs mit diesen Anlagen schon wieder die jungen Knospen fiir das k\u00fcnftige Jahr in ihrer * ersten Anlage erscheinen.\nEhe wir \u00fcber den Bau und den Zusammenhang der Knospen mit ihrer Mutterpflanze sprechen, m\u00fcssen wir auf die wesentlichsten Verschiedenheiten aufmerksam ma- 8 chen, welche die Knospen in Hinsicht ihres Vorkommens bei verschiedenen Gew\u00e4chsen zeigen. Am h\u00e4ufigsten treten die Knospen der h\u00f6heren Gew\u00e4chse in den Achseln der Bl\u00e4tter auf, wo sie entweder genau in der Mitte sitzen 4 oder auch, wie bei Taxus, bei der Raute u. s. w. mehr oder weniger seitlich verschoben sind. Dieses Auftreten der Knospen ist so allgemein, dafs ein Beobachter wie Caspar Friedrich Wolff glaubte sagen zu k\u00f6nnen***):\n*) Einleitung in die Pflanzenkunde, pag. 67.\n**) Die Metamorphose der Pflanze etc. \u2014 Linnaea VII. pag. 435.\n***) S. dessen Theorie der Generation. Berlin 1764. pag. 194.","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"9\nEin Blatt kann nicht anders entstehen, als es mufs zugleich eine vollst\u00e4ndige einfache Pflanze, d. i. eine Knospe entstehen, denn ein Blatt w\u00e4re nach seiner Ansicht nur eine Folge von dem ersten Anf\u00e4nge einer einfachen Pflanze. Das h\u00e4ufige Auftreten von Knospen ohne besondere Bl\u00e4tter, aber besonders die anatomische Untersuchung \u00fcber den Abgang der Spiralr\u00f6hren zu den Knospen und den dazu geh\u00f6rigen Bl\u00e4ttern zeigt jedoch ganz deutlich, dafs jene Ansicht WolfFs unhaltbar ist.\nMan nennt die Knospen, welche in den Achseln der Bl\u00e4tter entstehen, achselst\u00e4ndige oder axillare Knospen auch Seitenknospen, im Gegens\u00e4tze zu denjenigen, welche am Ende eines Stengels, das ist eines Achsengebildes stehen und endst\u00e4ndige, terminale oder auch Gipfel-Knospen genannt werden. Zuweilen treten die axillaren und die terminalen Knospen neben einander auf, und dann ist es leicht die Bedeutung derselben in physiologischer Hinsicht aufzufassen, was unsere Esche (Fraxinus excelsior) so besonders sch\u00f6n zeigt. Man sagt zwar, dafs die terminale Knospe den neuen Trieb beendet, w\u00e4hrend die axillaren Knospen den Anfang zum neuen Triebe enthalten, doch dieses ist offenbar willk\u00fcrlich, denn man kann ebenso wohl sagen, dafs bei den Pflanzen mit Terminalknospen aus der \u00e4ufsersten Spitze des ausgebildeten jungen Triebes eine neue Knospe, n\u00e4mlich der Keim zur k\u00fcnftigen Verl\u00e4ngerung der Hauptachse gebildet werde, wie durch das Auftreten der Axillarknospen die Keime zu k\u00fcnftigen Trieben, welche sich seitlich aus der Achse der Pflanze entwickeln, gegeben werden.\nBei der Esche kommen die terminalen Knospen gr\u00f6fs-tentheils mit den axillaren Knospen zu gleicher Zeit zur Entwickelung, sehr h\u00e4ufig, und besonders findet dieses an den unteren Aesten statt, kommen jedoch nur die terminalen Knospen zur Entwickelung und die axillaren bleiben entweder bis zum k\u00fcnftigen Jahre zur\u00fcck, oder sie treiben zwar in eben demselben Sommer, aber mehrere Wochen, ja selbst Monate lang sp\u00e4ter. Das Auftreten der termF","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nlialen Knospen mit axillaren zu den Seiten, findet man \u00fcberhaupt bei Dicotyledonen mit opponirenden Bl\u00e4ttern, wie es unsere bekannten Rofskastanien und die Ahorne so deutlich zeigen, doch in diesen beiden F\u00e4llen kommen an den Spitzen des Stammes und der A este nur die eigentlichen Gipfelknospen zur Entwickelung, welche den Stamm um eine Reihe von Internodien verl\u00e4ngern, welche fiir die Art sehr bestimmt ist. Die axillaren Knospen hingegen, welche der Gipfelknospe ebenso zur Seite standen, wie bei der Esche, kommen bei der Rofskastanie und dem Ahorne nicht zur Entwickelung, sondern sie schlagen fehl, so wie auch alle die kleinen Knospen, welche in den Achseln der H\u00fcllbl\u00e4tter der Gipfelknospen enthalten waren. In anderen F\u00e4llen kommt die Gipfelknospe nicht zur Entfaltung, und es treiben nur die beiden Axillarknospen, wodurch eine gabelf\u00f6rmige Vertheilung der Aeste erfolgt; oder auch die Gipfelknospe ist eine blofse Bl\u00fcthenknospe, w\u00e4hrend die Axillarknospen, als sogenannte Holzknospen, welche blofs Stengel und Bl\u00e4tter enthalten, dadurch ebenfalls eine gabelf\u00f6rmige Vertheilung der Aeste hervorbringen, wie wir es bei unserem spanischen Flieder (Syringa) sehen; oder es ist hier die Gipfelknospe ganz fehlgeschlagen, indem schon in der vorhergehenden Knospe die obersten Bl\u00e4ttchen zur\u00fcckblieben und abfielen, daher auch die daran sitzenden Knospen verschwanden. In einer Abhandlung des Herrn Vaucher*) findet man \u00fcber diesen Gegenstand eine sehr grofse Reihe von Beobachtungen, welche noch sehr leicht zu vermehren sind; auch hat k\u00fcrzlich Herr Ohlert **) eine sehr lesenswerthe Arbeit dar\u00fcber mitgetheilt, welche zwar gr\u00f6fstentheils von morphologischem Interesse ist, doch hebe ich folgende Resultate aus diesen Untersuchungen hervor: So fand Herr Ohlert,\n*) Sur la s\u00e8ve d\u2019Ao\u00fbt et sur les divers modes de d\u00e9veloppement des arbres. \u2014 M\u00e9m. de Soc. de Phys, et d\u2019Hist. nat. de Gen\u00e8ve. I. pag. 299.\n**) Einige Bemerkungen \u00fcber die Knospen unserer B\u00e4ume und Str\u00e4ucher. \u2014 Linnaea von 1837. pag. 632\u2014640.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"11\ndafs in den Knospen einiger B\u00e4ume und Str\u00e4ucher schon mehr Bl\u00e4tter vorgebildet sind, als zur Entwickelung kommen sollten, worauf denn die Bl\u00e4ttchen an der Spitze des Zweiges vertrockenen und nach einiger Zeit abfallen, wie z. B. bei der Syringa, weshalb denn auch hier keine Gipfelknospen entstehen. In anderen F\u00e4llen sind in der jungen Knospe weniger Bl\u00e4ttchen, als der junge Zweig Glieder entwickelt, wie bei Ulmus campestris, Tilia europaea, wo dann ebenfalls keine. Endknospen zur Entwickelung kommen, sondern die, zun\u00e4chst der Spitze stehende Axillarknospe zur scheinbaren Gipfelknospe wird. In noch anderen F\u00e4l-r len, wo in der jungen Knospe weniger Bl\u00e4ttchen Vorkommen, als der junge Zweig Glieder entwickelt, da werden auch Gipfelknospen ausgebildet, wie z. B. bei Fraxinus, _ Acer, Cornus, Quercus u. s. w. Bei noch anderen B\u00e4umen t und Str\u00e4uchern enthalten die Knospen schon ebenso viele Bl\u00e4ttchen oder Blattpaare, als der k\u00fcnftige Sch\u00f6fsling Glieder entwickelt.\nUeber den Zusammenhang der Axillarknospen mit der Achse oder dem Stamme der Pflanze haben wir durch Hill * *) und Herrn v. Mirbel **) sehr vollst\u00e4ndige Untersuchungen erhalten, und ganz vortrefflich ist dieser Gegenstand von Herrn Treviranus ***) abgehandelt. Bei der e Untersuchung junger Triebe in Hinsicht ihrer Verbindung mit j\u00e4hrigen Sch\u00f6fslingen, zeigt es sich sehr deutlich, dafs nicht nur das Mark aus dem \u00e4lteren Triebe unmittelbar in den j\u00fcngeren \u00fcbergeht, sondern auch, dafs die Spiralr\u00f6hren, welche dem Marke zun\u00e4chst stehen, also die sogenannte Markscheide bilden, jenen Markauswuchs in den jungen Trieb hinein unmittelbar begleiten. Untersucht man aber diesen Gegenstand in viel fr\u00fcheren Zeitr\u00e4umen, so ~ wird man sich sehr bald \u00fcberzeugen, dafs die Spiralr\u00f6hren, welche den Markauswuchs unmittelbar begleiten, nicht etwa\n\u00a5J The Construction of Timber etc. 1770. pag. 100 etc. PI. l(j.\n**) Elcm de Physiologie v\u00e9vct. et de Botanique. Paris 1815. I -\tp a g. 125.\n*\u00a5\u00a5) Physiologie der Gew\u00e4chse. I. pag. 258.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\ndurch einen Auswuchs des Markes mechanisch seitw\u00e4rts : hervorgetrieben sind, wie es sich eigentlich Hill dachte, sondern man wird sehen k\u00f6nnen, dafs diese Ausw\u00fcchse des Markes, welches die ersten Keime zu den Seitenachsen sind, schon fr\u00fcher auftreten, als die Ausbildung der Mark- -scheide geschieht, und hier ist es eben, wo man die Bedeutung des Markes erkennt, von welchem alle Bildungen der Pflanzen mittelbar oder unmittelbar ausgehen. Das Mark, aus einem zarth\u00e4utigen Parenchyme bestehend, bildet die eigentliche Achse der Pflanze, deren unmittelbare Forts\u00e4tze die Kerne der axillaren und terminalen Knospen sind; alle \u00fcbrigen Stamm- und Stengel-Knospen gehen mittelbar aus dem Marke, n\u00e4mlich aus den Markstrahlen der \u00e4ufseren Holzschichten hervor, und wie es die Beobachtungen gegenw\u00e4rtig vielfach gelehrt haben, so k\u00f6nnen fast aus allen Theilen der \u2019Pflanze, wo sich ein \u00e4hnliches parenchymatisches Zellengewebe befindet, wie jenes im Marke, neue Knospen hervorgebildet werden, wor\u00fcber sp\u00e4ter ausf\u00fchrlich die Rede sein wird.\nBei der Entwickelung einer jeden jungen Pflanze aus der ersten Knospe, der Plumula, oder auch bei der Entwickelung des jungen Triebes aus einer gew\u00f6hnlichen Knospe, * werden stets mit dem Hervorsprossen der jungen Bl\u00e4ttchen auch schon die ersten Anlagen, d. s. die Knospenkerne zu den Trieben f\u00fcr die n\u00e4chste Vegetationsperiode gebildet, und dieses gleichm\u00e4fsige Auftreten der Seitenachsen mit 1 der Hauptachse ist die Ursache des regelm\u00e4fsigen Verlaufes der Spiralr\u00f6hren in dem Umfange der zur Seitenachse ausgehenden Markmasse. Bei ausgebildeten Terminalknospen, wie z. B. bei der Rofskastanie (Aesculus Hippocasta- 4 iium L.) und der Esche (Fraxinus excelsior L.), ist diese Verbindung der Knospen mit dem Marke besonders sch\u00f6n zu sehen.\nWenn man den jungen Trieb einer Rofskastanie mit seiner Terminalknospe etwa gegen den Anfang des Juni (zu Berlin n\u00e4mlich), der L\u00e4nge nach mitten durchspaltet und durch geh\u00f6rige Vergr\u00f6fserungen betrachtet, so wird","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"13\nman Folgendes wahrnehmen. Der junge Holzring, so weit sich derselbe bis in die N\u00e4he der Terminalknospe erstreckt, besteht noch aus den sch\u00f6nsten einfachen Spiralr\u00f6hren, welche, mit einigen sehr zarten, l\u00e4nglichen Zellen untermischt, die k\u00fcnftige Markscheide bilden. Die Spiralr\u00f6hren in der jungen Markscheide h\u00f6ren pl\u00f6tzlich auf; ihre Enden , sind von demselben Umfange, als diese Spiralr\u00f6hren in bedeutenderen Entfernungen von dem Ende des Triebes zeigen. Auffallend erscheint sogleich die becherf\u00f6rmige Erweiterung der cylindrischen Markscheide kurz vor ihrem Aufh\u00f6ren, \u2022 wodurch die Markmasse, welche dies \u00e4ufserste Ende der Markscheide erf\u00fcllt, jedesmal bedeutend umfangreicher ist, als in den tieferen St\u00e4nden derselben. Sp\u00e4ter verschwindet diese becherf\u00f6rmige Erweiterung der Markscheide mit der II weiteren'Ausbildung der Knospe, denn zur Winterzeit biL det das Ende der zum ersten Holzringe erh\u00e4rteten Markscheide einen ziemlich regelm\u00e4fsigen Cylinder, dessen oberer Rand sich nach Aufsen zu abstutzt. Auf dem L\u00e4ngen-Durchschnitte jenes jungen Triebes der Rofskastanie wird zun\u00e4chst die eigenthiimliche Farbe des Markes auffallen, welche demselben in dem erweiterten Theile der Markscheide und dar\u00fcber hinaus eigen ist; das \u00e4ltere Mark, welches den ganzen \u00fcbrigen Theil der Markscheide des P jungen Triebes ausf\u00fcllt, erscheint ziemlich ungef\u00e4rbt, fast wasserhell, und besteht aus grofsen und ziemlich straffen Parenchym-Zellen ohne alle K\u00fcgelchen. Diese ungef\u00e4rbte Markmasse endet einige Linien von dem offenen Ende der ' Markscheide oder dem k\u00fcnftigen ersten Holzringe, mit einer convexen Oberfl\u00e4che, und unmittelbar dar\u00fcber beginnt die erweiterte Markmasse mit einer entsprechenden concaven Fl\u00e4che, welche sich durch eine hellgr\u00fcnliche ~ F\u00e4rbung auszeichnet, die durch den Inhalt der Zellen dieses Markes verursacht wird. In Pflanzen, welche reich an Gerbs\u00e4ure sind, wird diese Markmasse, sobald sie einige -Zeit hindurch der Luft ausgesetzt ist, braungelblich gef\u00e4rbt, und in den alten und mehrj\u00e4hrigen Aesten der Rofskastanie f\u00e4llt dieser Theil des Markes, welcher stets diejenige Stelle","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nder Markscheide ausf\u00fcllt, wo fr\u00fcher die Terminalknospen gebildet wurden, auf dem L\u00e4ngendurchschnitte ganz besonders in die Augen, sie zeigt meistens die L\u00e4nge von bis 2 Linien und dar\u00fcber, ist sowohl auf ihrem unteren, als auf ihrem oberen Ende mit einer concaven Fl\u00e4che versehen, welche durch die starke, gelbbraune F\u00e4rbung des Ganzen so h\u00f6chst auffallend von dem angrenzenden ungef\u00e4rbten Marke abstechen.\nDurch diese eigenth\u00fcmliche F\u00e4rbung des Markes an den Enden eines jeden j\u00e4hrigen Sch\u00f6fslinges der Rofska-stanie und vieler anderer Pflanzen kam Medicus zu der Ansicht \u00fcber die Scheidew\u00e4nde in der Markh\u00f6hle, wor\u00fcber er in seinen verschiedenen Schriften die Botaniker bis zum h\u00f6chsten Grade gelangweilt hat; durch seine Scheu gegen die Mikroskope, kam derselbe nicht einmal zu der Erkenntnifs der Structur dieser Scheidew\u00e4nde, denn er glaubte, dafs sie aus Holzfasern zusammengesetzt w\u00e4ren. Das Vorkommen solcher besonderen Scheidew\u00e4nde in dem Marke, wodurch dasselbe vielfach in seinem Zusammenh\u00e4nge unterbrochen w\u00fcrde, sollte die hohe Wichtigkeit, welche Linn\u00e9 dem Marke der Pflanzen beigelegt hatte, herabsetzen. Durch oberfl\u00e4chliche Untersuchungen kam Medicus zu dem irrigen Resultate, nach welchem er das Mark nur zur Niederlage von Feuchtigkeit bestimmt glaubte, damit diese im erforderlichen Falle, als Aush\u00fclfe abgeliefert werden k\u00f6nnte; jene Scheidew\u00e4nde aber, von welchen vorhin die Rede war, w\u00e4ren nur bestimmt um den Ausflufs der b euchtigkeit nach der Krone des Baumes zu verhindern oder ganz zu verwehren, und das Verschwinden des Markes, welches in einigen B\u00e4umen nach sp\u00e4teren Jahren stattfindet, werde dadurch erkl\u00e4rt, dafs die vielen Jahres--ringe des Holzk\u00f6rpers eben denselben Nutzen leisteten! Indessen sobald man die Structur jener Scheidew\u00e4nde\n*) Acta Theodoro - Palat. Tom. VI. phys. pag. 446 \u2014 456. \u2014 Beitr\u00e4ge zur Pflanzen-Anatomie, Pflanzen-Physiologie u. s. \\v. F\u00fcnftes ' Heft. 1800. pag. 365. u. s. w. \u2014 Pflanzen-physiologische Abhandlungen. I. Leipzig 1803. pag. 56. u. s. w.","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"15\ndes Markes gleich bei ihrer ersten Bildung beobachtet, so wird man sehr bald das Irrige jener Ansichten von Medicus einsehen; schon lange vor ihm war der Zusammenhang des-Markes der Aeste mit dem Marke des Stammes nachgewiesen, welcher ihm entging. In Acer tartaricum und in den Weiden sah auch Medicus diesen Zusammenhang des Markes zwischen Stamm und Aesten, aber er glaubte sich selbst nicht.\nWir kommen wieder zur\u00fcck zu der ferneren Betrachtung der L\u00e4ngendurchschnitte des jungen Triebes der Rofs-kastanie mit seiner Terminalknospe. Die gr\u00fcnlich gef\u00e4rbte Markmasse, welche das Ende der becherf\u00f6rmig erweiterten Markr\u00f6hre erf\u00fcllt, ist nach der Ueppigkeit des Jahrestriebes in Hinsicht der Gr\u00f6fse etwas verschieden, und ragt bald mehr bald weniger tief in die Markscheide hinab, ja zuweilen setzt sich die gr\u00fcnliche F\u00e4rbung der unteren hervorspringenden R\u00e4nder auf die innere Fl\u00e4che der Markscheide weiter fort, ja oftmals, wie z. B. bei der Esche, was auch schon Medicus bemerkt hat, bis zur n\u00e4chsten Markscheidewand. Das Mikroskop zeigt, dafs die Ursache jener gr\u00fcnlichen F\u00e4rbung, welche in diesem letzteren Falle der \u00e4ufserste Umfang des Markes zeigt, durch gr\u00fcnlich gef\u00e4rbte Amylum-Kiigelchen verursacht wird, die in den Zellen des Umfanges des Markes abgelagert sind. In solchen Gew\u00e4chsen, wie bei dem Weinstocke, wo in dem Holzk\u00f6rper des Stengels eine verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig sehr grofse Menge von Amylum abgelagert ist, da pflegt auch das Mark im ersten Jahre ganz und gar mit Amylum erf\u00fcllt zu sein, welches durch einen Anflug von Chlorophyll eine gr\u00fcnliche F\u00e4rbung erh\u00e4lt und dadurch die ganze Markmasse f\u00e4rbt. Diese Farbe des Markes verschwindet wieder, sobald das Amylum aufgel\u00f6st und fortgef\u00fchrt ist.\nUeber die Oeffnung der Markscheide am Ende des Triebes, ragt diese gr\u00fcnliche Markmasse in Form eines regelm\u00e4fsig abgerundeten H\u00fcgels hervor, und diese Form \u00e4ndert sich bei der Rofskastanie, wie bei den anderen Pflanzen mit Terminalknospen, nach der Zeit der Vegetation.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nIm Anf\u00e4nge des Juni betr\u00e4gt die H\u00f6henaclise dieses, die Knospe tragenden Markh\u00fcgels etwa f seines Breiten-Durchmessers; die \u00e4ufsere Bekleidung desselben besteht in einem kleinmaschigen br\u00e4unlichen Zellengewebe, woraus die sp\u00e4tere Rinde des k\u00fcnftigen Sch\u00f6fslinges hervorgeht, und sich unmittelbar in den \u00e4ufseren Zelienschichten der einzelnen Bl\u00e4ttchen fortsetzt, welche die \u00bbSchuppen oder Hiillblattchen der Terminalknospe bilden. Auf der h\u00f6chsten Spitze jenes H\u00fcgels, in der Mitte aller Knospenbl\u00e4ttchen, befindet sich der Knospenkern; es ist eine kleine, l\u00e4nglichte, an der Spitze abgerundete Hervorragung, welche aus einem ganz weichen, noch unausgebildeten Zellengewebe von gr\u00fcnlich weifser Farbe besteht, und unmittelbar als eine Fortsetzung des Markh\u00fcgels erscheint. Von der ' Basis dieses Knospenkernes erstreckt sich, dicht unter der Rindensubstanz, \u00fcber die ganze Oberfl\u00e4che des Markh\u00fcgels eine d\u00fcnne, \u00e4ufserst zarte und durchsichtige Zellenschicht; die Membranen dieser, etwas l\u00e4nglichen Parenchym-Zellen sind \u00e4ufserst fein und ganz ungef\u00e4rbt, und der Inhalt dieser Zellen scheint in einem gel\u00f6sten Gummi zu bestehen. Diese weifse Zellenschicht scheint an der Basis des Knospenkernes mit dem zarten Markgewebe innig verschmolzen zu sein \u00ee und ferner mit dem Inneren eines jeden Bl\u00e4ttchens der Knospe in unmittelbarer Verbindung zu stehen; so erstreckt sie sich \u00fcber den ganzen Markh\u00fcgel, und geht in das zarte Zellengewebe \u00fcber, welches sich \u00e4ufserlich \u00fcber \u00ab die Spiralr\u00f6hrenschicht der noch unverholzten Markscheide hinzieht und k\u00fcnftig unmittelbar in die Substanz der Bastschicht umgewandelt wird. Die Zellen sind prismatisch, meistens 4-, 5- oder 6seitig, sie stehen mit ihren Enden genau \u00fcber einander, und nach Resorbtion ihrer Scheidew\u00e4nde wandeln sie sich in die einzelnen langen Bastr\u00f6hren um; diese Verwachsungen geschehen aber so innig, dafs man ihre Vereinigung bis jetzt noch nicht an ausgebildeten Bastr\u00f6hren bemerkt hat. Die durch Verwachsung der kleineren Zellen entstandene R\u00f6hre, bildet die erste oder urspr\u00fcngliche Schicht der sp\u00e4teren Bastr\u00f6hre, deren Ver-","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"17\ndickung dann durch Anlagerung neuer Schichten geschieht, in welchen man h\u00e4ufig die spirale Structur so \u00fcberaus deutlich wahrnehmen kann. Ich ward zur genauem Untersuchung dieses Gegenstandes durch die kleine Entdeckung geleitet, welche Herr Professor Mitscherlich und ich im vergangenen Winter an der Flachsfaser zu machen Gele-t genheit hatten. Es zeigte sich n\u00e4mlich die auffallende Erscheinung, dafs die gereinigten Flachsfasern, so wie auch alte Leinen, wenn sie in Salzs\u00e4ure gekocht wurden, mehr oder weniger pl\u00f6tzlich in sehr kleine gl\u00e4nzende Theil-\\% chen zerfielen, welche sich in der Fl\u00fcssigkeit bald zu Boden setzten. Die mikroskopische Untersuchung zeigte, dafs diese Theilchen ziemlich von gleicher L\u00e4nge waren, und durch ein sehr regelm\u00e4fsiges Zerfallen der Flachsfaser II gebildet, so dafs jedes Theilchen in einem kleinen Ende der cylindrischen oder prismatischen R\u00f6hre der Flachsfasel bestand. Zuweilen waren einzelne St\u00fccke bedeutend l\u00e4nger, dann aber konnte man mehr oder weniger deutlich sehen, dafs auch diese noch aus mehreren kleinen zusammengesetzt waren, welche den vorigen in der L\u00e4nge glichen u. s. w. *).\nBei der darauf folgenden Entwickelung der Knospe ^ zum neuen Triebe, bemerkt man eine stete Vergr\u00f6fserung des Markh\u00fcgels an seiner Spitze, wodurch sich die L\u00e4ngenachse desselben vergr\u00f6fsert, den Kern mit seinen ersten Blattanf\u00e4ngen, gleichsam aus den Knospen-Bl\u00e4ttern hinausschiebt, und auf diese Weise das Mark des neuen Sch\u00f6fslinges bildet. Mit diesem Auswachsen der Markmasse ist zugleich eine Zusammenziehung oder Verkleinerung der Basis des Markh\u00fcgels und die Verl\u00e4ngerung der 4 Spiralr\u00f6hren mit den dazu geh\u00f6rigen Holzzellen, welche die Markscheide bilden, begleitet. Die dem Marke zun\u00e4chst liegenden Spiralr\u00f6hren sind einfache, oft dicht, oft weitl\u00e4ufig gewundene und mit der zarten Spiralr\u00f6hren-Membran umgebene Gef\u00e4fse, welche nur Saft und nicht Luft f\u00fchren;\n*) S. Wiegmann\u2019s Archiv f\u00fcr Naturgeschichte. 1838. I. pag. 297.\n31 eyeii, Pfl, Physiol. Iii,\t2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\ndie darauf folgenden sind jedocli mehr oder weniger ausgebildete, gestreifte oder get\u00fcpfelte,' meistens sehr kurz gegliederte R\u00f6hren mit sehr feinen T\u00fcpfeln besetzt. In Folge meiner Untersuchungen, m\u00f6chte ich mit aller Bestimmtheit aussprechen, dafs sich die Enden dieser Spiralr\u00f6hren der Markscheide des alten Triebes in die Spiralr\u00f6hren der Markscheide des neuen Triebes unmittelbar fortsetzen, ja ich habe nicht einmal wahrnehmen k\u00f6nnen, dafs diese Spiralr\u00f6hren des alten und des neuen Triebes etwa durch -eine Gliederung getrennt sind. Es ergiebt sich hieraus ein ununterbrochener Zusammenhang der Spiralr\u00f6hren der Markscheide, von dem ersten Knoten des Embryo bis zu den Spitzen der \u00e4ufsersten Aeste eines jeden Laubholzes, und es werden hiedurch wiederum mehrere Erscheinungen erkl\u00e4rlich, welche nur durch ein schnelleres Steigen des Saftes in diesen zusammenh\u00e4ngenden Spiralr\u00f6hren der Markscheide eintreten k\u00f6nnen. Als z. B. das fr\u00fchere Ausschlagen der Knospen an den Spitzen der Laubb\u00e4ume, und das schnellere und \u00fcppigere Wachsen dieser \u00e4ufsersten Aeste, welche alle durch Terminal- und Axillarknospen entstanden sind, und jene zusammenh\u00e4ngenden Spiralr\u00f6hren der j Markscheide haben, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen Knospen, welche \u2019 aus den Markstrahlen hervorgehen, nicht in unmittelbarem Zusammenh\u00e4nge mit der Markscheide des Stammes und dessen Aesten stehen. Vieles mag hiebei allerdings auch durch die st\u00e4rkere Verdunstung derjenigen Theile bewirkt1 werden, wo die gr\u00f6fsten Massen der zartesten noch weniger erh\u00e4rteten und verdickten Pflanzen-Substanz Vorkommen; nach solchen Stellen kann der rohe Nahrungssaft in so grofser Masse hingezogen werden, dafs andere daneben stehende Aeste, besonders die, welche aus Adventivknospen entstanden sind, mehr \u00f6der weniger zur\u00fcckgehalten werden, ja oft ganz verhungern. So sieht man nicht selten an alten Rofskastanien-B\u00e4umen, dafs kleine Zweige der untersten Aeste oft 5, 6 und 8 Jahre alt sind, aber erst die L\u00e4nge von 4 oder 5 Zoll erreicht haben; auf dem L\u00e4ngendurchschnitte giebt dann die Zahl der braunen Mark-","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"19\nScheidew\u00e4nde die Z\u00e4hl der Jahre des Astes an, welche man auch schon auf der Oberfl\u00e4che durch die Narben der abgefallenen Knospen-Schuppen z\u00e4hlen kann. Die eigent\u00fcmliche Stellung der Knospen bei einer grofsen Anzahl von Coniferen, von welcher dann auch die Stellung der Aeste abh\u00e4ngt, deren Markscheide dabei stets in offenster Verbindung mit der Markscheide des Stammes steht, m\u00f6chte es im Gegenteil auch erkl\u00e4ren, dafs diese B\u00e4ume durchschnittlich von unten nach oben ihre Knospen entwickeln.\nEs ist. mir sehr wahrscheinlich, dafs das Herabsteigen des in den jungen Bl\u00e4ttern zubereiteten Bildungssaftes, erst nach einer gewissen L\u00e4ngenausdehnung des Stengels des neuen Triebes stattfindet, und je l\u00e4nger dieser wird, und je mehr Bl\u00e4tter sich an demselben entwickeln, um so mehr steigt von jenem Bildungssafte herab, wodurch die Markscheide, je n\u00e4her der Basis des jungen Triebes, immer dicker und so zum vollst\u00e4ndigen ersten Holzringe umgewandelt wird; w\u00e4hrend der \u00fcbrige, immer tiefer und tiefer herabsteigende Saft, die Bildung des neuen Holzringes f\u00fcr die fr\u00fcheren Triebe bewirkt, wobei, wenigstens in den Laubh\u00f6lzern, stets nur get\u00fcpfelte oder zum Theil gestreifte und kurzgegliederte Spiralr\u00f6hren gebildet werden, deren Metamorphose aus einfachen Spiralr\u00f6hren nicht so offenbar nachzuweisen ist, wie dieses im Stengel der krautartigen Gew\u00e4chse ausgef\u00fchrt werden kann. Ja man glaubte sogar sagen zu d\u00fcrfen, dafs diese get\u00fcpfelten Spiral r\u00f6hren gar nicht aus einfachen Spiralr\u00f6hren, sondern aus Zellen entstehen, deren Querw\u00e4nde durchbrochen werden. Ich theile gegenw\u00e4rtig diese Ansicht, aber, wie ich es stets zu beweisen gesucht habe, Spiralr\u00f6hren und Zellen sind nur Modificationen eines und desselben Grundgebildes, die in ihren Extremen zwar auffallend verschieden erscheinen, in den nahestehenden Formen aber unmittelbar in einander \u00fcbergehen; so wie man die Bildung :der Spiralfasern in den Zellen der Antheren, besonders leicht aber in den Schl\u00e4uchen der Schleuderer der Lebermoose verfolgen kann, so sieht man hier in dem jungen Triebe, bei der Bildung\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nder Holzmasse aus dem herabsteigenden Bildungssafte, dafs ; zuerst zarte Parenchym-Zellen auftreten, welche in Reihen \u00fcber einander gestellt sind und sich durch ihre Gr\u00f6fse auszeichnen. In diesen zarten Schl\u00e4uchen oder Zellen, welche mit denjenigen, die sonst die einfachen Glieder -der weitl\u00e4uftig gewundenen Spiralr\u00f6hren umschliefsen, von gleicher Bedeutung sind, bilden sich neue Schichten, welche sich der inneren Fl\u00e4che anlagern und diesen Gebilden das Ansehen der get\u00fcpfelten oder gestreiften Spiralr\u00f6hren ge-ben. So wie bei den einfachen Spiralr\u00f6hren die Faser als die zweite Schicht anzusehen ist (S. Bd. I. pag. 118.), ebenso verh\u00e4lt es sich hier mit der Bildung der get\u00fcpfelten W\u00e4nde; die Substanz, welche dazu verwendet wird, die man nicht selten vorher noch in Form von K\u00fcgelchen beobachten kann, wird nach bestimmten spiralen Richtungen an einander gef\u00fcgt, und diese spiralen Bildungen verwachsen gegenseitig und mit der umh\u00fcllenden Membran in der Art, wie ich es im ersten Theile pag. 148 n\u00e4her beschrieben habe. Die Resorbtion der Querw\u00e4nde, welche die aufeinanderstehenden Glieder darbieten, ist schwerlich unmittelbar zu beobachten, doch rnufs man aus den ferne- j ren Bildungen auf dieselbe schliefsen. f(S. Bd. I. pag. 133.) * Die Form der Baumst\u00e4mme, ob dieselben cylindrisch oder ob sie kegelf\u00f6rmig zugespitzt sind, l\u00e4fst sich aus dem Vorhergehenden erkl\u00e4ren. Von dem Abg\u00e4nge des einen Astes, bis zum Ans\u00e4tze des zun\u00e4chst darauf folgenden, ist1 die Dimension des Stammes fast vollkommen gleich, was besonders sch\u00f6n bei den Abietineen und einigen anderen Gruppen der Coniferen stattfindet; die Dimensionen des Stammes nehmen aber ziemlich regelm\u00e4fsig mit jedem tiefer ' stehenden Aste zu. Will man cylindrische Baumst\u00e4mme erziehen, so mufs man die unteren Aeste schon fr\u00fch vom Stamme entfernen, damit sich der herabziehende Bildungssaft von den zur\u00fcckgebliebenen untersten Aesten bis zur Wurzel gleichm\u00e4fsig ergiefst; aber auch hiebei wird die Basis des Stammes immer bedeutend dicker werden, indem die Anh\u00e4ufung des herabsteigenden Bildungssaftes, oder","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"21\nvielmehr die Stockung desselben bei jedem vorkommenden Hindernisse, eine gew\u00f6hnliche Erscheinung ist.\nWenn die Entwickelung des jungen Triebes aus der Terminalknospe stattgefunden hat, so fallen die Knospenbl\u00e4tter ab, was bei einigen Pflanzen fr\u00fcher, bei anderen sp\u00e4ter erfolgt, und dann kann man wenigstens ganz deutlich sehen, dafs auch diese Bl\u00e4ttchen, deren Narben in mehr oder weniger auffallenden Formen Zur\u00fcckbleiben, in ihren Achseln kleine Knospen trugen, welche aber nicht zur Entwickelung kamen. An diesen zur\u00fcckbleibenden gedr\u00e4ngt stehenden Narben der Knospen-Bl\u00e4ttchen erkennt man alsdann, selbst noch in sehr sp\u00e4ten Zeiten, das Ende und den Anfang zweier auf einander stehender Triebe, und man kann auf diese Weise das Alter eines jungen Stammes, so lange die Rinde desselben noch nicht zerrissen ist, und besonders das der Aeste z\u00e4hlen, denn jene Narben in so regelm\u00e4fsiger Form, wie bei der Esche u. s. w. geh\u00f6ren stets den Terminalknospen an. Medicus hat auf diesen Gegenstand vielleicht zuerst aufmerksam gemacht, der aber eine umsichtige Beobachtung verlangt, wenn man dadurch das Alter eines Baumes bestimmen will; es ist z. B. bekannt, dafs die Axillarknospen an den Enden der Triebe der Esche, wo sie neben der Terminalknospe stehen, nicht mit dieser gleichzeitig, sondern meistens erst im n\u00e4chsten Jahre zur Entwickelung kommen, weshalb man an den Aesten, welche aus solchen Knospen hervorgegangen sind, ein Jahr zu wenig erkennen w\u00fcrde, was daselbst aber auch bei dem Z\u00e4hlen der Jahresringe stattfinden mufs.\nIn neueren Zeiten ist man darauf aufmerksam geworden, dafs die Axillarknospen sehr h\u00e4ufig zu mehreren beisammen sitzen, und da man in dergleichen F\u00e4llen gew\u00f6hnlich eine Knospe weiter entwickelt vorfindet, als die daneben sitzenden, so nannte man diese die Haup tknospe und die daneben sitzenden die Beiknospen. Die Herrn Roeper und E, Meyer haben sich grofse Verdienste um die Wissenschaft erworben, indem sie das Vorkommen dieser Beiknospen bei einer sehr grofsen Zahl von Familien","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nnachgewiesen haben, als z. B. bei den Euphorbiaceen, Chenopodiaceen, Primulaceen, Capparideen, Rutaceen, Mal-vaceen u. s. w. ja es scheint, dafs das Vorkommen derselben sehr allgemein verbreitet ist, nur bei einigen Familien treten sie h\u00e4ufiger, bei anderen seltener auf; Herr Link hat jedoch das Vorkommen von dergleichen Knospen zuerst gelehrt, und nannte sie sehr passend aggregate Knospen (gemmae aggregatae); er machte schon darauf aufmerksam, dafs man bei den Malven in einer und derselben Achsel sowohl Bl\u00e4tter- als auch Bliithen-tragende Aeste findet. Herr Roeper sah dann, dafs bei den Euphorbien, bei Ballota und bei Lonicera in der Achsel eines Blattes mehrere Knospen oder Aeste Vorkommen.\t-\nBeiknospen treten nicht nur bei den Dicotyledonen auf, sondern auch bei den Monocotyledonen, wie es das Vorkommen der Bulbillen in den Achseln der Bl\u00e4tter vieler Lilien - Gew\u00e4chse zeigt, denn diese Bulbillen sind nichts weiter als Knospen; sie treten sehr h\u00e4ufig zu 2,\n3 und in noch gr\u00f6fserer Anzahl auf, doch habe ich in den ersteren F\u00e4llen keine Gr\u00f6fsenverschiedenheit zwischen den nebeneinander sitzenden Knospen bemerken k\u00f6nnen, 1 daher hier weder von einer Haupt- noch von einer Beiknospe die Rede sein kann. Auch bei einer Cycas revoluta habe ich in den Blattachseln an der Basis des Stammes mehrere Knospen neben einander gesehen, und bei den 1 Zwiebeln ist es gerade nicht sehr selten, dafs zwei und noch mehr kleine Zwiebelknospen oder Brutzwiebeln in der Achsel einer Zwiebelschuppe Vorkommen.\nHer Meyer lehrte schon, dafs die Beiaugen gew\u00f6hnlich erst gegen den Herbst hervortreten, nachdem die dazu geh\u00f6rigen Bl\u00e4tter dem Welken nahe sind, und ich m\u00f6chte einen merkw\u00fcrdigen Fall anf\u00fchren, der wie ich glaube, ebenfalls hieher geh\u00f6rt. Die strenge K\u00e4lte im vergangenen\n*) Elem. philos. bot. 1824. pag. 216.\n**) Enuraerat. Euphorbiarum, Gottingae 1831. pag. 26.","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"23\nWinter hatte im hiesigen Garten den Rhododendren grofsen Schaden gethan; die Bl\u00e4tter und die jungen Aeste derselben waren gr\u00f6fstentheils erfroren, aber spat im Fr\u00fchjahr zeigten sich auf der Oberfl\u00e4che der St\u00e4mme eine Menge von jungen Knospen, welche, wie es die Untersuchung lehrte, dicht neben den Narben der schon fr\u00fcher mit den Bl\u00e4ttern abgefallenen Axillarknospen hervorkamen und sich zu neuen Aesten entwickelten. Auf einigen St\u00e4mmen war die Erscheinung sehr gew\u00f6hnlich, auf anderen dagegen fand sie nur in kleinen Strecken statt. Auch sieht man bei der Mistel, dafs die Beiknospen oftmals zur Entwickelung ge-langen, wenn die Hauptknospe schon lange zum Aste ausgebildet ist. Die Beiknospen, sagt Herr Meyer*) bilden sich entweder unter oder \u00fcber, oder neben dem Hauptzweige, und scheinen dadurch f\u00fcr gewisse Arten, Gattungen !l und selbst Familien eine noch unbenutzte Reihe von Merkmalen, theils der Verwandtschaft, theils der Verschiedenheit darzubieten. Hiernach werden die Beiknospen in unterst\u00e4ndige, \u00fcberst\u00e4ndige und nebenst\u00e4ndige unterschieden, im letzteren Falle k\u00f6nnen sie nur auf einer Seite ausbrechen, wie bei Pisonia aculeata, Psoralea bituminosa und palaestina und bei vielen Malvaceen, oder sie treten zu beiden Seiten hervor, wie bei Syringa persica, Sym-* phoriearpus racemosus u. s. w. Die unter st\u00e4ndige Stellung der Beiknospen ist nach Herrn MeyeFs Angabe die gemeinste, dagegen die \u00fcberst\u00e4ndige Stellung wohl die seltenste sein mag; sie ist bei Lonicera Xylosteum - und L. coerulea nicht selten. Man hat schon bei verschiedenen Pflanzen beobachtet, dafs die Zahl der \u00fcberst\u00e4ndigen Beiknospen oft bis weit \u00fcber drei steigt, was n\u00e4mlich in der Bliithe der Fall ist. Ich f\u00fchre noch die kreisst\u00e4ndige Stellung der Beiknospen auf, welche ebenfalls nicht so selten vorzukommen scheint, denn Herr Bischoff beobachtete bei dem Aprikosenbaum, dafs in einem Blattwinkel 3, 4, 5 und 6 Beiknospen rings um die Haupt-\n*) S. Linnaea, VII. pag. 442.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nknospe herum vorkamen, und ich habe denselben Fall an : den Bulbillen der Feuerlilie bemerkt. Das Auftreten der Beiknospen scheint stets ein Zeichen von \u00fcppiger Vegetation des Gew\u00e4chses zu sein, an welchem dieselben Vorkommen; so ist auch die Bulbillen-Bildung bei den Lilia-ceen an solchen Exemplaren sehr allgemein, welche durch ihr \u00fcppiges Wachsthum die Fr\u00fcchte zur Reife bringen, was bekanntlich in unseren G\u00e4rten doch nur selten gelingt. Ob aber die Stellung dieser Beiknospen f\u00fcr verschiedene Gew\u00e4chse so constant ist, dafs man sie zur Characteristik von Gattungen und Familien benutzen k\u00f6nnte, scheint erst durch neue Beobachtungen dargethan werden zu m\u00fcssen, die wenigen aber, welche ich selbst \u00fcber diesen Gegenstand angestellt habe, sprechen nicht sehr daf\u00fcr. ?\nHerr Roeper * *) nannte diese Knospen die beil\u00e4ufigen oder accessorischen (gemmae accessoriae) und macht darauf aufmerksam, dafs sie sehr bestimmt von den Adventivknospen zu unterscheiden sind, von denen im Folgenden die Rede sein wird.\nAufser den terminalen und den axillaren Knospen mit ihren Abarten unterscheidet man noch die zerstreuten Knospen, welche von Du Petit-Thouars zuerst mit \u00ce einem besonderen Namen belegt wurden, indem er sie Adventivknospen (bourgeons adventif, gemmae adventitiae) nannte. Herr Roeper ***) beobachtete das Vorkommen einer solchen Knospe selbst an der jungen Pflanze von * Euphorbia Peplus u. s. w. dicht unterhalb der Cotyledonen, wor\u00fcber sp\u00e4ter, wenn von dem Embryo des Saamens die Rede sein wird, ausf\u00fchrlichere Mittheilungen gemacht werden sollen.\nDas Vorkommen der Adventivknospen ist gewifs sehr allgemein verbreitet, ja ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich die M\u00f6glichkeit des Auftretens derselben, wenig-\n*) Linnaea von 1826. pag. 462.\nY\u00a5) Essais sur la v\u00e9g\u00e9t. \u2014\u25a0 De la Culture consid\u00e9r\u00e9e dans la reproduction par Bourgeon, pag. 241.\n\u00a5\u00a5*) Enumeratio Euphorbiarum. Gottingae 1824. pag. 19.","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"stens bei allen Dicotyledonen annehme. Sie sind es, welche an den alten St\u00e4mmen unserer gew\u00f6hnlichen Waldb\u00e4ume zur Rinde hervorbrechen und die sp\u00e4tem Seitensch\u00f6fslinge veranlassen, und sie sind, ebenso wie die \u00fcbrigen Knospen, bald bl\u00e4ttertragend, bald blofse Bliithenknospen, bald bringen sie Bliithentragende und belaubte Aeste hervor.\nDie Untersuchung \u00fcber den Zusammenhang der Adventivknospen mit den wesentlichen Theilen der Pflanze, aus welchen die \u00fcbrigen Knospen hervorbrechen, ist sehr schwer auszuf\u00fchren ; sie erscheinen auf der \u00e4ufseren Fl\u00e4che des Holzk\u00f6rpers und brechen durch die Rinde hindurch, wenn dieselbe damit bedeckt ist. Der Zusammenhang der Adventivknospen mit den Markstrahlen ist ganz bestimmt nachzuweisen; es geht das Zellengewebe des Markstrahles ebenso in die Marksubstanz der neu gebildeten Achse aus,\n*\tals wir den Uebergang der Markmasse bei den Axillar, knospen kennen gelernt haben; und ebenso kann man den unmittelbaren Uebergang der Spiralr\u00f6hren der neuen Splintlage in die Spiralr\u00f6hren der jungen Markscheide des Sch\u00f6fslinges wahrnehmen.\nMan hat die Adventivknospen auch unter dem Namen der verborgenen Knospen (bourgeon latent.) verstanden, denn sie sind es gerade, welche man durch k\u00fcnstlich ge-\n*\tleitete \u00e4ufsere Verh\u00e4ltnisse fast in jedem Theile der Acli-sengebilde hervorrufen kann, obgleich von ihnen vorher keine Spur wahrzunehmen ist. Da aber die Markstrahlen, wie wir es im ersten Theile dieses Buches kennen gelernt\n- haben, \u00fcberall auf der Oberfl\u00e4che der St\u00e4mme und der Aeste auslaufen, so ist denn auch \u00fcberall die M\u00f6glichkeit f\u00fcr die Bildung der Adventivknospen gegeben, und zwar nicht nur an den aufsteigenden Theilen des Achsengebildes - der Pflanze, sondern auch an den herabsteigenden derselben, welche unter dem Namen der Wurzeln bekannt sind. Es ist eine schon l\u00e4ngst bekannte Thatsache, dafs die Adventivknosp en an manchen gestutzten B\u00e4umen, in unend-_ lieber Menge zum Vorschein kommen, obgleich vorher von denselben keine Spur vorhanden war. Es sind aber","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nnicht nur die Adventivknospen, als verborgene Knospen -zu bezeichnen, sondern man kennt es auch von den Axillarknospen der Monocotyledonen, dafs sie n\u00e4mlich in den Achseln der Bl\u00e4tter hervortreten k\u00f6nnen, wo man von ihnen fr\u00fcher keine Spur wahrnahm. Das Auftreten der Axillarknospen ist bekanntlich bei den Monocotyledonen etwas * selten, es kann aber dadurch bef\u00f6rdert werden, dafs man die Spitze des Gew\u00e4chses oder dessen Terminalknospe zerst\u00f6rt.\nDie verborgenen Knospen sind nicht mit den versteckten zu verwechseln, welche oft in besonderen Vertiefungen der Blattstiele Vorkommen, und sich dem Auge g\u00e4nzlich entziehen, wie z. B. bei der Ptelea trifoliata, Rlius typhinum u. s. w.\n\u00e0\nDie Knospen in Form von Knollen.\nIm Vorhergehenden haben wir die Knospen unter Verh\u00e4ltnissen kennen gelernt, welche sie bei ihrem Auftreten an den Achsengebilden der h\u00f6heren Pflanzen darbieten; sie erschienen hier stets als die neuen Anlagen zu neuen Achsen oder neuen Aesten und Zweigen, und traten so gesondert von der Mutterpflanze auf, dafs sie zu gewissen j Zeiten entweder ohne Nachtheil abgenommen und fiir sich allein zur ferneren Entwickelung gebracht werden k\u00f6nnen, oder auch von selbst abfallen und sich als selbstst\u00e4ndige Individuen entwickeln. Ja bei einigen einj\u00e4hrigen Stengeln ^ sieht man nicht selten, dafs diese Knospen, und gew\u00f6hnlich sind es die Axillarknospen, schon auf der lebenden Pflanze Wurzeln austreiben, so dafs dadurch die Knospen um die Zeit, wenn dieser Stengel abstirbt und zu Boden f\u00e4llt, k ihre vollkommene Selbstst\u00e4ndigkeit erlangt haben. Als ein solches Beispiel kann man die Liliaceen und auch zum Theil die Saxifragen ansehen, w\u00e4hrend die Trevirana pul-chella wiederum ein Beispiel von Knospen giebt, welche sich nicht auf der Pflanze, sondern erst in der Erde entwickeln. Bei einer kleinen Anzahl von Pflanzen finden wir aber, dafs die Knospen in mehr oder weniger grofser i","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"\n27\ns\nF\nAnzahl mit dem Theile des Stengels, worauf sie Vorkommen, eine Anamorphose eingehen, wodurch ein knollenartiges Gebilde erzeugt wird, welches als Fortpflanzungs-Organ dient und eben so sicher das Individuum vermehrt, wie es die einzeln stehenden Knospen thun. Diese Knollenbildung ist bei unserer Kartoffel am bekanntesten und wir k\u00f6nnen diese defshalb am zweckm\u00e4fsigsten zur Norm einer n\u00e4heren Betrachtung unterwerfen.\nDie Morphologie lehrt, dafs die Kartoffelknolle durch Anamorphose der unterirdischen Stengel entstehe, welche die Kartoffel-Pflanze aus der Basis ihres Stengels und dem oberen Theile ihrer Hauptwurzel ausschickt. Sobald die jungen Kartoffel-Pfl\u00e4nzchen eine H\u00f6he von 4 bis 5 Zoll erreicht haben, schicken sie mehr oder weniger jene unterirdischen Stengel aus, deren Anzahl bekanntlich durch das H\u00e4ufeln vermehrt wird; diese Stengel oder Ausl\u00e4ufer, sind etwas dicker als die Wurzelzasern, sie sind ferner fast cylindrisch und ungef\u00e4rbt, nur an der Spitze ist ein H\u00e4ufchen kleiner und etwas gr\u00fcnlich gef\u00e4rbter Bl\u00e4ttchen vorhanden, welche mit der Spitze hackenf\u00f6rmig umgebogen erscheinen. Auf der Oberfl\u00e4che dieser Stengel bemerkt man hie und da kleine Nebenbl\u00e4tter mit ihren Axillarknospen, welche regelm\u00e4fsig gestellt sind, oft aber erst bei starken Vergr\u00f6fserungen zum Vorschein kommen; die Structur dieser unterirdischen Stengel ist in jeder Hinsicht gleich derjenigen des oberirdischen Stengels. Bei der Bildung der Kartoffelknollen schwillt dieser Stengel an einer oder an mehreren Stellen zu gleicher Zeit an, und zwar geschieht diese Anschwellung urspr\u00fcnglich durch eine Ver-gr\u00f6fserung des Markes, welche theils durch Vergr\u00f6fserung der vorhandenen Zellen, theils durch Bildung neuer Zellen ausgef\u00fchrt wird. Mit dieser Ausdehnung der Markmasse, welche an dem jungen Stengel oft nur die L\u00e4nge von 2 und 3 Linien, oft die von 5, 6 und 7 Linien einnimmt, werden die Spiralr\u00f6hren-Biindel, welche, rund um das Mark liegend, den Holzring bildeten, zur Seite bogenf\u00f6rmig ausgedehnt und erst am Ende der Anschwellung laufen sie","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nwieder zusammen und bilden die Fortsetzung des gew\u00f6hn- ; liehen Holzringes dieses Stengels. Schneidet man diese neu gebildeten Anschwellungen der L\u00e4nge nach mitten durch, so dafs der Schnitt zugleich den Stengel in seinem Verlaufe mitten durchspaltet, so wird man \u00fcber diese Bil- . d\u00fcngen alle Zweifel l\u00f6sen; je nachdem die Anschwellung mehr oder weniger stark ist, werden die auseinandergeschnittenen Spiralr\u00f6hren-B\u00fcndel entweder eine blofse Spalte bilden, oder sie werden einen elliptischen, zuletzt einen ganz kugelf\u00f6rmigenRaum einschliefsen, der mit dem Amylum-reichen Marke gef\u00fcllt ist. Nach aufsen werden die Spiralr\u00f6hren-B\u00fcndel durch eine sehr verdickte Rindenmasse ein-geschlossen, welche sich durch st\u00e4rkere F\u00fcllung der Zellen mit Amylum-K\u00fcgelchen, schon in der Farbe von dem ein- * geschlossenen Marke der jungen Kartoffelknolle auffallend unterscheidet. Die \u00e4ufsersten Zellenschichten dieser Rindenmasse enthalten noch kein ausgebildetes Amylum; sondern jede Zelle zeigt ihren Zellenkern, und in der Scheibe dieses Kernes erscheinen die ersten Anf\u00e4nge, die sogenannten Kerne der Amylum-K\u00f6rperchen, (S. die Abbildung Fig. 14. Tab. XII.) und zwar tritt die Bildung dieser Amylum-K\u00fcgelchen stets in den inneren Zellen der Korkschicht der * Rinde auf, wenn man sie vergleichungsweise so nennen d\u00fcrfte.\nDie Bildung der Knolle kann an jedem Theile des unterirdischen Stengels erfolgen, ja selbst an der Spitze? 1 so dafs die Terminalknospe mit in der Knolle verschmilzt, oder wieder weiter ausw\u00e4chst und den Stengel verl\u00e4ngert, so dafs sich aus dieser Verl\u00e4ngerung wieder neue Knollen bilden k\u00f6nnen. Man darf indessen nicht sagen, dafs die Knolle ein angeschwollenes Internodium des unterirdischen Stengels ist, denn einmal zeigt die anatomische Untersuchung hiebei nichts von Knotenbildung, und zweitens zeigt die Knolle, je nach ihrer Gr\u00f6fse und L\u00e4nge, mehrere Axillarknospen mit ihren Bracteen. Schneidet man die jungen Knollen ihrer L\u00e4nge nach in der Richtung durch, dafs die Axillarknospe genau gespalten wird, so wird man eben","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"29\ndenselben Ban wiederfinden, welchen wir vorhin bei der Terminalknospe und den Axillarknospen des Stengels kennen gelernt haben. Von der Oberfl\u00e4che der Markmasse aus erhebt sich ein kegelf\u00f6rmiger Auswuchs mit breiter Basis, welcher fast bis zur Oberfl\u00e4che der Knolle verl\u00e4uft und, mit starken Spiralr\u00f6hren-B\u00fcndeln begleitet, welche von der Hauptachse abbogen, die Rinde durchbricht, und in der Mitte einer starken Vertiefung daselbst zum Vorschein kommt. Die Markmasse setzt sich unmittelbar bis zur Spitze, dem Kerne der Knospe hin fort; die Zellen .. enthalten Amylnm, werden aber immer kleiner und kleiner, bis sie auf der ziemlich breiten Spitze des Knospenkernes \u00e4ufserst klein und mit einer tr\u00fcben, gelblichen Substanz gef\u00fcllt auftreten. Bei diesen Axillarknospen der Kartoffel-.. knolle ist es auch ganz besonders sch\u00f6n zu beobachten, ^ dafs die Bl\u00e4ttchen aus der Achse, seitlich der, in diesem Falle ziemlich breiten Spitze hervorwachsen ; die hervorgewachsenen Bl\u00e4ttchen legen sich unmittelbar \u00fcber die Spitze des Knospenkernes, welcher hier besonders sch\u00f6n als das \u00e4ufserste Ende der neuen Achse erscheint, welche sp\u00e4ter zu einem neuen Individuum ausw\u00e4chst. Wenn die jungen Knollen die Gr\u00f6fse einer Erbse erreicht haben, dann sind die Knospen f\u00fcr die k\u00fcnftige Vegetations-Periode schon so sch\u00f6n zu beobachten, dafs kein Zweifel dar\u00fcber Zur\u00fcckbleiben kann. Die Knospe besteht in einer ziemlich starken kegelf\u00f6rmigen Hervorragung, welche in der Tiefe einer Grube sitzt und bedeutend entfernt von den Bracteen ist. Um diese Zeit pflegt die Spitze jener kegelf\u00f6rmigen Hervorragung nur mit zwei kleinen Bl\u00e4ttchen bekleidet zu sein, weiche, wie schon vorhin bemerkt wurde, sich unmittelbar unter die \u00e4ufserste Spitze der Achse legen; hier ist also - das Achsengebilde schon bedeutend ausgewachsen, w\u00e4hrend die Bl\u00e4ttchen an der Spitze desselben kaum hervorgeschoben sind.\nNicht selten werden an diesen unterirdischen Ausl\u00e4ufern kleine Axillarknospen gleich nach ihrer ersten Entwickelung, von jener Anamorphose ergriffen, so dafs sich","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nalsdann die Knolle in der Achsel einer kleinen Blatt- : schuppe bildet, und in \u00e4hnlicher Art treten meistens die Knollen in den Blattachseln der Kartoffel auf, wenn man durch vollst\u00e4ndige Riugelsclmitte das Herabsteigen des Bildungssaftes aufh\u00e4lt, wie wir es schon fr\u00fcher im zweiten . Theile kennen gelernt haben. Die Knollen, welche ich ' selbst an einer solchen Pflanze gesehen habe, waren ana-morphosirte Axillarknospen; doch zweifle ich nicht, dafs dieselben an dem Stengel und den Bl\u00e4ttern nicht noch in anderer Art auftreten k\u00f6nnen.\nEs ist eine bekannte Sache, dafs man die grofsen Kartoffeln, welche zum Setzen gebraucht werden, vorher in mehrere St\u00fccke zerschneidet, ja man kann sie in eben so viele St\u00fccke zerschneiden, als sie Augen zeigen, und diese ? Augen, welche in kleinen Vertiefungen der Knolle liegen, sind eben jene Axillarknospen, von denen im Vorhergehenden die Rede war.\nDie Knollenbildung bei Adoxa moschatellina L., besteht ebenfalls in einer Anschwellung der unterirdischen Stengel, doch zeigt diese Anschwellung viel Eigenthiim-liches, wodurch sie sich von derjenigen der Kartoffelknolle dem \u00e4ufseren Ansehen nach gar sehr unterscheidet. Bei \u2019 der Adoxa schwillt n\u00e4mlich der unterirdische Stengel an seinem Ende an, und w\u00e4chst dann in dieser neuen Dimension noch einige Zeit hindurch fort; die Axillarknospen, welche auf dieser ziemlich cylindrischen Anschwellung1 gedr\u00e4ngt aber ganz regelm\u00e4fsig gestellt auftreten, sitzen in den Achseln ziemlich dicker Schuppen, welche denen der Lathraea in ihrem ersten Auftreten \u00e4hneln.\nMitunter sind die Knollen in der That als angeschwollene Internodien der unterirdischen Stengel anzusehen, so hat uns Herr Bischoff*) eine sehr genaue Darstellung von dem Baue der Knollen der Equiseten gegeben, welche erweist, dafs jedes einzelne Glied zu einer besonderen Knolle anschwillt, welche an ihrer Spitze eine gez\u00e4hnte Scheide\n*) Die kryptogamischen Gew\u00e4chse etc. I. Tab. IV.","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"31\nund in dieser die Knospe tr\u00e4gt, welche aber h\u00e4ufig wiederum aus w\u00e4chst und eine zweite Knolle bildet, deren Knospe wohl noch zur dritten Knolle u. s. w. ausw\u00e4chst.\nMan schreibt es gew\u00f6hnlich Herrn Dunal * *) zu, dafs er die Entdeckung gemacht habe, dafs die Knollen der Kartoffel nicht an den rohen Wurzeln, sondern an den sogenannten unterirdischen Stengeln der Pflanze entstehen, doch Herr Turpin**) hat gezeigt, dafs Aub. du Petit Thouars schon im Jahre 1804 diese Wahrnehmung ausgesprochen hat; Herr Turpin wies zugleich in genannter Abhandlung nach, dafs sich die Knollen-Entwickelung bei Helianthus tuberosus ganz ebenso verhalte, wie bei der Kartoffel, und erl\u00e4uterte es durch mehrere sehr ausgezeichnete Ansichten. An den Knollen des Helianthus tuberosus sind die Bl\u00e4ttchen, in deren Achseln die Knospen sitzen, noch viel deutlicher ausgebildet, als bei der Kartoffel. Zugleich zeigte Herr Turpin, dafs die Knollen der Patate (Convo-vulus Batatas) und die der Dahlien (Georginen) nicht mit jenen der Kartoffel zu vergleichen sind, sondern in blofsen Anschwellungen der Wurzel\u00e4ste bestehen.\nDie Knospen in Form von Zwiebeln.\nDie Zwiebeln kommen bei Monocotyledonen und bei Dicotyledonen vor; es sind Knospen, welche sich von den gew\u00f6hnlichen durch st\u00e4rkere Ausbildung ihrer einzelnen Theile unterscheiden. Bei den Zwiebeln sind die Blattans\u00e4tze, welche in jeder Hinsicht mit den Schuppen oder H\u00fcllbl\u00e4ttern der Knospen zu vergleichen sind, von besonderer Dicke, und enthalten in ihren Zellen eine grofse Menge von St\u00e4rke und anderen assimilirten Nahrungsstoffen aufgeh\u00e4uft, welche zum Theil bei der ferneren Entwickelung der Zwiebel und haupts\u00e4chlich endlich zur Ern\u00e4hrung\n*) Hist, natur. m\u00e9dic. et \u00e9con. des Solanum et des genres qui ont \u00e9t\u00e9 conf. avec eux. Montpellier 1813. pag. 22.\n*\u00a5) M\u00e9m. sur l\u2019organis. int. et exter. des tubercules du Solanum tuberosum et de l\u2019Helianthus tuberosus etc. \u2014 M\u00e9m. du Mus\u00e9um\nd\u2019hist. nat. Tom. XIX. pag. 11.","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nder jungen Zwiebeln verbraucht werden. Am auffallendsten unterscheidet sich die Zwiebel von den gew\u00f6hnlichen Knospen durch die aufserordentliche Entwickelung, welche ihre Achse zeigt, die bei der ausgebildeten Zwiebel sehr verdickt und ausgebreitet ist, so dafs sie ganz gew\u00f6hnlich eine scheiben- oder kuchenf\u00f6rmige Masse darstellt, welche den Namen der Zwiebelscheibe, des Zwiebel-stockes oder auch des Zwiebelkuchens (Placenta Med. Basis, Lecus De C.) f\u00fchrt. Um diesen Zwiebelstock sitzen die Blattanlagen der Zwiebel; die gr\u00f6fsten sind die \u00e4ufsersten und \u00e4ltesten, welche die kleinern und jungem einschliefsen, bis dafs die j\u00fcngsten unmittelbar um den Kern der Knospe liegen, ganz ebenso, wie es bei den gew\u00f6hnlichen Knospen der Fall ist. Beobachten wir jedoch die Zwiebel bei ihrem ersten Auftreten, so sehen wir, dafs sie sich viel \u00e4hnlicher den gew\u00f6hnlichen Knospen verhalten; zwar sind die Blattans\u00e4tze ebenfalls schon sehr dick, aber der Zwiebelstock ist noch kurz und schmal, wie wir ihn bei den gew\u00f6hnlichen Knospen kennen gelernt haben. Hieraus m\u00f6gen wir die Ansicht ziehen, dafs die Zwiebel eine, in der Entwickelung vorgeschrittene Knospe ist, worin haupts\u00e4chlich die Achse auf eine h\u00f6chst eigenth\u00fcm-liche Weise auftritt; sie zeigt zwar immer eine sehr verk\u00fcrzte Achse, die sich aber besonders in die Breite ausgedehnt hat.\nSo wie wahrscheinlich bei allen Pfl\u00e4nzchen, welche sich aus Knospen entwickeln, die Hauptwurzel fehlt, indem diejenige Steile, an welcher sich dieselbe entwickeln in\u00fcfste, n\u00e4mlich das untere Ende der Achse, an der Mutterpflanze festsafs, und erst nach dessen Zerst\u00f6rung die Knospe von der Mutterpflanze entfernt wurde, so verh\u00e4lt es sich auch mit den Zwiebeln, deren Wurzeln stets Adventivwurzeln sind, und sich sehr oft schon entwickeln, w\u00e4hrend die Zwiebel noch in der Mutterpflanze befestigt ist.\nNach diesen vorausgeschickten Bemerkungen \u00fcber den Bau der Zwiebel im Vergleiche zu den Knospen, wird es leichter werden die verschiedenen Ansichten der Botaniker","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"zu beurtheilen, welche \u00fcber die Bedeutung der Zwiebel geschrieben haben; schon Grew und Sprengel hielten die Zwiebeln f\u00fcr Knospen und der Hauptsache nach, sind hierin die meisten Botaniker gefolgt. Mehrere Botaniker sind der Ansicht, dafs man die Zwiebel als eine Knospe deuten m\u00fcsse, welche auf einem verk\u00fcrzten Stamme (Knollstock\n*\tCormus nach Linn\u00e9) sich befindet, indessen ich glaube dafs in allen ausgebildeten Knospen ein verk\u00fcrzter, oder richtiger gesagt, ein noch unentwickelter Stamm oder Ach-sengebiide vorhanden ist. Herr Link *) nennt die Zwiebel\n*\teine Wurzelknospe, wozu ihr Ansehen im ausgebildeten Zustande am meisten berechtigt, doch spricht die Entstehung derselben wieder dagegen. Herr C. H. Schultz sucht die Zwiebeln dadurch von den Knospen zu unterscheiden,\n]| dafs sie sich von denjenigen Theilen von\u2018selbst absondern, an welchen sie gebildet sind; doch es ist sehr leicht zu zeigen, dafs auch dieses keinen durchgreifenden Unterschied darbietet. Der Zwiebelstock oder Zwiebelkuchen, wie er gew\u00f6hnlicher genannt wird, besteht nach Herrn Schultz Ansicht aus den dicht contrahirten Knoten der Glieder, von denen die Zwiebelschuppen entspringen, doch diese Knotenlehre ist wieder hier, noch an dem Ach-\n^ sengebilde der \u00fcbrigen Knospen erwiesen; wenn die Glieder in einem Stamme contrahirt Vorkommen sollen, so m\u00fcssen sie auch in diesem Zustande nachzuweisen sein, was aber jeder Beobachter bestreiten wird, der diesen Gegenstand mit geh\u00f6riger Sorgfalt und hinreichender Vergr\u00f6fserung untersucht hat.\nHerr Meyer**) erkl\u00e4rt die Zwiebel f\u00fcr eine \u00e4chte Art der Wurzel, und derselben Ansicht scheint auch Herr\n*\tTreviranus***) zu sein; ich kann dieser Ansicht nicht beistimmen, weil die Zwiebeln stets Adventivwurzeln entwickeln, und haupts\u00e4chlich defshalb nicht, weil sich die Zwiebel im Wesentlichen ganz ebenso wie die Knospe verh\u00e4lt.\n*) Element, phil. bot. II. pag. 345.\n**) Die Metamorphose der Pflanzen etc. \u2014 Linnaea. VII, pag. 428.\n\u00a5\u00a5*) Pbysi0}0g|e der Gew\u00e4chse. I. pag, 3\u00d67.\nMe yen. Pfl, Physiol. III.\t3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\n\nDie Schuppen der Zwiebeln werden von einigen Botanikern Bl\u00e4tter, von andern Blattans\u00e4tze genannt, und die meisten halten sie, ganz wie die Deckbl\u00e4tter der Knospen, fiir metamorphosirte Bl\u00e4tter, eine Ansicht, welche so allgemein herrschend ist, dafs man kaum wagen darf dagegen zu sprechen, obgleich, wenn dieselbe wirklich erwiesen, oder auch nur vertheidigt werden soll, man sich vorher noch \u00fcber den Begriff des Blattes etwas ausf\u00fchrlicher verst\u00e4ndigen miifste.\nDie Schuppen der Zwiebeln zeigen in ihrem Verhalten grofse Aehnlichkeit mit demjenigen der Bl\u00e4tter, so finden wir, dafs die Schuppen an der ausgebildeten Zwiebel scheidenf\u00f6rmig sind, wenn die Pflanze ebenfalls scheidenf\u00f6rmige Bl\u00e4tter hat, wie z. B. bei der Tulpe; die Schuppen der Zwiebel sind dagegen nicht scheidenf\u00f6rmig, sondern ver-h\u00e4ltnifsm\u00e4fsig viel schmaler, so dafs sich gegenseitig nur die R\u00e4nder decken, wenn die Bl\u00e4tter der Pflanze ohne Scheiden sind, wie z. B. bei den Lilien. Betrachten wir aber die junge Zwiebel gleich nach ihrem Erscheinen, so finden wir, dafs die Schuppen in allen F\u00e4llen scheidenf\u00f6rmig sind, und dann auf den Querschnitten concentrische Schichten zeigen; sobald aber der Zwiebelstock seine Entwickelung in die Dicke beginnt, so zeigt es sich, ob es eine schalige Zwiebel wird, wo die Schuppen den ganzen Zwiebelstock scheidenf\u00f6rmig umfassen, oder ob sich eine schuppige Zwiebel darstellt, wo n\u00e4mlich die Blattans\u00e4tze derselben gleich schuppigen Ausw\u00fcchsen sich dachziegelf\u00f6rmig decken. Besonders sch\u00f6n sieht man an den Bulbillen, welche so gew\u00f6hnlich in den Blattachseln der Feuerlilie Vorkommen, dafs sie im Anf\u00e4nge nur vollkommen scheidenf\u00f6rmige Blattans\u00e4tze haben, welche gleich concentrischen Schalen die ganze Knospe umschliefsen ; wenn sich aber sp\u00e4ter die Knospe vergr\u00f6fsert und Wurzeln treibt, so erscheinen auch die Blattans\u00e4tze mehr schuppenf\u00f6rmig mit bauchiger Erweiterung, worin dann immer die j\u00fcngere Schuppe eingeschlossen ist.\nEs giebt noch eine dritte Art von Zwiebeln, welche","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"35\nman mit dem Namen der festen oder dichten Zwiebeln bezeichnet; Herr Link nennt sie sehr passend Knollenzwiebel (Bulbodium) und characterisirt sie von der Zwiebel durch den stark verdickten Stamm, und durch weniger verdickte Blattans\u00e4tze. Die Gattungen Colchicum, Gladiolus, Crocus u. s. w. haben dichte Zwiebeln, w\u00e4hrend die Kai-. serkrone (Fritillaria) gleichsam in der Mitte steht; bei dieser Pflanze ist n\u00e4mlich zu sehen, dafs die Blattans\u00e4tze im Anf\u00e4nge schuppenartig auftreten und sp\u00e4ter mit einander so verwachsen erscheinen, dafs sie nur noch auf der \u00ef Oberfl\u00e4che zu erkennen sind. Die Botaniker lehren sehr allgemein, dafs die feste Zwiebel durch Verwachsung der Blattans\u00e4tze entsteht, doch diese Verwachsung hat noch Niemand beobachtet und findet auch wirklich nicht statt; jman sieht die h\u00e4utigen Decken, als jene verwachsenen Bl\u00e4tter an, in welche sich die Oberfl\u00e4che der Knollzwiebel 1 abbl\u00e4ttert, doch schon die netzf\u00f6rmige Verzweigung der Gef\u00e4fsbiindel, welche diese \u00e4ufseren H\u00fcllen zeigt, deutet \u00df auf die wesentliche Verschiedenheit dieser Gebilde. Herr Link*) hat neuerlichst das Wesentliche in dem Baue der Knollenzwiebel sehr treffend hervorgehoben; er lehrt, dafs die Knollenzwiebel ein Knollstock (Cormus) ist, welcher \u00b1aus einem parenchymat\u00f6sen Holze und einer sehr dicken Rinde besteht, die fast die ganze Knollenzwiebel einnimmt und oben in die saftigen Scheiben ausl\u00e4uft. In der festen Zwiebel sind also die Blattans\u00e4tze weder miteinander verwachsen, noch mit dem eigentlichen Achsengebilde, dem Zwiebelstocke verschmolzen, sondern sie sind in einem sehr geringen Grade aus ihrem Achsengebilde hervorge-schoben, und werden \u00e4ufserlich durch die d\u00fcnnen Schuppen ^angedeutet.\nNach diesen vorausgeschickten Bemerkungen kommen wir zur Betrachtung \u00fcber die Vermehrung der Zwiebeln, welche uns an diesem Orte gerade am wichtigsten erscheint. Alle ausgebildeten Zwiebeln, wenn sie von der\n*) Elem. philos, bot. E. alt. I. pag. 309.\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nMutterpflanze getrennt sind, sind stets Gipfelknospen, aber fast alle Zwiebeln sind bei ihrem Auftreten Achselknospen, denn sie entstehen fast immer in den Achseln der Blattans\u00e4tze. So wie die wirklichen Knospen in den Achseln ihrer H\u00fcllbl\u00e4tter ebenfalls kleine Knospen erzeugen, so entstehen junge Zwiebeln (Brutzwiebeln) in den Achseln der Blattans\u00e4tze der Zwiebeln, welche entweder erst mit dem Absterben der Mutterzwiebel frei werden, oder auf der Spitze von fadenf\u00f6rmigen Ausl\u00e4ufern zwischen den Zwiebelschuppen hervortreten, was bei mehreren Tulpen-Arten, so wie auch bei einigen Arten der Gattung Allium beobachtet ist. Herr v. Berg * *) hat in einer sehr reichhaltigen Schrift \u00fcber die Zwiebelgew\u00e4chse die Beobachtung bekannt gemacht, dafs sich an einer jungen Zwiebel derTulipa praecox, nachdem sie mehrere Wochen hindurch in der Erde gestanden, an ihrem Stammende mehrere Schl\u00e4uche gebildet hatte, die mehrere Zoll tief in die Erde gedrungen waren und in ihren keulenf\u00f6rmigen Spitzen eine junge Zwiebel enthielten. Es w\u00e4re w\u00fcnschenswerth zu wissen, ob hier die Zwiebel als wirkliche Terminalknospe des Ausl\u00e4ufers erscheint, oder ob sie, wie gew\u00f6hnlich, als Achselknospe auftritt, welche durch den ausl\u00e4uferartigen langen Stiel aus der Achsel hinausgeschoben wird,\nHerr Nees von Esenbeck lehrte schon, dafs die Brutzwiebeln aus den verl\u00e4ngerten Gef\u00e4fsb\u00fcndeln abgehen, aber an verschiedenen Stellen der Oberfl\u00e4che zum Vorschein kommen. Achtet man hierauf genauer, so wird man, besonders bei den festen Zwiebeln gar nicht selten finden, dafs sich an ihren Seitenfl\u00e4chen hie und da Adventivknospen bilden, und bei den wahren Zwiebeln werden wir sp\u00e4ter das Auftreten der Adventivknospen auf den Schuppen derselben kennen lernen.\nBei einigen Zwiebelgew\u00e4chsen treten die Brutzwiebeln\n*) Die Biologie der Zwiebelgew\u00e4chse oder Versuch die merkw\u00fcrdigsten Erscheinungen in dem Leben der Zwiebelpflanzen zu erkl\u00e4ren. Neustrelitz 1837. pag. 24.\n*\u00a5) Handbuch der Botanik. I. pag. 179.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"37\nin solcher Menge neben einander auf, dafs man hier nicht mehr von Hauptknospen oder Beiknospen sprechen kann, sondern dieselben als aggregirte Knospen betrachten mufs. Auffallend ist es aber, dafs bei der Tulpenzwiebel stets die kleinste von dreien, aus dem Zwiebelstocke hervorsprossenden Zwiebeln zur Hauptzwiebel wird *).\nBei der Fortpflanzung der Zwiebeln hat man im Allgemeinen die Hauptzwiebel und die Brutzwiebeln zu unterscheiden, die Haupt- oder Ersatzzwiebel bildet sich neben dem Schafte, die Brutzwiebeln dagegen in den Achseln der untersten Schuppen; bei vielen Zwiebeln, wie\n*\tz. B. bei denen der Tulpe, kommt neben dem Bl\u00fcthen-scliaft nur eine Ersatzzwiebel zur Entwickelung, welche im n\u00e4chsten Jahre zur Bl\u00fcthe kommt. In den Achseln der unteren Zwiebelschuppen stehen dagegen die Brut-\n\u00a7 zwiebeln.\n\u00bb\nAlle Zwiebelgew\u00e4chse sind ausdauernde Pflanzen, die meisten kommen im zweiten Jahre zur Bl\u00fcthe, viele gebrauchen jedoch eine l\u00e4ngere Zeit, ja die Zwiebeln der Kaiserkrone, wenn sie aus Saamen gezogen werden, kommen oft erst im achten und im neunten Jahre zur Bl\u00fcthe. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Zwiebeln gar sehr von den wirklichen Knospen; bei diesen kommt es viel-\n*\tleicht nirgends vor, dafs sie sich schon wiederum durch Knospenbildung vermehren, wenn sie selbst noch nicht zur Entwickelung gekommen sind, eine Erscheinung, welche jedoch bei den Zwiebeln ganz gew\u00f6hnlich ist. Wenn die Zwiebeln der Kaiserkrone aus Saamen gezogen sind, so erscheint die Zwiebel zwar von Jahr zu Jahr gr\u00f6fser, bis sie nach 8 Jahren zur Bl\u00fcthe kommt, aber schon vom zweiten Jahre an, verschwindet allj\u00e4hrlich die Mutterzwie-\n*\tbei und eine neue Zwiebel tritt zum Ers\u00e4tze der alten auf; es liegt wohl zu nahe, dafs die neue Zwiebel jedesmal ein Proles und nicht ein Parens redivivus ist, wie es Herr v. Berg **) annimmt, als dafs hier\u00fcber noch eine\n*) M. S. von Vrolik. \u2014 Flora von 1829. pag. 727\u201431.\n**) 1. c. pag. 19 u. s. w.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nweitere Auseinandersetzung noting w\u00e4re, denn wir kennen es schon von vielen Pflanzen, dafs sie vor der Fruchtbildung durch Knospen oder durch Ableger fortgepflanzt werden k\u00f6nnen. Herr v. Berg hat in der schon fr\u00fcher genannten Schrift die Zwiebeln in einj\u00e4hrige und in mehrj\u00e4hrige eingetheilt, und unter diesen Abtheilungen die Lebensgeschichte der meisten, unserer bekannten Zwiebelgew\u00e4chse in Hinsicht der Bildung ihrer Zwiebel gegeben, eine Arbeit, welche wegen der grofsen Menge von schlichten Beobachtungen gewifs Anerkennung verdient.\nDie folgenden Beispiele entnehme ich theils aus der genannten Schrift des Herrn v. Berg, theils habe ich mich selbst von der Richtigkeit der Angaben desselben \u00fcberzeugt. Wie schon fr\u00fcher bemerkt wurde, so ist jedes Zwiebelgew\u00e4chs zweij\u00e4hrig, daher man auch nur von einj\u00e4hrigen Zwiebeln sprechen kann, wenn man die Vegetationszeit ber\u00fccksichtigt, in welcher sie ihre Bl\u00fcthen und Fr\u00fcchte zur Entwickelung bringen. Die Zwiebel der Tulpe ist eine der bekanntesten einj\u00e4hrigen Zwiebeln; sie zeigt neben ihrer Bliithenknospe noch eine zweite, grofse und sogenannte Bl\u00e4tterknospe, welche zu der Gr\u00f6fse der Mutterzwiebel heranw\u00e4chst, wobei diese zuerst vollst\u00e4ndig ausgesaugt wflrd und vermodert; demnach ist die Tulpenzwiebel, welche man nach beendeter Tulpenflor ausnimmt, keineswegs die alte Zwiebel, welche im vergangenen Herbste zuvor eingelegt wurde. Die Reifezeit der Zwiebel, sagt Herr v. Berg, ist durchaus abh\u00e4ngig von der Lebensdauer des Stengels; tr\u00e4gt dieser Saamen, so werden die Hauptzwiebeln und die Brutzwiebeln mit ihm zu gleicher Zeit reif, was oft erst im October geschieht. Setzt die Pflanze aber gar keinen Saamen an, so reifen die Zwiebeln nicht selten um zwei Monate fr\u00fcher.\nEine andere Art von einj\u00e4hriger Zwiebel bietet die Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) dar, \u00fcber deren Entwickelung ebenfalls schon sehr viel geschrieben ist. Die feste Zwiebel der Zeitlose beginnt ihre Vegetationsepoche zur Herbstzeit, und zwar mit der Entwickelung der Bliithe,","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"st\u00bb\n39\nw\u00e4hrend welcher Zeit gew\u00f6hnlich auch die Wurzeln hervorbrechen. Wenn die Bl\u00fcthen absterben, brechen die Bl\u00e4tter aus der Scheide hervor, in welchem Zustande sie w\u00e4hrend des kommenden Winters verbleiben. Zugleich hat sich die Anlage zur kommenden Zwiebel am unteren Theile gebildet, welche durch die, sie umgebenden Blattans\u00e4tze gegen \u00e4ufsere Einfl\u00fcsse hinreichend gesch\u00fctzt wird. Im kommenden Friihlinge sprossen allm\u00e4lig einzelne Bl\u00e4tter hervor und endlich erhebt sich der Schaft, welcher mit dem Fruchtstiele verwachsen ist, der an seiner Spitze die Fr\u00fcchte tr\u00e4gt, welche im Juni reifen. W\u00e4hrend dieser Vorg\u00e4nge schwillt die Anlage zur neuen Knospe .nach allen Richtungen hin an und wird zur neuen Zwiebel, welche der alten zur Seite liegt und sie aussaugt, bis sie endlich, zum Theil im Inneren der noch zur\u00fcckbleibenden H\u00fclle I derselben zu liegen kommt; und um diese Zeit sterben die Bl\u00e4tter der alten Zwiebel ab. Die braune H\u00fclle (Tunica) der neuen Zwiebel geh\u00f6rt noch der alten Zwiebel zu, und steht mit jener in keinem organischen Zusammenh\u00e4nge.\nDie Crocus-Zwiebeln und unsere gemeine K\u00fcchenzwiebel (Allium Cepa) geh\u00f6ren ebenfalls zu diesen einj\u00e4hrigen Zwiebeln, und letztere Pflanze zeichnet sich noch dadurch besonders aus, dafs sie durch Saamen eben so * schnell wie durch Steckzwiebeln zu ziehen ist, denn die Saamen bringen noch im ersten Sommer grofse Zwiebeln zur Ausbildung.\nZu den Zwiebeln von mehrj\u00e4hriger Dauer geh\u00f6ren die Hyacinthen, Amaryllen, Lilien-Zwiebeln u. s. w. Ueber die Vermehrung der Hyacinthen-Zwiebeln ist schon viel geschrieben worden; ich hebe die Arbeit von Sprengel*) besonders hervor, und die Schrift des Herrn v. Berg er-l g\u00e4nzt noch das Fehlende. Nimmt man die Hyacinthen-Zwiebel nach der Bl\u00fcthezeit aus, so findet man in ihr neben dem abgestorbenen Bliithenschaft die junge Knospe,\n\u00a5) Anleitung zur Kenntmfs der Gew\u00e4chse. 2. Sammlung. Halle 1802. pag. 11 und 12.","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nwelche im n\u00e4chsten Jahre zur Bl\u00fcthe kommt und sich besonders durch die gr\u00fcnliche F\u00e4rbung auszeichnet. Die Brutzwiebeln entstehen dagegen in den Achseln der untersten Blattans\u00e4tze, doch tritt die \u00dfildung der Brutzwiebeln erst dann ein, wenn sich diese Zwiebel durch mehrmaliges Bl\u00fchen ersch\u00f6pft hat, sie kann jedoch auch durch 4 Zerst\u00f6rung der Haupttriebe herbeigef\u00fchrt werden. Bei kranken oder auch bei alten Zwiebeln sieht man, wie Herr v. Berg angiebt, auch zwischen den jiingern, mehr der Mitte der Zwiebel zu liegenden Blattans\u00e4tzen die Brutzwiebeln hervortreten. Lieber die Dauer der Zeit, welche eine solche Brutzwiebel gebraucht, um bis zur Bifithe zu gelangen, ist nichts Bestimmtes festzusetzen, indem es haupts\u00e4chlich von der St\u00e4rke abh\u00e4ngt, mit welcher sie vegetirt; ihre -Entwickelung, bis sie zur Bl\u00fcthe gelangt, unterscheidet sich jedoch sehr wesentlich von derjenigen der Brutzwiebeln bei einj\u00e4hrigen Zwiebeln. W\u00e4hrend bei den einj\u00e4hrigen Zwiebeln allj\u00e4hrlich die junge Zwiebel (ganz ebenso wie die alten Zwiebeln) vergeht, und eine neue und vollkommenere hervorbringt, bis diese endlich die Vollkommenheit erlangt hat, um zur Bl\u00fcthe zu kommen, so sehen wir, dafs die Brutzwiebeln der Hyacinthen, wie \u00fcberhaupt aller j mehrj\u00e4hrigen Zwiebeln, nicht vergeht, sondern allj\u00e4hrlich immer gr\u00f6fser und Bl\u00e4tter-reicher wird. Werden die Hyacinthen-Zwiebeln aus Saamen gezogen, so verh\u00e4lt es sich ganz ebenso, und die Zwiebeln kommen im sechsten, \\ siebenten und selbst erst im achten Jahre zur Bliithe. Aehnlich verhalten sich in ihrer Reproduction die Zwiebeln der Gattungen: Muscari, Ornithogalum, Uropetalum, Pancratium, Veltheimia, Leucojum, Galanthus u. s. w. *).\nUnter den Dicotyledonen giebt es nur wenige Gattungen, welche wahre Zwiebeln als Knospen aufzuweisen haben, die Gattung Oxalis bietet in dieser Hinsicht ein sehr interessantes Beispiel dar. Bei der so gew\u00f6hnlich gewordenen Oxalis tetraphylla sieht man im Herbste, dafs\n*) S. v. Berg 1. c. pag. 50.","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"41\ndie knollenf\u00f6rmig verdickten Wurzeln rund um ihren Hals mit Zwiebeln umgeben sind, welche im n\u00e4chsten Jahre zur Entwickelung kommen, w\u00e4hrend die verdickte Wurzel schon in der letzten H\u00e4lfte des Winters verschwindet, nachdem sie von den Zwiebeln, welche hier im wahren Sinne des Wortes als Wurzelknospen erscheinen, ausgesaugt ist. Dieser Fall mufs uns an die knollenartig verdickten Wurzelzasern [der Dahlien oder Georginen erinneren, welche man einzeln von der Pflanze abnehmen und gleichfalls zur Knospenhildung bringen kann, doch diese Knospen treten nicht in Form jener Zwiebeln auf, wie es die Gattung Oxalis zeigt, und sie kommen auch noch nicht in einer Vegetations-Epoche zur Bl\u00fcthe.\nSchliefslich haben wir noch der Brutzwiebeln zu _ gedenken, welche bei den Gattungen Lilium, Dentaria, I Saxifraga u. s. w. so \u00fcberaus h\u00e4ufig in den Blattwinkeln und zwischen den Aesten der Inflorescenz Vorkommen; ich f\u00fchrte sie schon fr\u00fcher pag. 22 als Belege f\u00fcr die Ansicht auf, dafs man die Zwiebeln f\u00fcr Knospen zu halten habe, daher ihr Erscheinen am Stengel weniger befremden darf, als das Vorkommen von Knollenbildung daselbst, wie wir es bei der Kartoffel kennen gelernt haben, ja ich sehe keinen Grund ein, wefshalb man diese Brutzwiebeln * in den Blattachseln der Lilien-Gew\u00e4chse, nicht als die wirklichen Axillarknospen derselben ansehen will, welche zwar gew\u00f6hnlich unentwickelt bleiben.\nMan nennt gegenw\u00e4rtig diese Bildungen: Zwiebelknospen (Bulbogemmae nach Link) auch Bulbillen (Bulbilli), und will sie von den wahren Brutzwiebeln (Bulbuli) auch durch die Benennung unterscheiden, was f\u00fcr die beschreibende Botanik durchaus n\u00d6thig ist. Die Bulbillen der Lilien sind :: nicht immer gleich grofs, diejenigen, welche vor und w\u00e4hrend der Bl\u00fcthe hervortreten, scheinen am gr\u00f6fsten zu werden; sie erreichen oft die Gr\u00f6fse einer Erbse ohne eine Spur von Entfaltung zu zeigen. Schneidet man eine solche Bulbille quer durch, so erkennt man die verschiedenen H\u00fcllbl\u00e4tter oder Blattans\u00e4tze, welche vollkommen","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\ngeschlossene Scheiden bilden, so dafs die \u00e4ufsere und \u00e4ltere die j\u00fcngere stets umschliefst; es sind indessen selten mehr, als drei dergleichen Scheiden deutlich ausgebildet, wovon die \u00e4ufsere sehr dick angeschwollen ist. Das Achsengebilde indessen, woran diese Scheiden befestigt sind, ist jedoch noch sehr klein, setzt sich aber unmittelbar J in die Spitze oder den Kern der Knospe fort. Kommen die Bulbillen auf den Lilien zur weiteren Entwickelung (sehr h\u00e4ufig fallen sie n\u00e4mlich unentwickelt ab), so bilden sich die inneren Blattans\u00e4tze mehr aus, sprengen die \u00e4u-fseren Scheiden auseinander und treten h\u00f6her hervor, so dafs die Bulbiile dadurch ein schuppiges Ansehen erh\u00e4lt (ganz so wie die Zwiebel dieser Gattung), und zu gleicher Zeit treibt sie seitlich eine, oder auch mehrere Wurzel- -chen. Untersucht man das Innere der Bulbillen um diese Zeit, so findet man an der Spitze des vierten oder f\u00fcnften Blattansatzes eine blattartige Verl\u00e4ngerung, worin der Anfang der Blattbildung zu erkennen ist; die j\u00fcngsten Schuppen haben jedoch diese Blattbildung noch nicht aufzuweisen. Ich glaube diese Beobachtungen als Beweise anf\u00fchren zu k\u00f6nnen, dafs man die Schuppen der Zwiebeln und der Bulbillen ganz richtig bezeichnet, wenn man sie mit dem ! Namen der Blattans\u00e4tze belegt. Bemerkenswerth ist es noch, dafs die Bulbillen der Feuerlilie so sehr h\u00e4ufig, und zwar gleich bei dem Auseinandersprengen der \u00e4ufsersten Blattans\u00e4tze wiederum Brutzwiebeln bilden, wobei es nicht i selten vorkommt, dafs einzelne dieser Brutknospen in kurzer Zeit die Gr\u00f6fse der Mutter-Bulbille erreichen und wiederum W\u00fcrzelchen austreiben.\nDer Unterschied zwischen Zwiebel, Zwiebelknospe 4 und der gew\u00f6hnlichen Knospe schwindet noch mehr, wenn man diese Bildungen bei den Saxifragen betrachtet, wo ihr Auftreten in mehrfacher Hinsicht sehr merkw\u00fcrdig ist. Bei der Saxifraga eernua, welche ich in dieser Hinsicht allein zu untersuchen Gelegenheit hatte, sind die Knospenzwiebeln oder Bulbillen von sch\u00f6ner blutrother Farbe; sie treten in den Biattwinkeln besonderer Stengel in grofsen","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"43\nH\u00e4ufchen als aggregirte Knospen auf, sind gestielt und der Stiel ist nicht selten wieder ver\u00e4stelt, daher man hier wenigstens mit allem Rechte annehmen kann, dafs diese aggregirten Knospen ganzen Astbildungen angeh\u00f6ren, ja vielleicht sind diese Bulbillen-tragenden Stengel der Saxifragen als fehlgeschlagene Bliithenstengel anzusehen. Die Bulbillen der Saxifraga cernua zeigen nur zwei verdickte H\u00fcllen oder Deckbl\u00e4tter, welche scheidenf\u00f6rmig sind und die Anlagen der wirklichen Bl\u00e4tter einschliefsen, welche denn auch, am Ende des Sommers wenigstens, gar nicht selten aus den \u00dfulbillen hervortreten, w\u00e4hrend diese unten w Wurzeln treiben und nach dem Abfallen in der Erde weiter wachsen. Die beiden H\u00fcllbl\u00e4tter sind die einzigen, welche in diesen Zwiebelknospen verdickt sind, und auch in Zellen, welche der inneren Oberfl\u00e4che zun\u00e4chst liegen, eine }f sehr grofse Menge von Amylum enthalten. In der Blatt-achsel der Begonien treten dergleichen Zwiebelknospen in noch gr\u00f6fserer Menge auf, als bei den Saxifragen, sie kommen aber nicht auf der Mutterpflanze zur Entwickelung, sondern fallen sehr leicht ab. Bei diesen Knospen finden wir aber gerade dasjenige ganz fehlend, was man gew\u00f6hnlich, als das Characteristischte bei den Zwiebeln und den Zwiebelknospen angeben mufs; sie haben n\u00e4mlich keine * verdickten Blattans\u00e4tze, sondern diese, als vollkommene Scheiden auftretend, sind ganz h\u00e4utig wie die Knospen-H\u00fcllbl\u00e4tter anderer Kr\u00e4uter.\nAuftreten der Knospen an den Bl\u00e4ttern der Gew\u00e4chse.\nIm Vorhergehenden haben wir das Auftreten der - Knospen an den Stengelgebilden der Pflanzen kennen gelernt, dieselben treten aber auch bei vielen Gew\u00e4chsen an den Bl\u00e4ttern auf, wor\u00fcber gegenw\u00e4rtig eine grofse Reihe von Thatsachen vorliegt. Bei einzelnen Pflanzen, wie z.B. bei dem Bryophyllum calycinum ist das Vorkommen der Knospen an den R\u00e4ndern der Bl\u00e4tter schon sehr lange\n-","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nbekannt, so wie auch bei manchen Farm, doch gegenw\u00e4rtig ist es n\u00f6thig auf diese und \u00e4hnliche Erscheinungen genauer zu achten, indem man hierin eine Analogie mit der Bildung der Eychen an den R\u00e4ndern der Carpellarbl\u00e4tter erkannt hat, welche neuerlichst wieder bestritten ist. Es wird sehr zweckm\u00e4fsig sein, wenn wir jene Gebilde an den Bl\u00e4ttern mit dem Namen der Knospen bezeichnen, und Blattknospen w\u00fcrde am bestimmtesten bezeichnen, wenn dieses Wort nicht schon in einem anderen Sinne gebraucht w\u00fcrde.\nDas Bryophyllum calycinum zeigt zwar in den Biatt-achseln die ersten Anlagen zur Knospenbildung, die Knospen kommen daselbst jedoch nur selten zur Entwickelung, dagegen bilden sie sich um so h\u00e4ufiger an den R\u00e4ndern der Bl\u00e4tter dieser Pflanze aus. Schon bei mittelm\u00e4fsig ausgewachsenen Bl\u00e4ttern, sieht man in der Tiefe einer jeden Einkerbung des Randes einen kleinen kegelf\u00f6rmigen H\u00f6cker hervortreten, der in diesem Zustande von einer unmittelbaren Fortpflanzung der Blattepidermis bekleidet ist. Zuweilen kommen diese Knospen-Anlagen schon auf den, noch an der Pflanze sitzenden Bl\u00e4ttern zur Entwickelung; nimmt man aber die ausgewachsenen Bl\u00e4tter ab, und legt sie auf die platte Erde, so entwickeln sich sehr gew\u00f6hnlich alle jene Knospen; sie treiben nach oben die Bl\u00e4ttchen und nach unten die Wiirzelchen, welche hier, wie in allen \u00e4hnlichen F\u00e4llen, immer nur beil\u00e4ufige Wiirzelchen sind. In Bezug auf die Verbindung dieser Knospen mit den Blattnerven l\u00e4fst sich nur so viel ausmitteln, dafs die Spiralr\u00f6hren in der, weiter vorgeschrittenen Knospe allerdings unmittelbar aus einem Seitennerven des Blattes \u00fcbergehen, im Anf\u00e4nge aber, bei dem ersten Auftreten der Knospen, wie man sie an entwickelten Bl\u00e4ttern beobachtet, ist von diesem Uebergange noch nichts zu sehen. Das Spiralr\u00f6hren-biindel, welches den Seitennerven bildet, l\u00e4uft jedesmal bis in die N\u00e4he des Randes der Einkerbungsstelle, und giebt von hier aus einige Spiralr\u00f6hren zu beiden Seiten hin ab; von einem besonderen Punkte oder H\u00f6cker, in welchen","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"45\ndie Spiralr\u00f6hren enden sollen, wie es Herr De Candolle angiebt, kann ich nichts sehen, wohl aber, dafs sich die Verzweigung der Blattnerven in diesem Falle ganz \u00e4hnlich verh\u00e4lt wie bei den meisten anderen \u00e4hnlich gestaltetenBl\u00e4t-tern, und dennoch bilden nur die Bl\u00e4tter von Bryophyllum solche Knospen an den R\u00e4ndern.\nDas Auftreten von Knospen an den Bl\u00e4ttern der Farm war ebenfalls schon seit langer Zeit bekannt, und Kaulfufs*) gab die erste Zusammenstellung der hieher geh\u00f6rigen Erscheinungen. Aspidium bulbiferum tr\u00e4gt auf der R\u00fcckseite glatte gr\u00fcne Knollen, welche sowohl neben dem Hauptnerven oder der Spindel, als neben den Seitennerven oder den Rippen sitzen, sp\u00e4ter abfallen und aus einer Spalte Wedeln und Wurzeln treiben sollen. Ich habe diese Knospen zwar nicht im j\u00fcngsten Zustande gesehen, doch vollkommen ausgebildet und an dem Blatte noch festsitzend, finde ich sie von dunkel violetter, fast schwarzer Farbe, mit mehreren sehr dicken Schuppen versehen, welche auseinander getrieben werden, wenn der Keim sich entwickeln will.\nBei Aspl\u00e9nium ramosum, A. bulbiferum, bei Wood-wardia radicans, Hemionitis palmata, Acrostichum undula-tum, Cyathea bulbifera, Darea u. s. w. kommen ebenfalls dergleichen Blattknospen vor, welche meistens mehr oder weniger stark zwiebelf\u00f6rmig angeschwollen sind; sie haben eine feste Structur wie die Zwiebelknollen. Die Knospen bei den zuletzt genannten Farm sitzen immer in den Buchten der Blattr\u00e4nder, oder wie bei getheilten Bl\u00e4ttern in den Achseln der einzelnen Bl\u00e4ttchen; ausgezeichnet ist hierin das sonderbare Farrnkraut, welches gegenw\u00e4rtig unter dem Namen Ceratopteris thalictroides Br. (Acrostichum thalictroides L.) bekannt ist, welches von China aus durch mich nach dem botanischen Garten zu Berlin \u00fcberbracht wurde. Bei diesem Gew\u00e4chse ist die Knospenbildung an den ausgewachsenen Blattern stets vorhanden; sie treten\n*) Das Wesen der Farrnfer\u00e4uter etc. Leipzig 1824. pag. 68.","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nin allen Achseln der Bl\u00e4ttchen und deren Einschnitte auf, und kommen noch auf der Pflanze zur Entwickelung, wobei sich das Auffallende zeigt, dafs die vier bis sechs ersten Bl\u00e4ttchen, welche aus der Knospe hervorwachsen, ganz anders geformt sind, als die sp\u00e4teren, sogenannten Wedel der Pflanze. Die W\u00fcrzelehen, welche diese sich entwickelnden Knospen treiben, kommen stets aus der \u00e4ufse-ren Fl\u00e4che der Basis der Blattstiele hervor, bleiben aber sehr klein, so lange die Knospe an der Mutterpflanze sitzt. Zu bemerken ist auch noch, dafs die Knospen dieser Pflanze nicht auf der unteren Blattfl\u00e4che, sondern unfern dem Rande, aber ganz deutlich auf der oberen Blattfl\u00e4che hervorbrechen, und ich glaube an einem grofsen ungeteilten Wurzelblatte dieser Pflanze in China gesehen zu haben, dafs die Knospen sogar mitten auf der oberen Blattfl\u00e4che entsprangen, doch habe ich den Fall leider nicht aufgezeichnet und die n\u00e4heren Umst\u00e4nde sind mir entfallen.\nBei Diplazium acuminatum, wo das Blatt ganz ungeteilt ist, da ist das Vorkommen solcher Knospen auf dessen oberer Fl\u00e4che, unweit der Basis und fast unmittelbar an dem Hauptnerven, noch ganz besonders auffallend. Auf Exemplaren des hiesigen botanischen Gartens zeigte sich auf den einzelnen Bl\u00e4ttern immer nur eine einzelne Knospe, und zwar immer an einer bestimmten Stelle, und diese Knospe soll sich erneuern, wenn die alte abgebrochen wird.\nIm Folgenden lernen wir noch einige sehr merkw\u00fcrdige F\u00e4lle \u00fcber das Vorkommen von Knospen an den Bl\u00e4ttern h\u00f6herer Pflanzen kennen. Es hatte schon Smith in seiner Flora von England die Bemerkung gemacht, dafs die Bl\u00e4tter der Malaxis paludosa an ihrer Spitze zuweilen gefranzt sind, und Herr Henslow *) zeigte endlich, dafs diese Hervorragungen an der Spitze der Bl\u00e4tter genannter Pflanze nichts weiter als eigenth\u00fcmliche, zwiebelartig an-\n*) Arm. des sciens. d\u2019hist. nat. XIX. pag. 103. PI. IV, \u00df.","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"47\ngeschwollene, aber sehr lange Knospen sind, durch welche sich die Pflanze vermehren kann.\nCassini hat im Jahre 1816 die Entdeckung gemacht, dafs Bl\u00e4tter der Cardamine pratensis auf ihrer oberen Fl\u00e4che kleine Knospen tragen, welche die Pflanze vermehren k\u00f6nnen, doch sollen sie hier meistens nur in den Achseln der Blattstiel eben sitzen*), doch auch in der Blattfl\u00e4che.\nHerr Poiteau beobachtete jedoch einen viel interessanteren Fall an den Bl\u00e4ttern von Ornithogalum thyrsoides Hort. K., welche er zum Trockenen f\u00fcr das Herbarium aufbewahrte; er sah, dafs sich die Oberfl\u00e4che so wie die R\u00e4nder dieser Bl\u00e4tter nach Verlauf von einigen Tagen mit einer Menge von kleinen Knospen bedeckt hatten. Dieses ist der ber\u00fchmte Fall, der von Herrn Turpin**) beschrieben und abgebildet wurde; er nannte diese Knos-il pen Adventivembryonen und z\u00e4hlte deren an dem abgebildeten Blatte 133, und gab \u00fcber die Structur derselben folgende Mittheilungen: Sie waren von weifser Farbe und zeigten eine sehr kurze Achse, mit deren Basis sie dem ZePengewebe des Mutterblattes befestigt waren. Die Abbildung zeigt uns aber sehr gut, dafs diese Knospen immer im Verlaufe der Blattnerven hervorkommen, und da wie auch in allen anderen F\u00e4llen, welche ich selbst zu s untersuchen Gelegenheit hatte, finden, dafs die Knospen von den Gef\u00e4fsb\u00fcndeln ausgehen, so halte ich jene Angabe f\u00fcr unrichtig. Von jener kleinen Achse dieser Knospe soll nach Herrn Turpin\u2019s Angabe ein Cotyledonar-Blatt : hervorwachsen, welches \u00fcberall als scheidenf\u00f6rmig und ganz geschlossen dargestellt wird, doch auch hierin ist vielleicht ein Irrthum zu vermuthen, denn dergleichen Knospen sind bei den Liliaceen ganz \u00e4hnlich gestaltet, aber genaue Quer-- schnitte zeigen, dafs diese \u00e4ufsere Scheide ein gew\u00f6hnliches scheidenf\u00f6rmiges aber stark angeschwollenes Bl\u00e4ttchen, gleichsam eine Zwiebelschuppe ist, und so wird es\n\u00a5) Cassini im Journal de Physique. T. 82. pag. 408.\n;\tOi ganographie v\u00e9g\u00e9tale etc. \u2014 Mein, du Mus\u00e9um d\u2019hist. nat.\n\u25a0 XVI. 1828. pag. 171. PI. 10.","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nsich vielleicht auch an den Knospen von Ornithogalum zeigen.\nIch selbst habe eine ganz \u00e4hnliche Erscheinung an den Zwiebelschuppen der Hyacinthe beobachtet und zwar\nzwei Jahre hinter einander; es waren gew\u00f6hnliche Sorten, wie man sie hier bl\u00fchend auf dem Markte zu kaufen erh\u00e4lt. Die Zwiebeln hatten in der Stube abgebl\u00fcht aber keine Saamen angesetzt, und als ich die Zwiebel, welche sehr feucht gehalten wurde, nach 2 bis 3 Wochen herausnahm,\nzeigten die \u00e4ufseren Schuppen eine sehr grofse Menge von kleinen zwiebelartig angeschwollenen Knospen, welche sowohl auf der \u00e4ufseren, als auf der inneren Fl\u00e4che der Schuppe unregelm\u00e4fsig zerstreuet vorkamen; sie waren von sehr verschiedener Gr\u00f6fse, standen aber immer mit den Gef\u00e4fsbiindeln im Zusammenh\u00e4nge, und es erzeugten sich immer wieder neue Knospen, so lange noch die Substanz der Schuppe der F\u00e4ulnifs widerstand.\nDie M\u00f6glichkeit der Knospenbildung an den Bl\u00e4ttern, scheint allen Pflanzen gegeben zu sein, denn es liegen Beobachtungen von sehr vielen und sehr verschiedenen Pflanzen vor, aus welchen hervorgeht, dafs man diese Knospenbildung durch \u00e4ufsere Verh\u00e4ltnisse an den Bl\u00e4ttern hervor-rufen und dadurch die Fortpflanzung der Gew\u00e4chse durch die Bl\u00e4tter ausf\u00fchren kann. Herr Dutrochet *) beobachtete noch vor wenigen Jahren an den modernden Bl\u00e4ttern einer dicotyledonischen Pflanze die Entwickelung kleiner Knospen, \u00e4hnlich jenen, welche an den Bl\u00e4ttern von Ornithogalum beobachtet worden sind; die Knospen kamen zur Entwickelung einiger Bl\u00e4ttchen und Wurzeln, aus welchen es schien, dafs dieselben dem Ranunculus bul-bosus L. angeh\u00f6rten.\n1\n\u00ee\nSchon sehr h\u00e4ufig hat man zu beobachten geglaubt, dafs die Bl\u00e4tter des Weifskohls, ohne vorher gebl\u00fcht zu haben, Saamen hervorbringen k\u00f6nnen, und besonders\n*) Observ\u00e2t, sur la forme et la structure primitives des embryons v\u00e9g\u00e9taux. \u2014 Nouv. Annal, du Mus. 1835. pag. 165.","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"49\nh\u00e4ufig fand man diese Saamen auf den Kohlk\u00f6pfen, welche im Winter in Kellern oder Gruben aufbewahrt wurden; indessen es hat sich gezeigt, dafs diese angeblichen Saamen Pilze sind, welche in dem Systeme unter Sclerotium Brassicae benannt sind. Andere und darunter auch sehr glaubw\u00fcrdige Landleute, berichten dagegen, dafs die Kohlbl\u00e4tter, welche auf den Feldern liegen bleiben, auf denen der Kohl wuchs, w\u00e4hrend der Winterzeit kleine kugelrunde Saamen hervorbringen, die im Fr\u00fchlinge aufgesucht und dann gepflanzt werden k\u00f6nnen, woraus man stets sehr gute Kolil-\u00ab pflanzen erh\u00e4lt. Ich selbst habe diese angeblichen Saamen nicht gesehen, doch wenn es sich hiemit so verh\u00e4lt, wie man es mir mitgetheilt hat, so ist es keinem Zweifel unterworfen, dafs dieselben dergleichen Knospen sind, wie wir sie in \u00abden vorhergehenden F\u00e4llen aufgef\u00fchrt haben, und man hat \u00ae auch wahrlich keinen Grund die Erscheinung a priori zu bestreiten.\nDie M\u00f6glichkeit der Knospenbildung an den Bl\u00e4ttern der Pflanzen wird aber haupts\u00e4chlich dadurch erwiesen, dafs man schon seit sehr langer Zeit eine Menge von Pflanzen auf diese Weise vermehrt hat. Es scheint der Itali\u00e4ner Aug. Mandirola der erste gewesen zu sein, der \u00fcber die Fortpflanzung der Gew\u00e4chse durch Bl\u00e4tter ge-* schrieben hat ; er sah aus den Bl\u00e4ttern der Citronen, Limonien und anderer dergleichen B\u00e4ume kleine R\u00fcthlein hervorgehen, w\u00e4hrend sich die Substanz des Blattes verzehrte. Ich entnehme diese Nachrichten aus dem ber\u00fchmt i gewordenen Werke von Agricola*), welcher diese Beobachtungen wiederholte und vervielf\u00e4ltigte. Agricola pflanzte glatt abgeschnittene Bl\u00e4tter der Pommeranzen, Citronen, Lorbeeren u. s. w. in die Erde, sah die Schnittfl\u00e4che der-selben call\u00f6s werden und W\u00fcrzelchen und St\u00e4mmchen \u00fc hervorbrechen; auch mit den Bl\u00e4ttern der Yucca gloriosa, \u00bbi des Rosmarin, der Myrthen und des Buxbaums wurden\n*) Versuch einer allgemeinen Vermehrung aller B\u00e4ume, Stauden :: und Blumengew\u00e4chse, theoretisch und praktisch vorgetragen etc. .1 Regensburger Ausg. v. 1772. II. pag. 40.\nMey en. Pfi, Physiol. III.\nI","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"50\ndergleichen Versuche angestellt und alle trieben Wurzeln, wie es auch auf der 22sten Tafel des genannten Buches durch Abbildungen dargestellt ist. Ein gewisser Leibarzt Dr. Pott machte die Entdeckung, dafs die Bl\u00e4tter der Eu-comis regia, wenn sie im Herbste dicht an der Zwiebel -abgeschnitten und in Papier aufbewahrt wurden, schon nach Verlauf von 6 Wochen an der Schnittfl\u00e4che dicker wurden, wobei sich auf der innersten Seite einige kleine Knospen zeigten, gerade da wo das Blatt an der Zwiebel-i-befestigt war. Diese Knospen erreichten die Gr\u00f6fse der Haselnufs und man konnte daraus neue Pflanzen ziehen, wie es von Brandis * *) erz\u00e4hlt und bezeugt wird. Ja Herr De Candolle sagt in seiner Pflanzen-Physiologie, dafs jeder.\nG\u00e4rtner weifs, dafs auf den Bl\u00e4ttern der Rochea falcata De C. kleine Knospen entstehen, wenn man sie schief in feuchte Erde steckt, und diese Knospen treiben Wurzeln und pflanzen das Individuum weiter fort. Gegenw\u00e4rtig benutzt man diese Methode bei vielen anderen Gew\u00e4chsen**) als bei den Gattungen Theophrasta, Alo\u00eb, Echeveria, Gloxinia, Cotyledon. Bei den meisten Bl\u00e4ttern, welche zu diesem Zwecke eingepflanzt werden, treiben zuerstj Wiirzelehen hervor, und sp\u00e4ter erst kommt die Knospe\u201d zum Vorscheine; leider habe ich dergleichen Gegenst\u00e4nde s nicht ausf\u00fchrlich zu untersuchen Gelegenheit gehabt, nur das Hervorkommen von Wiirzelehen habe ich gesehen, und dabei zeigte sich die Schnittfl\u00e4che durch neu hinzu-\u201c getretenes Zellengewebe ebenso verdickt, und diese Verdickung so erh\u00e4rtet, wie es sich mit der Wulstbildung bei r dem Ringelschnitte und mit der Schnittfl\u00e4che der Schnitt-\nin\nlinge verh\u00e4lt, woraus man schliefsen m\u00f6chte, dafs auch' diese Bildung noch immer durch einen, in den Holzbiindeln des Blattes herabsteigenden Saft gebildet wird; auch kann man sehen, dafs die hervortretenden Wiirzelehen mit den\n\u00a5) Versuch \u00fcber die Lebenskraft. Hannover 1795. pag. 105.\n*\u00a5) S. die Preisschrift der Herrn Ed. Otto, W. Brackenridge, Carl Pl\u00e0'schnick und C. Bouch\u00e9 in den Verhandlungen des K. P.\nGartenbau - Vereins. XIII. pag. 45.","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"51\nHolzb\u00fcndeln der Bl\u00e4tter in unmittelbarem Zusammenh\u00e4nge stehen.\nSchliefslich habe ich noch die Knospenbildung bei der Gattung Lemna anzuf\u00fchren, da diese Pflanzen zu den vollkommeneren Gew\u00e4chsen gerechnet werden, ihre Knospen jedoch mit den der niederen oder der Zellenpflanzen \u00fcber-\u201e einstimmen. Wolff*) hat in seiner Schrift \u00fcber die Gattung Lemna die Abbildung einer Lemna trisulca gegeben, weiche auf ihren Bl\u00e4ttern wie auf ihren Wurzelzasern eine Menge von Tuberkeln von verschiedener Gr\u00f6fse zeigt; es wird zwar von mehreren Botanikern angegeben, dafs aus diesen Tuberkeln Wurzeln hervorgehen sollen, doch diese Angabe scheint mir sehr unglaublich, und von den ! Tuberkeln, welche auf der Oberfl\u00e4che der Lemna-Bl\u00e4ttchen entstehen, kann ich aus eigner Anschauung angeben, dafs fsie sich zu neuen Pflanzen entwickeln, also f\u00fcr wirkliche Knospen zu halten sind. Die Knospen der Gattung Lemna sind bald kugelrund, bald mehr linsenf\u00f6rmig und zuweilen mit ungef\u00e4rbten Amylum-K\u00fcgelchen, mitunter aber auch ? mit gr\u00fcnlich gef\u00e4rbten Amylum-K\u00fcgelchen gef\u00fcllt. Bei ) der Versammlung der Naturforscher zu Berlin im Jahre : 1828, zeigte Herr Reichenbach ein Glas mit mehreren, udarin aufbewahrten Lemna-Individuen vor und, wenn ich D mich nicht irre, zeigte er die kleinen gr\u00fcnen Knospen, a welche sich an den absterbenden Bl\u00e4ttern derselben ge-I bildet und dann zu Boden gesenkt hatten, woselbst sie den Winter \u00fcber liegen bleiben und im kommenden Fr\u00fchjahre - sich entwickeln und emporsteigen. Ich weifs nicht, dafs 1 Herr Reichenbach diese Erscheinung irgend wo beschrieben Ihat, dagegen findet sich in seinem ber\u00fchmten Werke : Ueber <das nat\u00fcrliche Pflanzensystem nach allen seinen Klassen, ^Ordnungen etc. (1837. pag. 149) eine Angabe \u00fcber diesen ' 'Gegenstand, welche wohl unrichtig ist. Es heifst daselbst,\n' wenn man Lemnae in einem Glase aufbewahrt, so f\u00e4llt v, gegen Jlen Winter das Phytochlor (wahrscheinlich wird\n\u00a5) De Lemna. Altorfii et Norimb. Tab. I. Fig. 1. b, b.\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52\ndarunter das bekannte Chlorophyll verstanden) aus dem : Zellengewebe heraus, und nur die leeren Netze schwimmen noch auf dem Wasser, w\u00e4hrend dessen K\u00f6rnchen zu Boden gefallen. Im M\u00e4rz oder April heben sie sich wieder zur Oberfl\u00e4che empor und bilden eine neue Ge-Deration. Dieses hat Herr Reichenbach wahrlich nicht beobachtet.\nDie Fortpflanzung der Lenin a durch Saamen ist ganz aufserordentlich selten, indem diese Gew\u00e4chse so \u00fcberaus selten zur Bliithe kommen; ihre gew\u00f6hnliche Vermehrung geschieht dagegen durch seitliche Entwickelung von Knospen und zwar auf eine sehr \u00fcberraschend einfache Weise, die sich bei Lemna trisulca am niedlichsten darstellt. Das Laub der Lemneen kann man f\u00fcr blattartig ausgebreitete * Stengel anselien; bei Lemna trisulca erscheint dasselbe in Form eines mehr eyf\u00f6rmigen und ziemlich langgestielten Blattes; das Gef\u00e4fsbiindel des Blattstiels verl\u00e4uft bis zur Mitte dieses Blattes ungetheilt und von hier aus sendet es noch zwei seitliche Blattnerven aus, welche bis in die N\u00e4he der Spitze verlaufen. Dicht unter der Theilung des Blattnerven entspringen die Knospen zu den neuen Stengeln, und zwar an den Seiten des Nerven und ganz regel- 1 m\u00e4fsig gegen\u00fcberstehend; das Auffallendste hiebei ist aber, dafs diese Knospen in einer Spalte des Blattes sitzen, aus welcher sie hervorwachsen. Diese Spalten sind fast halbmondf\u00f6rmig und werden durch die zwei Lamellen gebildet, * in welche die Blattsubstanz an diesen Stellen getrennt ist; durch Abbildungen liefse sich die Sache leichter ver* deutlichen, aber unter jedem einfachen Mikroskope ist dieser Gegenstand sehr leicht zu beobachten. Nimmt man * die jungen Knospen aus den Spalten eines Blattes hervor und betrachtet sie genauer, so zeigen sie sich zuerst von runder oder eyf\u00f6rmiger Gestalt und ganz platt gedr\u00fcckt, wie die k\u00fcnftigen Bl\u00e4ttchen; sie nehmen ihren Ursprung unmittelbar aus dem Spiralr\u00f6hren-B\u00fcndel des Mittelnerven, welches seitliche Aeste aussendet. In dem jugendlichen Zustande sind diese Knospen noch ungestielt, aber schon","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"53\nsehr fr\u00fch sieht man, dafs ihre Substanz an den R\u00e4ndern der Basis gespalten ist, und dals in jeder dieser beiden \u00e4ufserst kleinen Spalten, schon wieder eine ganz junge Knospe enthalten ist. Diese j\u00fcngeren Knospen sind es\u00bb welche im Winter mit der noch \u00fcbrig bleibenden Substanz des zerst\u00f6rten Blattes zu Boden fallen und im n\u00e4chsten Fr\u00fchjahre wieder an die Oberfl\u00e4che des Wassers kommen, sobald sie durch Ausdehnung ihrer Substanz Lufth\u00f6hlen im Inneren erhalten und durch diese emporgehoben werden.\nZweites Capitel.\nUeber die Knospen der niederen Gew\u00e4chse.\nDie Knospen der niederen Gew\u00e4chse sind von sehr einfachem Baue; sie bestehen in kleinen Anh\u00e4ufungen von Zellen, und sind bei den Familien der Laub- und Lebermoose, wie bei den Flechten und Charen, von den wirklichen Saamen dieser Pflanze sehr leicht zu unterscheiden; bei den \u00fcbrigen Familien der Zellenpflanzen dagegen, als bei den Algen und den Pilzen, l\u00e4fst sich dieser Unterschied zwischen Knospe und Saamen in ihren Fortpflanzungs-Organen nicht mehr nachweisen, daher wir hier auch nur die genannten h\u00f6heren Familien in Hinsicht ihrer Knospenbildung betrachten wollen, und sp\u00e4ter, in einem besonderen Abschnitte, die ganze Vermehrungsweise der Algen und Pilze er\u00f6rtern werden.\nVon den Brutknospen bei den Laub- und Lebermoosen.\nBei den Laub- und Lebermoosen zeigt sich eine ganz eigenth\u00fcmliche Bildung von Fortpflanzungs-Organen, welche besondere Aufmerksamkeit verdient; es sind dieses n\u00e4mlich kleine knospenartige K\u00f6rper, welche in mehr oder","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nweniger grofsen Haufen auftreten und nach ihrer Trennung-von der Mutterpflanze zur Entwickelung neuer Individuen gelangen; sie f\u00fchren gegenw\u00e4rtig den Namen der Brutknospen.\nBei den Laubmoosen sind diese Brutknospen von Mnium androgynum L. am bekanntesten; sie treten bei dieser Pflanze sehr h\u00e4ufig auf und die Vermehrung derselben geschieht unter manchen Verh\u00e4ltnissen wohl aus-schliefslieh durch diese Brutknospen. Ueber die Bildung und das Auftreten dieser Gebilde wurde k\u00fcrzlich durch einige kleine Arbeiten von Dickie *) und von mir selbst**) wiederum aufmerksam gemacht; im ausgebildeten Zustande sind diese Brutknospen von ellipsoidischer Form mit etwas zugespitzten Enden, und sie bestehen aus einer kleinen ? Gruppe von Parenchym-Zellen, welche reich mit griinge-f\u00e4rbten Saftk\u00fcgelchen gef\u00fcllt sind. Sie sind an kurzen Stielchen befestigt, die aus einfachen und sehr feinen, haarf\u00f6rmigen Zellchen bestehen, und bedecken in grofser Anzahl die Spitze von langen Stielen, welche in jeder Hinsicht den Kapselstielen dieser Moose gleich zu stellen sind, so dafs man diese ganze Bildung f\u00fcr eine unvollkommen ausgebildete, oder richtiger f\u00fcr eine metamor- j phosirte Fruchtbildung ansehen kann. Die grofse Menge dieser Brutknospen, welche dicht zusammen geh\u00e4uft stehen, bildet schon in einem sehr fr\u00fchen Zustande ein ansehnliches K\u00f6pfchen, welches aber im Grunde des Bl\u00e4tterkreises zu suchen ist, in welchem gew\u00f6hnlich die Bliithe auftritt; mit der allm\u00e4ligen Ausbildung dieser Brutknospen verl\u00e4ngert sich auch der gemeinschaftliche Stiel, welcher gleich der Seta oder dem Kapselstiele weit \u00fcber den Bl\u00e4tterkreis hinausw\u00e4chst.\nDie ganze Knospe mit ihrem Stielchen besteht, bei ihrem ersten Auftreten aus einem einfachen l\u00e4nglichen\n*) Jardine, Selby and Johston, Magazine of Zoology and Botany.\nV. II. pag. 226.\n**) S. Wiegmann\u2019s Archiv f\u00fcr Natur-Geschichte 1837. I. pag. 424. und 1838. II. pag. 98.","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"55\n\nBl\u00e4schen, welches eine zarte gr\u00fcngef\u00e4rbte und nngeformte Masse enth\u00e4lt, die sich theils in Zellensaft-K\u00fcgelchen um-gestaltet, theils zur Bildung der W\u00e4nde der neuen Zellen verbraucht wird. Zuerst treten in dem l\u00e4nglichen Zellchen eine oder mehrere horizontale Scheidew\u00e4nde auf, und dann erst werden diese neu entstandenen Abtheilungen in kleinere Zellen getheilt, wobei sich ihr Umfang best\u00e4ndig * vergr\u00f6fsert, bis die ganze Bildung vollendet ist.\nBei den Lebermoosen ist das Erscheinen von Brutknospen viel h\u00e4ufiger, als bei den Laubmoosen ; Schmidel *) hat die Bedeutung dieser Gebilde wohl zuerst erkannt, und '* durch Herrn Nees von Esenbeck **) ist dieser Gegenstand neuerlichst zuerst ganz genau abgehandelt. Die Brutknospen treten bei dieser Familie von Gew\u00e4chsen unter mannigfaltigen Verh\u00e4ltnissen auf, sie sind aber auch im aus-jj gebildeten Zustande von denjenigen der Laubmoose sehr verschieden gestaltet. Bei den Marchantien sind diese Brutknospen so h\u00f6chst ausgezeichnet gebildet, und treten in besonderen Bechern auf, welche aus der Blattsubstanz hervorgehen. Im ausgebildeten Zustande sind sie im Verh\u00e4ltnisse zu den Saamen sehr grofs und mit blofsen Augen erkenntlich; sie zeigen eine etwas ovale, ziemlich ganz plattgedr\u00fcckte Form mit einigen Einkerbungen am Rande; ^ meistens sind die beiden Einkerbungen an den beiden Enden des Ellipsoides ziemlich bedeutend, aber das Stielchen, womit das einzelne Brutkn\u00f6spchen im Grunde des Bechers befestigt ist, wird aus einer einfachen Zelle gebildet und ist sehr kurz. In der, schon so oft genannten Schrift des Herrn v. Mirbel \u00fcber die Marchanda polymorpha, finden wir die vollst\u00e4ndigsten Beobachtungen \u00fcber die Entwickelung dieser Organe von ihrem ersten Auftreten an, was * noch durch die kostbarsten Abbildungen (S. 1. c. Tab. IV.) verdeutlicht wird. Auch die Brutknospen der Marchantien treten, ebenso wie die der Laubmoose bei ihrem ersten\nHiss, de Blasia. 1759. pag. 77.\n**) Natur-Geschichte der Lebermoose. I. p\u00bbg. 78. etc.","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nErscheinen, in Form von einfachen Zellen auf, welche sich zuerst verl\u00e4ngern, durch Abschn\u00fcrung einen Stiel bilden, und sich ferner durch mehrfache Theilung nach allen Richtungen hin, zu den, anfangs etwas keulenf\u00f6rmigen, aber sp\u00e4ter sich immer mehr ausbreitenden Zellenmassen umbilden.\nBei der interessanten Gattung Lunularia sind die Brutknospen halbmondf\u00f6rmig, sie sitzen in einer Falte, welche aus der Laubsubstanz hervorw\u00e4chst und ebenfalls halbmondf\u00f6rmig gestaltet ist. Bei Blasia treten die Brutknospen in flaschenf\u00f6rmigen Beh\u00e4ltern auf, und werden von Herrn Bischoff sehr genau beschrieben; es sind mehr rundliche, zuweilen auch ovale K\u00f6rper von weit geringerer Gr\u00f6fse, als in den vorhergehenden Gattungen, auch bestehen sie aus wenigen und im Verh\u00e4ltnifse gr\u00f6fseren Zellen, welche auf der Oberfl\u00e4che etwas aufgetrieben sind. An einem Punkte ihres Umfangs haben sie ein r\u00f6hriges Zellchen, womit sie wahrscheinlich im Inneren jenes flaschenf\u00f6rmigen Organs befestigt sind.\nBei den Jungermannien treten die Brutknospen noch viel einfacher auf, als bei den Laubmoosen ; bei einigen, wie z. B. bei Jungermannia Trichomanes bildet sich zwar ebenfalls ein Kn\u00f6pfchen am Ende des Stengels, doch es scheint, dafs sie hier nur durch eine Umwandlung der Blattsubstanz entstehen, welche sich gleichsam in ihre einzelnen Zellen aufl\u00f6st; diese getrennten Zellen vergr\u00f6fsern sich und zeigen, besonders durch die Bildung von Querw\u00e4nden in ihrem Inneren, dafs sie eine Selbstst\u00e4ndigkeit erlangt haben, durch welche sie auch getrennt von der Mutterpflanze weiter fortleben k\u00f6nnen. Die Bildung der Brutknospen an den R\u00e4ndern der Bl\u00e4ttchen, kommt bei vielen Jungermannien vor, und scheint durch einen sehr feuchten Standort bef\u00f6rdert zu werden; Herr Nees von Esenbeck unterscheidet sie von den Brutknospen und nennt\n*) Ueber die Lebermoose. Nova Acta Aead. C. L. C, Tom.XYII. pag. 953-","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"57\nsie, ihres einfachen Baues wegen Brut k\u00f6rn er; sie entstehen gleichsam durch Trennung und Aufl\u00f6sung des schon Gebildeten; es ist auch allerdings zu beobachten, dafs an einem und demselben Exemplare soldier Jungermannien, die einen Bl\u00e4tter weniger und die zun\u00e4chst stehenden immer mehr und mehr von ihrer Blattsubstanz verloren haben und zwar wie es scheint dadurch, dafs die Trennung der Zellen dieser Bl\u00e4tter von den R\u00e4ndern beginnt, und sich immer tiefer in die Substanz hinein begiebt.\nDoch d\u00fcrfe man sich, sagt Herr Nees von Esenbeck, diese Aufl\u00f6sung nicht etwa als eine, der v\u00f6lligen Entwicke-f lung des Blattes nachfolgende, sondern mit ihr gleichzeitig auftretende Erscheinung denken, denn schon w\u00e4hrend der Entfaltung tr\u00e4gt das Blatt seine Keimk\u00f6rner. Herr Nees v. Esenbeck fand solche Brutk\u00f6rner-K\u00f6pfchen auch auf | der Spitze zweiz\u00e4hniger Bl\u00e4tter, wie bei Jungermannia ven-tricosa und intermedia, und ist der Meinung, dafs man die Brutk\u00f6rner-Bildung wohl eher f\u00fcr eine krankhafte Metamorphose, als f\u00fcr einen eigenen Fortpflanzungsweg halten d\u00fcrfte. Die Entwickelung dieser Knospen oder Brutk\u00f6rner zu jungen Pflanzen ist allerdings noch nicht beobachtet, die Analogie m\u00f6chte aber wohl im Voraus best\u00e4tigen, dafs sich aus ihnen junge Pfl\u00e4nzchen entwik-\n*\tkein k\u00f6nnen, ganz ebenso, wie aus den Brutk\u00f6rnern der Flechten. Auch wissen wir, dafs die Jungermannien mit Brutk\u00f6rnern meistens unfruchtbar sind, wo also die Vermehrung wahrscheinlich eben durch jene Brutk\u00f6rner aus-gef\u00fchrt wird.\nAn den wurzelartigen Theilen der Riccieen hat neuerlichst Herr Lindenberg eigenthiimliche eirunde, keulen-oder kugelf\u00f6rmige Anschwellungen beobachtet, welche ich\n*\tIhr Knospen halten m\u00f6chte, die in Hinsicht ihres Vorkommens mit den Tuberkeln zu vergleichen sind, die man an den Wurzelfasern der Lemna trisulca beobachtet hat. Bei Riccia purpurascens und R. natans finden sich diese Am Schwellungen an den Enden der st\u00e4rkeren W\u00fcrzeichen,\n' und bei Riccia natans kommen solche Anschwellungen","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nauch in den Spitzen der einfachen Wurzelh\u00e4rchen vor*); Herr Lindenberg hat bei den ersten Anschwellungen beobachtet, dafs sie feine Wiirzelchen treiben, die \u00fcbrigen Verh\u00e4ltnisse derselben sind jedoch noch zu untersuchen.\nDie Entwickelung der Brutknospen bei den Laub- und Lebermoosen hat man schon \u00f6fters verfolgt; sie treiben feine Wurzelh\u00e4rchen, welche wie bei den vollkommenen Pflanzen, durch Ausdehnung der oberfl\u00e4chlich gelegenen Zellen entstehen, und ihre Anzahl richtet sich mehr nach der Gr\u00f6fse der Brutknospe, so zeigen die der Laubmoose und der Jungermannien im Anf\u00e4nge meistens nur ein Wurzelh\u00e4rchen, die der Marchantien pflegen gleich an vielen Punkten auszuwachsen.\nFortpflanzung der Flechten durch Brutk\u00f6rner.\nDurch die sch\u00f6nen Beobachtungen \u00fcber die Flechten, welche wir durch die Herrn G. F. W. Meyer**) und Wall-roth***) erhalten haben, ist es nachgewiesen worden, was auch fr\u00fcher, besonders durch Micheli, schon vielfach ver-muthet wurde, dafs die K\u00f6rnermassen, welche auf der Substanz dieser Gew\u00e4chse oftmals in so grofser Menge her- j vorbrechen, gleichfalls zur Fortpflanzung der Flechten dienen, und mit den Brutknospen der Moose, wie mit den Knospen der h\u00f6heren Pflanzen zu vergleichen sind. Diese Keimk\u00f6rner der Flechten bestehen aus kleinen Zusammen-h\u00e4ufungen von Zellen, welche jedoch niemals jene Regel-m\u00e4fsigkeit zeigen, die wir hei den Brutknospen der Moose sehen. Bei ihrer Entstehung sieht man eine Aufl\u00f6sung eines mehr oder weniger gr\u00f6fseren Theiles der Laubsubstanz, welche ebenso durch Trennung und Zerfallen der\n*) Man sehe Herrn Lindenberg\u2019s Abhandlung \u00fcber die Riccieen. \u2014 Nova Acta Acad. G. L. C. Tom. XVIII pag. 479. Tab. XIX.\nD ie Entwickelung, WIetamorpbose und Fortpflanzung der Flechten. G\u00f6ttingen 1825.\n***) Natur-Geschichte der Flechten. Frankf. a. M. 1825. undNatur-Geschichte der S\u00e4ulchen-Flechten. Nauinb. 1829. pag. 25.","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"59\nfr\u00fcher verbundenen Zellen hervorgeht, wie wir es vorhin bei der Entstehung der Brutk\u00f6rner der Jungermannien nachwiesen. Die H\u00e4ufchen dieser Brutk\u00f6rner, wie sie sich auf der Oberfl\u00e4che der Flechten so gew\u00f6hnlich zeigen, hat Acharius; soredia genannt, aber ihre Bedeutung verkannt.\nDiese Soredien brechen h\u00e4ufig in regelm\u00e4fsigen, kleinen rundlichen Parthien auf, h\u00e4ufig aber auch in unregel-m\u00e4fsigen und unbestimmt begrenzten Massen, was besonders dann der Fall ist, wenn die Bildung derselben an den R\u00e4ndern der Lappen hervorgeht. Gr\u00f6fstentheils geht die Bildung der Brutk\u00f6rner, wie es die genannten Autoren nachgewiesen haben, von der rundzelligenSchicht aus, welche dicht unter der Corticalschicht liegt; diese letztere wird dabei durchbrochen und bildet einen Rand, oder sie nimmt an der K\u00f6rnerbildung selbst Antheil. Herr Meyer beschreibt die Bildung der Soredien in folgender Art: Die K\u00f6rner der gr\u00fcnen Lage (d. i. die unmittelbar unter der Rindenschicht liegenden) fangen an zu schwellen, l\u00f6sen sich und brechen aus ihrer Umgebung hervor. Der untere ungef\u00e4rbte Theil der rundzelligen Schicht nimmt am Ausbruche h\u00e4ufig Theil, indem er den gr\u00fcnen K\u00f6rnern nachfoigt. Am h\u00e4ufigsten durchbrechen die K\u00f6rner die Rindenschicht und lagern sich gr\u00f6fstentheils auf der Oberfl\u00e4che derselben, bald treten sie aus den R\u00e4ndern der Lappen hervor und nur bei wenigen Flechten kommen sie auf der unteren Fl\u00e4che des Laubes vor.\nDurch \u00e4ufsere Umst\u00e4nde scheint die Soredien-Bildung oder das Auftreten der Brutk\u00f6rner bei den Flechten bedingt zu werden; so soll eine feuchte Lage dieselbe beg\u00fcnstigen, was aber wohl nicht als allgemein g\u00fcltig anzusehen sein d\u00fcrfte. Sie treten vor, w\u00e4hrend und nach der eigentlichen Fruchtbildung der Flechten auf, sind aber am h\u00e4ufigsten an nicht fructificirenden Exemplaren zu finden, wo sie oft in solcher Ausdehnung auftreten, dafs die urspr\u00fcngliche Pflanze nicht wieder zu erkennen ist, wodurch Acharius zur Aufstellung der Gattung Variolaria gekommen ist, die","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nnur aus Individuen verschiedener Arten und Gattungen besteht, welche in ihrer ganzen Fl\u00e4che mit Soredien bedeckt sind. In dem genannten Werke des Herrn Wallroth findet man eine sehr grofse Reihe von trefflichen Beobachtungen \u00fcbei^-den vorliegenden Gegenstand, doch ist es sehr zu bedauern, dafs diese so ausgezeichnete Schrift, offenbar ihrer gesuchten Sprache wegen, so schwer verst\u00e4ndlich ist und daher auch so wenig benutzt wird.\nDie Entwickelung der Flechten aus den Brutk\u00f6rnern beschreibe ich nach Herrn Meyer\u2019s Beobachtungen, da es mir nicht gegl\u00fcckt ist dieselben zu wiederholen. Die Entwickelung soll auf doppelte Weise erfolgen*); es wachsen n\u00e4mlich einzelne, der zu einem Keimk\u00f6rnchen vereinigten Zellen durch L\u00e4ngendehnung in einfache ungegliederte bald gekr\u00fcmmte, bald hier und da winkelig geknickte Fasern aus, die bald mehr bald weniger aus der Rundung der K\u00f6rner hervortreten. Die \u00fcbrigen Zellen lockern sich, die K\u00f6rner nehmen an Umfang zu, und zerfallen zum Theil in gesonderte Zellen-Aggregate die zu neuen K\u00f6rnchen anwachsen, indem einzelne Zellchen an den Ber\u00fchrungspunkten zusammenwachsen und ein anschwellendes Kl\u00fcmpchen bilden, welches sich alsbald wieder in locker aggregirte Zellen trennt. Die Faserbildung nimmt w\u00e4hrend dieser Zeit in der unteren bedeckten Lage bemerkbar zu, indem fast alle Zellen der tiefer liegenden K\u00f6rnchen in Fasern auswachsen. Es entstehen auf diese Art unten schichtweise neue Faserlagen, w\u00e4hrend sich oben stets neue K\u00f6rnerlagen bilden. Auf diese Art ist die Wachsthumsweise des pulverigen Lagers aus Keimk\u00f6rnern nachzuweisen, w\u00e4hrend das des blattartigen Lagers nach Herrn Meyer\u2019s Angaben hiervon etwas verschieden ist. Es tritt hier keine Faserbildung ein, oder ihre bisweilen sich zeigende anf\u00e4ngliche Regung schwindet alsbald wieder, indem die locker aggregirten Zellen der K\u00f6rner zu einem von aufsen glatten K\u00f6rnchen zusammenschmelzen. \u2014 Das sehr\n*) S. 1. c. pag. 183.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"61\nkleine K\u00fcgelchen schwillt hierauf bemerkbar an, wird dann durch mehrere Dehnung im Umfange oben etwas flach, und f\u00e4ngt an durch mehreres Vortreten der Substanz an einer oder der anderen, selten an mehreren Stellen zugleich in die Schuppen- oder Lappenform \u00fcberzugehen. jXiimnt die partielle Dehnung mehr zu, so kann man unten zun\u00e4chst am Boden die Entstehung gedehnter Zellen wahrnehmen, mit deren Einfindung der \u00e4ufsere Wachsthum rascher vorschreitet. Es sollen aber nicht nur die einzelnen Brutk\u00f6rner zu neuen Individuen heran wachsen, sondern es sollen auch h\u00e4ufig mehrere an ihren Ber\u00fchrungspunkten verschmelzen und zu einem gemeinschaftlichen Lager anwach sen !\nEs l\u00e4fst sich jedoch nicht im Allgemeinen sagen, welche von beiden Fortpflanzungsweisen, ob n\u00e4mlich die durch die Sporen, oder ob die durch die Brutk\u00f6rner bei den Flechten die gew\u00f6hnlichere sei, sondern es h\u00e4ngt dieses mehr von \u00e4ufseren Verh\u00e4ltnissen ab, so dafs bald die eine, bald die andere die vorherrschende ist.\nFortpflanzung der Char en durch gemmenartige\nGebilde.\nIn meiner kleinen Abhandlung \u00fcber die Gattung Chara, welche ich schon im Jahre 1825, als Student geschrieben und in der Linnaea von 1827 (pag. 55) publicirt habe, findet sich die Angabe, dafs die Fortpflanzung der Charen nicht nur durch die Saamen geschehe, sondern es entwickeln sich auch aus den alten Knoten neue Pfl\u00e4nzchen; ich hatte diese Fortpflanzung bei Chara flexilis L. und Chara barbata mihi beobachtet, woselbst die alten Knoten erst gegen Ende des zweiten Sommers abstarben, nachdem sich im Fr\u00fchjahre die neuen Individuen aus denselben hervorgebildet hatten.\nIm Jahre 1826 ward durch Bertoloni *) eine Chara\n*) Brugnatali Giornale de Physica etc. IX. pag. 208.","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nunter dem Namen Chara ulvoides beschrieben, welche in den untersten Knoten \u00e4ufserst niedliche gez\u00e4hnte R\u00e4derchen von weifser Farbe besitzt, aus einem jeden der weifsen R\u00f6hren dieses Organs geht ein wahrer Stengel hervor. Sp\u00e4ter wurden diese eigenthiimlichen Gebilde durch Herrn Bauer auch bei Berlin entdeckt und zwar an einer Chara, welche Herr Reichenbach f\u00fcr eine Variet\u00e4t der Chara translucens Pers. h\u00e4lt, sicherlich ist dieselbe mit Chara ulvoides Bert, identisch. Diese Gebilde sind \u00fcberaus niedlich gestaltet und Herr Reichenbach hat mehrere vortreffliche Abbildungen derselben am angef\u00fchrten Orte gegeben; sie sind von blendend weifser Farbe und bestehen aus einfachen Zellchen, welche in Form eines Kreises gestellt sind und durch ihre Hervorragungen demselben das Ansehen eines sehr niedlichen Sternes geben. Diese Sterne sind 5-, 6- und 7-strahlig und im Inneren der Zellen ganz und gar mit Amylum-K\u00fcgelchen gef\u00fcllt. Sie treten nicht selten in den Knoten der untersten Glieder des Stengels auf, es ist aber ihr Vorkommen in den Knoten der Wurzeln dieser Charen-Art gegen Ende des Sommers und im Herbste ganz gew\u00f6hnlich; sie sind zuweilen von solcher Gr\u00f6fse, dafs ihr Durchmesser die L\u00e4nge von 3 und 3^ Linie betr\u00e4gt. Im Monate November habe ich diese Sterne, getrennt von den Stengeln, in Wasser gelegt und nach einigen Wochen waren die Spitzen der einzelnen Strahlen in neue Stengel ausgewachsen, welche aber schon abstarben, als sie die L\u00e4nge eines Zolles erreicht hatten, woran aber wahrscheinlich nur die K\u00e4lte Schuld war, welche dieselben an ihrem Standorte dicht am Fenster traf; es sind demnach diese sternf\u00f6rmigen Gebilde als wahre Gemmen anzusehen. Bei anderen Charen-Arten sind diese Sterne noch nicht beobachtet, doch haben Chara syncarpa, flexilis und Chara barbata sehr stark angeschwollene Knoten, und diese zeigen bei genauer Untersuchung eine Menge von\n\u00a5) Iconographia botaniea seu plantae criticae, Cent. IX. Lipsiae 1831. pag. 2. Tab. DCCCV.","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"63\nkleinen Zellen, welche im Rande sitzen und mit Amylum oder etwas gr\u00fcnlich gef\u00e4rbten Amylum-K\u00fcgelchen gef\u00fcllt sind, von denen es mir ganz wahrscheinlich ist, dafs sie ebenfalls zu neuen Schl\u00e4uchen auswachsen k\u00f6nnen.\nDrittes Capitel.\nf Von den verschiedenen Arten der k\u00fcnstlichen individuellen Fortpflanzung.\nI. Vermehrung der Gew\u00e4chse durch Schnitt-\nj\u00bb\n|\tlinge oder Stecklinge.\nDie Vermehrung der Gew\u00e4chse durch Schnittlinge ist die gew\u00f6hnlichste nach der durch Saamen ; man bezeichnet sie gew\u00f6hnlich unter dem Namen der Vermehrung durch Theilung, w\u00e4hrend sie in der That eine Vermehrung durch Knospen ist, denn gew\u00f6hnlich werden die Schnittlinge mit ausgebildeten Knospen und Bl\u00e4ttern eingesetzt. Der Baum von welchem der Schnittling genommen wurde, ist durch m diese Operation allerdings durch Theilung vermehrt, aber man hat dabei einen Theil der Achse (des Stammes oder dessen Aeste) mit mehreren darauf sitzenden Knospen, das sind Keimen zu neuen Individuen, abgenommen, und :\tdiese Knospen werden zur selbstst\u00e4ndigen Entwickelung\nveranlafst. Diese Vermehrung der Gew\u00e4chse durch Schnittlinge, Stecklinge, Absenker u. s. w., welche von G\u00e4rtnern und Landwirthen, wie von jedem Blumenliebhaber ganz gew\u00f6hnlich ausgef\u00fchrt wird, ist zwar im Allgemeinen sehr bekannt, doch halte ich es f\u00fcr n\u00f6thig, dafs dieser Gegenstand auch von der theoretischen Seite behandelt wird; es wird sich zeigen, dafs auch hier Theorie und Praxis zur vorteilhafteren Ausf\u00fchrung des Zweckes Hand in Hand gehen m\u00fcssen. Schon in der Mitte des vorigen Jahrhun-","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nderts ist dieser Gegenstand durch Du Hamei*) f\u00fcr den damaligen Zustand der W issenschaft auf die geistreichste Weise behandelt worden, aber jene herrliche Arbeit kommt in neueren Zeiten sehr in Vergessenheit.\nDie Vermehrung der Gew\u00e4chse durch Schnittlinge geschieht bei Monocotyledonen und bei Dicotyledonen, sowohl an B\u00e4umen, als au Str\u00e4uchern, Halbstr\u00e4uchern wie mitunter auch an krautartigen Gew\u00e4chsen, und man verfertigt die Schnittlinge aus dem Stengel oder den Aesten, so wie auch aus den Wurzeln dieser Gew\u00e4chse, doch verh\u00e4lt sich der Erfolg bei der Anwendung dieser verschiedenen Arten bei verschiedenen Gew\u00e4chsen sehr verschieden, wie dieses die praktischen Erfahrungen der G\u00e4rtner lehren, wobei aber auch oThatsachen zum Vorschein gekommen sind, welche die Theorie noch nicht erkl\u00e4ren kann.\nMan wendet die Vermehrung der Gew\u00e4chse durch Stecklinge aus verschiedenen Gr\u00fcnden an. Durch Schnittlinge kommt man schneller zum Ziele, was besonders bei Gew\u00e4chsen mit n\u00fctzlichen Fr\u00fcchten sehr zu ber\u00fccksichtigen ist. Durch Schnittlinge, wie \u00fcberhaupt durch Vermehrung durch Knospen, pflanzt man das Individuum mit allen seinen Eigenschaften, Vollkommenheiten und Fehlern fort, was durch Saamen bekanntlich in niederem Grade stattfindet. Ferner kann die Vermehrung solcher Gew\u00e4chse, welche aus irgend einer Ursache nicht Fr\u00fcchte tragen, nur auf diese Weise, n\u00e4mlich durch Schnittlinge am vor-theilhaftesten ausgefiihrt werden. Es lassen sich keine theoretischen Gr\u00fcnde aufstellen, wefshalb nicht alle B\u00e4ume und Str\u00e4ucher durch Schnittlinge, welche man in die Erde steckt, vermehrt werden k\u00f6nnten, und dennoch lehrt die praktische Erfahrung, dafs dieses bei einigen Gew\u00e4chsen der Art, besonders bei hoch kultivirten h\u00f6chst schwierig, ja oftmals fast unm\u00f6glich auszufiihren ist. Dieses mag haupts\u00e4chlich die Ursache sein, dafs man bei der Vermeh-\n*) Die Naiur - Geschichte der B\u00e4ume u. s, w. N\u00fcrnberg 1765. H. pag, 75 \u2014 106.","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"65\nrung durch Schnittlinge zwei Methoden in Anwendung gesetzt hat: Man pflanzt n\u00e4mlich die Schnittlinge unmittelbar in die Erde, oder man pflanzt sie auf die Achse (den Stamm, dessen Verl\u00e4ngerung und dessen Aeste) \u00e4hnlicher Gew\u00e4chse. Diese letztere Methode belegt man mit dem Namen des Pfropfens und den dazu benutzenden Schnittling nennt man das Pfropfreis; dem Wesen nach geh\u00f6ren beide Methoden zusammen, und die Verschiedenheit in den Erscheinungen, welche sie zeigen, werden wir im Folgenden n\u00e4her kennen lernen.\nVermehrung durch eigentliche Schnittlinge.\nDie eigentlichen Schnittlinge werden in die Erde gesetzt um sie daselbst zur Entwickelung von Beiwurzeln\n*\tzu treiben, durch welche sie sp\u00e4ter ern\u00e4hrt werden. Wir haben im vorigen Theile dieses Buches kennen gelernt, dafs abgeschnittene Aeste nicht, wie die Wurzeln der Gew\u00e4chse, das ihnen dargebotene Wasser durch Endosmose der Zellen einnehmen, sondern dafs die Aufsaugung der rohen Nahrungsfl\u00fcssigkeit in Folge der Transpiration ihrer Oberfl\u00e4che erfolgt, und dafs die aufgenommene Fl\u00fcssigkeit unmittelbar in den Spiralr\u00f6hren in die H\u00f6he steigt. Es\n*\tist n\u00f6thig, dafs die Schnittlinge so schnell als m\u00f6glich in die feuchte Erde gesetzt werden, und meistens wird es sehr vortheilhaft sein, wenn sie in einem sehr feuchten Raume von der Mutterpflanze abgenommen werden, denn\n- dm Transpiration dauert an dem abgenommenen Schnittlinge ganz nach dem Grade des Feuchtigkeits-Zustandes der umgebenden Luft fort; verdunsten die Oberfl\u00e4chen des Schnittlinges viel, so mufs die Feuchtigkeit aus dem un-\n*\tteren Theile des Stengels ausgezogen werden, worauf die Luft in denselben hineintritt; und wir haben im vorigen Bande pag. 73 kennen gelernt, dafs nur sehr kr\u00e4ftige Schnittlinge im Stande sind das Wasser aufzunehmen, wenn sich in den Enden ihrer durchschnittenen Gef\u00e4fse Luft\n~ befindet. In dem schon angef\u00fchrten Werke von Du Hamei,\nMe y en. PH, Physiol. Ill,\t5","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nso wie in der lobenswerten praktischen Arbeit der G\u00e4rtner des botanischen Gartens zu Berlin *) findet man eine grofse Menge von praktischen Erfahrungen \u00fcber diesen Gegenstand aufgezeichnet, welche mit der Theorie sehr gut zu vereinigen sind. Man w\u00e4hle kr\u00e4ftige Aeste zu den Schnittlingen, doch darf die Zahl der Bl\u00e4tter an denselben nicht zu grofs sein, weil eine zu starke Verdunstung derselben den Knospen sch\u00e4dlich ist; bei kleinen Schnittlingen werthvoller Gew\u00e4chse, kann man diese Verdunstung durch Bedeckung mit Glasglocken und Schutz gegen die Sonne verhindern, was bei hinreichend hoher Sommerw\u00e4rme stets sehr vortheilhaft ist. Die Zeit, in welcher die Schnittlinge angefertigt werden m\u00fcssen, ist nach dem Alter der Triebe, welche dazu verwendet werden sollen, sehr verschieden; im Allgemeinen ist die Zeit, gleich nach dem Erh\u00e4rten des Holzringes, f\u00fcr die jungen Triebe die passendste, denn sobald der Holzring gebildet ist, findet die Ablagerung der Reservenahrung in den Bl\u00e4ttern und von hier aus nach den verschiedenen, dazu bestimmten Theilen des Stengels statt. Bei den Gew\u00e4chsen mit immergr\u00fcnenden Bl\u00e4ttern tritt dieser Zeitpunkt etwas fr\u00fcher ein, aber durchschnittlich kann man f\u00fcr unsere Gegenden annehmen, dafs in den Monaten August und September die passendste Zeit f\u00fcr die Vermehrung durch wahre Schnittlinge ist, und aus einem und demselben Grunde f\u00e4llt diese Zeit mit jener zusammen, in welcher die Gew\u00e4chse zu den Treibereien im Winter eingesetzt werden m\u00fcssen, wor\u00fcber im zweiten Theile pag. 365 die Rede war.\nEs ist gegenw\u00e4rtig eine fest stehende Thatsache, dafs die Bildung der Wurzeln durch den herabsteigenden Saft erfolgt, welcher in den Bl\u00e4ttern der Pflanze zubereitet ist, und man ist durch verschiedene Operationen verm\u00f6gend diese WTurzelbildung an irgend einer Stelle hervorzurufen, ja durch Unterbindung der Rinde u. s. w. zu bef\u00f6rdern,\n*) S. die gekr\u00f6nte Preisschrift \u00fcber das beste Verfahren Pflanzen durch Stecklinge zu vermehren. \u2014 Verhandlungen des Gartenbau-Vereins in den K\u00f6nigl. Preufs. Staaten. Berlin 1837. XIU. pag. 7.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"67\noder auch durch Wegnahme der Bl\u00e4tter ganz zu unterdr\u00fccken, setzt man nun einen Steckling mit frischen Bl\u00e4ttern, gleich nach der Ausbildung des Holzringes in die Erde und verhindert das Absterben desselben durch die Verdunstung, so steigt der in den Bl\u00e4ttern angeh\u00e4ufte Nahrungs- und Bildungssaft durch die inneren Schichten der Rinde und dem j\u00fcngsten Holze herab, und es treten Beiwurzeln aus der Oberfl\u00e4che des Holzes hervor, so weit der Steckling mit feuchter Erde umgeben ist. Die Zeit jedoch, in welcher es bis zum Ausbruche der Wurzeln kommt, und der Ort wo dieselben hervorkommen, ist bei verschiedenen Pflanzen wieder sehr verschieden; einige wurzeln leicht, andere dagegen sehr schwer.\nN\u00e4chst der Herbstzeit ist auch das fr\u00fcheste Fr\u00fchjahr f\u00fcr die Abnahme der Schnittlinge passend, denn so lange, bis dafs der Saft in den Gew\u00e4chsen steigt, ist in dem Holze derselben, besonders in der N\u00e4he der Knospen und in den Markstrahlen, sowie oftmals auch im Marke und selbst in den Holzzellen, eine grofse Menge von Amylum abgelagert, welche zu Zucker und Gummi aufgel\u00f6st und zur Ausbildung der jungen Triebe verwendet wird. Bei diesen Fr\u00fchlings-Schnittlingen bilden sich jedoch die Wurzeln erst mit der Ausbildung der Bl\u00e4tter, und sind die Pflanzen sehr zart, so gehen die Schnittlinge derselben schon fr\u00fcher ein, als bis es zur Wurzelbildung kommt.\nBei denjenigen B\u00e4umen, deren Schnittlinge sehr lange Zeit zum Wurzeltreiben bed\u00fcrfen und oftmals, wie bei den Coniferen und anderen Gew\u00e4chsen mehrere Jahre hindurch unbewurzeit in der Erde stehen, da hat man die vorherige Unterbindung der Rinde desjenigen Theiles empfohlen, den man sp\u00e4ter als Schnittling benutzen will. Du Hamei hat hiervon die vorteilhafteste Wirkung beobachtet, und noch dazu an sehr dicken Schnittlingen. Die Unterbindungen der Rinde m\u00fcssen aber mit einem sehr festen Materiale ausgef\u00fchrt werden, feiner Bindfaden\n\u00a5) 1. c. II. pag. 86.","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nist dazu zu schwach, dagegen fester Drath sehr passend. Die Folgen solcher Unterbindung sind \u00fcbereinstimmend mit jenen die durch ringf\u00f6rmige Entrindungen hervorgerufen werden, und schon in den vorhergehenden Theilen dieses Buches *) vielfach betrachtet wurden. Oberhalb der Unterbindung bildet sich jedesmal eine Wulst, welche aus der herabgestiegenen neuen Holzmasse und Rindensubsfcanz besteht, wenn die Unterbindung w\u00e4hrend der Zeit der Holzbildung stattfand; unterband man nach vollendeter Bildung des neuen Holzringes und schneidet den Ast im folgenden Fr\u00fchlinge ab, so ist die Wulst oberhalb der Unterbindung sehr gering und besteht aus einer Wucherung der inneren Schichten des Rinden-Parenchymes, welche durch die Stockung des herabsteigenden Saftes hervorgerufen wurde. 1 Schneidet man diese Schnittlinge dicht unter der Wulst ab und setzt sie in die Erde, so kommen an jener Wulst mehr Wurzeln zum Vorschein, als es gew\u00f6hnlich der Fall ist, und der Ausbruch derselben wird dadurch ebenfalls sehr beschleunigt (offenbar durch die Anh\u00e4ufung des herabgestiegenen Bildungssaftes in jener Wulst); die Beiwurzeln brechen bald durch die Substanz der Wulst hindurch, bald \u00fcber derselben aus der normalen Rinde, sie 1 nehmen aber stets ihren Ursprung von der Oberfl\u00e4che der j\u00fcngsten Holzschicht.\nSetzt man gew\u00f6hnliche Schnittlinge ohne die so eben angegebene Vorbereitung in die Erde und beobachtet die i Enden derselben von Zeit zu Zeit, so wird man bemerken, dafs sich an denselben, von der inneren Rindenschicht aus eine mehr oder weniger schnell wachsende Wulst allm\u00e4lich ausbildet, sie nimmt alsbald ein gelbbr\u00e4unliches und endlich ein braunes Ansehen an und vergr\u00f6fsert sich bei vielen Gew\u00e4chsen, besonders bei denen mit immergr\u00fcnenden Bl\u00e4ttern, als bei den Myrtaceen, den Coniferen u. s. w. so bedeutend, dafs sie endlich die ganze Schnittfl\u00e4che des Schnittlinges mit einer knorpelharten kugelf\u00f6rmigen, zu-\n*) 1. pag. 396. und II. pag. 359 etc.","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"69\nweilen mit vielen Ausw\u00fcchsen versehenen Masse vollst\u00e4ndig bekleidet, ja oftmals noch weit \u00fcber den Schnittrand der Rinde hinausragt. Diese Wulst wird in der G\u00e4rtner-Sprache Callus genannt; sie besteht in einer blofsen Wucherung des inneren Rinden-Parenchymes, dessen Zellen auf der Oberfl\u00e4che die braune Farbe der Korkschicht annehmen und eine sehr bedeutende Festigkeit ihrer Membranen zeigen; es ist dieselbe wuchernde Rindenmasse, wodurch Verletzungen der inneren Rindenschichten und selbst oberfl\u00e4chliche Wunden im Holzk\u00f6rper \u00e4ufserst schnell ausgef\u00fcllt werden, und sie tritt an den oberen, wie an den unteren und an den seitlichen Schnittfl\u00e4chen der Rinde hervor, an der unteren und der seitlichen jedoch, wegen der Stauchung des herabsteigenden Saftes in um so gr\u00f6-fserer Masse, wenn der Schnittling frisch erhalten wird und f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit assimilirte Nahrungsstoffe in Reserve enth\u00e4lt.\nMan hat diese Rindenwulst an der Basis der Schnittfl\u00e4che meistens als ein Hindernifs f\u00fcr die Entwickelung der Wurzeln angesehen, oft wird dieselbe aber von den Praktikern als Erfordernifs zur Bildung der Wurzeln betrachtet, ja sie sehen das Erscheinen derselben als ein sicheres Kennzeichen an, dafs der Schnittling Wurzel fassen wird; doch schwerlich kann man der einen oder der anderen dieser Ansichten beistimmen, denn die Wucherung der inneren Rindenschichten und die Wurzelbildung bei den Schnittlingen, hat zwar eine und dieselbe Ursache zum Grunde, doch wefshalb die eine Pflanze leichter Wurzel bildet, als die andere, das ist ebenso unerkl\u00e4rbar, als die verschiedene Fruchtbarkeit der verschiedenen Gew\u00e4chse. Du Hamei hat in Hinsicht dieser Wulstbildung verschiedene Versuche angestellt, welche sehr leicht wiederholt werden k\u00f6nnen; er schnitt an verschiedenen Schnittlingen einen Theil der Rinde auf verschiedene Weise ab, womit der Schnittling in die Erde kam ; die Wulstbildung folgte allen Wendungen der abgeschnittenen Rinde und war am bedeutendsten, wenn der Ausschnitt der Rinde senkrecht auf den Holzk\u00f6rper","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nfiel. In Folge einer spiralf\u00f6rmigen Entrindung jenes Thei- : les des Schnittlinges zeigte sich die Rinden-Wucherung, bei einem Weiden-Schnittlinge, an dem oberen Rande und es kamen viele Wurzeln hervor.\nWenn man fleischige, sehr saftreiche Gew\u00e4chse, wie Cactus-Arten durch Schnittlinge vermehren will, so bedarf * es weniger Vorsichtsmafsregeln, ja es ist nicht nur vorteilhaft sondern sogar meistens sehr noting, dafs man die Schnittlinge vorher in der freien Luft abtrockenen lafst. Das Zellengewebe dieser Pflanzen hat n\u00e4mlich so viel Feuchtigkeit und Nahrung f\u00fcr die Entwickelung der Knospen in sich, dafs die Einsaugung des rohen Nahrungssaftes in der ersteren Zeit nicht nur gar nicht noting ist, und die Schnittlinge faulen nur, wenn man sie frisch einsetzt. In -der schon fr\u00fcher angef\u00fchrten Preisschrift \u00fcber die Vermehrung der Stecklinge findet man auf Seite 26 die Angabe, dafs die Mammillarien sehr vorteilhaft aus einzelnen Warzen vermehrt werden k\u00f6nnen. Diese Warzen sind aber auch nichts weiter, als seitliche, aus dem Stamme mehr oder weniger weit hinausgeschobene Knospen. In jener Abhandlung wird auch gelehrt, dafs man die Schnittlinge der Milchsaft-f\u00fchrenden Pflanzen zuerst abtrocknen ! lassen m\u00fcsse, ehe sie eingesetzt werden; dieses beruhet aber wohl auf die sch\u00e4dliche Wirkung, welche der Milchsaft der meisten Pflanzen auf die Vegetation zeigt, wenn derselbe eingesaugt und zu den Bl\u00e4ttern gef\u00fchrt wird. i\nDie Vermehrung der Monocotyledonen durch Schnitt- -linge ist im Allgemeinen nicht so gebr\u00e4uchlich, als die der Dicotyledonen, und wird meistens auch nur bei soi- -eben Gattungen m\u00f6glich, wo der Stengel aus den Knoten Aeste treibt. Einige f\u00fcr die menschliche Gesellschaft besonders wichtige Monocotyledonen, als das Zuckerrohr und die Pfeffer-Pflanze werden durch Stecklinge fortge- -pflanzt, wenn sie schnellen und reichen Ertrag liefern sollen. Herr Schultz *) erz\u00e4hlt uns zwar, dafs das Zucker-\n\u00a5) Die Natur der lebendigen Pflanze. II. pag. 275.","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"71\nrohr in St. Domingo nur durch Saamen fortgepflanzt werden kann, doch diese Angabe beruht ebenfalls auf einen Irrthum. Bei der Pfeffer-Pflanze ist ein einzelnes Internodium des Ausl\u00e4ufers der alten Pflanze zur Vermehrung hinreichend, doch nach Verlauf von 3 Jahren, wenn die neuen Pflanzen eine H\u00f6he von 8 \u201412 Fufs erreicht haben und Fr\u00fcchte zu tragen anfangen, schneidet man die ganze Pflanze ab und legt sie horizontal, in Form eines Zirkels in die Erde, worauf die ganze Pflanze von Neuem treibt und reichlichere Fr\u00fcchte tr\u00e4gt *). Auch die Vermehrung des Zuckerrohres geschieht durch Stecklinge, welche man aus dem Schafte der ausgewachsenen Pflanze von 2 \u2014 3 Fufs L\u00e4nge verfertigt und entweder horizontal oder auch vertical einsetzt. Sowohl die Wurzeln, als besonders die Knospen treiben hier fast immer genau aus den Knoten hervor. Dracaena terminalis, deren Knollen auf den Siidsee-Inseln zu berauschenden Getr\u00e4nken benuzt werden, schneidet man an der Basis des Stammes ab und steckt diesen wieder in die Erde, worauf derselbe von Neuem Wurzel treibt und Knollen bildet, die man wieder wie die Vorhergegangenen abnehmen kann.\nBei dergleichen Gew\u00e4chsen, welche unterirdische Stengel treiben, als bei den Gattungen Spiraea, Rosa, Syringa, Cor-chorus u. s. w. da ist die Vermehrung durch Wurzel-Schnittlinge, welche man von diesen unterirdischen Stengeln anfertigt, dem Wesentlichen ganz \u00fcbereinstimmend mit jenen durch Stengel-Schnittlingen, und da auch kriechende Wurzeln unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden Knospen entwickeln, so k\u00f6nnen auch diese zur Vermehrung durch Schnittlinge dienen. Man kann aber auch Wurzeln mit sogenannten verborgenen Knospen zu Schnittlingen benutzen, und schon Du Hamei f\u00fchrt an, und \u00e4hnliche F\u00e4lle sind gewifs von jedem Botaniker beobachtet worden, dafs ent-bl\u00f6fste Ulmen-Wurzeln, wenn sie an die Luft kommen, Zweige austreiben. In der angef\u00fchrten Preisschrift \u00fcber\n*) S. Meyen\u2019s Pflanzen-Geographie, pag. 465.","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\ndie Vermehrung durch Stecklinge wird eine grofse Zahl von sehr verschiedenartigen Pflanzen aufgef\u00fchrt, welche durch Wurzel-Stecklinge niemals fehlschlagen; es werden hiezu die st\u00e4rkeren Wurzeln benutzt, deren Wurzelfasern abgeschnitten werden, und deren obere Enden etwas \u00fcber die Oberfl\u00e4che der Erde hervorragen. Schon Agricola, in dem schon fr\u00fcher angef\u00fchrten Werke (II. pag. 6.) r\u00fchmt die Vermehrung der Pflanzen durch Wurzel-Schnittlinge und glaubt, dafs man dieselbe als Universal-Vermehrungs-Methode anempfehlen k\u00f6nne.\nDu Hamei f\u00fchrt mehrere F\u00e4lle der auffallendsten Vermehrung durch Wurzel-Schnittlinge an*); so kann man die Wurzel der Campanella pyramidalis in Scheiben zerschneiden und aus jeder Scheibe eine neue Pflanze ziehen, ja der Meer-Rettig kann w\u00fcrfelf\u00f6rmig zerschnitten werden und aus jedem dieser Theile erhalte man eine neue Pflanze!\nVermehrung durch Pfropfreiser.\nIch habe schon im vorigen Abschnitte angegeben, dafs die Vermehrung durch Schnittlinge und durch Pfropfreiser dem Wesentlichen nach ganz \u00fcbereinstimmend ist; die letztere Operation nennt man das Pfropfen, oder auch das Pfropfen mit Zweigen oder Reisern. Die eigentlichen Schnittlinge setzt man in die Erde zum Wurzeltreiben, die Pfropfreiser setzt man dagegen auf andere \u00e4hnliche Gew\u00e4chse, damit sie mit diesen verwachsen und dadu rchdie Organe zur Aufnahme der Nahrung erhalten. Die Schnittlinge verfertigte man im Allgemeinen von bebl\u00e4tterten Aesten, die Pfropfreiser dagegen werden im Allgemeinen nur von blattlosen, mit Knospen versehenen Spitzen der Aeste junger B\u00e4ume oder anderer Pflanzen abgeschnitten. Da man diese Vermehrungsweise gew\u00f6hnlich zur Veredelung schlechterer Gew\u00e4chse benutzt, so nennt man dasjenige Individuum, worauf das Pfropfreis\n*) S. dessen Natur-Geschichte der B\u00e4ume u. s. w. II. pag. 143.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"73\ngepflanzt wird, den Wildling; da diese Benennung aber nicht allgemein passend ist, wie wir im Folgenden sehen werden, so haben die Neueren die Benennung: Subject f\u00fcr diejenige Pflanze vorgeschlagen, worauf ein anderes Gew\u00e4chs gepflanzt wird.\nPfropfreiser schneidet man schon in den Winter-Monaten, ja wenn sie weit versendet werden m\u00fcssen, selbst in der sp\u00e4ten Herbstzeit von ihren Mutterpflanzen ab, und es werden dazu meistens die Zweige vom letzten Triebe genommen, doch ist in anderen F\u00e4llen auch das zweij\u00e4h-rige Holz sehr-' vorteilhaft anzuwenden. Je d\u00fcnner das Subject ist, um so weniger Augen lasse man dem Pfropfreise, und bei Obstb\u00e4umen lehren Praktiker, dafs man nie \u00fcber 4 Augen stehen lassen soll. Die Wahl in der Form \u201e.und dem Alter dieser Zweige, so wie in dem Alter der fl Mutterpflanze von welcher man die Pfropfreiser abschneidet, richtet sich nach dem Zwecke, welchen man zu erlangen strebt, und hier\u00fcber lehren die pr\u00e4chtigen Werke \u00fcber die G\u00e4rtnerei u. s. w. Die Aufbewahrung der Pfropfreiser bis zu ihrer Benutzung geschieht in einem feuchten, aber luftigen Raume, oder man steckt sie einige Zoll tief in die Erde und sch\u00fctzt sie gegen den Frost.\nUm die Vereinigung des Pfropfreises mit dem Sub-jecte zu bewirken, wendet man verschiedene Methoden an, welche ich in der K\u00fcrze auff\u00fchren mufs um dann zu zeigen, dafs sie alle auf einem und demselben Principe beruhen.\n1) Das Pfropfen in den Spalt. Diese Methode kann schon sehr fr\u00fch, noch lange vor dem Steigen des Saftes ausgef\u00fchrt werden. Das Subject, welches bepflanzt werden soll, ist entweder an seinem Stamme oder an sei-\u00ce nen Aesten horizontal abgeschnitten, und in diese beschnittenen Enden bringt man die Spalten an, worin die, an ihren Enden f\u00fcr die Spalte passend beschnittenen (im Allgemeinen keulf\u00f6rmig) Pfropfreiser eingesteckt werden. Auf die Schnittfl\u00e4chen junger Subjecte, deren Stamm noch sehr geringe Dimensionen hat, setzt man jedesmal","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nein einzelnes Pfropfreis, ist aber der Stamm sehr bedeutend dick, so kann man mehrere aufsetzen, was sich ganz nach der Dicke desselben richtet; man nennt die Pfropf-Methode, wo mehrere Pfropfreiser rund im Umfange des Stammes befindlich sind: Kr\u00f6n- oder Kopf-Pfropfungen.\t7\nBei diesem Pfropfen, so wie bei allen anderen Methoden des Pfropfens und des Oculirens, wovon sp\u00e4ter die Rede sein wird, hat man genau darauf zu achten, dafs sich, bei dem Aufsetzen des Pfropfreises auf das Subject stets gleichartige Theile ber\u00fchren, dafs also Holz auf Holz, Splint auf Splint und dafs vorz\u00fcglich die inneren Rindenschichten der beiden Individuen sich sorgf\u00e4ltig ber\u00fchren. Sind Pfropfreis und Subject von gleicher Dicke, so ist i dieses sehr leicht auszuf\u00fchren, wenn die Schnittfl\u00e4chen des Pfropfreises denen des Subjects vollkommen entsprechen, wobei sehr ^scharfe Messer angewendet werden m\u00fcssen, damit die verschiedenen durchschnittenen Elementar-Organe offen bleiben und nicht durch Quetschung die nat\u00fcrliche Richtung verlieren. In solchen F\u00e4llen, wo Subject und Pfropfreis von gleicher Dicke sind, kann man erstens sehr vortheilhaft keulf\u00f6rmig zuspitzen und am Pfropfreis j die entsprechende Spalte anbringen.\nZur Befestigung des Pfropfreises, so wie die Verdunstung an den Schnittfl\u00e4chen zu verh\u00fcten, wird die ganze Wunde umbunden und mit verschiedenen Substanzen, als\n'\t9\nBaumwachs u. s. w. beklebt, worauf man den Erfolg der Pfropfung abwartet.\nDiese Methode ist in der neueren Zeit f\u00fcr die Gartenkunst abermals besonders wichtig geworden, indem sich fast alle Pfropfungen und Oculirungen krautartiger Gew\u00e4chse hierauf st\u00fctzen, durch welche sich Tschudy*), Fourquet **) und viele Neuere bleibende Verdienste erworben haben. Man pfropft gegenw\u00e4rtig nach den Angaben\n*) Essai sur la greffe de l\u2019herbe des plantes et des arbres. I. 1819.\nAnnales de l\u2019institut horticole de Froraont. 1829. pag. 39.","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"der so eben genannten Gartenfreunde nicht nur die jungen krautartigen Triebe der B\u00e4ume, sondern selbst einj\u00e4hrige Pflanzen lassen sich nach jener Methode sehr leicht auf einander pfropfen, und hiebei verdient das Pfropfen auf knollenf\u00f6rmig verdickte Wurzeln besondere Aufmerksamkeit, welches gegenw\u00e4rtig bei den Georginen (Dahlien) und den Paeonien ganz allgemein im Gebrauche ist. Das Gelingen dieser Kraut-Pfropfungen h\u00e4ngt haupts\u00e4chlich davon ab, dafs die Knospen des Pfropfreises genau auf diejenige Stelle zu stehen kommen, wo die des Subjectes stehen w\u00fcrden, wobei noch die Kreuzung der Bl\u00e4tter zwischen dem Sub-w ject und dem Pfropfreise statt finden mufs.\n2)\tDasPfropfen in die Rinde; man wendet diese Methode bei sehr dicken, alten B\u00e4umen an, welche nahe der Wurzel abgeschnitten werden, oder auch an jungen\nJ| St\u00e4mmchen, denen man die Aeste l\u00e4fst, oder doch nur einige derselben abschneidet. Das Pfropfen in die Rinde kann nur zur Zeit geschehen, wenn das Subject im Safte steht und sich die Rinde vom Holze leicht l\u00f6sen l\u00e4fst. Besteht das Subject in einem abgeschnittenen dicken Stamme, so wird die Rinde an mehreren Stellen des Umfanges leicht gel\u00f6st, und in diese Spalten setzt man die spitz zugeschnittenen Pfropfreiser, wobei sich Holz mit Holz ber\u00fchren s mufs. Pfropft man auf der Seite eines jungen St\u00e4mmchens, so schneidet man in die Rinde in Form eines T und l\u00f6st die Lappen der Rinde etwas ab, worauf der fein zugespitzte Zweig dazwischen geschoben wird.\n3)\tDas Copuliren oder das Pfropfen auf schr\u00e4gen Schnittfl\u00e4chen. Diese Methode wird gegenw\u00e4rtig von den Praktikern als die sicherste, den B\u00e4umen am zutr\u00e4glichsten, und geschwindeste anempfohlen; sie\n* kann das ganze Jahr hindurch angewendet werden und gelingt fast immer. Am entsprechendsten ist diese Methode in solchen F\u00e4llen, wo Pfropfreis und Subject von gleicher Dicke sind, doch schadet es nicht sehr, wenn auch das Subject st\u00e4rker ist, als das Pfropfreis. Um die Copulirung auszuf\u00fchren, schneidet man das Subject und","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\ndas Pfropfreis in einem schr\u00e4gen, ungef\u00e4hr 1\u20141.} Zoll langen Schnitte durch und legt die Schnittfl\u00e4chen so aufeinander, dafs sich die inneren Rindenschichten und die R\u00e4nder des jungen Holzringes gegenseitig ber\u00fchren. Eine gute Befestigung ist bei dieser Methode besonders n\u00f6thig. Copulirt man nach der Ausbildung des Holzringes, so nennt man die Methode Pfropfen mit schlafendem Auge (Knospe), und dann kommen die Knospen erst im n\u00e4chsten Jahre zur Entwickelung. Diese Methode des Pfropfens ist so \u00e4ufserst vorteilhaft, dafs man bei Pflanzen mit dicken, lederartigen Bl\u00e4ttern, welche wenig trans-piriren, wie die Orangen, nicht nur Zweige pfropft, welche ganz bebl\u00e4ttert sind, sondern auch Zweige mit Bliithen und Fr\u00fcchten; die Operation gelingt sehr h\u00e4ufig wenn sie schnell ausgef\u00fchrt wird, und die Schnittfl\u00e4chen genau aufeinander liegen, damit sich nicht Luft dazwischen setzen kann.\nDas Copuliren wendet man auch bei Wurzeln an (Wurzel-Copulation), wozu Wurzeln von der Dicke eines Federkiels bis zu der eines Daumens benutzt; man nimmt Wurzelst\u00f6cke von 4 Zoll L\u00e4nge und dar\u00fcber, welche mit einigen Haarwurzeln versehen sind und f\u00fchrt die Operation wie gew\u00f6hnlich aus. Die Vereinigungsstelle mufs in der Erde bleiben, aber gut wasserdicht verschlossen sein; gew\u00f6hnlich treiben hiebei die Propfreiser sehr bald eigene Wurzeln und es bleibt dann ein gew\u00f6hnlicher Steckling zur\u00fcck.\nVon dieser Methode ist dem Wesen nach die folgende nicht verschieden:\n4) D as Pfropfen auf horizontaler Schnitt-fl\u00e4che. Diese Methode kann nur zur Zeit, wenn die Pflanzen im Safte stehen und die Rinde sich l\u00f6st, in Anwendung gesetzt werden, und zwar nur in solchen F\u00e4llen, wo Pfropfreis und Subject von gleicher Dicke sind. An dem Ende des abgeschnittenen Subjectes nehme man einen breiten Rindenstreifen ringsumher ab und setze auf diese entbl\u00f6fste Holzfl\u00e4che den horizontal abgeschnittenen Zweig","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"77\nmit einer daran h\u00e4ngenden, entsprechend langen Rindenr\u00f6hre, worauf die Befestigung durch Seitenschienen geschehen mufs, und auch der Verband wie in anderen F\u00e4llen auszuf\u00fchren ist. Ich machte einen solchen V ersuch vor vielen Jahren mit einem Weidenaste, welcher vollkommen gelang, und wurde durch Du HameFs Angaben \u00fcber das Pfropfen mit dem R\u00f6hrlein darauf gef\u00fchrt, welches wir bei den Abschnitten von dem Oculiren n\u00e4her anf\u00fchren werden; die Anfertigung des passenden Pfropfreises hat allerdings einige Schwierigkeiten. An dem Ende des Pfropfreises spaltete ich auf den zwei entgegengesetz-* ten Seiten die Rinde durch L\u00e4ngenschnitte, zog dann die zwei L\u00e4ngenstreifen der Rinde entsprechend weit ab, schnitt den entbl\u00f6fsten Holzk\u00f6rper mit horizontaler Schnittfl\u00e4che aus und befestigte die herabh\u00e4ngenden Rindenlappen um j die entbl\u00f6fste Fl\u00e4che des Subjects.\n5) Das Ablactiren oder Absaugen. Diese Methode wird in neueren Zeiten weniger h\u00e4ufig ausgef\u00fchrt, als fr\u00fcher, obgleich sie sehr sicher ist, aber auch durch die Umst\u00e4nde h\u00e4ufig erschwert wird; sie besteht darin, dafs man die unabgeschnittenen Zweige zweier, neben einander stehender Gew\u00e4chse zum Verwachsen bringt, worauf dann das Pfropfreis abgeschnitten wird. Um das Zusam-& menwachsen neben einander stehender Zweige zu bewirken, ist nichts weiter n\u00f6thig, als die Rinde bis auf den Holzk\u00f6rper an der Ber\u00fchrungsstelle zu entfernen, worauf die Zweige durch die herabsteigenden neuen Holzschichten mit einander vereinigt werden. \"Wird hierauf das Pfropfreis von der Mutterpflanze abgeschnitten, so wird es von dem Subjecte ern\u00e4hrt. Ein solches Verwachsen d\u00fcnner Aeste findet in der Natur nicht selten statt, aber besonders \u00bb h\u00e4ufig, ja durchg\u00e4ngig ist es in tropischen W\u00e4ldern, besonders bei einigen Familien von Pflanzen zu finden*), wo schon durch die anhaltende Ber\u00fchrung die Rinden der nebeneinanderliegenden Aeste verschwinden und hierauf die\n*) S. Meyen\u2019s Grundrifs der Pflanzen-Geograpbie. pag. 194.","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nVerwachsung durch die neuen Holzschichten erfolgt. Man trifft dort nicht selten, dafs mehrere Aeste, selbst 4 und 5, rund um den Umfang eines in der Mitte stehenden Astes verwachsen. Eine h\u00f6chst interessante Beobachtung der Art hat uns Herr Turpin*) \u00fcber das Verwachsen der Luftwurzeln der Clusia rosea L. mitgetheilt; diese parasitische Pflanze treibt Wurzeln aus, welche in die Erde herabsteigen, oft aus H\u00f6hen von 80 \u2014 100 Fufs, und daselbst Seitenwurzeln treiben, w\u00e4hrend der in der Luft bleibende Theil Aeste hervorbringt. Nachdem diese Luftwurzeln eigene Wurzeln getrieben haben, ist ihr Wachsthum sehr beschleunigt, und bei ihrer schnellen Verdickung wachsen die neben einanderliegenden so innig mit einander zusammen, dafs sie den Stamm der Mutterpflanze, worauf der -Parasit wuchert, sehr bald mit einem dicken Mantel umkleiden. In unseren Gegenden hat man diese Vereinigung mehrmals an Buchen-Aesten beobachtet, deren Rinde an der Ber\u00fchrungsstelle durch Reibung in Folge des Windes u. s. w. abgerieben war, und man wendet sie k\u00fcnstlich an, um die Dichtigkeit der Hecken zu vermehren. Wollte man aber diese Methode bei einzeln stehenden B\u00e4umen in Anwendung setzen, so w\u00fcrde das Pfropfreis oft erst 1 nach langen Jahren die n\u00f6thige Festigkeit des Verbandes mit demSubjecte erlangen, wefshalb man jene Vereinigung durch besondere Operationen bef\u00f6rdert; man schneidet n\u00e4mlich an der Ber\u00fchrungsstelle der zum Zusammenwachsen * bestimmten Aeste mehr oder weniger grofse scheibenf\u00f6rmige Holzst\u00fccke ab, ja man geht selbst bis zur Mitte der beiden Aeste in das Holz ein und legt dann die Schnittfl\u00e4chen genau auf einander, so dafs sich die inneren Rindenschichten gegenseitig ber\u00fchren.\nDas Ablactiren kann bis zur Mitte des Sommers aus-gefiihrt werden, sp\u00e4ter aber, wenn die Bildung der Holzringe schon gr\u00f6fstentheils erfolgt ist, kommt die Verwachsung nicht mehr zu Stande, obgleich die Ern\u00e4hrung, wenn\n*) Iconographie v\u00e9g\u00e9t. pag. 44.","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"79\nder Verband die Verdunstung auf den Schnittfl\u00e4chen verhindert, durch seitlichen Durchgang des Nahrungssaftes dennoch erfolgt. Auch wendet man diese Methode nur noch bei seltenen Gew\u00e4chsen an, um das Verderben des Pfropfreises ganz sicher zu verhindern. Das Vorteilhafte der Methode des Ablactirens besteht aber darin, dafs man \u00ef nicht nur kleine Aeste, sondern selbst sehr grofse, be-: zweigte und belaubte Aeste und selbst St\u00e4mme auf diese Weise nach Belieben \u00fcbertragen kann.\nAls eine Modification des Ablactirens ist die Methode . anzusehen, nach welcher man lange Aeste und Zweige r abschneidet, dieselben gleich Schnittlingen in die Erde stellt und dann zu gleicher Zeit auf ein Subject nach der Methode des Ablactirens aufpfropft. Auch hat man diese _ Methode des Verwachsens in Anwendung gesetzt, um der i Krone eines Baumes mehrere St\u00e4mme und dadurch gr\u00f6fsere Wurzeln zu geben, wobei man ein st\u00e4rkeres Treiben der Krone bezweckte, wor\u00fcber jedoch die Erfahrungen noch nicht ganz \u00fcbereinstimmend sind. Du Hamei hat selbst den interessanten Versuch gemacht, dafs er die St\u00e4mme zweier neben einanderstehender Ulmenb\u00e4umchen durch Ab-lactiren mit einander verband, dann die Wurzel des einen Stammes aus der Erde nahm, dieselbe nach Oben richtete * und nun das Treiben einer Krone aus der umgekehrten Wurzel beobachtete.\nDie Theorie dieser Operationen beruht auf die von den Knospen und den neuen Trieben herabsteigende Bil-- dung der neuen Holzschichten, wodurch das Pfropfreis mit dem Subjecte ganz in derselben Weise in Verbindung tritt, wie die jungen Triebe eines Baumes mit dessen Stamme, wor\u00fcber schon in den beiden vorhergehenden I Theilen dieses Buches (Bd. I. pag. 394. und II. pag. 363.) ausf\u00fchrlich die Rede war. Die ersten sch\u00f6nen Beobachtungen \u00fcber das Verwachsen des Pfropfreises mit dem Subjecte, sind wohl von Du Hamei*) angestellt, er fand\n\n*) 1. c. If. pag. 61.","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nbei Pfropfungen in die Rinde und in den Spalt, dafs, drei Wochen nach der Operation, oder vielmehr wenn die Reiser angefangen hatten zu treiben, der ganze Theil des Pfropfreises, den die Rinde umfafst hatte, wie auch alle leeren R\u00e4ume, welche zwischen Subject und Pfropfreis geblieben waren, mit einer zarten, weichen und gleichsam k\u00f6rnigen Substanz erf\u00fcllt waren, welche nichts Anderes als das Cambium oder das junge Zellengewebe ist, woraus sich sp\u00e4ter das Holz bildet. Auch hatte schon Du Hamei beobachtet, dafs sich jene weiche Substanz sp\u00e4ter in Holz verwandelt. Die inneren Rindenschichten verwachsen zwischen dem Pfropfreise und dem Subjecte mehr oder weniger ganz vollkommen, so dafs man dieselben nicht von einander unterscheiden kann. Die neuen Rindenschichten, so wie die neuen Holzschichten bestehen indessen aus einer zusammenh\u00e4ngenden Bildung, welche ganz und gar dem aufgesetzten Propfreise angeh\u00f6rt.\nII. Vermehrung der Gew\u00e4chse durch Oculiren\noder Aeugeln.\nDie Vermehrung der Gew\u00e4chse durch einzelne Knospen streitet in vielen F\u00e4llen mit jener durch Stecklinge um den Vorrang; sie wird gew\u00f6hnlich nur zur Veredelung der B\u00e4ume und Str\u00e4ucher benutzt, kann aber, vom theoretischen Standpunkte aus betrachtet, unter \u00e4hnlichen Gew\u00e4chsen der Dicotyledonen sehr allgemein ausgef\u00fchrt werden.\nDie Vermehrungsart, wobei einzelne Knospen auf andere Gew\u00e4chse (Subjecte) \u00fcbertragen werden, damit sie auf dieser zur Entwickelung kommen, nennt man das Aeugeln oder Oculiren, und die Knospe: das Auge. Man oculirt mit treibendem Auge und mit schlafendem Auge; ersteres findet im Fr\u00fchjahre statt, sobald sich die Rinde vom Holze zu l\u00f6sen beginnt und kann bis gegen Johannis ausgef\u00fchrt werden, letzteres dagegen wird von Ende Juli bis zum September ausgef\u00fchrt, so lange sich noch neue Holzsubstanz aus dem, aus den Bl\u00e4ttern herabstei-","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"81\ngenden Safte bildet, wodurch das junge Auge mit dem Holzk\u00f6rper des Subjects in innige Verbindung tritt und den Winter \u00fcber schon als ein zum Baume geh\u00f6riger Theil ern\u00e4hrt wird. Man hat eine sehr grofse Anzahl von Ocu-lirungs-Methoden angegeben, wovon die meisten nur als Spielereien zu betrachten sind, obgleich Jedermann die von ihm empfohlene Methode, als die vorteilhafteste anpreist.\nMan pflanzt entweder eine einzelne Knospe auf eine andere Pflanze, oder man pflanzt mehrere im Zusammenh\u00e4nge; erstere Methode ist das eigentliche Oculiren, letztere f\u00fchrt dagegen verschiedene Namen. Beizen oder Oculiren mit demR\u00f6hrlein, auch Pfeifein genannt, ist diejenige Methode des Oculirens, wo man mehrere Knospen, auf einem ringf\u00f6rmigen Rindenstiicke sitzend, auf das Subject \u00fcbertr\u00e4gt.\nWir haben schon fr\u00fcher kennen gelernt, dafs die Knospen entweder mit dem Marke unmittelbar in Verbindung stehen, oder dafs sie aus den Markstrahlen hervorbrechen; wenn man also diese Knospen unverletzt von ihrer Mutterpflanze abnehmen will, so mufs man sie nicht etwa mit der blofsen Rinde abziehen, sondern man mufs so tief in das Holz schneiden, dafs die feste Basis des Knospenkeimes mit abgetrennt wird. Ferner l\u00e4fst man die Knospe, welche abgeschnitten wird, mit einem St\u00fcckchen der darunter liegenden Rinde in Verbindung, welche man gew\u00f6hnlich in Form einer r\u00f6mischen F\u00fcnf oder eines Schildchens schneidet, denn da der herabsteigende Saft, aus welchem die neue Holzschicht gebildet wird, in der inneren Rinde seinen Lauf hat, so kann nur durch jene, mit der Knospe in Verbindung stehenden Rinde die sp\u00e4tere Verwachsung mit dem Holzk\u00f6rper bewirkt werden. In fr\u00fcheren Zeiten lehrte man ganz allgemein die Knospe mit der blofsen Rinde zu trennen, und auf die entbl\u00f6fste Oberfl\u00e4che des Holzk\u00f6rpers des Subjects aufzusetzen, wobei aber das Fehl-schlagen der Knospen sehr h\u00e4ufig erfolgte, indem der Knospenkern dabei zerst\u00f6rt oder besch\u00e4digt wurde, worauf\nMe y en. Fil. Physiol. HI.\t(j","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nman dann das Oculiren mit Holz in Holz empfohlen hat. * Diese Methode, welche offenbar die sicherste ist, besteht darin, dafs man die Knospe in der Art abschneidet, dafs ein schildf\u00f6rmiges St\u00fcckchen Rinde und eine d\u00fcnne Holzscheibe darunter an derselben sitzen bleibt, worauf man an dem Stamme oder dem Aste des Subjectes ein gleichgrofses * St\u00fcckchen Rinde mit Holz abschneidet und das Auge in die Wunde des Subjects einsetzt. Auch hier mufs man genau darauf achten, dafs sich die inneren Rindenschichten des eingesetzten Auges mit denen des Subjectes ber\u00fchren, denn dem Wesentlichen nach ist diese Methode des Ocu-lirens mit Holz in Holz von jener des Pfropfens in den Spalt am Umfange eines abgeschnittenen Subjectes gar nicht verschieden, nur dafs im letzteren Falle mehrere Knospen auf dem Pfropfreise befindlich sind. Der Rindenschnitt auf dem Subjecte f\u00fcr die Einsetzung des Schildchens geschieht ganz ebenso, wie bei der Methode des Pfropfens in die Rinde.\nBei dem Oculiren, so wie bei dem Pfropfen in die Rinde hat man den grofsen Vortheil, dafs das Subject an der Impfstelle nicht abgeschnitten zu werden braucht, so dafs man durch jene Operationen die Krone eines Bau- ! mes ganz nach Belieben vergr\u00f6fsern kann. Die Erfahrung hat aber gelehrt, dafs gr\u00f6fsere Triebe, besonders wenn sie \u201e zur Spitze eines Baumes geh\u00f6ren, die kleineren zur Seite immer mehr und mehr zur\u00fcckhalten k\u00f6nnen, indem sie * den Nahrungssaft abziehen, defshalb ist es auch beim Oculiren rathsam, dafs die gr\u00f6fseren Triebe in der N\u00e4he des Auges abgestutzt werden. Geschah die Operation um das Subject zu veredeln, so m\u00fcssen nat\u00fcrlich alle Triebe des * Wildlinges abgeschnitten werden. Bei anderen Gew\u00e4chsen aber, denen man durch das Oculiren entweder reichere Kronen, oder verschiedenartige Sorten aufpflanzen will, da hat man, um das Fortgehen der eingeimpften Knospen zu bef\u00f6rdern, schon seit Jahrhunderten eine Operation anempfohlen, deren Bedeutung erst sp\u00e4tere Zeiten erkl\u00e4rt haben. Man macht n\u00e4mlich dicht \u00fcber der Impfstelle eine","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"83\nringf\u00f6rmige Entrindung des Subjectes, wodurch, wie wir es fr\u00fcher (I. pag. 396. II. pag. 359.) kennen gelernt haben, der R\u00fcckstrom des Cambiums \u00fcber dem unteren ge\u00e4ugelten Theile des Subjectes aufgehoben ist. Unterhalb eines Ringelschnittes wird die Entwickelung der Knospen durch die stattfindende Stauchung des aufsteigenden Saftes bef\u00f6rdert, und dieses geschieht auch bei den aufgepflanzten Knospen, so dafs der Vortheil jener Operation sehr augenscheinlich ist, wobei noch der Ast \u00fcber dem Ringelschnitte durch die Anh\u00e4ufung des Bildungssaftes zur st\u00e4rkeren Entwickelung der Fr\u00fcchte kommt. Der Nachtheil des Ringelschnittes, n\u00e4mlich das Absterben des Baumes durch verhinderte Bildung neuer Wurzelzasern u. s. w. (S. Theil II. pag. 365.), wird hier durch die Oculation des unteren Stammtheiles aufgehoben, indem die Bildung der neuen Holzringe und der Wurzelspitzen von dem, aus dem aufgepflanzten Auge entwickelten Individuum ausgef\u00fchrt wird.\nSchlielslich bleiben uns noch einige Bemerkungen iibei das Oculiren mit gr\u00f6fseren Rindenst\u00fccken, worin das Oculiren mit dem R\u00f6hrlein oder das Pfeifein besteht; bei dieser Methode wird der Ast, von welchem die Augen genommen werden sollen, horizontal beschnitten und zwar in einiger Entfernung oberhalb der zu benutzenden Knospen. Hierauf wird die Rinde in einiger Entfernung unterhalb der Knospen, durch einen Kreisschnitt durchschnitten und von ihrem Holzk\u00f6rper abgedreht. Diese Rindenr\u00f6hre mit ihren Knospen, welche man auf jene Weise erhalten hat, wird auf den abgestutzten und vorher entsprechend entrindeten Ast des Subjectes aufgesteckt und nach geh\u00f6riger Befestigung dem Anwachsen \u00fcberlassen. In einigen praktischen Schriften ist gelehrt worden, und Herr De Candolle *) f\u00fchrt es auch in seiner Pflanzen-Physiologie auf, dafs man selbst mit Rindenst\u00fccken oculiren kann, welche keine sichtbare Knospen tragen. In solchen F\u00e4llen sollen sich die verborgenen Knospen ent-\n*) Phys, v\u00e9g\u00e9t. IL pag. 799.\n6 *","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nwickeln, wenn welche vorhanden sind; indessen ich glaube, -dafs diese Angaben auf unvollst\u00e4ndigen Beobachtungen beruhen, denn die Entwickelung von Knospen aus blofser abgetrennter Rinde ist noch nicht durch wirkliche Beobachtungen erwiesen, wohl aber k\u00f6nnen sich in jenen F\u00e4llen die Adventivknospen aus den Markstrahlen entwickelt und hierauf die aufgelegte Rinde durchbrochen haben. Ich selbst habe bemerkt, dafs ein Weidenzweig, den ich vollst\u00e4ndig absch\u00e4lte und in einem Garten als Halter zu einem Rosenstocke steckte, welcher im Schatten gelegen war, nach einigen Wochen neue Knospen trieb und bedeutend lange Triebe entwickelte, auch hatte er starke Beiwurzeln getrieben. Um wie viel mehr kann aber ein abgestutzter und entrindeter Ast Beiknospen treiben, * wenn derselbe mit einer anderen Rinde gegen das Verderben durch zu starke Ausd\u00fcnstung gesch\u00fctzt ist.\nAuch die Verwachsungen des aufgesetzten Auges mit dem Subjecte hat schon Du Hamei*) mit gr\u00f6fster Genauigkeit beobachtet, und nur die Erkl\u00e4rung der beobachteten Erscheinungen ist in neuerer Zeit vervollst\u00e4ndigt worden. Du Hamei fand in Folge seiner Untersuchungen, dafs die R\u00e4nder der Rinde, welche abgel\u00f6st wurden, um 1 das Schildchen einzusetzen, vertrocknet waren, dafs aber der Rand des eingesetzten Schildchens mit jener weichen Substanz, dem Cambium n\u00e4mlich, eingefafst war, und dafs unter dem Schildchen eine feine Holzplatte gebildet wird, s welche um so st\u00e4rker ist, je l\u00e4nger man die Verwachsung geschehen l\u00e4fst. Auch wurde schon die Vereinigung dieser Holzlage und der neuen Holzschicht des Subjectes beobachtet. Ist die Structur und die Farbe des Holzes vom \u25a0 Pfropfreise und dem Subjecte einander \u00e4hnlich, so ist schon nach einigen Jahren keine Spur zu finden, wodurch man in dem Holze die Bildungen des Pfropfreises von denen des Subjectes unterscheiden k\u00f6nnte.\n*) l. c. II. pag. 62.","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"85\nIII. Allgemeine Betrachtungen \u00fcber die angef\u00fchrte Vermehrung der Gew\u00e4chse durch\nKnospen.\nDie Erscheinungen des Pfropfens und des Oculirens bieten in mehrfacher Hinsicht viel Auffallendes dar, dieselben werden aber hinreichend erkl\u00e4rt, wenn wir die Knospen, \u00e4hnlich dem Saamen der Pflanzen, als eigene, ganz f\u00fcr sich bestehende Individuen ansehen, welche ihre Individualit\u00e4t beibehalten m\u00fcssen, wenn sie auch aus ihrem nat\u00fcrlichen Standorte genommen und unter gleichen oder \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen zum Wachsen gebracht werden. Die rohen Nahrungsstoffe, welche von den Pflanzen aufgenommen werden, sind auf einem und demselben Boden immer dieselben, und sie werden, wie wir es im vorigen Theile (pag. 47) kennen gelernt haben, durch den Stamm gef\u00fchrt, um in den Bl\u00e4ttern und allen krautartigen Theilen zu den, der Pflanze eigenthiimlichen S\u00e4ften verarbeitet zu werden; demnach verarbeitet jede Knospe und jedes Pfropfreis, welches einem Subjecte aufgesetzt ist, den dargebotenen Nahrungssaft f\u00fcr sich selbst, und das Subject kann hierauf keinen Einflufs aus\u00fcben. Dadurch wird es denn auch erkl\u00e4rlich, dafs man durch Pfropfen und durch Ocu-liren Hunderte von verschiedenen Variet\u00e4ten und selbst mehrere verschiedene Arten einem und demselben Subjecte aufpflanzen kann. Bei hochst\u00e4mmigen Rosen versucht jeder Gartenliebhaber dergleichen Vermehrungen, und an unseren Obstb\u00e4umen sind diese Versuche im gr\u00f6fsten Mafs-stabe '.ausgef\u00fchrt worden. Es sind verschiedene grofse Garten-Anlagen bekannt geworden, wo man einem und demselben Birnb\u00e4ume, oder auch einem und demselben Apfelbaume alle die zahlreichen Variet\u00e4ten von Birn und Aepfel aufgepflanzt hat, welche in dem ganzen Garten gezogen wurden, so dafs diese B\u00e4ume gleichsam als Muster-Karten f\u00fcr die gezogenen Fr\u00fcchte gelten konnten.\nMan hat dieser Vermehrung der Gew\u00e4chse durch Pfropfen und Oculiren haupts\u00e4chlich defshalb so viel Auf-","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nmerksamkeit geschenkt, und die Methoden jener Operationen so unendlich vervielfacht, weil gerade dadurch die Veredelung unserer Obstarten ausgefiihrt worden ist, und im Allgemeinen auch noch gegenw\u00e4rtig ausgefiihrt wird. Die Vortheile, welche man durch jene Vermehrungsweise erlangt, sind in vieler Hinsicht sehr ausgezeichnet, welche jedem G\u00e4rtner hinreichend bekannt sind; die gr\u00f6fsten Vortheile m\u00f6chten aber darin bestehen, dafs man schneller zum Erlangen der Fr\u00fcchte kommt, dafs man mit ziemlicher Gewifsheit bestimmte Sorten erzielen kann, und dafs auch solche Gew\u00e4chse vermehrt werden k\u00f6nnen, welche durch die Verh\u00e4ltnisse, worin sie sich befinden, keinen Saamen tragen, wie es ja auch bei mehreren der ausgezeichnetsten Obstarten in Folge der Cultur der Fall ist, z, B. bei einigen Variet\u00e4ten des Weines, der Orangen, des Pisangs, der Brodfrucht u. s. w.\nEs^ wird im Allgemeinen gelehrt, dafs man durch Schnittlinge oder durch einzelne Knospen das Individuum, d. h. die Pflanze, von welcher dieselben genommen wurden, mit allen ihren Vollkommenheiten, Fehlern und Ei-genthumlichkeiten fortpflanzt, w\u00e4hrend man bei der Vermehrung durch Saamen nur die Art erh\u00e4lt, d. h. Pflanzen, welche mit jener, wovon die Saamen entnommen wurden, in allen Characteren \u00fcbereinstimmen, welche der Art zukommen; ja diese Lehren sind so tief gewurzelt, dafs man sehr h\u00e4ufig die Aussaat einer Pflanze blofs defshalb vornimmt, um die Art mit ihren reinen Characteren zu erhalten, was aber, wie es die Erfahrungen schon seit langer Zeit gezeigt haben, durchaus nicht wahr ist. Wie \u00fcberaus grofs ist die Variet\u00e4ten-Zahl der Kartoffeln, der Pelargonien und vieler anderer Blumen, welche man durch Aussaat gezogen hat, ja durch Van Mons, und schon fr\u00fcher durch verschiedene andere Pomologen, ist es gelehrt worden, dafs man durch Aussaat der Obst-Arten die vorz\u00fcglichsten Variet\u00e4ten erhalten kann. Es war gewifs in vieler Hinsicht unrichtig, wenn man die Behauptung aufstellte, dafs die Saamen nur die Art mit ihren festen Cha-","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"87\nr\u00e4deren fortpflanze, denn wir sehen ja selbst unter den Thieren und selbst bei den Menschen, dafs die Kinder nicht nur wie Menschen, oder wie die Art der Thiere aussehen, von welcher die Jungen gezogen wurden, sondern dafs sie auch die gr\u00f6fste Aehnlichkeit in Nebenbil-dungen mit den Aeltern zeigen, ja dafs selbst kleine Mifs-bildungen, als Kr\u00fcmmungen einzelner Glieder, gr\u00f6fsere Anzahl von Fingern u. s. w. von den Aeltern auf die Kinder oder selbst erst auf die Grofskinder \u00fcbertragen werden; im letzteren Falle, der besonders unsere Bewunderung erregt, kommt also jener Fehler in einer ganzen Generation nicht zur Ausbildung, erscheint aber w\u00fceder bei der zweiten. Aehnliche Eigent\u00fcmlichkeiten zeigen auch die Pflanzen bei ihrer Vermehrung durch Saamen, so dafs die Aussaat der Arten und Variet\u00e4ten zur Bestimmung ihrer festen Charactere nicht zu gebrauchen ist, wenigstens k\u00f6nnen die dadurch erhaltenen Resultate sehr leicht bek\u00e4mpft werden. Folgendes Beispiel wird den Grad der Sicherheit in den Resultaten zu erkennen geben, welchen man durch die Aussaat zu erwarten hat. Tschudy, der sich durch die Einf\u00fchrung der Kraut-Pfropfungen ein bleibendes Verdienst erworben hat, s\u00e4ete die Saamen einer Blutbuche und fand, dafs die jungen Pflanzen theils gemeine Buchen, theils Blutbuchen waren *); durch Pfropfreiser und Schnittlinge \u00fcberhaupt, kann man die Blutbuche allerdings ganz sicher vermehren. Bei keiner anderen Pflanze hat man die Ver\u00e4nderungen, welche dieselbe durch die Aussaat erleidet, so genau und so vielfach beobachtet, als bei den Obst-Arten, und Herr Van Mons, der unsere G\u00e4rten mit einer \u00fcberaus grofsen Zahl von vortrefflichen Birnen-Va-viet\u00e4ten, die aus Saamen gezogen sind, bereichert hat, ist hiebei zu sehr bemerkenswerthen Resultaten gelangt, welche ich hier um so lieber auff\u00fchre, da die vielen \u00e4ufserst con-stanten und ausgezeichneten Variet\u00e4ten unserer Obst-Arten den Botanikern grofse R\u00e4thsel darbieten. Aus den Resul-\n*) Mitgetheilt in De Candolle\u2019s Phys, v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 811.","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\ntaten unendlich vielfacher Beobachtungen hat Herr Van Mons, als ziemlich constante Gesetze aufgestellt*): Wenn die Pflanzen an ihrem nat\u00fcrlichen Standorte bleiben, so ver\u00e4ndern sie sich nicht merkbar, und erzeugen sich auch ebenso unver\u00e4ndert aus ihren Saamen; wenn sie aber ihren Boden und das Klima ver\u00e4ndern, so arten viele von ihnen aus, die einen mehr, die anderen weniger, und wenn sie einmal ihren nat\u00fcrlichen Zustand ver\u00e4ndert haben, so kehren sie niemals wieder zu demselben ganz zur\u00fcck, sondern sie entfernen sich durch die folgenden Generationen immer mehr und mehr von ihrem normalen Zustande, Herr Van Mons hat in seiner Baumschule mitten unter seine vervollkommnten Variet\u00e4ten, wilde Birnen gepflanzt; diese wilden B\u00e4ume haben sich nicht ver\u00e4ndert und haben stets ihre schlechten herben Fr\u00fcchte getragen. Die Saamen brachten wieder wilde Birnen-B\u00e4ume, obgleich sie in der Mitte der vervollkommnetsten Arten wuchsen, und Bliithen und Fr\u00fcchte trugen; ja nicht einmal Bastarde wurden unter diesen Verh\u00e4ltnissen gezogen. Alle diese, hier als ziemlich constante Gesetze aufgestellten Erfahrungen werden dann und wann eben so leicht Ab\u00e4nderungen erleiden, als es die Aussaat der Blutbuchen in dem vorher aufgef\u00fchrten Falle gezeigt hat.\nBei der Vermehrung durch Uebertragung der Knospen geht man ganz sicher, dafs die Mutterpflanze mit allen ihren Eigent\u00fcmlichkeiten fortgepflanzt wird, und im Allgemeinen kann man behaupten, dafs die aus \u00fcbertragenen Knospen entstandenen neuen Individuen f\u00fcr ihre ganze Lebenszeit unver\u00e4ndert bleiben. Das Alter ist es nicht, wodurch die Entartung der Pfropfreiser eintreten k\u00f6nnte' denn allj\u00e4hrlich entwickeln sich neue Knospen, welche neue oder junge Individuen erzeugen, doch kann auf einem sehr\n*) Die Theorie Van Mons, oder Nachricht von den Mitteln, welche Herr Van Mons anwendet, um aus dem Saamen vortreffliche Fr\u00fcchte zu ziehen. Dargestellt von Poiteau und \u00fcbersetzt mitgetheiit von Burchard in den Verhandlungen des Gartenbau-Vereins in Preufsen. XIII. pag. 131.","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"89\nalten Baume die Entartung der aufgepflanzten Aeste durch Mangel an Nahrung eintreten, indem Alles, f\u00fcr die Pflanze Nahrhafte von den grofsen Wurzeln eines [sehr alten Baumes aufgenommen sein kann, w\u00e4hrend die Verh\u00e4ltnisse von der Art sind, dafs neue, der Pflanze nahrhafte Stoffe dem Boden nicht mehr zugef\u00fchrt werden k\u00f6nnen. Mangel an Nahrung, schlechte Standorte, schlechtes Clima u. s. w. werden aber auch junge und ungepfropfte B\u00e4ume und deren Fr\u00fcchte verschlechtern. Das Pfropfreis erleidet weder durch die Uebertragung, noch durch den Einflufs des Subjectes auf dasselbe irgend eine Ver\u00e4nderung, und ebenso wenig sind die Ver\u00e4nderungen nachzuweisen, welche das Subject durch die aufgepflanzten fremden Knospen erlitten haben soll; was man f\u00fcr diese angebliche Erfahrung aufgef\u00fchrt hat, werde ich im Folgenden einfach zu erkl\u00e4ren suchen. Um die Ver\u00e4nderung der Natur der Knospe, von derjenigen ihrer Mutterpflanze, in Folge von Uebertragung zu erweisen, oder auch den Einflufs des Subjectes auf die geimpften Knospen darzuthun, hat man verschiedene Thatsachen aufgef\u00fchrt. Herr De Candolle f\u00fchrt z. B. eine Beobachtung von Tschudy auf, durch welche ganz entschieden nachgewiesen werden soll, dafs die gepfropften B\u00e4umchen stets fr\u00fcher ausschlagen als die Wildlinge. Nach der Aussaat der Blutbuchen, welche Tschudy vornahm, welche auch schon fr\u00fcher (pag. 87) angef\u00fchrt wurde, hat derselbe Impflinge der Blutbuchen auf die gr\u00fcnen Wildlinge gepfropft und gesehen, dafs die Impflinge stets fr\u00fcher ausschlugen, als die nebenanstehenden ungepfropften Buchen. Gegen diese Beobachtung und viele \u00e4hnliche, welche zu Gunsten jener Behauptung aufgef\u00fchrt worden sind, kann man noch zahlreichere entgegenstellen und Herr Van Mons, dem wir hierin eine sehr bedeutende Stimme zuerkennen, stellt es sogar als eine unab\u00e4nderliche Regel auf, dafs ein Pfropfreis nicht eher bl\u00fcht, als der junge Mutterstamm, von welchem er genommen ist. Vielleicht\n*) Pliys. v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 511.","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nvermag die Theorie eine Erkl\u00e4rung \u00fcber die Ursachen jener entgegengesetzten Ansichten der Praktiker zu geben. Die G\u00e4rtner pfropfen die jungen St\u00e4mme sehr oft um das Bl\u00fchen derselben zu beschleunigen, was ihnen auch sehr oft gelingt; hier erwiedert Herr Van Mons, dafs in diesen F\u00e4llen das Pfropfreis schon disponirt war zum schnelleren Bl\u00fchen, was man aber wohl nicht gelten lassen kann, denn bei jenen Versuchen mit den Blutbuchen, welche Tschudy anstellte, ist gar kein Grund vorhanden anzunehmen, dafs die Impflinge, welche fr\u00fcher ausschlugen, hiezu schon disponirt gewesen w\u00e4ren. Ich bin dagegen der Ansicht, dafs diese entgegengesetzten, oder sich widersprechenden Erfahrungen \u00fcber das fr\u00fchere Bl\u00fchen des Impflinges durch die Art der Pfropfung oder Oculirung zu erkl\u00e4ren ist; je vollkommener n\u00e4mlich die Operation ausgef\u00fchrt ist, je vollkommener sich Holz mit Holz, der Rand des Splintes mit dem anderen Rande des Splintes, und die innere Rinde des Impflinges auf die innere Rinde des Subjectes aufgestellt ist, um so \u00e4hnlicher wird sich das Pfropfreis seinem Mutterstamme in Hinsicht der periodischen Erscheinungen verhalten, denn es wird in dem Herabsteigen des Bildungssaftes zur Bildung der neuen Holzschichten fast gar kein Aufenthalt eintreten. Um so unvollst\u00e4ndiger dagegen die entsprechenden Theile des Subjectes und des Pfropfreises aufeinander gestellt sind, um so gr\u00f6fser wird die Stauchung des herabsteigenden Bildungssaftes an der Impfstelle sein, um so gr\u00f6fser die Wulst, welche dadurch gebildet wird, die in ihrer Wirkung \u00e4hnlich denjenigen Erscheinungen sein mufs, welche wir in Folge der ringf\u00f6rmigen Entrindungen (Theil II. pag. 360.) kennen gelernt haben. Die Aeste n\u00e4mlich, oberhalb eines Ringelschnittes schlagen ebenfalls fr\u00fcher aus. Ja selbst die Fr\u00fcchte des Impflinges sollen durch Uebertragung auf einen anderen Baum an Gr\u00f6fse und an Wohlgeschmack zunehmen, und selbst Du Hamei *) suchte diese Erscheinung durch die\n*) 1. c. II. pag. 71.","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"91\nWulst an der Impfstelle zu erkl\u00e4ren. Auch wissen wir gegenw\u00e4rtig, dafs die Entwickelung der Fr\u00fcchte durch den Zirkelschnitt bef\u00f6rdert wird, welcher dieselben Folgen hervorruft, als die Wulst an der Impfstelle. Jedoch setzt der vielerfahrene Du Hamei hinzu, dafs alle diese Einfl\u00fcsse, selbst die verschiedene Auswahl des Subjectes, welches man f\u00fcr eine und dieselbe Art von Impflingen gew\u00e4hlt hat, bewirken keine gr\u00f6fseren Ver\u00e4nderungen auf die Fr\u00fcchte, als die verschiedenen Lagen, und der verschiedene Boden. In fettem und feuchtem Boden sind die Fr\u00fcchte saftiger aber auch weniger schmackhaft, als in einem trok-kenen Boden.\nLeider besitze ich selbst keine hinreichenden Erfahrungen \u00fcber den Einflufs, welchen das Subject auf den Impfling aus\u00fcben kann, um hier\u00fcber ein eigenes Urtheil f\u00e4llen zu k\u00f6nnen, doch in den meisten F\u00e4llen scheint es mir, dafs die Beobachtungen, selbst die widersprechendsten theoretisch zu widerlegen sind.\nDie auffallendste und am h\u00e4ufigsten wahrzunehmende Ver\u00e4nderung, welche das Pfropfreis auf dem Subjecte zeigt, besteht in einer schnelleren und kr\u00e4ftigeren Entwickelung, als dasselbe auf seinem Mutterstamme gezeigt haben w\u00fcrde, doch diese Erscheinungen sind sehr leicht zu erkl\u00e4ren. Ein St\u00e4mmchen, welches gepfropft oder ocu-lirt wird, hat man entweder ganz abgestutzt oder doch so stark, dafs mehr oder weniger nur die wenigen Pfropfreiser zur Entwickelung kommen, welchen nun eine, ver-h\u00e4ltnifsm\u00e4fsig weit gr\u00f6fsere Menge von Nahrungssaft zukommt, weil die Wurzeln f\u00fcr eine gr\u00f6fsere Menge von Zweigen gebildet waren, und auch nach dem Abschneiden dieser ihre Funktion fortsetzen.\nAls sehr auffallendes Beispiel f\u00fcr unsere Annahme, dafs das Pfropfreis auf dem Subjecte in jeder wesentlichen Eigenschaft unver\u00e4ndert bleibt, m\u00fcssen die Versuche angef\u00fchrt werden, welche man schon zu Bradley\u2019s Zeit in England angestelit hat. Werden immergr\u00fcnende Eichen auf gew\u00f6hnliche Eichen gepfropft, deren Bl\u00e4tter im Winter","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nabfallen, so beh\u00e4lt der Impfling die Bl\u00e4tter und entwickelt sich selbst im Winter. Der Kirschlorbeerbaum (Prunus Lauro - cerasus L.) auf einen wilden schwarzen Kirschbaum gepfropft, beh\u00e4lt im Winter seine Bl\u00e4tter, w\u00e4hrend der Wildling dieselben im Herbste verliert.\nSo ist es auch sehr bekannt, dafs man Gew\u00e4chse, auf welchen sich scheckige oder gesprenkelte Bl\u00e4tter entwickelt haben, nur durch Pfropfungen sicher vermehrt, ja an dem Gew\u00e4chse selbst, wo sich diese Krankheit erzeugte, pflegt dieselbe wieder nach einigen Jahren zu vergehen, w\u00e4hrend die Impflinge dieselben fortpflanzen. Ein anderes ebenfalls sehr interessantes Factum f\u00fcr unsere Ansicht, finde ich von Du Hamei aufgef\u00fchrt. Wenn eine Beurr\u00e9-Birne auf einen Wildling gepfropft wird, der nur strenge Birnen bringt, so tr\u00e4gt der Impfling dennoch sch\u00f6ne und grofse Beurr\u00e9-Birnen; wenn aber auf diesen Impfling wieder ein Wildling gepflanzt wird, so erh\u00e4lt man wieder 0 kleine und schlechte Fr\u00fcchte.\nEs hat weder an Praktikern noch an Theoretikern gefehlt, welche wiederum einen eigenthiimlichen Einflufs des Impflinges auf das Subject beobachtet zu haben glauben, doch die Angaben, welche sie daf\u00fcr aufstelien, lassen sich heutigen Tages sehr einfach erkl\u00e4ren. Man hatte schon lange bemerkt, dafs der weifse Jasmin, auf welchem ein gelber gepfropft wurde, auch auf denjenigen Zweigen gelbe Blumen brachte, welche unter der Pfropfstelle zum Vorscheine kamen. Der ber\u00fchmte Stephan Haies suchte diese Erscheinung zu erkl\u00e4ren; Du Hamei dagegen erkl\u00e4rt sie als falsch und Haies Erkl\u00e4rung daher f\u00fcr unn\u00f6thig. Ich habe keinen Grund jene Angabe Haies zu bezweifeln, und die Erkl\u00e4rung derselben scheint sehr nahe zu liegen. Es ist eine bekannte Beobachtung, dafs auch an den St\u00e4mmen gepfropfter B\u00e4ume u. s. w. Adventivknospen erscheinen und zur Entwickelung kommen, diese aber, wie es fr\u00fcher (pag. 25) gelehrt wurde, haben ihren Ursprung in den Markstrahlen des Splintes, d. h, der j\u00fcngsten Holz-scl\u00fcchten. Wenn also ein Impfling eine oder mehrere","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"93\nHolzschichten \u00fcber den Stamm des Subjectes hinabgeschickt hat und aus diesen Adventivknospen hervorbrechen, so geh\u00f6ren diese Knospen gar nicht dem Subjecte, sondern dem Holze des Impflinges an, m\u00fcssen also auch die Natur desselben zeigen. Ebenso leicht sind die \u00fcbrigen Beobachtungen zu widerlegen, welche man zur Best\u00e4tigung der aufgestellten Ansicht aufgef\u00fchrt hat, n\u00e4mlich die Pfropfungen mit Impflingen von Gew\u00e4chsen mit scheckigen Bl\u00e4ttern, welche von vielen sehr ausgezeichneten Gelehrten wirklich beobachtet sind. Wenn z. B. ein Jasmin mit gescheckten Bl\u00e4ttern auf einen gew\u00f6hnlichen gepfropft wird, so erhalten die unter der gepfropften Stelle hervorkommenden Aeste ebenfalls gescheckte Bl\u00e4tter, ja es soll von Bradley ein Fall angef\u00fchrt werden, wo ein G\u00e4rtner eine Esche mit Knospen von einem gescheckten Baume oculirte, und bemerkt habe, dafs die Sch\u00f6fslinge unter der Impfstelle gestreifte Bl\u00e4tter brachten, obgleich die Knospen nicht gefafst hatten fleh kann die Stelle leider nicht finden). Die \u00fcbrigen Angaben \u00fcber das Hervorkommen gescheckter Bl\u00e4tter, an den Trieben unterhalb der Impfstelle, sind ganz richtig, denn sie sind in neueren Zeiten mehrfach wiederholt worden, aber leider noch nicht von Sachkundigen mit geh\u00f6riger Umsicht beobachtet worden, so dafs die Er-* scheinung eigentlich noch auf zweifache Weise erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnte, einmal n\u00e4mlich dadurch, dafs Adventivknospen aus den neuen Holzschichten des Impflinges hervorgetreten sind, und zweitens auch durch Ansteckung dieser Krankheit des Impflinges auf das Subject. Eine solche Ansteckung kann durch den herabsteigenden Saft der gesunden Pflanze eingeimpft werden, und ich m\u00f6chte mich dieser letzteren Ansicht anschliefsen, wenn der vorhin von Bradley mitgetheilte Fall mit der Pfropfung der Esche seine vollkommene G\u00fcltigkeit hat. Die aufgeimpfte Knospe vertrocknete, aber es ist denkbar, dafs dennoch so viel von dem Safte der kranken Knospe in die Rinde und den Splint des Subjectes hinabstieg, dafs dasselbe dadurch angesteckt wurde.","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nAm Schl\u00fcsse dieses Abschnittes haben wir noch die n\u00e4heren Verh\u00e4ltnisse zu betrachten, unter welchen die Vermehrung der Gew\u00e4chse durch Uebertragung von Knospen statt findet. Wir haben-fr\u00fcher die Ansicht aufgestellt, dafs jede Knospe der Pflanzen das Verm\u00f6gen, sich selbst zu entwickeln besitzt, wenn sie die n\u00f6thige Nahrung erh\u00e4lt, dafs man daher aus theoretischen Gr\u00fcnden nicht ab-sehen kann, wrefshalb nicht alle Gew\u00e4chse durch Schnittlinge zu vermehren sind. Bei der Uebertragung der Knospen auf andere Gew\u00e4chse, wie es bei dem Pfropfen und dem Oculiren stattfindet, treten eine Menge von Ursachen auf, welche diesen Vermehrungs-Arten im Wege stehen und eine n\u00e4here Betrachtung verdienen.\nAlle Physiologen, welche \u00fcber diesen Gegenstand geschrieben haben, klagen \u00fcber die Uebertreibungen und \u00fcber die unvollst\u00e4ndigen Beobachtungen, welche die G\u00e4rtner \u00fcber die Erfolge der Pfropfungen angestellt haben. Du Hamei *) hat hier\u00fcber zuerst sehr gr\u00fcndlich geschrieben und in Herrn De Candolle\u2019s Pflanzen-Physiologie **) findet man die Resultate der \u00e4lteren und der neueren Versuche kritisch zusammengestellt und durch eigene Beobachtungen vermehrt. Ich selbst kann die Masse der vorhandenen Ihatsachen nur vom theoretischen Standpunkte aus betrachten, da mir die eigenen Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand fast g\u00e4nzlich abgehen.\nUebertragungen von Knospen auf Gew\u00e4chse, welche der Mutterpflanze der Knospe verwandt und \u00e4hnlich sind, pflegen sehr leicht zu gelingen, in anderen F\u00e4llen dagegen verderben die Pfropfreiser sehr schnell. Bei Pfropfungen zwischen Gew\u00e4chsen, welche sich durch auffallende Character unterscheiden, ja selbst nicht einmal unter einander verwandt sind, da bemerkt man, dafs das Pfropfreis entweder schnell vertrocknet, oder dafs es sich lange gr\u00fcn erh\u00e4lt ohne sich weiter zu entwickeln, zuweilen treibt es\n\u00a5) 1. c. II. pag. 65.\n**) Phys, v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 785 \u2014 792.","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"95\nbei dem ersten Steigen des Saftes, stirbt aber bald darauf ab, ja mitunter erh\u00e4lt sich das Pfropfreis selbst bei solchen aufserordentlichen Pfropfungen 2 und mehrere Jahre, stirbt dann aber sicherlich ab. Gerade diese letzteren Beobachtungen, welche man nicht lange genug fortsetzte, haben zu den vielen Erz\u00e4hlungen so wunderbarer Pfropfungen Veranlassung gegeben, und noch heutigen Tages wiederholen sich dieselben. Man h\u00f6rt z. B. sehr h\u00e4ufig, dafs Pfropfungen der \u00e4chten Kastanien auf Eichen von ganz aufserordentlichem Erfolge begleitet sind; diese Versuche sind schon im vorigen Jahrhundert angestellt, man sah das aufserordentlich starke Treiben der Kastanien-Reiser, aber meistens schon nach dem zweiten Jahre starben die Impflinge ab. Im Allgemeinen hat man die Beobachtung gemacht, dafs gepfropfte B\u00e4ume \u00fcberhaupt nicht so lange ausdauern, als ungepfropfte, doch schon Du Hamei erz\u00e4hlt, dafs an Pflaumen-B\u00e4umen (Reine - Claude), welche auf Pfirsig-B\u00e4umen gepfropft waren, die er aus dem Kerne gezogen hatte, l\u00e4nger als 20 Jahre erhalten habe, w\u00e4hrend es bekannt ist, dafs die aus Saamen gezogenen Pfirsig-B\u00e4ume nicht so lange dauern, indem sie sehr zart sind und h\u00e4ufig Wasserseh\u00d6fslinge treiben. In neueren Zeiten will man auch beobachtet haben, dafs Aesculus Pavia L. i auf Aesculus Hippocastanum L. gepfropft l\u00e4nger ausdauere, als im ungepfropften Zustande,\nNach den vorliegenden, mehr oder weniger sicheren Thatsachen k\u00f6nnte man vielleicht folgende Regeln aufstellen, nach welchen sich die gegenseitigen Uebertragungen der Knospen mit oder ohne Erfolg ausf\u00fchren lassen, indessen w\u00e4re es zu w\u00fcnschen, dafs \u00fcber diesen Gegenstand auch fernerhin noch immer neue Versuche angestellt w\u00fcrden; f\u00fcr die Besitzer eigener G\u00e4rten sind diese Versuche sehr leicht auszuf\u00fchren, und die Methoden des Copulirens und des Abiactirens w\u00fcrden bei Versuchen mit aufserordentlichen Pfropfungen am rathsamsten zu befolgen sein.\nBei Monocotyledonen, so wie zwischen xMonocotyle-donen und Dicotyledonen sind keine Uebertragungen der","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nKnospen auszuf\u00fchren ; die Structur des Monocotyledonen-Stammes ergiebt es ganz bestimmt, dafs Oculirungen und wirkliche Pfropfungen bei diesen Gew\u00e4chsen nicht stattfinden k\u00f6nnen. Herr De Candolle *) erz\u00e4hlt, dafs man Pfropfreiser von Dracaena ferrea L. auf Dracaena termi-nalis L. gebracht habe; die Pfropfreiser erhielten sich linge iah r ein Jahr lang, vertrockneten aber sp\u00e4ter. Ich glaube nicht, dafs man diese lange Erhaltung des Pfropfreises als eine Best\u00e4tigung der Meinung ansehen kann, dafs auch bei dem Monocotyledonen-Stamme wirkliche Pfropfungen auszuf\u00fchren sind. Ein Pfropfreis einer saftreichen Pflanze in das Zellengewebe des Stammes einer anderen saftigen Pflanze gesteckt, wird mehr oder weniger lange Zeit hindurch frisch bleiben, ja selbst das Hervortreiben von W\u00fcrzelchen wird man daran zuweilen beobachten k\u00f6nnen, aber dieses ist noch keine mit der Pfropfung zu vergleichende Erscheinung.\nDie Pfropfungen gelingen, nach den vorliegenden Erfahrungen, f\u00fcr die Dauer nur zwischen Gew\u00e4chsen einer und derselben Familie; ja nicht einmal alle Gew\u00e4chse einer gewissen Familie k\u00f6nnen gegenseitig auf einander \u00fcbergepflanzt werden. Hiebei ist vorz\u00fcglich darauf zu achten, dafs die Gew\u00e4chse, welche man mit einander vereinigen will, in Hinsicht der periodischen Erscheinungen ihres Lebensprozesses \u00fcbereinstimmen, d. h. dafs man nur solche Gew\u00e4chse auf einander pfropft, welche zu gleicher Zeit im Safte stehen, zu gleicher Zeit Bl\u00fcthen treiben und zu gleicher Zeit ihre Fr\u00fcchte entwickeln. Der Mandel-Baum steht in voller Bliithe, wenn die meisten anderen B\u00e4ume eben derselben Familie noch nicht die Knospen entwickelt haben, daher darf man sich auch nicht wundern, wenn Mandel-Impflinge auf Pflaumen-B\u00e4umchen gepfropft, nicht gut fort wollen, w\u00e4hrend man Pfirsige auf Mandel-B\u00e4ume und auf Pflaumen-B\u00e4ume mit sehr gutem Erfolge pfropft. Du Hamei setzte auch Pfropfreiser des Pflaumen-Baumes auf den\n*) Phys, vcg\u00e9t. II. pag. 785.","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"97\nMandel-Baum, sah aber ebenso schlechten Erfolg, als im ersteren Falle. Aus den vielen Versuchen, welche man mit dem Pfropfen und Oculiren auf verschiedenen Gew\u00e4chsen angestellt hat, ist man zu den Resultaten gekommen, dafs unter den Gew\u00e4chsen einer und derselben Familie einige sind, welche sich durch den guten Erfolg nach gegenseitiger Zusammenpfropfung besonders auszeichnen. Man hat lange Zeit hindurch die Birnen auf Quitten gepfropft, aber schon Du Hamei *) macht die Bemerkung, dafs es ziemlich augenscheinlich sei, dafs der Birn-Baum mehr Saft verbraucht als der Quitten-Baum liefern kann, besonders wenn er im trockenen Boden steht, daher diese gepfropften B\u00e4ume auch nicht so dauerhaft als die unge-pfropften sind. Gegenw\u00e4rtig zieht man den Weifsdorn (Crataegus oxyacantha L.) zum Pfropfen der Birn-B\u00e4ume vor, und gewifs auch mit Recht, indem dieses Gew\u00e4chs bei uns vollkommen ausdauernd ist und allem Wechsel unseres Climas trotzt.\nPfropfungen zwischen Pflanzen verschiedener, aber nahebei stehender Gattungen einer und derselben Familie k\u00f6nnen gelingen, wie es schon die vorhin angef\u00fchrten Beispiele zeigten. Herrn De Candolle ist es gelungen die Bignonia radicans auf Catalpa zu pfropfen; Syringa vulgaris auf Phillyraea latifolia, und den Oel-Baum auf Eschen. Das Pfropfen des blauen Flieders (Syringa vulgaris) auf Eschen ist bekannt, und Mespilus japonica Thunb. (Eriobotrya japonica Lindl.) wird mit Erfolg auf Mespilus germanica und auf Crataegus oxyacantha gepfropft. Bei dem Allen m\u00fcfste es im hohen Grade auffallen, wenn zuweilen B\u00e4ume von ganz nahe stehenden Arten, dem gegenseitigen Pfropfen durchaus unzug\u00e4nglich w\u00e4ren, wie dieses zwischen dem Apfel- und dem Birn-Baume nach Herrn Roeper\u2019s Angabe der Fall sein soll, wor\u00fcber aber unsere heutigen G\u00e4rten l\u00e4cheln, denn die genannten B\u00e4ume vertragen sich sehr gut. In \u00e4hnlichen F\u00e4llen m\u00f6chte viel-\n*) 1. c. II. pag. 69. Me y en. Pfl. Physiol. III.\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nleicht die Annahme eines Stoffes, einer Saure z. B. wie die Aepfelsaure, die Gerbs\u00e4ure u. s. w. zu rechtfertigen sein, welche in der einen Pflanze in grofser Menge erzeugt wird, in der anderen Pflanze aber, als eine sch\u00e4dliche Substanz wirkt.\nAlle die aufserordentlichen Pfropfungen, von welchen man glaubw\u00fcrdige Nachrichten erhalten hat, als Kastanien auf Eichen, Rosen auf Eichen, Aepfelbaum-Knospen auf Himbeerstauden, Maulbeer-Baum auf Ulmen und auf den Feigen-Baum, Weinstock auf Kirsch- und auf Nufs-Baum u. s. w. dauern nur sehr kurze Zeit. Du Hamei versichert, die meisten dieser und \u00e4hnlicher Pfropfungen viele Jahre hinter einander, und zwar nach verschiedenen Methoden wiederholt zu haben, aber stets mit schlechtem Erfolge. Solche Angaben \u00fcber Pfropfungen des Weinstockes auf Pfirsich- und Nufs-B\u00e4umen, der Gleditschia und der Rofs-kastanie auf den Nufs-Baum u. s. w. wie sie Caylus *) beobachtet haben will, k\u00f6nnen nur dadurch erkl\u00e4rt werden, dafs diese Beobachtungen nicht lange genug fortgesetzt wurden.\nMehrere Botaniker haben die Mistelpflanze (Viscum album L.), welche bekanntlich auf einer sehr grofsen Anzahl von B\u00e4umen und Str\u00e4uchern der verschiedensten Gattungen und Familien gefunden wird, als ein Beispiel angef\u00fchrt, dafs auch Pfropfungen zwischen sehr verschiedenartigen Gew\u00e4chsen statt finden k\u00f6nnen; indessen die Verbindung der Mistelpflanze mit dem Mutterboden ist ganz und gar nicht mit dem Pfropfen und Oculiren anderer Gew\u00e4chse zu vergleichen, wefshalb ich auf diesen Gegenstand im zweiten Bande dieses Buches pag. 39 verweise.\nDie Mistel l\u00e4fst sich jedoch auch durch Schnittlinge fortpflanzen, welche man auf andere B\u00e4ume aufpflanzt; sie treiben hier Wurzeln und wachsen nach wie vor, doch dieses darf man ebenso wenig f\u00fcr ein wirkliches Pfropfen\nI\n*\nHistoire du rapprochement des v\u00e9g\u00e9taux. Paris 1806. Herrn De Candolle citirt.\nvon","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"99\nhalten, denn die neuen Holzschichten, welche der Mistel-Schnittling bildet, steigen nie \u00fcber die Oberfl\u00e4che des Subjectes herab, wie dieses bei anderen wirklichen Pfropfungen der Fall ist. Man erz\u00e4hlt, dafs man alte abgekappte St\u00e4mme, welche keine eigenen Bl\u00e4tter haben, ganz und gar mit Mistel-Schnittlingen bepfropfen k\u00f6nne, wodurch der Stamm des Subjectes erhalten werde, indessen diese Angabe scheint mir sehr unglaublich und es w\u00e4re wiin-schenswerth, dafs ein solcher Fall genau untersucht und beschrieben w\u00fcrde; ganz wahrscheinlich entwickelt hier das Subject seine besonderen Knospen.\nZweites Buch.\nVon der geschlechtlichen Fortpflanzung\n( Generatio ).\nIn der Bliithe der Pflanzen erkennen die Botaniker ganz allgemein eine durch Metamorphose ver\u00e4nderte Knospe, und Herr Nees von Esenbeck *) sprach zuerst den Satz allgemein aus, dafs die Bliithe jedesmal der Endtheil der Pflanze ist. Wir haben im ersten Buche kennen gelernt, dafs die Enden der Sch\u00f6fslinge mehrj\u00e4hriger Gew\u00e4chse durch Knospen begrenzt werden, welche aber bei der n\u00e4chsten Vegetations-Periode zur Entwickelung gelangen und dadurch ein neues Individuum auf der Spitze des \u00e4lteren zu stehen kommt ; das Ende dieses neuen Individuums (Sch\u00f6fs-linges) tr\u00e4gt nun wiederum auf seiner Spitze eine Gipfelknospe, und diese kann entweder eine sogenannte Holzoder Bl\u00e4tter-Knospe sein, oder auch eine metamorphosirte, welche sich zur Bliithe entfaltet, und hiemit ist zugleich die fernere Verl\u00e4ngerung der Achse beendet. Bei der Bl\u00fcthenknospe nimmt man an, dafs sie eine blofse ver\u00e4n-\n*) Handbuch der Botanik. II. pag. 1.\n7*","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nderte Blattknospe sei, eine Meinung, welche ich in dem morphologischen Theile dieses Werkes gr\u00fcndlich zu er\u00f6rtern suchen werde. Was ich hier, des Beispiels wegen, von der Terminalknospe sagte, das gilt nat\u00fcrlich auch von der Achsillarknospe, denn jede Knospe der Art, welche zur Bliithe wird, ist schon wieder der Endtheil der neuen oder seitlichen Achse.\nDie Bliithentheile sind auf dem Ende der Achse befestigt, und die Achse, welche der Bliithe angeh\u00f6rt, erscheint in den meisten F\u00e4llen so sehr zusammengezogen, dafs sie oftmals kaum als ein besonderer Theil unterschieden werden kann; die Bliithenachse ist aber in allen F\u00e4llen vorhanden, was man am sichersten aus der Stellung der verschiedene Theilen der Bliithe ersehen kann. Die Bliithen-theile sind zwar bei verschiedenen Pflanzen sehr verschieden, die wesentlichsten sind jedoch: der Kelch oder die \u00e4ufsere Hiille, die Blumenkrone (Corolla) oder die innere H\u00fclle und die Zeugungstheile, welche innerhalb der Blumenkrone stehen und wiederum zerfallen in m\u00e4nnliche und in weibliche Zeugungstheile, wovon die ersteren unmittelbar auf die Blumenkrone folgen und die letzteren den innersten Theil der Blume einnehmen. So wie man die ganze Blumenknospe als eine metamorphosirte Blattknospe ansieht, so h\u00e4lt man auch den Kelch, die Blumenkronen, die m\u00e4nnlichen und die weiblichen Zeugungstheile fiir aufeinander folgende metamorphosirte Blattwirtel und spricht von einem Kelch-, Kronen-, Staubblatt (m\u00e4nnliches Geschlechtsorgan)- und Fruchtblatt (weibliches Geschlechtsorgan)- Wirtel. Die Bl\u00e4tter dieser Wirtel sitzen in Kreisen um das Ende jeder Bliithenachse, nur die Fruchtbl\u00e4tter, welche gleichsam den letzten Wirtel bilden und oftmals unmittelbar auf der Spitze der Achse sitzen, bieten hierin sehr beachtenswerte Erscheinungen dar. In vielen F\u00e4llen n\u00e4mlich bildet sich als unmittelbare Fortsetzung der Spitze der Bliithenachse das Eychen, und dann sitzen die Fruchtbl\u00e4tter ganz entschieden um das \u00e4ufserste Ende der Achse, verhalten sich alsdann auch \u00e4hnlich in ihrer Stellung den","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"101\ntiefer stehenden Wirteln der Blume. In anderen F\u00e4llen dagegen sieht 'man die Fruchtbl\u00e4tter oder weiblichen Geschlechtsorgane unmittelbar, als Forts\u00e4tze der Spitze der Bl\u00fcthenachse auftreten, welche sich in den meisten F\u00e4llen ver\u00e4stelt, und dann erscheinen diese Aeste der Achsenspitze als blattartige Gebilde, aus welcher die weiblichen Geschlechtsorgane gebildet werden.\nDie Zeugungstheile oder Geschlechtsorgane sind die wesentlichsten Theile der Bl\u00fcthe, ja sie sind als der Zweck der ganzen Bliithenbildung anzusehen, w\u00e4hrend Kelch und Blumenkrone nur zum Schutze der Zeugungstheile erscheinen, daher auch diese so h\u00e4utig theilweise oder auch vollst\u00e4ndig fehlen. Bei den meisten Pflanzen treten m\u00e4nnliche und weibliche Geschlechtsorgane in einer und derselben Bl\u00fcthe auf ; dergleichen Bl\u00fcthen heifsen Zwitterbl\u00fcthen (Flos hermaphrodites); bei vielen Pflanzen treten dagegen die Bl\u00fcthen mit getrennten Geschlechtern auf, die einen enthalten nur m\u00e4nnliche Geschlechtsorgane und heifsen m\u00e4nnliche Bl\u00fcthen, w\u00e4hrend die anderen nur weibliche Geschlechtsorgane besitzen und weibliche Bl\u00fcthen heifsen. Bei den m\u00e4nnlichen Bl\u00fcthen sieht man stets, dafs sich die Spitze der Bl\u00fcthenachse noch \u00fcber den Wirtel der Geschlechtsorgane hinaus fortsetzt. Diese Bl\u00fcthen mit getrennten Geschlechtern nennt man im Gegens\u00e4tze zu den Zwitterbl\u00fcthen: zweilagerige Bl\u00fcthen (flos diclinus), und diese diclinischen Bl\u00fcthen k\u00f6nnen wiederum zweifach sein, sie k\u00f6nnen n\u00e4mlich auf einer und derselben Pflanze auftreten, so dafs die eine Bl\u00fcthe m\u00e4nnliche, die andere dagegen weibliche Zeugungsorgane hat; solche Pflanzen heifsen einh\u00e4usige (planta monoica). Kommen dagegen die m\u00e4nnlichen Bl\u00fcthen auf der einen Pflanze und die weiblichen auf der anderen Pflanze vor, so nennt man eine solche Pflanzenart eine zweih\u00e4usige (planta dioica), und endlich nannte man dergleichen Pflanzen polygamische, welche Zwitterbl\u00fcthen und m\u00e4nnliche und weibliche untermischt auf einem und demselben Stamme tragen. Linn\u00e9 begr\u00fcndete in seinem Pflanzen-Systeme mehrere\n/","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nKlassen auf diese Verschiedenheiten der Bliithe, und die Pflanzen, welche zu seinen Klassen, Monoecia, Dioecia und Polygamia geh\u00f6ren, geben hiezu die Beispiele.\nHerr Link *) unterscheidet sehr treffend eine wahre und eine falsche Diclinie; bei der wahren Diclinie sind die m\u00e4nnlichen Bliithen anders gebauet und anders gestellt als die weiblichen, kommen auch zuweilen aus anderen Knospen hervor, oder haben eine besondere und bestimmte Stelle. Bei der Eiche bilden z. B. die m\u00e4nnlichen Bliithen ein K\u00e4tzchen, die weiblichen dagegen nicht, und \u00e4hnlich verh\u00e4lt es sich bei der Haselnufs u. s. w. Bei der Birke kommen die m\u00e4nnlichen Bliithen aus Knospen hervor, welche nur Bliithen tragen, die weiblichen aus Knospen, welche Bliithen und Bl\u00e4tter zugleich tragen. Bei der Gattung Urtica ist der Kelch der m\u00e4nnlichen Bliithe viertheilig, bei der weiblichen ist er es zwar ebenfalls, aber nur im fr\u00fchesten Zustande sind diese Bl\u00e4ttchen gleich grofs, sp\u00e4ter entwickeln sich zwei gegeniiberstehende zu grofsen Deckbl\u00e4ttchen, welche die zusammengedriickte Frucht umfassen, w\u00e4hrend die zwei anderen an den R\u00e4ndern der Frucht sitzen und ganz klein Zur\u00fcckbleiben. Bei der falschen Diclinie sind die m\u00e4nnlichen und die weiblichen Bliithen ganz gleich gebauet und unterscheiden sich nur durch den Mangel an m\u00e4nnlichen oder an weiblichen Geschlechtsorganen, wie es z. B. die meisten Palmen, die meisten Gr\u00e4ser u. s. w. zeigen.\nIn der geschlechtslosen Bliithe (flos neuter) fehlen alle Geschlechtsorgane, indem sie aus verschiedenen Ursachen in ihrer Entwickelung Zur\u00fcckbleiben, die Anlagen dazu scheinen mir jedoch \u00fcberall vorhanden zu sein. Herr Link sagt, dafs die Geschlechtsorgane in diesen F\u00e4llen entweder durch ein \u00fcbertriebenes Wachsthum der Bl\u00fcthenhiil-len verloren gehen, oder durch eine allgemeine Verst\u00fcmmelung, wie z. B. bei den innersten Bliithen der Gr\u00e4ser, w\u00e4hrend dasErstere beiden Randblumen derSyngenesisten vorkommt.\n*) Eiern, philos. bot. Ed. alt. II. pag. 234.","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"103\nDer Endzweck aller Bliithenbildung ist die Bildung des Saamens durch geschlechtliche Vereinigung, in deren Folge die Befruchtung auftritt; in der Folge werden wir sehen, dafs diese erzeugende Vereinigung gerade im innersten Theile des schon vorgebildeten Pflanzeneychen vor sich geht. Dieser Theil, welcher der Kern des Eychens genannt wird, ist also der wichtigste in dem ganzen Bliithen-Apparate, und wir haben denn auch wirklich F\u00e4lle aufzuf\u00fchren, wo wir in der weiblichen Bliithe nichts weiter, als den Kern mit einer einzelnen Eyhiille versehen vorfinden. Die weibliche Bliithe des Taxus-Baumes hat hiedurch eine eigene Ber\u00fchmtheit erhalten, wir sehen sie in Fig. 19. Tab. XV. in vollkommen ausgebildetem Zustande darge-stellt; a ist der Bl\u00fcthenstiel, b, b, b u. s. w. sind die Schuppen der Knospe, und aus der Mitte dieser ragt eine zugespitzte R\u00f6hre c hinaus. Dicht daneben, in Fig. 20. ist derselbe Gegenstand nach einem L\u00e4ngendurchschnitte dargestellt; hier sieht man den kegelf\u00f6rmigen K\u00f6rper d als die Spitze der Achse; er ist nichts weiter, als der Kern des Eychens, um welchen sich eine einfache H\u00fclle bildet, deren Oeffnung weit \u00fcber die Spitze des Kerns hinausw\u00e4chst und durch c bezeichnet ist. Diese Oeffnung der Eyh\u00fclle ist im vorliegenden Falle zugleich der Stellvertreter der Narbe, indem die Pollenk\u00f6rner unmittelbar auf diese Oeffnung fallen. Bei dieser Deutung fehlt dann der weiblichen Taxus-Bl\u00fcthe jede Spur einer Pistillbildung, es m\u00f6chte aber wohl richtiger sein, wenn man diese H\u00fclle, welche sich ebenso allm\u00e4lich um den Kern hinaus bildet, wie wir es sp\u00e4ter bei der Pistillbildung der Gattung Frtica kennen lernen werden, wenn wir diese als eine wirkliche Pistillbildung ansehen, und alsdann in der Oeffnung c die Narbe erkennen. Es ist auch h\u00f6chst auffallend, dafs um die Zeit der Befruchtung aus dieser Oeffnung ein Tr\u00f6pfchen eines schleimigen und klebrigen Saftes hervortritt, was doch bis jetzt noch bei keiner Oeffnung der Eyh\u00fcllen beobachtet ist. Nehmen wir nun diese letztere Deutung der weiblichen Taxus-Blii the an, so sehen wir in derselben","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\naufser dem einfachen Pistill mit dem nackten Eychen nichts weiter; die H\u00fcllen dieser Theile werden hier durch gew\u00f6hnliche Knospenschuppen vertreten, woraus wir denn aber auch zugleich auf die wesentliche Uebereinstimmung zwischen gew\u00f6hnlichen Knospen und Bliithenknospen schlie-fsen k\u00f6nnen.\nEs hat viele Jahrhunderte lang gedauert, bis man zu der allgemeinen Ansicht gekommen ist, dafs die Pflanzen, ebenso wie die Thiere, ein doppeltes Geschlecht besitzen, und zu allen Zeiten, ja selbst bis auf den heutigen Tag hat es stets mehr oder weniger Botaniker gegeben, welche die Geschlechtsverschiedenheit bei den Pflanzen in Zweifel ziehen oder mit Scheingr\u00fcnden zu bestreiten suchen.\nDie di\u00f6cischen Pflanzen waren es, an welchen man die Geschlechtsverschiedenheit zuerst beobachtet hat, und offenbar war es bei diesen auch am leichtesten. Die Geschichte lehrt uns, dafs man an der Dattelpalme schon in den fr\u00fchesten Zeiten des Alterthums die Geschlechtsverschiedenheit kannte * *). Da die Dattelpalme in Arabien, Aegypten u. s. w. zur Erlangung siifser Fr\u00fcchte cultivirt wird, welche in manchen Gegenden die haupts\u00e4chlichste Nahrung der Menschen ausmachen **), so verwendet man auf die Erlangung derselben grofse Aufmerksamkeit. In Gegenden, wo die m\u00e4nnlichen Dattelpalmen fehlen, da m\u00fcssen die Bliithenkolben aus der Ferne herbeigeholt werden, damit die weiblichen Blumen durch den Blumenstaub der m\u00e4nnlichen Bliithenkolben best\u00e4ubt werden, denn wenn dieses nicht stattfindet, so fallen die Fruchtans\u00e4tze ab. Ja wir wissen es schon aus fr\u00fchen Zeiten her, dafs die Araber den Bliithenstaub des Dattelbaums von einem Jahre zum anderen aufheben, um auch f\u00fcr den Fall sicher zu sein, dafs die m\u00e4nnlichen Bliithen im n\u00e4chsten Jahre nicht gerathen. Als im Jahre 1800 der Krieg in Aegypten\nI.\n*) S. Theophrast\u2019s Naturgeschichte der Gew\u00e4chse, Spreng. Ausg. pag. 73.\n*\u00a5) S. Meyen\u2019s Pflanzengeographie etc. pag. 396.","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"105\nherrschte, da trugen die Dattelpalmen im ganzen Nieder-Aegypten keine Fr\u00fcchte, weil die Araber durch denselben verhindert wurden, die m\u00e4nnlichen Bl\u00fcthen zur Best\u00e4ubung aus der Ferne zu holen * **) ***)). An den Pistacien war die Geschlechtsverschiedenheit ebenfalls schon den Alten bekannt.\nEs ist nicht meine Absicht, eine vollst\u00e4ndige geschichtliche Darstellung \u00fcber die \u00e4lteren Ansichten in Bezug auf die Befruchtung der Pflanzen zu geben, denn dieser Gegenstand ist schon zu oft vorgetragen, und ich k\u00f6nnte dar\u00fcber nicht viel Neues hinzuf\u00fcgen; Herr De Candolle^*) hat denselben mit vorz\u00fcglichem Fleifse und gr\u00f6fster Literatur-Kenntnifs behandelt, worauf ich im Allgemeinen verweisen kann. Man hat sich viele M\u00fche gegeben, denjenigen Gelehrten herauszufinden, dem die Ehre der Entdeckung der Geschlechtsverschiedenheit bei den Pflanzen zuzuschreiben ist und glaubt sehr allgemein, dafs sie dem B\u00f6hmen Zaluziansky zukomme. Indessen schon Medicus sagte, dafs Andreas Caesalpin^*) 7 Jahre fr\u00fcher schrieb als jener, und wohl der Erste gewesen sei, welcher sich bem\u00fchte, \u00fcber die Geschlechtsverschiedenheit bei den Pflanzen richtige Begriffe einzuf\u00fchren. Herr Treviranus f ) hat jedoch eine interessante Stelle bei Clusius ff) aufge-s funden, wonach auch dieser Botaniker, den Herr Link das gr\u00f6fste Genie seiner Zeit nennt, von dem Geschleehte der Pflanzen richtige Ansichten gehabt haben mufs. Er erkannte die m\u00e4nnliche und die weibliche Bl\u00fcthe der Carica Papaya ganz richtig und sagt: man behaupte, sie seien einander so befreundet, dafs der weibliche Baum keine Frucht bringe, wenn der m\u00e4nnliche Baum nicht in seiner N\u00e4he ist.\n*) S. Delile, Flore d\u2019\u00c9gypte, pag. 172.\n**) Phys. v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 495 etc.\n***) De plantis libri XVI. 1583. pag. 15. f) Physiologie der Gew\u00e4chse. II. pag. 371. Ich erhalte dieses neue Werk soeben w\u00e4hrend des Druckes dieses Bogens.\n\u2022ff) S. dessen Curae posteriores, welche freilich 16H zu Antwerpen erschienen sind, pag. 42.","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nDer B\u00f6hme Adam Zaluziansky *) hat schon gegen das Ende des 16ten Jahrhunderts das Vorhandensein verschiedener Geschlechter bei den Pflanzen sehr bestimmt ansgesprochen, und aus mehreren von ihm aufgef\u00fchrten Beispielen ergiebt es sich, dafs er den Gegenstand richtig erkannt hat; er sprach zuerst die Ansicht aus, dafs der gr\u00f6fste Theil der Pflanzen eigentliche Zwitter sind, indem sie m\u00e4nnliche und weibliche Geschlechtsorgane zusammen aufzuweisen haben.\nDie wissenschaftliche Begr\u00fcndung der Lehre von dem Geschlechte der Pflanzen geschah jedoch erst durch R. J. Camerer**), dem denn eigentlich gr\u00f6fstentheils die Ehre dieser wichtigen Entdeckung zukommen m\u00f6chte. Zu gleicher Zeit m\u00f6chte aber auch Robert Bale gelehrt haben, ! dafs die Zeugung der Pflanzen analog derjenigen der f liiere w\u00e4re, wie wir es bei Bradley***) aufgezeichnet finden, dem die Geschlechtsverh\u00e4ltnisse der Pflanzen gewifs schon sehr gut bekannt waren.\nObgleich nun schon durch diese im Vorhergehenden angef\u00fchrten Arbeiten die Geschlechtsverschiedenheit bei den Pflanzen festgestellt war, so fanden diese Ansichten doch erst durch die Arbeiten unseres ber\u00fchmten Linn\u00e9 allge- j meinen Eingang, und haupts\u00e4chlich dadurch, dafs dieser grofse Naturforscher im Jahre 1735 die Geschiechtsver-schiedenheit bei den Pflanzen zur Begr\u00fcndung seines Sexualsystems benutzte. Dadurch geschah es denn, dafs 4 man Linn\u00e9 als den Entdecker der Sexualit\u00e4t der Pflanzen ansah, doch hat sich derselbe diese Entdeckung niemals selbst zugeeignet, wie man es aus seinen eigenen, \u00fcber\n*) Methodi herbariae libri tr\u00e8s. Prodit Francfurti, e collegia Paltheniano, anno 1604. leb benutze hier den von R\u00fcper in De Candolle\u2019s Pflanzen - Physiologie \u00ceI. pag. 49 gegebenen Auszug dieses Werkes, dessen erste Ausgabe 1592 erschienen ist.\n**) Caraerarii epistola ad Mich. Bern. Valentinum de sexu plan-tarum. T\u00fcb. 1694.\n\u00a5\u00a5*) New Ixnprow, pag. 10, Ed. YI\u00cf. London 1739.","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"107\ndiesen Gegenstand herausgegebenen ber\u00fchmten Schriften *) sehen kann.\nIch will bei dieser Gelegenheit nur noch anf\u00fchren, dafs die k\u00fcnstliche Befruchtung der Pflanzen wohl sehr allgemein im Gebrauche war, und dafs sie wohl schon in den fr\u00fchesten Zeiten, und selbst bei den uncultivirten V\u00f6lkern bekannt gewesen sein mag, denn ich wurde nicht wenig \u00fcberrascht, als ich in Honolulu, der Hauptstadt der Sandwichs-Inseln, eine Frau bemerkte, welche bei allen, in der N\u00e4he ihrer Wohnung stehenden Individuen der Argemone mexicana die k\u00fcnstliche Befruchtung ausiibte, und mir durch meinen Dolmetscher zu verstehen gab, dafs die Pflanzen dadurch mehr Saameu bringen, als wenn dieses nicht geschieht. Hier wurde also die k\u00fcnstliche Befruchtung selbst bei einer Zwitterblume ausgef\u00fchrt, um eine gr\u00f6fsere Zahl von Saamen zu erlangen, welche von \u00e4hnlichem Geschmacke wie unsere Mohnsaamen sind, und man kann wohl sicher sein, dafs diese Indianerin von keinem Botaniker darin Unterricht erhalten habe. Will man aber bei solchen F\u00e4llen annehmen, dafs die Menschen dergleichen Operationen vornehmen, ohne die Bedeutung derselben einzusehen, so m\u00f6chte ich dagegen antworten, dafs sie dieses auch eben so wenig bei der Befruchtung der Thiere im Stande sind, und dennoch wissen, was Mann und Frau bedeutet.\nDa nun aber immer, und immer wieder von Neuem die Ansichten und selbst die bestimmtesten Beobachtungen \u00fcber das Geschlecht der Pflanzen angefeindet werden, so halte ich es f\u00fcr zweckm\u00e4fsig, dafs hier noch eine Reihe von Thatsachen aufgef\u00fchrt werden, welche die Erzeugung der Saamen in Folge geschlechtlicher Vereinigung auf das Bestimmteste erweisen, und erst sp\u00e4ter, wenn wir diesen plastischen Prozefs vollkommen kennen gelernt haben,\n*) S. Linn\u00e9\u2019s Sponsalia plantarum. 1746. -\u2014 Amoenitat. acade-micae. I. pag. 330 und Disquisltio de sexu plantarum. 1760. \u2014 Amoenitat. aeademicae. Edit. Sclireberi. X. pag. 100.","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nwerde ich die Ansichten beseitigen, nach welchen man berechtigt zu sein glaubt, selbst die schlagendsten Thatsachen, die f\u00fcr das Geschlecht der Pflanzen sprechen, auch noch anderweitig zu deuten.\nAm sprechendsten von allen Thatsachen sind die Bastardzeugungen f\u00fcr die Geschlechtsverschiedenheit der Pflanzen, denn ebenso, wie man bei den Thieren durch geschlechtliche Vereinigung von Individuen verschiedener Arten Bastarde hervorgehen sieht, ganz ebenso verh\u00e4lt es sich mit den Pflanzen, und wir werden diesen f\u00fcr die Physiologie, wie f\u00fcr die Gartencultur so h\u00f6chst wichtigen Gegenstand in der Folge in einem besonderen Abschnitte vortragen.\nDie k\u00fcnstliche Befruchtung wendet man gegenw\u00e4rtig nicht nur in botanischen G\u00e4rten, sondern ziemlich allgemein in solchen F\u00e4llen an, wo die Erlangung von Saamen von besonderer Wichtigkeit ist, und aus verschiedenen Ursachen ohne dieselbe die Befruchtung nicht vor sich geht, was besonders bei tropischen Gew\u00e4chsen in unseren G\u00e4rten sehr h\u00e4ufig der Fall ist. Es ist noch nicht lange her, dafs man die k\u00fcnstliche Befruchtung bei den Orchideen eingef\u00fchrt hat, und seitdem setzen diese kostbaren Gew\u00e4chse auch in unseren Gew\u00e4chsh\u00e4usern Saamen an; in der Natur geschieht es ohne menschliche H\u00fclfe, hier sind aber wohl jedenfalls die Insekten als die k\u00fcnstlichen Befruchter dieser Blumen anzusehen. Am auffallendsten hat sich die k\u00fcnstliche Befruchtung der Orchideen dadurch hervorgethan, dafs in Folge derselben auch in unseren Gew\u00e4chsh\u00e4usern die gew\u00fcrzhafte Vanille gezogen worden ist. Herr Morren hat die Vanille-Fr\u00fcchte (von Vanilla planifolia) im botanischen Garten zu L\u00fcttich k\u00fcrzlich zur Reife gebracht, und schon im Anf\u00e4nge dieses Jahrhunderts soll man sie im botanischen Garten zu Halle erhalten haben. Die Fr\u00fcchte der Orchideen, welche in unseren Gew\u00e4chsh\u00e4usern durch k\u00fcnstliche Befruchtung hervorgegangen sind, stehen zuweilen mehrere Jahre, und fallen alsdann ab, ohne keimungsf\u00e4hige Saamen zu bringen. Die Ursache","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"109\nhiervon m\u00f6chte ich darin sehen, dafs bei solcher k\u00fcnstlichen Befruchtung viel mehr Eychen befruchtet werden, als im normalen Zustande, so dafs die grofse Zahl derselben, welche sich sp\u00e4ter entwickelt, in dem Ovario nicht mehr Platz hat; die Saamen sterben alsdann fr\u00fcher ab, indem sie sich gegenseitig gleichsam erdr\u00fccken. Auch an den Fr\u00fcchten \u00fcppig wachsender Kaiserkronen habe ich dieses bemerken k\u00f6nnen; die Eychen waren s\u00e4mmtlich befruchtet und der Embryo hatte schon eine bedeutende Gr\u00f6fse erlangt, als sie pl\u00f6tzlich anfingen abzusterben, ohne dafs irgend eine andere Ursache daf\u00fcr aufzufin-\nF\nden war.\nDie Beobachtungen haben ganz entschieden gelehrt, dafs Zwitterbl\u00fcthen keine Fr\u00fcchte tragen, wenn man ihnen die Antheren nimmt, ehe dieselben zum Ausstreuen des\n\u00bb Pollens kommen, und bei di\u00f6cischen Gew\u00e4chsen geschieht dieses noch sicherer, wenn man die m\u00e4nnlichen Pflanzen von den weiblichen trennt, doch mufs man bei Letzteren genau achten, dafs zwischen den weiblichen Bl\u00fcthen nicht auch m\u00e4nnliche oder Zwitterbl\u00fcthen Vorkommen, was gegenw\u00e4rtig schon sehr h\u00e4ufig beobachtet ist. So stellte Spalanzani unter verschiedenen Gew\u00e4chsen auch mit der Hanfpflanze Versuche an, aus welchen er zu dem Resultate kam, dafs die weiblichen Bl\u00fcthen dieser Pflanze, ganz entfernt von den m\u00e4nnlichen, und unter einer Glasglocke verschlossen wachsend, ebenfalls reife Saamen tragen k\u00f6nnten. Man hat diese Spalanzanischen, scheinbar sehr\n- genauen Beobachtungen, lange Zeit hindurch gegen die Richtigkeit der Theorie \u00fcber das Geschlecht der Pflanzen angef\u00fchrt, gegenw\u00e4rtig wissen wir aber in Folge vieler Gegenversuche, dafs jene Beobachtungen unrichtig sind.\n: Gerade bei den, von Spalanzani angewendeten Pflanzen, als bei dem Hanfe, dem Spinate, der Wasser-Melone u. s.w. ist es etwas sehr gew\u00f6hnliches, dafs zwischen den weib-\n\u00a5) Deila generazione di diverse piante nella Fisica animale e vegetabile. Yenezia 1782.","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nlichen Bliithen auch einzelne m\u00e4nnliche auftreten, und diese alsdann hinreichend sind die Befruchtung zu bewirken.\nZu den ber\u00fchmtesten Beobachtungen, welche zur Beweisf\u00fchrung der Geschlechtstheorie bei den Pflanzen angestellt sind, m\u00f6chten folgende geh\u00f6ren: Indem botanischen Garten zu Berlin befindet sich ein \u00fcberaus sch\u00f6nes und grofses Exemplar von Chamaerops humilis (Palma dactyli-fera Boerhaave), welches gegenw\u00e4rtig an 160 Jahr alt sein mag, denn es kam schon im 17. Jahrhundert aus Holland nach Berlin. Es ist eine weibliche Pflanze, welche allj\u00e4hrlich bl\u00fcht und keine Fr\u00fcchte tr\u00e4gt, doch zu Gleditsch\u2019s Zeiten wurde die Pflanze k\u00fcnstlich befruchtet und trug reifen Saamen. Im Jahre 1749 liefs n\u00e4mlich Gleditsch *) einen m\u00e4nnlichen Bliithenkolben dieser Palme aus dem Bose\u2019schen Garten zu Leipzig kommen, und befruchtete damit die weibliche Pflanze im Berliner Garten; er streuete den Pollen auf die weibliche Bliithe, der schon 9 Tage lang aufserhalb der Antheren gelegen hatte, und dennoch setzte die Palme Fr\u00fcchte an, welche sp\u00e4ter keimten. Im folgenden Jahre wurde die k\u00fcnstliche Befruchtung mit neuen m\u00e4nnlichen Bl\u00fcthen, welche man abermals von Leipzig kommen liefs, wiederholt und zwar mit gleichem Erfolge. In dem Berichte \u00fcber diese k\u00fcnstliche Befruchtung der Chamaerops humilis, welchen Gleditsch als Vorsteher des akademischen Gartens, worin die Palme befindlich war, der Akademie mittheilt, wird des G\u00e4rtners jener Anstalt r\u00fchmlichst erw\u00e4hnt, aber durchaus nichts angegeben, woraus man schliefsen d\u00fcrfte, dafs das Experiment durch diesen und nicht durch Gleditsch ausgef\u00fchrt wurde. In einem anderen Buche; weiches unter dem Titel: Berliner Belustigungen u. s. w. erschienen ist, finden wir weit ausf\u00fchrlichere Nachrichten \u00fcber diese k\u00fcnstlichen Befruchtungen der ber\u00fchmten Chamaerops, und Herr Fr. Otto hat einen Auszug dieses Berichtes im ersten Hefte der Schriften des\n\u00a5) S. Essai d\u2019une f\u00e9condation artific. fait sur l\u2019esp\u00e8ce de Palmier qu\u2019on nomme Palma dactylifera folio flabelliformi. \u2014 Hist, de l\u2019Acad. des scienc. et belles lettres. Ann. 1749. A. Berlin 4751. pag. 103.","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Ill\nPrenfsisclien Gartenbau-Vereines gegeben. Es heifst in diesem Berichte, dafs die ersten m\u00e4nnlichen Bl\u00fcthen, welche sich Gleditsch von Leipzig kommen liefs, verdarben, doch zu gleicher Zeit liefs sich der botanische G\u00e4rtner Michel-mann dergleichen kommen, und mit diesen ward der erste Versuch angestellt. Die weiblichen Bl\u00fcthen, welche dem befruchtenden Kolben zun\u00e4chst standen, brachten \u00fcber 100 Saamen, die entfernt stehenden aber nur 4. Bei der Befruchtung im folgenden Jahre erhielt man an 5 Trauben 2000 reife Saamen. Die Saamen keimten nach 4 Monaten. Im Jahre 1808 hat auch Herr Otto eine solche k\u00fcnstliche Befruchtung mit der ber\u00fchmten Chamaerops angestellt, und die daraus hervorgegangenen reifen Saamen keimen sehen. Es befindet sich im botanischen Garten zu Berlin noch eine j\u00fcngere Chamaerops, welche aus solchen kiinst-l lieh befruchteten Saamen hervorgegangen sein soll, doch habe ich dar\u00fcber keine autentischen Nachrichten erhalten k\u00f6nnen.\nDer Graf Sternberg hatte seit einer Reihe von Jahren ein starkes Exemplar von Carica macrocarpa, welche alle Jahre bl\u00fchte, aber keine Fr\u00fcchte brachte. Im Jahre 1815, als diese Pflanze eben wieder bl\u00fchte, liefs sich derselbe m\u00e4nnliche Bl\u00fcthen der Carica Papaya von Prag kommen und best\u00e4ubte seine weibliche Pflanze, worauf sie br\u00e4chte mit 1 keimf\u00e4higen Saamen ansetzte. Seitdem bl\u00fchte die Pflanze wieder allj\u00e4hrlich , setzte aber keine Fr\u00fcchte an *).\nAehnliche hiehergeh\u00f6rige Beobachtungen hat Herr Treviranus im zweiten Theile seiner soeben erschienenen Physiologie der Gew\u00e4chse in sehr grofser Anzahl aufgef\u00fchrt.\nAlle diese Thatsachen sprechen so bestimmt f\u00fcr die Sexualit\u00e4t bei den Pflanzen, dafs wir schon hieraus dieselbe als vollkommen erwiesen ansehen k\u00f6nnen; was sich aber in der Folge, wenn wir den plastischen Prozefs kennen gelernt haben, welcher bei der Befruchtung stattfindet, noch viel bestimmter herausstellen wird.\n*) S. Flora von 1821. IT. Erste Beilage pag. 4.","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nI. Von den m\u00e4nnlichen Geschlechts - Organen\nder Pflanzen.\nDie m\u00e4nnlichen Geschlechts-Organe der Pflanzen sind unter dem Namen: S taubgef \u00e4fse, Staubf\u00e4den (stamina) bekannt, welche bei den verschiedenen Pflanzen von sehr verschiedener Form und von sehr verschiedenem Baue sind; die ausgebildeten Staubgef\u00e4fse der vollkommenen Pflanzen lassen jedoch stets drei wesentliche Theile an denselben unterscheiden, n\u00e4mlich den Tr\u00e4ger (filamentum), den Staubbeutel (anthera) und den Blumenstaub (pollen).\nDer Blumenstaub (pollen) ist als das Befruchtende in der Blume anerkannt worden, daher wir uns mit der Untersuchung desselben speciell zu besch\u00e4ftigen haben; die Bildung desselben steht mit der Bildung der Anthere im innigen Zusammenh\u00e4nge, so dafs wir bei der Bildungsgeschichte des Blumenstaubes zugleich die des Staubbeutels oder der Anthere daneben zu betrachten haben. Dem Plane zu Folge, welchen ich mir bei der Ausarbeitung dieses Werkes \u00fcber die Pflanzen-Physiologie vorgesetzt habe, kann hier die Betrachtung der Staubgef\u00e4fse in morphologischer Hinsicht eigentlich nicht statt finden, sondern ich gebe hier nur die einfachen Beobachtungen \u00fcber die Bildung der Anthere mit dem darin enthaltenen Pollen, woraus man die Nichtigkeit aller der vielen, so sinnreich erdachten Entstehungs-Geschichten dieser Gebilde, welche von einem sehr grofsen Theile der Botaniker angenommen worden sind, einsehen wird.\nNach den bekannten gegenw\u00e4rtig fast allgemein angenommenen Grunds\u00e4tzen der Metamorphosen-Lehre werden die Staubgef\u00e4fse als metamorphosirte Bl\u00e4tter angesehen, und gerade bei der Anthere hat man sich alle M\u00fche gegeben um diese Metamorphose des Blattes in der Form der ausgebildeten Anthere anschaulich zu machen. H\u00e4tte man jedoch die Bildung der Anthere von fr\u00fchester","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"113\nZeit an verfolgt, so w\u00fcrde man gefunden haben, dafs sich die Sache ganz anders verh\u00e4lt, und dafs eine \u00fcberaus grofse Uebereinstimmung in der Bildung der F\u00e4cher herrscht, wenn auch die Form und die Zahl derselben bei der ausgebildeten Anthere, besonders um die Zeit ihres Aufspringens, vielfach verschieden ist.\nDerjenige Theil der Blume, aus welchem sich sp\u00e4ter die Anthere mit dem darin enthaltenen Pollen bildet, tritt zun\u00e4chst als ein schuppenf\u00f6rmiges Gebilde auf, welches mit seiner Basis zur Seite der Achse befestigt ist, und sich in Hinsicht der Stellung \u00e4hnlich den Kelch- und Blumenbl\u00e4ttern eben derselben Bliithenknospe verh\u00e4lt. Man hat dieses schuppenf\u00f6rmige Gebilde als ein junges Blatt angesehen; aus welchem sich die Anthere herausbildet, doch in Hinsicht der Structur unterscheidet es sich von den wirklichen Bl\u00e4ttern ganz bestimmt, denn es hat stets nur ein einzelnes, der L\u00e4nge nach hindurchlaufendes cylindri-sches Gef\u00e4fsbiiudel, w\u00e4hrend die, verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig sehr grofse Masse des Zellengewebes ganz ohne alle Spiralr\u00f6hren, entweder rund um jenes B\u00fcndel, oder nur zu den Seiten desselben ausgebreitet ist; und gerade von dieser urspr\u00fcnglichen Ausbreitung der Zellenmasse, h\u00e4ngt auch die k\u00fcnftige Form der Antherenf\u00e4cher ab.\nIm Inneren der kleinmaschigen Zellenmasse, aber stets in bestimmten, f\u00fcr die Art unab\u00e4nderlichen Entfernungen von dem Gef\u00e4fsb\u00fcndel, bilden sich die F\u00e4cher der Anthere mit dem darin auftretenden Pollen; mit der Vergr\u00f6fserung dieser F\u00e4cher wird die Zellenmasse immer mehr und mehr zur\u00fcckgedr\u00e4ngt, und bei verschiedenen anderen Bildungen, welche in dieser Periode im Inneren jener Zellen auftre-ten, und sp\u00e4ter speciell er\u00f6rtert werden, entsteht aus jenem urspr\u00fcnglichen schuppenartigen Gebilde dasjenige Ger\u00fcste, welches die reife Anthere zeigt.\nMenn man die ausgebildeten Antheren der Pflanzen quer durchschneidet, so zeigt die gr\u00f6fste Zahl derselben zwei, mehr oder weniger grofse F\u00e4cher, welche mit Blumenstaub gef\u00fcllt sind, und nur sehr wenige Pflanzen zeigen\nMe y eu. PH. Physiol. 111.\t\u00a7","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\neinf\u00e4cherige Antheren. Wenn man jedoch die Antheren der vollkommneren Pflanzen in fr\u00fcheren Zust\u00e4nden ihrer Entwickelung durch Querschnitte untersucht, so zeigen sie fast s\u00e4mmtlich vier F\u00e4cher, welche, bei verschiedenen Gattungen und Arten sehr verschieden gestellt sind und sp\u00e4ter durch Zerreifsung der Scheidew\u00e4nde bald in 2 F\u00e4cher \u00fcbergehen, bald in ein einzelnes, was durch Zerreifsung, oder vielmehr durch Lostrennung s\u00e4mmtlicher Scheidew\u00e4nde von den W\u00e4nden der Anthere vor sich geht. Die systematische Botanik mufs jedoch die Benennungen der einf\u00e4cherigen und der zweif\u00e4cherigen Antheren beibehalten, denn es werden hiemit die Zust\u00e4nde der Antheren w\u00e4hrend der Bliithe angedeutet, und meistens sind jene Ver\u00e4nderungen der 4 F\u00e4cher einer bestimmten Anthere in zwei F\u00e4cher, oder in ein einzelnes Fach, schon l\u00e4ngere Zeit vor dem Aufspringen der Anthere vor sich gegangen. In allen jenen F\u00e4llen, wo die Anthere als einf\u00e4cherig angegeben ist, da habe ich bei Untersuchung der fr\u00fchesten Zust\u00e4nde ebenfalls 4 F\u00e4cher beobachtet, so z. B. bei den Oenotheren, wo allerdings schon bei sehr jungen Bl\u00fcthen-knospen diejenige Stelle der \u00e4ufseren Antherenwand, welche sp\u00e4ter aufspringt und die R\u00e4nder bildet, von der inneren Scheidewand getrennt ist; aber in noch weit fr\u00fcheren Zust\u00e4nden sind auch diese Theile mit einander verwachsen, und die junge Anthere der Oenotheren hat 4 sehr regel-m\u00e4fsig im Vierecke gestellte F\u00e4cher. Bei der Gattung Salvia ist stets von einf\u00e4cherigen Antheren die Rede, und sie verhalten sich hier dennoch ganz \u00e4hnlich wie in anderen F\u00e4llen; man braucht noch nicht einmal sehr junge Zust\u00e4nde zu untersuchen, und man wird finden, dafs die Anthere als ein schildf\u00f6rmiges Gebilde auftritt, welches auf der hinteren Fl\u00e4che, und gerade in der Mittellinie derselben, mit dem Tr\u00e4ger verbunden ist. Schneidet man eine solche Anthere quer durch, so findet man zwei besondere F\u00e4cher, wovon jedes um die schmale Seiten wand der Anthere heruml\u00e4uft, aber auf der Mitte der vorderen Fl\u00e4che sind die k\u00fcnftigen R\u00e4nder nicht nur unter sich,","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"115\nsondern auch mit der R\u00fcckenwand ganz innig verwachsen. Ich habe den fr\u00fchesten Zustand bei der Antherenbildung der Gattung Salvia zwar noch nicht gesehen, aber aus der Form der F\u00e4cher in einem etwas weiter vorger\u00fcckten Zustande, geht wohl sehr bestimmt hervor, dafs auch die beiden, fast hufeisenf\u00f6rmig gebogenen Antherenf\u00e4cher, im fr\u00fchesten Zustande durch die Scheidewand getrennt waren? welche mitten durch die Breitenachse der ganzen Anthere verl\u00e4uft. In dem fr\u00fchesten Zustande, in welchem ich diese Antheren sah, lagen die R\u00e4nder jener Scheidewand, welche seitliche Forts\u00e4tze des Connectivums sind, ganz dicht neben der \u00e4ufseren Antherenwand, mit welcher sie fr\u00fcher sicherlich verwachsen gewesen sind. Auch die Antheren der Gattung Impatiens sind im fr\u00fchesten Zustande 4 f\u00e4cherig, und die der Syngenesisten zeigen im Knospenzustande gleichfalls die niedlichsten Scheidew\u00e4nde, durch welche sie in 4 F\u00e4cher getheilt waren, sp\u00e4ter trennen sich jedoch diese W\u00e4nde und die Antheren werden einf\u00e4cherisr.\nDafs die zweif\u00e4cherigen Antheren bei ihrem Auftreten 4f\u00e4cherig sind, das hatte schon Gleichen beobachtet, und Herr v. Mirbel *) sprach schon die Ansicht aus, dafs dieser Bau der Antheren bei dem gr\u00f6fsten Theile der Pflanzen vorhanden sein m\u00f6chte. Herr R. Brown **) gab eine ausf\u00fchrlichere Darstellung \u00fcber die Normalbildung der Anthere, er sagte: \u201eIch nehme an, dafs jede Anthere aus zwei S\u00e4cken oder Thecae besteht, welche ihrer ganzen L\u00e4nge nach an dem Rande eines zusammengedr\u00fcckten Tr\u00e4gers angeheftet sind. Jeder Sack enth\u00e4lt urspr\u00fcnglich eine fleischige Substanz, auf deren Oberfl\u00e4che, oder in deren Zellen, sich der Bliithenstaub bildet. Die H\u00f6hle des Sackes ist ihrer L\u00e4nge nach in zwei gleiche F\u00e4cher getheilt, und diese Theilung ist \u00e4ufserlich durch einen Eindruck, oder eine\n*) Trait\u00e9 \u00e9l\u00e9mentaire de \u00dfotan, et de Physiolog. v\u00e9g\u00e9t. I. pag. 249. und Ann. du Mus. Tom. IX. pag. 452.\nTransact, of the Linnean Society of London. Vol. XIII. P. 1. Dessen Vermischte Schriften. Herausgegeben von INees v. Esenbeck.\nII. pag. 623.\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nFurche angedeutet, welche zugleich auch die Linie des Aufklaffens ist.\u201c\nNach dieser Darstellung denke man sich die 4 F\u00e4cher der Anthere durch zwei, sich kreuzende Scheidew\u00e4nde gebildet; die eine Scheidewand, weiche wir die Hauptscheidewand nennen wollen, trennt die beiden S\u00e4cke von einander, welche die meisten ausgebildeten Antheren zeigen, die andere Scheidewand dagegen, welche wir die Nebenscheidewand nennen wollen, durchschneidet nur die H\u00f6hle der beiden S\u00e4cke; oft durchschneidet die Nebenscheidewand die Hauptscheidewand im rechten Winkel, was besonders bei den terminalen Antheren der Fall ist, indessen bei den seitlich stehenden Antheren, besonders aber in dergleichen blattartigen Stauhgef\u00e4fsen, wie bei der Gattung Nymphaea, da stehen die Nebenscheidew\u00e4nde in einem spitzen Winkel auf die Hauptscheidewand gerichtet. Die einzelnen Antherenf\u00e4cher bei den sogenannten zweif\u00e4cherigen Antheren springen sp\u00e4ter an denjenigen Stellen auf, wo die R\u00e4nder der Nebenscheidew\u00e4nde mit der \u00e4ufse-ren Antherenwand verbunden sind; bei den einf\u00e4cherigen Antheren dagegen, wie z. B. bei der Gattung Salvia und noch in vielen anderen F\u00e4llen, trennen sich die R\u00e4nder der Nebenscheidewand von der \u00e4ufseren Antherenwand; diese springt nicht auf, sondern es laufen dadurch nuy die beiden F\u00e4cher der einen Antherenh\u00e4lfte in ein gemeinschaftliches Fach zusammen. Die Er\u00f6ffnung der Anthere geschieht hier durch eine L\u00e4ngenspalte, welche sich an derjenigen Stelle der Antherenwand bildet, wo der vordere Rand der Hauptscheidewand mit der \u00e4ufseren Antherenwand verwachsen war, sich aber von dieser schon einige Zeit vorher getrennt hatte, wodurch endlich alle 4 F\u00e4cher in ein einzelnes zusammen laufen.","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"117\nErstes Capitel.\nSpecieliere Untersuchungen \u00fcber die Bildung der Anthere und des Pollens.\nSchon auf den vorhergehenden Seiten ward die Meinung von Robert Brown ausgesprochen, dafs der Antherensack urspr\u00fcnglich mit einer fleischigen Substanz erf\u00fcllt sei, auf deren Oberfl\u00e4che, oder in deren Zellen sich der Pollen bildet. Diese Ansicht, dafs sich n\u00e4mlich die Pollenk\u00f6rner in besonderen h\u00e4utigen Zellen bilden, hatte schon Koel-reuter*) aufgestellt, sie wurde jedoch erst durch Herrn Brongniarts**) Beobachtungen nachgewiesen, welcher in den jungen Antheren der K\u00fcrbifspflanze fand, dafs jedes Fach eine halbdurchsichtige, zellige Masse einschliefst. Diese zellige Substanz, welche Herr Brogniart die Pollenmasse nennt, ist aus einer Menge von Zellen gebildet, die, wie alles vegetabilische Zellengewebe entsteht, indem sich zarte, runde und durchsichtige Schl\u00e4uche aneinanderlegen und mit einander zusammenhaften, u. s. w. Die Zellen der Pollenmasse sollen um diese Zeit so fest aneinanderhaften, dafs man sie, ohne zu zerreifsen, nicht von einander trennen kann; in ihrem Inneren sieht man aber eine grofse Zahl kleiner K\u00fcgelchen, welche sich zu einer runden, dichten und fast undurchsichtigen Masse vereinigen. Herr Brongniart konnte aber nicht entscheiden, ob diese K\u00fcgelchenmasse durch eine eigene Membran, oder durch ihre blofse Adh\u00e4sion zusammenhielten. Bei der Anthere der Cobaea scandens beobachtete Herr Brongniart noch eine eigene \u00e4ufserst zarte und durchsichtige Membran, welche die ganze Pollenmasse eines jeden Antherenfaches umschliefst und sie der inneren Fl\u00e4che der Antherenwand\nD Vorl\u00e4ufige Nachrichten etc. Leipzig 1761. pag. 13.\nM\u00e9moire sur la g\u00e9n\u00e9ration et le d\u00e9ve\u00eeopp\u00e9ment de l\u2019embryon dans les v\u00e9g\u00e9taux phan\u00e9rogames. Paris 1827. pag. H\u00bb 12 etc.","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nanheftet; ja ihr Vorkommen ward auch bei anderen Pflanzen vermuthet. Am wichtigsten war aber die Entdeckung von Mutterzellen, worin sich die Pollenk\u00f6rner, und zwar bei der Cobaea ganz constant zu 4 an der Zahl bildeten.\nDie W\u00e4nde dieser Mutterzellen zerreifsen endlich und ihre Tr\u00fcmmer vereinigen noch einige Pollenk\u00f6rner. Bei den Oenotheren glaubte Herr Brongniart beobachtet zu haben, dafs sich in jeder Mutterzelle 5 bis 8 Pollenk\u00f6rner bilden. Herr Mohl*) best\u00e4tigte im Allgemeinen die Brongniart'schen Entdeckungen, machte jedoch die Beobachtung, dafs das Auftreten von 4 Pollenk\u00f6rnern in jeder Mutterzelle sehr constant sei. Im fr\u00fchesten Zustande, sagt Herr Mold, sieht man den k\u00f6rnigen Inhalt dieser Zellen in vier Kl\u00fcmpchen vertheilt; bei weiterer Entwickelung liegen an der Stelle ? derselben vier Pollenk\u00f6rner, die mehr oder weniger fest aneinander liegen. Sp\u00e4ter trennen sich die Pollenk\u00f6rner von einander und liegen, wenn endlich die sie einschlie-fsenden Zellen verschwunden sind, frei in der H\u00f6hle der Anthere.\nSeit jener Zeit haben wir noch von Herrn v. Mirbel**) die meisterhaften Untersuchungen \u00fcber die Bildung der An-theren und des Pollens bei den phanerogamen Gew\u00e4chsen j erhalten, durch welche diese Gegenst\u00e4nde fast vollst\u00e4ndig aufgekl\u00e4rt wurden, so dafs wir nur noch weniges Neue hinzuzuf\u00fcgen haben, welches wir auch wohl nur den neuesten Verbesserungen der Mikroskope zu verdanken haben. ,\nZu den Beobachtungen \u00fcber die Entwickelung der Antheren und des darin enthaltenen Pollens sind nicht alle Blumen gleich gut zu benutzen, sondern es passen hiezu besonders nur diejenigen, in welchen die verschiedenen Theile der Bl\u00fcthen fest aufeinander liegen, wie z.B.\n*) Ueb er den Bau und die Formen der Pollenk\u00f6rner. IMit 6 lithographirten Tafeln. Bern 1834. 4to. pag. 33.\nCompl\u00e9ment des observations sur le Marcbantia polyraorpba, suivi de Recherches sur les m\u00e9tamorphoses des utricules, et sur l\u2019origine, les d\u00e9veloppements et la structure de l\u2019anth\u00e8re et du pollen des v\u00e9g\u00e9taux phan\u00e9rogames, pag. 60.","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"119\ndie Bl\u00fcthenknospen des K\u00fcrbis, aber ganz besonders zu empfehlen sind in dieser Hinsicht die Nymphaeen; ihre Bl\u00fcthenknospen haben schon eine bedeutende Gr\u00f6fse und eine ausgezeichnete H\u00e4rte, wenn die Bildung der Antheren-f\u00e4cher beginnt.\nIn den Bl\u00fcthenknospen des Kiirbifs von 2 Millimeter L\u00e4nge beobachtete Herr v. Mirbel die zellige Structur des Lappens, worin sich sp\u00e4ter die Anthere bildet, aber er bemerkte noch keine Andeutung f\u00fcr die k\u00fcnftige Bildung des Pollens in demselben. Bei denjenigen Kiirbifspflanzen, welche ich in dieser Hinsicht untersuchte, waren die Knos-8 pen h\u00f6chstens 2 Linien lang, wenn sie diese einfache und urspr\u00fcngliche Structur des sogenannten Staubblattes zeigen sollten; das Zellengewebe dieses Gebildes war \u00e4ufserst zart und die einzelnen Zellen desselben 5- und 6-eckig, | ja \u00fcberhaupt sehr regelm\u00e4fsig, wenn der Schnitt mit sehr scharfem Messer ausgef\u00fchrt wurde. Im Inneren dieser Zellen befand sich eine zarte, nur wenig gef\u00e4rbte, aber etwas gek\u00f6rnte schleimige Substanz, und das Ganze gew\u00e4hrte auf dem Querschnitte einen Anblick, welcher wenig verschieden von demjenigen war, der aus einer etwas sp\u00e4teren Entwickelungsstufe in Fig. 2. Tab. XII. dargestellt ist, nur dafs dort auch die Epidermisschieht mit etwas i gek\u00f6rnten Schleimmassen gef\u00fcllt war. In der Knospe aus einem, etwas weiter vorger\u00fcckten Zustande, sah Herr von Mirbel, dafs auf jeder Seite der Mittellinie des Schnittes (quer durch den Antherenlappen), eine Gruppe von einigen Zellen auftrat, welche zwar gr\u00f6fser, als die \u00fcbrigen Zellen waren, aber denselben denn doch \u00e4hnelten; er nannte sie Pollen-Zellen (utricules polliniques), weil sich in ihrem Inneren die Pollenk\u00f6rner bilden sollen. In Folge wieder-- bolter Untersuchungen habe ich dieses erste Auftreten des Bildungsherdes f\u00fcr die Pollenk\u00f6rner ganz verschieden von den vorhergehenden Angaben gefunden; ich sah n\u00e4mlich auf den Querschnitten, dafs an denjenigen Stellen des urspr\u00fcnglichen Staubblattes, wo sp\u00e4ter das Antherenfach auftritt, eine Gruppe von mehr oder weniger vielen Zellen,","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nvon 5, 6 bis 8 und vielleicht noch dar\u00fcber, deren W\u00e4nde noch aus einer weichen, und umbildsamen Substanz bestanden, zum Theil aufgel\u00f6st und in eine unf\u00f6rmliche schleimige Masse verwandelt wurden, aus welcher alsdann die ersten Umrisse der Pollenmassen hervorgebildet wurden. Diese R\u00fcckbildung der Zellenw\u00e4nde mit ihrem Inhalte in eine unf\u00f6rmliche Schleimmasse geschieht auf diese Weise, dafs die Aufl\u00f6sung der Zellenw\u00e4nde von einem gewissen Punkte beginnt und von diesem aus sich seitlich auf die zun\u00e4chst liegenden Zellen erstreckt. Was hier auf dem Querschnitte, als ein blofser Punkt erscheint, ist also f\u00fcr die ganze Anthere eine Linie, welche parallel der L\u00e4ngenachse des ganzen Gebildes auftritt; und da in diesem Gebilde 4 f\u00fcr sich bestehende F\u00e4cher erscheinen, so geschieht die Bildung derselben in 4, der L\u00e4nge nach verlaufenden Linien, welche stets an ganz bestimmten Punkten auf-treten. Sp\u00e4ter, wenn von der Bildung der H\u00f6hle im Nucleus des unbefruchteten Eychens durch Resorbtion des Zeliengewebes die Rede sein wird, werde ich auf die Aehnlichkeit nochmals, und zwar ausf\u00fchrlicher aufmerksam machen, weiche zwischen diesen beiden Vorg\u00e4ngen statthat.\nSobald die W\u00e4nde einiger Zellen des Staubblattes in einen consistenten Schleim umgewandelt sind, und sich dadurch eine H\u00f6hle im Zellengewebe gebildet hat, beginnt auch die Bildung der Urmutterzelle, und zwar auf folgende bemerkbare Weise. Es bilden sich aus dem condensirten Schleime eine Menge von K\u00fcgelchen, welche aus einer festeren gummiartigen Substanz bestehen, und als Kerne (Cytoblast nach Herrn Schleiden) auftreten, um welche herum die schleimige Substanz zu einer Membran erh\u00e4rtet, die sich alsdann immer mehr und mehr ausdehnt, so dafs sie endlich eine sph\u00e4rische Zelle bildet, in welcher einer der urspr\u00fcnglichen Cytoblasten, als sogenannter Kern gelagert ist. Die Menge, in welcher diese Zellenkerne in den Antherenf\u00e4chern auftreten, ist bei verschiedenen Pflanzen sehr verschieden; bei dem K\u00fcrbifs z. B. zeigen sich auf Querschnitten dieser jungen Anthere nur 2 bis 3 neben-","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"121\neinanderliegend, wie es Fig. 2. Tab. XII. darstellt, wo a b und cd die jungen Antherenf\u00e4cher sind und e, f, u.s. w. die Unnutterzellen zeigen, welche ihren Kern enthalten, und einige Zeit nachher zur Bildung neuer Zellen dienen, die in regelm\u00e4fsiger Zahl in ihrem Inneren auftreten; was auch schon bei h in eben derselben Figur zu sehen ist. Ich nannte jene ersteren Zellen die Urmutterzellen um sie von den Mutterzellen zu unterscheiden, in welchen dann sp\u00e4ter die wirklichen Pollenk\u00f6rner auftreten. Betrachtet man den Rand der inneren Fl\u00e4che des Antheren-faches in diesem jungen Zustande des Staubblattes, so s bemerkt man, wie es auch die Abbildung zeigt, dafs die Zellen, welche denselben bilden, noch nicht nach derjenigen Regel gestellt sind, worin sie sp\u00e4ter Vorkommen; die nach Innen gerichteten W\u00e4nde der einzelnen Zellen i| sind mitunter noch in der Aufl\u00f6sung begriffen und gehen in diejenige Schleimmasse \u00fcber, welche die ganze innere Fl\u00e4che der jungen Antherenf\u00e4cher bekleidet und die Urmutterzellen von allen Seiten einschliefst. Etwas sp\u00e4ter findet man die R\u00e4nder dieser Antherenf\u00e4cher genau begrenzt und die Schleimmasse, welche die Urmutterzellen der Pollenk\u00f6rner umh\u00fcllt, beginnt eine zeitige Structur zu zeigen, so wie auch zu gleicher Zeit eine F\u00fcllung i jener Urmutterzellen mit einer gek\u00f6rnten Substanz stattfindet. Unter diesen Vorg\u00e4ngen nehmen die Zellen der Antherenw\u00e4nde ebenfalls an Gr\u00f6fse zu und endlich zeigt die Antherenh\u00e4lfte ein Ansehen, wie das in Fig.l. Tab. XII. Bei einer n\u00e4heren Vergleichung dieses Zustandes der jungen Anthere mit jenem aus Fig. 2., zeigt sich die Bildung der Scheidewand zwischen den beiden Antherenf\u00e4chern am auffallendsten; es sind durchschnittlich nur 3 Zellenschich-* ten, welche hier die Scheidewand bilden, w\u00e4hrend in Fig. 2. noch 6 \u2014 7 Zellenschichten dazwischen gelagert sind, woraus man zugleich erkennt, dafs die Vergr\u00f6fserung der Antherenf\u00e4cher mit einer Aufl\u00f6sung des Zellengewebes nach der Mitte zu begleitet ist, bis endlich eine schmale Scheidewand, ef in Fig. 1. zur\u00fcckbleibt. Die Breitenaus-","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\ndehnung des Antherenfaches geschieht aber auch zugleich nach der anderen Dimension, und dadurch wird die Vertiefung veranlafst, welche die vordere Antherenwand in 1 zeigt, eine Bildung, weiche mit zunehmendem Alter der Anthere immer mehr und mehr zunimmt und auf der ganzen Fl\u00e4che der Antherenh\u00e4lfte eine Rinne darstellt, welche f\u00fcr die beschreibende Botanik von besonderem Werthe ist. Diese Rinne ist zugleich diejenige Stelle der Antherenwand, welche sich sp\u00e4ter von dem \u00e4ufseren Rande (e) der Scheidewand ef trennt und als eine, mehr oder weniger lange Spalte aufbricht, durch wrelche der Pollen ausgeworfen wird. Ganz besonders auffallend ist diese Formver\u00e4nderung in der \u00e4ufseren Fl\u00e4che des Staubblattes bei der Gattung Nymphaea, wo der Raum f\u00fcr die Bildung der Antherenf\u00e4cher sehr beschr\u00e4nkt ist, und dennoch nehmen dieselben sp\u00e4ter eine so bedeutende Gr\u00f6fse ein, was nur durch Verschiebung der Zellenschichten nach Aufsen stattfinden kann; hier zeigt sich alsdann eine Rinne an der vorderen Fl\u00e4che des Connectivums, und jede Antherenh\u00e4lfte hat wieder mitten zwischen den Hervorragungen der beiden einzelnen F\u00e4cher eine Rinne.\nFerner zeigen sich in der Darstellung von Fig 1. die Pollenzellen in gr\u00f6fserer Anzahl ausgebildeter und ganz mit einer gek\u00f6rnten Masse gef\u00fcllt, aber in jeder dieser Zellen ist wiederum ein besonderer Kern mit einer um-schliefsenden Haut zu bemerken. Auch ist die Schicht von Schleimzellen, welche die ganze Pollenmasse einschliefst, in diesem Zustande der Entwickelung schon sehr ausgebildet; man sieht dieselbe bei kk zwischen der inneren Fl\u00e4che des Antherenfaches und der \u00e4ufseren Fl\u00e4che der Pollenmasse, \u00fcber welche sie sich ganz in der Art hinzieht, wie es bei i dargestellt ist. Herr Brongniart hat zwar bei der Cobaea scandens diese eigenth\u00fcmliche Haut bemerkt, dafs sie aber aus kleinen Zellen mit dicken W\u00e4nden gebildet wird, das hat zuerst Herr v. Mirbel *) darge-\n*) 1. c. Tab. VIII. Fig. 81. und 82. und Tab. IX. Fig. 83 a a.","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"123\nstellt, und im Vorherigen habe ich \u00fcber ihre Entstehung Nachweisung gegeben. Aehnliche Umwandelungen von Schleimmassen in zellige H\u00e4ute scheinen nicht so selten zu sein; so bemerkte ich z. B., dafs die H\u00e4rchen auf der Narbe der Feuerlilie meistentheils mit einer mehr oder weniger dicken Schleimschicht bekleidet werden, und diese Schleimschicht im Erh\u00e4rten das Ansehen einer Masse von ziemlich regelm\u00e4fsigen Zellen annimmt; ja auch die zelligen Bildungen auf der Oberfl\u00e4che der Pollenk\u00f6rner, von welchen sp\u00e4ter sehr ausf\u00fchrlich gesprochen werden wird, m\u00f6chte ich auf eben dieselbe Weise erkl\u00e4ren.\nAm schwierigsten ist indessen die vollst\u00e4ndige Nachweisung zu geben, auf weichem Wege sich die Anzahl der Urmutterzellen in den F\u00e4chern der Anthere von Fig. 1. vermehrt hat. In Fig. 2. habe ich allerdings eine Zelle I der Art dargestellt, worin ich die W\u00e4nde von 3 anderen Zellen deutlich wahrgenommen habe, doch zeigten weder diese neuen Zellen Kerne, noch hatte sich eine Ver\u00e4nderung des Kernes an der dicht darunter liegenden Zelle eingestellt. Beobachtete ich jedoch die Kerne der Urmutterzellen in einem etwas vorger\u00fcckteren Zustande, wenn diese n\u00e4mlich schon mit einer gek\u00f6rnten Masse gef\u00fcllt waren, so konnte ich bemerken, dafs sich, um den Nucleus i herum, durch Erh\u00e4rtung der zun\u00e4chst liegenden Schleimmasse, eine zarte, schleimige Haut bildete, welche sich allm\u00e4lig vergr\u00f6fserte und somit zuletzt eine eigene Zelle mit ihrem Kerne darstellte. In Fig. 6. sind dergleichen Bildungen dargeste\u00eelt, a der Kern, b die Zelle um den Kern; auch ist in d und e dicht daneben eine Zelle mit ihrem Kerne ganz frei dargeste\u00eelt. In den beiden Mutterzellen bei Fig. 8. sieht man aber noch aufser jener neuen Zelle eine gr\u00f6fsere, welche bei c in der Art gelagert ist, als wenn sie die vorhergehende umschliefst, was aber wohl nur scheinbar sein m\u00f6chte; bei g sieht man sie ganz zur Seite liegend, und ich vermuthe, dafs diese Zelle eine zweite ist, ja in der Mutterzelle von Fig. 10. sind sogar","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\ndrei solcher Zellen zu sehen, und die vierte liegt vielleicht noch dahinter, wefshalb sie hier nicht zu sehen ist.\nBeobachtet man einen weiter vorger\u00fcckten Zustand der Anthere, so findet man auf dem Querschnitte eine Bildung, welche in Fig. 3. Tab. XII. dargestellt ist, und vergleicht man diese mit der danebenstehenden Abbildung von Fig. 1., so findet man, dafs die Mutterzellen aus letzterer Figur sehr vergr\u00f6fsert sind, dafs sie sich gegenseitig zu mehr regelm\u00e4fsigen Formen eingezw\u00e4ngt haben, und dafs sich ihr Inhalt g\u00e4nzlich ver\u00e4ndert hat. Die W\u00e4nde dieser Mutterzellen sind sehr dick geworden und zeigen ein gallertartiges und ganz wasserhelles Ansehen; der gek\u00f6rnte Inhalt derselben ist dagegen in vier besonderen kleineren Zellen eingeschlossen, wovon in der Abbildung des Querschnittes immer nur drei zu sehen sind, indem die vierte dar\u00fcber oder darunter liegt. Die R\u00e4ume zwischen der inneren Fl\u00e4che der Mutterzellenwand und den vier darin eingeschlossenen Zellen, werden dagegen von einer schleimigen und durchsichtigen Substanz erf\u00fcllt, welche sp\u00e4ter ebenfalls zu einer glasartigen Gallerte erh\u00e4rtet und die Form der H\u00f6hlen zur\u00fcckbeh\u00e4lt, wenn die einzelnen darin eingeschlossenen Zellen herausgenommen wurden. Es fragt sich nun, und es ist der wichtigste Punkt, der hierbei zu beachten ist, auf welche Weise diese vier Zellen, welche die k\u00fcnftigen Pollenk\u00f6rner darstellen, aus den einzelnen Mutterzellen entstanden sind. Man lasse sich nicht durch die Zellen t\u00e4uschen, welche wir vorhin im Inneren der Substanz der Mutterzellen, wie in Fig. 6., 10. u. s. w. nachgewiesen haben; man k\u00f6nnte glauben, dafs sie die k\u00fcnftigen Pollenk\u00f6rner w\u00fcrden, indem die umgebende gek\u00f6rnte Substanz allm\u00e4lig resorbirt und zur Bildung neuer H\u00fcllen verbraucht w\u00fcrde, dem ist aber nicht so. Herr von Mirbel hat auch hier den Gang der Natur zuerst belauscht, und er gab in seiner Bildungsgeschichte der An-theren der K\u00fcrbifspfianze, am angef\u00fchrten Orte (Tab. IX. pag. 83) eine Abbildung, welche den Gegenstand verdeutlicht; er sah, dafs die grofsen Zellen, welche ich in Fig. 1.","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"125\nund G. als Mutterzellen bezeichnete, noch im Inneren von anderen, 'gr\u00f6fseren, polyedrisch geformten und \u00e4ufserst zarten Zellen gelagert waren, und dafs sie sich hier in vier kleinere Zellen theilten, welche dann die einzelnen Pollenk\u00f6rner darstellten. Diese Theilung geschehe aber nicht durch blofses Zerfallen der gek\u00f6rnten Substanz, welche darin gelagert ist, sondern durch eigenthiimliche Einschn\u00fcrungen, welche die Wand der Zellen selbst zeigt, und indem diese Einschn\u00fcrungen immer tiefer nach dem Mittelpunkte der Zellen verlaufen, entstehen durch vollst\u00e4ndige Selb st theilung vier besondere Zellen aus der einzelnen. Dieses h\u00f6chst auffallende Factum ist lange Zeit hindurch nicht geh\u00f6rig beachtet worden, und wahrscheinlich defshalb, weil es sehr schwer ist, gerade den Zeit-\u201e punkt aufzufinden, in welchem diese Selbsttheilung, und I also die eigentliche Bildung der Pollenk\u00f6rner vor sich geht. Ich selbst hatte fr\u00fcher einen Zustand der Anthere der Kiirbifspflanze beobachtet, in welchem die Mutterzellen der Pollenk\u00f6rner auf dem Querschnitte dergleichen unregel-m\u00e4fsige buchtige Figuren zeigten, wie sie in Fig. 11. und 12. Tab. XII. dargestellt sind, woraus ich schlofs, dafs dieses der Anfang solcher Selbsttheilung sein k\u00f6nne, sp\u00e4ter aber, als die Zeichnungen zu dieser Tafel schon ausgef\u00fchrt f waren, sah ich auch einige F\u00e4lle, wo die Einbuchtungen regelm\u00e4fsiger waren, so dafs ich Herrn v. MirbeFs Angabe in diesem Punkte vollst\u00e4ndig best\u00e4tigen konnte, dagegen habe ich niemals die Mutterzellen gesehen, worin diese :\tsich theilenden Zellen enthalten sein sollen.\nHiernach ist also die herrschende Ansicht, als entst\u00e4nden die Pollenk\u00f6rner in Mutterzellen, sehr zu berichtigen, denn die Pollenk\u00f6rner entstehen nicht in den Mut-- terzeilen, sondern sie entstehen durch Selbsttheilung aus der Mutterzelle, wenn man diese so nennen will. Sp\u00e4ter, wenn von den Sporen der Moose die Rede sein wird, werde ich nachweisen, dafs auch diese auf eben dieselbe W eise, n\u00e4mlich nicht in Mutterzellen, sondern durch Selbsttheilung aus sogenannten Muttersporen entstehen,","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nIn einem etwas weiter vorger\u00fcckten Zustande finden wir die Pollenk\u00f6rner bei den K\u00fcrbifspflanzen in solchen H\u00e4ufchen, wie sie Fig. 4. Tab. XII. zeigt; hier liegen die vier jungen Pollenk\u00f6rner im Inneren einer grofsen Mutterzelle, und jedes Pollenkorn ist wiederum mit einer Specialmutterzelle umschlossen, welche sp\u00e4ter noch deutlicher auftritt, wie es Fig. 33. Tab. XI. zeigt. Fragt man nach der Entstehungsweise der grofsen Mutterzelle, so mufs ich gestehen, dafs ich dieselbe nicht habe beobachten k\u00f6nnen; es scheint mir aber, dafs sie erst nach der Bildung der vier Pollenk\u00f6rner aus dem umgebenden Schleime entstanden ist. Etwas Aehnliches w\u00fcrden wrir in dem Auftreten der zeitigen Schleimh\u00fclle finden, welche die ganzen Pollenmassen im Inneren der Antherenf\u00e4cher einschliefst und sp\u00e4ter ebenfalls verschwindet.\nDie jungen Pollenk\u00f6rner d, e, f und g sind mit einer feingek\u00f6rnten Masse dicht gef\u00fcllt und sind dadurch so wenig durchsichtig, dafs man nur selten den Kern in einer derselben zu sehen bekommt. Die einh\u00fcllende gallertartige Substanz der Mutterzelle zeigt, was auch hier in der Abbildung angedeutet ist, eine Zusammensetzung aus zw'ei verschiedenen H\u00fcllen; die \u00e4ufsere n\u00e4mlich, durch b bezeichnet, ist die urspr\u00fcngliche Membran, sie ist ganz ohne alle F\u00e4rbung; die Masse cc dagegen, welche unmittelbar in dieser Membran gelagert ist und bis zu den W\u00e4nden der Pollenzellen verl\u00e4uft, zeigt eine, etwas in das Gr\u00fcnliche spielende, aber ebenfalls glasartige F\u00e4rbung. In der Darstellung von Fig. 5. sieht man eine solche Mutterzelle zerrissen, und es befindet sich nur noch ein einzelnes Pollenkorn in seiner nat\u00fcrlichen Lage, an welchem aber der breite und wasserhelle Rand als eine ganz eigenthiim-liche Membran erscheint. Trennt man diese einzelnen Pollenk\u00f6rner aus ihrer Mutterzelle, so wird man sich \u00fcberzeugen, dafs diese gallertartige und ungef\u00e4rbte Membran die gew\u00f6hnliche Haut des Pollenkornes noch umschliefst und also gleichsam die Special-Mutterzelle darstellt. Im Inneren dieser doppelten Einh\u00fcllungen durch gallertartige","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"127\nMembranen kommen nun die Pollenk\u00f6rner zur weiteren Entwickelung, und mit ihrer vorschreitenden Ausbildung verringert sich die Masse der einschliefsenden H\u00fcllen, so dafs diese zuletzt vollst\u00e4ndig resorbirt werden, und dann die Pollenk\u00f6rner frei im Inneren der Antherenf\u00e4cher umherliegen. In Fig. 33. Tab. XI. ist ein einzelnes Pollenkorn der Kiirbifsknospe aus einem sp\u00e4teren Zustande dargestellt, welches noch in seiner Specialzelle eingeschlossen ist, aber schon innerhalb derselben die warzigen Hervorragungen auf der Oberfl\u00e4che der \u00e4ufseren Membran zu bilden beginnt, die sp\u00e4ter zu den niedlichen Stacheln umgestaltet werden, welche an dem ausgebildeten Pollenkorne eben derselben Pflanze in Fig. 32. dicht daneben dargestellt sind.\nDa alle die Abbildungen, welche zu Verdeutlichung der Bildungsgeschichte der Antherenf\u00e4cher und des darin enthaltenen Pollens im Vorhergehenden aufgef\u00fchrt wurden, nach gleichen Vergr\u00f6fserungen angefertigt sind, so wird man \u00fcber die allm\u00e4ligen Ver\u00e4nderungen, welche die Pollenk\u00f6rner, von dem ersten Auftreten ihrer Urmutterzellen (Fig. 2. Tab. XII.), bis zu ihrer vollst\u00e4ndigen Ausbildung (Figur 32. Tab. XI.) erleiden, die deutlichste Vorstellung erlangen, und diese Untersuchungen geben uns \u00fcber viele der dunkelsten Gegenst\u00e4nde in der Bildungsgeschichte ziemlich vollst\u00e4ndigen Aufschlufs.\nIn einer soeben erschienenen interessanten Arbeit der Herren Schleiden und Vogel *) finden wir Beobachtungen \u00fcber die Entwickelung der Pollenmasse im Inneren der Antheren der Gattung Lupinus, welche von unseren im Vorhergehenden gegebenen Angaben sehr abweichend sind; es heifst daselbst: Die Bl\u00e4ttchen (die ersten Anf\u00e4nge der Staubf\u00e4den n\u00e4mlich!) schwellen an, und im Inneren ihres Zellgewebes, zu beiden Seiten des Blattrandes, werden einige Zellen lockerer; sp\u00e4ter erkennt man auf jeder Seite zwei durch die aus dem Blattrande entstandenen, aber\n*) Beitr\u00e4ge zur Entwicbelungsgescliichte der Bliitbentheile bei den Leguminosen. \u2014 Nova Act. Acad. G. L. G. Yol. XIX. pag. 64.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nnach vorn gedr\u00fcckten rima getrennten Loculamente, und wenig sp\u00e4ter sieht man auf dem Querschnitte vier F\u00e4cher, deren jedes eine Anzahl von fr\u00fcheren Parenchymzellen (dieselben, die wir oben als locker geworden bezeichne-ten) einschliefst, von welchen jede wiederum eine Gruppe kleiner Zellen umgiebt. \u2014 Die einzelnen Zellen dieser Gruppen sind wasserhell, und fast jede (einige bleiben steril) erzeugt in ihrem Inneren eine neue Zelle, welche Herr Schleiden als die matrix pollinis bezeichnet und an-giebt, dafs sich in diesen Mutterzellen die Pollenk\u00f6rner zu dreien oder vieren an der Zahl bilden. Auch nach Lesung dieser Angaben, welche mit vielen Abbildungen auf der ersten Tafel der Abhandlung begleitet sind, habe ich keine Gr\u00fcnde, meinen fr\u00fcheren Beobachtungen, welche auch mit denen des Herrn v. Mirbel \u00fcbereinstimmen, zu mifs-trauen, ich habe mich aber bei der vorger\u00fcckten Jahreszeit noch selbst \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dafs dieser Gegenstand, der Kleinheit dieser Theile wegen, bei der jungen Lupinus-bl\u00fcthe wrohl schwerlich erkannt werden kann.\nDie Bildung von Zellen im Inneren anderer Zellen, welche sp\u00e4ter vollst\u00e4ndig resorbirt werden, oder deren W\u00e4nde zur Bildung anderer Substanzen verbraucht werden, ist durch die Untersuchung \u00fcber die Bildung der Anthere vollst\u00e4ndig nachgewiesen worden, und das Auftreten der Pollenk\u00f6rner im Inneren der Mutterzellen in regelm\u00e4fsiger und stets sehr constanter Anzahl, n\u00e4mlich zu vier, ist eine Erscheinung, durch welche das Vorkommen der .verwachsenen Pollenk\u00f6rner erkl\u00e4rt wird, \u00fcber die noch im Folgenden etwas specieller gesprochen werden wird.\nDie Resorbtion der Mutterzelien, so wie der zelligen H\u00fclle, welche die ganze Pollenmasse in dem jungen An-therenfache einschliefst, geschieht meistens schon sehr fr\u00fch, w\u00e4hrend andere Pflanzen, z. B. die meisten Coniferen, noch sehr sp\u00e4t die Spuren derselben zwischen den ausgebildeten Pollenk\u00f6rnern aufzuweisen haben; ja bei vielen Pflanzen ist die Substanz, welche die W\u00e4nde der Mutterzellen bildet, aus einem zarten und so wenig erh\u00e4rteten Schleime","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"129\nbestehend, dafs man dieselbe nur sehr selten in Form von eigenen Membranen erkennen kann. Dieses ist fast durchg\u00e4ngig bei denjenigen Pflanzen der Fall, deren Pollenk\u00f6rner in sp\u00e4teren Zust\u00e4nden ganz verwachsen auftreten, so dafs sie eine Pollenmasse bilden, welche das ganze Autlie-renfach auskleidet. Bei anderen Pflanzen sind die grofsen Mutterzellen deutlicher ausgebildet, dagegen verwachsen die vier Pollenk\u00f6rner im Inneren einer jeden Mutterzelle, so dafs sie bald sehr leicht, bald weniger leicht von einander zu trennen sind; dieser letztere Fall zeigt sich bei den Orchideen, und hier findet man bei vielen Gattungen r eine ganz besondere Bildung, durch welche selbst die ausgebildeten Pollenmassen mit einander in sehr fester Verbindung bleiben. Es haben schon vor langer Zeit mehrere Botaniker von einer Reizbarkeit gesprochen, welche den Staubf\u00e4den verschiedener unserer deutschen Orchideen zukomme, doch diese Annahme beruht auf den eigenth\u00fcm-lichen Bau, welchen die Pollenmassen dieser Orchideen-Gattungen aufzuweisen haben, der zuerst durch Herrn Lindley und bald darauf durch Herrn Brongniart^) n\u00e4her beschrieben wurde. Es ist hier als bekannt vorauszusetzen, dafs der Pollen der Orchis-Arten aus zwei keulenf\u00f6rmigen und gestielten Massen besteht, welche in zwei Lappen ge-i theiit und mit dem Ende ihres Stielchens in dem Grunde des Antherensackes befestigt sind. Jede dieser Pollenmasse ist traubenartig aus kleineren Massen zusammengesetzt, welche dicht gedr\u00e4ngt an der gemeinschaftlichen Achse befestigt sind, und diese kleineren Massen sind abermals aus kleineren traubenartig gruppirten K\u00f6rnchen gebildet, welche ziemlich regelm\u00e4fsig aus vier zusammengewachsenen Pollenk\u00f6rnern bestehen, die ein Ansehen und eine Form zeigen, wie es in Fig. 17. Tab. XI. von Orchis Morio dargestellt ist. Die Vereinigung dieser Pollenk\u00f6rner geschieht durch wirkliches Verwachsen, und zwar sind es\n*) Annales des scienc. natur. XXIV. pag. 115. -\u2014 Rob. Brown\u2019s Vermischte Schriften, herausgeg. von Nees v. Esenbeclc. V. pag. 211. Meyen. Pfl. Phys. III.\t9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nstets diejenigen, welche in einer gemeinschaftlichen Mutterzelle gebildet wurden. Die Verwachsung ist jedoch bei den Orchis- und Ophrys-Arten so lose, dafs schon ein gelinder Druck die Trennung der einzelnen Pollenk\u00f6rner bewirkt; bei Epipactis dagegen ist die Verwachsung viel fester. Die Vereinigung dieser verwachsenen Pollenk\u00f6rner zu den kleinen traubenartigen Pollenmassen, und die Befestigung dieser gr\u00f6fseren Massen an einer gemeinschaftlichen Achse, welche sich in einen Stiel verl\u00e4ngert, womit die Pollenmasse befestigt ist, geschieht durch eine h\u00f6chst eigenthiimliche, z\u00e4he, feste, klebrige und h\u00f6chst elastische Substanz, welche von gelblicher Farbe ist und mit dem Vogelleim die gr\u00f6fste Aehnlichkeit zeigt. Diese Substanz umh\u00fcllt alle die regelm\u00e4fsig gruppirten kleineren und gr\u00f6fseren Pollenmassen, und verbindet sie zu einer gemeinschaftlichen Masse; sie zeigt, wie es mir scheint, keine besondere Structur, sondern l\u00e4fst sich durch einige Gewalt in die feinsten F\u00e4den ziehen, und diese laufen wieder zu einer gemeinschaftlichen Masse zusammen, wenn die Gewalt nachl\u00e4fst. Untersucht man die Antheren der Orchis-Arten lange vor ihrem Aufbl\u00fchen, so findet man eine regel-m\u00e4fsige Stellung der Mutterzellen, aber die Substanz, welche dieselben bildet, ist noch mehr schleimartig und wird erst sp\u00e4ter zu jener Viscin-artigen Substanz umgewandelt. Bei den anderen Gew\u00e4chsen wird die Substanz der Mutterzellen ganz resorbirt, und theils zu den zelligen und gek\u00f6rnten Bildungen auf der Oberfl\u00e4che der Pollenk\u00f6rner verwendet, theils in jene \u00f6ligen Substanzen verwandelt, womit die Oberfl\u00e4che der Pollenk\u00f6rner so h\u00e4ufig bekleidet ist. Hierin kann denn auch der Grund liegen, dafs die \u00e4ufseren W\u00e4nde der Pollenk\u00f6rner der Orchideen so einfach und meistens ganz glatt gestaltet sind.\nSo h\u00f6chst eigenth\u00fcmlich das Auftreten einer verbindenden Masse in dem Pollenk\u00f6rper einiger Orchideen-Gat-tungen ist, so haben wir doch etwas Aehnliches schon bei anderen Pflanzen kennen gelernt; die Pollenk\u00f6rner der Oenotheren sind in den ausgebildeten Antheren zwar frei-","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"131\nliegend, aber durch eine mehr oder weniger grofse Anzahl von feinen und zuweilen selbst ver\u00e4stelten F\u00e4den mit einander zu kleineren oder gr\u00f6fseren Massen zusammengeheftet, und diese F\u00e4den zeigen ein \u00e4hnliches Verhalten, als jene Viscin-artige Masse der Orchideen-Pollenmassen ; sie sind z\u00e4he, ebenfallss ehr elastisch und l\u00f6sen sich nicht in Wasser. Wenn man den Pollen aus den Antherenf\u00e4chern der Oenotheren herausnimmt, oder auch, wenn man den auf dem weiblichen Geschlechtsorgane sitzenden Pollen abnimmt, so erscheint die ganze Masse wie durch feine F\u00e4den zusammengehalten, was man schon mit blofsen Augen wahrnehmen kann. In den fr\u00fcheren Zust\u00e4nden der An-theren ist von diesen F\u00e4den noch nichts zu bemerken, und ihre Entstehung habe ich nicht verfolgen k\u00f6nnen; sie treten aber auf, wenn die Substanz der Mutterzellen verschwindet, und vielleicht sind sie nur dadurch entstanden, dafs die elastische, Viscin-\u00e4hnliche Substanz in diese F\u00e4den aus einander gezogen wurde, indem sie nicht grofs genug war, um, wie bei dem Orchideen-Pollen, das Ganze einzuh\u00fcllen.\nHerr Link *) hat neuerlichst das Mutterzellengewebe in den Antherenf\u00e4chern, worin sich die Pollenk\u00f6rner bilden, mit dem Namen des Collenchym\u2019s belegt, weil er sehr wohl erkannt hat, dafs sich die Substanz dieser Zellen ganz anders verh\u00e4lt, als die der gew\u00f6hnlichen Zellen, und haupts\u00e4chlich mit dem Kleber grofse Aehnlichkeit zeigt.\nEine sehr abweichende und noch interessantere Bildung zeigt die Pollenmasse der Asclepiadeen, wor\u00fcber in neueren Zeiten so \u00e4ufserst viel geschrieben ist, was man in Herrn Schauer\u2019s Abhandlung bis zum Jahre 1833 ziemlich vollst\u00e4ndig zusammengestellt findet. Jede Pollenmasse der Asclepiadeen ist durch eine eigene zellige Mem-\n0 Element, philos, bot. II. pag. 199.\nVergleichende Zusammenstellung aller \u00fcber die Befruchtungsweise der Asclepiadeen bisher aufgestellte Theorien und erwiesenen Thatsachen. \u2014 Rob. Brown\u2019s Vermischte Schriften. Herausgegeben von Nees v. Esenbeck. V. pag. \u2018242-\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nbran von gelblicher Farbe eingeschlossen, welche an einer bestimmten Stelle aufreifst; die Pollenmasse innerhalb dieses Sackes ist jedoch zu allen Zeiten der Entwickelung mit einem regelm\u00e4fsigen grofsmaschigen poly\u00ebdrischen Parenchyme zu vergleichen, dessen Deutung sehr verschieden gegeben ist. Eine jede Zelle dieses Parenchym's hat man als ein besonderes Pollenkorn gedeutet, welches an einer bestimmten Stelle, n\u00e4mlich in der Richtung nach der Spalte, in welcher die umschliefsende Haut auf der gebogenen Kante der Pollenmasse sich \u00f6ffnet, aufspringt und den Pollenschlauch zur Ausf\u00fchrung der Befruchtung, wor\u00fcber sp\u00e4ter die Rede sein wird, hindurehl\u00e4fst. Herr Ehrenberg und Herr Mohl haben diese poly\u00ebdrischen Zellen als Pollenk\u00f6rner mit einfacher Membran beschrieben, und Ersterer glaubte die Umwandelung dieser Formen in einer mehr oder weniger langgeschw\u00e4nzten Form beobachtet zu haben; es verh\u00e4lt sich jedoch dieser Gegenstand ziemlich \u00e4hnlich mit der gleichnamigen Erscheinung bei anderen Pflanzen. Die Membran dieser poly\u00ebdrischen Zellen ist n\u00e4mlich im ausgebildeten Zustande sehr fest, so dafs man sie von der darin liegenden Zelle mehr oder weniger leicht abl\u00f6sen kann; und um die Zeit, wenn aus der Oeffnung jener Zellen der Pollenschlauch hervortritt, kann man selbst beobachten, dafs dieser Schlauch als eine Fortsetzung der inneren Membran auftritt, welche jedoch noch von einer mittleren und \u00e4ufserst zarten Haut umschlossen ist. In der Folge, wenn von den verschiedenen H\u00e4uten der Pollenk\u00f6rner die Rede sein wird, werden wir eine grofse Reihe von F\u00e4llen kennen lernen, in denen die Pollenk\u00f6rner drei H\u00e4ute aufzuweisen haben, und zwar verhalten sich diese H\u00e4ute in Hinsicht ihrer Festigkeit ganz \u00e4hnlich diesen poly\u00ebdrischen, zu einem gew\u00f6hnlichen Zellengewebe vereinigten Pollenk\u00f6rnern der Asclepiadeen; hiedurch wird zugleich die Ansicht beseitigt, nach welcher man diese poly\u00ebdrischen Zellen als lauter Special-Mutterzellen betrachten k\u00f6nnte, und erst die darin enthaltenen und ebenfalls aus zwei Membranen bestehenden Zellen, als die eigent-","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"133\nlichen Pollenk\u00f6rner ansehen. Zugleich ergiebt sich aber auch aus den vorherigen Mittheilungen \u00fcber die Structur der Pollenmassen der Asclepiadeen, dafs diese Bildung der Pollenk\u00f6rner, als die einfachste zu betrachten ist.\nMeiner Ansicht nach verhalten sich die verwachsenen Pollenmassen der Mimoseen und vieler Acacien dem Wesentlichen nach ganz \u00e4hnlich der Pollenmasse der Asclepiadeen; Herr Kunth*) hat diese interessante Pollenform zuerst bei der Gattung Jnga beobachtet, wo acht Pollenk\u00f6rner in Form einer Scheibe verwachsen sind; zwei 4-oder 5-seitige K\u00f6rner liegen in der Mitte, und 6 andere liegen rund herum, wovon das unterste in Form einer Spitze ausgewachsen ist, welche in der Basis des Antheren-faches durch eine, ebenfalls sehr z\u00e4he und klebrige Substanz befestigt ist. Die einzelnen Pollenk\u00f6rner dieser verwachsenen Masse haben an allen ihren aneinanderstofsenden Ecken kleine Poren. Bei anderen Mimoseen fand Herr Mohl jeden Pollenk\u00f6rper aus 16 K\u00f6rnern verwachsen, welche ebenfalls sehr regelm\u00e4fsig gestellt sind, und jedes Antherenfach hat zwei solcher Pollenk\u00f6rper, liebe1\u2019 die Entstehung und Structur des klebrigen Stieles, mit welchem diese Pollenk\u00f6rper in der Basis der Anthere befestigt sind, gilt, wie ich glaube, eben dieselbe Erkl\u00e4rung, welche wir im Vorhergehenden \u00fcber die Entstehung des Collenchyms bei dem Orchideen-Pollen gegeben haben; in den j\u00fcngeren Antheren der Mimoseen ist davon noch nichts enthalten.\nNach dieser kurzen Auseinandersetzung \u00fcber die verschiedenen Formen, in welchen sich die Pollenmassen im entwickelten Zustande der Anthere darstellen, kommen wir wieder zur ferneren Betrachtung der Ausbildung des Pollens in den Antheren des K\u00fcrbisses zur\u00fcck, welche auf pag. 128 abgebrochen wurde. Um die Zeit, wenn das Col-lenchym, oder dieses schleimige Gewebe, worin die Pollenk\u00f6rner gebildet werden, aufgel\u00f6st oder resorbirt wird, und\n*) Voyage de Humboldt et Boupland. Mimoses 1819. Tab. 22, Fig. 10.","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nnun die Pollenk\u00f6rner ganz frei zn liegen kommen, ist die Vergr\u00f6fserung derselben mit jedem Tage zu bemerken. Man sieht aber auch, dafs neben der Ausdehnung der Pollenk\u00f6rner noch mehrere andere Ver\u00e4nderungen in dem Antherenfach des K\u00fcrbisses vor sich gehen; so bemerkt man z. B. dafs die innere Fl\u00e4che des Antherenfaches mit einer Schicht von zarten und ellipsoidisch zugerundeten Schleimzellen bedeckt wird, und es scheint mir ganz bestimmt, dafs diese Zellen aus der zelligen H\u00fclle entstanden sind, womit die ganze Pollenmasse eines jeden Antherenfaches im fr\u00fcheren Zustande bekleidet war. Etwas sp\u00e4ter werden auch diese, fast s\u00e4mmtlich getrennt liegenden Zellen resorbirt, und indem die sich schnell ausdehnende Pollenmasse nicht mehr Raum in dem Antherenfache findet, wird auch noch eine ganze Zellenschicht von der inneren Fl\u00e4che der Antherenw\u00e4nde zerst\u00f6rt, so dafs die W\u00e4nde der ausgebildeten Antherenf\u00e4cher des K\u00fcrbisses nur noch aus zwei vollkommen erhaltenen Zellenlagen bestehen, n\u00e4mlich aus der \u00e4ufseren, der wirklichen Epidermis, und der inneren, welche aus grofsen mit Spiralfasern versehenen Parenchym-Zellen gebildet wird, wie es in Fig. 7. Tab. XII. dargestellt ist. Bei anderen Pflanzen dagegen erreichen die Pollenk\u00f6rner nur selten eine so aufserordentliche Gr\u00f6fse, wie bei dem K\u00fcrbisse, und daher werden die Antherenw\u00e4nde weniger ausgedehnt, so dafs man durchschnittlich neben der Zellenschicht der Epidermis noch zwei Zellenschichten mit Spiralfaser-Zellen vorfindet. Iij anatomischer Hinsicht habe ich \u00fcber das Auftreten dieser eigent\u00fcmlichen Bildungen von Spiralfasern in den Zellen der Antherenw\u00e4nde, schon im ersten Theile dieses Buches, von pag, 64 bis /0 gesprochen, und kann defshalb diesen Gegenstand hier \u00fcbergehen *). Die Abbildung in Fig. 7. stellt einen Theil der Seitenwand einer reifen Anthere dar, w\u00e4hrend\n*) Anmerkung. Nur Herr Treviranus, der meine Beobachtungen stets zur\u00fccksetzen zu k\u00f6nnen glaubt, kann noch an meiner, \u00fcber diesen Gegenstand zuerst (1827) gegebenen Erkl\u00e4rung \u00fcber die Bedeutung dieser Fasern zweifeln.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"135\nin Fig. 9. die Zellen der Wand von der Stelle d Fig. 1. dargestellt sind. Beide Abbildungen sind nach Querschnitten gemacht, und an den Wanden dieser Zellen sieht man den Verlauf der Spiralfasern, deren obere und untere Windungen sich gegenseitig kreuzen. In Fig. 8. sind dagegen einige dieser Zellen von der Epidermisseite der Antheren-wand gesehen dargestellt, und hier erkennt man in der einen Zelle die Windungen der Spiralfasern, welche sich auf den Endfl\u00e4chen umwenden, w\u00e4hrend dieselben in den anderen Zellen, gerade in der Mitte der Fl\u00e4che, so vollkommen mit der Membran verwachsen sind, dafs sie\nm\npl\u00f6tzlich aufh\u00f6ren, oder vielmehr nicht mehr zu unterscheiden sind.\nSehr bemerkenswerth ist es, dafs die Spiralfasern an den Parenchym-Zellen der Antherenw\u00e4nde erst in einem ( sehr sp\u00e4ten Zeitr\u00e4ume der Ausbildung der Anthere auf-treten; anfangs sind diese Parenchym-Zellen mit gr\u00fcngef\u00e4rbten k\u00f6rnigen und formlosen Massen mehr oder weniger stark gef\u00fcllt; sp\u00e4ter entf\u00e4rbt sich diese Substanz und nun wird sie zur Bildung der Spiralfasern gebraucht, welche gleichsam eine zweite Schicht dieser Zellenw\u00e4nde bilden. Die Bildung der Spiralfasern ist hier nicht so leicht zu beobachten, als in den Schleuderern der Jungermannien t u. s. w., man kann aber unbesorgt schliefsen, dafs sie hier auf \u00e4hnliche Weise erfolgt. Dafs das Vorkommen dieser Spiralfaser-Zellen mit dem Aufspringen der Antheren in Verbindung steht, ist heutigen Tages wohl nicht mehr zu bezweifeln, doch herrschen \u00fcber die Art und Weise, wie die Natur sich dieses eigenthiimlichen Baues zur Ausf\u00fchrung ihres Zweckes bedient, sehr grofse Meinungsverschiedenheiten. Untersucht man die Antheren vor und nach ihrem Aufspringen, so wird man sich \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, dafs die Pollenmasse nicht in Folge ihrer Vergr\u00f6fserung die W\u00e4nde der Antherenf\u00e4cher auseinanderreifst; gew\u00f6hnlich liegen die Pollenk\u00f6rner um die Zeit, wenn die Anthere aufspringt, sogar sehr lose. Beobachtet man dagegen die Structur der Antherenw\u00e4nde an denjenigen Stellen,","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nwo sich bei dem Aufspringen die R\u00e4nder der Natli bilden, so findet man in der Form und der Lage der Epidermis-Zellen diese k\u00fcnftige Nath vorgezeichnet, indem diejenigen Zellen, welche k\u00fcnftig die R\u00e4nder bilden, meistens etwas l\u00e4nger gestreckt sind und in gerader Richtung \u00fcber einander stehen. Tritt die Zeit der Reifung ein, so springen mit mehr, oder weniger gr\u00f6fserer Kraft diese Zellenreihen von einander, ohne dafs irgend eine Zerreifsung dabei stattfinden kann.\nHerr Purkinje*) suchte zu zeigen, dafs jene Spiralfasern in den inneren Zellenschichten der Antheren-Valveln gr\u00f6fstentheils durch ihre Elasticit\u00e4t das Aufspringen der Antherenfacher verursachen, doch hat Herr Mohl **) die meisten daf\u00fcr aufgestellten Gr\u00fcnde beseitigt. Dagegen hat Herr Mohl an eben demselben Orte eine andere Hypothese aufgestellt, durch welche das Aufspringen der Antherenfacher besser zu erkl\u00e4ren sein soll. Die Spiralfasern in den Antheren-Zellen werden als Verdickungen der Zellenw\u00e4nde betrachtet, wodurch diese Zellen beim Trockenwerden weniger zusammengezogen werden k\u00f6nnen, als die zarten und d\u00fcnnwandigen Zellen der Antheren-Epidermis, daher diese beim Reifen der Anthere, was mit der Verdunstung des Zellensaftes begleitet ist, in der schon vorgebildeten Nath auseinanderreifsen, sich zusammenziehen und dadurch die R\u00e4nder der Antherenw\u00e4nde nach Aufsen kr\u00fcmmen. Werden solche ge\u00f6ffnete Antheren in Wasser gelegt, so saugen die Epidermis-Zellen wieder mehr Wasser ein und es geschieht eine abermalige Schliefsung der Antherenfacher, was zu beobachten ist, wenn dieselben halb verwelkt oder selbst v\u00f6llig ausgetrocknet ist. Es kann sein, dafs die obige Erkl\u00e4rung \u00fcber das Aufspringen der Antherenfacher sehr einfach zu sein scheint, ich m\u00f6chte jedoch die Wirkung der Spiralfasern in den inneren Zellenschichten der Antherenw\u00e4nde durch die hygroskopische\n\u00a5) De cellulis antherarum fibrosis etc, pag, 13, \u00a5\u00a5) Flora von 1830. pag. 736 etc.","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"137\nEigenschaft erkl\u00e4ren, welche den einzelnen Spiralfasern in weit gr\u00f6fserem Maafse zukommt, als den W\u00e4nden der Parenchym - Zellen.\nZweites Capitel. lieber die Struclur der Pollenk\u00f6rner.\nIm vorigen Capitel haben wir bereits kennen gelernt, dafs die Pollenk\u00f6rner bei ihrem ersten Auftreten als einfache Zellen erscheinen, deren W\u00e4nde und Inhalt mit zunehmendem Alter vielfache Ver\u00e4nderungen eingehen.\nDer ausgebildete, reife Pollen, welcher um die Zeit des Oeffnens der Antheren vorhanden ist, erscheint bei verschiedenen Pflanzen von vielfach verschiedener Form, wozu meistens die Ursache in der Zahl und der Lagerung der Pollenk\u00f6rner innerhalb der Mutterzellen zu suchen ist. Am h\u00e4ufigsten sind die Pollenk\u00f6rner ellipsoidisch geformt, wie bei Fritillaria imperialis (Fig. 3 und 4. Tab. XI.) und fast bei allen Liliaceen und diesen nahe stehenden Familien; ausgezeichnet ellipsoidisch ist der Pollen von * Ruellia barlerioides Roth., welcher in Fig. 28. Tab. XI. dargestellt ist. Vollkommen kugelf\u00f6rmig runde Pollenk\u00f6rner sind schon um Vieles seltener, bei den Coniferen zeigen sie die Gattungen: Juniperus, wovon Fig. 5. Tab. XI. eine Darstellung giebt, Larix, Taxus, Thuja u. s. w. Bei Larix habe ich unter verschiedenen Verh\u00e4ltnissen kugelf\u00f6rmige Pollenk\u00f6rner (Fig. 9. Tab. XI.) und auch ellipsoidische (Fig. 7 und 8. Tab. XI.) beobachtet. Fig. 25. Tab. XI. zeigt ein kugelf\u00f6rmiges Pollenk\u00f6rnchen von Trillium erectum. In anderen F\u00e4llen sind die Pollenk\u00f6rner mehr linsenf\u00f6rmig zusammengedr\u00fcckt, und diese zeigen gew\u00f6hnlich drei, mehr oder weniger hervorragende Warzen, deren Bau wir in der Folge n\u00e4her angeben werden. Als Beispiele hiezu f\u00fchre ich den Pollen der Oenothera biennis (Fig, 18. Tab. XL),","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nOenothera lepida (Fig. 27. Tab. XI.) und den der Clarkia pulchella (Fig. 23, 24 und 26. Tab. XL) auf. In seltenen F\u00e4llen weicht die Form der Pollenk\u00f6rner von diesen sph\u00e4rischen Figuren ab, und zeigt alsdann Formen, welche mehr oder weniger genau mit verschiedenen regelm\u00e4fsigen Krystallformen zu vergleichen sind. So zeigen die Pollenk\u00f6rner von Tropaeolum majus eine prismatische Gestalt, sowie auch die von Geissomera longiflora, wo die Kanten und Ecken etwas abgerundet sind. Die Pollenk\u00f6rner von Corydalis lutea und C. sempervirens haben eine tetra\u00ebdri-sche Form, die von Basella alba, Triopteris brachypteris und Gaudichaudia triphylla sind w\u00fcrfelf\u00f6rmig mit abgestutzten Kanten und Ecken. Eine dodeka\u00ebdrische Form zeigen die Pollenk\u00f6rner von Rivina brasiliensis, die Formen eines Pentagonaldodeka\u00ebders die der Fumaria spicata. Die Pollenk\u00f6rner der Ruppia maritima zeigen eine ganz eigenth\u00fcmliche Form, Herr Fritzsche beschreibt sie als schlauchartige, in der Mitte knief\u00f6rmig gebogene K\u00f6rper, sie \u00e4hneln daher den Pollenk\u00f6rnern von Limnan-thes Douglasii und denen der Banksien. Die Pollenk\u00f6rner der Zostera sind dagegen lange und ungegliederte F\u00e4den, \u00e4hnlich denConfervenf\u00e4den; unser verewigte Freund Fr. Nees von Esenbeck hat sie schon vor vielen Jahren entdeckt und neuerlichst sind sie von Herrn Fritzsche ausf\u00fchrlicher beschrieben und abgebildet; ja schon Caulinus *) sah diese Pollenf\u00e4den bei Zostera und seiner Gattung Phacagrostis.\nAlle diese, soeben aufgef\u00fchrten Formen der Pollenk\u00f6rner zeigen bei verschiedenen, theils einander nahe stehenden, theils bei ganz fremden Pflanzen-Arten die mannigfaltigsten Modificationen, und am verschiedensten sind dieselben bei den ellipsoidischen Pollenk\u00f6rnern, welche bald vollkommen eyf\u00f6rmig, bald l\u00e4nglich-eyf\u00f6rmig auftre-ten; bald in ihrer L\u00e4ngenachse linsenf\u00f6rmig zusammengedr\u00fcckt, bald in der Seitenfl\u00e4che zusammengedr\u00fcckt erscheinen. Diese Formen sind es haupts\u00e4chlich, weiche im\n*) Zosterae oceanicae Linnaei. Napoli 1792.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"139\ntrockenen und im feuchten Zustande grofse Verschiedenheiten zeigen, man mufs jedoch die Pollenk\u00f6rner im feuchten Zustande untersuchen, wenn man ihre Form bestimmen will, denn diese Form kommt ihnen auch vor dem Aufspringen der Antheren zu. In der Folge werde ich noch diese Formenverschiedenheit an den Pollenk\u00f6rnern im trockenen und im feuchten Zustande fiir verschiedene wichtige F\u00e4lle speciell anf\u00fchren.\nAufser der Form f\u00e4llt bei der Betrachtung der Pollenk\u00f6rner zun\u00e4chst die vielfach verschiedene Zeichnung auf, welche dieselben auf ihrer Oberfl\u00e4che zeigen; doch ehe wir zur speciellen Betrachtung dieses Gegenstandes gehen, m\u00fcssen wir von den Membranen im Allgemeinen sprechen, welche die W\u00e4nde der Pollenk\u00f6rner bilden. Auch \u00fcber diesen Gegenstand waren die Angaben der Beobachter in fr\u00fcheren Zeiten sehr widersprechend und unzureichend, erst die neuesten Mikroskope von Frauenhofer, Ploessl und Schieck setzten die Botaniker in den Stand hier\u00fcber ^mit Bestimmtheit sprechen zu k\u00f6nnen, so dafs k\u00fcnftige F or-schungen die Zahl der Beobachtungen zwar vergr\u00f6fse ren und zu allgemeinen Resultaten f\u00fchren, die vorhandenen aber nicht mehr umstofsen k\u00f6nnen.\nDie Pollenk\u00f6rner der meisten Pflanzen zeigen : zwei Membranen, die eine ist die \u00e4ufsere, die andere d\u00fc 3 innere; ihre Verschiedenheit beruht jedoch nicht nur auf die Lage derselben, sondern sie ist auch in Hinsicht ; der Consistenz, der F\u00e4rbung und der Dicke mehr oder we niger auffallend. Diese Angaben finden wir schon von \u00ce Soel-reuter *) ausgesprochen; er nennt die innere Haut eine d\u00fcnnere, ungleich schw\u00e4chere, ungef\u00e4rbte und ohneStru ictur^ Man erkannte sp\u00e4ter das Dasein dieser inneren Haut c lurch das Hervortreten von h\u00e4utigen Zapfen, welche die Pc dlen-k\u00f6rner verschiedener Pflanzen bei ihrem Anschwellei 1 im Wasser zeigten. Viel leichter und bestimmter kann man\n\u00a5) Vorl\u00e4ufige Nachricht von einigen das Geschlecht der Pfla nzen betreffenden Versuchen und Beobachtungen 1761. pag, 1 \u201414.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nsich von dem Vorhandensein einer zarten inneren Membran bei den Pollenk\u00f6rnern der Iris-Arten \u00fcberzeugen, und \u00fcberhaupt bei solchen Pflanzen, deren Pollenk\u00f6rner L\u00e4ngsfalten zeigen, welche sich bei dem Einsaugen des Wassers, als wirkliche Spalten darstellen, durch welche die innere Membran, als eine zarte Blase zum Vorscheine kommt. Bei dem Pollen der Iris-Arten gelingt es sehr leicht die \u00e4ufsere Membran von der inneren vollst\u00e4ndig zu trennen, wenn man die K\u00f6rner zwischen zwei Glasplatten, w\u00e4hrend der Beobachtung unter dem Mikroskope langsam hin- und herrollt, wobei sich die \u00e4ufsere netzf\u00f6rmige Haut abtrennt.\nIn neuerer Zeit hat man immer mehr Pflanzen kennen gelernt, deren Pollenk\u00f6rner sogar drei verschiedene H\u00e4ute zeigen, n\u00e4mlich eine \u00e4ufsere, eine innere und eine mittlere. Herr Mohl *) fand diesen Bau bei den Coniferen mit kugelf\u00f6rmigen Pollenk\u00f6rnern ganz allgemein und bildete ein solches von Taxus baccata ab. Der Bau dieser Pollenk\u00f6rner der Coniferen ist aber auch so leicht wahrzunehmen, dafs schon Gleichen denselben von Juniperus communis ziemlich ganz richtig abgebildet hat, und in der That, der Pollen von Juniperus zeigt noch auffallendere Erscheinungen, als der von Taxus. In Fig. 5. Tab. XI. habe ich eine Abbildung eines solchen einzelnen Pollenkornes von Juniperus gegeben; die \u00e4ufsere Haut ist von gelbbr\u00e4unlicher Farbe und mit vielen kleinen spitzigen Hervorragungen versehen. Legt man diese reifen Pollenk\u00f6rner in Wasser, so wird man sehr bald bemerken, dafs ein jedes K\u00f6rnchen, \u00fcber die H\u00e4lfte seines Umfanges, eine Spalte in der \u00e4ufseren Haut erh\u00e4lt, und gleich darauf springt mit grofser Schnelligkeit die ganze Kugel hinaus, welche vorher von der \u00e4ufseren Haut eingeschlossen war, die\n*') Ueb er den Bau und die Formen der Pollenk\u00f6rner, pag. 74 Tab. I. Fig. 5.\nDas Neueste aus dem Reiche der Pflanzen, oder mikroskopische Untersuchungen und Beobachtungen u. s. w. N\u00fcrnberg. Fol. 1764\u00bb Tab. XXUl Fig. 13 b.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"141\ndann alsbald zusammenf\u00e4llt. L\u00e4fst man die hervorgesprungene Kugel einige Zeit hindurch in Wasser liegen, so wird man bemerken, dafs die ungef\u00e4rbte Membran, welche sie umschliefst, immer dicker und dicker wird, ja zuletzt einen Umfang zeigt, dessen Verh\u00e4ltnisse zur Gr\u00f6fse des ganzen Pollenkornes in Fig. 6. der beiliegenden Ilten Tafel dargestellt sind. Die von den Kreisen a und b eingefafste Masse cc ist hier die mittlere Membran des Pollenkornes, sie erscheint vollkommen ungef\u00e4rbt und weich wie eine gallertartige Substanz, wird auch von Jodine fast gar nicht gef\u00e4rbt. Das Verm\u00f6gen die Feuchtigkeit einzusaugen, und dadurch zu einem so grofsen Umfange anzuschwellen ist auch die Ursache, wefshalb die \u00e4ufsere Haut dieser Pollenk\u00f6rner sobald platzt, wenn die K\u00f6rner in Wasser gelegt werden. Innerhalb dieser gallertartigen mittleren Haut befindet sich die innere Haut d, welche bei der Ber\u00fchrung mit Jodine etwas gelblich gef\u00e4rbt wird und nur bei der Bildung des Pollenschlauches noch deutlicher von der mitt-leren Haut getrennt erscheint.\nDrei H\u00e4ute kommen jedoch nicht nur den kugelf\u00f6rmigen Pollenk\u00f6rnern der Coniferen zu, sondern allen Gattungen dieser Familie, und wie es 'sich hiemit bei der merkw\u00fcrdigen Pollenform der Gattung Pinus, Abies u. s. w. verh\u00e4lt, werden wir in der Folge kennen lernen. Herr Fritzsche*) beobachtete drei Membranen an den Pollenk\u00f6rnern verschiedener Gattungen aus der Familie der Onagreen, als bei Oenothera, Clarkia, Lopezia, Epilobium und Gaura, und gab sp\u00e4ter einige Abbildungen hiezu **). Vermuthungen \u00fcber das Vorkommen von drei Membranen bei den Pollenk\u00f6rnern anderer Pflanzen, als bei Tigridia Pavonia, Cucurbita Pepo, so wie eine gr\u00f6fsere Anzahl von Abbildungen \u00fcber diesen Gegenstand, hat Herr Fritzsche\n*) De plantarum polline. Diss. inaug. Berolini 1833. pag.32. 8vo.\n**) S. Fritzsche. Ueber denPollen der Pflanzen und das Pollenin. Annalen der Physik und Chemie 1834. XXXII. pag. 481\u2014492.","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nerst im vergangenen Jahre *) publicirt, ich selbst kann aber das Vorkommen von drei besonderen H\u00e4uten an den Pollenk\u00f6rnern der zuletzt genannten Gattungen vollkommen nachweisen und habe mittelst eines sch\u00f6nen Instrumentes von Ploessl das Vorkommen von drei H\u00e4uten an den Pollenk\u00f6rnern sehr vieler Pflanzen beobachtet.\nDie Pollenk\u00f6rner der Asclepiadeen hielt man, lange Zeit hindurch, f\u00fcr einfache Zellen und Herr Mohl **) beschrieb sie als Pollenk\u00f6rner mit einfacher Haut; die neueren Mikroskope haben aber gezeigt, dafs dieses nicht der Fall ist, sondern dafs den Pollenk\u00f6rnern dieser Pflanzen mehrere H\u00e4ute zukommen. Dagegen haben die Beobachtungen des Herrn Fritzsche und Anderer gelehrt, dafs die Pollenk\u00f6rner der Wasserpflanzen: Caulinia fragilis, Zanni-chellia pedunculata, Zostera und Najas major nur aus einer einfachen zarten Haut bestehen.\nWir haben also hiemit Pollenk\u00f6rner mit einfacher Haut, mit doppelter und selbst mit dreifacher Haut kennen gelernt. Ganz neuerlichst hat aber Herr Fritzsche in der zuletzt genannten Schrift \u00fcber den Pollen angegeben, dafs er bei Clarkia elegans, Oenothera mollis und Eucharidium concinnum sogar eine vierfache Haut beobachtet habe, was selbst durch Abbildungen dargestellt ist. Auch ich habe den Pollen der genannten Pflanzen, so wie den vieler \u00e4hnlichen Pflanzen untersucht, habe aber die angebliche vierte Haut des Herrn Fritzsche nicht sehen k\u00f6nnen, wefshalb ich das Dasein derselben in den genannten'Pflanzen g\u00e4nzlich bezweifle. In den Figuren 18 und 19. Tab. XI. sind Darstellungen von dem Pollen der Oenothera biennis; besonders in letzterer Figur ist das Hervortreten eines Pollenschlauches dargestellt, wobei die drei H\u00e4ute vollkommen zu unterscheiden sind. Die Abbildungen in den Fig. 23, 24 und 26. stellen Pollenk\u00f6rner der Clarkia pulchella dar;\n*) Ueber den Pollen. Mit 13 colorirten Steindrucken. Petersburg 1837. \u2014\u25a0 Aus den M\u00e9m. des Sav. \u00e9tr. de l\u2019Academie des sc. de St. Petersbourg besonders abgedruckt.\n1. c. pag. 35.","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"143\nsie sind ganz getreu, und auch an ihnen ist keine Spur einer vierten Pollenhaut zu sehen. Fig. 23. zeigt ein aus_ gebildetes Pollenkorn, welches gleich nach der Er\u00f6ffnung der Anthere ausgestreut wurde und etwa 15 Minuten lang in Wasser gelegen hatte; abc zeigt die \u00e4ufsere Haut, welche an den Spitzen der warzenf\u00f6rmigen Ausw\u00fcchse bei ddd besonders deutlich und etwas st\u00e4rker angeschwollen zu sehen ist. ee, ee zeigen die mittlere Haut, welche ebenfalls in den warzenf\u00f6rmigen Ausw\u00fcchsen bedeutend verdickt ist, was sich besonders deutlich an der Basis derselben, wie in gg, g g zeigt, f, f, f sind Hervorragungen der in-neren Haut, welche durch die Einsaugung des Wassers von Seiten ihres Inhaltes hervorgetrieben werden, h die Masse, welche die H\u00f6hle der inneren Haut erf\u00fcllt, worunter bei i, i mehrere Oeltr\u00fcpfchen zu bemerken sind. Fig. 24. giebt die Darstellung eines \u00e4hnlichen Pollenkornes der Clarkia pulchella, welches eine halbe Stunde lang in concentrirter Schwefels\u00e4ure gelegen hatte. Die innere Haut mit ihrem ganzen Inhalte ist g\u00e4nzlich zerst\u00f6rt, in eine structurlose Fl\u00fcssigkeit umge\u00e4ndert und fast g\u00e4nzlich zu den Oeffnungen f, f, f hinausgetrieben; nur die \u00e4ufsere und die mittlere Membran sind unbeschadet zur\u00fcckgeblieben. aaa zeigt die \u00e4ufsere Membran, welche an den En-* den der Hervorragungen bei bb, bb, bb sehr stark angeschwollen ist. ccc die mittlere Membran, welche sich von der \u00e4ufseren abgetrennt hat, w\u00e4hrend sie in Fig. 23. der letzteren genau angelagert zu sehen ist. dd, dd, dd die verdickte mittlere Membran, welche die warzenf\u00f6rmigen Hervorragungen bildet und schon in g, g, g die Oeffnung zeigt, durch welche die Pollenmasse ausgetrieben wird. Die dunkeier gef\u00e4rbten Stellen ee, ee, ee, werden durch die besondere Lage der verdickten Basis der Hervorragungen erzeugt; sie zeigen mitunter selbst ein, etwas gestreiftes Ansehen. In Fig. 26. ist ein reifes Pollenkorn eben derselben Pflanze zu sehen, welches von der Narbe entnommen wurde, wo es die Schl\u00e4uche erzeugt hatte, die aus den Oeffnungen ff der \u00e4ufseren Membran hervorragen.\n\u00ab","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nBis zu den Buchstaben g, g, sind die Bezeichnungen in dieser Figur mit der vorhergehenden \u00fcbereinstimmend, hhh zeigt ganz deutlich die innere Haut, welche nach dem Austreiben der Schl\u00e4uche i, k und 11 mit der darin enthaltenen Masse sich zusammengezogen und von der mittleren Haut getrennt hat. Das Bild war \u00fcberall gleich hell beleuchtet und nirgends war eine Spur von einer vierten Haut zu sehen.\nWegen dieser vierten Pollenhaut, welche Herr Fritzsche beobachtet zu haben glaubt, schien demselben die bisherige Benennung der Pollenh\u00e4ute unzureichend, und er hat defs-halb eine neue Nomenclatur in Vorschlag gebracht. Die innere Haut wird Intine und die \u00e4ufsere Exine genannt, und da Herr Fritzsche aus dem Verhalten dieser H\u00e4ute gegen Reagentien schliefsen zu k\u00f6nnen glaubt, dafs die Formen mit drei und vier H\u00e4uten durch Verdoppelung der \u00e4ufseren oder der inneren Haut der Pollenk\u00f6rner entstehen, so hat er die letztere Bildung Exintine und die erstere Intexine genannt. Die Reihenfolge dieser H\u00e4ute w\u00e4re also in einem Falle, wo alle vier H\u00e4ute vorhanden sind, folgende: Exine, Intexine, Exintine und Intine. Bei einem Pollenkorne mit drei H\u00e4uten m\u00fcfste aber erst untersucht werden, zu welcher der beiden, der inneren oder der \u00e4ufseren Haut die mittlere zu rechnen w\u00e4re.\nEs ist hinreichend bekannt, wie leicht die Botaniker neue Benennungen annehmen, wenn auch dieselben unn\u00f6thig oder sogar auf ganz unrichtige Voraussetzungen gegr\u00fcndet sind; um so mehr mufs ich defshalb gegen die Annahme dieser aufgestellten Benennungen warnen. Jene Benennungen beruhen einmal auf das Vorhandensein von vier Pollenh\u00e4uten, was ich aber entschieden verneinen m\u00f6chte; ferner auf die Annahme, dafs die innere und die \u00e4ufsere Haut als die urspr\u00fcnglichen, und die \u00fcbrigen, dazwischen vorkommenden, nur als Verdoppelungen der einen oder der anderen anzusehen sind. Diese Annahme wird jedoch sowohl durch die Beobachtung der Bildung der Pollenk\u00f6rner widerlegt, als auch durch das chemische","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"145\nVerhalten derselben, wor\u00fcber sogleich die Rede sein wird. Ja wenn auch in einigen Pflanzen die Pollenk\u00f6rner mit vier H\u00e4uten versehen w\u00e4ren, was aber wahrscheinlich nicht der Fall sein wird, indem auch der Kern des Eychens nur h\u00f6chstens mit zwei umschliefsenden Membranen versehen ist, so darf doch eine Nomenclatur niemals auf Hypothesen beruhen, wobei erst weitl\u00e4uftige mikroskopischchemische Untersuchungen noting sind, um die Benennung festzusetzen, deren Werth, wie in dem vorliegenden Falle aufserordent\u00fcch gering ist. Ich bin daher der Ansicht, dafs man bei den vorliegenden Beobachtungen des Pollens mit den Benennungen: \u00e4ufsere, mittlere und innere Haut vollkommen ausreicht.\nDas Verhalten der Membranen der Pollenk\u00f6rner gegen Reagentien zeigt in mancher Hinsicht h\u00f6chst auffallende ( Eigentluimlichkeiten; die innere Membran ist stets \u00e4ufserst zart, ungef\u00e4rbt, hygroskopisch und sehr dehnbar; durch concentrirte Schwefels\u00e4ure wird sie schnell zerst\u00f6rt, aber Jodine bringt nur eine sehr leichte gelbliche F\u00e4rbung darauf hervor, welche sogar in kurzer Zeit wieder verschwindet, ja zuweilen scheint die Membran ohne Reaction gegen Jodine.\nDie mittlere Membran der Pollenk\u00f6rner zeigt in ihrem f chemischen Verhalten grofse Verschiedenheiten bei verschiedenen Pflanzen; die mittlere Haut bei dem Pollen von Juniperus und Taxus ist vollkommen ungef\u00e4rbt und erlangt durch schnelles Einsaugen von Wasser eine gallert-... artige Beschaffenheit; sie wird durch Jodine nicht gef\u00e4rbt, aber durch concentrirte Schwefels\u00e4ure allm\u00e4lich vollst\u00e4ndig aufgel\u00f6st; die mittlere Membran der Pollenk\u00f6rner von Pinus wird dagegen durch Jodine gelblich gef\u00e4rbt und durch Schwefels\u00e4ure nicht zerst\u00f6rt. Ausgezeichnet verh\u00e4lt sich die mittlere Membran der Pollenk\u00f6rner bei den Gattungen Oenothera, Clarkia u. s. w. Jodine f\u00e4rbt dieselbe gelblich braun und concentrirte Schwefels\u00e4ure \u00e4ufsert seihst nach Wochen-langer Einwirkung keine zerst\u00f6rende Kraft auf diese, an manchen Stellen sehr verdickte Membran, Me y en. Pli, Phys. III.\t10","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nwie man es in der Abbildung in Fig\\ 24. Tab* XI. sehen kann.\nDie \u00e4ufsere Membran der Poilenk\u00f6rner ist dagegen stets von noch festerer Structur, als die beiden inneren, ja sie widersteht nicht nur der Einwirkung der kalten Schwefels\u00e4ure, sondern selbst in kochender Schwefels\u00e4ure sah ich die \u00e4ufsere Haut der Pollenk\u00f6rner verschiedener Pflanzen unzerst\u00f6rt Zur\u00fcckbleiben. Auch der F\u00e4ulnifs im Wasser widersteht sie sehr lange, und hiedurch wird es erkl\u00e4rlich, dafs selbst in den Bliithen urweitlicher Pflanzen die Pollenk\u00f6rner so vollkommen erhalten wiedergefunden werden, dafs man ihre Form zuweilen genau wiedererkennen kann. So hat Herr G\u00f6ppert *) dergleichen wohlerhaltenen urweltlichen Blumenstaub zuerst beschrieben. Mau hat die Festigkeit der \u00e4ufseren Membran gegen Schwefels\u00e4ure durch das Durchdrungensein von einer \u00f6l-oder wachsartigen Masse erkl\u00e4ren wollen, doch ich habe eben dieselbe Eigenschaft an derselben wahrgenommen, nachdem ich die Pollenk\u00f6rner l\u00e4ngere Zeit hindurch in Alkohol und in Aether digerirt hatte.\nDiese \u00e4ufsere Haut ist es, welche wir zun\u00e4chst einer speciellen Betrachtung unterwerfen m\u00fcssen, indem durch die vielfachen Verschiedenheiten, welche sie in Hinsicht der Structur ihrer \u00e4ufseren Oberfl\u00e4che und der Anzahl der Oeffnungen zeigt, die wesentlichsten Verschiedenheiten der Pollenk\u00f6rner hervorgehen.\n1) Betrachtung der \u00e4ufseren Membran der Pollenk\u00f6rner in Hinsicht ihrer Structur.\nDie \u00e4ufsere Membran der Pollenk\u00f6rner ist bei verschiedenen Pflanzen von verschiedener F\u00e4rbung und von verschiedener Dicke, bei einigen ist sie fast vollkommen durchsichtig, bei anderen mehr oder weniger undurchsichtig ;\n*) De floribus in statu fossili. Yratislaviae 1837. 4to.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"147\nsie wird stets durch eine einfache Zelle dargestellt, und ist also nie aus Zellen zusammengesetzt, was die Beobachtung \u00fcber die Bildung der Pollenk\u00f6rner ganz entschieden lehrt, m\u00f6ge das Ansehen derselben im ausgebildeten Zustande auch noch so grofse Aehnlichkeit mit einer aus Zellen zusammengesetzten Membran zeigen. Auch werden wir sp\u00e4ter die Bildungen genauer k\u00ebnnen lernen, durch welche die scheinbare Zellenbildung der \u00e4ufseren Membran der Pollenk\u00f6rner hervorgeht.\nIn aufserordentlich vielen F\u00e4llen, ja wohl bei der gr\u00f6fseren Zahl von Pflanzen, ist die Oberfl\u00e4che der \u00e4ufseren Membran der Pollenk\u00f6rner ganz glatt, wie z. B. bei Fritillaria imperialis (Fig. 3. Tab. XL), bei Trillium erectum (Fig. 25. Tab. XL), Cucumis sativus var. (Fig. 11. Tab. XL), Oenothera biennis (Fig. 10. Tab. XL), Clarkia pulchella (Fig. 23 \u2014 26. Tab. XI.) u. s. w. Bei einer Menge von Pflanzen zeigt diese Pollenhaut auf ihrer \u00e4ufseren Oberfl\u00e4che mehr oder weniger zahlreiche W\u00e4rzchen, welche theils regelm\u00e4fsig, theils unregelm\u00e4fsig \u00fcber der Oberfl\u00e4che vertheilt sind, bald in kleinen, runden K\u00f6rnchen bestehen, wie es das Pollenkorn der Fritillaria in Fig. 4. Tab. XI. als Ausnahme zeigt, bald als gr\u00f6fsere warzenf\u00f6rmige Erh\u00f6hungen erscheinen, wie z. B. bei Jatropha panduraefolia, Bauhinia furcata, Styphelia glaucescens u. s. w. Den erste-ren Fall kann man durch punktirt, den anderen durch warzig bezeichnen.\nDie W\u00e4rzchen sind zwar bei verschiedenen Pflanzen ebenfalls verschieden geformt, doch im Allgemeinen sind es ziemlich regelm\u00e4fsige cylindrische K\u00f6rperchen, welche mit dem einen Ende auf der Fl\u00e4che der \u00e4ufseren Membran befestigt und senkrecht aufgestellt sind, w\u00e4hrend das andere freistehende Ende kugelf\u00f6rmig abgestutzt ist; zuweilen sind sie am Ende etwas keulenf\u00f6rmig angeschwollen. In allen F\u00e4llen sind es vollkommen solide Massen, denn alle vorhandenen Mittel lassen keine H\u00f6hle in denselben wahrnehmen. Die Stellung dieser W\u00e4rzchen auf der \u00e4ufseren Pollenhaut ist wiederum bei verschiedenen Pflanzen sehr\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"448\nverschieden, bald weitl\u00e4ufig auseinander stehend, bald ganz dicht neben einander auftretend, so dafs die ganze Fl\u00e4che gek\u00f6rnt erscheint. Es ist nicht schwer diese W\u00e4rzchen von der Pollenhaut zu trennen und alsdann freiliegend zu beobachten. Mitunter sind nur einzelne Theile der Pollenk\u00f6rner mit dergleichen W\u00e4rzchen bekleidet, w\u00e4hrend die \u00fcbrige Fl\u00e4che entweder nur einzeln stehende W\u00e4rzchen zeigt oder eine sogenannte zellige Structur zeigt, wie es Herr Mold zuerst bei Pancratium beobachtet hat; hier sind nur die beiden Enden des elliptischen Pollenkornes mit jenen senkrecht stehenden K\u00f6rperchen bekleidet, w\u00e4hrend der \u00fcbrige Theil der Fl\u00e4che mit einem zelli-gen Netze gezeichnet ist.\nHerr Fritzsche hat beobachtet, dafs diese W\u00e4rzchen bei einigen Gew\u00e4chsen durch besondere Vorrichtungen miteinander verbunden sind, wie z. B. bei Beioperone oblongata; hier zeigt sich eine fadenf\u00f6rmige Haut (Band), welche die \u00e4ufseren Enden verbindet, w\u00e4hrend zwischen den, gleich S\u00e4ulchen stehenden W\u00e4rzchen, offene Zwischenr\u00e4ume \u00fcbrig bleiben. Bei einigen Lavateren legt sich eine \u00e4ufserst zarte hautartige Schleimschicht \u00fcber die ganze Fl\u00e4che der dicht stehenden W\u00e4rzchen, und bei Chrysanthemum carinatum fand Herr Fritzsche, dafs die, gleich Pallisaden dicht gestellten W\u00e4rzchen, auf ihren Enden mit einer ziemlich dicken und gleichm\u00e4fsigen Haut bekleidet sind, aus welcher sich wiederum sehr breite zugespitzte K\u00f6rperchen erheben.\nWenn die W\u00e4rzchen auf der Oberfl\u00e4che der Pollenk\u00f6rner zerstreut, aber nach einer gewissen Regel gestellt und durch B\u00e4nder mit einander verbunden sind, so entsteht dadurch eine Bildung, welche dem Pollenkorne das Ansehen giebt, als w\u00e4re es auf seiner Oberfl\u00e4che aus Zellen zusammengesetzt, und man nannte eine solche \u00e4ufsere Pollenhaut zeilig. Ausgezeichnete Beispiele solcher Pollenk\u00f6rner mit zelliger Oberhaut findet man auf Tab. XI. Fig. 31., aus Cobaea scandens und in Fig. 12. ebendaselbst von Geranium rotundifolium dargestellt. Obgleich die Zeichnun-","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"149\ngen auf der Oberfl\u00e4che des Pollenkornes von Cobaea scandens so h\u00f6chst eigent\u00fcmlich erscheinen, so habe ich doch durch Beobachtung ihrer Bildung, so wie durch mehrere Mifs-bildungen sehr bestimmt wahrnehmen k\u00f6nnen, dafs auch diese W\u00e4nde, wodurch die Zellen auf jenen Pollenk\u00f6rnern gebildet werden, nur durch Verwachsung der, urspr\u00fcnglich getrennt auftretenden cylindrischen W\u00e4rzchen entstehen. Erst in der letzteren Arbeit \u00fcber den Pollen hat Herr Fritzsche meine fr\u00fcheren Angaben, dafs die \u00e4ufsere Haut solcher Pollenk\u00f6rner nur eine einfache Zelle und nicht aus Zellen zusammengesetzt ist erkannt, und die Entstehung solcher zellenartiger Bildungen auf den Pollenk\u00f6rnern der Ruellia formosa ebenfalls durch Verbindung der einzeln stehenden K\u00f6rner erkl\u00e4rt. Bei dieser Pflanze sind die K\u00f6rner oder W\u00e4rzchen an ihrem unteren Ende kugelf\u00f6rmig verdickt und von einander getrennt, an den oberen Enden sind sie dagegen cylindrisch oder etwas zugespitzt und durch B\u00e4nder aneinander gereiht. Aber so wie hier bei der Ruellia formosa und der Cobaea scandens, wo einzelne Pollenk\u00f6rner noch ganz allein mit den blofsen unverwachsenen W\u00e4rzchen auftreten, eben so ist die Entstehung der zellenartigen Structur der \u00e4ufseren Haut der Pollenk\u00f6rner in allen F\u00e4llen zu erkl\u00e4ren.\nDie grofsen Verschiedenheiten, welche die K\u00f6rner und W\u00e4rzchen in Hinsicht ihrer L\u00e4nge und Gr\u00f6fse aufzuweisen haben, wiederholen sich auch bei deren Verbindungen, wodurch das zeilige Ansehen erzeugt wird. Bei einigen Pflanzen, wie z. B. bei vielen Iris- und Lilium-Arten sind die W\u00e4nde, welche das Netz bilden*) sehr niedrig, bei anderen dagegen, wie z. B. bei Cobaea scandens (Tab.XI. Fig. 31.) sind sie schon bedeutend hoch, aber ganz besonders hoch, gleichsam als fl\u00fcgelartige Ausbreitungen erscheinen sie bei einigen Gruppen der Syngenesisten, z. B. bei den GattungenLeontodon, Tragopogon, Scorzonera u. s. w.\n*) Man sehe die Abbildungen eines Theiles der \u00e4ufseren Pollenbaut von Lilium candidum in Fig. 13. Tab. VI. im ersten Bande dieses Buches.","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nZuweilen erscheinen diese W\u00e4nde als so gleichm\u00e4fsige Hervorragungen auf der Oberfl\u00e4che der Pollenk\u00f6rner, dafs man ihre Zusammensetzung aus den einzelnen W\u00e4rzchen gar nicht erkennt, wie es z. B. ganz gew\u00f6hnlich bei den Liliaceen der Fall ist; nach der Betupfung mit concentrir-ter Schwefels\u00e4ure zeigen aber auch diese W\u00e4nde nicht selten ein Ansehen, als w\u00e4ren sie aus mehr oder weniger regelm\u00e4fsig gestellten K\u00f6rnern zusammengesetzt, ja mitunter wird man Stellen finden, wo diese K\u00f6rner noch fast ganz getrennt von einander abstehen. Der Bau dieser W\u00e4nde der zelligen Bildungen ist \u00fcberaus mannigfaltig, und nur durch lange und vielseitige Beobachtungen mit den vorz\u00fcglichsten neueren Instrumenten hinreichend genau zu erkennen; ja f\u00fcr viele F\u00e4lle sind selbst die besten Instrumente der neuesten Zeit noch nicht ausreichend. Herrn Fritzsche, der viele Jahre hindurch diesem Gegenst\u00e4nde besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat, verdanken wir eine grofse Reihe der speciellsten Beobachtungen hier\u00fcber, welche gr\u00f6fstentheils durch Abbildungen in der, von der Akademie der Wissenschaften zu Petersburg herausgegebenen Abhandlung dargestellt sind. Im vorliegenden Buche kann ich diesen Gegenstand nur ganz allgemein ber\u00fchren, auch sind jene m\u00fchesamsten Beobachtungen nur von geringen Resultaten f\u00fcr die Wissenschaft begleitet.\nWenn man die Structur der W\u00e4nde n\u00e4her, kennen lernen will, welche die zellenf\u00f6rmigen Figuren auf der \u00e4ufseren Haut des Pollens darstellen, so mufs man die Pollenk\u00f6rner so durchsichtig als m\u00f6glich zu machen suchen, was durch Digeration in Aether und nachheriger Betiipfung mit concentrirter Schwefels\u00e4ure oder mit Terpentin\u00f6l am besten gelingt. Nach diesen Vorbereitungen, welche fast irpmer unumg\u00e4nglich n\u00f6thig sind, hat man die Aufmerksamkeit haupts\u00e4chlich auf diejenigen W\u00e4nde zu richten, welche in der Peripherie des durch Glasplatten leicht zusammengedr\u00fcckten Pollenkornes gelagert sind. In einigen F\u00e4llen, wie z. B. bei der Cobaea scandens wird man be-","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"151\nmerken, dafs die W\u00e4nde in ihrem Verlaufe von dem einen Zusammenstofsungs-Winkel bis zum anderen an mehreren Stellen feine und regelm\u00e4fsig gestellte Unterbrechungen zeigen, welche n\u00e4mlich zwischen den, urspr\u00fcnglich isolirt gestellten W\u00e4rzchen oder S\u00e4ulchen befindlich sind, die oben durch besondere B\u00e4nder, gleichsam wie die Pfeiler einer Br\u00fccke verbunden sind. Tigridia Pavonia, Statice-und Armeria-Arten u. s. w. zeigen diesen Bau mehr oder weniger deutlich. Von dem wirklichen Dasein der Durchbrechungen zwischen den einzelnen Pfeilern wird man sich bei Vergr\u00f6fserungen, die \u00fcber das 600fache hinausgehen, und bei Anwendung von Jodine \u00fcberzeugen k\u00f6nnen. In einigen F\u00e4llen sind die Unterbrechungen nicht vollst\u00e4ndig und zwischen den Pfeilern zeigen sich nur verd\u00fcnnte Stellen. Bei Armeria vulgaris machte Herr Fritzsche zuerst aufmerksam, dafs auf den, die Tfeiler verbindenden B\u00f6gen kleine Stacheln gestellt sind, gleichsam wie Bilds\u00e4ulen, und bei Geranium- und Pelargonium-Arten finden sich auf diesen B\u00f6gen warzenf\u00f6rmige K\u00f6rperchen.\nAm auffallendsten zeigen sich jene W\u00e4nde auf den Pollenk\u00f6rnern der Cichoraceen; Herr Fritzsche giebt dar\u00fcber sehr ausf\u00fchrliche, und wie es scheint selbst zu genaue Darstellungen. Hiernach sollen die W\u00e4nde aus Stacheln \u00ef bestehen, welche in regelm\u00e4fsigen einfachen Reihen gestellt sind und durch eine hautartige Masse verbunden werden; die W\u00e4nde begrenzen regelm\u00e4fsige Fl\u00e4chen, wodurch die Pollenk\u00f6rner ein krystallinisches Ansehen erhalten. Werden diese W\u00e4nde auf der Fl\u00e4che betrachtet, so zeigen die Stacheln einen Centralkanal. Sehr niedlich sind die regelm\u00e4fsigen spitzigen Hervorragungen, welche den oberen Rand aller dieser W\u00e4nde der Pollenk\u00f6rner der ; Cichoraceen bekleiden. Die eigentliche Form der Pollenk\u00f6rner bei den Cichoraceen ist ziemlich kugelrund, aber durch die symmetrische Stellung dieser, aus Stacheln bestehenden W\u00e4nde, wird die Oberfl\u00e4che in regelm\u00e4fsige 5- und 6-seitige Figuren getheilt, wodurch das Pollenkorn ein krystallahnliches Ansehen erh\u00e4lt, was besonders fr\u00fcher","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\ndurch die schwachen Vergr\u00f6fserungen bei unvollkommener Beleuchtung, als ganz ausgemacht erschien. Herr Fritzsche hat mehrere Formen dieser Pollenart speciell beobachtet; er giebt an f\u00fcr Scorzonera 20 Fl\u00e4chen, und zwar entweder 2Sechsecke und lBF\u00fcnfecke, oder 8Sechsecke undl2F\u00fcnf-ecke. Tragopogon besitzt 17 Fl\u00e4chen, und zwar entweder \u00f6Sechsecke und 12F\u00fcnfecke, oder 11 Sechsecke und 6F\u00fcnfecke. BeiScolymus finden sich 15 Fl\u00e4chen, n\u00e4mlich 3 Sechsecke und 12 F\u00fcnfecke. Alle diese Felder, wodurch das Pollenkorn im Ganzen eine krystallinische Figur annimmt, werden also nur durch die Stellung der W\u00e4nde gebildet, welche auf der Oberfl\u00e4che der Pollenk\u00f6rner auftreten, und die oberen und freien R\u00e4nder dieser W\u00e4nde sind mit regel-m\u00e4fsig geformten stacheligen Hervorragungen besetzt.\nDie Pollenk\u00f6rner mehrerer Pflanzen zeigen auf der Oberfl\u00e4che ihrer \u00e4ufseren Haut, \u00e4ufserst niedlich verlaufende Flechtwerke, welche ebenfalls durch zarte Streifen gebildet werden, die auf der Oberfl\u00e4che der Membran hervorwachsen. Polemonium coeruleum zeigt diese Bildung sehr sch\u00f6n, doch m\u00fcssen die Pollenk\u00f6rner erst mit Aether gereinigt und dann mit concentrirter Schwefels\u00e4ure behandelt werden. Herr Fritzsche hat diese Bildung von den Pollenk\u00f6rnern von Metrodorea nigra, von Giiia tricolor, von Polemonium coeruleum und Collomia grandiflora beobachtet und abgebildet, man kann solche Pollenk\u00f6rner mit dem Beinamen geadert bezeichnen. Dem Wesentlichen nach grenzt diese Bildung unmittelbar an jene, wo die \u00e4ufsere Pollenhaut mit einem zellenartigen Netze bekleidet ist, wie bei Iris-Arten u. s. w. auch sind uns \u00e4hnliche Bildungen auf der Oberfl\u00e4che der \u00e4ufseren W\u00e4nde der Epidermis-Zellen verschiedener Pflanzen vorgekommen, wo die Querschnitte die Entstehung jener Streifen durch blofse Verdickung nach Aufsen vollst\u00e4ndig nachweisen.\nEndlich haben wir noch den stacheligten Pollen zu betrachten; derselbe ist gerade nicht vielen Gattungen zukommend. Es zeigen sich auf der Oberfl\u00e4che der \u00e4ufseren Haut dieser Pollenk\u00f6rner mehr oder weniger kleine","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"153\nund feine Haare oder Stacheln, welche bald ganz haarf\u00f6rmig zugespitzt sind, wie bei der Nymphaea, einer grofsen Zahl von Malvaceen, als bei Alcea rosea, oder mehr spiefs-f\u00f6rmig werden, wie bei Cucurbita Pepo (Fig. 32. Tab. XI.). Die Stacheln auf den Pollenk\u00f6rnern sind seiten gedr\u00e4ngt stehend, sondern meistens eben so weitl\u00e4uftig und regel-m\u00e4fsig \u00fcber der Oberfl\u00e4che zerstreut, wie die gr\u00f6fseren W\u00e4rzchen, von denen fr\u00fcher die Rede war. Ich halte diese Stacheln, ebenso wie jene W\u00e4rzchen f\u00fcr nicht hohl, also f\u00fcr solide Gebilde, und der Uebergang der W\u00e4rzchen in Stacheln ist nur zu leicht zu beobachten.\n*\nWir haben pag. 139 kennen gelernt, dafs Koelreuter die beiden H\u00e4ute an den Pollenk\u00f6rnern zuerst beobachtet hat; in der \u00e4ufseren und dickeren glaubte er ein, aus Gef\u00e4fs-\u00e4hnlichen Fasern bestehendes Netz ausgebreitet zu sehen, welches bei einigen Arten in sechsseitige F\u00e4cher abgetheilt w\u00e4re; es ist leicht einzusehen, dafs Koelreuter hiemit den Pollen mit sogenannter zelliger Oberfl\u00e4che meinte, welchen die sp\u00e4teren Botaniker als gebildet aus einer zelligen Membran ansahen, obgleich von Einigen stets behauptet wurde, dafs die Pollenk\u00f6rner in allen F\u00e4llen nur aus einzelnen Zellen gebildet w\u00fcrden. Herr Mohl^) glaubte dagegen beobachtet zu haben, dafs die \u00e4ufsere Haut bei einigen\n* Pollenk\u00f6rnern ganz deutlich aus kleinen Zellen zusammengesetzt sei, w\u00e4hrend andere Pollenarten eine Reihe von Ueberg\u00e4ngen von diesem zelligen Baue bis zur scheinbar gleichf\u00f6rmigen Membran zeigen. Die Zusammensetzung der \u00e4ufseren Pollenhaut aus Zellen glaubte Herr Mohl ganz entschieden bei Tigridia Pavonia, Pancratium, u. s. w. beobachtet zu haben, also in denjenigen F\u00e4llen, welche wir weiter oben pag. 151 genauer kennen gelernt haben,\nl Herr Mohl sah hier die einzelnen Maschen jenes zellenartigen Netzes, womit diese Pollenk\u00f6rner bekleidet sind, f\u00fcr wirkliche Zellen an, ein Fehler, in welchen er nicht verfallen w\u00e4re, h\u00e4tte er die Bildungsgeschichte dieser Pollen-\n*) 1. C. pag. 15.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nk\u00f6rner verfolgt. Es sind gleichsam nur die Seitenw\u00e4nde einer Zellengewebe-\u00e4hnlichen Schicht, welche auf der \u00e4u-fseren Haut der Pollenk\u00f6rner liegen, und demselben das zellige Ansehen geben; Koelreuter hielt diese Seitenw\u00e4nde f\u00fcr gef\u00e4fs\u00e4hnliche Fasern, die ein Netz von mehr oder weniger regelm\u00e4fsigen Maschen bildeten, und hiemit deutete er diesen Gegenstand viel richtiger als die Herrn Mold und Fritzs che. Indessen man blieb auch hiebei noch nicht stehen, sondern man glaubte zu sehen, dafs sich diese Zellen der \u00e4ufseren Haut in vielen F\u00e4llen so sehr verkleineren, dafs man ungewifs bleibt, ob dieselben auch hier noch f\u00fcr Zellen anzusprechen sind, oder ob die Haut nur mit gr\u00f6fseren K\u00f6rnern besetzt ist. Herr Mold glaubt aber annehmen zu k\u00f6nnen, dafs das k\u00f6rnige Ansehen der Membran davon herr\u00fchrt, dafs dieselbe aus \u00e4ufserst kleinen Zellen zusammengesetzt ist, dafs also diese K\u00f6rner f\u00fcr Zellen zu halten sind, wenn auch die Instrumente noch zu unvollkommen sind, um dieses nachweisen zu k\u00f6nnen. Bei einigen Pollenarten, als bei Pitcairnia latifolia seien sogar wirkliche Ueberg\u00e4nge von einer dieser Bildungen in die andere zu finden, was also noch mehr daf\u00fcr spreche; die Mitte des Pollenkornes dieser Pflanze sei deutlich zellig, w\u00e4hrend die Enden k\u00f6rnig sind. Eine schwer zu l\u00f6sende Frage, sagt Herr Mohl, ist es hingegen, ob die Annahme von dem Vorhandensein sehr kleiner Zellen auch noch dann erlaubt ist, wenn die \u00e4ufsere Haut nicht mehr einer grobk\u00f6rnigen Membran gleicht, sondern eine gleichf\u00f6rmige mit sehr kleinen Punkten dicht besetzte Fl\u00e4che darstellt, welches Verh\u00e4ltnis ohne allen Vergleich h\u00e4ufiger vorkommt, als wirkliche cellulose Bildung der \u00e4ufseren Haut.\nDiese \u00e4ufsere Haut der Pollenk\u00f6rner besteht aber nach Herrn Mohl nicht nur aus Zellen von verschiedener Gr\u00f6fse oder aus zellen\u00e4hnlichen K\u00f6rnern, sondern auch aus einer gleichf\u00f6rmigen, halbgelatin\u00f6sen Masse, welche jene K\u00f6rner zu einer Membran verbindet, und demnach seien die H\u00e4ute der Pollenk\u00f6rner nicht mit einfachen Zellen, sondern mit den Eyh\u00e4uten zu vergleichen. Die gelatin\u00f6se","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"155\nSubstanz, durch welche die angeblichen Zellen und zellen\u00e4hnlichen K\u00f6rner mit einander verbunden sein sollten, wurde sp\u00e4ter eine Intercellular-Substanz genannt. Schon im ersten Theile dieses B\u00fbches pag. 163 habe ich mich gegen diese Lehre von der Zusammensetzung der \u00e4ufseren Membran der Pollenk\u00f6rner ans Zellen und Intercellular-Substanz weitl\u00e4uftig ausgesprochen, und durch den Besitz eines ausgezeichneten neueren Mikroskopes bin ich in den Stand gesetzt, die Gr\u00fcnde, welche Herr Molil f\u00fcr seine Ansicht aufgestellt hat, als nicht richtig nachzuweisen. Weder die K\u00f6rner noch die Stacheln, m\u00f6gen sie noch so klein oder noch so grofs sein, sind als Zellen zu betrachten, und \u00fcber die wahre Structur der sogenannten zelligen Pollenk\u00f6rner, habe ich im Vorhergehenden ausf\u00fchrlich gesprochen. Die \u00e4ufsere Haut der Pollenk\u00f6rner ist eine, mehr oder weniger dicke und feste einfache Membran, und alle jene Bildungen, welche wir vorhin kennen gelernt haben, entstehen auf der \u00e4ufseren Oberfl\u00e4che dieser Membran.\n2) Betrachtung der \u00e4ufseren Membran der Follenk\u00f6rner in Hinsicht der Oeffnungen, durch welche die innere Substanz hinaustreten kann.\nDie Bildungsgeschichte des Pollens lehrte, dafs die , Pollenk\u00f6rner zuerst als einfache Zellen auftreten, und dafs an den W\u00e4nden dieser Zellen durchaus keine Spur von Oeffnungen zu bemerken sind, welche im ausgebildeten Zustande der Pollenk\u00f6rner mehr oder weniger deutlich auftreten. Wir wollen zuerst diese Oeffnungen, welche die ausgebildeten Pollenk\u00f6rner zeigen, sowohl in Hinsicht ihrer Anzahl, als ihrer Form oder sonstiger Modificationen im Allgemeinen betrachten, und dann die Bildung derselben f\u00fcr einzelne F\u00e4lle speciell verfolgen.\nBei Pollenk\u00f6rnern mit einfacher Haut sind keine","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nOeffnungen beobachtet worden, und aus der Form dieser Pollenk\u00f6rner bei Zostera gebt auch hervor, dafs ihre Membran nicht aufspringt, sondern sich unmittelbar selbst in einen Pollenschlauch verwandelt. Die Pollenk\u00f6rner der Ruppia maritima sind durch Herrn Fritzsche beobachtet; sie besitzen zwei H\u00e4ute, aber in der \u00e4ufseren Haut derselben hat man keine Oeffnungen wahrnehmen k\u00f6nnen, was also noch k\u00fcnftigen Beobachtern dieser interessanten Pflanze zu untersuchen \u00fcbrig geblieben ist.\nDie \u00e4ufsere Haut der Pollenk\u00f6rner \u00f6ffnet sich entweder durch Spalten, oder durch mehr oder weniger runde L\u00f6cher, sogenannte Poren; die Spalten begreift Herr Mohl unter seine scheinbaren Oeffnungen der \u00e4ufseren Haut, und sie f\u00fchren bei ihm im Allgemeinen den Namen der Falten. Diese Falten sind auf den Pollenk\u00f6rnern verschiedener Pflanzen verschieden lang; sie treten bei den Monocotyledonen fast ganz allgemein auf, und verlaufen an diesen, fast immer, mehr oder weniger ellipsoidischen Formen von der einen Spitze bis zur anderen Spitze, und zwar parallel der L\u00e4ngenachse des Pollenkornes. Wenn man den ausgestreueten Pollen der Liliaceen und \u00e4hnlicher Pflanzen im trockenen Zustande untersucht, so wird man beobachten, dafs die einzelnen K\u00f6rner sehr l\u00e4nglich gezogen ellipsoidiseh geformt, und auf der einen Seite mit einer tiefen Furche versehen sind, welche der L\u00e4nge nach von einem Ende zum anderen verl\u00e4uft. Je l\u00e4nger diese Pollen-k\u00f6rner der trockenen Luft ausgesetzt sind, um so st\u00e4rker wird die Furche, was durch die Verdunstung des Inhaltes der K\u00f6rner zu erkl\u00e4ren ist, ja untersucht man diesen Pollen einige Zeit vor dem Aufspringen der Antheren, so findet man die Pollenk\u00f6rner strotzend gef\u00fcllt und ohne Furche, doch zeigt sich durch besondere Bildung in der Organisation der \u00e4ufseren Plaut ein L\u00e4ngenstreifen, welcher die Stelle andeutet, in welcher das Pollenkorn sp\u00e4ter aufspringt. Wenn man den von der Anthere ausgestreueten Pollen mit Furchen unter Wasser untersucht, so wird man bemerken, dafs mit dem Einsaugen des Wassers die","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"157\nPollenk\u00f6rner anscliwellen, dabei an Breite zunehmen, aber an L\u00e4nge abnehmen, und dafs die Furchen zugleich immer mehr und mehr verschwinden; ja man sieht dabei, dafs die Furche durch eine Einfaltung der Po\u00eelenhaut entstanden war, welche sich wieder ausgleicht, sobald das Pollenkorn mit der n\u00f6thigen Feuchtigkeit gef\u00fcllt wird. Der L\u00e4ngenstreifen, welcher im Grunde der Furche verl\u00e4uft, kommt unter diesen Verh\u00e4ltnissen wieder zur deutlichen Ansicht, ja wenn das Pollenkorn die hinreichende Menge Wasser eingesaugt hat, \u00f6ffnet sich derselbe als eine Spalte, und dann kann man sehr deutlich sehen, dafs die R\u00e4nder dieser Spalte eine, von der \u00fcbrigen Fl\u00e4che der \u00e4ufseren Pollenhaut verschiedene Structur zeigen. Die R\u00e4nder der \u00e4ufseren Haut, welche unmittelbar die Spalte bilden, sind im Allgemeinen viel dicker und fester, als der \u00fcbrige Theil der \u00e4ufseren Haut. War die \u00e4ufsere Pollenhaut von zelli-ger Textur, so bemerkt man, dafs diese zellenartigen Maschen in der N\u00e4he der R\u00e4nder immer kleiner und kleiner werden, dafs dagegen die Zwischenw\u00e4nde, welche jene Maschen bilden, immer dichter und dichter zusammenlaufend erscheinen, so dafs zuletzt der ganze Rand mit eben derselben Substanz \u00fcberzogen ist, welche in der \u00fcbrigen Fl\u00e4che des Pollenkornes die W\u00e4nde bildet, wie ich dieses in Fig. 13. Tab. VI. von dem Pollenkorne der weifsen Lilie und in Fig. 14 und 15. Tab. VI. von Amaryllis Reginae abgebildet habe, ab in Fig. 13. ist daselbst der Rand einer ge\u00f6ffneten Spalte; die dunkeiere, im nat\u00fcrlichen Zustande etwas gelblich erscheinende Masse, welche diesen Rand bekleidet, setzt sich unmittelbar in das Netz fort, welches die Fl\u00e4che der Membran abcdef bekleidet, und dessen Maschen g, g, g, g, m u. s. w. dem Ganzen ein zelliges Ansehen geben. Aehnlich verh\u00e4lt es sich in der Abbildung von Fig. 15. Tab. VI. des ersten Bandes. Nehmen wir an, dafs die \u00e4ufsere Haut der Pollenk\u00f6rner durch diese eigenthiimliche Organisation an verschiedenen Stellen verschieden hygroskopisch ist, wozu uns die Analogie vollkommen berechtigt, so werden wir die Bildung\nV","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nder Furche und deren Ausgleichung nach Einsaugung von Wasser ganz erkl\u00e4rlich finden. Herr Fritzsche *) hat in einer Abbildung des ganzen Pollenkornes der weifsen Lilie, den Unterschied in der Structur der Spaltenr\u00e4nder und derjenigen des \u00fcbrigen Theiles der \u00e4ufseren Haut sehr gut hervorgehoben. Herr Mold hat fr\u00fcher die Ansicht ausgesprochen, als w\u00e4ren diese Spalten durch eine, mehr gelatin\u00f6se, als membran\u00f6se Haut verschlossen, welche der gewaltsamen Ausdehnung durch Einsaugung des Wassers nicht widerstehen k\u00f6nne und defshalb zerreifsen m\u00fcsse; die neuesten Mikroskope zeigen indessen nichts von jener angeblichen Haut, sondern man sieht, dafs das Pollenkorn in dem Verlaufe der Linie, weiche die k\u00fcnftige Spalte andeutet aufspringt, und dafs zur Oeffnung dieser Spalte die nat\u00fcrlichen Verh\u00e4ltnisse allein hinreichend sind; denn unter den ausgestreueten Pollenk\u00f6rnern, welche man unter Oel untersucht, wird man gar nicht selten einzelne finden, deren Spalte schon etwas ge\u00f6ffnet ist, so dafs die innere Haut zum Vorschein kommt. L\u00e4fst man die mit Furchen versehenen Pollenk\u00f6rner von Iris- oder Lilium-Arten l\u00e4ngere Zeit in Wasser liegen, so \u00f6ffnet sich die Spalte durch das Aufschwellen der inneren Pollenhaut so stark, dafs letztere als eine grofse durchsichtige Blase mehr oder weniger stark zur Spalte hinaustritt, und durch den Einflufs der stigmatischen Feuchtigkeit in Pollenschl\u00e4uche ausw\u00e4chst. Bei der Feuerlilie habe ich mehrmals gesehen, dafs diese innere Haut an jedem Ende der Spalte der \u00e4ufseren Haut als ein Pollenschlauch hervortrat.\nBei der gr\u00f6fsten Zahl von Monocotyledonen besitzen die Pollenk\u00f6rner nur eine Spalte; Herr Mold hat dagegen in seiner speciellen Arbeit \u00fcber den Pollen auch mehrere Pflanzen aufgef\u00fchrt, bei denen er zwei symmetrisch gegen\u00fcberliegende Falten oder Spalten beobachtet hat. Sehr ausgezeichnet findet sich dieser Bau bei Tigridia Pavonia, wo die Pollenk\u00f6rner durch Einsaugung von Wasser und\n*) Ueber den Pollen. Tab. VIII. Fig. 4.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"159\nAusdehnung der Spalten fast vollkommen kugelf\u00f6rmig werden, wobei die Spalten beinahe zu vollkommen runden Oefihungen umgestaltet erscheinen. Cypripedium Calceolus, Calycantlms floridus und viele andere Pflanzen zeigen diese doppelten Spalten an ihren Pollenk\u00f6rnern. Bei Agave lurida fand Herr Mold zwei, dicht neben einander liegende, nur durch einen ziemlich schmalen Streifen getrennte Falten.\nDas Vorkommen dreier symmetrisch gestellter L\u00e4ngenspalten ist bei den Pollenk\u00f6rnern der Dicotyledonen fast eben so allgemein, wie das Vorkommen einzelner Spalten - bei den Monocotyledonen. Im trockenen Zustande zeigen jene Pollenk\u00f6rner drei L\u00e4ngenfurchen, doch sind diese Furchen weder so lang noch so tief, als in den grofsen Pollenk\u00f6rnern der Monocotyledonen mit einer Furche. !| Durch Einsaugen von Wasser schwellen diese Pollenk\u00f6rner in ihrem Aequator bedeutender, als in der L\u00e4ngenachse an; die Spalten \u00f6ffnen sich, so dafs die innere Haut hervortritt, und sich in mehr oder weniger breiten und ganz durchsichtigen Streifen zwischen den gef\u00e4rbten Streifen der \u00e4ufseren Haut darstellt, wodurch ein solches Pollenkorn ein sehr niedliches und symmetrisches Ansehen erh\u00e4lt, wie es z. B. bei den Cruciferen ganz allgemein vorkommt; i auch Plumbago capensis zeigt eine sehr niedliche E'orm, wo die \u00e4ufsere Haut mit einzeln stehenden Warzen bedeckt ist, wie es auch Herr Fritzsche *) abgebildet hat. Bei einigen Pflanzen schwellen diese Pollenk\u00f6rner durch den Einflufs des Wassers so bedeutend in ihrem Aequator an, dafs dadurch einmal die L\u00e4ngenachse ganz verk\u00fcrzt wird, und die Pollenk\u00f6rner dabei ein linsenf\u00f6rmiges Ansehen erhalten. H\u00e4ufig erhalten diese Pollenk\u00f6rner nach * dem Oeffnen der Spalten und dem Hervortreten der inneren Membran eine mehr kantige Form; wenn man sie von Oben betrachtet, n\u00e4mlich so, dafs das Ende der einen ihrer Achsen gerade im Mittelpunkte liegt, so zeigt der\n0 1. c. Tab. V. Fig. 2.","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nAequator eine mehr oder weniger dreieckige Figur, deren Seitenw\u00e4nde durch convexe Linien dargestellt werden, wie z. B. bei dem Pollen von Convolvulus tricolor.\nEine interessante Pollenform mit drei L\u00e4ngenfurchen zeigt Geissomera longiflora; die Pollenk\u00f6rner haben die Form dreiseitiger Prismen mit geraden Endfl\u00e4chen, dessen Ecken und Kanten abgerundet sind. Auf jeder Seitenfl\u00e4che zeigen diese Prismen eine L\u00e4ngenspalte, welche genau parallel der L\u00e4ngenachse verl\u00e4uft und sich bis auf die Grundfl\u00e4chen, \u00fcber die Endkanten hinaus erstreckt.\nNach Herrn Mohl findet man zuweilen Pollenk\u00f6rner mit vier Falten, welche als Regel nur drei Falten besitzen, ebenso wie ich nicht selten gefunden habe, dafs einzelne Pollenk\u00f6rner mit drei Poren, als von Corylus, Cucumis, Campanula u. s. w. auch zuweilen mit vier Poren auftreten. Regelm\u00e4fsig zeigen die Pollenk\u00f6rner von Sideritis scordi-oides, Cedrela odorata und A. m. vier L\u00e4ngenfurchen. Bei einem Theile der Labiaten beobachtete Hr. M. die Pollenk\u00f6rner mit sechs L\u00e4ngenfalten, als bei Salvia glutinosa, splendens, Satureja rupestris, Thymus Serpyllum. Eine noch gr\u00f6fsere Anzahl von L\u00e4ngenfalten ist ebenfalls von Hr. M. zuerst beobachtet worden, doch ist hierin keine solche Regelm\u00e4fsigkeit zu beobachten, wie in den fr\u00fcheren F\u00e4llen; die Zahl der Falten wechselt hier nicht nur bei verschiedenen Arten derselben Gattung, sondern selbst bei den Pollenk\u00f6rnern einer und derselben Pflanze. Im trockenen Zustande zeigen diese Pollenk\u00f6rner mehr oder weniger deutliche Furchen, sie schwellen im Wasser kugelf\u00f6rmig an und die Furchen wandeln sich in Spalten um, welche die hervortretende innere Haut zeigen. Die Pollenk\u00f6rner verschiedener Rubiaceen zeigen eine sehr grofse Zahl von Spalten, so z. B. Galium Mollugo 8, Sherardia arvensis 9-\u201410 und Crucianella latifolia 12 \u201413.\nBei Polygonum amphibium beobachtete Herr Fritzsche ebenfalls eine sehr grofse Zahl von Spalten, welche jedoch so kurz sind, dafs sie f\u00fcglich den Namen der ovalen Poren f\u00fchren k\u00f6nnten. Die Form dieses Pollens besteht aus","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"161\nzw\u00f6lf regelm\u00e4fsig f\u00fcnfeckigen Feldern, deren jedes durch f\u00fcnf regelm\u00e4fsige, den gr\u00f6fsten Theil der Seiten einnehmende Spalten so umgeben ist, dafs die Felder nur an den Ecken Zusammenh\u00e4ngen.\nDie Pollenk\u00f6rner der dicotyledonischen Gew\u00e4chse \u00f6ffnen sich fast ganz allgemein durch Poren, so wie den monocotyledonischen Pflanzen Pollenk\u00f6rner mit Spalten zukamen. Diese Poren finden sich an ausgebildeten Pollenk\u00f6rnern in der \u00e4ufseren und in der mittleren Pollenhaut, und zeigen in Hinsicht ihrer Gr\u00f6fse, Lage, Anzahl und Form die mannigfaltigsten Verschiedenheiten; die innere Haut dringt in Form von Schl\u00e4uchen zu diesen Poren hinaus und f\u00fchrt die befruchtende Substanz zu den Eychen hin. Man erkennt die Poren durch ringf\u00f6rmige Zeichnungen, welche auf der \u00e4ufseren Haut der Pollenk\u00f6rner mehr oder weniger deutlich zu sehen sind; bei den meisten Pflanzen, wo Poren Vorkommen, da sind dieselben im ausgebildeten Zustande des Pollens ganz vollkommen offen, und wenn durch Einsaugung von Wasser die innere Membran in Form von Schl\u00e4uchen hervortritt, so kann man mit guten Instrumenten wahrnehmen, dafs hiebei keine, auch nicht die feinste Membran zerrissen wird, womit man die Poren \u00fcberzogen zu sehen geglaubt hat. Die R\u00e4nder des Ringes, welche den Anfang der Poren andeuten, sind gew\u00f6hnlich durch eine Verdickung der \u00e4ufseren Membran ausgezeichnet, und mit dem Auftreten dieser Verdickung erfolgt auch die Resorbtion der Membran, welche das Innere des sich bildenden Ringes ausf\u00fcllte. Herr Mohl konnte bei seinen Untersuchungen des Pollens noch nicht zur Entscheidung der Frage gelangen, ob diese Poren der \u00e4ufseren Pollenhaut wirkliche Oeffnun-gen sind, oder ob sie, wie die Poren des Zellengewebes, dadurch gebildet werden, dafs an diesen Stellen die \u00e4ufsere Haut blofs verd\u00fcnnt ist. Es wurde die \u00e4ufsere Pollenhaut von verschiedenen Pflanzen abgezogen und f\u00fcr sich allein untersucht, wobei sich Herr Mohl \u00fcberzeugte, dafs die Poren von einer d\u00fcnnen Haut verschlossen waren; auch\nMeyen. Pfl, Physiol. III.\tR","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nich stimme hierin f\u00fcr viele F\u00e4lle bei, und glaube mich \u00fcberzeugt zu haben, dafs die Bildung der wirklichen Oeff-nungen, welche die Pollenk\u00f6rner vieler Pflanzen ganz entschieden zeigen, auf solche Weise ausgef\u00fchrt wird, dafs n\u00e4mlich die Membran an denjenigen Stellen, wo die Poren erscheinen, allm\u00e4lig immer mehr und mehr verd\u00fcnnt und zuletzt ganz resorbirt wird. Wir kennen gegenw\u00e4rtig eine Menge von F\u00e4llen, wo auch die Poren oder T\u00fcpfel auf den Zellenw\u00e4nden und auf den W\u00e4nden der metamorpho-sirten Spiralr\u00f6hren ebenfalls als wirkliche Oeffnungen erscheinen, obgleich sie durchschnittlich nur verd\u00fcnnte Stellen der Membran sind. Ebenso verh\u00e4lt es sich auch mit den Poren der \u00e4ufseren Haut der Pollenk\u00f6rner; ich habe an den Pollen der Oenotheren und der Gurke diesen Gegenstand mit aller Aufmerksamkeit zu beobachten gesucht und ganz bestimmt gefunden, dafs sich die \u00e4ufsere Membran an denjenigen Stellen, wo sie sp\u00e4ter durchbrochen wird, allm\u00e4lig immer mehr und mehr verd\u00fcnnt und endlich, wenn das Hervortreten der inneren Membran beginnt, g\u00e4nzlich verschwindet, doch kann man niemals sehen, dafs die \u00e4ufsere Membran in Form von Lappen zerreifst und umherh\u00e4ngt, was allerdings wohl geschehen miifste, wenn von derselben bei dem Hervordringen der inneren Haut noch eine Spur vorhanden w\u00e4re.\nBei einer grofsen Reihe von Pflanzen \u00f6ffnen sich die Pollenk\u00f6rner durch runde L\u00f6cher, welche mit einem Deckel versehen sind, der erst bei dem Hervortreten der inneren Masse des Kernes abgesprengt wird. So wie die Gr\u00f6fse dieser Poren an den Pollenk\u00f6rnern verschiedener Pflanzen so \u00e4ufserst verschieden ist, so denn auch die Gr\u00f6fse der Deckel, wor\u00fcber wir umst\u00e4ndlicher bei der Auff\u00fchrung specieller F\u00e4lle berichten werden.\nDie Poren der \u00e4ufseren Haut der Pollenk\u00f6rner liegen entweder in der glatten Oberfl\u00e4che, wie z. B. bei Campanula, oder sie liegen in besonderen Vertiefungen derselben, wie z. B. bei Geranium rotundifolium (Fig. 12. Tab. XI.), oder auch in der Mitte von Spalten, welche sich bei dem","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"163\nAnschwellen der Pollenk\u00f6rner in Wasser mehr oder weniger ansgleichen. Bei den Pollenk\u00f6rnern mit Poren sind die Formver\u00e4nderungen durch die verschiedenen Grade ihres Feuchtigkeitszustandes nicht sehr grofs, ja die meisten schwellen nur etwas st\u00e4rker an, behalten aber in allen Zust\u00e4nden ihre Form. Durch Einsaugung der Feuchtigkeit schwillt die innere Membran an und dehnt sich in Form von W\u00e4rzchen durch die Poren hindurch oder zerreifst und l\u00e4fst den Inhalt des Pollenkornes hinaustreten.\nPollenk\u00f6rner mit einer Pore finden sich ganz allge-|f mein bei den Gr\u00e4sern, wo sie eyf\u00f6rmig gestaltet sind, und die \u00e4ufsere Haut nach Hrn. Mohl punktirt oder sehr feink\u00f6rnig erscheint; an derjenigen Stelle aber, welche sp\u00e4ter als Oeffnung auftritt, fehlen die K\u00f6rner, und zwar kommen L sie daselbst nie zur Ausbildung. Specielle Untersuchungen I \u00fcber diesen Gegenstand zeigten mir, dafs die Oberfl\u00e4che dieser Pollenk\u00f6rner ganz vollkommen glatt und ohne alle P\u00fcnktchen und K\u00f6rnchen ist; das punktirte Ansehen aber, welches sie bei schwachen Vergr\u00f6fserungen zeigen, geht dadurch hervor, dafs die inneren gek\u00f6rnten Massen durch die \u00e4ufsere Membran hindurchscheinen. Die Pore erscheint an dem einen Ende des Pollenkornes und zwar zur Seite liegend, etwa ~ des ganzen Umfanges von dem Pole ent-e fernt; sie zeigt einen niedlichen Hof, welcher durch Verdickung des Randes der Membran hervorgebracht wird, aber auch hier kann man nicht mit Bestimmtheit sagen, ob die Pore geschlossen oder vollkommen ge\u00f6ffnet ist,\n: worauf es jedoch, wie wir es schon fr\u00fcher angedeutet haben, &ehr wenig ankommt. Eben denselben einfachen Bau fand Hr. Mohl in mehreren sehr vollkommenen Pflanzen, als bei Cecropia peltata und Anona und jeder Beobach-- ter wird \u00e4hnliche F\u00e4lle kennen gelernt haben, welche so h\u00f6chst auffallende Beweise liefern, dafs die Form und die Structur der Pollenk\u00f6rner mit dem Grade der Entwickelung der Pflanzen-Gattung in keinem abh\u00e4ngigen Verh\u00e4ltnisse steht, woraus |man schon im Allgemeinen zu der Ansicht gelangen k\u00f6nnte, dafs die vielfachen Verschieden-\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nheiten in der Form und der Structnr der Pollenk\u00f6rner sehr unwesentliche Erscheinungen sind; ja nicht einmal zur Bestimmung von Familien und Gattungen sind dieselben zu gebrauchen.\nBei den Cyperaceen sind die Pollenk\u00f6rner schon etwas zusammengesetzter; der Rand der Pore ist gew\u00f6hnlich etwas verdickt, ja selbst wulstig, wie in Form einer Warze \u00fcber die Oberfl\u00e4che her vorstehend, und aufserdem zeigen sie noch vertiefte Streifen in mannigfaltiger Form und Richtung.\nEinige Pflanzen zeigen Pollenk\u00f6rner mit zwei Poren, diese sind meistens von ellipsoidischer Form und besitzen die Poren an ihren Enden, wie z. B. bei Colchicum au-tumnale, oder die Poren sitzen in der Mitte zweier entgegengesetzter L\u00e4ngenfurchen.\nAm h\u00e4ufigsten treten die Pollenk\u00f6rner mit drei Poren auf, welche in dem Aequator derselben symmetrisch gestellt sind. Diese Pollenk\u00f6rner mit drei Poren sind gew\u00f6hnlich kugelf\u00f6rmig oder eilipsoidisch ; bei vielen Pflanzen sind diese Formen in ihrer Achse linsenf\u00f6rmig zusammengedr\u00fcckt, und dann erscheint ihr gr\u00f6fster Kreis (Aequator) als ein sph\u00e4risches, gleichseitiges Dreieck, dessen Ecken entweder abgestutzt, eingebogen oder mehr oder weniger stark warzenf\u00f6rmig ausgewachsen sind. Bei eyf\u00f6rmigen Pollenk\u00f6rnern sind mitunter drei symmetrisch gestellte L\u00e4ngenfurchen vorhanden, in deren Mitte die Poren liegen und erst bei dem Anschwellen im Wasser zum Vorschein kommen. Fig. 30. Tab. XI. giebt eine Darstellung eines Pollenkornes von Campanula Medium; a, b und c sind die drei im Aequator liegenden Poren der \u00e4ufseren Haut, deren R\u00e4nder etwas verdickt sind und einen schmalen Hof zeigen. In Fig. 29. ist ein weniger vollkommen ausgebildetes Pollenkorn eben derselben Pflanze dargestellt; es ist kleiner, hat nur wenig Inhalt und die innere Haut ist an den Stellen der Poren so weit nach Innen eingezogen, dafs dadurch die H\u00f6fe dd, dd um die Poren a, b und c entstehen, welche Hr. Fritzsche ihrer Ursache nach","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"165\nganz verkannt und sie f\u00fcr sogenannte Zwischenk\u00f6rper ausgegeben hat. In Fig. 30. ist eine Menge des Inhaltes in die ausgetretenen Pollenschl\u00e4uche gedrungen, und dadurch hat sich die innere Haut bei de, fg und hi von dem inneren Umfange der \u00e4ufseren Haut getrennt. Bei Corylus Avellana, wovon die Pollenk\u00f6rner in Fig. 1. u. 2. Tab. XI. abgebildet sind, liegen die Poren in den Ecken der linsenf\u00f6rmig zusammengedr\u00fcckten Membran ; die Vertiefungen a, a, a zeigen die Poren. In Fig. 2. ist die innere Haut, \u00e4hnlich wie bei Campanula Medium in Fig. 29., von den Poren der \u00e4ufseren Haut zur\u00fcckgezogen, was sich in diesem Falle, wo das Pollenkorn mehr linsenf\u00f6rmig zusammengedr\u00fcckt ist, weit auffallender markirt. Die Pollenk\u00f6rner der Gurke sind ziemlich \u00e4hnlich den vorigen gestaltet, doch wenn sie im Wasser liegen, so treten im ( Aequator derselben drei W\u00e4rzchen hervor, welche sich \u00f6ffnen und die Pollenschl\u00e4uche hervortreten lassen, wie es in Fig. 11. Tab. XI. dargestellt ist. Das Pollenkorn von Geranium rotundifolium in Fig. 12. Tab. XI. zeigt dagegen drei gr\u00f6fsere Einbuchtungen, in deren Grunde sich die Poren befinden, durch welche die innere Membran hervortritt, und diese Form tritt h\u00e4ufig auf, sie kommt einer sehr grofsen Anzahl von Gattungen aus der Familie der Syn-* genesisten zu, deren Pollenk\u00f6rner man mit drei Furchen bezeichnet hat; ich finde an diesen Pflanzen nicht Furchen, sondern nur Vertiefungen, aus welchen dann die innere Haut hervortritt; besonders sch\u00f6n ist es bei den Pflanzen mit Pollenk\u00f6rnern, welche jene niedlichen Bildungen von gestachelten zellenartigen Wanden zeigen, zu sehen, wor\u00fcber pag. 152 die Rede war. Am ausgezeichnetsten sind dagegen die interessanten Pollenformen, welche die Gat-: tungen Oenothera und Clarkia zeigen, welche sich in den Figuren 18. u. 23. Tab. XI. abgebildet finden. Wir haben schon fr\u00fcher kennen gelernt, dafs diese Pollenk\u00f6rner ganz entschieden drei besondere Membranen aufzuweisen haben, und gerade dadurch wird das Ansehen dieser Pollenk\u00f6rner so h\u00f6chst merkw\u00fcrdig. Die Figuren 13., 14., 15. und 19.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nzeigen die allm\u00e4ligen Ver\u00e4nderungen, durch welche aus den einfachen sph\u00e4rischen Zellen, wie in Fig. 13., eine so merkw\u00fcrdige Bildung, wie jene in Fig. 19., hervorgehen kann. In einem sehr fr\u00fchen Zustande der Bl\u00fcthenknospe der Oenothera zeigen sich die Pollenk\u00f6rner als einfache sph\u00e4rische Zellen, welche mit einer gleichm\u00e4fsigen, etwas fein gek\u00f6rnten Masse gef\u00fcllt sind; bei allm\u00e4liger Vergr\u00f6-fserung erhalten die in der Mutterzelle eingeschlossenen Pollenk\u00f6rner durch gegenseitigen Druck ein mehr kantiges Ansehen, und es bildet sich auf der inneren Fl\u00e4che der ersteren Haut eine zweite, was schon in Fig. 14. zu sehen ist. In einem etwas sp\u00e4teren Zustande wird die Pollenzelle linsenf\u00f6rmig und ihre Ecken, welche schon in Fig. 14. angedeutet waren, wachsen zu niedlichen W\u00e4rzchen aus, wie es in Fig. 15. dargestellt ist, wobei aber noch die innere Haut an den Stellen der warzenf\u00f6rmigen Ausw\u00fcchse zur\u00fcckgezogen ist. Etwas sp\u00e4ter dr\u00e4ngt sich auch diese innere Haut in die Ausw\u00fcchse hinein und verdickt sich in denselben in so ausgezeichneter Weise, wie es die Abbildungen in Fig. 18. und 19. zeigen, und dann erst, nicht lange vor der vollkommenen Ausbildung des Pollenkornes, entsteht die innere Haut des Pollenkornes. In Fig. 19. ist eine der warzenf\u00f6rmigen Hervorragungen freiliegend dargestellt; ab ist die \u00e4ufsere Membran, welche bis cd verl\u00e4uft und keinaJmsondere Verdickung zeigt; ef ist dagegen die mittlere Haut, welche an der Basis besonders stark verdickt ist und meistens ein unregelm\u00e4fsig streifiges Ansehen zeigt, wie in g, diese mittlere Membran verl\u00e4uft nur bis ik, und durch die R\u00f6hre beider dr\u00e4ngt sich die innere Membran in Form des Schlauches h hervor. In Fig. 18. ist ein reifes Pollenkorn vollst\u00e4ndig dargestellt, wobei die eine Warze a noch beide Membranen, die \u00e4ufsere und die mittlere vollst\u00e4ndig erhalten zeigt; in der Warze b zeigt sich schon die Resorbtion dieser Warze an der Spitze und in der Warze c ist die \u00e4ufsere Haut ef noch vollst\u00e4ndig erhalten, die mittlere in d hat sich durch Verdunstung des Inhaltes etwas zur\u00fcckgezogen, doch nachdem","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"167\ndas Pollenkorn einige Zeit hindurch im Wasser lag, dr\u00e4ngte sich die mittlere Membran ebenfalls hervor und dehnte sich mit der \u00e4ufseren bis zur Linie g aus. Erst nach dem Oeffnen dieser Membranen an den Spitzen der warzigen Hervorragungen, zieht sich die mittlere Membran etwas zur\u00fcck, wie es in Fig. 19. zu sehen ist.\nDie Pollenk\u00f6rner von Lagerstroemia indica beobachtete H. Mohl mit drei erhabenen Leisten versehen, welche an den Polen zusammenfliefsen und die Oberfl\u00e4che in drei Felder theilen, in deren Mitte jedesmal eine, mit einem Hofe versehene Pore befindlich ist. Bei den Pollenk\u00f6rnern der Dipsaceen, welche ziemlich kugelrund sind, finden sich ebenfalls drei Poren, welche mit einem Deckel versehen sind; tritt die innere Membran hervor, so wird der Deckel abgeworfen, und beobachtet man die Bildung dieser Pollenk\u00f6rner aus der fr\u00fchesten Zeit, so erkennt man mit aller Bestimmtheit, dafs der Deckel nichts weiter, als ein regelm\u00e4fsig ausgesprungenes St\u00fcck der \u00e4ufseren Membran des Pollenkornes ist, welches gew\u00f6hnlich mit eben demselben Ueberzuge, sowohl mit Stacheln als mit Zellen u. s. w., versehen ist, den die \u00fcbrige Fl\u00e4che des Pollenkornes zeigt. Die ausf\u00fchrlichere Auseinandersetzung dieses Gegenstandes kann ich jedoch erst etwas sp\u00e4ter geben, f\tPollenk\u00f6rner mit vier Poren, zeigen dieselben ent-\nweder in ihrem Aequator, wie z. B. der Pollen von Ruellia barlerioides (Fig. 28. Tab. XI.), oder an verschiedenen anderen Punkten der Oberfl\u00e4che, wie dieses z. B. bei der Balsamine der Fall ist. Pollenk\u00f6rner mit f\u00fcnf Poren, welche \u00e4hnlich im Aequator gelagert sind, wie bei der Haselnufs (Fig. 1. und 2. Tab. XI.), findet man bei Ainus glutinosa. Collomia linearis zeigt neun Poren.\nH\u00e4ufig kommen Pollenk\u00f6rner mit einer gr\u00f6fseren Anzahl von Poren vor, welche auf der Oberfl\u00e4che des, meistens kugelf\u00f6rmig gestalteten Kornes mehr oder weniger regelm\u00e4fsig vertheilt sind. Bei Corydalis capreolata fand Herr Mohl zw\u00f6lf Poren, wovon sechs im Aequator und drei auf jeder Hemisph\u00e4re in der Weise vertheilt liegen,","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\ndafs die drei der oberen Hemisph\u00e4re mit den drei der unteren alterniren. Bei Buchholzia maritima und Alter-nanthera Achyrantha zeigen die Pollenk\u00f6rner die Form eines Pentagonaldodeca\u00ebders, und jede Fl\u00e4che hat in ihrer Mitte eine Pore; \u00e4hnlich zeigt es Alsine media. Bei den kugelf\u00f6rmigen Pollenk\u00f6rnern mit zelligem Ueberzuge treten die Poren sehr h\u00e4ufig in der Art auf, dafs die Membran gerade in der Mitte einer solchen scheinbaren Zelle eine OefFnung hat, und zwar findet man bei Ipomoea purpurea und I. varia, wo noch ein ganz besonders interessanter Bau vorkommt, jedes Fach dieses Ueberzuges mit einer Oeffnung versehen, w\u00e4hrend bei anderen Pflanzen aie Oeffnungen mehr oder weniger regelm\u00e4fsig so vertheilt sind, dafs zwischen den F\u00e4chern mit Oeffnungen wieder andere ohne Oeffnungen auftreten. Sehr sch\u00f6n zeigt sich ein solcher Fall an dem Pollenkorn von Cobaea scandens, welches in Fig. 31. Tab. XI. dargestellt ist. In solchen F\u00e4llen ist die Zahl der Poren nach der Gr\u00f6fse des Pollenkornes bei einer und derselben Pflanze recht sehr verschieden, ja man kann Pollenk\u00f6rner mit zwanzig und andere mit dreifsig Poren in einer und derselben Anth\u00e8re finden.\nEndlich ist noch auf diejenigen F\u00e4lle aufmerksam zu machen, wo die \u00e4ufsere Haut mit einer gewissen Anzahl von Falten und Poren versehen ist; hier sind n\u00e4mlich einige Falten mit Poren und andere ohne Poren versehen. Chiconia baccifera, Barleria longifolia und A. m. zeigen solche Formen.\nBei den Pollenk\u00f6rnern, deren Poren mit Deckel versehen sind, zeigen sich mehrere sehr bemerkenswerthe Erscheinungen, auf welche meistens schon Hr. Mold aufmerksam gemacht, w\u00e4hrend Hr. Fritzsche einzelne F\u00e4lle noch specieller untersucht hat. Wir haben schon im Vorhergehenden kennen gelernt, dafs der Deckel, welcher die Pore schliefst, ebenfalls ein St\u00fcck der \u00e4ufseren Pollenhaut ist, welches sich zu einer gewissen Zeit abl\u00f6st. In einigen F\u00e4llen, wie z. B. bei dem K\u00fcrbisse, tritt die \u00e4ufsere Haut","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"169\nan verschiedenen Stellen der Oberfl\u00e4che in warzenf\u00f6rmigen Erh\u00f6hungen hervor und die Spitzen dieser Warzen tragen die Deckel, wie es die Abbildungen in Fig. 32, Tab. XI. darstellen. In anderen F\u00e4llen werden die Deckel, welche sich aus der \u00e4ufseren Haut trennen, sehr grofs, so dafs schon 3 bis 4 dergleichen den gr\u00f6fsten Theil der Oberfl\u00e4che des Pollenkornes einnehmen; Herr Mohl entdeckte diesen Bau bei der Gattung Passiflora. Zwei Deckel kommen bei Passiflora filamentosa sehr h\u00e4ufig vor, vielleicht noch h\u00e4ufiger als drei, und Passiflora incarnata zeigt 6 Deckel. Jeder der Deckel auf den Pollenk\u00f6rnern der Passifloren ist mit einem Saume eingefafst, dessen Textur mehr fest aber gleichm\u00e4fsig ist, w\u00e4hrend der \u00fcbrige Theil der Oberfl\u00e4che wie gew\u00f6hnlich bei diesen Pflanzen eine zellenartige Textur zeigt; durch diese glatten und bandf\u00f6rmigen S\u00e4ume, welche die grofsen Deckel umfassen, erhalten die Pollenk\u00f6rner der Passifloren das interessanteste Ansehen, welches noch auf mannigfache Weise modificirt wird. Bei einigen Arten dieser Gattung, welche keinen Deckel zeigen, sind kleinere Poren vorhanden.\nDie Pollenk\u00f6rner der Commelina coelestis zeigen nach Herrn Fritzsche's Angabe nur einen einzelnen Deckel, der aber von solcher Gr\u00f6fse ist, dafs er fast den dritten Theil der ganzen Fl\u00e4che einnimmt, elliptisch gestaltet ist und auch durch dunkeiere F\u00e4rbung von dem \u00fcbrigen Theile der \u00e4ufseren Haut unterschieden ist. Eine genauere Beobachtung zeigte mir jedoch, dafs die Pollenk\u00f6rner der Commelina aus drei Membranen gebildet werden, von denen die mittlere \u00e4ufserst hygroskopisch ist und besonders bei der Behandlung mit verd\u00fcnnter S\u00e4ure zu einer bedeutenden Dicke anschwillt, \u00e4hnlich wie bei Taxus, dadurch aber wird die \u00e4ufsere, mit kleinen, eigenth\u00fcmlich geformten Stacheln bekleidete Haut zerrissen, und durch das gelindeste Rollen zwischen Glasplatten kann man dieselbe vollst\u00e4ndig von der mittleren Haut trennen. Nach der Trennung bemerkt man aber, dafs diese \u00e4ufsere Haut ganz \u00fcberaus zart ist und nur an dem concaven Rande des Pol-","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nlenkornes (c Fig. 34. Tab. XI.) einige Festigkeit zeigt, so dafs sich dieser Theil, nach dem Zerreifsen der Membran, mehr oder weniger regelm\u00e4fsig von dem Ganzen trennt, und sich durch seine dickere, etwas gelblich gef\u00e4rbte Substanz von dem \u00fcbrigen Theile der Membran unterscheidet. Aber keineswegs kann man dieses Hautstiick als einen besonderen Deckel ansehen, auch bemerke ich nichts von der Regelm\u00e4fsigkeit in Form und Farbe, welche Herr Fritzsche davon abgebildet hat.\nBei Sowerbaea juncea kommt dagegen der Fall vor, dafs die ganze \u00e4ufsere Pollenhaut in zwei kahnf\u00f6rmige H\u00e4lften zerf\u00e4llt und sich abl\u00f6st wenn die Pollenk\u00f6rner in Wasser gelegt werden. Auch bei der Gattung Thunbergia kommt etwas Aehnliclies vor, nur sind hier die einzelnen I H\u00e4lften der \u00e4ufseren Haut bandf\u00f6rmig und winden sich spiralf\u00f6rmig um das ganze Korn, lassen sich aber leicht von einander trennen.\nObgleich ich im Vorhergehenden nur in aller K\u00fcrze die wichtigsten Verschiedenheiten aufgef\u00fchrt habe, welche die Pollenk\u00f6rner in Hinsicht der Anzahl und der Structur ihrer H\u00e4ute aufzuweisen haben, so f\u00fcrchte ich dennoch den gr\u00f6fsten Theil der geneigten Leser dieses Buches schon j hiemit beschwerlich zu fallen. Wer sich specieller mit diesem Gegenst\u00e4nde besch\u00e4ftigen will, den mufs ich auf Herrn MohFs Arbeit \u00fcber den Pollen verweisen, worin zum Schl\u00fcsse eine Aufz\u00e4hlung der Pollenformen mit ihren j haupts\u00e4chlichsten Modificationen, nach den nat\u00fcrlichen Familien geordnet enthalten ist. Leider ergeben sich aus diesen sehr m\u00fchesamen Untersuchungen nur wenig allgemeine Resultate.\nBesondere Aufmerksamkeit verdienen diejenigen Formen der Pollenk\u00f6rner, welche aus mehreren zusammen gewachsen sind, eine Erscheinung, welche gegenw\u00e4rtig, nachdem die Bildung des Pollens ziemlich vollst\u00e4ndig erkannt ist, auch hinreichende Erkl\u00e4rung findet.\nEine der auffallendsten Poilenformen, welche durch Verwachsung hervorgeht, ist die der Abietineen, welche","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"171\nschon so oft abgebildet und beschrieben aber noch nie richtig gedeutet ist. In Fig. 22. Tab. XI. ist ein solches Pollenkorn von Pinus sylvestris dargestellt, es zeigt ein mittleres gr\u00f6fseres Korn abc, und zwei, mit den Enden des ersteren innig verwachsene blasenf\u00f6rmige Gebilde. Untersucht man diese Pollenk\u00f6rner in sehr fr\u00fchen Zeitperioden ihrer Bildung, so findet man, dafs die drei K\u00f6rper von gleicher Gr\u00f6fse und gleicher Structur bei ihrem Auftreten sind, so dafs man berechtigt ist dieselben f\u00fcr einzelne Pollenk\u00f6rner zu erkl\u00e4ren, welche sp\u00e4ter in ihrer gemeinsamen Mutterzelle verwachsen und die fernere Ausbildung eingehen. Bei unseren Abietineen des n\u00f6rdlichen Deutschlands da kann man noch im Monate April beobachten, dafs die drei verwachsenen Zellen, welche das Pollenkorn bilden, in einer Mutterzelle liegen, die ebenfalls aus drei besonderen Mutterzellen gebildet ist, welche durch ihr Zusammenschmelzen die erste Veranlassung zur con-stanten Verwachsung der darin enthaltenen Pollenk\u00f6rner geben. An den Pollenk\u00f6rnern der Abietineen, wie es Fig. 22. Tab. XI. zeigt, ist die mittlere Blase das ausgebildete befruchtende Pollenkorn, w\u00e4hrend die seitlich ansitzenden Blasen de und fg als abortirte zu betrachten sind; diese Letzteren haben keinen bemerkbaren Inhalt, scheinen auch nur aus einer einfachen aber starken Membran zu bestehen, welche auf ihrer Oberfl\u00e4che ein zellenartiges Netz von \u00e4ufserst zarten hervorragenden Leisten aufzuweisen haben, w\u00e4hrend das ausgebildete Korn in der Mitte, abc, aus einer festen \u00e4ufseren Membran ohne allen Ueberzug, einer mittleren dicken und gallertartig durchscheinenden, und endlich einer sehr zarten inneren Membran besteht. In Fig. 21. ebendaselbst ist dieses mittlere Pollenkorn f\u00fcr sich allein dargestellt, nachdem durch l\u00e4ngeres Liegen in Terpenthin-Oel und durch Rollen unter Glasplatten die beiden anh\u00e4ngenden abortirten Pollenk\u00f6rner abgetrennt waren; die Membranen erscheinen etwas sehr dick, was der Einsaugung des Oeles zuzuschreiben ist. In Fig. 20. ist ein Pollenkorn eben derselben Pflanze auf","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\ndem R\u00f6cken des mittleren Kornes liegend dargestellt; die beiden Zellen cd und ef liegen oben und ab, die mittlere Zelle, liegt unten und zeigt ihren Zellenkern, wor\u00fcber sp\u00e4ter die Rede sein wird.\nIn Vergleich zu stellen mit den soeben angef\u00fchrten Pollenk\u00f6rnern m\u00f6chten die verwachsenen Formen von Phyllidrum lanuginosum und Anona tripetala sein, denn auch bei diesen, wo allerdings 4 gleiehm\u00e4fsig ausgebildete Pollenk\u00f6rner neben einander stehen, sind die verwachsenen Fl\u00e4chen im Verh\u00e4ltnis zum Ganzen nur klein. Viel h\u00e4ufiger treten dagegen dergleichen verwachsene Pollenk\u00f6rner auf, wo die 4, urspr\u00fcnglich in einer gemeinschaftlichen Mutterzelle liegenden Pollenk\u00f6rner so genau mit einander verwachsen sind, dafs sie gleichsam ein einzelnes Pollenkorn bilden, welches eine sehr regelm\u00e4fsige Form annimmt; so zeigen z. B. die Ericeen dergleichen tetra\u00ebdrische zusammengesetzte Pollenk\u00f6rner, und \u00fcberall, wo Poren oder Falten auf diesen verwachsenen Pollenk\u00f6rnern auftreten, da sind sie stets auf den freiliegenden Seiten gelagert.\nDer Pollen der Orchideen ist unter den verwachsenen Formen der bekannteste; es treten hier fast immer 4 K\u00f6rner im Zusammenh\u00e4nge auf, wie es Fig. 17. Tab. XI. von Orchis Morio zeigt, jedoch ist es gar nicht so selten, dafs man, selbst bei der Gattung Orchis auch einzelne Pollenk\u00f6rner antrifft, und wiederum gr\u00f6fsere Pollenmassen, welche aus 6 und aus 8 einzelnen K\u00f6rnern bestehen. Die Pollenschl\u00e4uche wachsen bei diesen Pollenmassen an den freiliegenden Enden hervor und hiebei kann man sehr wohl sehen, dafs auch diese Pollenk\u00f6rner stets eine doppelte Haut zeigen, wenn auch die \u00e4ufsere vollkommen glatt ist. Bei einigen Orchideen ist jedoch die Oberfl\u00e4che der Pollenk\u00f6rner, verwachsen oder nicht verwachsen, mehr oder weniger stark gek\u00f6rnt und dann bleibt \u00fcber das Vorhandensein von doppelten H\u00e4uten kein Zweifel zur\u00fcck. Bei einigen Orchideen sind die Pollenk\u00f6rner oft ganz einzeln auftretend, also ganz wie gew\u00f6hnlich bei anderen Pflanzen.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"173\nIm Uebrigen verweise ich \u00fcber diesen Gegenstand auf die n\u00e4heren Angaben im Vorhergehenden (pag. 130).\nAnhang.\nNachdem wir im Vorhergehenden den Bau der Pollenk\u00f6rner im Allgemeinen kennen gelernt haben, bleibt uns in dieser Hinsicht noch die Beseitigung einiger Angaben \u00fcbrig, welche Herr Fritzsche in seiner Schrift \u00fcber den Pollen (pag. 43) mitgetheilt hat, und von mir nicht best\u00e4tigt werden k\u00f6nnen. Herr Fritzsche glaubt besondere K\u00f6rper entdeckt zu haben, welche bei den Pollenk\u00f6rnern\nii*\nvieler Pflanzen zwischen der inneren und der \u00e4ufseren Haut gelagert sein sollen. Am auffallendsten ist dieser Irrthum in denjenigen F\u00e4llen, wo blofse Einsenkungen der inneren Membranen der Pollenk\u00f6rner f\u00fcr besondere Zwi-\n*\nschenk\u00f6rper gehalten worden sind. Dieses ist bei vielen Pflanzen sehr leicht nachzuweisen, besonders gut an den Pollenk\u00f6rnern der Gattung Cucurbita, Campanula u. s. w. Bei den Pollenk\u00f6rnern des K\u00fcrbisses (Fig. 32. Tab. XI.) hat Herr Fritzsche den grofsen Ring b, welcher rund um den Deckel a liegt, als den durchscheinenden Rand des Zwischenk\u00f6rpers dargestellt, doch man darf nur die Entwickelung dieser Pollenk\u00f6rner beobachten um sich zu\n\u00e9 \u00fcberzeugen, dafs dieser Ring nicht anders, als der Rand der eingesackten oder blasenf\u00f6rmig eingezogenen inneren H\u00e4ute ist. Diese Ringe sind im fr\u00fcheren Zustande (Fig. 33. Tab. XI.) besonders leicht zu erkennen, oft schon lange vorher, ehe sich die Deckel durch st\u00e4rkere Verdickung ihres Randes markirt haben. Was Herr Fritzsche als hervortretenden Zwischenk\u00f6rper von Kiirbifs-Pollen dargestellt hat, das ist nichts als die innere Hant (1 Fig. 32. Tab. XI.), welche mit ihrem gek\u00f6rnten Inhalte der mittleren Haut (k eben daselbst) folgt. Bei Campanula ist es noch auffallender, indem hier diese Einsenkungen der inneren Haut (dd Fig. 2,0. Tab. XI.) noch viel umfangreicher sind als im Vorhergehenden, und gerade in der Mitte derselben die k\u00fcnftige Oeffnung liegt. Wo sollen denn hier die","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nZwischenk\u00f6rper gehlieben sein, wenn man die Ver\u00e4nderung dieser Form von Fig. 29. an der von Fig. 30. beobachtet, ohne dafs das Hervortreten derselben bemerkt wird. W\u00e4ren die Pollenk\u00f6rner des Haselnufsstrauches nicht linsenf\u00f6rmig zusammengedr\u00fcckt, so w\u00fcrde man auch bei ihnen diese Einbuchtungen der inneren Membran, wie sie in Fig. 2. Tab. XI. durch c, c, c bezeichnet sind, fiir Zwischenk\u00f6rper gehalten haben. Auch an den jungen Pollenk\u00f6rnern von Oenothera (Fig. 15\u00bb Tab. XI.) sind diese Einbuchtungen der inneren Membranen sehr deutlich zu sehen, und wenn man die H\u00e4ute der Pollenk\u00f6rner von Alcea rosea umkehrt, so findet man auf ihrer Fl\u00e4che eine grofse Menge solcher Einbuchtungen, welche sich auf der umgekehrten Pollenwand als blasenf\u00f6rmige Erh\u00f6hungen zeigen, weil sich diese Pollenk\u00f6rner durch eine Menge von Poren \u00f6ffnen und gerade unter jeder dieser Poren eine solche Blase der inneren H\u00e4ute vorfindet. In den \u00fcbrigen F\u00e4llen, wo Herr Fritzsche Zwischenk\u00f6rper angegeben hat, da sind es die im Inneren des Pollenkornes vorkommenden Zellen, wie wir sie in den Pollenk\u00f6rnern der Fritillaria, Larix, Pinus u. s. w. abgebildet haben, und im n\u00e4chsten Capitel n\u00e4her beschreiben werden.\n3) Ueber das Auftreten der \u00f6lartigen Substanzen auf der Oberfl\u00e4che der Pollenk\u00f6rner.\nSobald die Mutterzellen der Pollenk\u00f6rner verschwinden, oft schon um die Zeit, wenn die einzelnen Pollenk\u00f6rner noch in ihren Special-Mutterzellen eingeschlossen sind, zeigt sich im Inneren des Antherenfaches eine \u00f6lige, meistens gelblich gef\u00e4rbte Substanz, wrelche sp\u00e4ter in mehr oder weniger grofsen Massen auf der Oberfl\u00e4che der Pollenk\u00f6rner abgelagert wird. Pollenk\u00f6rner mit glatter Oberfl\u00e4che zeigen nur sehr wenig dieser Substanz, dagegen ist dieselbe in um so gr\u00f6fserer Menge bei solchen Pollenk\u00f6rnern zu finden, deren \u00e4ufsere Haut ein zellenartiges","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"175\nAnsehen zeigt, oder \u00fcberhaupt mit K\u00f6rnern, W\u00e4rzchen oder mit Stacheln bekleidet ist. Nimmt man Pollenk\u00f6rner aus den reifen Antheren der Kiirbifs-Pflanze, der Alcea rosea, der Cobaea scandens u. s. w. so wird man unter dem Mikroskope, wenn man die K\u00f6rner mit Wasser bedeckt hat, die Abl\u00f6sung jenes Oeles allm\u00e4lig verfolgen k\u00f6nnen; in Form kleiner, mehr oder weniger grofser Oeltr\u00f6pfchen, breitet sich diese Substanz nach allen Richtungen hin strahlenf\u00f6rmig aus, und besonders an stachelichten Pollenk\u00f6rnern k\u00f6nnte man zu der sehr unrichtigen Ansicht verleitet werden, als w\u00fcrde jene Substanz von den Spitzen der Stacheln u. s. w. ausgeschieden. Die ellipsoidischen Pollenk\u00f6rner der Liliaceen u. s. w. sind ebenfalls sehr reich mit jener \u00f6ligen und stark gelbgef\u00e4rbten Substanz bekleidet, bei ihnen sieht man aber nicht mehr diese regel-m\u00e4fsig strahlige Verbreitung derselben, wenn sie unter Wasser liegen, so dafs man dieses von der kugelf\u00f6rmigen Gestalt jener Pollenk\u00f6rner ganz mechanisch abzuleiten hat. Das Oel erhebt sich von der Oberfl\u00e4che des unter Wasser gesenkten Pollenkornes und schwimmt auf dem Wasser; das eine Oeltr\u00f6pfchen schiebt das andere, welches sich schon fr\u00fcher abgel\u00f6st hatte zur Seite; dabei wird diese Abl\u00f6sung des Oeles noch durch das 'Ansclrwellen der Pollenk\u00f6rner in Folge der Einsaugung des Wassers erleichtert. Aufser diesem gef\u00e4rbten Oele, welches sich schon unter Wasser abtrennt, ist die Oberfl\u00e4che der Pollenk\u00f6rner noch mit einer festeren Substanz bekleidet, welche wahrscheinlich mehr oder weniger reines Pflanzenwachs ist, und mit jenem Oele in der chemischen Zusammensetzung sehr \u00fcbereinstimmen m\u00f6chte. Diese wachsartige Substanz ist ebenfalls bei den Pollenk\u00f6rnern mit unebener Oberfl\u00e4che in gr\u00f6fserer Menge zu finden, als bei denen mit glatter, und durch \u00e4therische Oele, so wie durch Aether kann man dieselbe schnell entfernen, worauf die Pollenk\u00f6rner ziemlich ungef\u00e4rbt Zur\u00fcckbleiben.\nDer Zweck dieser Umkleidungen der Pollenk\u00f6rner m\u00f6chte vielleicht der sein, dafs dadurch die Wirkung der","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176\nEndosmose beschr\u00e4nkt wird, dafs n\u00e4mlich die Pollenk\u00f6rner, wenn sie auf der Narbe befindlich sind, nicht in zu gro-fser Masse und mit zu grofser Schnelligkeit die Feuchtigkeit einsaugen k\u00f6nnen, denn geschieht dieses, so pflegt die innere Haut des Pollenkornes zu platzen und die Bildung des Pollenschlauches findet alsdann nicht statt. F\u00fcr die Pollenk\u00f6rner im Inneren der, noch nicht vollkommen ausgebildeten Antheren, ist eine solche, gegen die w\u00e4sserige Feuchtigkeit sch\u00fctzende H\u00fclle ganz besonders wichtig, denn sobald man dieselben herausnimmt und in Wasser legt, kommen sie meistentheils ebenfalls zum Platzen. Die Umkleidung mit einer \u00f6ligt- wachsartigen Substanz sch\u00fctzt jedoch jene K\u00f6rner im Inneren der Anthere, und gerade um diejenige Zeit tritt diese Einh\u00fcllung auf, wenn die Pollenk\u00f6rner die hinreichende Nahrung aufgenommen haben, sich nur noch durch Ausdehnung vergr\u00f6fsern und jenes Schutzes besonders bed\u00fcrfen. Aufserdem ist es un-bezweifelbar, dafs die Pollenk\u00f6rner vieler Pflanzen vermittelst jenes Ueberzuges an der Oberfl\u00e4che der Narbe befestigt werden, obgleich bei dem gr\u00f6fsten Theile der Pflanzen gerade die Narbe mit einer klebrigen Feuchtigkeit bekleidet ist, welche das Anhaften der Pollenk\u00f6rner j bewirkt.\nSo grofse Verdienste sich J. G. Koelreuter um die Lehre von dem Geschlechte der Pflanzen erworben hat, so kam er doch zu einer sehr irrigen Ansicht \u00fcber die * Function jenes \u00f6ligten Ueberzuges der Pollenk\u00f6rner, welchen er f\u00fcr die m\u00e4nnliche Saamenmaterie erkl\u00e4rte, die in dem zelligen Gewebe der Pollenk\u00f6rner gebildet sei, und durch Oeffnungen und Aussonderungsg\u00e4nge langsam ausgeschieden werde. Ja Koelreuter war der Meinung, dafs diese, von der Oberfl\u00e4che sich absondernde \u00f6ligte Substanz aus dem k\u00f6rnigen Inhalte der Pollenk\u00f6rner gebildet werde, indem dieselbe, wie sie nach und nach den geh\u00f6rigen Grad erreicht, endlich in eine gleichf\u00f6rmige, fl\u00fcssige und durchsichtige Materie \u00fcbergeht und aus dem zelligen Gewebe heraustritt. Das Aufspringen der Pollenk\u00f6rner und das","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"177\nHervortreten des Inhaltes derselben hielt Koelrenter f\u00fcr einen gewaltsamen Vorgang, der durch das starke Einsaugen des Wassers bedingt werde.\nHerr Robert Brown*) stellte sp\u00e4ter (1811) die Ansicht auf, dafs die warzigen Hervorragungen an dem Rande der Pollenk\u00f6rner der Proteaceen zur Absonderung dienen m\u00f6chten, und dafs durch diese die Befruchtung bei den Pflanzen der genannten Familie sehr gesichert werde.\nSeit jener Zeit ging erst Herr Brongniart, in seiner ber\u00fchmten Schrift \u00fcber die Zeugung des Pflanzen-Embryo, auf die Untersuchung \u00fcber das Auftreten jener gef\u00e4rbten, \u00f6ligen und zum Theil klebrigen Substanz ein, welche die Pollenk\u00f6rner vieler Pflanzen in so grofsen Massen bekleidet; er meinte, dafs diese Substanz wohl nicht auf der Oberfl\u00e4che, sondern in den Zellen der \u00e4ufseren Membran I der Pollenk\u00f6rner enthalten sei, und bei den mit Papillen bekleideten seien es eben die W\u00e4rzchen, welche diese Substanz absorbiren, sie in die Zellen f\u00fchren und w\u00e4hrend der Befruchtung eine geringe Quantit\u00e4t davon ausfliefsen lassen, wodurch dem Pollen die Klebrigkeit er-theilt werde. Herr Mohl sprach sich in ganz \u00e4hnlicher Art, nur noch bestimmter \u00fcber das Auftreten jener Substanz aus, indem er**) sagte, dafs aus seinen gegebenen i Beschreibungen der Zellen, Stacheln und K\u00f6rner der \u00e4ufseren Haut erhelle, dafs diese als das Aussonderungs- und Aufbewahrungs-Organ des z\u00e4hen Oeles zu betrachten seien u. s. w.\nIm vorhergehenden Abschnitte haben wir jedoch kennen gelernt, dafs jene Ansichten \u00fcber die Zellen, woraus die \u00e4ufsere Membran der Pollenk\u00f6rner zusammengesetzt sein soll, unrichtig sind, und dafs ferner Herrn MohFs * Meinung, als w\u00e4ren die Stacheln und K\u00f6rner, welche auf den Pollenk\u00f6rnern Vorkommen, als Zellen zu betrachten (denen man also eine Absonderung Zutrauen kann), ebenfalls\n*) Vermischte Schriften. II. pag. 78. \u00a5\u00a5) 1. e. pag. 24.\nMe yen. Pfl. Phys, III.\n12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nbeseitigt ist. Durch diese Fortschritte in unserer Kennt-nifs \u00fcber die Structur der \u00e4ufseren Pollenhaut sind nun auch alle Hypothesen beseitigt, nach welchen die \u00f6lartige Substanz durch die Zellen der \u00e4ufseren Pollenhaut bald resorbirt, bald ausgesondert werden sollte, und es bleibt nichts weiter anzunehmen \u00fcbrig, als dafs die Bildung derselben aus der Substanz der fr\u00fcheren Mutterzellen u. s. w. vor sich geht, und dafs sie alsdann auf der Oberfl\u00e4che der Pollenk\u00f6rner abgelagert wird.\nLeider m\u00fcssen wir bedauern, dafs gegenw\u00e4rtig noch alle chemische Untersuchungen dieser abgesonderten Stoffe auf den Pollenk\u00f6rnern fehlen, und dennoch m\u00f6chten dieselben, wenigstens bei einigen Pflanzen, nicht so schwer anzustellen sein.\nDrittes Capitel.\nUeber den Inhalt der Pollenk\u00f6rner.\nWir haben gleich im Anf\u00e4nge dieses Buches kennen gelernt, dafs der Pollen als derjenige Theil der Pflanze anzusehen ist, welcher die befruchtende Substanz enth\u00e4lt; eine genaue Untersuchung dieser Substanz mufs demnach der Befruchtungstheorie, welche wir sp\u00e4ter geben werden, vorangehen.\nAn Vielen Pollenk\u00f6rnern mit zarten und fast durchsichtigen Membranen kann man den Inhalt derselben, ohne sie zu zerst\u00f6ren, beobachten, aber noch leichter wird die Beobachtung desselben nach dessen Hervortreten. Einegrofse Anzahl von Pollenk\u00f6rnern aus den verschiedensten Familien und Gattungen zeigen n\u00e4mlich die Eigenschaft, dafs sie, unter Wasser liegend, nach kurzer Zeit mehr oder weniger anschwellen, aufplatzen, oder sich vielmehr an den, durch die Falten und Poren bezeichneten Stellen \u00f6ffnen","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"179\nund den Inhalt hinaustreiben, worauf die innere Pollenhaut an Umfang verliert, ja oft ganz zusammenf\u00e4llt.\nEs scheint, dafs Bernhard de Jussieu das Platzen der Pollenk\u00f6rner im Wasser zuerst beobachtet hat, doch durch Needham **) ward diese Erscheinung zuerst etwas gr\u00fcndlicher studirt; derselbe hat schon beobachtet, dafs die kleinen K\u00f6rnchen im Inneren des Pollenkornes eine Bewegung zeigen, doch ist es mir sehr wahrscheinlich, dafs derselbe nur diejenigen Bewegungen beobachtet hat, welche in Folge der hygroskopischen Erscheinungen auf-treten. Die Beobachtungen von Gleichen ***) sind \u00fcber diesen Gegenstand schon von gr\u00f6fserem Werthe; derselbe hat, offenbar nur zur Best\u00e4tigung seiner Hypothese, dafs die K\u00f6rperchen im Inneren des Blumenstaubes als die wirklichen Keime zu betrachten sind, so wie Leeuwenhoeck die Saamenthierchen der Thiere als die Keime der k\u00fcnftigen Thiere ansah, auf jene Beobachtungen sehr grofse Sorgfalt verwendet. Gleichen best\u00e4tigte nicht nur Needham\u2019s Beobachtung von einer Bewegung der K\u00f6rperchen im Inneren der Pollenk\u00f6rner, sondern er sah diese Bewegung besonders deutlich an den K\u00fcgelchen der herausgetretenen Masse, welche er als Gebilde betrachtete, die den Saamenthierchen der Thiere analog w\u00e4ren, und daher mit dem Namen der Saamenkeimchen belegte. \u201eDiesen Saamen-keimchen, sagt Gleichen, mehr Lebenskr\u00e4fte beizulegen, als den Pflanzen eigen sind, ist nicht meine Meinung: indessen bewegen sie sich doch merklich genug von ihren Stellen, wenn sie die Schaale des Bl\u00fcthenstaubes nicht mehr umgiebt und sie in Freiheit sind. Dieses geschieht, sobald sie in fremde Fl\u00fcssigkeiten kommen. Ich habe diese Bewegungen viel zu oft und gewifs, ja \u00f6fters in den K\u00f6rnern selbst gesehen, als dafs ich nicht von solcher g\u00e4nzlich versichert sein sollte. Man wird K\u00fcgelchen sehen,\nHist, de I\u2019Academie des scienc. de Paris. 1739. pag. 247.\n\u00a5\u00a5) New microscopical Observations. London 1745.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Das Neueste aus dem Reiche der Pflanzen. 1764. pag. 33, 47.\n12 *","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nwelche in einer Linie stehen, und bald ein Quadrat, bald einen spitzen Winkel oder eine andere Figur machen, wenn sie sich von einer Stelle nach der anderen, einige bald, andere langsamer und sp\u00e4t bewegen.\u201c Auch hat Gleichen schon beobachtet, dafs der ausgeprefste Saft der Narben das Aufspringen der Pollenk\u00f6rner beschleunige.\nBei diesen Beobachtungen blieb es eigentlich bis zum Jahre 1822; man kannte das Aufspringen der Pollenk\u00f6rner durch den Einflufs der Feuchtigkeit, man nannte den Inhalt derselben, welcher dadurch hervorgetrieben wird, Fovilla (Saamendunst) und glaubte, dafs die Befruchtung der Saamen durch diese ausgef\u00fchrt werde.\nErst im Jahre 1822 machte Herr Giovanni Battista Amici zu Modena *) die wichtige Entdeckung, durch welche wir gegenw\u00e4rtig endlich zur Erkenntnifs des plastischen Prozesses gekommen sind, dessen sich die Natur bei der Befruchtung der Pflanzen bedient. Hr. Amici sah n\u00e4mlich, dafs ein Pollenkorn, welches auf der Narbe von Portu-laca oleracea lag, aufsprang und ein zartes durchsichtiges R\u00f6hrchen ausschickte, welches sich einem H\u00e4rchen der Narbe anlegte. In jene neu entstandene R\u00f6hre des Pollenkornes stieg der Inhalt desselben hinab, und ein Theil desselben, welcher bis zum Ende der R\u00f6hre verlief, daselbst umdrehte und, ganz wie bei der Rotationsstr\u00f6mung in den Zellen, in entgegengesetzter Richtung hinaufstieg, kehrte wieder zum Pollenkorn zur\u00fcck. Aufserdem bemerkte Herr Amici, dafs im Inneren des Pollenkornes eine verworrene Bewegung von einer unz\u00e4hligen Menge kleiner K\u00fcgelchen stattfinde, eine Beobachtung, welche die Entdeckung von Needham und Gleichen best\u00e4tigte. Auch durch Herrn Guillemin **) wurden jene Beobachtungen \u00fcber die\n*) Osservazioni microsc. sopra varie plante. Mena, inserita nel tonao XIX. degli Atti della Societ\u00e0 italiana delle scienze residente in Modena. Modena 1823. pag. 23. Uebers. in den Ann. des sc. d\u2019liist. nat. Mai 1824. pag. 65. Froriep\u2019s Notizen von 1823. u. s.w.\nRecherches microscopiques sur le pollen. M\u00e9m. de la soci\u00e9t\u00e9 d\u2019hist, natur. de Paris. Tom. II. pag. 101.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"181\neigent\u00fcmliche Bewegung der kleinen Partikelchen der Fovilla best\u00e4tigt, w\u00e4hrend mehrere andere Naturforscher, offenbar weniger geschickt in der Beobachtung mit dem Mikroskope, diese Bewegung durch Scheingr\u00fcnde aller Art bestritten.\nIch selbst, noch unbekannt mit den Beobachtungen meiner Vorg\u00e4nger, entdeckte schon 1823 die freie selbstst\u00e4ndige Bewegung der Partikelchen in der ausgetretenen Fovilla, doch erst im October 1826 machte ich diese Beobachtung durch den Druck bekannt *).\nSo weit war es mit den Untersuchungen dieses Gegenstandes gekommen, als Herr Brongniart seine wichtige Arbeit \u00fcber die Generation am 26ten December 1826 der Akademie der Wissenschaften zu Paris mittheilte. Herr Brongniart konnte jene Bewegungen im Inneren der Pollenk\u00f6rner und ihren Verl\u00e4ngerungen damals noch nicht beobachten, aber an den K\u00f6rnchen, welche sich nach dem Zerspringen des Pollens im Wasser verbreiteten, sah derselbe in einigen F\u00e4llen bei dem K\u00fcrbisse und den Malva-ceen eine geringe Bewegung, welche er als eine geringe und langsame Aenderung in den relativen Lagen bezeichnet, die auch bald aufh\u00f6rt, um nach einiger Zeit von Neuem zu beginnen **); demnach standen diese Angaben den schon fr\u00fcher gemachten Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand nach. Erst im darauf folgenden Sommer (1827) machte\nY) Siehe De primis vitae phaenomenis in fluiclis forraativis et de circulatione sanguinis in parenchymate. Diss. inaug. Berolini 1826. pag. 17. \u2014 Ich theile hier aus jener Schrift die ganze Stelle mit, welche sich auf diesen Gegenstand , eine meiner ersten Beobachtungen, auf welche ich einigen Werth lege, bezieht: \u201eTVIateria seminalis plantarum pollini inest, mucilaginosa oleosa grumosa est, quae mem-brana pollinis rupta maxima vi procedit, et in aqua circuravagans clara luce et magna augmentatione adveniente, innumerabilem copiam particularum parvarum ostendit, quibus motus proprius msitus est, a qua causa easdem animalcula seminalia plantarum esse, ex analogia cum animalibus puto.\u201d\n*\u00a5) S.M\u00e9m. sur la G\u00e9n\u00e9ration et le D\u00e9veloppement de l\u2019Embryon dans les v\u00e9g\u00e9taux phanerogams par Ad. Brongniart. Paris 1827. p. 33.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nHerr Brongniart sehr interessante Beobachtungen \u00fcber die sogenannten Saamenthierehen der Pflanzen, welche er im November der Akademie vorlegte, die aber schon in seinem Memoire als Anhang und als Anmerkungen mitge-theilt sind *).\nHerr Brongniart sah nicht nur die ausgezeichneten selbstst\u00e4ndigen Bewegungen jener Partikelchen des Pollen-Inhaltes, welche wir Saamenthierehen nennen, sondern er bemerkte auch, dafs die Form und die Gr\u00f6fse dieser, bei verschiedenen Pflanzen sehr verschieden ist. So wurden die Saamenthierehen von Pepo macrocarpus, P. citrullus, Ipomoea hederacea, Nyctago Jalapa, Datura Metel und Cedrus Libani von sph\u00e4rischer Form beobachtet; die von Hibiscus-, Sida-, Oenothera-Arten, von Najas major, Cucumis acutangulus, [Cobaea scandens von ellipsoidischer oder von cylindrischer Form, und die von Rosa bracteata von ellipsoidiseh linsenf\u00f6rmiger Gestalt beobachtet. DieSaa-menthierchen von Hibiscus und der Oenothera kr\u00fcmmten sich zu einem Kreise, ja einige derselben gestalteten sich selbst S-f\u00f6rmig. Im Allgemeinen w\u00e4ren nach diesen Untersuchungen die Saamenthierehen einer und derselben Pflanze von gleicher Form, so wie auch in den Arten einer und derselben Gattung, aber sehr verschieden geformt in verschiedenen Gattungen, selbst einer und derselben Familie.\nIm M\u00e4rz 1828 machte Hr. Raspail **) der Akademie der Wissenschaften zu Paris eine Mittheilung, worin die Ursache jener Bewegung der Partikelchen der Fovilla als eine rein mechanische dargestellt ward, indem Hr. Raspail dieselben nur automatenartig bemerkt hatte. Auch sollen die Saamenthierehen bei einer und derselben Pflanze nicht von gleicher Gr\u00f6fse sein, eben so wenig als von gleicher Form, und endlich w\u00e4ren dieselben nichts weiter, als\n*) 1. c. pag. 40, 41 etc.\n**) Experiences destin, \u00e0 d\u00e9montrer que les granules lanc\u00e9s dans l\u2019explosion du pollen, bien loin d\u2019\u00eatre les analogues des animalcules spermatiques comme l\u2019avait avanc\u00e9 Gleichen, ne sont pas m\u00eame des corps organis\u00e9s. \u2014 M\u00e9m. de la soc. d\u2019hist. nat. de Paris. 1Y. pag. 347.","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"183\nTr\u00f6pfchen harziger Substanzen, welche durch das Auswerfen getheilt und durch ihre geringe Anziehung zum Wasser, in welchem sie schwimmen, von einander entfernt gehalten werden!!\nDiese Einw\u00fcrfe hat Hr. Brongniart* *) trefflich beseitigt, und die dabei ausgesprochenen Beobachtungen h\u00e4tten auch noch andere Botaniker zu einem minder schnellen Urtheile \u00fcber diesen Gegenstand veranlassen sollen. Etwas fr\u00fcher wurde die ber\u00fchmte Schrift von Hrn. Rob. Brown**) bekannt, worin die eigenthiimliche Bewegung aller organischen und anorganischen Molek\u00fcle nachgewiesen wurde. Herr Brown beobachtete in der Fovilla der Clarkia pul-chella K\u00f6rperchen von verschiedener Gestalt; die gr\u00f6fse-ren waren walzenf\u00f6rmig, etwas ins Oblonge neigend, vielleicht etwas flach gedr\u00fcckt; im Wasser zeigten sie eine deutliche Bewegung und selbst eine Ver\u00e4nderung ihrer Form, indem sie sich auf der einen Seite zusammenkr\u00fcmmten und in einigen F\u00e4llen auch Drehung um ihre Achse zeigten. Aufserdem fand jedoch Herr R. Brown, dafs neben jenen gr\u00f6fseren K\u00f6rperchen, welche wir Saamenthierchen genannt haben, eine grofse Anzahl kleinerer und scheinbar runder Molek\u00fcle vorkomme, die sich in einer raschen oscilliren-den Bewegung befinden; in Pollenk\u00f6rnern, welche noch nicht vollkommen ausgebildet waren, fand sich die Anzahl der kleinen Molek\u00fcle noch nicht so grofs. Es wurden auch die Pollenk\u00f6rner mehrerer anderer Pflanzen untersucht und bei allen fand Herr Brown jene Partikelchen (Saamenthierchen), welche bei den verschiedenen Familien oder Gattungen verschieden in der Form, vom Oblongum bis zum Kuglichen, aber \u00fcberall eine der bereits beschrie-\n\u00a5) Nouvelles observ\u00e2t, sur les granules spermatiques des v\u00e9g\u00e9taux. Ann. des scienc. nat. Dec. 1828. Tom. XV. pag. 381.\n*\u00a5) Kurzer Bericht von mikroskopischen Beobachtungen \u00fcber die in dem Pollen der Pflanzen enthaltenen K\u00f6rperchen und \u00fcber das allgemeine Vorkommen selbstbeweglicher Elementartheilchen. London 1827. Uebers. in R. Brown\u2019s Vermischten Schriften. Heraus-\ngegeben von Nees v. Esenbeck. IV. pag. 141.","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nbenen \u00e4hnliche Bewegung zeigten, nur dafs die Ver\u00e4nderung der Gestalt bei den ovalen und l\u00e4nglichen Theilchen \u00fcberhaupt weniger in die Augen fiel, als bei den Onagra-rien, bei den kugelf\u00f6rmigen aber gar nicht zu bemerken war. Bei Lolium perenne zeigte ein solches Partikelchen eine Zusammenziehung mitten auf beiden Seiten, wodurch es in zwei, fast kugelrunde H\u00e4lften getheilt wurde.\nGleichzeitig mit jener Schrift erschien eine kleine Arbeit^), worin ich ebenfalls mehrere Beobachtungen \u00fcber die Saamenthierchen der Pflanzen mitgetheilt habe. Ich nannte diese Molek\u00fcle Phytospermata, im Gegens\u00e4tze zu Zoospermata; sie w\u00fcrden weder in Weingeist noch in kaltem oder kochendem Wasser aufgel\u00f6st; sie w\u00fcrden durch Jodine braun, aber nicht blau gef\u00e4rbt, wie es Herr Raspail und sp\u00e4ter noch mehrere andere Beobachter angegeben haben. Ich glaubte damals zu beobachten, dafs die Saamenthierchen als kleine Bl\u00e4schen, also hohl auftreten, doch hiezu ward ich durch den starken Schattenring verleitet, welchen mein fr\u00fcheres Mikroskop zeigte; mit den neueren Instrumenten kann ich in den Saamenthierchen der Pflanzen keine Spur einer H\u00f6hlung bemerken.\nHerr R. Brown will die Bewegung der Saamenthierchen, so wie der \u00fcbrigen kleinen Molek\u00fcle der Fovilla, noch in den Pollenk\u00f6rnern von Pflanzen beobachtet haben, welche 20 Jahre in Weingeist gelegen hatten; er selbst sagt aber, dafs ihm die Bewegung weniger lebhaft vorgekommen sei. Auch an getrockneten Pflanzen, die nicht weniger als hundert Jahre im Herbario gelegen hatten, sei die Bewegung jener Molek\u00fcle nach vorhergegangener Befeuchtung vorhanden, nur etwas weniger lebhaft. Nach meinen wiederholten Beobachtungen werden jedoch die Saamenthierchen durch Weingeist sogleich get\u00f6dtet, so dafs ihre Bewegung aufh\u00f6rt; auch bemerkte ich*) **), dafs die\n*) S. Meyen s Anatomisch-physiologische Untersuchungen \u00fcber den Inhalt der Pflanzenzellen. Berlin 1828. pag. 36 \u2014 44.\n**) S. R. Brow\u2019s Vermischte Schriften. Herausgegeben von Nees v. Esenbeck. IV, pag. 441.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"185\nSaamenthierclien, wenn die Fovilla f\u00fcr sich allein getrocknet wurde, schon nach 24 Stunden nicht mehr wiederbelebungsf\u00e4hig w~aren, dagegen war ihre Bewegung noch sehr lebhaft an solchen Pollen, der 24 Stunden lang von der Pflanze getrennt war. Der Pollen von Solandra gran-diflora, der 3 Jahre lang im Herbario aufbewahrt worden war, der Pollen von Althaea rosea, Sida chinensis, mehrerer Salix-Arten u. s. w., welcher 7 bis 10 Jahre lang getrocknet aufbewahrt wurde, zeigte fast in allen F\u00e4llen gleiche Erscheinungen. Hin und wieder platzten einige Pollenk\u00f6rner nach der Befeuchtung mit Wasser, ihr Inhalt trat langsam hervor, je nachdem das Wasser schnell oder langsam eingesaugt wurde; die Saamenthierclien, welche im getrockneten Pollen zusammengeballt waren, traten hiedurch auseinander, doch geschah dieses so langsam und mit so I regelm\u00e4fsiger, rein mechanischer Bewegung in Folge des Einsaugens von Wasser, dafs man an eine freie Bewegung dieser Theile nicht mehr denken durfte.\nDie sp\u00e4teren Arbeiten, weiche \u00fcber den Pollen der Pflanzen herausgegeben wurden, haben unsere Kenntnisse \u00fcber den Inhalt der Pollenk\u00f6rner wenig erweitert; bald wurde die selbstst\u00e4ndige Bewegung der Partikelchen der Fovilla bestritten, wie es Herr Fritzsche versuchte, bald f sollten die Saamenthierclien blofse Amylum-K\u00fcgelchen sein, daher zur blofsen Ern\u00e4hrung dienen, ohne Bewegung und ohne alle andere Bedeutung sein, ja selbst aus Oel-tr\u00f6pfchen sollten sie bestehen und in Form und Gr\u00f6fse \u25a0- bei einer und derselben Pflanze nicht \u00fcbereinstimmen.\nWenn wir den Inhalt der Pollenk\u00f6rner mit unseren, gegenw\u00e4rtig so vervollkommneten Instrumenten untersuchen, so werden wir noch manche auffallende Erschei-! nungen wahrnehmen, wor\u00fcber die Schriftsteller \u00fcber den Pollen der Pflanzen noch wenig oder gar nichts berichtet haben. Aus der Entwickelungs-Geschichte der Pollenk\u00f6rner haben wir kennen gelernt, dafs in jedem Pollenbl\u00e4schen bei der ersten Bildung ein Ballen von einer con-sistenten, etwas gek\u00f6rnten, gummiartigen Masse auftritt;","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nauch haben wir F\u00e4lle kennen gelernt, wo in einem sehr fr\u00fchen Zustande neue Pollenzellen im Inneren der \u00e4lteren entstehen. Diese Bildung finden wir dann auch noch im reifen Zustande bei einer grofsen Menge von Pflanzen. Gleichen beobachtete schon in den Pollenk\u00f6rnern von Juniperus communis einen kugelrunden Kern, welchen ich ebenfalls abgebildet habe (S. Fig. 6, e Tab. XL), und sp\u00e4ter sah auch Herr Fritzsche bei einigen wenigen Pflanzen \u00e4hnliche Kerne in den Pollenk\u00f6rnern. Aufser den mehr oder weniger grofsen Zellen, welche ich im Inneren der Pollenk\u00f6rner einiger Coniferen schon seit langen Jahren beobachtet hatte, bemerkte ich, dafs in den grofsen Pollenk\u00f6rnern einiger Liliaceen ebenfalls dergleichen Zellen, und zwar noch gr\u00f6fsere und oft noch auffallender gebildete auftreten. Fig. 3. Tab. XL zeigt z. B. ein Pollenkorn aus der Anthere der Kaiserkrone, etwa 14 Tage vor dem Aufbl\u00fchen derselben entnommen; die Membranen sind ganz glatt und durchsichtig, so dafs der Inhalt, bestehend in einer grofsen Menge kleiner K\u00f6rnchen, wrie bei b, einer allgemein einhiillenden, etwas tr\u00fcben Schleimmasse und drei grofsen, kugelrunden, mit einem festen Kerne versehenen Zellen c, c, c durchscheint. Nicht immer liegen alle drei Zellen so regelm\u00e4fsig neben einander, sondern meistens sieht man nur eine oder auch zwei derselben zu gleicher Zeit und man mufs das Pollenkorn zuerst mehrfach rollen, drehen und wenden, bis man alle drei Zellen zu Gesicht bekommt. Wenn die Pollenk\u00f6rner der Kaiserkrone \u00e4lter werden, so vergr\u00f6fsert sich der Kern jener drei Zellen, so dafs derselbe endlich bei der aufgesprungenen Anthere eine Gr\u00f6fse wie in h Fig.4. Tab.XI. zeigt; besonders auffallend ist es aber, dafs an den ausgebildeten Pollenk\u00f6rnern fast immer eine jener Zellen in die L\u00e4nge ausgedehnt ist und an der Wand des Pollenkornes eine Zeichnung wie in d d Fig. 4. zeigt. Wenn man diese reifen Pollenk\u00f6rner vorsichtig zerdr\u00fcckt, so treten jene Zellen und auch die, in die L\u00e4nge gezogene ganz unverletzt hervor (e e Fig. 4.), und dann erkennt man den Kern der-","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"187\nselben um so deutlicher. Das Auftreten von drei solcher Zellen findet bei den Pollenk\u00f6rnern von ellipsoidischer Form vieler Monocotyledonen statt, bei den mehr kugelf\u00f6rmigen scheint dagegen das Auftreten einer einzelnen Zelle allgemeine Regel zu sein; sie kommen indessen nicht nur bei Monocotyledonen, sondern auch bei Dicotyledonen vor, doch sind sie bei Letzteren nur sehr selten so grofs und so leicht zu beobachten, als bei Ersteren. Eine einzelne und sehr grofse, mit einem grofsen Kerne versehene Zelle tritt in den Pollenk\u00f6rnern der Tulpen auf, und ver-h\u00e4ltnifsm\u00e4fsig noch gr\u00f6fser ist diese Zelle in den Pollen-r k\u00f6rnern von Trillium erectum, wovon in (Fig. 25. Tab. XI.) eine Abbildung gegeben ist. a a die Wand des Pollenkornes bestand aus einer \u00e4ufseren und einer inneren Membran, bb die W^and der Zelle in der H\u00f6hle des Pollen-| kornes, und c der Kern in dieser Zelle des Pollenkornes.\nIn den Pollenk\u00f6rnern von Pinus picea hat auch Herr Fritzsche einen Kern beobachtet und denselben in Fig. 11. Tab. III. seiner Schrift \u00fcber den Pollen mit der umschlie-fsenden Zellen-Membran abgebildet. Bei Pinus sylvestris tritt dieselbe ebenfalls sehr bestimmt auf, und zwar stets an einer bestimmten Stelle angeheftet; in Fig. 20. Tab.XI. ist das Pollenkorn gleichsam auf dem convexen R\u00fccken \u00a7 liegend, und in der Mitte erscheint die Zelle g mit ihrem Kerne h. In Fig. 21. liegt dagegen die Pollenzelle auf der Seite und ist durch langes Liegen in Terpenthin-Oel vollkommen durchsichtig geworden, man sieht die \u00e4ufsere : Haut ab und die mittlere cd; e ist ein Zwischenraum zwischen diesen beiden Membranen, und in der kleinen Vertiefung der mittleren Membran, unmittelbar unterhalb jenes Zwischenraumes, ist die Zelle g durch die kleinere : Zelle f befestigt, und von der Oberfl\u00e4che der Zelle g, verlaufen in dem frischen Pollenkorne nicht selten mehr oder weniger regelm\u00e4fsige Schleim-Streifen nach der W'and des Pollenkornes, besonders h\u00e4ufig bemerkte ich einen breiten, etwas fein gek\u00f6rnten Streifen, welcher in vertikaler ~ Richtung der concaven Seite bd zu verlief. Fast ebenso,","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nnur etwas complicirter, verh\u00e4lt sich das Auftreten der Zellen im Inneren der Pollenk\u00f6rner von Larix europaea, wozu die Abbildungen in Fig. 7 \u201410. und Fig. 16. Tab. XI. geh\u00f6ren. Diese Bildungen in den Pollenk\u00f6rnern von Larix haben Herrn Fritzsche zu verschiedenen Annahmen verleitet, welche durch die Beobachtung einer grofsen Zahl solcher Pollenk\u00f6rner widerlegt werden. Gew\u00f6hnlich sind die Pollenk\u00f6rner dieser Pflanze kugelrund, sie zeigen eine zarte \u00e4ufsere Haut, eine dickere mittlere, gallertartig durchscheinende und eine innere Haut; zwischen der \u00e4ufseren und der mittleren Haut findet man an einer bestimmten Stelle eine schmale Spalte (ef in Fig. 16. Tab. XI. nach 1080 maliger Vergr\u00f6fserung), welche bei schw\u00e4cherer Ver-gr\u00f6fserung nur als ein dunkeier Streifen erscheint, wie in Fig. 9. bei ab. Unmittelbar unter jener Spalte ist an der mittleren Membran eine kleine Zelle (gh Fig. 16. und cd Fig. 9.) befestigt, welche mit einer gek\u00f6rnten Substanz gef\u00fcllt ist, und als Befestigungsstiel einer gr\u00f6fseren Zelle dient, welche im Inneren des Pollenkornes enthalten ist, wie es in ef Fig. 9. dargestellt ist. In Fig. 16. sind in ii nur die Anf\u00e4nge der W\u00e4nde jener grofsen Zelle dargestellt. Lange Zeit hindurch war ich \u00fcber den Bau und die Bedeutung desselben bei diesen Pollenk\u00f6rnern in Un-gewifsheit, aber von Zwischenk\u00f6rpern und einer vierten Membran, welche Herr Fritzsche an denselben beobachtet haben wollte, konnte ich nichts bemerken. Endlich war ich so gl\u00fccklich hermaphroditische Fruchtz\u00e4pfchen des Lerchenbaumes zu finden, bei denen die untersten Bracteen als unvollkommen ausgebildete Antheren auftraten und mit wenigen, aber \u00e4ufserst grofsen und meistens ellipsoidisch geformten Pollenk\u00f6rnern gef\u00fcllt waren. Diese Pollenk\u00f6rner waren mitunter doppelt und dreifach so grofs, als im gew\u00f6hnlichen Zustande und dabei ziemlich vollst\u00e4ndig durchsichtig, einige waren dazwischen kugelrund und noch kleiner, als in den normalen Antheren. In den Figuren 7 \u201410. habe ich die haupts\u00e4chlichsten Verschiedenheiten dieser abnormen Pollenk\u00f6rner dargestellt; zwar kommen","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"189\nauch ihnen drei H\u00e4ute zu, dieselben sind aber sehr d\u00fcnn und daher um so durchsichtiger, so dafs ich die Abbildungen ohne Anwendung von Schwefels\u00e4ure oder Terpenthin-Oel habe anfertigen k\u00f6nnen. Bei der Beobachtung dieser grofsen ellipsoidischen Pollenk\u00f6rner, wie sie in Fig. 7, 8 und 10. dargestellt sind, blieb \u00fcber die Structur derselben kein Zweifel; die beiden Zellen im Inneren eines jeden Pollenkornes sind stets in der einen Spitze desselben befestigt, und zwar ganz innig mit der mittleren Membran verwachsen, wobei dieselbe, wie bei d, d Fig. 7 und 10. etwas angeschwollen ist und auch zuweilen von der \u00e4ufseren Membran etwas zur\u00fcckgezogen, doch gelingt es bei diesen grofsen K\u00f6rnern, ihrer Lage wegen nur sehr selten, eine Spur dieser Zur\u00fcckziehung in Form einer Spalte zu sehen. Die Zellen im Inneren der Pollenk\u00f6rner des Lerchenbaumes\na\u00bb\nl| sind mit einer der Fovilla \u00e4hnlichen Substanz gef\u00fcllt; zuweilen ist sie mit gr\u00f6fseren K\u00f6rnern untermischt, welche Amylum-haltig sind. In der kleinen Zelle, welche der gr\u00f6fseren zum Anheftungsstiele dient, pflegt dieser Inhalt sich zusammen zu ballen, so dafs man ihn, nach dem Zerspringen der Pollenh\u00e4ute, als einen besonderen K\u00f6rper, den Herr Fritzsche fiir einen Zwischenk\u00f6rper angesehen hat, wahrnehmen kann.\ni Aus diesen Angaben geht also hervor, dafs im Inneren der Pollenk\u00f6rner noch einzelne, mehr oder weniger grofse Zellen auftreten, die bald frei umherliegen, bald befestigt sind, wie es die Coniferen gr\u00f6fstentheils zeigen. Einige\n; Pflanzen zeigen in jedem Pollenkorne nur eine einzige Zelle der Art, andere enthalten zwei aneinandergereihte, wie bei Larix, die meisten enthalten jedoch drei solcher Zellen. Das Auftreten dieser Zellen im Inneren des gro-\n* fsen Pollenkornes kann offenbar mit der Art der Bildung in Zusammenhang gebracht werden, welche im Inneren der Anthere stattfindet, wo n\u00e4mlich best\u00e4ndig Zellen in Zellen auftreten, wobei die gr\u00f6fseren ihre W\u00e4nde verlieren, welche n\u00e4mlich resorbirt werden, und die darin befindlichen als freiliegend hervortreten. Diejenigen Zellen,","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"490\nwelche in den ausgebildeten Pollenk\u00f6rnern auftreten, sind demnach wohl als stehengebliebene Bildungen zu betrachten, welche nicht mehr zur Vollendung kamen.\nDie Fovilla von normal ausgebildeten Pollenk\u00f6rnern zeigt folgende, dem Mikroskope wahrnehmbare Zusammensetzung: In einer mehr oder weniger consistenten und durchsichtigen Schleimmasse befinden sich Partikelchen festerer Stoffe von verschiedener Gr\u00f6fse und von verschiedener Form, so wie auch in vielen F\u00e4llen kleine, oder mehr oder weniger grofse Oeltr\u00f6pfchen, welche nicht selten, wie z. B. bei i, i Fig. 23. Tab. XI. durch die W\u00e4nde des Pollenkornes hindurchscheinen. In einigen F\u00e4llen l\u00e4fst es sich mit ziemlicher Gewifsheit nachweisen, dafs jene Oeltr\u00f6pfchen einem fetten Oele angeh\u00f6ren. Gr\u00f6fsere Aufmerksamkeit verdient jedoch die Betrachtung der festeren Partikelchen, welche in dem Schleime der Fovilla eingeh\u00fcllt sind, da wir, aus der Analogie mit dem m\u00e4nnlichen Saa-men der Thiere zu der Annahme verleitet werden, dafs gerade diese festeren Partikelchen, als die eigentlich befruchtende Substanz anzusehen sind. Aus der Bildungsgeschichte der Pollenk\u00f6rner, wie es auch in Fig. 1. Tab. XII. dargestellt ist, wissen wir, dafs die Pollenk\u00f6rner bei ihrem ersten Auftreten mit einem Zellenkerne und einer tr\u00fcben und feingek\u00f6rnten Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt sind. Im ausgebildeten Zustande zeigt dieser Inhalt weniger feinere Molek\u00fcle, dagegen eine mehr oder weniger grofse Anzahl von gr\u00f6-seren, ziemlich regelm\u00e4fsig geformten Partikelchen, deren Bildung wahrscheinlich aus dem Zellenkerne hervorgegangen ist, denn dieser fehlt im ausgebildeten Pollenkorne stets, und die Analogie mit der Bildung der Zellensaft-K\u00fcgelchen aus dem Zellenkerne leitet auf diese Deutung. Diese gr\u00f6-fseren Partikelchen, welche bei einer und derselben Pflanzen-Art ziemlich von gleicher Gr\u00f6fse und gleicher Form sind, scheinen aus einem condensirten Schleime, d. i. Gummi, zu bestehen, sie werden durch Jodine ^elbbr\u00e4unlich, bei einigen Pflanzen nicht selten etwas in\u2019s Bl\u00e4uliche fallend gef\u00e4rbt, und l\u00f6sen sich in heifsem Wasser auf. Sie sind","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"191\nes, welche haupts\u00e4chlich von unseren Vorg\u00e4ngern mit den Saamenthierchen der Thiere verglichen wurden, \u00fcber deren Form und Bewegung sogleich mehr gesprochen werden soll.\nZuweilen geschieht die Ausbildung des Pollen-Inhaltes abnorm und es sind besonders einige Pflanzen, welche eine \u00fcberaus grofse Masse von Pollen entwickeln, wie z. B. die Coniferen, die diese abnorme Bildung der Fo-villa h\u00e4ufiger, als andere Pflanzen zeigen. Anstatt der Bildung der Saamenthierchen, findet in diesen abnormen und sterilen Pollenk\u00f6rnern die Bildung von Amylum-Kiigelchen statt, womit zuweilen das ganze Korn gef\u00fcllt ? ist. In einzelnen Antheren der Abietineen findet man zuweilen fast alle Pollenk\u00f6rner mit Amylum gef\u00fcllt, w\u00e4hrend die normal ausgebildeten hiervon keine Spur zeigen. Bei allen anderen Landpflanzen, deren Pollen ich unter-j sucht habe, geh\u00f6rt dieses Auftreten von Amylum im ausgebildeten Zustande des Pollens zu den gr\u00f6fsten Seltenheiten ; unter Millionen von K\u00f6rnern findet sich ein einzelnes, welches Amylum enth\u00e4lt, und diese Bildung k\u00f6nnte uns zu der Vermuthung Anlafs geben, dafs der Inhalt der Pollenk\u00f6rner wahrscheinlich g\u00e4nzlich, oder doch gr\u00f6fstentheils aus Stoffen gebildet ist, welche, \u00e4hnlich wie Amylum, Gummi, Schleim und Zucker aus Kohle und i Wasser bestehen. Ob dieser Inhalt Stickstoff-haltig ist, ob viel oder wenig Stickstoff-haltige Substanzen darin Vorkommen, das m\u00f6chte sehr schwer auf dem Wege der Analyse zu entscheiden sein; den auffallenden spermatischen Geruch, welchen der Pollen einiger Pflanzen, als z. B. des Berberitzen-Strauches, der weifsen Seerose u. s. w. zeigt, k\u00f6nnte man auch zum Theil von den abgesonderten \u00f6ligen Stoffen ableiten, welche auf der Oberfl\u00e4che der \u25a0 Pollenk\u00f6rner abgelagert sind.\nJenes Vorkommen der Amylum-K\u00fcgelchen in den Pollenk\u00f6rnern war die haupts\u00e4chlichste Ursache, wefshalb neuere Schriftsteller, welche \u00fcber den Pollen geschrieben haben, die Beobachtungen ihrer Vorg\u00e4nger \u00fcber die sogenannten Saamenthierchen der Pflanzen, als unrichtig er-","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"m\nklaren zu k\u00f6nnen glaubten; ihre Vorg\u00e4nger hatten diesen Gegenstand jedoch umst\u00e4ndlicher beobachtet.\nMitunter kommen noch andere abnorme Bildungen der Fovilla vor, wie ich z. B. bei Muscari racemosum und noch in einigen wenigen anderen F\u00e4llen bemerkt habe; hier war der Inhalt der ausgebildeten Pollenk\u00f6rner eine gelbliche, aus mehreren verschieden grofsen Kl\u00fcmpchen bestehende Masse, welche zum Theil durch Jodine blau, und zum Theil br\u00e4unlich gef\u00e4rbt wurde. Bei dem Aufspringen der Pollenk\u00f6rner zerfielen diese Massen w\u00e4hrend der Beobachtung in eine grofse Menge von kleinen, ziemlich gleich-grofsen und kugelrunden Molek\u00fclen, welche die lebhafteste Bewegung zeigten. Es zeigte sich also auch hier ein \u00e4hnliches Zerfallen solcher, aus Amylum oder Gummi ? bestehenden Massen in kleine Molek\u00fcle, wie ich es schon fr\u00fcher in den Zellen des Laubes der Marchantien beobachtet habe.\nAufser den gr\u00f6fseren Partikelchen, welche jene kleine Anzahl von Pflanzen zeigen, findet man in dem Schleime der ausgebildeten Fovilla eine unendliche Anzahl von \u00e4u-fserst kleinen Molek\u00fclen', welche fast immer vollkommen rund erscheinen und zwar, wenn sie nicht gerade voll- j kommen im Fokus des Instruments liegen, als schwarze P\u00fcnktchen; stellt man sie dagegen geh\u00f6rig in den Fokus, so erscheinen sie ganz deutlich, als \u00e4ufserst kleine und durchsichtige K\u00fcgelchen von etwas gelblicher Farbe. Ich } nenne diese kleinen K\u00fcgelchen, zum Unterschiede von den Saamenthierchen: die spermatischen Molek\u00fcle; sie zeigen eine sehr auffallende lebhafte Molekular-Bewegung, welche sich von der Bewegung anorganischer Molek\u00fcle sogleich unterscheidet. Bei den spermatischen Molek\u00fclen ist nicht nur eine unregelm\u00e4fsige flimmernde Bewegung zu sehen, sondern, wenn man mehrere, neben einander liegende Molek\u00fcle der Art lange Zeit fest im Auge h\u00e4lt, so wird man sehen, dafs die einzelnen K\u00fcgelchen eine Bewegung zeigen, welche von jenen der Monaden nicht sehr verschieden ist, kurz man wird in diesen Bewegungen den","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"spermatischen K\u00fcgelchen eine gewisse Willk\u00fchr wahrzunehmen glauben. Die neben einanderliegenden Molek\u00fcle zeigen nicht nur eine gleichm\u00e4\u00dfige tanzende Bewegung, sondern, wenn sie zusammenstofsen, suchen sie sich auszuweichen und man sieht zuweilen, wie ein einzelnes K\u00fcgelchen rund um drei und vier andere heruml\u00e4uft u. s. w. Ja es ist auch zu beobachten, dafs diese spermatischen Molek\u00fcle mit ihrer umh\u00fcllenden Schleimmasse aus jener lebhaften Molekular-Bewegung in eine Str\u00f6mung nach bestimmten Richtungen hin, \u00fcbergehen k\u00f6nnen; so habe ich in einem stark angeschwollenen Pollenkorne der Kaempferia rotunda diese Molek\u00fcle aus ihrer allgemeinen Bewegung in eine, nach bestimmten Richtungen hin \u00fcbergehen sehen, es bildeten sich hiebei mehrere Str\u00f6me, welche von der Oberfl\u00e4che der inneren Pollenkornhaut zu dem Ballen der Mitte, und von der Mitte wiederum zur Oberfl\u00e4che in radialen Richtungen hin verliefen. Schon von Amici wurde die Beobachtung bei der Portulaca gemacht, dafs sich in einem neugebildeten Pollenschlauche eine Rotations-Str\u00f6mung zeigte; die Fovilla stieg aus der H\u00f6hle des Pollenkornes hervor, stieg in den Schlauch herab, bewegte sich bis zur Spitze desselben, wendete um und stieg auf der entgegengesetzten Seite des Schlauches wieder in das Pollenkorn zur\u00fcck. Diese Beobachtung ist sp\u00e4ter von mehreren Botanikern an sehr verschiedenen Pflanzen wiederholt; sie tritt nur dann ein, wenn das Pollenkorn durch seine Structur einer bedeutenden Vergr\u00f6\u00dferung durch Einsaugen von Wasser f\u00e4hig ist, so dafs dadurch die Fovilla nicht mehr in so gedr\u00e4ngten Massen auftritt. Wir sehen also auch in diesen F\u00e4llen einen Bebergang der Molekular-Bewegung in die Bewegung nach bestimmten Richtungen, wodurch Erscheinungen hervorgebracht werden, welche mit den Rotations-Str\u00f6mungen in den Zellen zusammenzustellen sind, worauf wir auch schon mehrmals im zweiten Theile dieses Buches aufmerksam gemacht haben.\nDie gr\u00f6fste Zahl der Pflanzen zeigt iu ihrer Fovilla\nRIeyen. Pfl. Physiol. 111.","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nnur diese spermatischen Molek\u00fcle, welche im Allgemeinen bei einer und derselben Pflanze von ziemlich gleicher Gr\u00f6fse und von gleicher Form sind; in Hinsicht der Gr\u00f6fse giebt es hier, unter den verschiedenen Molek\u00fclen, keine gr\u00f6fseren Abweichungen, ;als man zwischen den verschiedenen Individuen einer und derselben Thier- oder Pflanzen-Art findet. In Hinsicht der Form sind jedoch die spermatischen Molek\u00fcle einander gleich, denn sie sind stets kugelrund, doch ist es durchaus n\u00f6thig, daft man sich zur genauen Bestimmung derselben eines vorz\u00fcglich guten Instrumentes bedient, und wo m\u00f6glich bis zu 2000f\u00e2cher Ver-gr\u00f6fserung hinaufgeht; die st\u00e4rksten Linsen von Ploessl und die st\u00e4rksten Oculare des Mikroskopes von Amici in Verbindung gesetzt, leisten hiebei fcehr viel. Ueberhaupt kann man gerade diese spermatischen Molek\u00fcle zum Pr\u00fcfstein der G\u00fcte der Linsen benutzen; die weniger guten zeigen dieselben stets als dunkele P\u00fcnktchen.\nMan hat alle nur m\u00f6glichen Gr\u00fcnde aufgesucht um die eigene Bewegung dieser spermatischen Molek\u00fcle entweder zu bestreiten, oder doch wenigstens als eine Erscheinung ohne alle Bedeutung darzustellen. Ein sehr geschickter Beobachter kam dabei zu den Str\u00f6mungen, welche durch die Temperatur-Ver\u00e4nderung im Inneren aller Fl\u00fcssigkeiten Vorkommen, und glaubte hierin die Ursache gefunden zu haben, doch man beobachte nur die spermatischen K\u00fcgelchen aus den reifen Pollenk\u00f6rnern des K\u00fcrbisses mit geh\u00f6riger Aufmerksamkeit, und man wird die Ursache der Bewegung in den Molek\u00fclen selbst annehmen m\u00fcssen. Diese Bewegungen der spermatischen Molek\u00fcle des K\u00fcrbisses hat Herr v. Mirbel*) aufserordentlich trefflich beschrieben.\nEs fragt sich nun in welchem Zusammenh\u00e4nge diese spermatischen Molek\u00fcle mit den gr\u00f6fseren Partikeln der Fovilla stehen, welche in einigen Pflanzen von sehr bestimmter Form Vorkommen, eine besondere Bewegung\n*) Compl\u00e9ment des observ. sur le Marchanda etc. pag. 70.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"195\nzeigen und von einigen Beobachtern, als die eigentlichen vegetabilischen Saamenthierchen ausgegeben sind. Bei den Oenotheren, so wie bei den Onagreen im Allgemeinen, sind diese grofsen spermatischen K\u00f6rperchen h\u00f6chst auffallend gebildet; es sind ziemlich regelm\u00e4fsige cylindrische Gebilde, deren L\u00e4ngendurchmesser 4, 5 und 6 mal so grofs - als der Breitendurchmesser ist. An den Enden sind sie etwas zugespitzt; sie sind meistens gerade, aber auch sehr viele treten mehr oder weniger gekr\u00fcmmt auf, j\u00e4 auch eine S f\u00f6rmige Kr\u00fcmmung ist an diesen K\u00f6rperchen nicht \\ selten; ihre Bewegung ist zu gewissen Zeiten eben so lebhaft als die der kleinen spermatischen K\u00fcgelchen, welche in der t ovilla mit jenen gr\u00f6fseren ebenfalls in grofser Menge Vorkommen und, wie ich es bei den Onagreen und I der Kaempheria rotunda gesehen habe, durch Theilung der gr\u00f6fseren entstehen k\u00f6nnen. Die Bewegungen der gr\u00f6fseren Molek\u00fcle bei den Oenotheren sind zuweilen nicht nur \u00e4hnlich einer lebhaften Molekular-Bewegung, sondern man bemerkt auch, dafs die einzelnen K\u00f6rperchen in einer bestimmten Richtung, sich bald nach dieser, bald nach jener Seite schl\u00e4ngelnd bewegen, \u00e4hnlich den Bewegungen der L rustulien. Die Herrn Robert Brown und Brongniart wollen \u00e8 an diesen l\u00e4nglichen K\u00f6rperchen nicht nur eine Orts-Ver\u00e4nderung durch freie Bewegung beobachtet haben, sondern auch eine Kr\u00fcmmung derselben in ihrer Achse, so dafs die der Oenothera und des Hibiscus sich bald zu einem Kreise kr\u00fcmmten, sich bald mehr S f\u00f6rmig gestalteten. Ich habe diese Kr\u00fcmmungen mit aller Aufmerksamkeit unter den neueren Mikroskopen beobachten k\u00f6nnen, und wundere mich, dafs man die Thatsachen zu bestreiten , gesucht hat. In Hinsicht der Gr\u00f6fse sind die K\u00f6rperchen unter sich viel mehr verschieden, als die kleinen spermatischen Molek\u00fcle; es giebt gr\u00f6fsere, welche die kleineren um das zwei- und dreifache an Ausdehnung \u00fcbertreffen, aber in Hinsicht der Form sind sie doch immer in der Fovilla einer und derselben Pflanzen-Art sehr \u00fcbereinstimmend, nur mufs man nicht diese gr\u00f6fseren spermati-\n13 *","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nsehen K\u00f6rperchen mit den kleineren in Vergleich stellen. Es ist gar nicht selten, besonders bei den Onagreen, dafs diese gr\u00f6fseren spermatischen K\u00f6rperchen bei der Ber\u00fchrung mit Jodine einige bl\u00e4ulich violette F\u00e4rbung annehmen; ein minder gutes Instrument zeigt dieselben fast ganz dunkel, bei einem guten Mikroskope von Ploessl mit achromatischen Ocularen von Amici, sieht man jedoch, dais die F\u00e4rbung nur theilweise der Oberfl\u00e4che zugeh\u00f6rt, und man kann daraus sehliefsen, dafs auch bei ihrer Bildung das Amylum in Anwendung gesetzt ward, was aber, meiner Ansicht nach, durchaus nichts Auffallendes ist, denn m\u00f6ge man jenen spermatischen K\u00fcgelchen Bedeutung und Namen zuschreiben, wie man will, so bleiben sie doch immer vegetabilische Produkte, welche also auch eine vegetabilische Zusammensetzung zeigen m\u00fcssen, was noch etwas klarer werden wird, wenn wir in der Folge unsere Beobachtungen \u00fcber den Befruchtungsprozefs der Pflanzen mittheilen werden*\nDie Frage, ob man berechtigt ist die spermatischen Molek\u00fcle der Pflanzen mit den Saamenthierchen der Thiere jji Vergleich zu stellen, ja sie als Saamenthierchen der Pflanzen zu bezeichnen, werden wir ebenfalls erst ganz am Schl\u00fcsse des folgenden CapiteFs, wenn wir eine gr\u00f6fsere Einsicht \u00fcber diesen Gegenstand erlangt haben, mit Vortheil beantworten k\u00f6nnen.\nViertes Capitel.\nVon den m\u00e4nnlichen Geschlechts-Organen der cryptogamischen Gew\u00e4chse.\nEs ist hier nicht der Ort den ganzen Formkreis nachzuweisen, welchen die cryptogamischen Gew\u00e4chse bei der Bildung der m\u00e4nnlichen oder befruchtenden Geschlechts-","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"197\nOrgane aufzuweisen haben; zur Erreichung unseres Zweckes gen\u00fcgt es das Auftreten dieser Gebilde im Allgemeinen kennen zu lernen, und die befruchtende Substanz in ihrem physischen Verhalten mit der gleichbedeutenden der h\u00f6heren Pflanzen zu vergleichen, bei der sp\u00e4teren Betrachtung des weiblichen Organes dieser Gew\u00e4chse werden wir dann die Art und Weise andeuten k\u00f6nnen, wie hier die Befruchtung ausgef\u00fchrt wird.\nSeit der Aufstellung der Linn\u00e9\u2019schen Theorie von dem Geschlechte der Pflanzen hat man sich eifrigst bem\u00fcht, auch bei den cryptogamischen Gew\u00e4chsen die Geschlechts-,r Verschiedenheit unter den Fructifications-Werkzeugen nachzuweisen; die Schriften vonKoelreuter^) und von Hedwig haben zu ihrer Zeit grofse Epoche gemacht. Die Geschlechts-Verschiedenheit ward unter den Fructifications-| Organen der Moose und der Lebermoose mit Bestimmtheit nachgewiesen, ja bei der ersteren Familie d\u00fcrfen \u00fcber diesen Gegenstand heutigen Tages keine Zweifel herrschen, und bei den Lebermoosen kennt man gegenw\u00e4rtig fast bei allen Gattungen die m\u00e4nnlichen und die weiblichen Fructifications-Organe. Man glaubte aber auch bei den \u00fcbrigen Abtheilungen der Cryptogamen die Geschlechts-Verschiedenheit in den Fructifications-Organen aufgefunden zu haben? i doch was wir hier\u00fcber in der neuesten Zeit zu wissen glauben, das geh\u00f6rt eigentlich auch den Untersuchungen dieser Zeit an.\nDie grofse Familie der Farm, welche so ausgezeichnet sch\u00f6ne, grofse und hochausgebildete Pflanzen aufzuweisen hat, macht bekanntlich schon wegen der unvollkommenen Saamenbildung eine grofse Ausnahme von der Regel, und diese Unvollkommenheit ist mit der unvollkommensten \u25ba Bliithenbildung begleitet. Die Saamen derFarrn verhalten sich in Hinsicht ihrer Structur, ihrer Bildung und Keimung den Saamen der Moose ganz \u00e4hnlich, daher die Analogie\n*) D as entdeckte Geheimnifs der Crytogamie, Carlsruhe 1777, **) Theoria generationis et fructifie a tionis plantarum cryptogami-carum Linnaei. Edit. sec. 1798.","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nschon darauf hinweist, dafs auch bei den Farm \u00e4hnliche Verschiedenheit unter den Fructifications-Organen vorhanden sein m\u00f6chte, wie bei den Moosen, man war jedoch im Allgemeinen in der Deutung derselben sehr ungl\u00fccklich. Maratti*) hat die Bl\u00fcthen der Farm f\u00fcr hermaphroditisch erkl\u00e4rt, was mit der neuesten Ansicht \u00fcber diesen Gegenstand allerdings zusammenzustellen w\u00e4re, doch ist mir hier\u00fcber nichts N\u00e4heres bekannt, indem mir jene Schrift nie zu Gesicht gekommen ist. Ich \u00fcbergehe hier alle die unrichtigen und oberfl\u00e4chlichen Angaben \u00fcber die m\u00e4nnlichen Geschlechts-Organe der Farrnkr\u00e4uter und f\u00fchre nur die Ansicht von Gaertner und Herrn v. Mirbel auf, nach welcher in jeder Saamenkapsel zugleich die befruchtende Substanz der Saamen enthalten sein soll. Diese Ansicht beruht offenbar auf der Beobachtung, dafs die unreifen Saamenkapseln der Farm, wenn sie zerquetscht werden, neben den jungen Sporen noch eine schleimige und etwas gek\u00f6rnte Masse hervortreten lassen, welche man vielleicht f\u00fcr eine, der Foviila h\u00f6herer Pflanzen \u00e4hnliche Substanz ansehen zu k\u00f6nnen glaubte. Ich habe diese Substanz sehr oft beobachtet, sie nimmt an Masse ab, je mehr sich die Sporen der Reife n\u00e4heren; sie ist aber sicherlich mit der befruchtenden Substanz der Antheren anderer Pflanzen nicht zu vergleichen, denn sie enth\u00e4lt keine selbstbeweglichen Molek\u00fcle. Ich halte es gegenw\u00e4rtig f\u00fcr das cha-racteristischte Kennzeichen der Pollensubstanz, dafs sie entweder mehr oder weniger deutlich ausgebildete Saamen-thierchen enth\u00e4lt, welche mit denen der Thiere zu vergleichen sind, oder wenigstens regelm\u00e4fsig geformte Partikelchen mit lebhafter Molekular-Bewegung aufzuweisen hat.\nNeuerlichst hat Herr Presl**) mit grofserBestimmtheit ausgesprochen, dafs die Antheren der Farm als linsenf\u00f6rmige, ovale oder kugelf\u00f6rmige gestielte Organe innerhalb\n*) De vera florura existentia in plantis dorsiferis. Piomae 1760. Edict, see. auct. Huper. Gotting 1798.\nTentamen Ptcridographiae seu genei'a fdicacearum praesertim juxta venarum decursum et distributionem exposita. Pragae 1836.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"199\nder Soren oder Fruchth\u00e4ufchen auftreten, nur in einem sehr jungen Zustande dieser zu finden und dann mit einer opaken Substanz gef\u00fcllt sind, die nach dem Aufspringen der Antheren entleert wird, worauf diese zusammenfallen, vertrockenen und als br\u00e4unlich gef\u00e4rbte und vielgestaltete K\u00f6rper Zur\u00fcckbleiben. Auch hat Herr Presl die Abbildungen dieser Antheren von Aspl\u00e9nium Trichomanes und von Polystichum aculeatum auf der eilften lafel der angef\u00fchrten Schrift gegeben, sagt aber nicht, dafs er dieselben auch noch bei anderen Gattungen beobachtet hat. Wie ich glaube, so hat Herr Presl diese Ansicht \u00fcber das Vorkommen der Antheren bei den Farm zuerst mit Bestimmtheit publicirt, doch herrschte dieselbe schon seit einer langen Reihe von Jahren bei mehreren Botanikern und auch Herr Corda war schon ein eifriger Vertheidiger derselben, als er im Jahre 1833 nach Berlin kam.\nIch selbst habe die Fr\u00fcchte der Farrnkr\u00e4uter sehr h\u00e4ufig beobachtet um mich von dem Vorkommen der Antheren neben den Kapseln zu vergewissern, doch nur in wenigen F\u00e4llen ist es mir gelungen dieselben aufzufinden und sie mit Bestimmtheit von den jungen Kapseln zu unterscheiden, was meistens sehr schwer ja unausf\u00fchrbar ist. Die Beobachtung lehrt, dafs die junge Kapsel in gleicher Form und gleicher Structur mit der Anthere der Farm auftritt, daher man sehr leicht die jungen Kapseln, an welchen der Annulus noch nicht ausgebildet ist und auch die Sporen noch nicht darin zu erkennen sind, f\u00fcr gew\u00f6hnliche Antheren ansehen kann, wie z. B. bei Polypodium vulgare, wo ich ebenfalls noch keine Antheren erkannt habe. Characteristisch f\u00fcr die Bestimmung der Antheren scheint dagegen ihre Befestigung an dem Stiele der Kapsel, was bei unserem gemeinen Aspidium Filix mas so \u00fcberaus deutlich zu sehen ist. Hier ist das Fiucht-stielchen am oberen Ende gleich einem einfach gegliederten H\u00e4rchen gebauet, w\u00e4hrend das untere Ende, von welchem der Antherenstiel seitlich, als ein feines H\u00e4rchen abgeht, wenigstens zwei Reihen Zellen zeigt. Die Anthere ist hier","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nvon ellipsoidischer Form, ist bedeutend kleiner als die Fruchtkapsel, und enth\u00e4lt bei ihrer Ausbildung eine schleimige und gek\u00f6rnte Masse, welche nach dem Zerdr\u00fccken der Anthere hervortritt und eine grofse Anzahl von lebhaft selbstbeweglichen Molek\u00fclen enth\u00e4lt. In allen F\u00e4llen, wo ich bis gegenw\u00e4rtig wirkliche Antheren zu unterscheiden vermochte, da safsen dieselben seitlich auf dem Stiele der Saamenkapsel und da dieselben, ihrer aufserordent-lichen Kleinheit wegen, so \u00e4ufserst schwer zu isoliren sind, so h\u00e4lt es auch sehr schwer eine genauere Untersuchung der Pollenmasse anzustellen ; ich sah darin mitunter einzelne, gr\u00f6fsere Kl\u00fcmpchen von regelm\u00e4fsiger Form, und so w\u00e4re es wohl m\u00f6glich, dafs auch hierin geschw\u00e4nzte Saamenthierchen Vorkommen, wie wir sie sogleich bei den Moosen nach weisen werden, doch bis jetzt habe ich sie nicht gesehen.\nBei den Laubmoosen wurden die Antheren zuerst durch Hedwig richtig erkannt, er zeigte durch genaue Aussaat-Versuche, dafs die in den Mooskapseln vorkommenden feinen K\u00f6rnchen, welche man vor ihm f\u00fcr Pollenk\u00f6rnchen gehalten hatte, die wahren Saamen der Moose w\u00e4ren. Bei den Lebermoosen wurden dagegen die Antheren zuerst durch Schmiedel *) entdeckt, doch sind dieselben auch gegenw\u00e4rtig noch nicht bei allen Gattungen dieser Familie genau bestimmt, obgleich ihr allgemeines Vorkommen bei diesen Gew\u00e4chsen \u00fcber allen Zweifel hinausgestellt sein m\u00f6chte. Die Structur der Antheren bei den Laub- und Lebermoosen ist sehr einfach; denn sie bestehen aus einer einfachen zelligen Haut, welche die befruchtende Substanz, die wir die Pollenmasse nennen werden, unmittelbar umschliefst. In Hinsicht ihrer Form sind sie f\u00fcr die Laubund Lebermoose im Allgemeinen sehr characteristisch verschieden; bei den ersteren bilden sich mehr oder weniger lange und grofse cylindrische Schl\u00e4uche, welche unmittelbar aufsitzen, w\u00e4hrend die Antheren der Lebermoose mehr\n*) Ic\u00f4nes plantarum et analyses partium. 1762 \u2014 1797.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"201\nellipsoidisch oder selbst eyf\u00f6rmig auftreten und in allen F\u00e4llen, wo sie nicht im Laube selbst versenkt sind, mit mehr oder weniger langen Stielchen versehen sind. Bei den Laubmoosen \u00f6ffnen sich diese Antheren an der Spitze, welche in sehr vielen F\u00e4llen, wie z. B. bei Hypnum durch eine einfache kegelf\u00f6rmige Membran geschlossen ist, w\u00e4hrend der ganze \u00fcbrige Theil der W\u00e4nde aus Zellen zusammengesetzt ist; bei den Lebermoosen scheint das Aufspringen bei der Befruchtung weniger regelm\u00e4fsig vor sich zu gehen. Die Form der Antheren giebt jedoch keineswegs bestimmte Unterscheidungszeichen zwischen Laubund Lebermoosen, denn die Gattung Sphagnum, das gew\u00f6hnliche Torfmoos, zeigt Antheren, welche in jeder Hinsicht mit denen der Lebermoose \u00fcbereinstimmen, w\u00e4hrend die Fr\u00fcchte diese Gattung fast entschieden zu den Laubmoosen stellen.\nDie Fructifications-Organe der Moose treten in besonderen H\u00fcllen auf, welche durch dachziegelf\u00f6rmig \u00fcber einander liegende und sehr gedr\u00e4ngt stehende Bl\u00e4ttchen gebildet werden, und von den Botanikern verschiedene Benennungen erhalten haben, je nachdem sie die weiblichen oder die m\u00e4nnlichen Fructifications-Organe ein-schliefsen; im ersteren Falle nannte man diese H\u00fclle peri ch a etium und im anderen Falle perigonium. Es ist jedoch schon von mehreren Botanikern gezeigt worden, dafs diese besonderen Benennungen h\u00f6chst unstatthaft sind, denn es ist allgemein bekannt, dafs bei den meisten Moosen die m\u00e4nnlichen und die weiblichen Geschlechts-Organe nebeneinander Vorkommen. Man mufs vielmehr diese Anh\u00e4ufungen von Deckbl\u00e4ttchen, welche f\u00fcr die Aufnahme der Fructifications-Organe bestimmt sind, f\u00fcr Involucra halten, und in den sogenannten Saftf\u00e4den (paraphyses), welche rund um die Basis der Antheren befestigt sind, vielleicht eine Andeutung von Bl\u00fcthenh\u00fcllen suchen. Diese Saftf\u00e4den sind gegliederte H\u00e4rchen, welche gew\u00f6hnlich etwas l\u00e4nger, als die Fructifications-Organe sind und zuweilen, wie z. B. in den grofsen Involucren des Mnium","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\npalustre in \u00fcberaus grofser Anzahl auftreten. Die Zellen dieser F\u00e4den enthalten anfangs gr\u00fcngef\u00e4rbte Zellensaft\u201c K\u00fcgelchen; die \u00e4ufsersten sind zuweilen mehr oder weniger stark keulenf\u00f6rmig angeschwollen, wodurch die F\u00e4den bei verschiedenen Arten und Gattungen ein sehr verschiedenes Ansehen darbieten, welches zur systematischen Bestimmung dieser Gew\u00e4chse zu benutzen ist. Eine besondere Function hat man an den Paraphysen noch nicht erkennen k\u00f6nnen, auch scheinen sie keine regelm\u00e4fsige Stellung zu besitzen, sondern sich ganz nach dem Auftreten der Fructifications-Organe zu richten. Man hat die Frage aufgeworfen, ob die Menge von Fructifications-Organen, sowohl die m\u00e4nnlichen als weiblichen, welche meistens in einem und demselben Involucrum der Moose auftreten, einer einzelnen Blume oder ob sie einem ganzen Bliithenstande angeh\u00f6ren, und man hat sich f\u00fcr die letztere Ansicht ausgesprochen, zu deren Beweisf\u00fchrung ich an einem anderen Orte, wenn von den weiblichen Fru-ctificatioiis-Organen die Rede sein wird, ebenfalls mehrere Gr\u00fcnde anf\u00fchren werde.\nBei den Lebermoosen ist das Vorkommen der m\u00e4nnlichen Fructifications-Organe bei verschiedenen Gattungen und Arten h\u00f6chst auffallend verschieden, wor\u00fcber die ausgezeichneten neuen Arbeiten, derHerrnNees vonEsenbeck*), G. W. Bischoff**) und Lindenberg***) die vollst\u00e4ndigsten Nachweisungen geben, worauf ich verweisen mufs. Im Allgemeinen kann man die folgenden Charactere als die wichtigsten hervorheben: Die Antheren der Lebermoose sind n\u00e4mlich entweder freistehend, wie bei den Moosen und besitzen alsdann kleine Stiele, womit sie in den Winkeln der Bl\u00e4ttchen befestigt sind, welche die Spitzen der\nNaturgeschichte der Europ\u00e4ischen Lebermoose. Berlin 1833 I. pag. 75 etc.\nBemerkungen \u00fcber die Lebermoose. \u2014 Nova Acta Acad. C. L. G. Tom. XVII. P. II. pag. 926 etc.\nMonographie der Rieden. \u2014 Nova Acta Acad. C. L. G Tom. XVIII. P.I. pag. 392.","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"203\nStengel bekleiden. Bei den Jungermannien wie bei der Moosgattung Sphagnum sind sie mehr oder weniger kugelf\u00f6rmig, oft auch etwas elliptisch geformt, und fast immer findet man mehrere in einem Blattwinkel neben einander sitzend. Bei mehreren Jungermannien findet man auch dergleichen gegliederte F\u00e4den im Umfange der Antheren, wie wir sie vorhin unter dem Namen der Paraphysen bei den Moosen kennen gelernt haben. Bei den \u00fcbrigen Laubmoosen findet man die Antheren nicht frei, sondern entweder in der Substanz des Laubes eingesenkt, wie bei den Ric-cieen oder in der Substanz eines eigenth\u00fcmlichen Fruchtbodens auftreten, wie z. B. bei den Marchantien, wo die Antheren von ausgezeichneter Gr\u00f6fse auftreten und noch in eigenth\u00fcmlichen, flaschenf\u00f6rmig gestalteten und nacli oben ge\u00f6ffneten S\u00e4cken eingeschlossen sind, welche aus einer ziemlich dicken Haut gebildet werden, die eine einfache Zellenschicht aufzuweisen hat, und sich h\u00e4ufig durch r\u00f6thliche oder violettrothe Farbe auszeichnet, welche durch den gef\u00e4rbten Zellensaft verursacht wird. Die Antheren der Marchantien sind von langgezogener Evform und sitzen wie bei den Moosen; schneidet man die m\u00e4nnlichen Receptacula der Marchantien durch, so treten stets einige der Antheren als feine weifse K\u00f6rnchen hervor. Bei vollkommener Reife platzen sie, und die Pollenmasse wird durch die vorhin angegebenen Oeffnungen der Antheren-hiillen auf die Oberfl\u00e4che des Receptaculum\u2019s gef\u00fchrt und zwar, wie es mir scheint, durch blofse Einsaugung der Feuchtigkeit; denn obgleich ich diese Antheren zu allen Zeiten sehr h\u00e4ufig beobachtet habe, so ist mir doch niemals ihre Contraction bemerkbar geworden, durch welche sie etwa die Pollenmasse austreiben k\u00f6nnten. Bei den einfachen Lebermoosen, wie bei den Riccieen sind die Antheren ebenfalls mehr eyformig und unmittelbar im Laube eingesenkt, kommen aber zur Zeit der Reife an die Oberfl\u00e4che und bei einigen Gattungen werden sie in ihrem Auftreten durch W\u00e4rzchen und andere hervorragende Bildungen angedeutet, welche von den oberfl\u00e4chlichen Zellen","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\ndes Laubes ausgehen und meistens auch auffallend gef\u00e4rbt sind.\nIn der neuesten Zeit hat man die Hedwig\u2019sche Benennung der m\u00e4nnlichen Fructifications-Organe der Laub-und Lebermoose, welche derjenigen bei den phanerogami-schen Gew\u00e4chsen gleich ist, vielfach angefochten, indem man glaubte, dafs der Name Anthere unpassend sei, da die Anthere der Phanerogamen die Pollenk\u00f6rner und nicht die Fovilla oder die befruchtende Substanz unmittelbar einschliefst; es wird sich jedoch aus der folgenden Betrachtung des Inhaltes dieser Antheren ergeben, dafs sie keineswegs die Fovilla unmittelbar einschliefsen. Herr Bischoff glaubt die m\u00e4nnlichen Fructifications-Organe der Moose am passendsten mit dem Namen: Antheridien (antheridia) belegt zu haben, wobei dann der obere, sackf\u00f6rmig geschlossene Theil Antheridienschlauch (utri cuius antheridii), das Stielchen Pedicellus und der Inhalt Fovilla genannt werden soll, ich glaube jedoch, dafs es dieser neuen Benennungen nicht bedurfte, denn das Antheridium ist unzweifelhaft das m\u00e4nnliche Befruchtungsorgan der Moose, also den m\u00e4nnlichen Geschlechts-Organen der h\u00f6heren Pflanzen parallel zu stellen, an welchen die Anthere, mit der darin enthaltenen Pollenmasse das Wichtigste ist, welches niemals fehlt; was wTir denn auch bei den Moosen ganz genau wiederfinden, wenn auch, wie es die Structur der Moose \u00fcberhaupt erfordert, noch etwas einfacher gebildet, als bei den niederen Phanerogamen, jedoch wahrlich nicht viel einfacher, als bei der Gattung Ceratophyllum, wo es doch Niemanden einfallen wird besondere Namen f\u00fcr die befruchtenden Geschlechts-Organe aufzustellen *).\n\u00a5) Anmerkung. Es ist eine sehr allgemeine Klage unter den Botanikern, dafs man einem und demselben Organe bei verschiedenen Familien, ja zuweilen sogar bei verschiedenen Gattungen besondere Namen beigelegt hat, und es lafst sich sehr wohl nachweisen, dafs der Wissenschaft dadurch kein VortheiT, wohl aber dem Studium derselben grofser Nachtheil erw\u00e4chst. Heutigen Tages mufs man sich gegen jede neue Benennung in der Botanik auflehnen, welche","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"205\nDie Vermuthungen, welche wir \u00fcber die Bedeutung der Saamenthierchen der Pflanzen und der spermatischen Molek\u00fcle \u00fcberhaupt in dem vorhergehenden Capitel aufgestellt haben, werden durch die neuen Untersuchungen \u00fcber den Inhalt der Antheren der Cryptogamen sehr gl\u00e4nzend best\u00e4tigt; doch ehe ich die neuen Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand vortrage, wird es n\u00f6thig dieselben ebenfalls historisch zu beleuchten, und damit zu zeigen, wie sich die Resultate dieser Untersuchungen allm\u00e4lig gestaltet haben.\nDie erste Beobachtung \u00fcber die freie Bewegung der in den Antheren der Cryptogamen enthaltenen Bl\u00e4schen, fand ich in den Schriften des vortrefflichen Schmiedel*) verzeichnet; er beobachtete die reifen Antheren der Iun-germannia pusilla und sah, dafs durch das eingesaugte Wasser eine Menge von Molek\u00fclen von verschiedener Gr\u00f6sse aus den Zellen ausgetrieben wurden, sie waren durchsichtig und hatten eine runde oder ovale Gestalt, variirten etwas in der Gr\u00f6fse, waren aber alle bewegt. Sie oscillir-ten nach Art der Infusorien, aber, wie Schmiedel glaubte, nicht allein durch eine eigene, ihnen inwohnende Kraft, sondern auch vermittelst der mechanischen Explosion beim Austreten aus ihren Antheren, doch schienen sie \u00fcberhaupt f mit lebender Bewegung begabt zu sein, besonders fiel ein nierenf\u00f6rmiges Bl\u00e4schen auf, welches gr\u00f6sser war und sich schnell bewegte. Eine zweite Beobachtung der Art, wurde\nnicht absolut nothwendig ist, die sogenannten besseren oder verbesserenden Namen sind nur zur Bel\u00e4stigung des Ged\u00e4chtnisses, denn die \u00e4lteren m\u00fcssen stets miterlernt werden, wenn man auch denselben besondere Benennungen gegeben bat, daher der Nutzen dieser letzteren gar nicht einzuseben ist. In einem besonderen Bande, welcher sich diesem physiologischen Werke als f\u00fcnfter Band anschliefsen wird, werde ich einen Versuch machen die morphologischen Verh\u00e4ltnisse der Pflanzen speciell abzuhandeln, und hei der dabei hervorgehenden Nomenclatur vermittelnd zwischen den verschiedenen Benennungen gleichbedeutender Organe aufzutreten suchen.\n*) Ic\u00f4nes plantar, et analys. partium Fase. I. Tab. XXII.","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\ndurch Fr. Nees von Esenbeck* *) an den Antheren von Sphagnum capillifolium angestellt, welcher sah, dafs die Antheren jener Pflanze, unter Wasser gebracht, an der Spitze zerrissen, sich zur\u00fcckschlugen und den Inhalt hinaustrieben. Dieser ausgetriebene Inhalt erschien gleich unregel-m\u00e4fsigen, eckigen, durchsichtigen Zellchen, in welchen wieder mehrere kleine Bl\u00e4schen sichtbar waren. Ein Theil der herausgetretenen Masse l\u00f6ste sich schnell in dem Wassertropfen und zerfiel in zahllose, \u00e4ufserst kleine Monaden, die sich lebhaft bewegten und in der, Art dieser Bewegung ihre animalische Natur nicht verkennen Hessen.\nUm die Zeit, als ich meine Beobachtungen und Bemerkungen \u00fcber die Gattung Chara^) publicirte, war man gr\u00f6fstentheils geneigt die Antheren der Charen, als Knospen oder \u00fcberhaupt als Keime der Fortpflanzung anzusehen; ich stellte jedoch die Ansicht auf, dafs in den Schleimf\u00e4den, welche die Charen-Antheren in grofser Menge anf\u00fcllen, die vegetabilischen Saamenthierchen ***) fadenf\u00f6rmig aneinander gereiht w\u00e4ren, die auch in einer sp\u00e4teren Zeit der Entwickelung die Schl\u00e4uche zu verlassen schienen f). Ich erkannte damals diese Saamenthierchen als kleine K\u00fcgelchen, doch weder ihren Austritt sah ich unmittelbar, noch ihre Bewegung. Sp\u00e4ter machte Herr G. W. Bisch off ff) die Beobachtung bekannt, dafs er in dem Schleim der frisch aufgeplatzten K\u00fcgelchen (Antheren !) der Chara hispida ein lebhaftes Gewimmel von Infusorien beobachtet habe; sie schienen aus 3 \u2014 6 kleinen Punkten zu bestehen, welche durch Querlinien, wie mit Stielchen zusammenhingen, und zeigten eine solche Bewegung, dafs sie alle m\u00f6glichen eckige Figuren bildeten, welche sich jedoch jeden Augenblick wieder ver\u00e4nderten; zuweilen folgte noch ein einzelnes P\u00fcnktchen mit seinem Stielchen, wie ein bewegliches\n*) Flora von 1822. Nr. 3.\n\u00a5\u00a5) S. Linnaea von 1827. pag. 55.\n\u00a5\u00a5\u00a5) 1. c. pag. 63.\nf) I. c. pag. 60.\nff) Die Chareen und Equisetaceen etc. N\u00fcrnberg 1828. pag. 13.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"207\nSchw\u00e4nzchen, der Hauptfigur nach. Obgleich nun, sagt Herr Bischoff, in den Schleimf\u00e4den des Kiigelchen\u2019s (An-theren !) die Querstreifen gr\u00f6fstentheils verschwunden waren, so m\u00f6chte es doch zu sehr gewagt sein, wenn man annehmen wollte, dafs jene infusorienartigen Gebilde die aus den F\u00e4den hervorgetretenen und theilweise noch zusammenh\u00e4ngenden Querstreifen seien, u. s. w.\nIm Jahre 1834 hat J. C. Varley*) seine fr\u00fcheren Beobachtungen \u00fcber die Bewegungen in den Charen vervollst\u00e4ndigt, und an der Ohara syncarpa Thuill. (welche Agardh Ni-tella hyalina genannt hat) in Bezug auf die Saamenthierchen sehr interessanteBeobachtungen gemacht; J. Varley sah diese Gebilde, welche er ihrer Form wegen mit Locken vergleicht, in den Zellen der Polienf\u00e4den liegen, und bemerkte, dafs sie pl\u00f6tzlich Bewegung bekommen, aus den Zellen hervortreten und dann 2 bis 3 Spiralwindungen zeigen. An zweien dieser Gebilde sah J. Varley einen sehr feinen Faden, den er gleich einer Peitschenschnur an ihrem Stocke abgebildet hat, und er sah auch eine undulirende Bewegung an dieser feinen Faser.\nEndlich hat auch Herr Fritzsche**) einige Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand bekannt gemacht, welche aber denen von Varley nachstehen; er sah in der Zelle der Pollenf\u00e4den der Ohara syncarpa Spiralf\u00e4den, welche 2 oder 3 Windungen zeigten, sp\u00e4ter hervortraten und eine eigenthiimliche Bewegung annahmen.\nIm Jahre 1834 wurden die Beobachtungen \u00fcber die Bewegung der Partikelchen aus den Antheren der Sphagnum-Arten durch Herrn Unger\u2019s***) Untersuchung dieses Gegenstandes sehr wichtig erweitert. Herr Unger fand die Sphagnum-Antheren mit einem durchsichtigen Medium gef\u00fcllt, in welchem eine Unzahl lebhafter oder matter sich bewe-\n0 Improvements in the vial microscop. \u2014 Transact, of the Soc. of Arts, Manuf., Comm. etc. Vol. I.\n**) Ueber den Pollen. St. Petersburg 1837. pag. 16. Tab. II.\n***) Ueber die Anthere von Sphagnum. Flora von 1834. I. pag. 145.","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\ngender K\u00f6rperchen enthalten war, deren Agilit\u00e4t durch die Verd\u00fcnnung der Fl\u00fcssigkeit mit Wasser zuzunehmen schien. Die kleinen K\u00f6rperchen in unausgebildeten Antheren zeigten keine Bewegung. Herr Unger erkl\u00e4rte diese K\u00f6rperchen ganz entschieden f\u00fcr Thiere, und erkannte darin eine neue Art der Gattung Spirillum, welche er Spirillum bryo-zoon nennt. Die Bewegungen dieser neuen Saamenthier-chen waren bald reifsend schnell, bald langsamer, und erfolgten meistens nach Pausen, w\u00e4hrend welchen sie zu ruhen schienen; auch schwammen sie mit dem spitzigen Ende stets voran, was Herr Unger, so wie die Form derselben, durch Abbildungen verdeutlicht hat. Auch Herr Werneck hat diese Saamenthierchen mit einem vorz\u00fcglichen Instrumente untersucht, und nach dessen Beobachtungen bestehen die von Sphagnum squarrosum und S. ca-pillifolium aus einem walzenf\u00f6rmigen, etwas sichelartig gebogenen, apfelgr\u00fcnen K\u00f6rper, und einem fadenf\u00f6rmigen, meist spiralf\u00f6rmig gewundenen Schw\u00e4nze, welcher viermal l\u00e4nger als der K\u00f6rper ist. Die Spirale dieses Schwanzes zeigt bis 3 Windungen. In der spiralf\u00f6rmigen Bewegung dieses Thieres geht die Drehung von der Rechten zur Linken; doch kommt es hiebei nicht leicht von der Stelle, und bei den Localver\u00e4nderungen, welche gew\u00f6hnlich langsam erfolgen, soll gerade Erschlaffung der Spiralkr\u00fcmmung beobachtet werden.\nDieses sind die Beobachtungen, welche vorangegangen sind, ehe wir zu den Resultaten gekommen, welche ich im Folgenden \u00fcber die Saamenthierchen der niederen Pflanzen mittheilen will; eine sehr grofse Reihe von Beobachtungen habe ich \u00fcber diesen Gegenstand vergeblich angestellt, indem ich die Antheren nicht in dem ausgebildeten Zustande antraf; doch durch best\u00e4ndige Wiederholung derselben bei jeder sich darbietenden Gelegenheit glaube ich endlich ziemlich vollst\u00e4ndig \u00fcber diesen Gegenstand im Reinen zu sein.\nDie vielfach verschiedene Form der Antheren bei den\n*) Flora von 1834. I. pag. 152.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"209\nLaubmoosen ist schon von den Systematikern mehr oder weniger genau beschrieben und abgebildet; sie sind gleich denen der Lebermoose als einf\u00e4cherige Antheren zu betrachten, deren W\u00e4nde aus einer einfachen aus Zellen zusammengesetzten Membran bestehen. Die Spitze derselben finde ich meistens aus einer einfachen Zellenhaut bestehend, welche keine Zusammensetzung aus kleineren Zellen zeigt, und gerade am obersten Theile jener Membran entsteht die Oeffnung, durch welche die Pollenmasse in Form einer tr\u00fcben, schleimigen Wolke hinaustritt. Ist die Anthere noch nicht vollkommen reif, so erkennt man den * Inhalt derselben als zusammengesetzt aus kleinen, dicht neben einander liegenden und plattgedr\u00fcckten viereckigen Zellen, und in den Zellchen bemerkt man ein oder mehrere kleinere K\u00fcgelchen (s. Fig.31.aa Tab. XII. an Hypnum I cupressiforme). Tritt aber die Pollenmasse aus der reifen Anthere der Laubmoose hervor, und beobachtet man diese hervortretende Masse unter Wasser und bei hinreichend starker Vergr\u00f6fserung (3 \u2014 400fach liniar!), so wird man sehen, dafs die Masse aus einem ziemlich z\u00e4hen Schleime besteht, welcher sich durch Einsaugung von Wasser all-m\u00e4licli verd\u00fcnnt, und sich oft in lange und feine F\u00e4den zieht. Bei dieser Verd\u00fcnnung des Schleims werden die \u00e9 unz\u00e4hlbaren zarten und durchsichtigen, ziemlich ganz runden, oder stark linsenf\u00f6rmig zusammengedr\u00fcckten Zellen sichtbar, welche von demselben eingeh\u00fcllt waren, und nun bemerkt man, dafs jede der einzelnen scheibenf\u00f6rmigen Zel-len eine drehende Bewegung annimmt; doch herrscht in der Richtung dieser Bewegung, selbst bei dicht neben einander liegenden Zellen, keine Regel; oft bewegen sich zwei neben einander liegende Zellen gerade nach entgegengesetz-p ter Richtung, sobald sich der Schleim aufl\u00f6st, durch welchen sie verbunden waren. Anhaltend fortgesetzte Beobachtung zeigte alsbald, dafs jede dieser Zellen einen sehr eigenth\u00fcmlich geformten K\u00f6rper enth\u00e4lt, der etwa so erscheint, wie ihn die Abbildungen in Fig. 31. d, e und f, Tab. XII. aus Hypnum cupressiforme zeigen. Es ist ein Me yen. Pfl. Phys. III.\t14","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210\nellipsoidisches gekr\u00fcmmtes K\u00f6pfchen, welches sich allm\u00e4-lieh verd\u00fcnnt und in einen langen Schwanz verl\u00e4uft, der sich am Rande der Zelle* angelagert hat und wieder zum Kopfende zur\u00fcckl\u00e4uft. Sp\u00e4ter beobachtet man jedoch, dafs sich dieser schneckenf\u00f6rmig gewundene K\u00f6rper frei macht, indem er aus den, an irgend einer Stelle zerrissenen oder 'I zum Theil in Schleim aufgel\u00f6sten Zellen hervortritt, und sich dann auf eine h\u00f6chst auffallende Weise bewegt, wobei man zugleich beobachtet, dafs der feine, kaum sichtbare, fadenf\u00f6rmige Schwanz viel l\u00e4nger ist, als er in den Zellen zu bemerken war; gew\u00f6hnlich zeigte er die doppelte L\u00e4nge der Peripherie der Zelle, worin er enthalten war, und oft noch dar\u00fcber. Schon die Form und das Vorkommen dieser geschw\u00e4nzten K\u00f6rperchen in den Antheren deu- i tet darauf hin, dafs sie mit den Saamenthierchen der Thiere in Analogie zu stellen sind, mit welchen sie die vollkommenste Aehnlichkeit haben; wenn man aber erstv die lebhafte und mannigfaltige Bewegung derselben beobachtet, so kann hier\u00fcber kein Zweifel Zur\u00fcckbleiben.\nAuch bei den Gattungen Mnium, Phascum, Polytri-c.huin undBartramia habe ich ein ziemlich \u00e4hnliches Auftreten der Pollenmasse beobachtet, was besonders bei Polytrichum, j wo die Antheren sehr grofs sind und \u00fcberhaupt sehr h\u00e4ufig auftreten, leicht zu wiederholen ist. ln Fig. 34, Tab. XII habe ich ein kleines Endchen von einer Anthere von Polytrichum commune dargestellt; bei cd ist dasselbe glatt abgeschnitten und bei ab zerrissen, so dafs die darin enthaltene Pollenmasse bei e hervorsteht. Die Wand der Anthere besteht, wie gew\u00f6hnlich, aus einer einfachen Zellenlage, und in diesen Zellen sind grofse und sch\u00f6n gr\u00fcngef\u00e4rbte Zellensaftk\u00fcgelchen vorhanden. Die Pollenmasse besteht in weniger vollkommen ausgebildeten Antheren aus einem gleichm\u00e4fsigen, ungef\u00e4rbten, umh\u00fcllenden Schleime und einer grofsen Menge von sph\u00e4rischen und gleichgrofsen, etwas gr\u00fcnlich gef\u00e4rbten Kl\u00fcmpchen, welche allm\u00e4lich immer gr\u00f6fser werden und sich als zarte Schleimzellen darstellen, wovon eine jede ein besonderes Saamenthierchen","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"911\nenth\u00e4lt, wie es Fig. 32, zeigt; hier ist ein kleiner Theil der Pollenmasse nach ihrem Hervortreten aus der Anthere dargestellt; dieselbe zeigte eine aufserordentliche Belebtheit, weil sich die Saamenthierchen schon innerhalb dieser Zellen mit grofser Lebhaftigkeit bewegten. In Figur 33, dicht daneben, sind einige solcher Pollenzellen nach st\u00e4rkerer Vergr\u00f6fserung dargestellt, und bei e daselbst findet sich auch ein, aus der Schleimzelle hervorgetretenes Saamenthierchen. Diese Saamenthierchen von Polytrichum wie von den meisten Moosen haben ein auffallend starkes, etwas j ellipsoidisches K\u00f6rperende,f w\u00e4hrend das feine fadenf\u00f6rmige * Schwanzende etwas \u00fcber 1L bis 2 Windungen zeigt. Ich habe bei diesen Pfl\u00e4nzchen, wie auch bei den andern so eben genannten nicht bemerkt, dafs sich die Saamenthierchen s sammt ihren Schleimzellen bewegen, sondern ich bemerkte J ihre Bewegung nur innerhalb der Schleimzellen oder nach ihrem Austritte. Auch zeigt es sich hier, wie wir sp\u00e4ter ausf\u00fchrlicher bei den Saamenthierchen der Charen kennen lernen werden, dafs der feine Faden jedesmal an den Stellen der Umbiegungen kleine P\u00fcnktchen zeigt, so dafs man schon innerhalb der Schleimzelle, wie bei a Fig. 33, aufser dem dicken K\u00f6rperende noch 2 P\u00fcnktchen daneben sieht, welche aber ihre Lage best\u00e4ndig ver\u00e4ndern, indem E sich das Schwanzende schon innerhalb der Zelle best\u00e4ndig hin und her schl\u00e4ngelt.\nBei der Gattung Sphagnum verh\u00e4lt sich die Structur des Pollens fast ebenso wie es vorhin angegeben wurde, nur schien mir die Schleimmasse, welche die Saamenthierchen-f\u00fchrenden Zellen einh\u00fcllt, nicht so grofs zu sein. In Fig. 29. Tab. XII. sind drei einzelne Zellen mit ihren Saamenthierchen aus der Anthere von Sphagnum acutifolium abgebildet,\n- und dicht daneben in e ist ein einzelnes Saamenthierchen nach einer st\u00e4rkeren Vergr\u00f6fserung dargestellt, wobei sich die Verschiedenheit in der Form ihres K\u00f6rperst\u00fcckes zu der daneben stehenden Abbildung des Saamenthierchen von Hypnum und Polytrichum sehr deutlich zeigt. Das verdickte K\u00f6rperende ist sichelf\u00f6rmig und von gr\u00fcnlicher\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"212\nF\u00e4rbung, das zarte Schwanzende dagegen ungef\u00e4rbt; es : zeigt 2 bis Spiralwindungen und bei der Beobachtung desselben sieht man an jeder Seite, wo sich die Windungen umdrehen, ein dunkeles P\u00fcnktchen, \u00e4hnlich wie bei den Saamenthierchen der anderen Moose. Die Bewegung dieser Saamenthierehen ist \u00fcberaus mannigfaltig, und hat man * dieselben im vollkommen ausgebildeten Zustande und in grofsen Massen, n\u00e4mlich zu Hunderten und Tausenden auf dem Objekttr\u00e4ger, so erregen sie die h\u00f6chste Bewunderung. Nach dem Zerdr\u00fccken der Antheren mufs man noch ^ bis ^St\u00fcndchen warten, bis die Saamenthierchen die lebhafteste Bewegung angenommen haben; zuweilen bewegen sich einzelne gleich nach dem Hervortreten. In solchen grofsen Haufen sieht man, dafs sich einzelne Saa- \u00e8 menthierchen, welche die Windungen ihres Fadens noch nicht auseinander gestreckt haben, in einer best\u00e4ndig kreisenden Bewegung um ihren eigenen Mittelpunkt befinden ; bei anderen mit ausgezogenen Windungen sieht man, wenn sie der L\u00e4nge nach liegen, eine best\u00e4ndige Drehung um die L\u00e4ngenachse, eine Bewegung, welche mit der vorherigen vollkommen gleich ist. An vielen dieser Saamenthierchen mit ausgezogenem Spiralfaden sieht man die schnellste Orts- j Ver\u00e4nderung, indem sie mit dem Fadenende voranschwimmen, sich bald rechts bald links wenden, mitunter aber auch bei dieser vorschreitenden Bewegung best\u00e4ndig um ihre L\u00e4ngenachse rotiren. In dieser Bewegung bleiben die \\ Saamenthierchen 4, 5, 6 und selbst 7 Stunden am Leben und man kann sie selbst auf Glasplatten auftrocknen ganz wie Infusorien. N\u00e4hern sie sich der Zeit ihres Absterbens so werden die Bewegungen langsamer und nun sieht man sehr deutlich, dafs das freie Schwanzende an mehreren Stellen eine zitternde Bewegung zeigt, doch unsere Instrumente zeigen noch nicht, wodurch dieselbe bewirkt wird.\nBei den Lebermoosen verh\u00e4lt sich die Structur und der Inhalt der Antheren fast ebenso, wie bei den Laubmoosen, ja die Antheren von Sphagnum sind selbst der Form nach mit denen der Jungermannien genau \u00fcberein-","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"213\nstimmend. Gew\u00f6hnlich ist die Pollenmasse der Lebermoose eine tr\u00fcbe aber ungef\u00e4rbte schleimige Masse, doch bei Haplomitrium fand sie Herr Nees von Esenbeck von hochgelber Farbe getr\u00fcbt. Die Pollenmasse zeigt sich im unausgebildeten, wie im ausgebildeten Zustande auf dieselbe Weise, wie bei den Laubmoosen ; die kleinen Zellen sind tafelf\u00f6rmig und mehr oder weniger viereckig oder vollkommen rund. Bei den Marchantien, wo die Antheren sehr grofs sind, und ihr Vorkommen in einem besonderen, schildf\u00f6rmigen Tr\u00e4ger die Untersuchung derselben vermittelst feiner Schnitte sehr erleichtert, da kann man ganz r genau beobachten, dafs die einzelnen Pollenzellen nach einer ganz bestimmten Regel gestellt sind; sie liegen s\u00e4mmt-lich mit ihren breiten und viereckigen Fl\u00e4chen horizontal (Fig. 30. Tab. XII aus Marchantia polymorpha) und sind * in der Art genau aneinandergereiht, dafs sie auf dem Querschnitte sowohl in regelm\u00e4fsigen Kreisen gelagert auftre-ten, welche von der Antherenwand bis zur Mittellinie der Anthere in einander geschachtelt liegen, als auch vom Mittelpunkte bis zur Peripherie sehr regelm\u00e4fsig verlaufende Radien zeigen. Herr von Mirbel *) **), dessen monographische Arbeit \u00fcber die Marchantia polymorpha den verdienten Ruf erlangt hat, gab \u00fcber diese regelm\u00e4fsige p Anordnung der Pollenzellen jener Pflanze die erste Nachricht, und die hier\u00fcber angef\u00fchrte Abbildung ist ganz naturgetreu. Sowohl Herr Nees von Esenbeck als ich selbst hatten diese Structur schon oftmals bemerkt und im ; Jahre 1833 beobachteten wir diesen Gegenstand bei einem Aufenthalte im Riesengebirge gemeinschaftlich, doch die kleinen Vergr\u00f6fserungen, welche uns damals zu Gebote standen, erlaubten nicht, dafs wir dar\u00fcber mit Bestimmt-\n-\theit sprechen konnten.\nHerr v. Mirbel bildet den Pollen der Marchantia polymorpha als viereckige Zellen ab, welche kleine und unre-\n*) Naturgeschichte dee Europ\u00e4ischen Lebermoose 1833. pag. 75.\nCompl\u00e9ment des observations sur le Marchantia polymorpha,\n-\tpag. 42. l ab. VII. Fig. 54.","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\ngelm\u00e4fsig geformte K\u00fcgelchen enthalten; in diesem Zustande beobachtete ich diesen Pollen vor seiner vollkommenen Ausbildung; wenn aber die Anthere reif ist und aufzuspringen beginnt, bemerkt man, dafs im Inneren einer jeden Pollenzelle ein einzelner, ringf\u00f6rmig zusammengewundener K\u00f6rper mit einem dicken K\u00f6rperende und einem haarf\u00f6rmigen Schwanzende eingerollt ist. Diese Zellen der Pollenmasse sind jedoch verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig viel kleiner, als jene bei der Gattung Sphagnum und den Laubmoosen, daher hier der Inhalt derselben schwieriger zu beobachten ist. Sobald aber die Pollenzellen der Marchantien einige Zeit hindurch unter Wasser liegen, so wird man bemerken, dafs sich aus dem Inneren derselben ganz \u00e4hnlich gestaltete Saamenthierchen hervorwinden, wie wir sie schon vorher bei Sphagnum u. s. w. kennen gelernt haben. In den reifen Antheren der Marchantien ist keine Spur jener Schleimmasse zu beobachten, durch welche die Pollenzellen der Laubmoose so auffallend eingeh\u00fcllt waren, daher auch nach dem Zerdr\u00fccken der Anthere stets mehr oder weniger grofse Massen jener viereckigen Zeilen noch im Zusammenh\u00e4nge auf dem Objekttr\u00e4ger zu Gesicht kommen, und es ist ein sehr interessanter Anblick, wenn man gerade den Zeitpunkt trifft, wenn sich die Saamenthierchen aus einer jeden dieser, nebeneinander liegenden Pollenzellen hervorwickeln. Die Membran der Pollenzellen ist so zart und das Ganze so klein, dafs man nicht erkennen kann, ob bei dem Heraustreten des Saamenthierchens eine Zer-reifsung der Membran oder eine Aufl\u00f6sung derselben an irgend einer Fl\u00e4che erfolgt; Letzteres scheint mir jedoch sehr wahrscheinlich. Die Saamenthierchen der Marchantien, so wie die der \u00fcbrigen Leber- und Laubmoose treten stets mit ihrem dickeren Ende, welches ich das K\u00f6rper- oder Kopfende, im Gegens\u00e4tze zum Schwanzende nenne, zuerst hervor, und es dauert oft noch eine geraume Zeit, bis das ganze Thierchen mit seinem langen Schw\u00e4nze vollkommen frei geworden ist. Bis dahin aber bemerkt man eine anhaltende, sehr heftige Bewegung, des frei gewor-","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"215\ndenen Kopfendes, gleichsam ein starkes und gewaltsames Hin- und Herzappeln, wodurch der fadenf\u00f6rmige Schwanz ebenfalls frei wird. Liegen viele solcher Pollenzellen nebeneinander, aus welchen sich eben die Saamenthierchen hervorbegeben, so wird man eine sehr auffallende, sehr verwirrte Bewegung und zugleich eine unregelm\u00e4fsige Hin-und Herbewegung der ganzen Zellenmasse wahrnehmen, doch bei anhaltend genauer Beobachtung sieht man, dafs alle diese Bewegungen durch die Menge der Saamenthierchen hervorgebracht werden, welche nur zum Theile frei waren und dann nach allen Richtungen hin, in und durch-* einander hin- und herzappeln, indem noch lange Zeit hindurch das Schwanzende derselben in den Zellen befestigt ist. Betupft man ein solches Objekt mit einer L\u00f6sung von Jodine, so h\u00f6ren sogleich alle Bewegungen auf und man \u00bb erkennt nun die Saamenthierchen, welche gelbbr\u00e4unlich gef\u00e4rbt sind und mit ihrem Ende noch in den Zellen sitzen viel deutlicher, wie es auch die Abbildung in Fig. 30. Tab. XII. bei f, g, h, i und k zeigt.\nErst nach dem Hervortreten der Saamenthierchen aus ihren Zellen kann man ihre Form, ihre L\u00e4nge und ihre Bewegungen genauer verfolgen, doch ist zur Bestimmung der Form und der L\u00e4nge die Anwendung der Jodine be-e sonders zu empfehlen, durch deren Einwirkung die Saamenthierchen nicht nur get\u00f6dtet werden, sondern auch durch die gelbliche F\u00e4rbung dem Beobachter mehr in die Augen fallen, doch scheint es mir, als wenn die L\u00f6sung der Jodine in Alkohol zugleich eine Zusammenziehung, d. h. eine Verdickung der Substanz des Fadens bewirkt, die aber jedenfalls sehr gering ist. Die get\u00f6dteten Saamenthierchen liegen in den verschiedensten Formen und Win-- d\u00fcngen auf dem Objekttr\u00e4ger umher, wie es z.B. die angef\u00fchrten Abbildungen zeigen; bald ist der lange Schwanz ausgestreckt und nur etwas wellenf\u00f6rmig gewunden, bald ist er mehr oder weniger unregelm\u00e4ssig zusammen gekr\u00fcmmt und mit einander verschlungen, oft zusammengewunden, wie die Schlange um den Merkurstab u. s. w. Im le-","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nhenden Zustand bemerkt man den fadenf\u00f6rmigen Schwanz stets spiralf\u00f6rmig gewunden, oft zwei, oft zwei ein halb, selbst drei Windungen zeigend, und gerade durch dieses Gewundensein sind die Bewegungen auch dieses Saamenthierchen s so h\u00f6chst auffallend; meistens dreht sich dasselbe um die Achse der Spirale des Schwanzendes, selbst J dann, wenn es mit gr\u00f6fster Schnelligkeit in gerader Linie vorschreitet. Es scheint mir \u00fcberfl\u00fcssig die Mannigfaltigkeit der Bewegungen genauer zu beschreiben, welche diese Saamenthierchen der Pflanzen ausf\u00fchren, ich habe die Saa-menthierchen sehr verschiedener Thiere oft und lange beobachtet, und ich kann versichern, dafs zwischen den Be-wegungen der thierischen und der pflanzlichen Saamenthierchen durchaus gar kein wesentlicher Unterschied zu 1 beobachten ist; so lange jedoch bei den vegetabilischen Saamenthierchen das Schwanzende spiralf\u00f6rmig gewunden ist, was durch die Lagerung des Schwanzes im Umfange der Pollenzelle bedingt wird, so lange sind nat\u00fcrlich die Bewegungen auffallend verschieden von denen der thierischen Saamenthierchen. Herr Unger will bei den Saamenthierchen der Gattung Sphagnum beobachtet haben, dafs sich das sichelf\u00f6rmige Kopfende von dem Schwanzende ! trenne, ja er giebt eine Abbildung dieser Saamenthierchen, in welcher dieses Kopfende als ein besonderes, blofs durch Articulation mit dem Schwanzende verbundenes St\u00fcck dargestellt wird. Diese letzteren Angaben kann ich, in Folge t meiner Untersuchungen mit den besten Instrumenten, nicht best\u00e4tigen, sondern ich finde, dafs das verdickte Kopfende allm\u00e4lig in das fadenf\u00f6rmige Schwanzende \u00fcbergeht. Die Abl\u00f6sung des Kopfendes von dem Schw\u00e4nze, wie sie Herr * Unger beobachtet haben will, ist mir zwar bei den vielfachen Beobachtungen, welche ich \u00fcber diesen Gegenstand anstellte, niemals vorgekommen, doch m\u00f6chte ich jene Angabe keineswegs bestreiten, denn ich habe eine solche Theilung an den Saamenthierchen der Thiere ganz bestimmt b\u00e9obachtet, und hier zeigte sich diese Theilung, als eine f 01 tpflanzungsweise ; es schwellen n\u00e4mlich die Kopfenden","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"217\nzu mehr oder weniger grofsen Blasen an, welche ich mit jenen Blasen f\u00fcr identisch halten m\u00f6chte, worin Herr Wagner die jungen Saamenthierchen beobachtete. Um die Zeit, wenn sich die Blase vom Schwanzende l\u00f6ste, was ich zwei bis drei Mal gesehen habe, war das frei gewordene Ende desselben schon wieder zu einem kleinen K\u00fcgelchen angeschwollen, welches sp\u00e4ter zum gew\u00f6hnlichen Kopfende des Saamenthierchens heranwuchs.\nAus der Gruppe der Jungermannien zeigt die Gattung Aneura Dumort. sehr bemerkenswerthe Saamenthierchen. Aneura pinguis, dicht an der Seekiiste bei Swinem\u00fcnde wachsend, bringt im Monat August die Antheren, welche ungestielt und in der Substanz des Laubes eingesenkt liegen; einzelne Lappen des Laubes sind ganz wie \u00fcbers\u00e4et mit diesen Antheren, die nach ihrer Reife bei hinzutreten-der Feuchtigkeit aufplatzen und dann die ganze Umgebung mit ihrer Pollenmasse \u00fcberziehen. Gleich nach dem Oeff-nen der vollst\u00e4ndig reifen Antheren erscheinen die verh\u00e4lt-nifsm\u00e4fsig sehr grofsen Saamenthierchen als dicke Ringe, wie es bei a b in Fig. 39. Tab. XII. dargestellt ist; rund herum werden sie durch eine feingek\u00f6rnte Schleimmasse umgeben und dann ist von besonderen Zellen, worin die Saamenthierchen gebildet wurden, nichts mehr zu sehen. * Kommen diese Gebilde auf die Kante zu liegen, so erscheinen sie wie in der Abbildung in c und d dicht daneben; sie zeigen dann drei vollst\u00e4ndige Windungen und die Faser ist so dick, dafs das Thierchen wie von Drath gebildet erscheint. Nach einiger Zeit f\u00e4ngt die Bewegung dieser Saamenthierchen an, es ziehen sich die Windungen auseinander, so dafs sie dergleichen Formen wie in Fig. 40. von a bis d zeigen, und zugleich erkennt man, dafs an :\tdem einen Ende jener drei dickeren Windungen noch ein\nfeiner Faden befindlich ist, der mehr als noch einmal so lang ist und ebenfalls spiralf\u00f6rmig gewunden auftritt. Die Bewegungen sind ziemlich \u00e4hnlich, wie in den fr\u00fcheren F\u00e4llen, nur etwas tr\u00e4ger.\nDas Auftreten der Pollenmasse in den Antheren der","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218\nCharen ist in vieler Hinsicht h\u00f6chst abweichend von demjenigen, in den bisher genannten Pflanzen; bei den Laub-und Lebermoosen bilden die Zellchen, welche die Saa-menthierchen enthalten, mehr oder weniger dicke Massen, wodurch die H\u00f6hle der Antheren gef\u00fcllt wird, bei den Charen dagegen treten diese Zellchen in den Gliedern con-iervenartiger Faden auf, welche auf eine so eigenth\u00fcmliche Weise aneinander gereiht sind, dafs es mir n\u00f6thig erscheint, eine kurze Auseinandersetzung \u00fcber den Bau der Charen-Antheren voranzuschicken, welche man gegenw\u00e4rtig, nachdem mehrere vorl\u00e4ufige Arbeiten, schon vor 10 und 12 Jahren von Kaulfufs, Agardh, Bischoff, von mir u. A. m. erschienen waren, in der Abhandlung des Herrn Fritzsche: Ueber den Pollen*) als ziemlich vollst\u00e4ndig erkannt ansehen kann. Da die Anthere der Gattung Chara kugelrund ist, so nannte man dieselbe auch Globulus, gegenw\u00e4rtig kann es jedoch keinem Zweifel unterliegen, dafs der sogenannte Globulus dieser Pflanzen die wirkliche Anthere ist, und also auch mit keinem anderen Namen belegt werden darf. Die Wand der Charen-Antheren ist aus acht grofsen, plattgedr\u00fcckten, dreieckigen Zellen zusammengesetzt, welche in ihrer Fl\u00e4che so gebogen sind, dafs sie in ihrer Zusammensetzung eine regelm\u00e4fsige Kugel bilden, deren obere H\u00e4lfte aus vier Dreiecken zusammengesetzt ist, die vollst\u00e4ndig schliefsen, wie die vier Dreiecke der unteren H\u00e4lfte an der Stelle ihres gemeinschaftlichen Ber\u00fchrungspunktes regelm\u00e4fsige Ausschnitte zeigen, so dafs dadurch eine Oeflnung \u00fcbrig bleibt, mit welcher die Anthere auf einem mehr oder weniger kurzen Stiele befestigt ist. Wenn sich die reife Charen-Anthere \u00f6\u00f6net, so zerf\u00e4llt ihre Wand in jene acht regelm\u00e4fsigen Dreiecke, welche sich noch durch eine sehr eigenth\u00fcmliche Form, wie durch ihre rothe F\u00e4rbung auszeichnet; diese letztere wird durch eine Schicht von rothen K\u00fcgelchen verursacht, welche auf der inneren Fl\u00e4che derjenigen Zellenwand gelagert ist, die den Inhalt der Anthere\n*) Petersburg 1837. pag 6.","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"219\nzun\u00e4chst umschliefst, w\u00e4hrend die innere Fl\u00e4che der \u00e4u-fseren W\u00e4nde dieser Antherenzellen ungef\u00e4rbt erscheint, wodurch denn der durchsichtige Ring erkl\u00e4rt wird, welchen man stets als den Umkreis einer jeden Charen-Anth\u00e8re unter dem Mikroskope bemerkt. Diese dreieckigen Zellen der Antheren-W\u00e4nde zeigen noch ein sehr niedliches Ansehen durch eine Menge von Strahlen, welche von ihren R\u00e4ndern sehr regelm\u00e4fsig nach der Mitte zu verlaufen und pl\u00f6tzlich enden; diese Strahlen werden durch Einfaltungen der Membran erzeugt, bestehen also stets aus zwei neben einander liegenden Zellenmembranen, welche mehr oder weniger fest miteinander verwachsen sind.\nWird die Anthere vorsichtig ge\u00f6ffnet, so findet man den Inhalt derselben in Form eines kugelrunden Ballens, in welchem eine Anzahl von r\u00f6thlich gef\u00e4rbten, cylinderi-schen R\u00f6hren, welche von dem Mittelpunkte desselben strahlenf\u00f6rmig nach der Oberfl\u00e4che verlaufen, zuerst auffallen; die Zahl dieser R\u00f6hren ist so grofs, als die Zahl der Klappen, welche die Antherenwand zusammensetzt, und die n\u00e4here Untersuchung zeigt sehr bald, dafs diese R\u00f6hren mit dem einen Ende in der Mitte der Fl\u00e4che eines jeden Dreieckes befestigt sind, w\u00e4hrend das andere Ende bis nach dem Mittelpunkte der Anthere verl\u00e4uft und das' selbst mit anderen kleinen Zellen und diese wieder mit noch kleineren verbunden sind, auf welchen sehr zarte confervenartige F\u00e4den befestigt sind. Den Zusammenhang dieser F\u00e4den mit den rothen Schl\u00e4uchen, und dieser mit den dreieckigen Klappen der Antheren, habe ich im Jahre 1826*) zuerst nachgewiesen, und auf beiliegender Tab. XII. habe ich in Fig. 17. eine Darstellung gegeben, welche hier\u00fcber das Wichtigste aus weisen wird. In a b ist daselbst der rothe cylinderische Schlauch dargestellt, welcher mit dem breiten Ende b im Mittelpunkte der inneren F l\u00e2che der dreieckigen Antherenklappe befestigt und mit dem Ende a nach dem Mittelpunkte der Anthere gestellt war\u00ab\n*) S. Linnaea von 1837. Tab. II Fig. 1. etc.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nDie innere Fl\u00e4che dieses Schlauches ist mit ellipsoidischen K\u00fcgelchen bekleidet, welche mehr oder weniger regelm\u00e4\u00dfig gestellt sind und um die Zeit, wenn sich die Anthere der vollkommenen Ausbildung n\u00e4hert, eine r\u00f6thliche F\u00e4rbung zeigen, welche aber sp\u00e4ter in das Gelbliche f\u00e4llt. Ich habe in der Abbildung das Auftreten dieser rothen K\u00fcgelchen nur im oberen Theile des Schlauches von a bis d dargestellt, um zugleich die Rotationsstr\u00f6mung andeuten zu k\u00f6nnen, welche im Inneren dieses Schlauches stattfindet, und auch durch die Richtung der Pfeile angezeigt ist. Sehr oft sieht man, dafs eine einzelne grofse Schleimkugel in diesen Zellen umherkreist, w\u00e4hrend an anderen Stellen nur \u00e4ufserst geringe und feingek\u00f6rnte Schleimmassen vorhanden sind, welche sich unmittelbar an den W\u00e4nden der Zelle umherziehen.\nAn der Spitze dieses rothgef\u00e4rbten Schlauches, welcher bald mehr, bald weniger regelm\u00e4fsig cylinderisch geformt ist, sitzt die gr\u00f6fsere Zelle f, welche von einer wasserhellen Membran gebildet ist, und nur in seltenen F\u00e4llen etwas sichtbaren Schleim zeigt. Auf diesen ziemlich cubisch geformten Zellen sitzen eine Anzahl von kleineren und etwas l\u00e4nglichen Zellen, wovon einige in g, h, i, k und 1 dargestellt sind; es ist nicht ganz leicht die Zahl dieser Zellen in jedem Falle genau anzugeben, doch glaube ich oftmals 6, 7, ja 8 derselben nach allen verschiedenen Richtungen hin bemerkt zu haben. Oft zeigt sich in diesen, ebenfalls ganz wasserhellen Zellchen eine Schleimkugel und einmal, wie bei g, sah ich auch die Rotationsstr\u00f6mung darin; meistens sieht man jedoch, dafs die Schleimmasse, \u00e4hnlich wie in vielen Fadenpilzen, ein schaumartiges Gewebe darin bildet. An dem freien Ende einer jeden dieser Zellchen sieht man, wie es die Darstellung in Fig. 17. zeigt, mehrere gegliederte F\u00e4den, meistens zu drei, wohl auch zu zwei und zu vier befestigt; diese t\u00e4den sind wasserhell, regelm\u00e4fsig cylinderisch geformt, und mehr oder weniger geschl\u00e4ngelt in der Anthere gelagert, sie zeigen 20, 20 bis 30 Glieder und 20 bis 24 soi-\nt","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"221\ncher F\u00e4den geh\u00f6ren zu jedem rothen Schlauche, welcher als der gemeinschaftliche Tr\u00e4ger derselben zu betrachten ist. Da alle diese Tr\u00e4ger mit ihren Zellen und den darauf sitzenden F\u00e4den in dem Mittelpunkte der Anthere zusammenstossen, so kann man sich schon eine Vorstellung davon machen, wie die 8 mal 20 bis 8 mal 30 F\u00e4den, welche von dieser Mitte auslaufen, sich nach allen Richtungen hin schl\u00e4ngeln und dadurch jenen kugelf\u00f6rmigen Ballen bilden, womit die Charen-Anthere gef\u00fcllt ist. Diese F\u00e4den der Charen-Anthere nenne ich Pollenf\u00e4den, auch haben wir schon bei der Gattung Zostera Pollenf\u00e4den statt Pollenk\u00f6rner kennen gelernt, doch waren dieselben ungegliedert. Die Pollenf\u00e4den der Charen sind dagegen gegliedert und in jedem Gliede entwickelt sich eine kugelf\u00f6rmige Schleimzelle, deren Verh\u00e4ltnifs mit gr\u00f6fserer Deutlichkeit in Fig. 20. Tab. XII. aus der Chara vulgaris dargestellt ist; diese kugelrunden Zellchen sind mit den vier eckigen Zellchen in den Antheren der Marchantien zu vergleichen, wovon vorher die Rede war, denn in jeder einzelnen Zelle entwickelt sich ein einzelnes Saamenthierchen von so auffallender Gr\u00f6fse und Gestalt, wie es die daneben stehende Abbildung in Fig. 18. zeigt. Diese Abbildung giebt die Darstellung eines Pollenfadens aus der Zeit der vollkommenen Ausbildung der Anthere; das Schleimzellchen in den einzelnen F\u00e4chern des Fadens ist resorbirt und das darin gebildete Saamenthierchen zeigt sich, mehrfach gewunden den Raum des Gliedes ausf\u00fcllend, und sich mehr oder weniger lebhaft bewegend, bis es die Wand der H\u00f6hle seitlich durchbricht und, wie bei c und d seitlich hervortritt. Ich habe stets bemerkt, dafs diese Saamenthierchen der Charen, wie auch die der \u00fcbrigen genannten Pflanzen mit ihrem dickeren Ende zuerst hervortreten, dafs dieses Ende oft schon 2 und 2~ Windungen aufserhalb des Fadens zeigt, w\u00e4hrend das feine und l\u00e4ngere Ende noch innerhalb des Gliedes ist und sich darin \u00e4ufserst lebhaft hin-und herschl\u00e4ngelt, wie wenn es freiwillig und mit grofser Gewalt zur H\u00f6hle herauswollte, was denn auch nach eint-","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nger Zeit gelingt. Hat man den geh\u00f6rigen Zeitpunkt der vollst\u00e4ndigen Ausbildung der Anthere abgepafst, so sieht man, sobald diese Pollenf\u00e4den frei in Wasser gelegt werden, das Hervortreten der Saamenthierchen mit grofser Schnelligkeit vor sich gehend, so dafs oft Hunderte derselben aufserhalb ihrer Mutterh\u00f6hlen in den F\u00e4den umherLes-en und die auffallendsten Bewegungen zeigen. In den Figuren 22 bis 28. habe ich diese Saamenthierchen der Chara vulgaris in ihren verschiedenen Zusammenkr\u00fcmmungen aus verschiedenen Individuen dargestellt, und man sieht an diesen Abbildungen, welche mit denen der \u00fcbrigen Saamenthierchen der Moose nach gleich starken Vergr\u00f6fserungen ausgef\u00fchrt sind, dafs sich die Saamenthierchen der Cha-ren durch ihre aufserordentliche L\u00e4nge auszeichnen, und dafs man bisher ungef\u00e4hr nur den dritten Theil derselben und zwar meistens nur das dickere Ende derselben gesehen hat. Die Abbildungen zeigen die verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsige Dicke zwischen den beiden Enden der Saamenthierchen so deutlich wie m\u00f6glich; das dickere Ende, welches bei 350maliger Vergr\u00f6fserung und heller Beleuchtung, wie bei den neueren Mikroskopen, sehr deutlich zu sehen ist, zeigt mehrere, oft 3 ja selbst 4 Spiral Windungen, w\u00e4hrend das \u00fcberaus feine Ende mehr als 1^-mal so lang, als das dickere ist und gleichfalls mehrere und zwar weit gr\u00f6fsere Windungen zeigt. Man m\u00f6ge sich \u00fcbrigens eine Vorstellung von der aufserordentlichen Kleinheit dieser Gebilde machen, wenn man die Zahlen folgender Messungen in Betrachtung zieht. Das dickere Ende der Saamenthierchen der Chara vulgaris zeigt die Dicke von Tg\u2014Linie, das feine Ende dagegen die Dicke von h\u00f6chstens y\u00f6w\u00f6 Linie, wobei es denn dem Auge beinahe unbemerkbar wird. Dieses feinere Ende kann man in seinem ganzen Verlaufe nur dann erkennen, wenn das Saamenthierchen abgestorben ist und also ruhig liegt, die Natur desselben ist aber besonders in dem Augenblicke des Absterbens aufzufassen, wenn sich dann dieses feine Ende langsam hin- und herschl\u00e4ngelt und Formen zeigt, wie sie Fig. 25. darstellt. In diesem Zustande","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"223\nist man sicher, den feinen Faden in seinem ganzen Verlaufe beobachtet zu haben. Es ist auffallend, dafs die Bewegungen der Saamenthierchen mit dem fadenf\u00f6rmigen Schw\u00e4nzende voran geschieht, ja bei anhaltend aufmerksamer Beobachtung wird man bemerken k\u00f6nnen, dafs die ganze Bewegung des Saamenthierchens gerade durch die Bewegungen dieses fadenf\u00f6rmigen Schwanzendes verursacht wird. An dem dickeren Ende bemerkt man im Allgemeinen eine blofse Bewegung um die L\u00e4ngenachse, welche mitten durch die Spiralwindungen hindurchlaufend gedacht werden mufs; bei diesen rotirenden Bewegungen, welche die Windungen des dickeren Endes machen, zeigt das fadenf\u00f6rmige Ende meistens sehr lebhafte Bewegungen, welche oft mit dem Auge nicht zu verfolgen sind, wenn man den Fokus des Instrumentes nicht best\u00e4ndig ver\u00e4ndert. Ich habe das ( Vorhandensein des langen fadenf\u00f6rmigen Endes anfangs nur durch die einzelnen dickeren, und scheinbar vibriren-den P\u00fcnktchen erkennen k\u00f6nnen, welche man, wie z. B. bei c und d Fig. 27, und bei e Fig. 25. in einiger Entfernung von dem dickeren Ende bemerkt. Oefters sieht man nur ein einzelnes P\u00fcnktchen der Art, noch \u00f6fters dagegen 2 und selbst 3, und diese P\u00fcnktchen ver\u00e4ndern mit grofser Schnelligkeit ihre Stellung, ja es scheint, als * wenn sie, als die Enden verschiedener Aeste des feinen Fadens, sich gleichfalls um eine L\u00e4ngenachse herumschwingen, was bei den gr\u00f6fseren Windungen dieses Endes nat\u00fcrlich weit schneller erfolgen mufs, als die rotirenden Bewegungen der kleinen Windungen des dickeren Endes. Einige Zeit hindurch war ich der Ansicht, dafs das feine Ende dieser Saamenthierchen ver\u00e4stelt w\u00e4re, und dafs die auffallenden P\u00fcnktchen als die verdickten Enden dieser ; Aeste anzusehen w\u00e4ren, doch an solchen Saamenthierchen, welche abzusterben schienen, indem ihre Bewegungen immer langsamer wurden, konnte ich endlich deutlich beobachten, dafs das fadenf\u00f6rmige Ende in den Saamenthierchen der Charen ebenso wenig ver\u00e4stelt ist, als an denen der \u00fcbrigen niederen Pflanzen, und dafs jene P\u00fcnktchen","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224\nnur durch die Beugung des Fadens verursacht werden, dafs sich dieselben also auch best\u00e4ndig ver\u00e4ndern m\u00fcssen, wenn sich die Windungen desselben ver\u00e4ndern. An dem dickeren Ende der Saamenthierchen der Charen ist es nur \u00e4ufserst selten zu beobachten, dafs sich die spiralen Windungen desselben mehr oder weniger weit von einander ziehen oder wohl gar ganz verschwinden, wie man es in Fig. 26. sieht; meistentheils bleiben diese Windungen unverr\u00fcckt und die ganze Spirale windet sich nur um ihre L\u00e4ngenachse, selbst wenn die Bewegung des Saamenthier-chens fortschreitend ist. Das feine und fadenf\u00f6rmige Ende des Saamenthierchens zeigt dagegen in allen Punkten eine eigene Bewegung, es kr\u00fcmmt sich und windet sich \u00e4hnlich den Vibrionen und den feinen Schw\u00e4nzen der Saamenthierchen der Thiere, was in den verschiedenen Abbildungen auf Tab. XII. dargestellt ist. An den Umbeugungspunkten der Windungen, wo das vorhin erw\u00e4hnte P\u00fcnktchen erscheint, da glaubt man eine flimmernde Bewegung wahrzunehmen \u00e4hnlich wie bei Sphagnum, wor\u00fcber aber erst die besseren Mikroskope k\u00fcnftiger Zeiten Aufschlufs geben k\u00f6nnen; Cilien sind nicht zu sehen, und die Bewegung erscheint oft mehr als eine zitternde, wie bei schnell aufeinander folgenden Zuckungen einer Muskelfaser. Erstreckt sich die Umbiegung des Fadens nach einer anderen Stelle, so h\u00f6rt die vihrirende Bewegung des vorigen Punktes auf und es beginnt eine solche an der anderen Stelle, wo sie ebenfalls sehr bald wieder aufh\u00f6rt. Jedenfalls ist diese Erscheinung ganz \u00e4hnlich der vibrirenden Bewegung an d em Schwanzende der Zoospermen, auf welche Herr Wagner zuerst aufmerksam gemacht hat, die aber durch Herrn v. Siebold mit Unrecht in Zweifel gestellt wurde.\nDie Lebensdauer dieser Saamenthierchen der Charen aufserhalb ihrer Zellen ist nicht absolut zu bestimmen; ich habe dieselben 2, 3 und selbst 4 bis 5 Stunden lang in mehr oder weniger schneller Bewegung beobachtet, und wenn ihre Bewegungen aufzuh\u00f6ren anfingen, so geschah es zuerst am dickeren Ende, welches meistens schon ganz","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"still liegt, wenn sich die Windungen des feinen Fadens noch hin- und herschl\u00e4ngeln, wie es z. B. in Fig. 25. der Fall war. Mehrere Versuche \u00fcber den Einflufs der galvanischen S\u00e4ule auf die Bewegungen dieser und der anderen Saainenthierchen habe ich zwar angestellt, habe aber leider kein Resultat erhalten; eine S\u00e4ule von 20 Plattenpaaren schien keinen Einflufs auf jene Bewegungen zu zeigen.\nEs fragt sich nur noch, wie die Befruchtung bei den Charen erfolgen mag, und obgleich hier durchaus keine \u00bb direkten Befruchtungsversuche angestellt werden k\u00f6nnen, so scheint mir doch die Erkl\u00e4rung dar\u00fcber sehr nahe liegend, denn die Antheren sitzen bei diesen Gew\u00e4chsen fast immer dicht unter der Frucht und diese ist, wie es' sp\u00e4ter | gezeigt werden wird, mit einer Narbe versehen, durch * welche die befruchtende Materie unmittelbar mit der Spitze der Spore in Ber\u00fchrung gelangen kann. Wenn sich die Charen-Anthere \u00f6ffnet, so wird der Inhalt derselben durch Einsaugung von Wrasser so grofs, dafs er die dar\u00fcber sitzende Frucht unmittelbar ber\u00fchren mufs, und die herumschwimmenden Saainenthierchen gelangen sicherlich sehr leicht zur Narbe, denn jede Anthere enth\u00e4lt derselben zwischen 4000 bis 6000St\u00fcck!\nBei den Algen sind bis zur gegenw\u00e4rtigen Zeit noch keine besonderen Antheren-Bildungen aufgefunden, es scheint mir indessen, dafs auch bei diesen Gew\u00e4chsen, so einfach dieselben oftmals gebauet sind, eine der befruchtenden Substanz der h\u00f6heren Pflanzen analoge Bildung auftritt, welche aber nicht mehr, wie bei den bisher betrachteten Gew\u00e4chsen von der Substanz der Saamen getrennt, sondern mit derselben in unmittelbarer Ber\u00fchrung steht; aus - diesem Grunde kann ich diesen Gegenstand erst in der Folge ber\u00fchren, wenn wir die Fruchtbildung der Algen einer speciellen Untersuchung unterwerfen.\nBei den Flechten hat man noch keine Spur einer Organisation gefunden, welche auf eine Verschiedenheit in geschlechtlicher Hinsicht zu deuten w\u00e4re, aber um so mehr\nWeyen, PH. Physiol. III.","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226\nmufs man die Botaniker auffordern, auch bei diesen Gew\u00e4chsen unermiidet darnach zu suchen, denn es ist kaum zu erwarten, dafs dergleichen, oftmals sehr grofse Gew\u00e4chse, ohne geschlechtliche Vorrichtungen ihre Saamen ausbilden sollten.\nAuch die Pilze sind in Hinsicht ihrer Antheren-Bildung noch wenig untersucht, und erst in der neuesten Zeit ist dieser Gegenstand von mehreren Seiten her genauer er\u00f6rtert worden. Es findet sich bei den h\u00f6heren Pilzen eine Verschiedenheit zwischen den der Fortpflanzung vorstehenden Organen, welche man wohl als eine Geschlechts-Verschiedenheit zu deuten berechtigt sein m\u00f6chte. Diejenigen Gebilde, welche man fiir die Pilz-Antheren halten m\u00f6chte, sind jedoch mit den wahren Saamen dieser Gew\u00e4chse in so naher Beziehung stehend, dafs man sie nicht mehr fiir sich allein betrachten kann, und defshalb erscheint es mir vortheilhaft, wenn wir auch diese Gebilde sp\u00e4ter, wenn von der Fortpflanzung der Pilze die Rede sein wird, in Zusammenh\u00e4nge mit der Saamenbildung n\u00e4her er\u00f6rtern, was um so mehr zu entschuldigen sein m\u00f6chte, indem es hier mit der wahren Befruchtung der Saamen noch immer etwas sehr zweifelhaft aussieht.\nII. Von den weiblichen Geschlechts-Organen\nder Pflanzen.\nDie weiblichen Geschlechts-Organe der Pflanzen f\u00fchren den Namen der Staubwege oder der Stempel (Pistil-lum), doch hat sich das Wort Pistill so eingeb\u00fcrgert, dafs es gegenw\u00e4rtig auch im Deutschen, am allgemeinsten zur Bezeichnung der Staubwege benutzt wird. Die Anzahl und die Form der Pistille bei verschiedenen Pflanzen, ist ebenso verschieden, als die der m\u00e4nnlichen Geschlechts-Organe, sie nehmen aber stets den innersten Theil der Blume ein, woselbst sie n\u00e4mlich an oder auf der Spitze der Achse befestigt sind. Das Pistill besteht aus zwei,","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"227\nwesentlich verschiedenen Theilen, welche fast niemals fehlen, n\u00e4mlich aus dem unteren, dem Fruchtknoten (Germen), und aus dem oberen, der Narbe (Stigma); in dem ersteren geschieht die Bildung derEychen (d. s. junge, noch unbefruchtete Saamen), und daher f\u00fchrt er auch den Namen des Eyerstockes (Ovarium), die Narbe dagegen ist zur Aufnahme des Blumenstaubes bestimmt, dessen befruchtende Substanz auf eine Weise zu den Eychen irn Ovarium gef\u00fchrt wird, welche wir in der Folge kennen lernen werden. Bei den meisten Pflanzen sitzt jedoch die Narbe nicht unmittelbar auf dem Eyerstocke, sondern es findet sich noch eine, mehr oder weniger lange R\u00f6hre zwischen diesen beiden Theilen, welche Griffel (Stylus) genannt wird, so dafs alsdann das ganze Pistill, wie es schon Linn\u00e9 lehrte, aus drei Theilen besteht, n\u00e4mlich aus der Narbe, dem Griffel und dem Fruchtknoten oder Eyerstocke.\nMan ist gegenw\u00e4rtig fast ganz allgemein der Ansicht, dafs die Pistille als metamorphosirte Bl\u00e4tter anzusehen sind, dafs sie bald aus einzelnen, bald aus mehreren Bl\u00e4ttern gebildet werden, welche man Fruchtbl\u00e4tter, auch Carp ellarbl\u00e4tter nennt. Man unterscheidet ein einfaches Pistill (Pistillum simplex) und ein mehrfaches Pistill(Pistillum multiplex). Das einfache Pistill bietet jedesmal einen einf\u00e4cherigen Fruchtknoten dar, denn es entsteht aus einem einzelnen Blatte, welches sich in der oberen Fl\u00e4che zusammenkr\u00fcmmt und mit seinen R\u00e4ndern innig verw\u00e4chst (apocarpe Frucht nach Lindl.). Treten aber mehrere Fruchtbl\u00e4tter in einer Blume auf, so k\u00f6nnen diese entweder einzeln, d. h. jedes f\u00fcr sich mit seinen R\u00e4ndern auf \u00e4hnliche Weise verwachsen, wodurch alsdann ebenso viele Pistille auftreten, als Fruchtbl\u00e4tter vorhanden waren, oder diese Bl\u00e4tter verwachsen mit einander und stellen das zusammengesetzte Pistill dar, welches wiederum zwei Hauptverschiedenheiten darbietet. Verwachsen n\u00e4mlich die einzelnen Fruchtbl\u00e4tter nicht mit ihren R\u00e4ndern unter sich, sondern mit den R\u00e4ndern der benachbarten Bl\u00e4tter, so entsteht dadurch ein einf\u00e4cheriger\n15 *","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nFruchtknoten (syncarpe Frucht nach Lindl.) ; verwachsen aber die einzelnen Fruchtbl\u00e4tter mit ihren R\u00e4ndern unter sich, und verwachsen die dadurch entstandenen Seitenw\u00e4nde wieder mit den angrenzenden Seitenw\u00e4nden der danebenstehenden Fruchtbl\u00e4tter, so entsteht dadurch ein mehrf\u00e4cheriger Fruchtknoten *).\nIn jedem mehrf\u00e4cherigen Fruchtknoten stimmt die Zahl der Scheidew\u00e4nde (Dissepimenta) mit der Zahl der Carpelle \u00fcberein; die Scheidew\u00e4nde in denselben k\u00f6nnen aber auch durch blofse blattartige Ausbreitungen gebildet werden, welche von der Mittelrippe der Carpellarbl\u00e4tter auslaufen und in der Achse des Fruchtknotens zusammen-stofsen, wo also die Scheidew\u00e4nde nicht durch Verwachsung der Seiten angrenzender Carpelle entstehen, dieses findet, meiner Ansicht nach, bei den Liliaceen u. s. w. statt.\nDie Benennung: Eyerstock oder Ovarium ist sowohl auf den Fruchtknoten des einfachen als des zusammengesetzten Pistilles zu beziehen, und derjenige Theil in jedem Ovario oder Fruchtknoten, welcher die Eychen unmittelbar tr\u00e4gt, heifst der Mutterkuchen (Placenta), dessen Bestimmung f\u00fcr die systematische Botanik von gr\u00f6fster Wichtigkeit ist. Auch hier mufs \u00fcber diesen Gegenstand im Allgemeinen gesprochen werden, indem derselbe bei der morphologischen Deutung der Pistille von der gr\u00f6fsten Wichtigkeit ist, und sich in neuester Zeit hier\u00fcber sehr verschiedene Ansichten gebildet haben.\nBei den Gew\u00e4chsen mehrerer sehr grofser Familien ist die Placenta ganz entschieden die Fortsetzung der Achse, welche sich durch die Blume hindurchzieht und zuletzt\n*) Anmerkung. Herr De Candolle hat den Namen Carpella (Carpella) f\u00fcr das Fruchtblatt eingef\u00fchrt, es w\u00e4re indessen vielleicht w\u00fcnschenswert, dafs man nur die mit ihren R\u00e4ndern zu Eyer-tragenden Beh\u00e4ltern verwachsenen Fruchtbl\u00e4tter mit jenem Namen belegte, und diejenigen Fruchtbl\u00e4tter, welche mit den Pf\u00e4ndern der danebenstehenden Fruchtbl\u00e4tter verwachsen sind, als Carpellarbl\u00e4tter bezeichnen wollte; in diesem Sinne wenigstens -\\yerde ich mich in der Folge jener Benennungen bedienen.","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"229\nvon den Carpellarbl\u00e4ttern umfafst wird. Ist das Pistill einfach, wie bei der Gattung Urtica, so steigt das Eycnen als die \u00e4ufserste Spitze der Blumen-Achse hervor, und um diese Achse herum bildet sich das Carpell; ich habe diese Bildung an Urtica urens mehrmals verfolgen k\u00f6nnen und auch auf Tab. XIV. Fig. 1 bis 3. mehrere Darstellungen davon gegeben. In Fig. 1. ist a der Blumenstiel, b, c und d zeigen drei Bracteen, w\u00e4hrend die vierte dahinter liegt; ff ist das heraufwachsende Carpeilarblatt, aus welchem e, die Spitze des Nucleus hervorsticht. In Fig. 2. sieht man die Bildung des Carpelles in einem schon weiter vorgeschrittenen Zustande, und in Fig.3. ist das Carpell schon v\u00f6llig geschlossen; gleich nach dem ersten Sichtoarwerden zeigte sich das Carpell als eine t\u00fctenf\u00f6rmige Bildung, und zu keiner Zeit habe ich es als ein offenes Blatt beobachten k\u00f6nnen, welches erst mit seinen R\u00e4ndern verw\u00e4chst. Bei dem einf\u00e4cherigen Fruchtknoten der Polvgoneen verh\u00e4lt sich die Stellung der Placenta zu dem Carpel! ganz in derselben Art, nur wird das Eychen hier schon etwas \u00fcber die Spitze der Achse hinausgeschoben und tritt gestielt auf; dieser Stiel f\u00fchrt den Namen der Nabelschnur. Noch l\u00e4nger wird die Nabelschnur bei den Chenopodeen und den Plumbagineen, aber das Verh\u00e4ltnis der Placenta zu den Carpellw\u00e4nden bleibt immer dasselbe; sie ist eine Placenta centralis.\nIn anderen F\u00e4llen verl\u00e4ngert sich die Achse und es erscheint die Placenta frei im Inneren der H\u00f6hle des Ovarium's, und reicht zuweilen mit ihrer Spitze bis in den Griffelkanal hinein, wie bei Primula und den Primulaceen im Allgemeinen. In solchen F\u00e4llen ist die placenta centralis eine freie (libera).\nIn den meisten F\u00e4llen ist die Placenta an den W\u00e4nden der Carpellarbl\u00e4tter zu finden und heifst dann placenta parietalis; sie zeigt sich in diesen F\u00e4llen meistens als wulstf\u00f6rmige Hervorragungen und hat bei verschiedenen Gattungen und Familien wiederum sehr verschiedene Lage; am h\u00e4ufigsten findet sie sich an den R\u00e4ndern der Carpellar-","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nblatter, welche sich vereinigt haben, in anderen F\u00e4llen sind die Mittelrippen der Carpellbl\u00e4tter hervortretend und die Eychen sitzen zu beiden Seiten derselben; endlich zeigt sich die ganze innere Fl\u00e4che des Carpellblattes als Placenta, indem scheinbar an allen Punkten derselben Eychen entstehen k\u00f6nnen, wie z. B. bei den Nymphaeen.\nF\u00fcr den mehrf\u00e4cherigen Fruchtknoten hat schon Herr De Candolle *) die Stellung der Carpelle sehr genau untersucht; sie sind nach verschiedener Weise geordnet, als z. B. : Die Carpelle stehen wirtelf\u00f6rmig um eine Achse, der unmittelbaren Fortsetzung des Blumenstieles, und sind mit ihren Kanten, welche aus den verwachsenen R\u00e4ndern der einzelnen Carpellbl\u00e4tter gebildet werden, an der Achse befestigt, wie bei den Malvaceen. Aehnlich verh\u00e4lt es sich bei den Euphorbiaceen und besonders sch\u00f6n bei Ricinus. Bei den Geranieen sind die Carpelle quirlf\u00f6rmig um die Spitze der Achse gestellt, aber herabh\u00e4ngend und der L\u00e4nge nach mit der fadenf\u00f6rmigen Centralachse verwachsen. Bei den Crassulaceen, bei den Gattungen Aqui-legia, Illicium u. s. w. ist die Achse so kurz, dafs man sie h\u00e4ufig gar nicht hervorstehend bemerkt, und die Carpelle stehen hier aufrecht rund um den Rand der Spitze dieser Achse. Besondere Aufmerksamkeit verdient die \u00e4hrenf\u00f6rmige Stellung der Carpelle um eine Centralachse, wie es die Magnolien, der Tulpenbaum, Myosurus u. s. w. sehr deutlich zeigen. Endlich k\u00f6nnen die Carpelle bei einer ganz kurzen und sehr dicken Achse dicht zusammengedr\u00e4ngt auftreten, und kopff\u00f6rmige Anschwellungen bilden, wie bei den Gattungen Rubus, Fragaria, An-nona, Ranunculus u. s. w. Bei der Erdbeere, wo die Fruchtbildung so auffallend erscheint, ist eben die Achse stark angeschwollen und fleischig.\nEs ist bekannt in wie mannigfaltigen Formen der Fruchtknoten verschiedener Gew\u00e4chse bei seiner Ausbildung zur Frucht erscheint, und es ist oft sehr schwer die\n*) Organogr. v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 474.","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"231\nreife Frucht in Hinsicht ihrer Zusammensetzung zu deuten. In den fr\u00fcheren Zust\u00e4nden derselben geht man ganz sicher, wenn man die Zahl der Carpelle nach der Zahl der Griffel bestimmt, doch lasse man sich hier nicht etwa durch blofse Theilung der Griffelspitzen t\u00e4uschen; jeder Griffel hat in seinem Inneren einen Kanal, welcher die befruchtende Substanz zu den Saatnen im Carpell f\u00fchrt, und so viel dergleichen Griffel in einer Blume vorhanden sind, so viele Carpelle sind auch in derselben zu finden; doch k\u00f6nnen auch diese Griffel wieder miteinander verwachsen.\nNach diesen n\u00f6thigen Vorausschickungen kommen wir zur n\u00e4heren Betrachtung der Gebilde, aus welchen die Carpelle, so wie \u00fcberhaupt die ganzen Pistille hervorgehen. Die Pistille treten im innersten Theile der Blume auf, welcher zugleich die \u00e4ufserste Spitze der Achse ist, die sich bald mehr, bald weniger lang durch die Blume hindurchzieht, meistens aber so kurz ist, dafs man nur zu h\u00e4ufig diese Achsenbildung \u00fcbersehen hat, und dadurch zu der Ansicht gelangt ist, als st\u00e4nden die Fruchtbl\u00e4tter, welche die Pistille bilden nicht an und neben der Achse, sondern unmittelbar auf der Achse, und dafs gerade dadurch die Verl\u00e4ngerung des Achsengebildes in dem bl\u00fchenden Aste stets vollkommen abgeschlossen wird. Schon die Prolificationen, welche doch gar nicht so selten sind, h\u00e4tten beweisen k\u00f6nnen, dafs man eine solche Ansicht nicht als allgemein geltend aufstellen d\u00fcrfte. Noch allgemeiner herrscht die Ansicht, dafs die Pistille aus meta-morphosirten Bl\u00e4ttern bestehen, und da diese Bl\u00e4tter bei der Bildung der Frucht den wesentlichsten Antheil haben, so nennt man sie Fruchtbl\u00e4tter, welche dann als die oberste und letzte Blattmetamorphose anzusehen sind. Herr von Martius erkennt diejenigen Bl\u00e4tter als die vollst\u00e4ndigsten, welche mit gesondertem Scheidentheile, mit besonderem Blattstiele und mit der eigentlichen blattartigen Ausbreitung versehen sind; diese drei Theile findet er auch, d. h. jeden auf eine eigenth\u00fcmliche Weise umgestaltet, in dem einfachen Pistille wieder, n\u00e4mlich den Scheidentheil in dem","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nFruchtknoten, den Blattstiel in dem Griffel und die Blattflache m der Narbe. Indessen dieser Ansicht steht wiederum die Thatsache entgegen, dafs sich in vielen Bliithen wirkliche Stiele entwickeln, welche die Fruchtbl\u00e4tter gleich wirklichen Blattstielen emporheben, und diese Stiele kommen sowohl bei einbl\u00e4tterigen, als bei getrenntbl\u00e4tterigen wie auch bei verwachsenen Pistillen vor, sind oft zolllang und wie in dem letzteren Falle ebenfalls verwachsen.\nMan hat auch eine Reihe von Gr\u00fcnden aufgef\u00fchrt, welche erweisen sollten, dafs in dem Fruchtblatte die tiefere Blattbildung wieder zu erkennen ist; als solche f\u00fchre ich uur an: Die gr\u00fcne Farbe, das Vorkommen der Hautdr\u00fcsen mit ihren Spalt\u00f6ffnungen, die blattartige Form und die hlattartige Stellung, welche die Fruchtbl\u00e4tter mit den gew\u00f6hnlichen gemein haben; doch es liefse sich wohl sehr bald beweisen, dafs alle diese Gr\u00fcnde zusammengenommen, noch lange nicht die Identit\u00e4t jener Gebilde darthun; aus ihnen k\u00f6nnte man ebensowohl die blattartigen Ausbreitungen des Cactus-Stengels f\u00fcr wahre Bl\u00e4tter erweisen wollen. Man giebt auch wohl die gleichartige Vertheilung der Nerven in den Bl\u00e4ttern und in den Fruchtbl\u00e4ttern an, indessen diese ist in der Natur nicht vorhanden, wie es selbst von Herrn Bischof!'\") sehr richtig beobachtet ist, obgleich derselbe einer der eifrigsten Vertheidiger der Bl\u00e4ttermetamorphose ist.\nMir scheint es, dafs die Beobachtung nichts weiter lehrt, als dafs die Fruchtbl\u00e4tter, welche die einzelnen Pistille bilden, bei ihrem ersten Erscheinen blattartig auftre-ten, dafs man daraus zwar auf eine entfernte Aehnlichkeit zwischen diesen Gebilden der Pflanzen und den gew\u00f6hnlichen Bl\u00e4ttern schliefsen k\u00f6nne, aber noch lange nicht als erwiesen ansehen d\u00fcrfe, dafs die Fruchtbl\u00e4tter durch Metamorphose aus den gew\u00f6hnlichen Bl\u00e4ttern hervorgehen. Es verh\u00e4lt sich hiermit ganz \u00e4hnlich, wie mit der morphologischen Deutung der Antheren, deren Structur bei ihrem\n*) Lehrbuch der Botanik. I. pag. 366.","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"233\nersten Auftreten wahrlieh sehr verschieden von derjenigen eines gew\u00f6hnlichen Blattes ist *).\nWir haben kennen gelernt, dafs die Placenta beiverschie-denenGew\u00e4chsen an verschiedenen Theilen der inneren Fl\u00e4che der Fruchtbl\u00e4tter ihren Sitz hat, und da die Eychen aus denselben unmittelbar hervorwachsen, gleich den Knospen aus wirklichen Bl\u00e4ttern, so glaubte man auch hierin eine Best\u00e4tigung zu finden, dafs das Carpellarblatt aus einem gew\u00f6hnlichen Blatte hervorgehe; und da die Eychen bei vielen Gew\u00e4chsen sehr nahe den R\u00e4ndern der Nath des Carpellarblattes Vorkommen, so glaubte man hierin ganz f dieselbe Erscheinung wiederzufinden, welche wir fr\u00fcher bei dem Blatte von Bryophyllum calycinum (pag. 44.) kennen gelernt haben. Es ist allerdings auch nicht zu bestreiten, dafs zwischen diesen beiden Erscheinungen einige Analogie j herrscht, doch die Verschiedenheit dabei hat man ganz \u00fcbersehen. Die Eychen treten einmal nicht auf den R\u00e4ndern auf, wie die Knospen bei den Bryophyllen, sondern sie treten in der N\u00e4he des Randes, aber stets auf der inneren Fl\u00e4che des Carpellarblattes auf, welche die obere des blattartigen Gebildes ist, woraus das Carpell zusammengesetzt wurde. Auch ist hier die Placenta in ihrem ganzen Verlaufe auf dicken Randnerven gelagert, welche \u00e9 jenen Bl\u00e4ttern des Bryophyllum\u2019s fehlen. Wir sehen also auch hierin immer nur entfernte Analoga; gr\u00f6fser m\u00f6chte dieselbe noch in solchen F\u00e4llen sein, wo die Eychen zu den Seiten der hervortretenden Mittelrippe des Carpellarblattes gelagert sind, wie bei den Liliaceen, denn wir haben es besonders bei den Farm kennen gelernt, dafs die Knospen auch neben den Haupt- und neben den Seiten-nerven hervortreten; doch auch hier beobachten wir diese ; Erscheinung meistens auf der unteren Blattfl\u00e4che, w\u00e4hrend\n*) Anmerkung. Ich weifs sehr wohl, dafs man mich dieser Ansichten wegen sehr anfeinden wird, denn der gr\u00f6fste Theil der Botaniker wird sie f\u00fcr ketzerisch erkl\u00e4ren, doch ich werde in einem anderen Buche speciell nachzuweisen suchen, dafs meinen Ansichten wirkliche Beobachtungen zum Grunde liegen.","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nsie bei clem Carp ellarblatte auf der oberen Blattfl\u00e4che vorkommt.\nAm auffallendsten ist es aber, dafs die meisten Botaniker fast ganz allgemein angenommen haben, dafs die Ey-chen immer aus den R\u00e4ndern der Carpellarbl\u00e4tter hervorgehen, ja dafs sie dieses sogar f\u00fcr die F\u00e4lle mit einer placenta centralis zu erweisen suchen, wobei nat\u00fcrlich eine Hypothese auf die andere geh\u00e4uft werden mufs; da mufs man bald wie bei mehrbl\u00e4tterigen und einh\u00e4usigen Ovarien die Scheidew\u00e4nde verschwinden und die gr\u00f6fste Zahl der Eychen abortiren, bald mufs man Abortus ganz nach Will-kiihr eintreten lassen. Die vorurtheilsfreie Beobachtung der Natur wird gewifs sehr bald von der Unhaltbarkeit jener Ansichten \u00fcberzeugen; man fasse die Gegenst\u00e4nde aber \u00e9 ganz so auf, wie sie sich der Beobachtung darbieten, und denke nicht immer daran, wie sich dieselben nach den herrschenden Ansichten \u00fcber die morphologische Deutung der Fruchtbildung erkl\u00e4ren lassen.\nNeuerlichst haben wir durch Herrn Schleiden *) eine andere Deutung \u00fcber das Auftreten der Pflanzen-Eychen erhalten; derselbe glaubt, dafs wenn man die Eychen als Knospen deuten will, dafs man alsdann auch consequent j h\u00e4tte weiter schliefsen m\u00fcssen, und die Placenta als eine umgewandelte Axe ansehen. Hieraus kann man sehen, dafs Herr Schleiden eine Ansicht \u00fcber die Bedeutung desjenigen Pflanzentheiles, welcher die Eychen tr\u00e4gt, aufstellt, welche der fast allgemein herrschenden ganz entgegensteht; w\u00e4hrend die meisten Botaniker die Eychen aus den R\u00e4ndern der Carpellarbl\u00e4tter hervorwachsen lassen, entstehen dieselben nach Herrn Schleiden\u2019s Ansicht einzig und allein aus dem Achsengebilde. Dafs man diese Erkl\u00e4rung als die alleinig richtige schon a priori h\u00e4tte annehmen m\u00fcssen, dazu ist wahrlich kein hinreichender Grund vorhanden, denn wir haben fr\u00fcher kennen gelernt, dafs die Knospen\n*) Einige Blicke auf die Entwickelungsgeschichle des vegetab. Organismus etc. \u2014 Wiegmann's Archiv. 1837. I. pag. 298.","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"235\nauch an den Bl\u00e4ttern auftreten, und w\u00e4re es auch nur in dem einzigen Falle, wie bei Bryophyllum calycinum, so w\u00e4re schon dieser hinreichend jene Annahme zu begr\u00fcnden, denn die Vermuthung, dafs das Blatt von Bryophyllum vielleicht nur eine blattartige Ausbreitung des Stengels ist, wie sie Herr Schleiden ausgesprochen, ist wohl ohne Grund. Doch wir kommen zur ferneren Beweisf\u00fchrung, welche Herr Schleiden f\u00fcr seine Annahme giebt; sehr richtig wird gleich im Voraus bemerkt, dafs wir in allen F\u00e4llen mit einer placenta centralis libera, und noch weniger bei solchen, wo das Eychen aus der Spitze der Achse hervorkommt, wie bei den Polygoneen, bei Taxus, Juglans u. s. w. keinen Augenblick in Zweifel sein k\u00f6nnen, dafs das Eychen unmittelbar aus dem Achsengebilde hervortritt. Wie wird nun aber die placenta parietalis I nach jener Ansicht zu erkl\u00e4ren sein? Zur Beantwortung dieses wichtigen Punktes sagt Herr Schleiden: \u201eWir finden schon bei vielen Aroideen, das Ende der Achse scheibenf\u00f6rmig ausgebreitet, und auf dieser Fl\u00e4che eine Menge Knospen als Eychen tragen, \u00e4hnlich wie es bei den Syn-antheren und anderen Familien unterhalb der Blumenknospen etwas Gew\u00f6hnliches ist, wir finden diese Scheibe dann in lappige Forts\u00e4tze ausgezogen, und mit den R\u00e4ndern der p Carpellarbl\u00e4tter verwachsen bei allen wandst\u00e4ndigen oder pseudocentralen Placenten, eine Modification des Stengelgebildes, die man z. B. bei Dorstenia findet, auch k\u00f6nnte man die wandst\u00e4ndigen Placenten eben so gut und vielleicht einfacher und naturgem\u00e4fser als eine blofse Ver\u00e4stelung der Achsen deuten. \u2014 Endlich finden wir die Achse becherf\u00f6rmig ausgedehnt bei den Pflanzen, wo die ganze Wand des einf\u00e4cherigen Ovarium\u2019s mit Ovulis besetzt ist,\n- wie wir eine \u00e4hnliche Umbildung des Stengels bei vielen Rosaceen und bei Ficus sehen, u. s. w.\u201c Es wird gewifs sehr bald in die Augen fallen, dafs hier zwischen den zu Gunsten der aufgef\u00fchrten Ansicht angegebenen Thatsachen ein grofser Sprung gemacht ist, n\u00e4mlich zwischen der scheibenf\u00f6rmigen Ausbreitung der Achsenspitze bei den Synan-","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\ntlieren und den lappigen Forts\u00e4tzen, in welche jene Scheibe ausgezogen und mit den R\u00e4ndern der Carpellarbl\u00e4tter verwachsen sein soll; diese letztere Angabe ist nicht durch Beobachtungen erwiesen, sie ist eine blofse Hypothese, deren Unwahrscheinlichkeit schon einem Jeden hervorleuchten wird, der gerade nicht ganz fur die neue Ansicht im Voraus eingenommen ist. Beobachtet man aber die Carpellarbl\u00e4tter mit solchen wandst\u00e4ndigen Placenten in ihrem j\u00fcngsten Zustande, so wird man, wie ich glaube, sich \u00fcberzeugen, dafs jener Hypothese keine Thatsachen zum Grunde liegen. Ich bin dagegen der Ansicht, dafs man wahrscheinlich am naturgem\u00e4fsesten diesen fraglichen Gegenstand deutet, wenn man in denjenigen F\u00e4llen, wo die Carpellarbl\u00e4tter unmittelbar auf der Spitze der Achse t sitzen, dieselben als blattartige Ausbreitungen ansieht, die durch Theilung oder Ver\u00e4stelung der Achse selbst hervor^ gehen, oder sie \u00fcberhaupt als Verl\u00e4ngerungen der Achsenspitze betrachtet. Man unterwerfe das Pistill der Liliaceen einer genauen Untersuchung und achte auf den Uebergang der Gef\u00e4fsbiindel des Bliithenstiels in die Carpellarbl\u00e4tter, und man wird sich \u00fcberzeugen, dafs die Verkeilung der Gef\u00e4fsbiindel wohl auf eine Theilung des Bl\u00fcthenschaftes j schliefsen l\u00e4fst, aber keineswegs auf eine Theilung desselben in die blofsen Placenten neben demAbgange der Carpellarbl\u00e4tter.\nNachdem wir \u00fcber die Bedeutung und den Bau des f Fruchtknotens ausf\u00fchrlicher gesprochen haben, werden wir uns bei der Betrachtung des GriffeFs (Stylus) weniger aufzuhalten brauchen; er ist der weniger wesentliche Theil des weiblichen Geschlechtsorganes, ist bei verschiedenen Gattungen und Arten verschieden lang, oft von 6, 7 bis 9 Zoll und dar\u00fcber, wie z. B. bei Colchicum, deren Zwiebeln sehr tief liegen, und bei den langen Blumen der Datura arborea; w\u00e4hrend er in anderen F\u00e4llen, z. B. bei vielen Liliaceen, bei dem Mohne, den Nymphaeen so kurz wird, dafs er kaum noch, als ein besonderer Theil des Pistills angef\u00fchrt werden kann.","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"237\nDer Griffel ist stets die unmittelbare Fortsetzung des Carpellarblattes ; in ihm setzt sich die H\u00f6hle des Fruchtknotens unmittelbar fort, welche dann in der Spitze desselben, der Narbe, zur Oberfl\u00e4che kommt. Der Griffel zeigt in allen F\u00e4llen diese H\u00f6hle, doch bald ist dieselbe mehr, bald weniger weit, und oftmals durch eigenthiimli-ches Zellgewebe beinahe ganz verschlossen. Diese H\u00f6hle ffes Griffels f\u00fchrt den Namen Griffel- oder Styluska-nal; sie wurde von Malpighi*) entdeckt und mit den Tuben bei den Thieren verglichen, w\u00e4hrend der Fruchtknoten oder der unterste Theil des Pistills mit dem Uterus der Thiere in Analogie gestellt wurde. Der Bau des Griffels richtet sich ganz nach dem Baue des Fruchtknotens; bei dem einfachen Fruchtknoten ist der Griffel die Fortsetzung des einzelnen Carpellarblattes, und bei dem zusammenge-1 setzten Fruchtknoten hat jedes Carpell seinen eigenen Griffel, m\u00f6gen die Carpelle ganz frei stehen, oder m\u00f6gen sie mehr oder weniger mit einander verwachsen sein. Und eben dasselbe gilt auch f\u00fcr die F\u00e4lle, wo die Griffel der verschiedenen Carpelle mehr oder weniger dicht mit einander verwachsen sind. Bei den einf\u00e4cherigen und mehrbl\u00e4tterigen Carpellen dagegen sind die Forts\u00e4tze der einzelnen Fruchtbl\u00e4tter ganz ebenso mit ihren seitlichen R\u00e4ndern f verwachsen, und bilden den, im Inneren hohlen Stylus, wie sie durch Verwachsung den Fruchtknoten bildeten. In vielen F\u00e4llen laufen die einzelnen Bl\u00e4tter an der Spitze des Griffels wiederum getrennt und in mannigfaltigen For--\u00ce- men aus, auf deren \u00e4ufserster Spitze alsdann die Narbe sitzt; hier k\u00f6nnte man sehr leicht verleitet werden, die einzelnen Forts\u00e4tze der Carpellarbl\u00e4tter f\u00fcr eigene Griffel zu halten, wie z. B. bei Polygonum, wozu in Fig. 9. Tab.\n: XIV. eine Darstellung gegeben ist; hier bei Polygonum aviculare sind b, b, b dergleichen Griffelforts\u00e4tze, welche kugelf\u00f6rmige Narben, d, d, d tragen. Bei den meisten Gr\u00e4sern, wo die Griffel eigentlich ganz und gar fehlen\n*) Anatome plant. I, 1675. pap. 50 \u2014 52.","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nund nur die Narbe in zwei, mehr oder weniger lange Lappen getheilt ist, da hat man ganz gew\u00f6hnlich von mehreren Griffeln gesprochen, aber sie besitzen nur ein einbl\u00e4tteriges, einfaches Ovarium mit einer zweitheiligen, unmittelbar darauf sitzenden Narbe. In F\u00e4llen wo es zweifelhaft sein k\u00f6nnte, ob dergleichen Forts\u00e4tze der Carpellarbl\u00e4tter wirkliche Griffel sind, da bringt die Beobachtung der Querschnitte den Gegenstand sehr bald ins Reine, denn jeder wahre Griffel hat einen Kanal im Inneren, wenn derselbe auch noch so dicht mit Zellengewebe verschlossen ist. Es ist h\u00f6chst auffallend, dafs man das allgemeine Vorkommen des Griffelkanales so lange \u00fcbersehen hat, da schon Malpighi von demselben ganz allgemein spricht.\nDie Form und die Auskleidung des Griffelkanales ist bei verschiedenen Pflanzengattungen mannigfach verschieden, zuweilen ist der Kanal in seinem ganzen Verlaufe cylinderisch, zuweilen nimmt er nach Unten zu, an Umfang ab, oder auch, wie in anderen F\u00e4llen, er nimmt an Umfang zu. In selteneren F\u00e4llen ist er dicht unter der Narbe verengt, nimmt dann an Umfang wieder zu, und tiefer nach Unten verengert er sich abermals, wie man sich durch Querschnitte in verschiedenen H\u00f6hen des Griffels davon \u00fcberzeugen kann. Bei den einf\u00e4cherigen und mehrbl\u00e4tterigen Fruchtknoten zeigt die Griffelh\u00f6hle wiederum sehr verschiedene Formen, bei dreibl\u00e4tterigen Pistillen ist sie ebenfalls gleichsam dreitheilig, wie es so besonders sch\u00f6n an den Griffeln der Lilien und der Kaiserkrone zu sehen ist; doch alle diese Verschiedenheiten sind weniger von physiologischem Interesse, m\u00fcssen aber zu genaueren systematischen Beschreibungen benutzt werden. Von gr\u00f6fserer Wichtigkeit ist dagegen die Auskleidung der inneren Fl\u00e4che der Griffelh\u00f6hle; in den meisten F\u00e4llen ist dieselbe mit mehr oder weniger grofsen Papillen bedeckt, welche durch warzenf\u00f6rmige Erhebungen der \u00e4ufseren Zellenw\u00e4nde gebildet werden; diese Bekleidung setzt sich auf der ganzen Fl\u00e4che bis zur Spitze des Griffels fort, und hier spricht sie sich meistens noch viel deutlicher aus, so","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"239\ndafs gerade defshalb diese \u00e4ufserste Ausbreitung des Griffelendes mit einem besonderen Namen, n\u00e4mlich dem der Narbe belegt wird. Die Bekleidung der Griffelh\u00f6hle mit Papillen zeigt sich sowohl in solchen F\u00e4llen, wo die H\u00f6hle sehr weit ist, wie auch in solchen, wo sie sehr eng ist; im ersteren Falle werden alsdann diese Erhebungen der \u00e4ufseren Zellenw\u00e4nde sehr grofs und mehr haarf\u00f6rmig, aber in beiden bleibt noch immer mehr oder weniger viel leerer Raum \u00fcbrig, welcher \u00fcberall hinreichend f\u00fcr den Durchgang der Pollenschl\u00e4uche ist, welche die befruchtende Substanz, wie wir es sp\u00e4ter noch ausf\u00fchrlicher kennen lernen werden, bis zu den Eychen im Ovario f\u00fchren. In vielen F\u00e4llen ist die Fl\u00e4che der Griffelh\u00f6hle ganz glatt, in anderen dagegen treten um die Zeit, wenn die Befruchtung vor sich gehen soll, sehr beachtenswerthe Ver\u00e4nderungen des Zellengewebes ein, auf welche zuerst Herr R. Brown *) bei den Orchideen aufmerksam machte; nach den Beobachtungen dieses ber\u00fchmten Botanikers zeigten sich in der Griffelh\u00f6hle der Bonatea, gerade um die Zeit, wenn die Befruchtung vor sich zu gehen anf\u00e4ngt, mehr oder weniger lange R\u00f6hren, welche muk\u00f6se R\u00f6hren genannt wurden. Der Anfang ihrer Entstehung zeigte sich im Zellengewebe der Narbe und sie waren schwer von den Pollenr\u00f6hrchen zu unterscheiden, im Herabsteigen nach dem Ovario nahmen sie sowohl an L\u00e4nge als an Menge zu. lieber den Ursprung dieser muk\u00f6sen R\u00f6hren blieb jedoch ihr Entdecker in Zweifel, derselbe l\u00e4fst sich jedoch sowohl bei Orchideen, als bei einigen Liliaceen durch anhaltende Beobachtung verfolgen, und damit man stets sicher ist, dafs man bei dieser Untersuchung nicht etwa mit Pollenschl\u00e4uchen zu thun hat, so mufs man bei solchen Blumen schon vor der Ausstreuung des Pollens die Antheren entfernen. Diese muk\u00f6sen R\u00f6hren sind keine neuen Bildungen, sondern sie bilden die innersten Zellenschichten\n*) Nachtr\u00e4gliche Beobachtungen \u00fcber die Art der Befruchtung bei den Orchideen. \u2014 Vermischte Schriften. Herausg. von Nees v. Esenbeck. V. pag. 443 etc.","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\ndes Griffels und sind in j\u00fcngeren Zust\u00e4nden desselben ganz fest mit einander verwachsen, so wie es bei dem \u00fcbrigen Zellengewebe der Fall ist. Um die Zeit der Befruchtung jedoch, sie mag erfolgen oder nicht, wird bei diesen und vielen anderen Pflanzen eine bedeutende Menge \\on Schleim im Inneren der Griffelh\u00f6hle abgesondert, und gerade diese Zeilen sind es, welche dieser Absonderung vorstehen und sich dabei zugleich von einander trennen, so dafs sie sp\u00e4ter ganz lose oder mehr oder weniger ver-\nm\to\neinzelt in dem Schleime des Griffelkanals liegen. Mitunter sind diese aus ihrem Zusammenh\u00e4nge getretenen Zellen nicht bedeutend lang und dann sind sie durch ihre (Querw\u00e4nde von den Pollenschl\u00e4uchen, die sich bei der Befruchtung hindurchdr\u00e4ngen, bald zu unterscheiden, es giebt aber F\u00e4lle, wo auch diese sogenannten muk\u00f6sen R\u00f6hren gleich den Pollenschl\u00e4uchen 5, 6 und 7 Zoll lang sind, und von diesen h\u00f6chstens durch den Inhalt zu unterscheiden sind; wenn dann die spermatische Substanz aus den Pollenschl\u00e4uchen hinausgelaufen ist, so erscheinen diese den muk\u00f6sen R\u00f6hren fast vollkommen \u00e4hnlich, und sind nur sehr selten mit Bestimmtheit von einander zu unterscheiden. Ich k\u00f6nnte hier eine Reihe von speziellen Beobachtungen auff\u00fchren, wobei ich die muk\u00f6sen R\u00f6hren von sehr verschiedener L\u00e4nge in einer und derselben Pflanze beobachtet habe, in den oberen Theilen des Griffels sind sie alsdann gew\u00f6hnlich k\u00fcrzer und mehrere solcher Schl\u00e4uche sind oftmals mit ihren Grundfl\u00e4chen aufeinandergesetzt, so wie sie fr\u00fcher in ihrer Verbindung* Vorkommen, wobei sie aber als gew\u00f6hnliche prismatische und langgestreckte Parenchym-Zellen erschienen ; erst nach der Lostrennung durch die Schleimabsonderung nehmen diese, mehr oder weniger langgestreckten Zellen, eine Cylinderform an. Am auffallendsten erschienen mir diese muk\u00f6sen R\u00f6hren bei den Cereen, wo die Fl\u00e4che des Griffelkanales sehr niedlich mit Papillen ausgekleidet ist, welche bei einigen Arten meistens noch von gelblicher Farbe sind und sich dadurch von dem darunter liegenden Zellengewebe","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"241\nschon fiir das blofse Auge unterscheiden. Unter dieser mit Papillen versehenen Zellenschicht liegt eine Schicht von jenen muk\u00f6sen R\u00f6hren, welche durch die Schleimabsonderung auseinander getrieben werden und sich in jeder Hinsicht den Pollenschl\u00e4uchen dieser Pflanzen \u00e4hnlich verhalten, in dem langen Griffel des Cereus nyctagi-neus habe ich sie schon mehrere Stunden vor dem Aufspringen der Antheren freiliegend beobachtet und zwar von 5 und 6 Zoll L\u00e4nge. Die muk\u00f6sen R\u00f6hren sind meistens ganz wasserhell, nur in \u00e4ufserst seltenen F\u00e4llen sind it mehr oder weniger grofse K\u00fcgelchen einzeln darin vorkommend, \u00f6fters aber einzelne opake Schleimmassen.\nDie eigenth\u00fcmliche Auskleidung des Griffelkanales bei den Cucurbitaceen und haupts\u00e4chlich bei Cucurbita, hat schon vor l\u00e4ngerer Zeit die Aufmerksamkeit der Bo-* taniker auf sich gezogen; Hedwig*) hat schon diese Zellenschicht beobachtet, welche sich durch ihre sch\u00f6ne gelbe Parbe von der Umgebung so deutlich unterscheidet, und er bemerkte auch schon, dafs in den jungen Fr\u00fcchten ein Strang von diesem Zellengewebe von der Narbe bis zu jedem einzelnen Eychen zu verfolgen ist; aber erst durch Herrn Brongniart ward im Jahre 1826 die Aufmerksamkeit der Botaniker auf dieses eigenth\u00fcmliche Zellengewebe ge-richtet, welches er leitendes oder zuf\u00fchrendes Gewebe (tissu conducteur) nannte, indem er glaubte beobachtet zu haben, dafs gerade zwischen den Zellen dieses Gewebes die spermatischen K\u00fcgelchen zum Fruchtboden hinabstiegen.\nIm Griffelkanale der K\u00fcrbifspflanze bildet dieses gelbe Zellengewebe eine sehr dicke Schicht, welche die ganze innere Fl\u00e4che desselben auskleidet und sich unmittelbar in die gelben Streifen fortsetzt, die den Fruchtknoten dieser Pflanze in sehr niedlicher Form durchsetzen, und oft von auffallender Orangefarbe sind. Es zieht sich dieses leitende Zellengewebe von dem Griffel aus in Form von\n*) Abhandlungen und Beobachtungen. 1793. II. pag. 101. Me yen. Pfi. Phys. III.\t16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nf\u00fcnf strahlig gestellten Bl\u00e4ttern durch den Fruchtknoten, und diese theilen sich wiederum in der Art, wie wir es auf jedem Querschnitte einer solchen jungen Frucht sehen, n\u00e4mlich jede dieser L\u00e4ngsplatten theilt sich in zwei gekr\u00fcmmte Arme, welche noch eine bedeutende Strecke hindurch wellenf\u00f6rmig verlaufen und unmittelbar mit der % Mikropyle der Eychen in Ber\u00fchrung kommen, welche hier an den wandst\u00e4ndigen Placenten angeheftet sind. Dieses leitende Zellengewebe bei dem K\u00fcrbisse ist im Fruchtknoten wie in dem Griffel von gleicher Gestalt; l\u00e4ngere Zeit vor der Befruchtung erkennt man darin, sowohl auf Querais auf L\u00e4ngsschnitten ganz gew\u00f6hnliches dodeka\u00ebdrisches Parenchym, sp\u00e4ter aber, wenn der Fruchtknoten anschwillt, geschieht eine Auflockerung in diesem Zellengewebe; auch i hier ergiefst sich ein Schleim, welcher von diesen Zellen abgesondert wird, und indem sich diese ailm\u00e4lich von einander mehr oder weniger vollst\u00e4ndig trennen, runden sich ihre Ecken und Kanten ab, und sie liegen dann so lose neben einander, dafs die herabsteigenden Pollenschl\u00e4uche mit Leichtigkeit hindurchgehen und durch den, schon vorhin angegebenen Weg, welchen das leitende Gewebe im Fruchtknoten zeigt, bis zu den Oeffnungen der Eyh\u00e4utchen j gelangen k\u00f6nnen. Herr Brongniart hat kleine K\u00fcgelchen abgebildet, welche sich in grofser Anzahl zwischen den Zellen dieses leitenden Gewebes befanden und vielleicht die spermatischen K\u00fcgelchen sein k\u00f6nnten, welche sich A zwischen diesen Zellen hindurchdr\u00e4ngen, um zu den Eychen zu gelangen; das Vorkommen dieser K\u00fcgelchen in den erweiterten Intercellularg\u00e4ngen des leitenden Zellengewebes kann ich jedoch nicht best\u00e4tigen, sondern, wenn man zur geh\u00f6rigen Zeit untersucht und recht d\u00fcnne Schnitte macht, so wird man sehen, dafs sehr lange zarte Schl\u00e4uche hindurchlaufen, worin grofse Massen einer tr\u00fcben und gek\u00f6rnten Substanz enthalten sind, und diese Schl\u00e4uche sind die Pollenschl\u00e4uche, welche die spermatische Feuchtigkeit zu den einzelnen Eychen f\u00fchren.\nWerfen wir nochmals einen R\u00fcckblick auf das im","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"243\nVorhergehenden Vorgetragene, so wird uns sogleich als das auffallendste Resultat hervorleuchten, dafs die H\u00f6hle des Ovarium\u2019s in allen F\u00e4llen offen ist, d. h. dafs sie auf irgend eine Weise mit der atmosph\u00e4rischen Luft in unmitr telbarer Verbindung steht, und dafs dadurch die M\u00f6glichkeit gegeben ist, dafs die befruchtende Substanz, welche durch die Best\u00e4ubung mit dem Pollen auf die Narbe gebracht wird, durch den Griffelkanal hindurch in die H\u00f6hle des Ovarium\u2019s und bis zu dem Eychen selbst gef\u00fchrt werden kann; auch werden wir in der Folge den plastischen Prozefs n\u00e4her kennen lernen, dessen sich die Natur hie-f bei bedient. In sehr vielen F\u00e4llen wird dieser Weg, den die befruchtende Substanz bis zum Eychen nimmt, durch jenes eigenthiimliche Zellengewebe angedeutet, welches den Namen des leitenden erhalten hat, und stets als eine un-| mittelbare h ortsetzung des Zellengewebes die innere Fl\u00e4che des Griffelkanales anzusehen ist.\nSchliefslich bleibt uns noch die Betrachtung der Narbe \u00fcbrig, welche, wie wir schon kennen gelernt haben, nichts Anderes als die obere Ausbreitung der Griffelspitze ist. Die Formverschiedenheiten der Narbe sind aufserordentlich grofs, doch die specielle Auff\u00fchrung dieser Formen geh\u00f6rt der beschreibenden Botanik an. Gew\u00f6hnlich zeichnet sich * die Narbe von dem \u00fcbrigen Theile des Griffels durch eine besondere Anschwellung aus, und fast in allen F\u00e4llen ist sie durch eigenth\u00fcmlich geformte Zellen bekleidet, welche derselben ein schwammiges oder sammetartiges Ansehen L- geben. Diese Bildungen auf der Oberfl\u00e4che der Narbe nennt man Papillen, welche aber wiederum \u00e4ufserst verschiedene Formen und sehr verschiedene Gr\u00f6fse aufzuweisen haben, auch in Hinsicht ihrer Structur sind sie bei : verschiedenen Gew\u00e4chsen sehr verschieden, denn es sind nicht immer einfache Zellen, welche sich bald als kleine Papillen, durch Erhebung der \u00e4ufseren Zellen w\u00e4nde der Epidermis darstellen, oder in Form von cylindrischen oder keulenf\u00f6rmigen mehr oder weniger langen Haaren zeigen, sondern nicht selten sind es zeitige, mehr oder weniger\n16*","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\ngrofse, bald kurze, bald lange Ausw\u00fcchse, zwischen denen zuweilen wiederum einzelne H\u00e4rchen auftreten. Gew\u00f6hnlich sind die Papillen der Narbe von eben derselben Form, wie die Papillen auf der inneren Griffelfl\u00e4che, nur in Hinsicht der Gr\u00f6lse unterscheiden sie sich, und hier kann man als ziemlich feststehende Regel ansehen, dafs die Papillen des Griffelkanales immer l\u00e4nger und gr\u00f6fser werden, je mehr sie sich der Ausbreitung der Griffelspitze n\u00e4heren, und selbst in solchen F\u00e4llen, wto diese Papillen der Narbe nicht gleich grofs sind, da werden sie immer l\u00e4nger je n\u00e4her sie dem Rande der Ausbreitung der Narbe stehen, Ein sehr bemerkenswerther Fall findet bei Lupinus statt, wo die eigentliche Narbe ziemlich vollst\u00e4ndig einem l\u00e4nglich gezogenen K\u00f6pfchen \u00e4hnelt, und \u00fcber und \u00fcber mit kurzen, aber ziemlich gleich grofsen und gleich langen H\u00e4rchen besetzt ist, welche aus den \u00e4ufseren W\u00e4nden der oberfl\u00e4chlichen Zellenschicht hervorgewachsen sind, ganz so, wie es auch in anderen F\u00e4llen vorkommt; der Rand dieser Narbe wird jedoch noch durch einen Kranz von einfachen und zugespitzten H\u00e4rchen eingeschlossen, welche auf der einen Seite l\u00e4nger, als auf der entgegengesetzten sind, und gleichsam einen Becher bilden, in dessen Grunde die k\u00f6pf- oder kegelf\u00f6rmige Narbe sitzt. Es ist ganz augenscheinlich, dafs durch das Vorkommen dieses Kranzes von Haaren rund um die Narbe die darauffallenden Pollenk\u00f6rner festgehalten werden, was hier um so n\u00f6thiger ist, als die Narbe sehr klein und kegelf\u00f6rmig zugespitzt ist, so dafs die Pollenk\u00f6rner nicht leicht daran haften w\u00fcrden. Es l\u00e4fst sich ganz deutlich beobachten, dafs die H\u00e4rchen dieses Narbenkranzes und Narbenbartes als wirkliche Verl\u00e4ngerungen der Epidermis-Zellen des Griffels auftreten, daher die von den Herrn Schleiden und Vogel *) gegebene Darstellung dieses Gegenstandes nicht ganz richtig ist. Bei vielen anderen Pflanzen ist die Griffelh\u00f6hle und ebenso\nBeitr\u00e4ge zur Entwickelungsgeschichte der Bl\u00fcthentheile hei den Leguminosen. \u2014 Acta Acad. C. L. G, Vol. XIX. P. I. Tab. X. Fig. 39. B.","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"245\nauch die innere Fl\u00e4che der Nebentheile mit kleinen und gleichm\u00e4fsigen Papillchen bekleidet, w\u00e4hrend an den Enden ein kleiner Theil der Narbenfl\u00e4che mit gr\u00f6fseren und bedeutend l\u00e4ngeren Papillen, gleichsam mit kleineren H\u00e4rchen bedeckt ist, welche keinen allm\u00e4hligen Uebergang in die Papillchen der Griffelh\u00f6hle zeigen.\nEs giebt aber auch F\u00e4lle, wo die obere Fl\u00e4che der Narbe mehr oder weniger ganz glatt ist, w\u00e4hrend der Griffelkanal mit Papillen ausgekleidet wird; ein interessantes Beispiel der Art bietet die Familie der Nymphaeen, wo die Narben der verschiedenen, nebeneinander stehenden Carpelle eben so wie diese mit einander verwachsen sind, und es sogar schwer h\u00e4lt die (Dehnungen zu finden, welche zu den kurzen Griffelkan\u00e4len f\u00fchren, beobachtet man aber feine Querschnitte, welche dicht unter der Narbe ausge-I f\u00fchrt sind, so wird man sogleich die Griffelkan\u00e4le erkennen und auch ihre Auskleidung mit kleinen Papillen bemerken, zwischen welchen f\u00fcr den Durchgang der Pollenschl\u00e4uche noch hinl\u00e4nglich Raum \u00fcbrig ist.\nDie Form der Narbe bietet bei verschiedenen Pflanzen die gr\u00f6fsten Verschiedenheiten dar, wovon die haupts\u00e4chlichsten in allen Handb\u00fcchern der Terminologie aufgef\u00fchrt werden; sitzt die Narbe auf dem ganzen Rande f des ungetheilten Griffels, so ist sie stets durchbohrt und ihre Oeffnung ist die unmittelbare Fortsetzung des Griffelkanales; ist aber der Griffel an seiner Spitze sehr zertheilt, und sitzt die Narbe nur auf den \u00e4ufsersten Theilen der Fl\u00e4che dieser Griffelspitzen, so darf man auch nicht nach einer Durchbohrung der Narbe suchen, denn den einzelnen Tr\u00e4gern dieser Narben kommt ebenso wenig ein Griffelkanal zu. Besonders bemerkenswert!! sind noch die F\u00e4lle, wo die Narbe seitw\u00e4rts dem Rande der Griffelspitze befestigt ist, sie deuten zugleich auf die urspr\u00fcngliche Bildung des Pistills, Eine seitw\u00e4rts sitzende Narbe, welche zugleich unmittelbar auf dem Fruchtknoten sitzt, und dabei von einem ganz eigenth\u00fcmlichen Baue ist, auf den man bisher noch nicht aufmerksam gemacht hat, zeigt die Gattung","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nUrtica. In Fig. 4. Tab. XIV. ist die Narbe von der Urtica urens an einem Fruchtknoten dargestellt, dessen Eychen schon seit einiger Zeit befruchtet ist; die Vergr\u00f6fserung ist schwach, aber man erkennt schon, dafs die Narbe aus lauter gegliederten H\u00e4rchen besteht; aber in dem j\u00fcngeren Zustande des PistilFs, welches in Fig. 3. dicht daneben dargestellt ist, erkennt man sogleich, dafs das ganze B\u00fcschel von diesen Haaren auf der einen Seite des Carpellarblattes sitzend ist, und zwar gehen sie von h aus, w\u00e4hrend die Oeffnung des Carpellarblattes, wodurch die Spitze des Ey-chen\u2019s bei e f befruchtet werden kann, in a zu sehen ist. In Fig. 2. auf eben derselben Tafel sieht man die Darstellung eines noch weit j\u00fcngeren Zustandes des PistilFs, von eben derselben Brennnessel, und obgleich sich die Oeffnung des Fruchtblattes noch lange nicht geh\u00f6rig geschlossen hat, sieht man doch schon in c denUrsprung derll\u00e4rchen, welche sp\u00e4ter die Narbe bilden. Bald nach erfolgter Befruchtung schrumpfen auch hier bei der Nessel diese H\u00e4rchen der Narbe zusammen und an der reifen Frucht, wie sie in Fig. 8. lab. XIV. dargestellt ist, sieht man das B\u00fcschelchen von kurzen braunen H\u00e4rchen sitzen, welches durch b bezeichnet ist.\nDie Form der Narbe ist durch ihre Bekleidung mit Papillen oder H\u00e4rchen oftmals \u00fcberaus niedlich, und zeigt bei starken Yergr\u00f6fserungen die bewunderungsw\u00fcrdigste Structur; zu den ausgezeichnetesten der Art, geh\u00f6ren die Narben der Syngenesisten und haupts\u00e4chlich der Gr\u00e4ser, doch besitzen wir von diesen Formen noch immer keine richtigen und vollst\u00e4ndigen Abbildungen, welche nach hinreichender YTergr\u00f6fserung angefertigt sind.\nHerr Brongniart lehrte in seiner Abhandlung \u00fcber die Zeugung des Pflanzenembryo, dafs die Oberfl\u00e4che der Narbe in ihrem Baue zwei Modiffcationen zeige, welche f\u00fcr die Art und Weise der Befruchtung von gr\u00f6fster Wichtigkeit seien. Bei der gr\u00f6fsten Menge von Gew\u00e4chsen, sagt Herr Brongniart, fehlt der Narbe die Epidermis und hier liegen die Zellen, welche sie bedecken, frei neben einander und","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"247\nbilden, indem sie blofs durch gegenseitigen Druck und eine schleimige Masse zusammengehalten werden, die \u00e4ufsere Fl\u00e4che der Narbe. Indessen ich erlaube mir noch hinzuzusetzen, dafs diese, scheinbar frei liegenden Zellen gerade die Zellen der Epidermis der Narbe sind, welche mit ihrem unteren Ende nach wie vor festsitzen, w\u00e4hrend sie mit der oberen Wand zu Papillen ausgewachsen sind. Bei den \u00fcbrigen Pflanzen werden, wie Herr Brongniart meint? die \u00e4ufsersten Zellen von einer einfachen, sehr zarten, dem inneren Pollenh\u00e4utchen gleichen Membran bedeckt, die sich also von der Epidermis anderer Pflanzentheile, welche aus mehreren Schichten innig verbundener Zellen besteht sehr unterscheidet. Als Beispiele hierzu werden Nuphar lutea, Hibiscus und Nyctago angef\u00fchrt, und hier soll sich im Acte der Befruchtung eine schleimige, k\u00f6rnige Fl\u00fcssigkeit zwischen der obersten Zellenschicht und der dar\u00fcber liegenden Cuticula absondern, wodurch diese emporgehoben und recht sichtbar wird, ja wenn dieser Schleim mangelt, so mufs man sich der mineralischen S\u00e4uren bedienen, um das H\u00e4utchen deutlich zu sehen. Diese eigenthiimliche Epidermis auf der Oberfl\u00e4che der Narbe ist nichts weiter, als die Cuticula der obersten Zellenschicht, und alle die Verh\u00e4ltnisse, in welchen dieselbe \u00fcberhaupt zu ihren darunter liegenden Zellen steht, wor\u00fcber schon im ersten Bande pag. 437 gesprochen wurde, gelten auch hier f\u00fcr die Epi-dermiszellen der Narbe, sie kann nackt sein, wie bei Nuphar, oder mit Haaren besetzt, wie bei den Malvaceen. Doch alle diese Modifikationen in dem Baue der Narbenoberfl\u00e4che haben auf den plastischen Prozefs, welcher bei der Befruchtung vor sich geht, keinen wesentlichen Ein-flufs, denn die Pollenschl\u00e4uche dringen nicht etwa zwischen den Zellen der Narben-Epidermis hindurch, sondern sie ziehen sich stets in die Vertiefung der Narbe, welche nur als das \u00e4ufserste Ende des Griffelkanales anzusehen ist.\nEs ist wohl sehr wahrscheinlich, dafs alle diese eigen-thiimlichen Bildungen der Narbe, welche sich haupts\u00e4chlich durch ihre Bekleidung auszeichnen, nur dazu dienen, um","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\ndie Anheftung der Pollenk\u00f6rner zu erleichtern; auch wird diese Anheftung noch bef\u00f6rdert, indem die Narbe sehr vieler Gew\u00e4chse um die Zeit der Befruchtung, eine mehr oder weniger grofse Menge eines kleberigen Schleims absondert. In anderen f\u00e4llen, wie wir es schon pag. 175. angegeben haben, wird nie Anheftung der Pollenk\u00f6rner durch ihre eigene Absonderung bewirkt, wobei dann die unebene Oberfl\u00e4che der Narbe sehr beh\u00fclflich sein mufs. Noch wichtiger ist dagegen der Nutzen jener Narbenabsonderung fiir den Befruchtungsakt selbst, indem diese Feuchtigkeit zur Bildung der Pollenschl\u00e4uche nothwendig ist.\nSchliefslich mache ich noch auf das eigenthiimliche Auftreten von H\u00e4rchen aufmerksam, welche auf der \u00e4ufse-ren Oberfl\u00e4che der Griffel mancher Pflanzen Vorkommen, und um die Zeit der Befruchtung \u00fcber und \u00fcber mit Pollenk\u00f6rnern bedeckt sind. Am auffallendsten sehen wir dieses bei der Gattung Campanula, und besonders sch\u00f6n bei den grofsbliithigen, wie bei Campanula Medium, wo diese Haare bedeutend weit von der Narbe abstehen, und an denen dei Pollen ziemlich fest haftet, indem er mit einer \u00f6lig kleberigen Fl\u00fcssigkeit bedeckt ist. Diese Anh\u00e4ufungen von H\u00e4rchen kommen auch bei mehreren Syngenesisten vor, und sie haben durch Cassini*) den Namen der B\u00fcrsten- oder Sammelhaare (poils balayeurs, pili colle-ctores) erhalten; bei den Syngenesisten kann man sie wohl als ein Reizmittel ansehen, durch welches die Antheren zum Oeffnen gezwungen werden, indem hier der Griffel um die Zeit der vollkommenen Ausbildung der Bliithe durch den Kanal der verwachsenen Antheren, gleichsam wie eine B\u00fcrste hindurchgeht, um die ausgestreuten Pollenk\u00f6rner mit hindurch zu f\u00fchren. Es ist aber Cassinis Vermuthung, dafs diese Haare vielleicht die Stelle der Narbe versehen, zu beseitigen, indem ich bei Campanula Medium das Herabsteigen der Pollenschl\u00e4uche im ganzen Verlaufe des Griffelkanales beobachtet habe.\n*) Opusc. phyto], II. pag. 374.","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"249\nErstes Capitel.\nEntwickelungs-Gescliiclite des Pflanzen-Ejckens von seinem ersten Auftreten bis zur Befruchtung.\nWir haben im Vorhergehenden kennen gelernt, dafs die Saamen der Pflanzen als integrirende Theile der weiblichen Geschlechts-Organe auftreten, ja sie sind es, welche ,f in der ausgebildeten weiblichen Bl\u00fcthe niemals fehlen, wenn auch diese noch so einfach gebauet ist; selbst dann noch tritt das Eychen, als der Zweck der ganzen Bliithenbildung auf, wenn alle jene wesentlichen Theile der Geschlechts-lf Organe fehlen, welche wir im Vorherigen angef\u00fchrt haben, wie es z. B. bei der Gattung Taxus nachgewiesen wurde.\nDie n\u00e4here Betrachtung des Pflanzen Eychens zerf\u00e4llt \u00fcberhaupt in zwei Abtheilungen, in der ersteren wird das Eychen vor seinem Auftreten bis zur Zeit der Befruchtung verfolgt, und in der zweiten lernen wir die Ver\u00e4nderungen kennen, welche das Eychen w\u00e4hrend und nach der Be-* fruchtung erleidet. Die Untersuchung des unbefruchteten Eychens hat, der Kleinheit dieser Theile wegen, sehr grofse Schwierigkeiten aufzuweisen, und die Geschichte lehrt auch, dafs fast alle ausgezeichnete Botaniker an diesem Gegen-... st\u00e4nde gearbeitet haben, bis es endlich Herrn v. Mirbel, in seinen neuen Untersuchungen \u00fcber den Bau und die Entwickelung des Pflanzen-Eychens *) gelungen ist, denselben soweit zu f\u00f6rdern, dafs man gegenw\u00e4rtig, mit H\u00fclfe der ; Beobachtungen von Herrn Robert Brown, die Structur und die Entwickelung eines jeden Pflanzen-Saamens mit Leichtigkeit erkennen wird, wenn man sich bei der Untersuchung desselben die geh\u00f6rige Zeit nimmt.\nAunales des scicnc. natur. Juill, 1829- pag. 302\u2014 318.","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nAn dem Pflanzen -Eychen zur Zeit der Befruchtung, unterscheidet man den Kern (Nucleus) und die H\u00fcllen welche den Kern umschliefsen, und gegenw\u00e4rtig im Allgemeinen Eyhiillen genannt werden; die Zahl dieser Eyh\u00fcllen ist bei verschiedenen Gattungen und Familien verschieden, und dieses gab zu den verschiedenen Benennungen und Deutungen dieser Theile Veranlassung. Herr Robert Brown lehrte zuerst, dafs das unbefruchtete Eychen phanerogamischer Gew\u00e4chse im Allgemeinen aus zwei con-centrischen Membranen bestehe, welche den Kern von markig-zeiliger Structur einschliefsen, so wie auch, dafs diese H\u00fcllen weder unter sich, noch mit dem Kerne verwachsen sind, sondern nur an ihrem Urspr\u00fcnge Zusammenh\u00e4ngen.\nDer Kern des Eychen\u2019s ist der wesentlichste Theil, weicher niemals fehlt; in ihm, oder aus ihm bildet sich eine H\u00f6hle, worin in Folge der Befruchtung der Embryo oder die k\u00fcnftige junge Pflanze erscheint. Schon Grew und Malpighi haben diesen wesentlichen Theil des Pflanzen-Eychen\u2019s von dessen Umh\u00fcllungen unterschieden; Ersterer beschrieb die Eyh\u00fcllen als \u00e4ufsere Saamenhaut und den Kern als mittlere Membran, w\u00e4hrend Malpighi die H\u00fcllen des Eychen\u2019s unter dem Namen Secundinae externae und den Kern als Chorion beschrieb. Herr Treviranus *) nannte die Eyh\u00fcllen, welche durch G\u00e4rtner den Namen der Testa erhalten hatten, die \u00e4ufsere Haut und beschrieb den Kern als innere Haut.\nAn dem Kerne wie am ganzen Eychen unterscheidet man die Basis und die Spitze, Bezeichnungen, welche bei dem jungen Eychen sogleich in die Augen fallen und bei der Beschreibung der Saamen sehr wichtig sind.\nDer Kern des Eychen\u2019s zeigt seine Wichtigkeit nicht nur dadurch, dafs in ihm der Embryo gebildet wird, sondern auch dadurch, dafs er von allen Theilen des Eychens zuerst erscheint; er tritt aus der Oberfl\u00e4che der Placenta\n*) Yon der Entwickelung des Embryo und seinen Umh\u00fcllungen im Pflanzen-Ey. Berlin 1815. pag. 6.","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"251\nals ein kleiner konischer H\u00fcgel hervor, wovon Fig. 2. Tab. XIII. eine Darstellung aus einem jungen Ovario der Capsella Bursa pastoris giebt. In Fig. 1, dicht daneben, sind zwei nebeneinander stehende Kerne eben derselben Pflanze nach einem etwas vorgeschritteneren Zustande dargestellt; sie bestehen aus einem sehr weichen Parenchyme und vergr\u00f6fseren sich in der Art, dafs sie alsbakl dergleichen Formen zeigen, wie in Fig. 3. dargestellt sind; c ist hier ein vergr\u00f6fserter, aber noch einfacher Kern, an den Kernen d und f bemerkt man dagegen aufser der bedeutenden Verl\u00e4ngerung eine Anschwellung der unteren H\u00e4lfte bei e und bei g. Von diesen Stellen aus beginnt die Bildung der Eyhiillen, welche allm\u00e4lich \u00fcber den ganzen hervorragenden Kern hiniiberwachsen. Die Gattung Capsella, so wie die gr\u00f6fste Menge der Pflanzen, haben zwei Eyhiillen aufzuweisen, und in allen bis jetzt beobachteten F\u00e4llen geschieht dann die Bildung der, dem Kerne zun\u00e4chst liegenden H\u00fclle, welche wir stets als innere Ey-h\u00fclle bezeichnen wollen, zuerst, und nachdem diese mehr oder weniger hervorgetreten ist, geschieht die Bildung der \u00e4ufseren Eyhiille. In der Fig. 4 und 5. Tab. XIII. sieht man an der Basis des Kernes b, b, zwei W\u00fclste, wovon cc, den Anfang der inneren Eyh\u00fclle und dd den Anfang der \u00e4ufseren Eyh\u00fclle darstellt. In Fig. 6. ist die Entwickelung des Eychen\u2019s darin weiter fortgeschritten, dafs die \u00e4ufsere H\u00fclle \u00fcber die innere hinausgewachsen ist, und auch den Kern b schon bis zur H\u00e4lfte umschliefst. In der Fig. 7. sieht man, dafs die Eyh\u00fclle \u00fcber den ganzen Kern hinausgewachsen ist und nur eine Oeffnung bb zur\u00fcckgelassen hat.\nDie Eychen des Mohnes (Papaver somniferum L.) und der Orchis Morio L., welche auf eben derselben Tafel in verschiedenen Entwickelungs-Zust\u00e4nden dargestellt sind, zeigen eine ganz \u00e4hnliche Bildung des Kerns und dessen umschliefsenden H\u00fcllen. In Fig. 26. ist ein junges Eychen aus der Mohnpflanze dargestellt; b ist der hervorragende Kern, cc die innere Eyh\u00fclle und aus der Anschwellung","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nbei d beginnt die Bildung der \u00e4ufseren Eyhiille. In Fig. 28 und 29. sind entwickeltere Eychen dargestellt, an welchen die H\u00fcllen allm\u00e4lich \u00fcber den Kern hinauswachsen, besonders in letzterer Figur kann man sehen, dafs der Kern b von den beiden H\u00fcllen ccund dd in der Art eingeschlossen wird, als wenn er auf dem Grunde zweier aneinander gesetzter Becher befestigt ist. In Fig. 30. ist der Saame von Papaver nudicaule gleich nach der Befruchtung dargestellt, und hier sind die Saamenh\u00fcllen \u00fcber den ganzen Kern hinausgewachsen, ja die \u00e4ufsere H\u00fclle hat sich bei d noch etwas dar\u00fcber hinaus gekr\u00fcmmt. -\nAber noch viel deutlicher ist die Bildung der Eyh\u00fcllen an den Abbildungen von Orchis Morio in Fig. 31 \u2014\u2022 34 Tab. XIII. zu sehen; in den Figuren 31 und 34. ist b, b die Spitze des Kernes, welche noch aus der inneren Eyhiille hervorragt; in letzterer Figur aber durch den Rand cc beinahe schon ganz umschlossen ist. In Fig. 31. sieht man bei d das Hervortreten der zweiten oder \u00e4ufseren Eyhiille aus denjenigen Zellen, welche bis dahin die Epidermis der Basis des Saamens bildeten; in Fig. 32. ist diese Zellenschicht d d schon sehr bedeutend ausgebildet, und w\u00e4chst allm\u00e4lich \u00fcber die innere H\u00fclle, so dafs alsbald die Form auftritt, welche in Fig. 33. dargestellt ist. Hier ragt der Kern nur noch mit seiner Spitze c \u00fcber den Rand der inneren H\u00fclle dd hinaus, und die \u00e4ufsere H\u00fclle e w\u00e4chst als eine m\u00e4chtige Zellenlage hinauf. Fig. 34. zeigt das Eychen dieser Pflanze bald nach erfolgter Befruchtung und vergleicht man dasselbe mit dem danebenstehenden in Figur 33, so wird man finden, dafs bei einer allgemeinen Vergr\u00f6fserung der Eyh\u00fcllen, welche durch blofse Ausdehnung der Zellen geschieht, die \u00e4ufsere H\u00fclle weit \u00fcber die innere hinausgewachsen ist, so dafs sie erst bei b b mit ihrem Rande aufh\u00f6rt, w\u00e4hrend die innere H\u00fclle schon bei c c endet. Sowohl hier, wie in so vielen anderen F\u00e4llen ist es ganz deutlich zu sehen, dafs diese Eyh\u00fcllen aus ganz einfachen Zellenschichten bestehen.\nSo wie die Zahl der Eyh\u00fcllen bei verschiedenen Gat-","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"253\ntungen einer und derselben Familie nicht immer gleich ist, so zeigen verschiedene Gattungen auch bedeutende Abweichungen in der Entwickelung der Eyh\u00e4ute. Die Eychen von Epipactis sind z. B. um die Zeit, wenn die Befruchtung erfolgt, ganz anders gestaltet als die von Orchis, die \u00e4ufsere Hiille ist alsdann verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig wenig weiter ausgebildet, als inFig.33. Tab. XIII, wie ich es auch inFig. 23. Tab. XV. dargestellt habe; einige Zeit nach der Befruchtung w\u00e4chst aber auch bei Epipactis die \u00e4ufsere Hiille \u00fcber die innere, und der Saamen erh\u00e4lt fast eben dieselbe Form, als der von Orchis, es bleibt aber immer ein sehr merk-\n*\tw\u00fcrdiger Fall, dafs hier die Befruchtung erfolgt, noch ehe die \u00e4ufsere Saamenhaut \u00fcber das Eychen hinausgewachsen ist.\nDie Entstehung der Eyhiillen aus der Basis des Kern's I ist schon vor langer Zeit durch Herrn Robert Brown gelehrt, dagegen stellte Herr von Mirbel*) die Ansicht auf, dafs das Eychen in seinem ersten Entstehen ein kleiner zelliger Auswuchs sei, der weder eine Umkleidung, noch eine Oeffnung zu haben scheint, was auch die vorhergehenden Beobachtungen best\u00e4tigten. Doch bald nachher meint Herr von Mirbel, \u00f6ffne sich der kleine Auswuchs auf seinem Scheitel und mau erkenne nun durch diese\n*\tOeffnung die R\u00e4nder der beiden Eyhiillen, wovon die \u00e4ufsere das Exostomium (Aufsenm\u00fcndung), die innere das Endostomium (Innenm\u00fcndung) bilde. Diese Ansicht des Herrn von Mirbel \u00fcber die Bildung der Eyh\u00e4ute war\n\u00bb. nicht richtig; die beiden Oeffnungen der Eyhiillen sollten anfangs sehr klein sein, sich allm\u00e4lich erweitern und, wenn sie auf das Maximum der von ihnen zu erreichenden Erweiterung gelangt sind, sich wiederum verengern und sich : endlich schliefsen. Auch Herr Fritzsche**) widerlegte jene\n*) I. c. auch \u00fcbers, zu finden in R, Brown\u2019s vermischten Schriften. IV. pag. 519.\nUeher die Entwickelung des Pflanzeneies in seinen fr\u00fchesten Zust\u00e4nden und \u00fcber die Bildung der H\u00e4ute desselben in Wiegmann\u2019s Archiv etc. II. pag. 229.","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\nAnsicht und stellte eine andere Hypothese \u00fcber die Bildung der Eyhiillen auf, welche gleichfalls durch mehrfache Beobachtung des Gegenstandes bei verschiedenen Pflanzengattungen leicht zu widerlegen ist. Der Kern soll nach Herrn Fritzsche aus einer, die Warze umkleidenden Zellenschicht und einem inneren, mehr unregelm\u00e4fsigen Zellengewebe bestehen; hierauf bilde sich durch zwei Einschn\u00fcrungen eine Wulst, welche dadurch entsteht, dafs jene \u00e4usfere Zellenschicht an der Stelle der Wulst ein wenig heraustritt und eine kleine Falte bildet, die als eine Dupii-catur derselben angesehen wird und die innere Eyh\u00fclle darstellt. Die Trennung der \u00e4ufseren H\u00fclle soll erst ziemlich sp\u00e4t erfolgen. Die Darstellung, welche Herr Fritzsche \u00fcber die Bildung der Eyhiillen gegeben hat, ist im Allgemeinen etwas unklar, doch sieht man, dafs er das fr\u00fchere Auftreten der inneren Saamenhiille richtig beobachtet hat, und die Entstehung derselben durch Einschn\u00fcrung in der \u00e4ufseren Zellenschicht zu erkl\u00e4ren glaubt, eine Ansicht, welche schon durch die von uns gegebenen Abbildungen \u00fcber das fr\u00fcheste Auftreten der Eyhiillen widerlegt wird. Man darf die Bildung der Eyhiillen weder durch Abschn\u00fcrungen erkl\u00e4ren wollen, noch f\u00fcr Duplicaturen der \u00e4ufseren Zellenschicht oder der Epidermis des Kernes halten; denn weder das eine, noch das andere wird durch die Beobachtung best\u00e4tigt. Die Beobachtung zeigt vielmehr, dafs noch vor dem ersten Auftreten der Eyh\u00fclle eine bedeutende Anschwellung der Basis des Kernes stattfindet, und dafs dann die Eyh\u00fclle aus den \u00e4ufseren, durch die Anschwellung seitlich hervorgeschobenen Zellen gebildet wird; bei den Ey-chen mit doppelten H\u00fcllen, tritt gew\u00f6hnlich, gleich nach der ersten Bildung der inneren H\u00fclle, auch sehr bald die \u00e4ufsere H\u00fclle auf, und hier bemerkt man gleichfalls wiederum eine Anschwellung der ganzen Basis des Kernes unterhalb der schon gebildeten inneren H\u00fclle, worauf aus dem seitlichen Rande der Anschwellung, ebenfalls aus den \u00e4ufserlich gelagerten Zellen die Bildung der \u00e4ufseren H\u00fclle beginnt Bei der mehrmaligen Betrachtung dieses Vorgan-","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"255\nges Lei verschiedenen Pflanzen, wird es nicht schwer sein zu erkennen, dafs der Kern des Eychen\u2019s als ein Achsengebilde dasteht, um welches sich, rund herum die Eyh\u00fcllen gleich den Bl\u00e4ttchen am Stengel entwickeln. Auch hat man schon mehrmals beobachtet, dafs die Eyhiillen in kleinen Bl\u00e4ttchen ausgewachsen waren, wefshalb man berechtigt zu sein glaubt, auch die Eyh\u00fcllen, als modificirte Bl\u00e4tter zu betrachten. Ich kenne keinen Fall, in welchem die Eyhiillen bei ihrem ersten Auftreten als gesonderte Bl\u00e4ttchen erschienen w\u00e4ren, sondern stets bilden sie becherf\u00f6rmige H\u00fcllen, welche die darin sitzenden Kerne umschliefsen.\nSo wie das Pflanzen-Eychen \u00fcberhaupt in Form, Gr\u00f6fse und Structur die mannigfachsten Ab\u00e4nderungen zeigt, so auch der Kern des Eychen\u2019s an und f\u00fcr sich, welcher zuweilen gleich bei dem ersten Auftreten der Eyh\u00fcllen, als ein langer cylinderischer Zapfen hervorragt, wie bei Cap-sella (Fig. 4 und 5. Tab. XIII.), oder gleich einem stark zugespitzten Kegel erscheint, wie bei Euphorbia; diese urspr\u00fcnglichen Formen pflegen dem Kerne auch in den sp\u00e4testen Zeiten, wenn die Eyh\u00fcllen ausgebildet sind und die Befruchtung vorbereitet wird, zu bleiben. Am auffallendsten ist jedoch die Verschiedenheit, welche der Kern des Eychen\u2019s bei verschiedenen Pflanzen in Hinsicht seiner Masse zeigt; er ist n\u00e4mlich entweder aus einer soliden kegelf\u00f6rmigen Zellenmasse gebildet, wie z. B. bei der Nessel (Fig. 4, 5 und 6. Tab. XIV.), bei Ricinus (Fig. 16. Tab. XIV. hgg.) und der Kaiserkrone in Fig. 1. Tab. XV., wo a b c d die innere H\u00fclle und e f g den Kern darstellt, welcher, wie wir sp\u00e4ter kennen lernen werden, in Folge der eintretenden Befruchtung hohl wird. In anderen F\u00e4llen dagegen besteht der Kern aus einer einfachen Zellenschicht, welche den kegelf\u00f6rmigen oder warzenf\u00f6rmigen K\u00f6rper desselben bildet und eine H\u00f6hle einschliefst, wie es z. B. bei den Cruciferen, den Orchideen u. s. w. schon in sehr fr\u00fchen Perioden, wenn noch keine Eyh\u00fcllen vorhanden sind, zu erkennen ist.\nBei einer grofsen Anzahl von Pflanzen, bestehen die","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\nEyhiillen aus einfachen Zellenschichten, wie dieses z. B. an den Eychen von Orchis auf Tab. XIII. dargestellt ist; in solchen F\u00e4llen ist die Ansicht, als w\u00e4ren die Eyhiillen als blofse Duplicaturen der \u00e4ufseren Zellenschicht des Kerns zu betrachten schon von selbst widerlegt, und in anderen F\u00e4llen, wo die Eyhiillen mehr oder weniger dick und fleischig auftreten, wie z. B. die \u00e4ufsere H\u00fclle bei den Saamen der Liliaceen, da hat man durch jene Ansicht ebenfalls nichts gewonnen, indem dann noch immer die Entstehung der zwischenliegenden Zellenschichten iibrig-bleibt. Mit gr\u00f6fserer Umsicht hat k\u00fcrzlich Herr Schleiden*) die Bildung der Eyh\u00e4ute beschrieben; er sagt, dafs sich die Wulst, welche an der Basis des Kerns entsteht, als eine Art von Hautfalte ausdehnt und allm\u00e4lich den Nucleus \u00fcberzieht; auch bemerkt Herr Schleiden, dafs das sich bildende Integument h\u00e4ufig nur aus einer Falte der Oberhaut des Nucleus besteht, worin, wie es vorher gezeigt wurde, ich nicht beistimmen kann, dafs aber in fast allen Familien, die gar kein zweites Integument bilden, wie auch in einigen, die beide Eyhiillen haben, als bei den Euphorbiaceen, den Cystineen und Thymeleen, auch ein ziemlich dickes Parenchym an dieser Bildung Theil nimmt.\nDie jungen Pflanzen-Eychen zeigen in ihren Zellen meistentheils mehr oder weniger grofse Zellenkerne, welche entweder, wie in den Abbildungen aus der Kaiserkrone (Fig. 1 und 3. Tab. XV.) oder aus der Orchis (Fig. 32 und 33. Tab. XIII.) gestaltet sind, wo sie gleich tr\u00fcben und etwas feingek\u00f6rnten, fast linsenf\u00f6rmigen Schleimmassen erscheinen, oder der Zellenkern enth\u00e4lt ein festeres K\u00fcgelchen, als Mittelpunkt, um welches sich eine klare und ziemlich glasartig durchscheinende Schleimscheibe herumgelagert hat, die sehr oft von ihrem Rande aus durch zarte Schleimf\u00e4den nach verschiedenen Seiten der Zelle hin befestigt ist. Um die Zeit hin, wenn sich der Ent-\n*) Einige Blicke auf die Entwickelungs-Geschichte des vegetabilischen Organismus bei den Phanerogamen. \"Wiegmann\u2019s Archiv von 1837. I. pag. 307.","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"257\nwickelungs-Zustand des Eychen\u2019s der Befruchtungs-Periode n\u00e4hert, dann bemerkt man, dafs in dem Zellenkerne mehr oder weniger grofse feste P\u00fcnktchen auftreten, welche ziemlich regelm\u00e4fsig im Umfange des Kernes, also kreisf\u00f6rmig gestellt sind. Diese festeren K\u00f6rperchen vergr\u00f6fsern sich allm\u00e4lichund im Verh\u00e4ltnifs ihres Wachsthumes, welches durch \u00e4ufserliche Anlagerung der Substanz erfolgt, verschwindet die Substanz des Kernes, so dafs zuletzt nur noch die regelm\u00e4fsig kreisf\u00f6rmig gestellten K\u00fcgelchen ohne alle Spur des Zellenkernes Zur\u00fcckbleiben, wie es inFig. 23. Tab. XV. aus dem Eychen der Epipactis dargestellt ist. In den Randzellen der inneren Eyh\u00fclle zeigen sich hier noch deutliche Zellenkerne\u00bb\nDa es sehr schwer war die Structur des Eychen\u2019s richtig aufzufassen, und da die Zahl, die Form und die I Gr\u00f6fse der einzelnen Theile dieser Eychen bei verschiedenen Gattungen und Familien so sehr verschieden ist, so wird es erkl\u00e4rlich, dafs auch die Benennungen derselben bei verschiedenen Autoren sehr verschieden sind, wie wir es auch schon im Anf\u00e4nge dieses Capitels angedeutet haben. Wir haben den Kern des Eychen\u2019s als den wesentlichsten Theil desselben kennen gelernt, und es giebt auch ganze Pflanzen-Familien, bei denen der Kern stets n^ckt f bleibt, wie z. B. bei den Asclepiadecn und den Rubiaceen, w\u00e4hrend derselbe bei anderen Familien mit einer einzelnen H\u00fclle umkleidet wird, und bei den meisten Pflanzen sogar mit zwei H\u00fcllen; ja es giebt Pflanzen-Eychen, welche so-E- gar noch nach der Befruchtung mit einer dritten H\u00fclle umkleidet werden, die aber niemals vollst\u00e4ndig ist und unter dem Namen des Aril lus bekannt ist.\nEs w\u00fcrde grofsen Raum erfordern, wollte ich alle * die Namen auff\u00fchren, welche von verschiedenen Botanikern f\u00fcr die verschiedenen Saamenh\u00fcllen vorgeschlagen worden sind, ich begn\u00fcge mich vielmehr nur diejenige Nomenclatur der Eyhiillen aufzuf\u00fchren, welche man als gangbar betrachten kann; ich selbst halte mich im Allgemeinen an ' die, von Robert Brown in Vorschlag gebrachten Benen-Me y en, Pfl\u00bb Physiol. Ill,\t17","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\nniingen, welche auch am Allgemeinsten angewendet werden. In der schon fr\u00fcher aufgef\u00fchrten Abhandlung schlug Herr v. Mirbel f\u00fcr die verschiedenen Theile des unbefruchteten, so wie des befruchteten Eychen\u2019s eine neue, und sehr einfache Nomenclatur vor, welche jedoch nicht haltbar ist; er nannte die \u00e4ufsere Haut: Primine, die innere Haut: Secondine und den Kern: Tercine, obgleich es demselben schon bekannt war, dafs die Saamen mancher Pflanzen nur mit einer H\u00fclle versehen sind. Diese Verschiedenheit in der Anzahl der Eyhiillen, ja deren g\u00e4nzliches Fehlen in einigen F\u00e4llen, ist es eben, wodurch die vorgeschlagenen Benennungen unpassend werden, ja offenbar noch unpassender, als die schon vorhandenen Namen. Bei den Pflan-zensaamen mit einfacher H\u00fclle l\u00e4fst es sich eigentlich gar nicht bestimmen, ob die sogenannte Primine oder Seeon-dine fehlt, daher man hier fast immer zweifelhaft bleiben wird, welchen von diesen Namen man einer solchen einfachen Eyh\u00fclle beizulegen hat. Die Tercine ist dagegen nichts Anderes, als der Kern oder die Kernhaut nach Robert Brown, und da wir gesehen haben, dafs der Kern, als der wesentlichste und stets vorhandene Theil des Eychen\u2019s auftritt, so wird es am Vorteilhaftesten sein, wenn die Bestimmung der \u00fcbrigen Theile des Eychen\u2019s nach dem Kerne stattfindet. So schl\u00e4gt Herr Schleiden die Benennungen: Integumentum primum aut internum und Integu-menturn secundum sive externum f\u00fcr diejenigen F\u00e4lle vor, wo das Eychen mit doppelten H\u00fcllen auftritt, er schl\u00e4gt also vor, die Z\u00e4hlung der Eyhiillen vom Kerne aus zu beginnen, und diejenige Hiille als die erste zu bezeichnen, welche sich dem Kerne zun\u00e4chst und auch zuerst bildet. Die Z\u00e4hlung der Eyhiillen nach diesen Benennungen l\u00e4uft also derjenigen des Herrn v. Mirbel gerade entgegengesetzt, und m\u00f6chte wohl zu Verwechselungen Anlafs geben, so dafs es mir vorteilhafter zu sein scheint, wenn wir f\u00fcr diejenigen F\u00e4lle, wo die Saamen mit doppelten Integumenten auftreten, die \u00e4lteren Benennungen : Aufsen-haut oder \u00e4ufsere H\u00fclle und Innenliaut oder innere","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"259\nH\u00fclle beibehalten, welche gegenw\u00e4rtig nicht nur allgemein bekannt sind, sondern auch verst\u00e4ndlich sein m\u00f6chten. F\u00fcr diejenigen F\u00e4lle aber, wo die Eychen nur eine einzelne H\u00fclle zeigen, da ist Herrn Schleiden\u2019s Benennung: Inte-gumentum simplex sehr zu empfehlen; man kann dieselbe anwenden ohne vorher noch lange Untersuchungen anzu-\n*\tstellen, ob diese einfache Eyhiille in ihrer Structur mehr der \u00e4ufseren oder der inneren H\u00fclle der anderen Eychen parallel zu stellen ist.\nDas unbefruchtete Pflanzen-Eychen geht, mag es mit\n*\toder ohne Eyhiillen versehen sein, in vielen F\u00e4llen sehr mannigfache Ver\u00e4nderungen der Form ein, welche man gerade als die Ursache ansehen kann, dafs die Structur derselben so lange mehr oder weniger verkannt wurde;\n\u00bb ich meine hiernit die Kr\u00fcmmungen, welche die Eychen der\n*\tmeisten Pflanzen zeigen, die besonders f\u00fcr die systematische Botanik von solcher Wichtigkeit sind, dafs wir diese Vorg\u00e4nge einer n\u00e4heren Betrachtung unterwerfen m\u00fcssen.\nDie Abbildungen der verschiedenen Entwdckelungs-Zust\u00e4nde des Eychen\u2019s der Capsella Bursa pastoris, welche ich Tab. XIII. Fig. 1\u20148. gegeben habe, zeigen alle die Ver\u00e4nderungen, welche das Eychen dieser Pflanze in Hinsicht der Form und Lage aufzuweisen hat, ganz deutlich. p Man bemerkt an den Figuren 4 und 5., dafs mit der Anschwellung der Basis des Kernes und dem ersten Auftreten der Eyhiillen zugleich eine bestimmtere Trennung des ganzen Eychens von der Masse der Placenta stattfindet,\n: indem die Basis desselben durch einen, aus der Placenta hervorwachsenden Stiel emporgehoben wird. Dieser Stiel des Eychen\u2019s, der in den Figuren 4, 5 und 6. durch a bezeichnet ist, wird an den Saarn en verschiedener Pflanzen - bald mehr bald weniger lang und bildet die Nabelschnur (Funiculus umbilicalis), welche aus parenchymati-schem Zellengewebe und einer oder aus mehreren Spiralr\u00f6hren besteht, die, wie es Fig. 8. zeigt, mitten durch die Nabelschnur bis in die Basis des Eychen\u2019s hineinlaufen und hier wie bei c pl\u00f6tzlich enden, nachdem sie mehr\n17 *","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\noder weniger viele Aeste ausgeschiekt haben. Diese Nabelschnur mit ihren Spiralr\u00f6hren, (die sogenannten vasa uni-bilicalia) ist es, durch welche das Pflanzen-Eychen den Nahrungssaft erh\u00e4lt ; die Benennung ward von Malpighi gegeben, sie ist aber keinesweges so passend, als es scheinen m\u00f6chte, denn die Nabelschnur bei den Thieren, f\u00fchrt die Nahrung nicht zu den Eyhiillen, sondern unmittelbar in den Embryo, w\u00e4hrend der Pflanzen-Embryo in gar keiner unmittelbaren Verbindung mit der Nabelschnur steht, wie man es in den Abbildungen der aufrechtstehenden Eychen auf beiliegenden Tafeln am besten sehen kann, z. B. in Fig. 8. Tab. XIV. an dem Saamen der Urtica urens, wo c die Nabelschnur ist, deren Spiralr\u00f6hren bis in den gelblichen K\u00f6rper d hineingehen. Der Embryo dieses Saamens (o p) dagegen h\u00e4ngt nur an seinem Wurzelende o mit der Spitze des Kernes h in Ber\u00fchrung. Bei den aufrechtstehenden Eychen der Polygoneen, wozu die Figuren f) bis 13. auf eben derselben Tafel die Abbildungen von Polygonum aviculare geben, ist die Nabelschnur, welche \u00fcberall mit c bezeichnet ist, viel l\u00e4nger als bei der Gattung Urtica.\nMan hat diejenige Stelle des Eychen\u2019s, an welcher die Spiralr\u00f6hren der Nabelschnur enden, durch einen besonderen Namen bezeichnet, da diese Stelle in vielen F\u00e4llen sehr ausgezeichnet gestaltet und gef\u00e4rbt ist; Gaertner*) nannte jene Stelle die Chalaza und meinte, dafs sie aus den letzten Endungen der Umbilikalgef\u00e4fse oder aus den Ueberbleibseln des eingetrockneten Chorion\u2019s ihren Ursprung nehmen. Gew\u00f6hnlich lehrt man gegenw\u00e4rtig, dafs die Gef\u00e4fsbiindel der Nabelschnur die \u00e4ufsere Haut des Eychen\u2019s durchbrechen, sich dann auf der inneren mehr oder weniger ausbreiten und dadurch den Nabelfleck oder die Chalaza bilden, indessen dieser Gegenstand verlangt eine viel genauere Bestimmung und w\u00fcrde besonders erst durch monographische Arbeiten folgenreich erweitert werden,\n*) Be filier, etc. 1. CXXXV.","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"261\nF\u00fcr die systematische Botanik ist die Bestimmung der Chalaza von besonderer Wichtigkeit, indem sie stets die Basis des Kernes anzeigt und also stets demjenigen Punkte desselben entgegengesetzt gelagert ist, welchen wir die Spitze des Kernes genannt haben. Herr Treviranus gab in seiner, f\u00fcr jene Zeit h\u00f6chst musterhaften Arbeit \u00fcber den Pflanzen-Embryo eine genauere Beschreibung der Chalaza von Gaertner, er f\u00fchrt es als eine beachtenswerthe Erscheinung auf, dafs die Vertheilung der Gef\u00e4fse in den Eyhiillen einiger Gew\u00e4chse auf eine sehr kleine runde Scheibe beschr\u00e4nkt ist. \u00efn dem Mittelpunkte dieses scliei-r benf\u00f6rmigen K\u00f6rpers n\u00e4mlich, der sich durch seine Dicke und seinen compaeteren Bau auszeichnet, tritt das Gef\u00e4fs-b\u00fcndel des Nabelstranges ein und vertheilt sich divergirend nach allen Seiten. Herr Treviranus erkl\u00e4rt diesen, ge-f meinlich braungelblich gef\u00e4rbten Theil f\u00fcr ein dr\u00fcsiges Organ, und entweder diene dasselbe blofs zum Substrat des Eintrittes der Gef\u00e4fse, wie bei Ricinus, Daphne, Ly-copsis, oder es bildet eine scheibenf\u00f6rmige Ausbreitung, innerhalb der die Vertheilung der Nabelgef\u00e4fse beschr\u00e4nkt ist, wie bei Zea und Euphorbia, oder es verh\u00e4lt sich als eine, blofs durch Farbe und Consistenz ausgezeichnete Stelle des Zellengewebes, worin n\u00e4hrende Gef\u00e4fse \u00fcber-\u00ee gehen, wie bei Tropaeolum, Cucumis, Pyrus u. s. w.\nDie Spiralr\u00f6hren treten stets in die angeschwollene Basis des Eychen\u2019s und enden in der inneren Eyhiille ; man spricht gew\u00f6hnlich von einem Durchbrechen der Nabelgef\u00e4fse durch die \u00e4ufsere H\u00fclle, doch ist dieser Ausdruck unrichtig, indem sich die \u00e4ufsere H\u00fclle um die Basis des Kernes herum bildet und diese Basis eine unmittelbare Fortsetzung der Nabelschnur ist. In den Kern des Eychen treten niemals die Spiralr\u00f6hren der Nabelschnur, sie enden vielmehr in die zun\u00e4chst liegende Eyh\u00fclle, wo sie entweder auf einem kleinen, eigenth\u00fcmlich gef\u00e4rbten und genau umschriebenen Flecke sich mannigfach ver\u00e4steln und verzweigen, so dafs dadurch zuweilen, wie bei Citrus, Casuarina u. s. w. das niedlichste Gef\u00e4fsnetz entsteht, wel-","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262\nches kaum von einem K\u00fcnstler getreu dargestellt werden k\u00f6nnte, oder es verlaufen einzelne Spiralr\u00f6hren von jenem Eintrittspunkte durdi die ganze zellige Substanz der inneren Eyhiille, wie es bei Phaseolus zu sehen ist, dodi geschieht das Eindringen der Spiralr\u00f6hren in die Eyh\u00fcllen erst einige Zeit nadi der Befruchtung des Eychen\u2019s.\nEs scheint mir n\u00f6thig, dafs bei der Betrachtung der Chalaza zwei ganz verschiedene Theile an derselben besonders bezeichnet werden; sie sind bei einigen Pflanzen mehr, bei anderen weniger deutlich von einander getrennt, ja wie es bekannt ist, so fehlen bei vielen Pflanzen alle jene besonderen Merkmale, wodurch die Chalaza an der Basis des Kernes, als ein besonderer, f\u00fcr sich bestehender Theil von dem \u00fcbrigen Gewebe des Eychen\u2019s unterschieden werden kann. Man k\u00f6nnte in der Chalaza einen markigen Theil und einen gef\u00e4fsh altigen Theil unterscheiden, ersterer ist als wahre Basis des Kernes zu betrachten, w\u00e4hrend der letztere der dem Kerne zun\u00e4chst liegenden H\u00fclle angeh\u00f6rt. In der Abbildung des befruchteten Eychen\u2019s der Capsella, welche in Fig. 8. Tab. XIII. gegeben ist, findet man das Ende der sogenannten Nabel-gef\u00e4fse in c, w\u00e4hrend der markige Theil der Chalaza in i, als eine knotige Anschwellung des Kernes k k erscheint und aus einem weichen, etwas gr\u00fcnlich gef\u00e4rbten Zellengewebe besteht. Dieses eigenthiimliche zarte Gewebe hat Herr Treviranus sehr passend mit einem dr\u00fcsigen K\u00f6rper verglichen, und es m\u00f6chte auch wohl der Fall sein, dafs gerade durch diesen markigen Theil der Chalaza die gummireiche Fl\u00fcssigkeit abgesondert wird, welche die H\u00f6hle des Kernes f\u00fcllt und als haupts\u00e4chliche Nahrung des Embryo\u2019s anzusehen ist, wo, wie hier, kein besonderer Embryosack und kein besonderer Eyweifsk\u00f6rper vorhanden ist. Die Nabelgef\u00e4fse f\u00fchren die rohere Nahrung bis in die Basis des Eychen\u2019s und hier m\u00f6chte diese Nahrung durch den markigen Theil der Chalaza weiter zubereitet werden. Bemerkenswerth erscheint es mir, dafs dieses Zellengewebe des markigen Theiles der Chalaza die gr\u00f6fste Aehnlichkeit","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"263\nmit demjenigen des Markh\u00fcgels zeigt, aus dessen Spitze sich der Kern der Knospen hervorbildet, wie wir es pag. 16 nachgewiesen haben.\nDie Nabelschnur ist stets an der Basis des Eychen\u2019s befestigt und in allen solchen F\u00e4llen, wie bei Urtica (Fig. 1, 2 und 8. Tab. XIV.), Polygonum (Fig. 9 bis 13. Tab. XIV.), Euphorbia (Fig. 13. Tab. XV.) u. s. w. wo die Eychen bis zur vollst\u00e4ndigen Reife in ihrer Richtung unver\u00e4ndert bleiben, da ist die Spitze des Eychen\u2019s dem Insertionspunkte der Nabelschnur gerade entgegengestellt; man nennt dergleichen Eychen gerade oder geradl\u00e4u-1 fige (Ovula orthotropa seu atropa), und trennt sich ein solcher reifer Saame von seiner Nabelschnur, so liegt die zur\u00fcckbleibende Narbe, welche man den Nabel (Hilum) nennt, der Spitze des Saamens entgegengesetzt. W\u00e4ren | die Pflanzen-Eychen alle geradl\u00e4ufig, so w\u00fcrde man die Structur derselben schon langst erkannt haben, die Saa-men der meisten Pflanzen sind aber in ihrer Achse mehr oder weniger gekr\u00fcmmt und erst Herrn v. Mirbel gl\u00fcckte es im Jahre 1828 die Gesetze aufzufinden, nach welchen diese Kr\u00fcmmungen der Saamen in ihrem unentwickelten Zustande, meistens schon lange vor der Befruchtung vor sich gehen. Durch diese gl\u00e4nzende Entdeckung ward Herr * v. Mirbel zur Aufstellung dreier Abtheilungen berechtigt, durch welche die Eychen in Hinsicht des Verlaufes ihrer Achse sehr genau bezeichnet werden. Die erste Abthet-lung umfafst die geraden oder geradl\u00e4ufigen Eychen, von welchen soeben im Vorhergehenden die Rede war, die zweite Abtheilung umfafst die krummen oder krumm-l\u00e4ufigen Saamen (Ovula campulotropa seu cupyli-tropa Mirb.), welche den Gattungen vieler grofser Familien zukommen, als den Cruciferen, den Caryophylleen, Chenopodeen, Solaneen einem grofsen Theile der Leguminosen u. s. w. Die Kr\u00fcmmung ist an diesen Eychen leicht zu verfolgen; bei ihrem ersten Aut treten sind sie geradl\u00e4ufig, doch schon mit der ersten Bildung der H\u00fcllen beginnt die Kr\u00fcmmung, wie cs an den Abbildungen der","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\njungen Eychen der Capsella, welche sich in Fig. 1 \u20148. Tab. XIII. befinden, ganz deutlich zu sehen ist. Die Figuren 7 und 8. zeigen, dafs die Kr\u00fcmmung bei dieser Abtheilung' der Saamen ganz allein in der Kr\u00fcmmung der Achse des Eychen\u2019s besteht, und dieses ist das Characte-ristische derselben, was \u00fcberall gleich zu erkennen ist, obgleich auch hier eine Menge von Abweichungen auf-treten, welche den Uebergang der krummen Saamen zu der folgenden Abtheilung vermitteln. Ist das Eychen ganz in der Mitte gelegen und mit den entsprechenden Seiten verwachsen, wie z. B. bei Potamogeton, so nennt Herr Scnleiden *) ein solches Eychen: ovulum camptotropum. Die Abbildungen der Eychen des Mohnes in Fig. 28 und 29. Tab. XIII. zeigen die Kr\u00fcmmungen derselben in ihrer Achse; an den reiferen Eychen in Fig. 30, dicht daneben, sieht man aber, dafs das Eychen nicht nur in seiner Achse von c noch d gekr\u00fcmmt ist, sondern man bemerkt auch, dafs sich die Nabelschnur von a a bis b an die gekr\u00fcmmte Seite des Eychen\u2019s angelegt und mit diesem verwachsen ist. Ganz \u00e4hnlich verh\u00e4lt es sich mit dem Saamen der Bohnen (Phaseolus), welcher in Fig. 9*. Tab. XV. abgebildet ist, wo das Eychen eine sichelf\u00f6rmige Kr\u00fcmmung zeigt und auf der unteren H\u00e4lfte der gekr\u00fcmmten Fl\u00e4che mit der Nabelschnur verwachsen ist. Das Eychen von Chenopo-dium viride in Fig. 21. Tab. XIV. zeigt dagegen die Kriim-iming in seiner Achse und die Nabelschnur ist mit demselben fast gar nicht verwachsen.\nBei dem krumml\u00e4ufigen Saamen ist die Spitze des Eychen\u2019s, auf der concaven Seite desselben, stets der Chalaza gen\u00e4hert, und bei solchen knief\u00f6rmigen Beugungen, wie sie Capsella in Fig. 8. Tab. XIII. zeigt, da kommt die Spitze dicht an die Basis der Nabelschnur zu liegen; bei weniger vollst\u00e4ndigen Kr\u00fcmmungen dagegen, kommt die Spitze des Eychen\u2019s der Chalaza weniger nahe zu liegen.\n*) Ueber die Bildung des Eie hen\u2019s ete. \u2014 Act. Acad. G. L. G. Vol. XIX. P, I. pag. 10,","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"265\nIn denjenigen F\u00e4llen der krumml\u00e4ufigen Eychen, wo ein Theil der Nabelschnur mit der concaven Seite desselben verwachsen ist, wie bei Phaseolus, Pisum u. s. w. da kommt der Nabel nahe der Spitze des Eychens zu liegen lind dieses verwachsene Ende der Nabelschnur von dem Nabel bis zur Chalaza, bildet die Nath (Raphe Gaertn. Fascia Spreng.), welche in der Chalaza endet. Diese letzteren F\u00e4lle bilden Ueberg\u00e4nge zu der folgenden Abtheilung.\nDie dritte Abtheilung umfafst die gegenl\u00e4ufigen oder verdrehten Eychen (Ovula anatropa), welche ebenfalls bei ihrem ersten Auftreten geradl\u00e4ufig sind. Die Entstehung eines gegenl\u00e4ufigen Eychens sehen wir in den Abbildungen von Orchis Morio in Fig. 31 \u2014 34. Tab. XIII. In Fig. 31. hat sich das ganze Eychen an dem Ende der Nabelschnur in der Art umgebogen, dafs es mit Letzterer schon einen spitzen Winkel bildet, obgleich es anfangs als unmittelbarer Fortsatz derselben erschien. Bei der ferneren Entwickelung des Eycheirs legt sich dasselbe der Nabelschnur immer n\u00e4her, so dafs es mit dieser zuletzt ganz parallel verl\u00e4uft, wie in Fig. 33. und in Fig. 23. Tab. XV. von Epipactis. \u2014 Sp\u00e4ter verw\u00e4chst das Ende der Nabelschnur, welches neben dem Eychen verl\u00e4uft, mit dessen \u00e4ufserer H\u00fclle und es tritt nun eine Raphe auf, welche von der Basis bis zur Spitze des Eychen\u2019s verl\u00e4uft, und wenn hier die Lostrennung des Saameifs von der Nabelschnur erfolgt, so liegt der Nabel dicht neben der Spitze des Ey-chen's. Das Characteristische, wodurch sich die gegenl\u00e4ufigen Eychen von den krumml\u00e4ufigen ganz sicher unterscheiden lassen, ist, dafs bei den gegenl\u00e4ufigen Eychen die Kr\u00fcmmung durch das Ende der Nabelschnur bewirkt wird, und dafs das Eychen selbst ganz geradeaus nur gegen die Nabelschnur umgelegt ist, w\u00e4hrend bei den krumml\u00e4ufigen Eychen die Kr\u00fcmmung an dem Eychen selbst zu finden ist, mag dasselbe sp\u00e4ter ganz frei bleiben oder auch zum Theil mit der Nabelschnur verwachsen. Man wird den Bau der gegenl\u00e4ufigen Eychen am leichtesten auffassen, wenn man die abnormen F\u00e4lle betrachtet, die ich von den Eychen","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nder Eschscholtzia in den Figuren 14 und 19. Tab. XIV. dargestellt habe. Um die Zeit der Befruchtung zeigt das Eychen der Eschscholtzia californica das Ansehen von Fig. 20. eben daseihst, a ist die Basis, b die Spitze des umgebogenen Eychen\u2019s, welches seine Lage durch die Kr\u00fcmmung der Nabelschnur in c erhielt. Die Nabelschnur c d ist an dem dickeren Theile des Eychen\u2019s, von c bis a mit dessen \u00e4ufserer H\u00fclle verwachsen und bildet die Raphe; in Fig. 14. dagegen, wo ein solches Eychen in einem fr\u00fcheren Zustande dargestellt ist, da sieht man die Kr\u00fcmmung der Basis der Nabelschnur in c, dieselbe ist aber nirgends mit dem Eychen verwachsen. In Fig. 19. findet man die Darstellung eines solchen Eychen\u2019s der Eschscholtzia, an welchem die Kr\u00fcmmung unterblieben ist, und dadurch zeigt dieses Eychen alle die Verh\u00e4ltnisse eines geradl\u00e4ufigen Eychen\u2019s. Dergleichen abnorme Bildungen kommen sowohl bei den gegenl\u00e4ufigen, als bei den krumml\u00e4ufigen Eychen gar nicht selten vor; an Nicotiana habe ich sie schon vor langer Zeit gesehen, bei Eschscholtzia und bei der Gattung Mesembryanthemum sind sie besonders h\u00e4ufig zu finden, und Herr Schleiden hat sie ebenfalls bei verschiedenen Pflanzen bemerkt, fand sie aber unbefruchtet, w\u00e4hrend ich sie bei Eschscholtzia befruchtet und fast vollst\u00e4ndig reif gesehen habe. Sowohl bei diesen gegenl\u00e4ufigen Eychen, als auch bei den krumml\u00e4ufigen kann man die verschiedenen Grade der Ausbildung noch durch den Vorsatz: hemi genauer bezeichnen.\nMan k\u00f6nnte noch eine vierte Abtheilung von Saamen aufsteilen, n\u00e4mlich die doppelt gegenl\u00e4ufigen (Ovula ditropa), wo sich das Eychen im Allgemeinen ganz wie bei den gegenl\u00e4ufigen verh\u00e4lt, wo aber eine nochmalige Kr\u00fcmmung der Nabelschnur erfolgt, so dafs dadurch das Eychen nochmals umgekehrt wird und mit seiner Spitze wieder nach Oben, mit der Basis dagegen nach Unten zu stehen kommt, wie es in der Abbildung des Eychens von Mesembryanthemum glomeratum in Fig. 15. Tab. XIV. dargestellt ist. a b ist hier die freie Nabelschnur, woran das Eychen\nr","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"267\nh\u00e4ngt, von a bis d ist die Nabelschnur mit dem Eychen verwachsen und bildet die Raphe; die erste Kr\u00fcmmung geschah hier bei d an dem Ende der Nabelschnur, wodurch das Eychen umgedreht wurde, die zweite Kr\u00fcmmung erfolgte in c, und dadurch ward das umgedrehte Eychen wieder in die urspr\u00fcngliche Lage gebracht. Bei der Gattung Statice ist diese Bildung des Eychen\u2019s noch niedlicher und stets sehr bestimmt, so dafs sie es verdient mit einem besonderen Namen bezeichnet zu werden; auch bei Cereus zeigt sich diese Form des Eychens, wozu noch bei einigen Arten (ob allgemein?) die Nabelschnur, welche sehr lang s ist, ver\u00e4stelt auftritt und am Ende eines jeden Astes ein besonderes Eychen tr\u00e4gt.\nEs geht schon aus den, gar nicht selten vorkommenden Abnormit\u00e4ten hervor, dafs die Kr\u00fcmmungen des Pflan-j zeneychen\u2019s ohne physiologische Bedeutung f\u00fcr die Bildung des Embryo\u2019s oder des Saamen\u2019s \u00fcberhaupt ist, denn wir sehen, dafs gekr\u00fcmmte und gegenl\u00e4ufige Eychen gleichfalls vollkommen befruchtet werden und reife Saamen hervorbringen, wenn auch die Kr\u00fcmmung nicht erfolgt ist. Die Kr\u00fcmmung des Eychen\u2019s kann bei solchen erfolgen, welche mit einem blofsen Kern und ohne alle Eyh\u00fcllen versehen sind, wie auch bei solchen, welche mit einer und auch mit \u00a7 mehreren H\u00fcllen umkleidet sind. Herr Schleiden hat schon die Bemerkung gemacht, dafs ein nacktes, aus dem blofsen Kern bestehendes Eychen ohne Kr\u00fcmmung, gegenw\u00e4rtig noch nicht bekannt geworden ist; bei Taxus w\u00e4re jedoch ein solcher Fall, wenn die von mir gegebene Deutung (pag. 103) die richtige w\u00e4re.\nGekr\u00fcmmte nackte Eychen findet man, wie Herr Schleiden, zuerst ganz allgemein ausgesprochen hat, bei den San^ r talaceen, Rubiaceen, Dipsaceen, Cuscuteen und Asclepia-deen, dieselben sind aber nicht immer gegenl\u00e4ufig, wie Herr Schleiden angiebt, sondern auch gekr\u00fcmmt oder krumml\u00e4ufig, ersteres findet bei den Rubiaceen, letzteres bei den Asclepiadeen statt.\nDie Eychen mit einer einfachen H\u00fclle treten gerad-","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268\nl\u00e4ufig auf, wie bei Juglans, Ceratophyllum, oder sie sind gekr\u00fcmmt und zwar krumml\u00e4ufisr, wie z. B. bei den So-laneen oder gegenl\u00e4ufig, wie bei den Synantheren u. s. w. Unter gleichen Verh\u00e4ltnissen treten auch die Eychen mit doppelten Integumenten auf; sie sind geradl\u00e4ufig, wie bei den Polygoneen, Euphorbiaceen, Cystineen,Urticeen, krumml\u00e4ufig, wie bei den Caryophylleen, Cruciferen, Chenopodeen, oder endlich auch gegenl\u00e4ufig, wie bei dem gr\u00f6fsten Theile der Monocotyledonen.\nF\u00fcr die systematische Botanik ist es gegenw\u00e4rtig die n\u00e4chste Aufgabe die Saamen aller Familien und Gattungen in Hinsicht der Zahl ihrer Eyh\u00fcllen zu untersuchen, woraus sich vielleicht sehr interessante Resultate ergeben m\u00f6chten; so macht schon Herr Schleiden darauf aufmerksam, dafs keine einzige monokotyledonische Familie weniger, als zwei Integumente zeigt, und dafs unter den Diko-tyledonen die meisten monopetalen Familien nur eine H\u00fclle, die meisten polvpetalen dagegen zwei H\u00fcllen aufzuweisen haben. So allgemein aber auch diese Regeln zu sein scheinen, so giebt es doch wiederum einzelne und h\u00f6chst auffallende Ausnahmen von derselben. So zeigen die Leguminosen im Allgemeinen zwei Eyh\u00fcllen, dagegen hat die Gattung Lupinus, wie es die Herren Schleiden und Vogel zuerst beobachteten, wiederum nur eine einzelne H\u00fclle aufzuweisen. In den meisten H\u00fcllen ist jedoch die Zahl der Eyh\u00fcllen, nur an ganz jungen Eychen, und lange vor der Befruchtung zu bestimmen.\nNach dieser Auseinandersetzung \u00fcber die Structur, Bildung und Lage des Pflanzeneychen\u2019s im unbefruchteten Zustande, bleibt uns noch die n\u00e4here Betrachtung \u00fcber die Form der Spitze des Eychen\u2019s \u00fcbrig, welche durch die Form und besonderen Verh\u00e4ltnisse der Eyh\u00fcllen zuweilen die auffallendsten Bildungen zeigt, die in so fern sehr wichtig sind, als gerade diese Stelle des Eychen\u2019s zur Aufnahme der befruchtenden Substanz bestimmt ist. Es wurde gleich im Anf\u00e4nge dieses Capitels gezeigt, dafs die Eyh\u00fcllen von der Basis des Kern\u2019s beginnen und allm\u00e4lich \u00fcber","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"269\ndenselben Hin\u00fcberwachsen, so dafs er entweder ganz und gar von denselben eingeschlossen wird, oder mit seiner Spitze dar\u00fcber hinausragt; der letztere Fall ist im Allgemeinen sehr selten. In den meisten F\u00e4llen w\u00e4chst die einfache Eyh\u00fclle weit \u00fcber den Kern hinaus, und dann schliefst sich der Rand dieser H\u00fclle so sehr, dafs nur eine \u00e4ufserst kleine Oeffnung zur\u00fcckbleibt.\nBei den Pflanzen-Eychen mit doppelten H\u00fcllen w\u00e4chst gew\u00f6hnlich die innere H\u00fclle etwas \u00fcber die Spitze des Kerns hinaus, und die \u00e4ufsere H\u00fclle w\u00e4chst noch mehr oder weniger weit \u00fcber den Rand der inneren H\u00fclle hinweg, wie es in den Abbildungen des Eychens der Orchis (Fig. 34. Tab. XIII.), der Capsella (Fig. 8. Tab. XIII.) u. s. w. zu sehen ist; f\u00fcr diese F\u00e4lle sind dann auch die Bezeichnungen Exostomium und Endostomium, f\u00fcr die zur\u00fcckbleibenden Oeffnungen der \u00e4ufseren oder der inneren Eyh\u00fclle ganz passend. Zuweilen ist das Exostomium sehr grofs, wie bei Phaseolus, Pisum u. s. w. Hier ragt dann der Rand der inneren Eyh\u00fclle (ab Fig. 12. Tab. XV.) bis an das Exostomium, welches noch im reifen Saamen als ein besonderes Loch ganz deutlich zu erkennen ist, und schon durch Grew 1672 entdeckt wurde. Bei den Saamen dieser Gattungen findet noch das Eigenthiimliche statt, dafs die innere Eyh\u00fclle um die Zeit der Befruchtung in eine besondere konische Spitze ausl\u00e4uft, worin die Spitze des gekr\u00fcmmten Embryosackes gelagert ist, wovon erst sp\u00e4ter die Rede sein kann; die Abbildung in Fig. 9. Tab. XV. von dem Eychen des Phaseolus vulgaris giebt hiervon n\u00e4here Nachweisung. Der Kreis bei k deutet die zur\u00fcckgebliebene Oeffnung der \u00e4ufseren Eyh\u00fclle aa an; die innere Eyh\u00fclle bb verl\u00e4uft bis ii in gew\u00f6hnlicher Art, dann aber verl\u00e4ngert sie sich in den kegelf\u00f6rmigen Fortsatz, welcher von ii nach k verl\u00e4uft. In Fig. 12. ist dieser Fortsatz der inneren Eyh\u00fclle nach einer starken Vergr\u00f6fserung dargestellt; fg deutet denjenigen Theil der W\u00e4nde an, auf welchem der Kegel de ab befestigt ist, bis zu dessen Oeffnung c die Spitze des Embryosackes hineinragt. In anderen F\u00e4llen","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nist das Exostomium mit einem breiten, trichterf\u00f6rmigen Rande umgeben, was die Gattung Euphorbia so h\u00f6chst auffallend zeigt, aufserordentlich niedlich sind die langen und zarten Zellen gestellt, welche die innere Fl\u00e4che dieser Wulst bilden, die sp\u00e4ter gew\u00f6hnlich abf\u00e4llt.\nBei vielen Gattungen und, wie es scheint, selbst bei ganzen Familien, ragt die innere Eyhiille mehr oder weniger weit \u00fcber die \u00e4ufsere hinaus; hier bildet dann das Endostomium die eigentliche Spitze des Eychen?s, welche zur Aufnahme der befeuchtenden Substanz bestimmt ist. In Fig. 16. Tab. XV. habe ich die Spitze der beiden Ev-hiillen vonSaponaria officinalis abgebildet; ab ist das Exostomium und cc das Endostomium, welches hier nicht selten etwas trichterf\u00f6rmig ausgebreitet ist. Bei den Cacteen, wo ebenfalls das Endostomium \u00fcber das Exostomium hinausragt, da ist das Ende der inneren Hiille zuerst flaschenf\u00f6rmig zusammengeschn\u00fcrt, und wird gerade an dieser Stelle von dem Exostomium umfafst, sp\u00e4ter aber schwillt dasselbe wieder kegelf\u00f6rmig an und zeigt bei verschiedenen Arten und Gattungen eine mehr oder weniger starke Oeffnung. Auch in den Eychen von Chenopodium viride (Fig. 21. Tab. XIV.) und Mesembryanthemum glomeratum (Fig. 15. Tab. XV.) ragt das Endostomium weit \u00fcber das Exostomium hinaus.\nBei der Gattung Urtica verh\u00e4lt es sich ebenfalls in mancher Hinsicht sehr eigenthiimlich. Die Abbildung in Fig. 6. Tab. XIV. zeigt den vollst\u00e4ndig entbl\u00f6fsten Kern, dessen Spitze in h und dessen Basis in d liegt. In Fig. 5. eben derselben Tafel ist dagegen der obere Theil des ganzen Eyehen\u2019s eines anderen Falles von eben derselben Urtica urens dargestellt; hff zeigt den Kern, dessen Spitze in h ist. Die Membran de umschliefst den Kern und bildet die innere Eyh\u00fclle, welche ganz \u00fcber die Spitze des Kernes h hinausgewachsen ist; der ungleich ausgezackte Rand in abc ist dagegen der Rand der \u00e4ufseren Eyh\u00fclle, welche hier stets sehr weit von der Spitze der Kernes zur\u00fcckbleibt. Ich habe den Rand dieser Eyh\u00fclle in Fig, 7.","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"271\nnochmals und getrennt von dem Eyehen dargestellt. Diese H\u00fclle besteht aber aus zwei Zellenlagen, wovon sich die innere nicht bis an den Rand der \u00e4ufseren erstreckt, sondern schon fr\u00fcher aufh\u00f6rt; sie besteht aus horizontal gelagerten Zellchen, welche mit kleinen gr\u00fcngef\u00e4rbten Zellensaftk\u00fcgelchen versehen sind und so locker mit einander verwachsen auftreten, dafs sie ein ganz durchbrochenes\nGewebe bilden. Hierdurch und besonders durch die hori-\n%\nzontale Lagerung der Zellen wird es erkl\u00e4rlich, dafs diese Eyh\u00fcllen, wenn man sie abpr\u00e4parirt, stets ringf\u00f6rmig abgetrennt werden.\nBei Alsine media habe ich endlich noch den merkw\u00fcrdigen Fall beobachtet, dafs in den ersten Fr\u00fchlingsmonaten selbst die Spitze des Kernes \u00fcber die Oe\u00f6nungen der beiden Eyh\u00fcllen weit hinausragt, und zu einem sehr grofsen trichterf\u00f6rmigen K\u00f6rper ausw\u00e4chst, welcher sp\u00e4ter, nach erfolgter Befruchtung bis zu dem Endostomium vollst\u00e4ndig abf\u00e4llt.\nAufser diesen gew\u00f6hnlichen H\u00fcllen, tritt in einigen seltenen F\u00e4llen, noch eine besondere \u00e4ufsere H\u00fclle auf, welche sich aus der umschliefsenden Zellensubstanz des Nabelstranges entwickelt und mehr oder weniger vollst\u00e4ndig den ganzen Saamen \u00fcberzieht. Diese besondere H\u00fclle entwickelt sich, wie man es allgemein anzunehmen scheint, erst nach erfolgterBefruchtung des Eychen\u2019s, defshalb h\u00e4lt man sie f\u00fcr verschieden von den \u00fcbrigen Eyh\u00fcllen, und bezeichnet sie mit dem Namen: Saamenumschlag, Saa-mendecke, Saamenmantel (Arillus); ist diese H\u00fclle sehr klein und deckt sie nur einen kleinen Theil des Saa-mens, so bezeichnet man sie als Nabelanhang (Stro-phiolum Gaertm). Sowohl der Nabelanhang als der Saamenmantel tritt unter sehr mannigfaltigen Formen auf, welche f\u00fcr die beschreibende Botanik von Wichtigkeit sind, und deren Auseinandersetzung in Herrn G. W. BischofFs Handbuch der Terminologie und Systemkunde (pag. 502 \u2014 505 ) sehr vollst\u00e4ndig zu finden ist. Sehr richtig sagt Herr Bischoff, dafs wenn man den sch\u00fcsself\u00f6rmigen Ausbreituu-","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\ngen des Saamenendes des Nabelstranges von Pisum sativum, \\icia sativa etc. mit den verschiedenen F\u00e4llen des Saamen-mantels vergleicht, so stellen sie sich als erste Andeutung des Saamenmantels dar, und an diese schliefsen sich die h\u00e4lle von unvollst\u00e4ndigen Saamenm\u00e4nteln, wie bei Polygala und Abroma. Ja es scheint nicht einmal sehr rationell, wenn man den Arillus als etwas g*anz fremdartiges von den Eyhiillen trennt, denn wir haben schon im Vorhergehenden bei Epipactis den Fall kennen gelernt, wo die \u00e4ufsere Eyhiille erst nach erfolgter Befruchtung \u00fcber die innere Eyhiille hinausw\u00e4chst, w\u00e4hrend bei Orchis und vielleicht bei allen \u00fcbrigen Orchideen diese \u00e4ufsere Eyhiille schon vor der Befruchtung vollst\u00e4ndig ausgewachsen ist; man h\u00e4tte also ein gewisses Recht die \u00e4ufsere Saamen-h\u00fclle von Epipactis f\u00fcr einen Arillus zu erkl\u00e4ren, wenn man die vorhin aufgestellte Definition desselben streng festhalfen wollte. In anderen f \u00e4llen findet sich dagegen schon an dem Nabelstrange des unbefruchteten Eychen\u2019s die erste Anlage zu einem solchen Anh\u00e4nge.\nZweites Capitel.\nVon den plastischen Vorg\u00e4ngen, welche bei der Befruchtung der Pflanzen zu beobachten sind.\nNachdem wir im Vorhergehenden die m\u00e4nnlichen und weiblichen Geschlechts-Organe der Pflanzen in Hinsicht ihrer Structur und ihrer Bildung kennen gelernt haben, kommen wir zur Betrachtung derjenigen Vorg\u00e4nge, welche bei der Vereinigung dieser verschiedenartigen Geschlechts-Organe zur Bildung des Embryo\u2019s beobachtet werden; ein Prozefs, weichen man die Befruchtung nennt und ihn in Analogie stellt mit der Befruchtung der Thiere. Wir ha-","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"273\nben schon fr\u00fcher, als wir die geschlechtlichen Differenzen in den Bliithen der Pflanzen im Allgemeinen betrachteten, die Verschiedenheit der Meinungen kennen gelernt, welche man \u00fcber diesen so wichtigen Gegenstand aufgestellt hat. Alle ausgezeichneten Botaniker, welche sich mit anatomischen und physiologischen Untersuchungen der Pflanzen besch\u00e4ftigt haben, sind seit der Mitte des 17ten Jahrhunderts bem\u00fcht gewesen die Wege nachzuweisen, auf welchen die geschlechtliche Vereinigung bei den Pflanzen, und somit die Befruchtung erfolgt; auch hier ist die Zahl der verschiedenen Ansichten, welche man dar\u00fcber aufstellte, nicht klein, aber erst die letzteren 10 Jahre haben dieses R\u00e4thsel gel\u00f6st.\nEs war Samuel Morland*), welcher die erste sch\u00e4tzenswerte Ansicht \u00fcber die Vorg\u00e4nge bei der Befruchtung der Pflanzen aussprach; er glaubte, dafs die Pollenk\u00f6rner durch die H\u00f6hle des Stylus in das Ovarium hinabsteigen, und daselbst durch das von Grew in den Saamen entdeckte runde Loch in die Eychen hineindringen. Diese Meinung \u00fcber die Befruchtung der Pflanzen wurde alsbald von vielen Seiten bek\u00e4mpft, indem man einmal zeigte, dafs die Pollenk\u00f6rner meistens zu grofs w\u00e4ren, um durch jene H\u00f6hle des Stylus, den sogenannten Stylus-Kanal hindurchzugehen, dafs man auch die Pollenk\u00f6rner niemals auf diesem Wege der Befruchtung vorfinde, und dafs endlich der Sty-lus-Kanal bei den meisten Pflanzen fehle. Die beiden er-steren Einw\u00fcrfe waren allerdings ziemlich richtig, obgleich wir gegenw\u00e4rtig auch hier mehrere Ausnahmen kennen; die Ansicht \u00fcber das Fehlen des Stylus-Kanals bei der gr\u00f6fseren Menge von Pflanzen, war jedoch unrichtig. Andere Botaniker nahmen an, dafs nur der feinste Theil der Pollenk\u00f6rner zu den Saamen gelange, doch gaben sie hier\u00fcber keine n\u00e4here Nachweisung; Vaillant**) sprach von einem Dunste oder einem fl\u00fcchtigen Geiste, welcher die\n*) New observations upon the parts and use of the flower in plants. \u2014 Philosophic. Transact, of the year 1703. pag. 1477.\n\u00a5\u00a5) Discours sur a Structure des fleurs. A Leide 1717.\nMe y en. Pfl. Phys. III.\t18","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\nBefruchtung ausf\u00fchre, und diese Ansicht ist noch in neueren Zeiten oftmals wiederholt worden; nachdem aber Jussieu und Needham (Siehe pag. 179.) das Aufspringen der Pollenk\u00f6rner und das Hervortreten ihres Inhaltes beobachtet hatten, nahm Letzterer, so wie A. L. de Jussieu, Linn\u00e9 u. s. w. die Meinung an, dafs die Pollenk\u00f6rner auf der Narbe der Pflanzen zerspringen, und dafs die, aus ihnen hervortretende Fovilla durch den Stylus-Kanal oder durch eigenth\u00fcmliche R\u00f6hren zu den Eychen herabsteige und die Befruchtung ausf\u00fchre. Durch unseren ber\u00fchmten Gleichen, dessen Schriften wir schon mehrmals angef\u00fchrt haben, ward^diese Ansicht sehr bestimmt ausgesprochen, und dabei eine Hypothese eigener Art aufgestellt Es ist bekannt, dafs im Anf\u00e4nge des vorigen Jahrhunderts die Saa-menthierchen im m\u00e4nnlichen Saamen der Thiere eine sehr wichtige Rolle spielten; die ber\u00fchmten M\u00e4nner jener Zeit, welche sich fast ausschliefslich mit mikroskopischen Beobachtungen besch\u00e4ftigten, glaubten in den Saamenthierchen der Thiere die ersten Keime der k\u00fcnftigen jungen Thiere zu sehen, und nachdem Needham die ersten Bewegungen an den Molek\u00fclen der Fovilla gesehen hatte, was durch Gleichen umst\u00e4ndlicher beobachtet wurde, so glaubte Letzterer in diesen Molek\u00fclen des Pollen\u2019s die Saamenthierchen der Pflanzen und demnach auch die Saamenkeimchen derselben gefunden zu haben, welche durch eigenth\u00fcmliche R\u00f6hren die Narbe und den Stylus durchziehen, zu den Eychen im Ovario gelangen und daselbst ausgebildet w\u00fcrden. Gleichen nennt jene spermatischen Molek\u00fcle des Pollen\u2019s nie anders als die Saamenkeimchen; sie w\u00fcrden nach dem Aufspringen auf der Narbe umhergestreuet, durch die Haar- und Keimr\u00f6hrchen derselben angezogen und verschluckt. Ich brauche kaum hinzuzusetzen, dafs nach solchen Ansichten unsere, ganz allgemein angenommene Deutung der Geschlechter, sowohl bei den Thieren, als bei den Pflanzen unrichtig w\u00e4re; in Bezug auf die Pflanzen w\u00e4ren die Pollenk\u00f6rner, als die eigentlichen Keimbeh\u00e4lter anzusehen, und die Keime aus denselben w\u00fcrden nur in","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"275\ndie Beh\u00e4lter des Ovarium\u2019s gef\u00fchrt, wo sie ihre fernere Ausbildung erlangen. Diese, auf blofse Hypothesen gegr\u00fcndeten Ansichten wurden indessen sehr bald durch geistreiche Naturforscher beseitigt, aber man kam der Wahrheit noch immer nicht auf die Spur. Eine besondere Ansicht, welche sp\u00e4ter sehr ber\u00fchmte Botaniker theilten, ward durch K\u00f6l-reuter*) \u00fcber die Befruchtung der Pflanzen aufgestellt, wovon auch schon fr\u00fcher, als von den \u00f6ligen Substanzen die Rede war, mit welchen die Pollenk\u00f6rner umkleidet sind, gesprochen wurde. K\u00f6lreuter erkl\u00e4rte jenen Ueberzug der Pollenk\u00f6rner f\u00fcr die m\u00e4nnliche Saamenmaterie, welche aus dem Inhalte der Pollenk\u00f6rner gebildet werde; auch Herr Link **) meinte sp\u00e4ter, dafs es wohl nur die harzige Substanz der Pollenk\u00f6rner sei, welche hervordringe und befruchte, sie k\u00f6nne aber zu dem Saamen nicht anders als von Zelle zu Zelle durch das Parenchym in der Mitte des Griffels dringen und dieser Weg, da sich ihn die S\u00e4fte immer bahnen m\u00fcssen, habe die Schwierigkeiten nicht, welche man vermuthen m\u00f6chte.\nDieses sind, wie Herr Brongniart in seiner vortrefflichen Schrift \u00fcber die Zeugung des Pflanzen-Embryo sagt, die beiden Haupttheorien, welche in fr\u00fcheren Zeiten \u00fcber den Vorgang bei der Befruchtung der Pflanzen aufgestellt sind; nach der einen springen die Pollenk\u00f6rner auf der Narbe, und die ausgetriebene Fovilla wird durch Kan\u00e4le zu den Eychen gef\u00fchrt, w\u00e4hrend nach der anderen die von den Pollenk\u00f6rnern ausgeschwitzte oder abgesonderte harzig-\u00f6lartige Fl\u00fcssigkeit von Zelle zu Zelle durchgeschwitzt und zu den Eychen gef\u00fchrt wird. Um jene Zeit (Dec. 1826.) als Herr Brongniart seine wichtigen Beobachtungen der Academie der Wissenschaften zu Paris vorlegte, kam aber noch eine dritte Ansicht \u00fcber die Befruchtung der Pflanzen zur Ber\u00fccksichtigung, welche von Herrn Giovanni Battista Amici in der, schon pag. 180. von uns angef\u00fchrten\n*) Vorl\u00e4ufige Nachrichten etc. siehe pag. 176. dieses Buches.\n\u00a5\u00a5) Grundlehren der Anatomie und Physiologie der Pflanzen etc. 1807. pag. 225.\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nAbhandlung, in Folge von neuen Beobachtungen aufgestellt worden war. Herr Amici beobachtete, dafs ein Pollenkorn, welches auf der Narbe der Portulaca oleracea lag, aufsprang und ein zartes und durchsichtiges R\u00f6hrchen ausschickte, welches sich einem H\u00e4rchen der Narbe anlegte. Hierauf wurde die Rotationsstr\u00f6mung der K\u00fcgelchen in den R\u00f6hrchen beobachtet, welche nach Verlauf von 3 Stunden mit dem Verschwinden derselben aufh\u00f6rte, ohne dafs Amici wahrnehmen konnte, ob die K\u00fcgelchen in das Pollenkorn zur\u00fcckgegangen waren, oder ob sie vielleicht einen Eingang in die Zellen der Narbe gefunden hatten, oder vielleicht gar allm\u00e4hlig zerfliefsend, durch die Poren der Membran gedrungen, und sich mit der Fl\u00fcssigkeit im Inneren des Haares vermischt hatten. Dieses zarte R\u00f6hrchen, welches Herr Amici aus dem Pollenkorne hervortreten sah, f\u00fchrt gegenw\u00e4rtig den Namen des Pollenschlauches, \u00fcber dessen Function, wie die vorhergehenden, fast w\u00f6rtlichen Mittheilungen zeigen, durch Amici noch keine Deutung gegeben worden war. Schon lange vor diesen Beobachtungen hatte Gleichen *) die Pollenschl\u00e4uche der Seidenpflanze (Asclepias syriaca) beobachtet und abgebildet, er glaubte zwar, dafs sie aus dem Stigma herausk\u00e4men, sagt aber: ob man nicht das K\u00f6rnigte in den R\u00f6hrchen als die Vorbereitung zur Bildung des Befruchtungsstaubes ansehen k\u00f6nne. Sp\u00e4ter hat Aubert du Petit - Thouars **) die Spuren der Pollenschl\u00e4uche in dem Ovario der Orchideen beobachtet, doch ihren wahren Bau und ihren unmittelbaren Zusammenhang mit den Pollenk\u00f6rnern nicht bemerkt. Dagegen hat Herr Horkel ***) noch ganz k\u00fcrzlich mehrere Falle angef\u00fchrt, nach welchen noch einige andere Botani-\n*) Auserlesene mikroskopische Entdeckungen etc. N\u00fcrnberg 1781. 4to. pag. 83- Tab. XXXVII.\n**) Histoire des Orchid\u00e9es. Par. 1822.; die ersteren Bogen waren schon 1816 oder 1818 gedruc kt.\n***) Historische Einleitung in die Lehre von den Pollenschl\u00e4uchen. \u2014 Auszug aus einer am 18. Aug. 1836 in der K\u00f6nigl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin gehaltenen Vorlesung.","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"277\nker, als z. B. Richard *) und Au g. St. Hilaire **) die Pollenschl\u00e4uche bei verschiedenen anderen Pflanzen beobachtet haben, doch stimme ich Herrn Horkel keineswegs bei, wenn er die Ehre der Entdeckung des Pollenschlauches Herrn Amici zuertheilt. Erst Herr Brongniart (1. c. 1826.) ward sich der Bedeutung der Pollenschl\u00e4uche bewufst, wenn gleich er den Verlauf derselben noch nicht vollst\u00e4ndig verfolgt hatte; er sah die Pollenschl\u00e4uche bis sehr tief in das Gewebe des Stigma's hineindringen, und beobachtete zuerst ihre Entstehung aus der inneren Membran der Pollenk\u00f6rner, glaubte aber, dafs sie nur dazu da wT\u00e4ren, um die $ spermatische Substanz in das Innere der Narbe und des Stylus zu f\u00fchren, von wro aus sie durch das leitende Zell enge we be bis in das Ovarium geleitet werde, und selbst bis zur unmittelbaren Ber\u00fchrung mit dem Kernz\u00e4pfchen gelange. Unter Kernz\u00e4pfchen versteht Herr Brongniart ein kleines konisches Z\u00e4pfchen, in welches die Spitze des Kerns ausLuft, welche bei vielen Pflanzen durch die Oeffnung der H\u00fcllen des Eychen\u2019s hervortritt, und dadurch die befruchtende Substanz unmittelbar aufzunehmen im Stande ist. In jener Spitze des Kernes, welche Herr Brongniart das Befruchtungsz\u00e4pfchen nennt (mamelon dim-pregnation), sah derselbe***) eine einfache membran\u00f6se \u00e9 und durchsichtige R\u00f6hre, welche sich bis zum Keimsacke erstreckte, sich an denselben anlegte, und mit ihm selbst bis zum \u00e4ufsersten Ende des Befruchtungsz\u00e4pfchens locker zusammen zu h\u00e4ngen schien, ja in einigen F\u00e4llen ging diese membran\u00f6se R\u00f6hre selbst dar\u00fcber hinaus (vielleicht im Augenblicke der Befruchtung, wie Herr B. meint), und war dann leicht zu beobachten. Diese R\u00f6hre im Inneren der Kernspitze beobachtete Herr Brongniart nur bei wenigen Pflanzen, und bei noch wenigeren die Verl\u00e4ngerung derselben \u00fcber die Spitze des Kernes hinaus, indessen er\n\u00a5) M\u00e9m. de l\u2019Institut. 1811. pag. 19 \u2014 22. *\u00a5) M\u00e9m. du Mus\u00e9e. Tora. II. 1815.\n\u00a5\u00a5\u00a5) S. 1. c. pag. 85.","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nerkl\u00e4rt sich \u00fcber die Function derselben sehr bestimmt und, wie wir es sp\u00e4ter sehen werden, auch ganz vollkommen richtig, dafs n\u00e4mlich diese R\u00f6hre zur Aufnahme der spermatischen Substanz bestimmt ist, welche er auch in derselben bei den Cucurbitaceen wirklich beobachtet hat. Nachdem auf diese Weise durch Herrn Brongniart das Herabsteigen des Inhaltes der Pollenk\u00f6rner bis zum Embry osacke, ziemlich vollst\u00e4ndig nachgewiesen worden war, indem er die Pollenschl\u00e4uche bis in die Tiefe der Narbe eindringen sah, indem er die spermatische Substanz zwischen dem leitenden Zellengewebe beobachtete, und die spermatischen K\u00fcgelchen in der R\u00f6hre im Inneren der Kernspitze wiederfand und bis zur Membran des Embryosackes verfolgte, so fehlte nur noch sehr Weniges und der ganze plastische Prozefs bei der Befruchtung der Pflanzen w\u00e4re entr\u00e4thselt gewesen. Herr Brongniart \u00fcbersah, dafs die spermatischen K\u00fcgelchen im leitenden Zellengewebe ebenfalls mit dem Pollenschlauche eingeschlossen sind und wurde defshalb veranlafst anzunehmen, dafs jene R\u00f6hre, welche er unmittelbar auf dem Embryosacke befestigt beobachtete, nicht als eine Fortsetzung des Pollenschlauches anzusehen sei, sondern als eine, von dem Embryosacke auslaufende R\u00f6hre, welche den spermatischen K\u00fcgelchen entgegen gehe. H\u00e4tte Herr Brongniart diesen kleinen Fehler vermieden, woran offenbar nur die damaligen Mikroskope Schuld waren, welche den Pollenscl\u00fcauch im leitenden Zellengewebe \u00e4ufserst mangelhaft zeigten, so w\u00e4re durch ihn, schon in jener Zeit das Wichtigste in der Lehre von der Befruchtung der Pflanzen nachgewiesen, doch anstatt die Ursache zu ermitteln, durch welche Herr Brongniart zu dem einzelnen Irrthurne in seinen Beobachtungen gekommen war, hat man meistentheils die ganze Darstellung desselben von dem Befruchtungsprozesse zur Seite geschoben.\nNach dem Erscheinen von Brongniart\u2019s wichtiger Arbeit war es nicht mehr schwer die Beobachtungen \u00fcber den fraglichen Gegenstand fortzufiihren und nun machte","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"279\nauch Amici *) die Entdeckung, dafs die Pollenschl\u00e4uche durch den Stylus bis in das Ovarium und bis zum Nucleus des Saamens hinabsteigen. Die Wichtigkeit der Pollenschl\u00e4uche bei dem Befruchtungsgesch\u00e4fte ward im Jahre 1832 durch Herrn Treviranus**) bestritten; er hielt sie f\u00fcr Forts\u00e4tze der \u00e4ufseren Pollenhaut, welche nur durch nasse Witterung w\u00e4hrend der Zeit des Bliihens entstanden w\u00e4ren. Ich selbst habe die Pollenschl\u00e4uche schon \\or der Brongniart\u2019schen Arbeit gekannt und sie \u00f6fters anderen Botanikern gezeigt, glaubte jedoch, dafs sie die spermatische Feuchtigkeit nur in die Tiefe der Narbe hineinf\u00fchrten und daselbst durch die Narbenfeuchtigkeit an der Spitze ge\u00f6ffnet w\u00fcrden. In meiner Schrift: Ueber den Inhalt der Pflanzenzellen (1828) machte ich bekannt, dafs die Pollenschl\u00e4uche als eine allgemein auftretende Erscheinung zu betrachten w\u00e4ren, dafs sie zuweilen eine aufser-ordentliche L\u00e4nge erreichen, z. B. 50mal l\u00e4nger werden, als das Pollenk\u00f6rnchen, wie bei einem Ornithogalum, und dafs ich dieselben bei der Tulpe auch ver\u00e4stelt beobachtet h\u00e4tte. Die Bildung des Pollenschlauches geschehe aufser-halb des Pollenkornes, sei demnach nicht als eine blofse Ausdehnung der inneren Membran desselben zu betrachten, und \u00fcberhaupt sei sie nur durch die Y ereinigung der beiden Geschlechter bedingt. Diese letztere Beobachtung, welche ich noch immer als richtig ansehe, stellte ich schon damals den angeblichen Versuchen Henschel\u2019s bei Gelegenheit der Versammlung der Naturforcher zu Berlin entgegen.\t.\t.\nEinige Jahre nach der Ver\u00f6ffentlichung der wichtigen Entdeckungen des Herrn Brongniart \u00fcber den Befruch-tungsprozefs, und nachdem schon sehr viel \u00fcber das Auftreten der Pollenschl\u00e4uche geschrieben war, erschien das Buch des Herrn C. H. Schultz***) \u00fcber die Fortpflanzung\n*) Note sur le mode d\u2019action du pollen sur le stigmate. Annal, des scierie, nat. T. XXL pag. 331.\n**) Zeitschrift fur Physiologie. IV. pag. 125\u2014144.\n***) Die Natur der lebendigen Pflanze. II. T\u00fcbingen 1828. pag.257.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nund Ern\u00e4hrung der Gew\u00e4chse, worin sehr originelle Ansichten \u00fcber den Befruchtungsprozefs der Pflanzen mitge-tlieilt werden, welche, da sie aut wirkliche Beobachtungen beruhen sollen, viel zu wenig bekannt geworden sind. Nach diesen Beobachtungen soll die blofse N\u00e4he der m\u00e4nnlichen I flanze auf die weibliche Blume befruchtend einwirken, ohne dafs die Pollenk\u00f6rner selbst mit der Narbe in Ber\u00fchrung kommen, und dafs man durch die blofse Ausd\u00fcnstung des reifen, in einer Flasche befindlichen Pollens, ohne alle m\u00e4nnlichen Pflanzen die Befruchtung bewirken k\u00f6nne. Die Beobachtungen wurden an den Hanfpflanzen, am t\u00fcrkischen Weizen und an K\u00fcrbissen gemacht, sie sind aber durchaus unrichtig, denn bei diesen genannten Pflanzen habe ich selbt und mehrere andere > Beobachter die Befruchtung der Saamen durch hineinsteigende Pollenschl\u00e4uche beobachtet.\nIm Jahre 1831 verfolgte Herr R. Brown *) den Verlauf der Pollenschl\u00e4uche bei den Asclepiadeen bis zum Anf\u00e4nge des Saamenboden\u2019s, er stellte jedoch \u00fcberdieFunc-tion der kleinen K\u00f6rnchen, welche urspr\u00fcnglich die Pollenk\u00f6rner erf\u00fcllen, eine Ansicht auf, welche von besonderer Wichtigkeit ist. Herr Robert Brown glaubt n\u00e4mlich, j dafs die spermatischen K\u00f6rnchen, als Quelle der Ern\u00e4hrung f\u00fcr die Bildung der Pollenschl\u00e4uche anzusehen sind, doch d\u00fcrfe man defshalb noch nicht annehmen, dafs die Pollenschl\u00e4uche selbst bei der Befruchtung wirken, sondern es w\u00e4re vielmehr wahrscheinlich, dafs sie noch ein weit feineres Fluidum oder eine weit feink\u00f6rnigere Materie enthalten, als diejenige, welche urspr\u00fcnglich die Pollenk\u00f6rner erf\u00fclle. Diese Ansicht von dem Zwecke der spermatischen K\u00fcgelchen, wurde sp\u00e4ter von vielen Botanikern angenommen und zwar so unbedingt, dafs man in jenen K\u00fcgelchen \u00fcberall nur Amylum zu sehen glaubte, welches zur Ern\u00e4hrung verbraucht werde, und wohl gar das fette Oel\n\u00a5) Observ. on the organs and mode of fecundation in Orchideac and Asclepiadeae. pag. 30.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"281\nder Fovilla als den Tr\u00e4ger des eigentlichen Sperma\u2019s betrachtete. Erst im Jahre 1833 verfolgte Herr Robert Brown *) den Verlauf der Pollenschl\u00e4uche bis zur Spitze des Nucleus, ja im September eben desselben Jahres zeigte er, dafs der Schlauch selbst in die Tiefe dieser Kernspitze herabsteige. Indessen, meint jener vorsichtige Gelehrte, dieses Herabsteigen und Anhaften der Pollenschl\u00e4uche d\u00fcrfe defs-halb noch keineswegs auf alle phanerogamischen Gew\u00e4chse ausgedehnt und folgerecht auf dieselben \u00fcbertragen werden; weil unter diesen manche Bildungen des weiblichen Organes gefunden werden, welche einen solchen Vorgang schwerlich zulassen.\nIn einer Abhandlung vom September 1834 \u00fcbergab Herr Corda **) seine Beobachtungen \u00fcber den Befruchtungsakt der Coniferen; er sah die Pollenschl\u00e4uche durch die H\u00f6hle der Secundine zur M\u00fcndung der Nucula (Nucleus ! ) steigen, durch dieselbe (welche er als ein grofses Loch abbildet) eintreten, daselbst d\u00fcnner werden und ihren Inhalt als tr\u00fcbe, fl\u00fcssige Masse entleeren. Diese entleerte F\u00fcllung sah Herr Corda bald darauf gestaltet, indem sie den Embryosack bildete, und die Verbindung der Pollenschl\u00e4uche mit dem Embryosack bestehe noch lange nach der Befruchtung. Alle diese Angaben sind durch grofs-artige Abbildungen verdeutlicht worden und diese beweisen gerade, dafs Herr Corda sehr Vieles von demjenigen, was daselbst abgebildet ist, nicht gesehen hat.\nEinen sehr sch\u00e4tzenswerthen Beitrag zur Lehre von der Befruchtung der Pflanzen erhielten wir durch Herrn Horkel\u2019s Abhandlung: Historische Einleitung in die Lehre von den Pollenschl\u00e4uchen; dieser vielerfahrene Gelehrte schliefst jene Arbeit mit der Bemerkung: \u201edafs die Amici\u2019sche Entdeckung, nachdem ich wenigstens in 50 Familien einzelne Beispiele von dem Herabsteigen der Pollenschl\u00e4uche\n*) Supplementary Observ\u00e2t, on the fecundat. of Orchideae and Asclepiadeae. London. Juli 1833. pag. 4.\n\u00a5\u00a5) Beitrage zur Lehre von der Befruchtung der Pflanzen. \u2014 Nova Acta Acad. G. L. G. nat. cur. Tom. XVII. P. II. pag. 599 etc*","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"2S2\nvom Stigma bis in\u2019s Ovarium, und bei vielen auch den Uebergang in die Ovula sab, f\u00fcr allgemein g\u00fcltig zu halten ist, u. s. w.\u201c Die neueste Arbeit, welche \u00fcber die Befruchtung der Pflanzen erschienen, ist von Hrn. M. Schleiden*), und mit dieser werden wir uns noch specieller bekannt zu machen haben, indem in derselben zwar die einzelnen angegebenen Beobachtungen der Vorg\u00e4nger best\u00e4tigt und einige neue Beobachtungen hinzugef\u00fcgt, aber auf eine sehr abweichende Weise gedeutet werden. Auch Herr Schleiden glaubt, dafs der Verlauf der Pollenschl\u00e4uche von dem Stigma bis zum Ovulum der allgemeine Vorgang bei der Befruchtung der Phanerogamen sei, dafs einer, selten mehrere dieser Schl\u00e4uche die Intercellularg\u00e4nge des Nucleus durchkriechen, und dafs der Schlauch, welcher den Embryosack erreicht, diesen vor sich herdr\u00e4ngt, ihn einst\u00fclpt und dann als ein cylindrischer Schlauch erscheint, welcher den Anfang des Embryo bildet, der auf diese Weise nichts anderes ist, als eine auf die Spitze der Achse gepfropfte Zelle des Blattparenchym\u2019s. Der Embryo wird also nach diesen Ansichten durch die Haut des Pollenschlauches und durch den eingest\u00fclpten Embryosack gebildet und bei Pflanzen, welche mehrere Embryonen haben, sind gerade eben so viele Pollenschl\u00e4uche vorhanden, als sich Embryonen zeigen, und aus diesen Angaben geht, wie Herr Schleiden meint, die wichtige Folge hervor, dafs man die beiden Geschlechter der Pflanzen geradezu falsch benannt habe, indem jedes Pollenkorn der Keim eines neuen Individuum\u2019s ist, dagegen der Embryosack als das m\u00e4nnliche Princip zu betrachten w\u00e4re, welches nur dynamisch die Organisation der materiellen Grundlage bestimmt. Sicherlich sind die, im Vorhergehenden mitgetheilten Ansichten des Herrn Schleiden jedem Botaniker h\u00f6chst unerwartet vorgekommen, und k\u00f6nnte es erwiesen werden, dafs dieselben richtisr sind, so haben wir bisher nicht nur die Geschlechter\n*) Einige Blicke auf die Entwickelungsgeschichte des vegetabilischen Organismus bei den Phanerogamen. \u2014 W'iegmann\u2019s Archiv der Naturgeschichte. 1837. I. pag. 291 \u2014 320.\n\u00ab","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"283\nder Pflanzen geradezu falsch benannt, sondern wir m\u00fcssen alle Vorstellungen \u00fcber das Vorkommen geschlechtlicher Differenzirungen bei den Pflanzen aufgeben; indessen ich gebe mich der Hoffnung hin, dafs es so weit nicht kommen wird, denn wir werden in dem Folgenden eine Reihe von Beobachtungen kennen lernen, welche, dem Scheine nach, allerdings nach Herrn Schleiden\u2019s Ansichten gedeutet werden k\u00f6nnten; aber ich werde zu zeigen suchen, dafs man diese Beobachtungen wenigstens auch mit eben demselben Rechte nach den fr\u00fcheren Ansichten auslegen kann, ja wir werden Erscheinungen kennen lernen, welche ganz allein nach den bestehenden Ansichten \u00fcber das Geschlecht der Pflanzen gedeutet werden k\u00f6nnen.\nEhe wir zur eigenen Betrachtung des Befruchtungsprozesses \u00fcbergehen, m\u00fcssen wir noch der Angabe des f Herrn Turpin gedenken, welchen man als den Entdecker des Weges zu betrachten pflegt, auf welchem die befruchtende Substanz in das Eychen dringt, wir werden jedoch sehen, dafs dieses mit Unrecht geschieht. Es ist schon fr\u00fcher pag. 273. gezeigt, dafs mehrere Botaniker die Ver-muthung hegten, dafs die befruchtende Substanz durch das, von Grew endeckte Loch der Saamenhiillen in das Innere des Eychen\u2019s eindringe, und Herr Turpin* *) gab im Jahre * 1806 eine n\u00e4here Beschreibung des Organes, durch welches das Eychen befruchtet w\u00fcrde. Es sollte um die Zeit der Befruchtung ein eigener Gef\u00e4fsstrang in einem, vom Nabel verschiedenen Punkte in die \u00e4ufsere Eyhiille ein-h treten, und nachdem er zerst\u00f6rt worden eine Narbe zur\u00fccklassen, welche mit dem Namen der Mikropyle belegt wurde. Herr A. de Saint-Hilaire best\u00e4tigte jene Angaben und bestimmte den Punkt der Mikropyle dadurch ganz ; genau, dafs derselbe mit der Spitze des W\u00fcrzelchen des Embryo\u2019s stets zusammentreffe. Erst Herr RobertBrown **} bestritt den organischen Zusammenhang eines solchen be-\n*) Annal, du Mus. VIT. pag. 199.\n*\u00a5) Vermischte Schriften. Herausgegeben von N.v.E. IV. pag. 92.","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nfruchtenden Gef\u00e4fsstranges mit den Saamenh\u00e4uten, aber Herrn Turpin\u2019s Benennung: Mikropyle ward dennoch beibehalten und ist gegenw\u00e4rtig sehr allgemein im Gebrauche; man bezeichnet gegenw\u00e4rtig damit diejenige Stelle des Eychens, welche die eindringende befruchtende Substanz zuerst empfangt. Aus den neuesten Schriften des Herrn Turpin*) sehen wir jedoch, dafs auch er die Function der Mikropyle nur errathen und nicht beobachtet hat, denn gegenw\u00e4rtig h\u00e4lt Herr Turpin die Mikropyle fiir eine Oeff-nung ohne alle physiologische Function. Er sagt die Mikropyle ist nichts weiter, als die OefFnung, welche ein zusammengerolltes und mit den R\u00e4ndern verwachsenes Blatt an seinen Enden zeigt, und so k\u00f6nne man eine Blatt-, Antheren-, Eyerstock-, Carpell- und Ey-Mikropyle unterscheiden u. s. w. Ja Herr Dutrochet**) hat neuerlichst die Mikropyle f\u00fcr eine pneumatische R\u00f6hre erkl\u00e4rt, welche dem Inneren des Eychen\u2019s die n\u00f6thige Luft zuf\u00fchre.\nIndessen alle diese neueren Angaben sind schon lange vollst\u00e4ndig beseitigt, aber Turpin\u2019s Benennung Mikropyle ist zur\u00fcckgeblieben, obgleich die ganze Annahme, worauf sie gegr\u00fcndet wurde als irrig nachgewiesen ist. Wir verstehen gegenw\u00e4rtig unter Mikropyle dasjenige Ende des Eychen\u2019s, welches den Pollenschlauch oder die befruchtende Substanz zuerst empf\u00e4ngt, und hiezu k\u00f6nnen bei verschiedenen Pflanzen die verschiedensten Theile des Eychen\u2019s verwendet werden. Bald bildet das Exostomium, bald das Endostomium die Mikropyle, bald empf\u00e4ngt die Spitze des Kernes unmittelbar den Pollenschlauch, und in einigen F\u00e4llen w\u00e4chst sogar der k\u00fcnftige Embryosack zu den Eyhiillen hinaus und geht somit dem Pollenschlauche entgegen. Es h\u00e4lt schwer f\u00fcr diese Stelle des Eychen\u2019s einen entsprechenden A amen aufzustellen; den Befruchtungspunkt darf man sie nicht nennen, denn dieser ist erst im Inneren des Kernes zu suchen. Herr Tittmann nannte\n*) Esquisse d\u2019organographie etc. 1837. pag. 42.\n\u00a5\u00a5) M\u00e9ra. p. s. a. l\u2019hist. auat. et phys. des v\u00e9g\u00e9t. etc. II.\npag. 115\u2014162. 1837.","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"285\ndiejenige Stelle des Saamens, welche der Mikropyle entspricht, den Keimungspunkt (punctum germinationis), weil hier stets das Wiirzelchen hervortritt.\nDie folgenden Mittheilungen werden, wie ich hoffe, eine befriedigende Anschauung von dem plastischen Prozesse geben, welcher bei der Befruchtung der Pflanzen zu beobachten ist. Bei sehr vielen Pflanzen kennt man den Zeitpunkt, in welchem die Befruchtung vor sich geht, sehr genau, indem eigenthiimliche Bewegungen der Geschlechts-Organe und andere Form-Ver\u00e4nderungen der Bliithen . auftreten, welche wir erst in der n\u00e4chsten Abtheilung, wenn von den Erscheinungen der Irritabilit\u00e4t und der Sensibilit\u00e4t der Pflanzen die Rede sein wird, n\u00e4her kennen lernen werden. Gr\u00f6fstentheils geschieht die Befruchtung um die . Zeit, wenn die Bliithen in ihrer gr\u00f6fsten Pracht stehen * und sie beginnt mit dem Aufspringen der Antheren, welches meistens mit einem Ausstreuen und Fortschleudern einiger Pollenk\u00f6rner begleitet ist; bei einigen Pflanzen ist der Eintritt dieses Vorganges mit einer besonders starken Geruchsentwickelung, ja selbst mit W\u00e4rmeentwickelung begleitet, wie wir dieses bei den Aroideen in so ausgezeichnetem Grade kennen gelernt haben. Die Ursache dieser Erscheinungen fanden wir in dem starken Verbren-f nungsprozesse (S. den zweiten Theil pag. 190), durch welchen sich die Antheren vor allen \u00fcbrigen Theilen der Bliithe auszeichnen, und dieses ist durch die schnelle Entwickelung bedingt, welche die Pollenmasse noch in den letzten Stadien ihrer Ausbildung zeigt, wobei man die Vergr\u00f6fserung der Pollenk\u00f6rner von Tag zu Tag verfolgen kann. Bei den meisten Blumen kann man das Aufspringen der Antheren und das Ausstreuen der Pollenmasse schon - mit blofsem Auge bemerken, aber besser noch mit H\u00fclfe einer Linse; die Beobachtung dieses Gegenstandes bei verschiedenen Pflanzen wird zeigen, dafs das Ausstreuen des Pollens bei einigen Pflanzen fr\u00fcher, bei anderen sp\u00e4ter eintritt, ja dafs bei manchen Pflanzen die Befruchtung schon erfolgt ist, wenn sich die Blumenkrone \u00f6ffnet. Bei","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\nmanchen Pflanzen, deren Blumenkrone bei kaltem und regnigtem Wetter geschlossen bleibt, geht die Befruchtung innerhalb der geschlossenen Blume vor sich; ja es giebt gef\u00fcllte Blumen, wie z. B. eine Spielart der Rose, bei denen die Blumenbl\u00e4tter so zahlreich und gedr\u00e4ngt auf-treten, dafs sie sich nicht ausbreiten k\u00f6nnen, daher bleibt das Innere der Blume eigentlich geschlossen und dennoch geht die Befruchtung vor sich. Im Allgemeinen kann man aber annehmen, dafs die Befruchtung erst bei ge\u00f6ffneter Blume erfolgt. Fast alle vollkommeneren Pflanzen, deren Saamen wirkliche Embryonen aufzuweisen haben, bl\u00fchen in der Luft; so wissen wir von vielen phanerogamen Wassergew\u00e4chsen, deren Bliithen aus der Tiefe emporsteigen, um oberhalb des Wassers die Befruchtung auszuf\u00fchren, und nach erfolgter Befruchtung wieder unter Wasser sinken. Die Vallisneria spiralis L. wird schon seit einem ganzen Jahrhundert, als eine der merkw\u00fcrdigsten Pflanzen in dieser Hinsicht aufgef\u00fchrt; sie w\u00e4chst auf dem Grunde stehender Gew\u00e4sser des s\u00fcdlichen Europa\u2019s, so wie in Nordamerika, und \u00e4hnliche Arten dieser Gattung kommen auch auf den anderen Welttheilen vor. Die Vallisneria besizt Bl\u00fcthen mit getrennten Geschlechtern; die weibliche Bliithe befindet sich in der Jugend auf einem spiralf\u00f6rmig gewundenen Blumenstiele, welcher sich um die Zeit, wenn die Bl\u00fcthe weiter entwickelt ist, und sich zu entfalten beginnt, aufrollt und die Blume \u00fcber die Oberfl\u00e4che des Wassers emporhebt. Seitdem diese Pflanze in unseren botanischen G\u00e4rten so allgemein geworden ist, hat man allj\u00e4hrlich Gelegenheit diese Erscheinung zu beobachten. Anders verh\u00e4lt es sich dagegen mit den m\u00e4nnlichen Bl\u00fcthen dieser Pflanze, wor\u00fcber, was in der That zu bedauern ist, noch heutigen Tages sehr verschiedene Beobachtungen angegeben werden. Die m\u00e4nnlichen Blumen der Vallisneria haben nur sehr kurze Stiele, welche sich nicht ausdehnen k\u00f6nnen, so dafs die Blume in der Tiefe sitzen mufs; \u201eum die Zeit der Bl\u00fcthe, sagt Herr De Candolle *> *) Phys, v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 530.","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"287\n\u00f6ffnet sich die Blumenscheide, es l\u00f6sen sich die Blumen-kn\u00f6spchen an ihrem unteren Ende ab, und steigen an die Oberfl\u00e4che des Wassers, indem sie blasenartig beschaffen sind. Hier auf der Oberfl\u00e4che des Wassers \u00f6ffnen sich die Blumen, schwimmen um die weiblichen umher und befruchten diese, welche, bald nach erfolgter Befruchtung, wieder unter das Wasser steigen, indem sich der aufgerollte Stiel wieder spiralf\u00f6rmig zusammenzieht, w\u00e4hrend die m\u00e4nnliche Blume dagegen abstirbt.\u201c Obgleich die Vallisneria in unseren Gew\u00e4chsh\u00e4usern fast j\u00e4hrlich bliihet, so ist doch noch niemals die Lostrennung der m\u00e4nnlichen Bliithe beobachtet worden, sondern ich selbst habe mehrmals gesehen, dafs nur mehr oder weniger grofse Pollenmassen an die Oberfl\u00e4che des Wassers emporsteigen, und hier bei zuf\u00e4lliger oder k\u00fcnstlicher Ber\u00fchrung der weiblichen Bliithen die Befruchtung ausf\u00fchren. An der Vallisneria Nordamerikas, welche man f\u00fcr identisch mit Vallisneria spiralis L. h\u00e4lt, hat auch schon Thomas Nuttal *) vor vielen Jahren beobachtet, dafs sich die m\u00e4nnliche Bliithe nicht abl\u00f6st, sondern dafs nur die Pollenk\u00f6rner \u00fcber die Oberfl\u00e4che des Wassers kommen und daselbst aufplatzen. Dieser Mangel an Ue-bereinstimmung in den Angaben \u00fcber die Befruchtung der Vallisneria spiralis wird endlich durch Pauli Barbi\u00e9ri beseitigt, der dieses interessante Gew\u00e4chs vielfach beobachtet hat; auch er sah, dafs sich die Pollenk\u00f6rner zu Tausenden abl\u00f6sen, und auf dem Wasser umherschwimmen, wo sie silberweifse Flocken bilden. Ja Barbi\u00e9ri l\u00f6ste die ausgebildeten m\u00e4nnlichen Bliithen von ihren Stielen ab und sah, dafs keine einzige davon auf dem Wasser umherschwamm.\nGanz in derselben Art soll sich auch die Gattung Udora verhalten. Die Aldrovanda vesiculosa w\u00e4chst im Grunde der schlammigen Landseen des s\u00fcdlichen Europas, und da man die Bliithen dieser Pflanze sp\u00e4ter auf der Oberfl\u00e4che des Wassers umherschwimmend findet, so ver-\nD Chapmans Philadelphia Journal 1822. Aug. - Mitgetheilt in Froriep\u2019s Notizen von 1823. pag. 309.","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nrauthet Herr De Candolle*), dafs sich die Bliithenstengel von dem Wurzelhalse abl\u00f6sen, w\u00e4hrend Monti**) den Gegenstand viel wahrscheinlicher erkl\u00e4rt. Nach Monti\u2019s Beobachtungen bl\u00fcht die Pflanze sehr selten, pflanzt sich aber meistens durch Knospen fort, welche zu Ende des Herbstes von den Spitzen der Stengel und der Zweige entstehen und sich im Winter, bei der Zerst\u00f6rung der Pflanze, abtrennen und zu Boden sinken. Im Fr\u00fchjahr entwickeln sich diese Knospen und steigen durch die Luftentwickelung, welche zwischen ihrem Blattanh\u00e4ngsel ***) beobachtet ist, in die H\u00f6he, wo sie alsdann \u00fcber dem Wasser bl\u00fchen und ihre Fr\u00fcchte zur Reife bringen, ohne dafs diese Bliithen\u00e4ste mit Wurzeln versehen sind. Ich selbst habe zwar keine Gelegenheit gehabt die Aldrovanda zu beobachten, aber aus dem Mitgetheilten geht hervor, dafs sich jene Pflanze eigentlich ganz ebenso verh\u00e4lt, als unsere Utricularia, deren Knospen ebenfalls so lange in der Tiefe des Wassers liegen, bis sie durch die Luftentwickelung in ihren Blasen emporgehoben werden, sich schnell und oft zu aufseror-dentlich langen Zweigen entwickeln, welche wurzellos im Wasser umherschwimmen, Bliithen tragen und mit den Fr\u00fcchten wieder in die Tiefe hinabsinken.\nEs sind aber auch viele F\u00e4lle bekannt, dafs sowohl Landpflanzen, als auch Wasserpflanzen, welche gew\u00f6hnlich auf der Oberfl\u00e4che des Wassers bl\u00fchen, unter dem Wasser zur Bliithe gekommen, und auch befruchtet worden sind; an Ranunculus aquatilis ist es von verschiedenen Botanikern bemerkt worden, wenn die Bl\u00fcthen, kurz vor ihrem Auf-\n*) Phys, v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 529.\n**) Comm. de Bonomensi scienliar. et artium institute\u00bb etc. III. 1747. P. 2. pag. 408.\n***) Der Bau dieser eigent\u00fcmlichen Anh\u00e4ngsel ist k\u00fcrzlich durch Herrn L. Treviranus (Abhandlungen der K\u00f6nigl. Akad. der Wissenschaften zu Berlin. 1836. pag. 747 \u2014 749.) auseinandergesetzt; sie sind an einem kurzen Stiele befestigt, der von dem Punkte ausl\u00e4uft, wo die Theilung der Bl\u00e4tter beginnt, und besteht aus zwei halbrunden bauchig aufgetriebenen Lamellen, welche in der Mitte vereinigt sind, aber ohne merkliche Verwachsung.","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"289\nbrechen, durch zuf\u00e4lliges Steigen des Wassers untergetaucht wurden. Bei diesem Bl\u00fchen unter Wasser kommt es jedoch nicht zur vollst\u00e4ndigen Ausbreitung der Blumen-krone, sondern dieselbe bleibt zum Theil geschlossen, wie es andere Pflanzen bei kaltem und regnigtem Wetter zeigen. Zu den vollkommenen Pflanzen, welche unter dem Wasser bl\u00fchend Saamen tragen, bringt man die Gattungen: Cera-tophyllum, Najas, Zannichellia, Zostera und Ruppia; doch ist es bei den beiden letzteren Gattungen noch zweifelhaft, denn Martens sagt, dafs Contarini die Zostera marina im Meerbusen von Venedig \u00fcber dem Wasser bl\u00fchend sah, * w\u00e4hrend Cosentino *), der die Pflanze anhaltend beobachtet hat, angiebt, dafs sie unter Wasser wachse, bl\u00fche, befruchtet werde, und Fr\u00fcchte trage. Von der Ruppia maritima m\u00f6chte ich allerdings aus dem Baue des Pollens j vermuthen, dafs sie \u00fcber dem Wasser bl\u00fche, wof\u00fcr auch wirkliche Beobachtungen von Tscherniaew sprechen sollen, doch vielleicht verh\u00e4lt es sich hier, wie mit Ceratophyllum und mit Zannichellia, welche man mitunter auf und \u00fcber dem Wasser bl\u00fchend gefunden hat.\nWir haben fr\u00fcher die Structur der Pollenk\u00f6rner kennen gelernt und wissen hiernach zu beurtheilen, in wiefern die Feuchtigkeit oder die Trockenheit der Luft dem Be-f fruchtungsgesch\u00e4fte hinderlich oder f\u00f6rderlich sein kann. Wir haben Pollenk\u00f6rner kennen gelernt, deren Membranen einen ausgezeichneten Grad von Hygroskopicit\u00e4t zeigten; dergleichen werden bei hinzutretender Feuchtigkeit sehr bald aufplatzen und dadurch die Befruchtung nicht ausf\u00fchren; andere dagegen k\u00f6nnen lange Zeit im Wasser liegen ohne zu platzen, daher bei diesen eine feuchte und selbst regnigte Witterung dem Befruchtungsgesch\u00e4fte nicht schaden wird. Die Pollenk\u00f6rner der unter Wasser bl\u00fchenden Pflanzen, als der Gattungen Ceratophyllum, Najas u. s. w. haben nur eine, aber eine sehr feste Haut, was auch von den Pollenk\u00f6rnern der Gattung Zostera gilt,\n*) Nuove osservaz. sulla Zostera oceanica. pag. 2. Catania 1828. Meyen, Pfl. Physiol. III.\t19","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\nwelche gleich schlauchartig geformt, ganz wie ausgebildete Pollenschl\u00e4uche erscheinen. Bei der gr\u00f6fsten Zahl von Pflanzen ist ein feuchtes und regnigtes Wetter w\u00e4hrend der Befruchtungszeit den ausgestreueten Pollen verderblich, indem die Pollenk\u00f6rner durch zu starke Einsaugung der Feuchtigkeit die H\u00e4ute zersprengen und keine Pollenschl\u00e4uche bilden k\u00f6nnen. Bei anderen Pflanzen ist ein solches Wetter der Befruchtung weniger nachtheilig. Zu bezweifeln ist es aber, ob, wie wohl in einigen Schriften gelehrt wird, auch starke Sonnenw\u00e4rme der Befruchtung der Gew\u00e4chse sch\u00e4dlich ist, denn ich habe an den K\u00fcsten des s\u00fcdlichen China\u2019s die \u00fcppigste Vegetation und die fruchtbarsten Reisfelder bemerkt, obgleich daselbst monatelang die Temperatur der Luft in der Sonne 28 bis 30\u00b0 R. betrug.\nWir sind gegenw\u00e4rtig \u00fcber die Theorie von Pollengas, welches nach Herrn C.iH. Schultz Beobachtungen die Pflanzen befruchten soll hinaus, wir wissen, dafs der Pollen die Narbe unmittelbar ber\u00fchren mufs, wenn eine Befruchtung vor sich gehen soll, woraus denn auch folgt, dafs die Befruchtung in denjenigen F\u00e4llen am leichtesten, schnellsten und sichersten vor sich gehen wird, wo die m\u00e4nnlichen Geschlechts-Organe neben die Narbe gestellt sind, weniger sicher dagegen in solchen F\u00e4llen, wo m\u00e4nnliche und weibliche Geschlechts-Organe in verschiedenen Bl\u00fcthen auftreten und mehr oder weniger weit von einander entfernt sind. Unter solchen Verh\u00e4ltnissen wird in der Natur die Best\u00e4ubung der Narbe entweder durch den Wind verursacht, oder die ausgestreuten Pollenk\u00f6rner \u00fcber die ganze Umgegend verbreitet, in welchen F\u00e4llen wir stets eine \u00fcberaus starke Pollen-Entwickelung beobachten, wie z. B. bei den Amentaceen und den Coniferen. Bei den Pflanzen der letzteren Familie ist die Menge der Pollenk\u00f6rner \u00fcberaus grofs und sie werden oft in grofsen Massen von dem Winde mehr oder weniger weit fortgef\u00fchrt, fallen dann an anderen Orten zu Boden was schon mehrfach die Rede von einem sogenannten Schwefelregen veranlafst\nf","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"291\nhat. So erz\u00e4hlt Lyngbye *) eine ihm mitgetheilte Beobachtung, dafs ein solcher Schwefelregen zur Fr\u00fchlingszeit die Stadt Kopenhagen und deren Umgebung \u00fcberfiel; die Masse soll \u00fcberaus grofs gewesen sein und es wird die Vermuthung aufgestellt, dafs sie aus den W\u00e4ldern Mecklenburgs und Pommerns her\u00fcbergef\u00fchrt sein m\u00fcfste. Man ersieht aus dieser Angabe, bis zu welchen aufserordent-lichen Entfernungen die Pollenk\u00f6rner umhergetrieben werden k\u00f6nnen, und es wird um so weniger wunderbar erscheinen, wenn die Befruchtung zwischen Gew\u00e4chsen mit j getrennten Geschlechtern erfolgt, die nahe bei einanderstehen oder doch nur in kleinen Entfernungen.\nBei den Gew\u00e4chsen mit hermaphroditischen Bliithen ist die Stellung der Geschlechtstheile zu einander oftmals * von der Art, dafs die Befruchtung entweder nur durch t zuf\u00e4llige \u00e4ufsere Verh\u00e4ltnisse herbeigef\u00fchrt werden kann, als durch den Wind oder durch Insekten, oder es gehen um die Zeit, wenn der Pollen ausgestreut wird, solche Ver\u00e4nderungen in der Lage und Stellung der Geschlechtstheile vor sich, dafs die Best\u00e4ubung der Narbe dadurch m\u00f6glich gemacht wird, oder wenigstens doch erleichtert. Bei denjenigen Blumen, in welchen die Antheren mit der Narbe in einer Fl\u00e4che stehen, oder sich wenigstens be-F r\u00fchren, da wird der Pollen, wenn die Anthere aufspringt, oftmals unmittelbar auf die Narbe gestreuet; bei anderen Blumen steht die Narbe tiefer, und der herabfallende Pollen trifft dieselbe. Blumen, deren Narbe weit \u00fcber den Kreis der Antheren hinausragt, h\u00e4ngen nicht selten nach unten, so dafs auch hier der herabfallende Pollen die Narbe ber\u00fchrt, was z. B. bei der Kaiserkrone so h\u00f6chst ausgezeichnet ist, und wo sich, gleich nach der erfolgten Befruchtung, die ganze Blume umdreht und das Germen in entgegengesetzter Richtung zur Reife kommt. In anderen F\u00e4llen, wie z. B. bei den Syngenesisten und den Lobelien, wo die Antheren mit einander verwachsen sind und nach Innen\n*) Tont, Rydropliytolog. danicae etc. Appendix pag, 212\n19 *","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292\naufspringen, da steigt die Narbe meistens durch die, mit ausgestreueten Pollen bedeckte R\u00f6hre der verwachsenen Antheren hindurch und wird auf diese Weise sicher best\u00e4ubt. Bei einer sehr grofsen Zahl von hermaphroditi-schen Bl\u00fcthen, wo die Antheren sehr entfernt von der Narbe gelegen sind, werden mannigfaltige Orts-Ver\u00e4nderungen der verschiedenen Geschlechtstheile wahrgenommen, durch welche dieselben zur gegenseitigen Ber\u00fchrung gelangen und die Befruchtung ausf\u00fchren k\u00f6nnen. Im Allgemeinen kann man diese Bewegungen der Geschlechtstheile unter drei Rubriken bringen; bei vielen Pflanzen bewegen sich die Staubf\u00e4den zu der Narbe hin, bei anderen ziehen sich die Griffel zu den Staubf\u00e4den, und endlich kennen wir auch eine Menge von Blumen, bei denen sich Staubf\u00e4den und Griffel gegenseitig aufsuchen; der erstere Fall findet z. B. bei Parnassia palustris, Berberis vulgaris, den Kalmien u. s. w. statt; der zweite Fall ist bei den Gattungen Nigella, Passiflora und vielen Lilien zu beobachten, und der dritte Fall ist bei den Malvaceen sehr allgemein. Kr\u00fcmmungen des Griffels, wodurch die Narbe den Antheren gen\u00e4hert wird, finden aufserordentlich h\u00e4ufig statt.\nBei vielen Pflanzen wird die Best\u00e4ubung sehr h\u00e4ufig durch Insekten ausgef\u00fchrt, besonders bei solchen, deren Blumen starke Nectar-Absonderung zeigen, durch welche die Insekten herbeigezogen werden; es war Chr. Konrad Sprengel*), welcher diesen Gegenstand zuerst und mit , aufserordentlichem Fleifse untersuchte. In dem angef\u00fchrten Werke suchte er zu zeigen, dafs bei einer sehr grofsen Menge von Pflanzen die Befruchtung einzig und allein nur durch Insekten ausgef\u00fchrt werden k\u00f6nne; da er aber hierin viel zu weit ging, so fand jene fleifsige Arbeit nicht diejenige Aufnahme, welche sic mit allem Rechte verdient. Als solche Pflanzen, deren Blumen in der freien Natur nur durch H\u00fclfe von Insekten befruchtet werden k\u00f6nnen,\n*) D as entdeckte Gelieimnifs der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin 1793. 4to.","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"293\nwerden z. B. die Gattungen Iris, Asclepias, Orchis, Aristolochia u. A. m. aufgef\u00fchrt; lange Zeit hindurch \u00fcberging man diese vortrefflichen Beobachtungen mit Stillschweigen oder erlaubte sich wohl gar dar\u00fcber zu sp\u00f6tteln, bis dieselben endlich in neueren Zeiten so vielfach best\u00e4tigt wurden. Bei den im Freien vorkommenden Orchideen ist das Ansetzen von Saamen gar nicht selten zu beobachten, wenn man aber die Befruchtung k\u00fcnstlich bewerkstelligt, was durch Salisbury*) an 'Orchis Morio, latifolia, mascula und maculata zuerst ausgef\u00fchrt ist, so schl\u00e4gt der Saame selten fehl, ja selbst an den tropischen Orchideen unserer Gew\u00e4chsh\u00e4user, hat man die k\u00fcnstliche Befruchtung schon seit vielen Jahren eingef\u00fchrt, da diese Gew\u00e4chse ohne dieselbe niemals Fr\u00fcchte ansetzen, was in freier Natur durch die Insekten veranlafst wird. Bei den Asclepiadeen ist\nII die k\u00fcnstliche Befruchtung durch Insekten schon von mehreren Botanikern beobachtet worden.\nBei den Gew\u00e4chsen, welche in der warmen Jahreszeit bl\u00fchen, findet das Ansetzen des Saamen\u2019s ganz gew\u00f6hnlich statt, wenn aber dergleichen Pflanzen sehr fr\u00fch im Fr\u00fchjahre, oder sp\u00e4t im Herbste bl\u00fchen, so kommt es seltener zum Ansetzen der Saamen; man kann dabei nicht selten beobachten, dafs der Pollen ausgestreuet und selbst auf\n*\tder Narbe liegend gefunden wird, aber die Bildung der Pollenschl\u00e4uche findet nur im geringen Grade statt, oder auch wohl gar nicht. Die Ursache der nicht zu Stande kommenden Befruchtung in der k\u00e4lteren Jahreszeit, liegt in der k\u00e4rglichen Vegetation der Pflanzen, und ist offenbar eben dieselbe, durch welche die tropischen Gew\u00e4chse unserer Treibh\u00e4user nur so selten Fr\u00fcchte ansetzen.\nDie Dauer des Befruchtungsprozesses ist bei verschie-\n*\tdenen Gew\u00e4chsen eben so verschieden, als die Dauer der Bl\u00fcthezeit, und im Allgemeinen kann man beide Erscheinungen als abh\u00e4ngig von einander erkl\u00e4ren. Die Dauer\n*) Ou die germinal, of theSeeds ofOrchidcac. \u2014 Linn, transact. Tom. VII. pag. 29.","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nder Best\u00e4ubung der Narbe und das Herabsteigen der befruchtenden Substanz bis in den Nucleus des Eychen\u2019s, sind dagegen zwei, von einander besonders zu betrachtende Momente dieses Prozesses. Die Best\u00e4ubung kann in einem Augenblicke erfolgen, wenn die Antheren zu gleicher Zeit aufspringen und ganz in der N\u00e4he der Narbe stehen; sie geschieht dagegen allm\u00e4lich, wenn die Staubf\u00e4den von der Narbe entfernt stehen und erst nach einer gewissen Reihenfolge in die Narbe treten. Auch h\u00e4ngt der Erfolg der Best\u00e4ubung gar sehr von der Beschaffenheit der Pollenk\u00f6rner und der Narbe ab, denn Pollenk\u00f6rner mit stach-ligter Oberfl\u00e4che werden auf einer mit H\u00e4rchen und einer klebrigen Absonderung bekleideten Narbe viel leichter haften, als wenn Letzteres nicht der Fall w\u00e4re. Die Dauer des Befruchtungsprozesses, von dem ersten Beginne der Schlauchbildung an bis zum Eintritte desselben in den Nucleus h\u00e4ngt im Allgemeinen ganz von der L\u00e4nge des Griffels und der Entfernung zwischen der Narbe und dem Eychen ab, doch wird der Durchgang des Pollenschlauches durch eine weite Griffelr\u00f6hre um Vieles schneller vor sich gehen k\u00f6nnen, als durch eine mit Zellengewebe ausgekleidete; wobei aber in allen diesen F\u00e4llen die Ueppigkeit der Vegetation noch besonders zu beachten ist. Bei so kleinen Bl\u00fcthen, wie bei der Capselia Bursa pastoris, deren Narbe in geringer Entfernung von dem Eychen steht, da geht die Befruchtung \u00e4ufserst schnell vor sich und zwar, wie ich in Folge sehr vieler Untersuchungen dieses Gegenstandes wahrgenommen zu haben glaube, schon in Zeit von 5 bis 6 Stunden nach dem ersten Aufspringen der Anth\u00e8re; bei niederer Temperatur steigen die Pollenschl\u00e4uche nicht so schnell hinab. Bei anderen Pflanzen dagegen, deren Griffel eine L\u00e4nge von 6, 7, 8 und 10 Zoll und dar\u00fcber zeigt, da vergehen mehrere Tage, bis der Pollenschlauch in dem Ovario anlangt; so sah ich an den Blumen der Datura arborea, mitten im Monat August, die Pollenschl\u00e4uche erst am 4ten Tage nach der k\u00fcnstlich erfolgten Best\u00e4ubung im Ovario anlangen, und in den jungen","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"295\nKiirbifsfriieilten habe ich in den erstem 2 und selbst 3 Tagen nach der Best\u00e4ubung stets vergebens nach Pollenschl\u00e4uchen in dem leitenden Zellengewebe gesucht.\nBei dem ersten Auftreten erscheint der Pollenschlauch als eine mehr oder weniger grofse Warze, welche durch blofse Ausdehnung in Folge des eingesaugten Wassers zu den Oeffnungen der \u00e4ufseren und initiieren Pollenhaut hinaustritt, wovon sich auf Tab. XI. eine Menge von Beispielen dargestellt befinden, wie z. B. in Fig. 23. von Clarkia pul-chella, in Fig. 19. von Oenothera biennis u. s. w. Sind diese Pollenk\u00f6rner dem blofsen WTasser ausgesetzt, so\n*\tkommt es niemals zu der Bildung eines langen Pollenschlauches, sondern die innere Haut wird unter diesen Verh\u00e4ltnissen nur mechanisch ausgedehnt, bis dafs sie entweder reifst oder sich nicht mehr ver\u00e4ndert. Die L\u00e4nge\nff der im Wasser hervorgetriebenen Schl\u00e4uche ist durchaus nicht genau zu bestimmen, sondern dieselbe h\u00e4ngt von verschiedenen Zuf\u00e4lligkeiten ab, und ist bei dem einen Pollenk\u00f6rnchen etwas gr\u00f6fser, als bei dem anderen; so sieht man in Fig. 11. Tab. XI. wo einem, im Wasser liegenden Pollenkorne selbst an den verschiedenen Ecken verschieden lange Pollenschlauch-artige W\u00e4rzchen hervortreten. Schon in den Jahren 1826\u20141828 habe ich mich der mine-\n*\tralischen S\u00e4uren zur Heraustreibung der Fovilla bedient*), und machte damals die Beobachtung, dafs die Pollenk\u00f6rner nach Begiefsung mit Salpeters\u00e4ure aufplatzen, und dafs die Fovilla zum Theil ganz, zum Theil nur in kleineren Massen in Form eines Wurmes zur Oeffnung hinausschl\u00fcpft; 4 \u2014 5 Jahre sp\u00e4ter sind dergleichen Beobachtungen durch Herrn Fritzsche wiederholt und seitdem liest man in vielen B\u00fcchern, dafs Herr Fritzsche das Austreten der Pollen-\n*\tSchl\u00e4uche durch S\u00e4uren bewirkt habe, was er selbst jedoch nie behauptet hat. Bei der Anwendung der mineralischen S\u00e4uren tritt die innere Haut sehr schnell in Form eines kleinen W\u00e4rzchen hervor, welches aufplatzt und die Fovilla\n*) S. IJehcr den Inhalt der Ptlanzen-Zellen. pag. 44.","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nhinausl\u00e4fst, die durch die Einwirkung einer schw\u00e4cheren S\u00e4ure zu einer festeren Masse vereint, wurmf\u00f6rmig gestaltet ist; die st\u00e4rkeren S\u00e4uren zerst\u00f6ren allm\u00e4lich den gr\u00f6fsten Theil der Fovilla.\nDie Bildung des langen Pollenschlauches findet nun im Griffelkanale statt; derselbe tritt aus den verschiedenen Oeffnungen des Pollenkornes hervor, und steigt zwischen den H\u00e4rchen, W\u00e4rzchen und den lockeren Zellen des Kanales in die Tiefe hinab, um zu dem Nucleus des Eychen\u2019s zu gelangen. Im Allgemeinen steigt aus jedem Pollenkorne nur ein einziger Pollenschlauch hinab; es ist indessen gar nicht selten deren mehrere aus den verschiedenen Oeff-nungen eines und desselben Pollenkornes kommen zu sehen, wie es z. B. Fig. 23. Tab. XI. von der Clarkia pul-chella zeigt. Wenn man die Narbe grofsbl\u00fchender Gew\u00e4chse, z. B. der Lilien einige Tage nach erfolgter Best\u00e4ubung untersucht, so findet man nicht selten eine sehr grofse Menge von mehr oder weniger langen Pollenschl\u00e4uchen, welche sich nach allen Richtungen hin, zwischen den Papillen der Narbe hindurchwinden, offenbar um die Stelle aufzufinden, von welcher sie in den Griffelkanal hinabsteigen k\u00f6nnen, und unter einer Menge solcher PoL lenschl\u00e4uehe wird man sicherlich mehrere finden, welche Ver\u00e4stelungen zeigen, wie ich es schon 1827 beobachtet habe. Wenn man diese langen Pollenschl\u00e4uche mit der Gr\u00f6fse der einzelnen Pollenk\u00f6rner vergleicht, so wird man sich sehr bald davon \u00fcberzeugen, dafs die Schl\u00e4uche nicht durch blofse Ausdehnung der inneren Membran der Pollenk\u00f6rner entstanden sind, sondern dafs sie aufserhalb derselben durch hinzugetretenen Bildungsstoff entstanden sind, aber ganz besonders deutlich wird dieses, wenn man die Festigkeit der Membran des Pollenschlauches im Anf\u00e4nge und am Ende des Griffelkanales vergleicht; es sind besonders einige Pflanzen, bei denen die W^\u00e4nde der Pollenschl\u00e4uche, sobald sie im Ovario angekommen sind, eine aufserordentliche Dicke und Festigkeit annehmen, wie z. B. bei den Orchideen, den Gattungen Cistus, Helianthemum,","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"297\naber besonders bei Mesembryanthemum, und hieran wird man die Entstehung des Pollenschlauches durch einen eigenen Bildungs- und Ern\u00e4hrungs-Prozefs aufserhalb des Pollenkornes deutlich einsehen. Wir haben schon fr\u00fcher kennen gelernt, dafs Herr Robert Brown die Granula der Foviila als Ern\u00e4hrungsstoff zur Bildung des Pollenschlauches ansieht, und vergleicht man die Masse derselben, welche aus dem Pollenkorne hervortreten mit derjenigen, welche bis zur Spitze des Pollenschlauches gelangt, so kann man allerdings mit einiger Gewifsheit f\u00fcr diese Ansicht sprechen, wozu noch kommt, dafs die Foviila einiger Pflanzen\n\u00abM\nw so h\u00e4ufig Amylum-Kiigelchen enth\u00e4lt und \u00fcberhaupt gr\u00f6fsten-theils aus Schleim und Gummi zu bestehen scheint, welche mit Leichtigkeit zur Bildung der Pollenschl\u00e4uche verwendet werden k\u00f6nnen. Wenn man dagegen bei der Gattung\n| Cucurbita die langen Pollenschl\u00e4uche im leitenden Zellengewebe verfolgt, und sie \u00fcberall dicht mit K\u00fcgelchen von Gummi und Amylum u. s. w. gef\u00fcllt findet, so m\u00f6chte man wiederum glauben, dafs die Bildung des Pollenschlau-ches durch die Substanz erfolgt ist, welche von dem um-schliefsenden, lockeren und sehr schleimreichen Zellengewebe in den schon gebildeten Theil des Pollenschlauches eindringt und daselbst sp\u00e4ter ebenfalls zu K\u00fcgelchen er-\n& h\u00e4rtet. In solchen F\u00e4llen jedoch, wie z. B. bei den Orchideen, wo die Zellen im Griffelkanale in einer reichen Schleimmasse eingeh\u00fcllt sind, durch welche die Pollenschl\u00e4uche hindurchgehen, da ist es ganz offenbar, dafs diese von der umgebenden Substanz durchdrungen und ern\u00e4hrt werden. So lange die Pollenschl\u00e4uche im Griffelkanale verlaufen, haben sie eine ziemlich gerade Richtung und Kr\u00fcmmungen, so wie seitliche Ausw\u00fcchse, finden in die-\n* sem Verlaufe nur selten statt; dagegen zeigen dieselben bei dem Durchg\u00e4nge durch die H\u00f6hle des Ovarium, wo sie sich oft zwischen den zahlreichen Saamen hindurchschl\u00e4ngeln, die mannigfaltigsten Drehungen und Windungen, wie es z. B. in Fig. 16. Tab. XII. dargestellt ist, wo die Pol-lenschl\u00e4uche in grofser Anzahl (wovon hier noch nicht die","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\nH\u00e4lfte abgebildet ist, um die Zeichnung nicht zu sehr zu verwirren) in die Mikropyle des Saamens von Cistus hir-sutus hineintreten. Dicht daneben, in Fig. 15. sind zwei Pollenschl\u00e4uche abgebildet, welche aus der Mikropyle des Saamens von Helianthemum canariense herausgezogen wurden, und eine Verwachsung zeigen. Den unregelm\u00e4fsigen geschl\u00e4ngelten Verlauf des Pollenschlauches von Orchis Morio, sieht man in Fig. 34. Tab. XIII., und V er\u00e4stelungen sind auch an diesen Stellen der Pollenschl\u00e4uche gar nicht selten.\nWir haben also den Verlauf der Pollenschl\u00e4uche von ihrer Entwickelung auf der Narbe bis zum Eintritte in die zur Befruchtung des Eychen\u2019s bestimmte Oeffnung, die sogenannte Mikropyle verfolgt, und kommen jetzt zur Betrachtung des geheimen, meistens so tief verborgenen Processes, durch welchen die Befruchtung vor sich geht. Im vorigen Abschnitte haben wir den Bau des unbefruchteten Eychen\u2019s kennen gelernt und haben gesehen, dafs derjenige Punkt desselben, welcher an der zur Befruchtung bestimmten Stelle am weitesten hervorragt, den verschiedensten Theilen des Eychen\u2019s angeh\u00f6ren kann, und auch sehr auffallend verschiedene Formen annimmt. Am h\u00e4ufigsten wird die Mikropyle durch den Rand der Oeffnung der \u00e4ufseren Hiille oder der Testa gebildet, und dann steigt der eindringende Pollenschlauch noch mehr oder weniger tief hinab, um zu der Spitze des Nucleus zu gelangen und durch diesen hindurch in die H\u00f6hle oderjn den Embryosack desselben zu gelangen. In der Abbildung des Eychen's von Orchis Morio in Fig. 34. Tab. XIII. ist der Verlauf des Pollenschlauches g, von seinem Eintritte in das Exostomium bb zum Eintritt in das Endostomium und noch etwas tiefer hinab, ganz deutlich zu sehen, bis endlich an dem Punkte e der Pollenschlauch an Umfang und Regelm\u00e4fsig-keit verliert, und von nun an bis zum Punkte h, wo derselbe in die zarte, noch \u00fcbriggebiiebene Nucleushaut eindringt, als eine mehr zusammengefallene R\u00f6hre erscheint. Ich habe diesen Fall zuerst aufgefiihrt, obgleich er nicht\n","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"\n299\nzu den einfachsten geh\u00f6rt, wie wir es sogleich kennen lernen werden, weil wir an diesem Saamen, ohne denselben zu verletzen, den Verlauf des Pollenschlauches durchscheinen sehen. In den Eychen der Gattung Orchis und wie es scheint aller Orchideen wird um die Zeit, wenn die Befruchtung eintritt, der Nucleus zu einem sehr zarth\u00e4utigen Sacke umgewandelt, indem die Zellen, welche die Nucleus-Membran bildeten, bis auf ihre \u00e4ufseren W\u00e4nde resorbirt werden. In Fig. 35. Tab. XIII. ist die junge Embryo d d in dem zarten Sacke liegend, welcher aus dem Nucleus entstanden ist, und die Stelle eines Embryosackes\n*\tversieht; doch es dauert nicht mehr lange und auch dieser einfache Sack wird mit der Ausdehnung des Embryo resorbirt, worauf der Letztere unmittelbar zwischen den Zellen der inneren H\u00fclle gelagert ist, wie dieses durch Fig.\nJ 36. Tab. XIII. dargestellt ist. Sp\u00e4ter wird mit der st\u00e4rkeren Vergr\u00f6fserung des Embryo\u2019s auch das Zellengewebe der inneren H\u00fclle ziemlich vollst\u00e4ndig resorbirt, so dafs in dem reifen Saamen nur noch Spuren derselben enthalten sind und es scheint, als ob hier die grofse gr\u00fcne Kugel, welche der Embryo ist, unmittelbar in der weiten sackartigen Testa gelagert ist. Bei Epipactis (Fig. 23. Tab. XV.) ist das Eindringen des Pollenschlauches noch besser zu\n*\tsehen.\nBei dem Eychen der Capsella Bursa pastoris, welches in Fig. 8. Tab. XIII. im Zustande gleich nach der Befruchtung dargestellt ist, verh\u00e4lt es sich mit dem Eindringen des Pollenschlauches ziemlich \u00e4hnlich, doch sind die H\u00e4ute dieses Saamens in der Spitze so undurchsichtig, dafs ich den Verlauf des Schlauches ohne Zerst\u00fcckelung jener nicht habe sehen k\u00f6nnen. Der Pollenschlauch f steigt in die\n*\tMikropyle dd, l\u00e4uft durch das Endostomium g g und trifft die Spitze des Nucleus, welcher hier ebenfalls in einer einfachen zelligen Haut besteht, die durch m m und k k in ihrem ganzen Verlaufe bezeichnet ist. Die Spitze dieses Nucleus ist mit dem Endostomium so innig verwachsen, dafs es mir bei vielen, wiederholten Versuchen noch nicht","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\ngegl\u00fcckt ist, dieselbe in diesem fr\u00fchen Zustande von einander zu trennen, doch habe ich die Ansicht des Endosto-mium\u2019s dieses Eychen\u2019s von Vorne gesehen in Fig. 9 und 10. Tab. XIII. gegeben. In Fig. 9. bildet die Zellenreihe aaa das Exostomium und c das Endostornium der inneren Haut, dessen Randzellen bbb hervorscheinen, und in Fig. 10. ist die Spitze des Nucleus nach der Befruchtung dargestellt, wo sie ganz deutlich als eine, aus einer einfachen Zellenschicht bestehende Membran erscheint.\nSehr h\u00e4ufig ragt die Spitze des Nucleus bis zum En-dostomium, wie es z. B. in Fig. 16. Tab. XIV. aus dem Saamen von Ricinus communis dargestellt ist, wo a a das Exostomium und bb das Endostornium andeutet, in welches die \u00e4ufserste Spitze des Nucleus h hineinragt. Der Pollenschlauch hat hier einen verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig kurzen Verlauf durch den Kanal aabb bis zur Spitze h; diese ist aber ganz besonders lang und erst ungef\u00e4hr in der Gegend von k, zeigt sich die Spitze des Embryosackes, in welcher der Embryo sichtbar wird. Hier an dem Saamen des Ricinus findet noch das Merkw\u00fcrdige statt, dafs um die Zeit der Befruchtung das Exostomium unmittelbar \u00fcber der Kernspitze liegt, sobald aber der Pollenschlauch hindurchgestiegen ist, findet hier eine Verschiebung in der Art statt, dafs sich die Spitze des Nucleus mit seiner unmittelbar anliegenden inneren H\u00fclle zur Seite schiebt, wodurch die Mikropyle der \u00e4ufseren Haut nach der entgegengesetzten Seite zu liegen kommt; und beobachtet man den Saamen in diesem Zustande, so sieht man nicht ein, wie hier die Befruchtung durch den Pollenschlauch m\u00f6glich ward.\nBei den Eychen mit einfacher H\u00fclle l\u00e4uft gr\u00f6fstentheils die Testa \u00fcber die Spitze des Nucleus und bildet hier die Mikropyle, in deren Tiefe dann unmittelbar die Nucleus-Spitze zum Empfange des Pollenschlauches liegt, wie es z. B. so allgemein bei den Solaneen vorkommt. In anderen F\u00e4llen ragt die Spitze des Nucleus \u00fcber die Testa weit hinaus, und nimmt die befruchtende Substanz unmit-","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"301\ntelbar auf. Wir kommen gegenw\u00e4rtig zur Betrachtung derjenigen Ver\u00e4nderungen, welche der Nucleus in seinem Inneren, in Folge des Befruchtungsprozesses aufzuweisen hat.\nWir haben kennen gelernt, dafs der Nucleus des Saa-men\u2019s bei den meisten Gew\u00e4chsen als eine aus Zellengewebe gebildete, kegelf\u00f6rmige Masse auftritt, w\u00e4hrend derselbe bei einigen Gew\u00e4chsen nur aus einer zelligen Haut gebildet wird, welche man dann mit Recht die Kernhaut nennt. In diesem letzteren Falle tritt der Pollenschlauch unmittelbar durch die Spitze des Kernes in dessen H\u00f6hle, m in dem anderen Falle dagegen, wo der Kern mit Zellengewebe gef\u00fcllt ist, da bildet sich um die Zeit, wenn die Best\u00e4ubung vor sich geht, auch wohl schon etwas fr\u00fcher, eine mehr oder weniger grofse H\u00f6hle, welche in einiger ff Entfernung von der Spitze des Nucleus beginnt, und durch die Mittellinie desselben der L\u00e4nge nach immer mehr und mehr herabsteigt. In Fig. 17. Tab. XIV. habe ich gesucht diese Bildung der H\u00f6hle durch eine Abbildung aus den Saamen von Ricinus communis zu verdeutlichen, aabb ist daselbst ein St\u00fcck aus dem Nucleus, unfern der Spitze desselben entnommen; urspr\u00fcnglich bestand dieses ganze Gebilde aus solchem dichten Zellengewebe wie bei c, e, m doch mit der Entwickelung der Narbe trat die Bildung einer H\u00f6hle in der Achse d e auf, und dabei bemerkte man, dafs die Zellen des Kernes in der N\u00e4he dieser H\u00f6hle auseinandertraten, sich verl\u00e4ngerten und sp\u00e4ter, wenn das Herabsteigen des Pollenschlauches vor sich ging, auch gr\u00f6fs-tentheils wieder colliqueseirt wurden, woraus dann aus der neu entstandenen gummiartigen Substanz die feine Membran entstand, welche diese H\u00f6hle des Nucleus sp\u00e4ter I auskleidet, und f\u00fcr die Bildung des Embryo und des Eiweifsk\u00f6rpers bestimmt ist. Mit dem Gr\u00f6fserwerden des Embryo\u2019s wird dann auch dieser feine Sack, welcher den Namen Embryosack f\u00fchret, immer umfangreicher, und in eben demselben Verh\u00e4ltnisse verschwindet die zun\u00e4chst liegende Zellenmasse des Nucleus, so dafs von diesem zu-\nrf","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\nletzt nur noch eine, mehr oder weniger diinne Haut \u00fcbrigbleibt, welche die Kernhaut bildet. In Fig.6. ebenderselben Tafel habe ich den Nucleus mit der Chalaza d, und dem vollst\u00e4ndig ausgebildeten Embryosacke von der Urtica urens dargestellt; derselbe ist urspr\u00fcnglich eine einfache zarte Zelle, welche von Oben nach Unten herabsteigt, aber weder am oberen, noch am unteren Ende befestigt ist, sondern \u00fcberall nur lose an der inneren Fl\u00e4che der noch \u00fcbrig gebliebenen Kernhaut liegt. Die Form dieses Embryosackes ist bei der Nessel meistens cylinderisch, doch zuweilen, wie in anliegenden Abbildungen an den Seiten etwas eingezogen, was bei anderen Pflanzen immer mehr und mehr auftritt, so dafs der Embryosack zuweilen ganz leyerf\u00f6rmig erscheint, wie es die obere H\u00e4lfte desselben in Fig. 17. Tab. XIV. von Polygonum orientale zeigt, und noch auffallender auf der 15. Tafel, in der Abbildung desselben von Euphorbia italica zu sehen ist. Einige Zeit sp\u00e4ter, wenn der Embryo mit dem Eyweifsk\u00f6rper zur gr\u00f6-fseren Entwickelung kommt, \u00e4nderen sich alle diese Formen des Embryosackes, indem dieser allmahlig immer mehr und mehr ausgedehnt wird und im Allgemeinen die Form des Saamens erh\u00e4lt.\nDafs die Bildung des Embryosackes von der Spitze des Eychen\u2019s beginnt, und allm\u00e4lich in die Tiefe des Nucleus hinabsteigt, ist in allen den angef\u00fchrten F\u00e4llen durch anhaltende Beobachtung zu verfolgen, und wir haben auch einzelne F\u00e4lle, wo der Embryosack an seinem Mikropvl-Ende vollst\u00e4ndig ausgebildet ist und den jungen Embryo umschliefst, w\u00e4hrend an dem entgegengesetzten Ende die fernere Ausbildung desselben noch erfolgt und ein eigen-tlnimlicher Anhang dasselbe begleitet; bei Helianthus annuus z. B. zeigt dieser Anhang, bei st\u00e4rkerer Vergr\u00f6fserung betrachtet, 2 bis darmf\u00f6rmige Kr\u00fcmmungen, was auch in Fig. 25. Tab. XV. dargestellt ist.\nWir kennen aber auch F\u00e4lle, wo die Bildung des Embryosackes den entgegengesetzten Verlauf zeigt, und sich \u00fcberhaupt von dem, im Vorhergehenden als Norm","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"303\nAufgestellten sehr abweichend verh\u00e4lt. So finden wir bei der Gattung Phaseolus, dafs der Embryosack als eine grofse und wasserhelle Zelle zwischen den Zellen der Spitze des Nucleus hervorw\u00e4chst und sich der L\u00e4nge nach durch die H\u00f6hle des Eychen\u2019s vergr\u00f6fsert, und nicht nur in die Mi-kropyle der beiden Eyhiillen hineinw\u00e4chst, sondern oftmals noch weit dar\u00fcber hinausragt und so dem Pollenschlauche entgegenkommt. Dieser, offenbar sehr seltene Fall, den wir auf Tab. XV. Fig. 9* und 10. dargestellt haben, zeigt also nicht nur die Entstehung des Embryosackes von Unten nach Oben, der Mikropyle zu, sondern auch, was be-9\nsonders merkw\u00fcrdig ist, die freie Lage des Embryosackes aufserhalb des Nucleus.\nIn den Saamen vieler Pflanzen, als der Cucurbitaceen und Pomaceen, da steigt ein zarter Faden von der Basis des jf Embryosackes zur Basis des Kernes herab; bei den Nym-phaeen ist dieser Faden anfangs sehr zart und f\u00fcllt sich sp\u00e4ter ebenfalls mit dem Eiweifsk\u00f6rper, aber es ist nicht zu verkennen, dafs diese Bildung bei Nymphaea nur dem Grade nach von derjenigen im Saamen der Gattung Euphorbia verschieden ist, wovon ich in Fig. 13. Tab. XV. aus Euphorbia italica eine Abbildung gegeben habe. Malpighi kannte diesen Anhang des Embryosackes schon\n*\tbei der Pflaume und nannte ihn: Vas umbilicale; er erh\u00e4lt hier bei der Ausbildung des Eyweifsk\u00f6rpers schlangenf\u00f6rmige Windungen. Herr Dutrochet nannte diesen fadenf\u00f6rmigen Anhang des Embryosackes : Hypostates und bildete\n... denselben von der Mandel ab *), Es m\u00f6chte am schicklichsten sein dieses Gebilde des Embryosackes mit dem Namen des Anhanges zu bezeichnen, denn die Beobachtung lehrt, dafs er als solcher von der Basis des Embryo-\n*\tsackes nach der Tiefe des Kernes, ja zuletzt bis zu dessen Basis hin sich verl\u00e4ngert und daselbst meistens auch befestigt wird. Das Herabsteigen des Embryosackes mit seinem Anh\u00e4nge ist besonders sch\u00f6n bei den Syngenesisten\nM\u00e9m. du Mus. VIII. PI. I. Fig. 15.","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nzu beobachten, wo der Anhang anfangs fast von gleicher Gr\u00f6fse mit dem Embryosacke auftritt, und wie durch Abschn\u00fcrung entstanden zu sein scheint; um diese Zeit ist der Embryosack noch so klein, dafs er den kugelf\u00f6rmigen Embryo noch vollkommen umschliefst, aber die Wand desselben, so wie die W\u00e4nde des Anhanges, der meistens eine * bis zwei Einschn\u00fcrungen zeigt, verdicken sich durch Bildung von Zellen, welche zuletzt die Stelle des urspr\u00fcnglich zarten H\u00e4utchens des Embryosackes einnehmen. Pl\u00f6tzlich geht die Vergr\u00f6fserung des Embryosackes schnell vor sich und zeigt die, in Fig. 24. Tab. XV. dargestellten Verh\u00e4ltnisse aus Helianthus annuus, wenn der Embryo seine Cotyledonen entfaltet hat; in diesem Zustande ist der Anhang des Embryosackes nur sehr klein, obgleich er im \u00a7 Anf\u00e4nge fast gleich grofs mit letzterem war. Ich habe diesen Anhang in der beistehenden Fig. 25. nach einer starken Vergr\u00f6sserung abgebildet, um dessen wahre Gestalt und Structur damit am deutlichsten darzustellen; a a ist die Basis des Embryosackes und bc der ganze aus einer zelligen Haut gebildete Anhang, der noch in d eine Einschn\u00fcrung zeigt und im Inneren ebenfalls mit zarten und mit Schleim untermischten Zellen ge- j f\u00fcllt ist. Auffallend erscheinen die anh\u00e4ngenden Parenchym-Zellen in ee, welche der Mitte des Kernes angeh\u00f6ren, aber mit dem Herabsteigen des Embryosackes aus ihrer Lage genommen werden: dieser anh\u00e4ngende Zellenstrang ist zuweilen bedeutend lang. Je tiefer sp\u00e4ter der Embryo in den Embryosack hinabsteigt, um so weiter dehnt sich derselbe nach der Basis des Kernes aus und es verschwindet zuletzt der Anhang, der hier bei Helianthus niemals als gerader Strang die Basis des Kernes erreicht, wie es bei Prunus statt findet, wo die Herabsenkung desselben, von der Spitze des Kernes nach dessen Basis hin ebenfalls leicht zu verfolgen ist, daher man die \u00e4ltere Ansicht g\u00e4nzlich aufgeben mufs, nach welcher dieser Anhang von der Chalaza aus gebildet wird und mit einem Nabelgef\u00e4fse zu vergleichen w\u00e4re.","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"305\nDer Embryosack hat noch mehrere andere Benennungen erhalten; Malpighi nannte ihn Amniossack, indem er denselben sehr richtig mit der gleichnamigen Membran des thierisehen Embryo\u2019s verglich; Herr Dutrochet nannte dagegen den Embryosack: unmittelbares Perisperm (Peri-sperme imm\u00e9diat.) oder auch Tegmen. Im Allgemeinen nennt man dasjenige Ende des Embryosackes, welches der Chalaza zu liegt, die Spitze des Embryosackes und das entgegengesetzte, welches der Spitze des Kernes anliegt die Basis, Diese Benennungen sind aber wohl nicht zu \u00bb empfehlen indem offenbar Verwechselungen Vorkommen m\u00fcssen, da wir nachgewiesen haben, dafs sich der Embryosack in einigen seltenen F\u00e4llen entgegengesetzt bildet, wie z. B. bei Phaseolus; ich schlage daher vor, dafs man die\n-\tEnden des Embryosackes stets mit dem Beinamen: Mi-* kropyle-Ende oder Chalaza-Ende bezeichnet. Auch w\u00e4re\nes jedenfalls passender gewesen das Mikropyle-Ende mit dem Namen der Spitze zu belegen.\nDer Embryosack ist bei seinem Auftreten stets eine vollkommen durchsichtige einfache Zelle, deren Membran keine weitere Zusammensetzung aus kleinen Zellen zeigt; sie ward nach Herrn v. Mirbel\u2019s Terminologie der Pflanzen-saamen mit dem Namen der Quintine belegt und f\u00fchrt bei den Deutschen auch wohl den Namen des Keimsackes, man hat ihn als einen der wesentlichsten Theile des Pflanzen-Eychen\u2019s zur Bildung des Embryo\u2019s ange-gesehen, und auch mit allem Rechte; aber er ist keines-weges, wie dieses noch neuerlichst durch Herrn Schleiden*) behauptet wurde, bei allen Phanerogamen vorhanden, sondern die Steile desselben wird zuweilen durch die Kernhaut versehen, welche nach vorhergegangener Resorbtion\n-\tihrer inneren Zellenw\u00e4nde ebenfalls als eine zarte Membran zur\u00fcckbleibt, die zwar nicht mehr aus Zellen zusammengesetzt ist, aber noch ganz deutlich die Umgrenzungen der \u00e4ufseren Zellenw\u00e4nde zeigt, woraus sie fr\u00fcher zu-\n*) Einige Blicke auf die Entwickelungsgeschiclite ctc, pag. 311. Me y en. PU. Phys. III.\t20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nsammengesetzt war. Im Allgemeinen bleibt es sich also f\u00fcr die Bildung des Embryo\u2019s ganz gleich; derselbe tritt in allen diesen F\u00e4llen im Inneren eines \u00fcberaus zarten Sackes auf, mag derselbe eine neue Bildung im oder aufser dem Nucleus sein, oder mag der Nucleus selbst zu diesem Embryosacke umgewandelt werden.\nEs schien mir noting diese Bemerkungen \u00fcber das Auftreten des Embryosackes vorauszuschicken, indem der wichtigste Punkt bei dem plastischen Vorg\u00e4nge des Befruchtungsprozesses, gerade die Vereinigung des Pollenschlauches mit dem Embryosacke oder dem die Steile desselben vertretenden Theile des Eychen\u2019s ist. Einer der schwierigsten Gegenst\u00e4nde bei diesen Untersuchungen ist die Bestimmung der Zeitperiode f\u00fcr die Bildung des Embryosackes, indem sich dieselbe bei verschiedenen Pflanzen verschieden verh\u00e4lt. Bei vielen Gew\u00e4chsen, wie z. B. bei Ricinus, den Liliaceen u. s. w. da kann man mit Bestimmtheit angeben, dafs die Bildung einer H\u00f6hle im Nucleus um die Zeit beginnt, wenn die Verstaubung der Antheren ein-tritt, dagegen die Bildung der Embryoh\u00f6hle erst mit dem Eintritte des Pollenschlauches in den Nucleus zu bemerken ist, was auch aus den Abbildungen von den Saamen der Kaiserkrone auf Tab. XV. zu sehen ist. In den meisten F\u00e4llen ist der Embryosack um die Zeit, wenn der Pollen-schlauch in den Nucleus eindringt vollkommen ausgebildet, wenigstens an seinem oberen oder Mikropyle-Ende, und i seine Spitze ist es alsdann, welche mit dem eindringenden Pollenschlauche in Ber\u00fchrung kommt. Herr Brongniart hat die ersten Beobachtungen \u00fcber die Vorg\u00e4nge angestellt, welche in dem Mikropyle-Ende des Embryosackes in Folge der Befruchtung stattfinden; es gehe, meinte derselbe, ein kleines bimf\u00f6rmiges Bl\u00e4schen hervor, welches durchsichtig ist und nur wenige kleine K\u00f6rnchen enth\u00e4lt; sein Hals scheint offen zu sein und das ganze scheint durch eine Eindr\u00fcckung der Membran des Embryosackes entstanden zu sein. In diesen Bl\u00e4schen sah Herr Brongniart einige Zeit spater die Bildung einer zelligen Masse, und unsere","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"gegenw\u00e4rtigen Kenntnisse \u00fcber diesen Gegenstand lehren ganz bestimmt, dafs jenes Bl\u00e4schen, welches Herrn Brongniart durch Eindr\u00fcckung des Embryosackes entstanden zu sein scheint, gerade die erste Bildung in Folge der Befruchtung ist. Auf der dreizehnten Tafel habe ich in Fig. 34. eine Abbildung des soeben befruchteten Eychen\u2019s von Orchis Morio gegeben, worin der Verlauf des Pollenschlauches g, bis e sehr deutlich zu sehen ist; von e bis h, der Spitze des zum Keimsacke umgewandelten Nucleus, ist der Pollenschlauch schon zusammengefallen und in der Spitze der Nucleus-H\u00f6hle sitzt jenes Bl\u00e4schen des Herrn Brongniart, welches aber schon ein Produkt der eingetretenen Befruchtung ist; es ist durch die Vereinigung der Spitze des Pollenschlauches (welche eine kleine Menge der befruchtenden Substanz in die H\u00f6hle des Nucleus hineinf\u00fchrte) mit der bildungsf\u00e4higen Schleimmasse der H\u00f6hle hervorgegangen und w\u00e4chst nun (nachdem der \u00fcbrige Theil des Pollenschlauches davon abgeschn\u00fcrt ist, indem derselbe, wie in dem vorliegenden und in Tausend anderen F\u00e4llen, gleich nach erfolgter Befruchtung obliterirt oder wenigstens zu einer gummiartigen Masse zusammenf\u00e4llt) durch die, in der Nucleus-H\u00f6lde abgesonderte Schleimmasse ern\u00e4hrt, zu einem l\u00e4nglichen und fast cylindrischen Schlauche, der sich durch Bildung von ZelJchen in seinem Inneren, allm\u00e4lich zu einem confervenartigen Faden umgestaltet, wie er in Fig. 35. eben daselbst abgebildet ist. Die feine Haut a b, welche hier die embryonische Bildung umschliefst, ist das letzte Ueberbleibsel der Kernhaut; sie hat sich an ihrer Spitze vollkommen geschlossen und die Spitze des Fadens d h\u00e4ngt mit derselben nur ganz locker zusammen; eine solche Schliefsung des Embryosackes und dessen Stellvertreter, nachdem die befruchtende Substanz hineingedrungen ist, findet gew\u00f6hnlich sehr bald statt, so dafs dann in denjenigen F\u00e4llen, wo wirkliche Embryos\u00e4cke Vorkommen, die Verbindung des Pollenschlauches mit dem ersten Produkte der Befruchtung sehr bald aufh\u00f6rt. In solchen F\u00e4llen dagegen, wo der Nucleus selbst die befruchtende Masse\n20*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\nzur Bildung des Embryo's aufnimmt, wie z. B. bei einigen, ja vielleicht bei allen Cruciferen-Gattungen, da bleibt jene Verbindung des Pollenscldaucbes mit dem Keimbl\u00e4schen noch lange Zeit hindurch und dergleichen F\u00e4lle haben gerade die Veranlassung zu der Hypothese gegeben, als w\u00fcrde der Embryo durch den Pollenschlauch in die H\u00f6hle des Eychen\u2019s hineingelegt, daher denn in den Antheren und nicht in den Ovarien die Keime zu den jungen Pflanzen zu finden w\u00e4ren.\nIch habe jenes Bl\u00e4schen, welches sich nach dem Eindringen des Pollenschlauches in der Holde des Nucleus zeigt, wie z. B. bei Fig. 23. Tab. XV., oder nach der Vereinigung des Pollenschlauches mit dem Embryosacke entsteht, wie z. B. in f Fig. 46 und 47. Tab. XIII. u. s. w. das Keimbl\u00e4schen genannt, um es von dem ersten Beginne des Embryo's genau zu unterscheiden. Die Entstehung des Keimbl\u00e4schens geht durch die Befruchtung oder durch den materiellen und dynamischen Einfiufs des Pollenschlauches hervor, doch die weitere Ausbildung dieses Keimbl\u00e4schens geschieht im Inneren des Eychen\u2019s und zwar, wie wir es soeben kennen gelernt haben, im Allgemeinen im Inneren des Embryosackes. In den Fig, 35 und 36. Tab. XIII. sind die Keimbl\u00e4schen, einige Tage nach der erfolgten Bildung, aus dem Saamen von Orchis Morio dargestellt und man sieht, dafs das unterste Ende des zu einem gegliederten Faden umgewandelten Keimbl\u00e4schen (d* Fig. 35. und f Fig. 36.) kugelf\u00f6rmig anschwillt; in dieser einfachen kugelf\u00f6rmigen Zelle bei d* sind schon zwei neue Zellen mit ihrem Kerne gebildet und diese Zelle ist es, welche sich sp\u00e4ter zum Embryo ausbildet. Das Keimbl\u00e4schen selbst enth\u00e4lt demnach noch nicht den Embryo, sondern aus demselben, in Folge der eigenth\u00fcm-lichen Ern\u00e4hrung im Inneren des Keimsackes geht erst eine Bildung hervor, welche sich in den meisten F\u00e4llen zuerst als eine einfache kugelf\u00f6rmige Zelle darstellt, und aus welcher alsdann der Embryo gestaltet wird. Viel auffallender als bei der Gattung Orchis ist die Bildung im","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"309\nInneren des Embryosackes oder dessen Stellvertreters bei Capselia Bursa pastoris und bei der Alsine media zu beobachten, wozu sich auf Tab. XIII. eine grofse Reihe von Abbildungen befinden, an welchen wir diesen ganzen Vorgang kennen lernen k\u00f6nnen. In Fig. 8. ist ein Eychen der Capselia Bursa pastoris gleich nach erfolgter Befruchtung dargestellt; der Pollenschlauch fe ist durch die Mi-kropyle der Testa d d, und durch das Endostomium g g eingedrungen. In dem Mikropyle-Ende der Nucleus-Haut mm steckt ein cylindrischer Schlauch nn, welcher drei Mal so breit, als der Pollenschlauch ist und drei, der Reihe\n5 nach gestellte junge Zellen mit ihren Kernen enth\u00e4lt, dieser Schlauch ist das schon cylindrisch ausgedehnte Keimbl\u00e4schen, weiches ich bis jetzt bei jener Pflanze noch nicht j\u00fcnger beobachtet habe, indem es hier ganz besonders\n\u00a7 schwer ist, die j\u00fcngsten Zust\u00e4nde dieser Bildungen her-auszupr\u00e4pariren. In Fig. 11. ist ein Keimbl\u00e4schen aus einem solchen Eychen, und zwar aus eben demselben Alter her-auspr\u00e4parirt dargestellt; das obere Ende, welches noch mit dem Pollenschlauche in Verbindung steht, zeigt eine ellip-soidisehe Anschwellung aber keinen sichtbaren Inhalt, w\u00e4hrend die fadenf\u00f6rmige Fortsetzung drei neue Zellchen mit ihren Kernen zeigt, welche sich sp\u00e4ter nach erfolgter Um-\n#\twandelung in der Art aneinanderlegen, dafs der ganze Schlauch als aus Zellen zusammengesetzt erscheint, wie es in Fig. 15. u. s. w. schon zu sehen ist. In Fig. 14. ist ein Keimbl\u00e4schen aus eben demselben Alter, aber aus einem kr\u00e4ftiger entwickelten Saamen dargesteilt. Die obere Anschwellung hat sich bei b von dem Faden b c abgeschn\u00fcrt, was in den sp\u00e4teren Entwickelungszust\u00e4nden, welche in Fig. 15 und 16. dargestellt sind, ganz entschieden auftritt,\n*\tDiese obere Anschwellung des Keimbl\u00e4schen\u2019s geht bei der Capselia sehr schnell vor sich, so dafs man, etwa 2 Tage nach erfolgter Befruchtung, in dem Mikropyle-Ende des Saamen\u2019s eine mehr oder weniger grofse Blase durchschei-nen sieht, welche von der Spitze des Nucleus durch das\n: Endostomium bis in kurzer Entfernung zum Exostomium","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\nverl\u00e4uft und in den Fig. 15 und 16. frei liegend dargestellt ist. Sehr leicht kann man diesen Sack fiir den Embryosack halten, doch wenn man die durchsichtigsten Eychen aufmerksam betrachtet, so wird man sehen, dafs von dem unteren Ende desselben ein gegliederter, mehr oder weniger langer Faden verl\u00e4uft, dessen Ende nur in den Figuren 15 und 16. kugelf\u00f6rmig angeschwollen ist und bis in die N\u00e4he des Bogens zu liegen kommt, welcher durch die Umbiegung des Nucleus dieses Saamens gebildet wird, und in Fig. 8. durch 1 angedeutet ist. Die fortgesetzte Beobachtung des Gegenstandes lehrt, dafs erst aus dieser kugelf\u00f6rmigen Anschwellung, welche anfangs eine ganz einfache Zelle, gleichsam die letzte des ganzen Fadens ist, der Embryo gebildet wird. Man hat diesen Faden, woran oft noch in sp\u00e4ten Zeitperioden der Embryo befestigt ist, schon seit langer Zeit bemerkt, aber Herr v. Mirbel hat wohl zuerst etwas Bestimmtes \u00fcber denselben ausgesprochen, indem er in seiner ber\u00fchmten Abhandlung \u00fcber den Bau und die Entwickelung des Pflanzen-Ey\u2019s *) sagt: \u201eEin zarter Faden, der Tr\u00e4ger (le suspenseur), senkt sich von dem Scheitel des Eychen's in die Quintine (Embryosack) herab und tr\u00e4gt an seinem Ende ein K\u00fcgelchen, welches der werdende Embryo ist.\u201c\nBei Alsine media erscheint die Umwandlung des Keimbl\u00e4schens an dem Tr\u00e4ger mit seinem Embryo noch viel interessanter; in Fig. 37. Tab. XIII. sieht man den zarten Embryosack, welcher sehr spitz zul\u00e4uft, am Ende geschlossen ist und das obere Ende des Tr\u00e4gers umschliefst, welcher erst bei d zu einer Blase angeschwollen ist, die sich abermals in einem gegliederten Faden fortsetzt, an dessen Ende e der Embryo hervorgeht. In den daneben stehenden Abbildungen von Fig. 38 bis 43. sind die verschiedenen Entwickelungsstufen dargestellt, welche die Entstehung jenes Gebildes so wie den ganzen Vorgang bei der Befruchtung dieses Pfl\u00e4nzchens nachweisen. In Fig. 38.\n*) Ann, des scienc. nat. Juillet. 1829. pag, 310.","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"311\nist die Vereinigung des Po\u00eflenschlauches a mit der Spitze des Embryosackes c zu sehen; durch die gegenseitige dynamische Einwirkung entsteht die kleine Anschwellung b, welche einen kleinen Kern zeigt und als eine junge Schleimzelle anzusehen ist, die aber nicht nur aus dem Pollenschlauche allein, sondern aus der Substanz der Spitze des Pollenschlauches mit der darin enthaltenen befruchtenden\n*\tSubstanz und der Substanz der Spitze des Embryosackes gebildet ist. Die Membran, welche diese Anschwellung zeigt, ist von gelblichem etwas limpidem Ansehen und besteht aus einer so weichen gummiartigen Substanz, dafs\n*\tsie in kurzer Zeit im Wasser auseinander dielst und schon durch den leisesten Druck g\u00e4nzlich zerst\u00f6rt wird. Diese Anschwellung ist die erste Bildung des Keimbl\u00e4schens, welches sich alsbald vergr\u00f6fsert, schon sehr fr\u00fch von dem\n| Pollenschlauche g\u00e4nzlich getrennt wird und dann allm\u00e4lich in den Embryosack hinein w\u00e4chst und sich, wie in Fig. 42. dargestelit ist, zum Tr\u00e4ger des Embryo\u2019s umgestaltet, wenn seine Spitze noch nicht einmal vollkommen vom Embryosacke umschlossen ist, was aber sp\u00e4ter stets geschieht, und dadurch erleichtert wird, dafs der Tr\u00e4ger selbst in die Tiefe hinabsteigt. In der Fig. 42. sieht man in c den k\u00fcnftigen Embryo noch als einfache kugelf\u00f6rmige\ni Zelle und in Fig. 43. haben sich in demselben schon mehrere kleinere Zellchen gebildet, was dann immer weiter fortgeht.\nEtwas verschieden von dem im Vorhergehenden Angegebenen, verh\u00e4lt sich der plastische Prozefs bei der Befruchtung solcher Saamen, deren Embryosack erst nach erfolgter Befruchtung gebildet wird oder auch g\u00e4nzlich fehlt; als Beispiel f\u00fchre ich die Saamen der Gattungen\n*\tFritillaria und Tulipa an, bei welchen ich diesen Vorgang ziemlich vollst\u00e4ndig verfolgt habe, bei Liiium verh\u00e4lt es sich ganz ebenso, und wahrscheinlich bei allen Liliaceen und mehreren \u00e4hnlichen Familien. Bei den genannten Pflanzen steigt der Pollenschlauch wie gew\u00f6hnlich durch\n- die Oefihungen der Eyh\u00e4ute, dr\u00e4ngt sich durch die Spitze","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\ndes Nucleus und steigt in die, in dessen Inneren gebildete H\u00f6hle hinein, ganz wie es in Fig. 1. Tab. XV. dargestellt ist, wobei nur die \u00e4ufsere H\u00fclle fortgelassen ist. Bei h sieht man das Ende des Pollenschlauches in die, f\u00fcr die Bildung des Embryo\u2019s im Inneren des Nucleus e fg bestimmte H\u00f6hle hineinragen, und ganz ebenso verh\u00e4lt es sich bei dulipa, wovon ich das in die H\u00f6hle des Nucleus hineingedrungene Ende eines Pollenschlauches in Fig. 7. lab. XV. dargestellt habe. Nachdem die Abbildung nach dem Eychen der Fritillaria in Fig. 1. angefertigt worden war, wurde der ganze Pollenschlauch herausgezogen und derselbe zeigte die, in Fig. 2. dicht daneben dargestellte Form. Hier findet also ein unmittelbares Eindringen des Pollenschlauches in die H\u00f6hle des Nucleus statt und aus dem anschwellenden Ende desselben entsteht das Keimbl\u00e4schen, welches hier eine mannigfaltigere Umbildung erleidet, bis der Embryo aus demselben hervorgeht. Zwar findet man, oft noch wochenlang nach erfolgter Befruchtung, aus der Mikropyle der Liliaceen-Saamen den Pollenschlauch hervorh\u00e4ngen, aber innerhalb der Mikropyle der inneren Eyhiille oder dem Endostom und besonders innerhalb der Spitze des Nucleus wird derselbe zusammenge-prefst, wodurch er obliterirt und dadurch von dem entstandenen Keimbl\u00e4schen getrennt oder abgeschniirt wird, wie es auch in Fig. 3. Tab. XV. bei e dargestellt ist. Gew\u00f6hnlich schwillt bei der Gattung Fritillaria das Ende des Pollenschlauches gleich nach seinem Eintritte in die H\u00f6hle des Nucleus sehr stark an, und es entwickeln sich aus demselben noch zwei andere, ebenfalls sehr grofse Zellen, wie sie in Fig. 3. Tab. XV. dargestellt sind, so dafs diese drei Zellen zusammen einen Faden bilden, welcher mit dem Embryotr\u00e4ger der Dicotyledonen zu vergleichen ist, sich aber von diesem durch sein ferneres Verhalten sehr auffallend unterscheidet. In jenen grofsen Zellen des umgewandelten Keimbl\u00e4schens der Fritillaria bilden sich sehr bald eine Menge kleinerer Zellen und es entsteht dadurch ein Z\u00e4pfchen, wie es in Fig. 4. dargestellt","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"313\nist, aus dessen unterem Ende die erste Bildung des Embryo\u2019s hervorgellt, wie es in einem weiter vorger\u00fcckten Zustande in Fig\\ 5. abgebildet ist, wo ab der aus dem Keimbl\u00e4schen hervorgewachsene Tr\u00e4ger und c d der an demselben hervorgegangene junge Embryo ist.\nIch habe absichtlich alle diese F\u00e4lle so speciell beschrieben, damit die Deutung des Befruchtungsprozesses um so klarer hervortritt, und damit die Hypothese beseitigt werden kann, welche k\u00fcrzlich Herr Schleiden \u00fcber densel-ben Gegenstand, wie wir es schon fr\u00fcher kennen lernten, aufgestellt hat. Wir haben aus den vorhergehenden Mit-s theilungen kennen gelernt, dafs der junge Embryo nicht unmittelbar aus dem Ende des Pollenschlauches hervorw\u00e4chst, ja wir haben die Structur des von uns genannten Keimbl\u00e4schen\u2019s und dessen Ver\u00e4nderungen bis zur Bildung I des Embryo\u2019s so genau kennen gelernt, dafs Niemand annehmen darf, als s\u00e4fse in dem Ende des Pollenschlauches der Keim zum k\u00fcnftigen Embryo, welcher blofs durch das Eindringen des Pollenschlauches in die H\u00f6hle des Kernes, oder in den Embryosack des Saamen\u2019s hineingelegt zu werden braucht, damit er hier ern\u00e4hrt und weiter ausgebildet werde. Die Befruchtungsweise des Eycherfs von Mesem-bryanthemum glomeratum, welche in Fig. 46 und 47. Tab. i XIII. dargestellt ist, gab uns schon seit l\u00e4ngerer Zeit einen sehr wichtigen Einwand gegen jene vorgetragene neue Deutung des Befruchtungsprozesses der Pflanzen; bei dem genannten Mesembryanthemum legt sich n\u00e4mlich das Ende des Pollenschlauches zur Seite des Mikropyle- Endes des Embryosackes, und ein wirkliches Eindringen desselben in Letzteren findet hier sicherlich nicht statt. In Fig. 47. Tab. XIII. ist durch die Linie b die Mikropyle der \u00e4ufseren \u00a3 H\u00fclle des Eychen\u2019s angedeutet; der Pollenschlauch a erh\u00e4lt, sobald er in die H\u00f6hle des Ovarium\u2019s tritt, eine besondere Festigkeit, dringt in gleichm\u00e4fsiger St\u00e4rke durch die Oeffnungen der Eyh\u00e4ute, durch die Spitze des Nucleus, welche s\u00e4mmtlich auf der Zeichnung weggelassen sind, und legt sich mit seinem Ende c, welches geifsf\u00f6rmig gebogen\nt\nl","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\nwird, dem oberen Theile des Embryosackes de an. Betrachtet man ein solches, sehr schwer heraus zu pr\u00e4pari-rendes Object in der Lage, dafs das Ende des Pollenschlauches gerade vorzuliegen kommt, wie in Fig. 46., so wird es scheinen, als ob dasselbe im Inneren des Embryosackes befindlich ist, indem sich die Linie de hinter dem Pollenschlauche fortsetzt und durchscheint; aber noch t\u00e4uschender ist es, wenn der Pollenschlauch gerade hinter dem Embryosacke zu liegen kommt. Den eigentlichen Vorgang nach der Verwachsung der Spitze des Pollenschlauches mit der Membran des Embryosackes habe ich nicht verfolgen k\u00f6nnen; die Verwachsung ist sehr innig und wahrscheinlich geschieht eine Resorbtion eines Theiles der vereinigten Membranen, und in Folge dieser und des Uebertrittes der befruchtenden Substanz bildet sich das Keimbl\u00e4schen f, welches in seiner Lage zum Pollenschlauche ebendaselbst dargestellt ist. In diesem Falle ist es sehr wahrscheinlich, dafs nach der Vereinigung des Pollenschlauches mit der Membran des Embryosackes ein Befruchtungsprozefs erfolgt, welcher mit jenem der Conferven zu vergleichen ist, wor\u00fcber in der Folge die Rede sein wird.\nNachdem wir diese verschiedenen Vorg\u00e4nge bei der Befruchtung der Pflanzen und das erste Auftreten des Embryo\u2019s in Folge derselben kennen gelernt haben, wird es nicht mehr so \u00fcberraschend sein, wenn wir bei einzelnen Pflanzen-Gattungen eine so vollst\u00e4ndige Verbindung des Pollenschlauches mit dem Tr\u00e4ger des Embryo\u2019s vorfinden, wie sie in der Abbildung von Fig. 23. Tab. XIII. aus dem Eychen der Draba verna dargestellt ist, wo man mit allem Rechte sagen kann, dafs der Tr\u00e4ger des Embryo\u2019s, der unter dem Punkte b anf\u00e4ngt (bis hierher steckt n\u00e4mlich der Faden in der H\u00f6hle des Nucleus), die wirkliche Fortsetzung des Pollenschlauches ist. Bei d hat der Faden die gew\u00f6hnliche Dicke des Pollenschlauches jener kleinen Pflanze, doch schon in der N\u00e4he der Mikropyle nimmt derselbe an Gr\u00f6fse und Festigkeit zu, offenbar durch Ern\u00e4hrung von Seiten der Eyh\u00e4ute, und so steigt er durch","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"315\ndie Oeffnungen der beiden Eyh\u00e4ute in die Spitze des Nucleus hinein, der bei der Draba, wie bei Capsella eine blofse zellige Haut ist, welche die Nucleus-H\u00f6hle umschliefst und somit die Stelle des Embryosackes vertritt. Gerade das Fehlen des Embryosackes ist hier die Ursache, dafs das Ende des Pollenschlauches als Fortsetzung des Tr\u00e4gers erscheint, oder umgekehrt; wo der Embryosack\n*\tauftritt, da wird der Pollenschlauch nach der Bildung des Keimbl\u00e4schens durch Schliefsung desselben abgeschniirt, was man besonders gut an den Abbildungen sehen kann, welche ich auf Tab. XIII. in den Figuren 48, 49, 50, 44\n*\tund 45. aus dem Eychen des Helianthemum canariense gegeben habe. In Fig. 48. ist die Vereinigung des Pollenschlauches mit dem oberen Ende des Embryosackes dargestellt; es hat sich eine kleine Anschwellung am Ende\n| des Pollenschlauches gebildet, welche vielleicht dem best\u00e4ndigen Zustr\u00f6men der colliquescirten Fovilla zuzuschreiben ist, die eine Stockung erleidet, bis die Membran des Embryosackes resorbirt ist, und sich nun das Keimbl\u00e4schen im Inneren bilden kann. In Fig. 49. ist jene Anschwellung nicht vorhanden, sondern der Pollenschlauch sitzt unmittelbar auf dem Keimbl\u00e4schen, welches sich in Fig. 50. weiter ausgedehnt und vom Pollenschlauche vollkommen ab-\nm geschn\u00fcrt hat. An diesen drei Darstellungen wird man keine Spur einer Einsenkung des Embryosackes bemerken, durch welche man auf den, schon von Herrn Brongniart ge\u00e4ufserten Gedanken kommen k\u00f6nnte, dafs das Bl\u00e4schen, welches wir mit dem Beinamen des Keimbl\u00e4schens bezeichnet haben, durch eine Einsenkung der Membran des Embryosackes gebildet werde. Dergleichen Formen, wie die Abbildung des oberen Theiles des Embryosackes von eben\n*\tdemselben Helianthemum in Fig. 44. Tab. XIII. zeigt, k\u00f6nnen allerdings zu solchen Deutungen Anlafs geben, doch am besten m\u00f6chte dieselbe durch Beobachtung dergleichen Embryos\u00e4cke beseitigt werden, welche mehrere Keimbl\u00e4schen und daher auch sp\u00e4ter mehrere Embryonen enthalten.\n~ So deutlich auch hier, in den Abbildungen der Figuren\n","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316\n44 und 45\u00bb die Abschn\u00fcrung des schon entwickelten Keimbl\u00e4schens, welches am unteren Ende des Fadens schon die erste Spur des Embryo's zeigt, von dem Pollenschlauche zu sehen ist, ebenso bestimmt sieht man den Zusammenhang derselben mit dem Pollenschlauche in einigen noch j\u00fcngeren Zust\u00e4nden, welche in den Figuren 23 und 24. Tab. XIV. aus Cistus hirsutus dargestellt sind, und ebendaselbst sind die oberen Enden der Embryos\u00e4cke von He-lianthemum grandiflorum dargestellt (Fig. 23 und 24. Tab. XIV.), von welcher jeder zwei Keimbl\u00e4schen enth\u00e4lt, und es ist nicht selten zu finden, dafs 6 und 8 dergleichen in den Embryosack hineinh\u00e4ngen, und sich sp\u00e4ter zu ebenso vielen Embryonen mit ihren Tr\u00e4gern umwandeln. In solchen Fallen ist es wohl ganz offenbar, dafs die Keimbl\u00e4schen nicht durch Einfaltung der Membran des Embryosackes entstehen k\u00f6nnen, ganz abgesehen davon, dafs sp\u00e4ter alle diese neuen Gebilde von dem Embryosacke vollkommen umschlossen werden, und dafs sich alsdann das obere Ende des Embryotr\u00e4gers ganz leicht von der um-schliefsenden Membran l\u00f6st. Alles, was ich hier gegen die Brongniarffsche Ansicht von der Bildung des Keimbl\u00e4s-chen\u2019s gesprochen habe, gilt auch gegen die von Herrn Schleiden ausgesprochene Ansicht, nach welcher (S. 1. c. pag. 312.) die eintretenden Pollenschl\u00e4uche die Intercellu-larg\u00e4nge des Nucleus durchkriechen, den Embryosack erreichen, diesen vor sich herdr\u00e4ngen, ihn in sich selbst hineinst\u00fclpen, und dann selbst als cylinder is che Schl\u00e4uche die ersten Anf\u00e4nge der Embryonen bilden, so dafs hiernach der Pflanzenembryo nichts weiter w\u00e4re, als eine auf die Spitze der Axe gepfropfte Zelle des Blattparen-chymes. Eine \u00e4hnliche Ansicht, wie die des Herrn Schleiden, ward auch schon vor einigen Jahren durch Herrn v. Mirbel*) ausgesprochen; dieser geistreiche Gelehrte meint, dafs bei den h\u00f6heren Gew\u00e4chsen zur Erzeugung des Embryo\u2019s wenigstens zwei Zellen, eine m\u00e4nnliche und eine\n*) Comptera, d. obs. sur la Marchanda polymorpha. pag. 51.","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"317\nweibliche noth wendig seien, und dafs dann der Embryo ein zusammengesetztes, an Vater und Mutter Theil habendes Wesen sei. Es folgt hieraus, sagt Herr v. M., dafs die Befruchtung nichts ist, als die Impfung der m\u00e4nnlichen Zelle auf die weibliche.\nIch glaube, dafs es nicht mehr n\u00f6thig ist in eine Widerlegung dieser Ansichten einzugehen, denn ich habe im Vorhergehenden die bei dem Befruchtungs-Prozesse der Pflanzen vorkommenden Erscheinungen so ausf\u00fchrlich beschrieben, sowohl in F\u00e4llen, wo der Pollenschlauch mit einem Embryosacke zusammenkommt, als in Fallen, wo kein Embryosack vorhanden ist, und habe alle diese rIhat-sachen so deutlich und richtig abgebildet vorgelegt, dafs es schwerlich noch viel klarer zu machen sein m\u00f6chte. Hiernach kann nun auch Jedermann ganz nach Belieben seine Ansicht \u00fcber den Vorgang bei der Befruchtung der Pflanzen aussprechen, dieselbe darf nur nicht gegen die vorliegenden Thatsachen sprechen. Zur V erst\u00e4ndigung hei der Vergleichung unserer verschiedenen Ansichten f\u00fchre ich nur noch an, dafs Herr Schleiden unter jenem cylinderisch en Schlauche den Embryo in seinem ersten Auftreten versteht, und ihn daher als ein Achsengebilde ansieht, \u201ewelches nach oben geschlossen nur eine fernere Entwickelung von innen heraus gestattet, nach unten aber nicht begrenzt ist, und durch Ausscheiden organisirbaren Stoffes und dessen allm\u00e4liches Uebergehen in Zellen eine blofse Verl\u00e4ngerung ins Unendliche zul\u00e4fst etc.\u201c\nJener cylinderische Schlauch, welchen Herr Schleiden als den Embryo in seinem ersten Auftreten deutet, ist nach den von mir mitgetheilten Beobachtungen durch Ausdehnung des Keimbl\u00e4schens hervorgegangen, und aus seinem Ende geht erst die Bildung des Embryo s hervor, welcher zuerst als eine kugelf\u00f6rmige Zelle, oder, wie bei den von mir angegebenen Monocotyledonen, als eine kugeligte Zellen masse anftritt, die durch den \u00fcbrigen Theil des cylinderischen Schlauches an der oberen Spitze des Embryosackes aufgeh\u00e4ngt ist. Die Kugel aber, aus","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318\nwelcher sich der Embryo herausbildet, ist oben und unten geschlossen, und die sp\u00e4tere Bildung des Stengels und der Wurzel aus dem Embryo geht von Innen heraus nach den, der Art jedesmal vorbestimmten Gesetzen vor sich,\nDurch die Erscheinung, dafs sich ebenso viele Embryonen in jedem Eychen bilden, als Pollenschl\u00e4uche zu den Embryosack derselben steigen, ist Herr Schleiden in seiner Ansicht, dafs durch den Pollenschlauch der Keim des Embryo\u2019s in das Eychen hineingetragen wird, best\u00e4tigt worden, indessen wenn, wie ich glaube, es mir gelungen ist zu zeigen, dafs der einfache Pollenschlauch sowohl materiell, als dynamisch zur Bildung des Keimbl\u00e4schen\u2019s beitr\u00e4gt, aber noch lange nicht unmittelbar in den jungen Embryo umgewandelt wird, so gilt dieses auch fiir alle \u00fcbrigen Pollenschl\u00e4uche, wenn sie auch in noch so grofser Anzahl zum Embryosacke herabsteigen, und darin mehr als einen Embryo her-vorrufen, und ich sehe hierin gar keine Schwierigkeit gegen die bisherigen ehrw\u00fcrdigen Ansichten von dem Ge-schlechte der Pflanzen.\nEs ist von einigem besonderen Interesse, das Verhalten der befruchtenden Substanz des Pollenschlauches bei der Vereinigung desselben mit dem Embryosacke oder dessen Stellvertreter genau zu kennen; es ist dieses ein Punkt, der bei der Befruchtung der Thiere wohl schwerlich so weit zu betrachten ist, als hier bei den Pflanzen. Aus den mir vorliegenden Beobachtungen kann ich nur best\u00e4tigen, was man schon lange bei der Befruchtung der Thiere a priori wufste, dafs die spermatischen K\u00fcgelchen und die Saamenthierchen bei dem Befruchtungsakte nicht mehr als solche mitwirken, sondern schon um die Zeit, wenn sie mit dem Pollenschlauche in die Eyh\u00fcllen hineintreten, aufgel\u00f6st und zu einer fl\u00fcssigen gummiartigen Substanz von etwas gelblicher F\u00e4rbung umgewandelt werden. Diese Substanz ist es nun, welche zur Befruchtung benutzt wird. Ich erw\u00e4hne hier noch der Ansicht des ber\u00fchmten C. F. Wolff, der den m\u00e4nnlichen Saamen f\u00fcr ein im h\u00f6chsten","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"319\nGrade vollkommenes Nutriment hielt, welches keine weitere Bearbeitung n\u00f6thig habe, und die ganze Conception als eine von Aufsen geschehene Nutrition definiren zu k\u00f6nnen glaubte.\nWird denn die Befruchtung bei allen Pflanzen vermittelst eines Pollenschlauches ausgef\u00fchrt? Diese Frage hat man mit Recht aufgestellt, und ich m\u00f6chte dieselbe mit folgenden Worten beantworten: Bei den niederen Pflanzen, als bei den Laub- und Lebermoosen und den Charen geschieht es nicht, obgleich hier ebenfalls wahre Befruchtung stattfindet, wie wir es k\u00fcnftig kennen lernen werden. Es w\u00e4re also doch wohl denkbar, dafs mitunter auch bei den Phanerogamen die Befruchtung auf \u00e4hnliche Weise ausgef\u00fchrt werden k\u00f6nnte. Im Jahre 1831 sprach sich auch Herr Robert Brown dahin aus, dafs man aus den \u00bb bekannt gewordenen F\u00e4llen noch keineswegs berechtigt sei, die neue Befruchtungstheorie auf alle phanerogamischen Gew\u00e4chse auszudehnen. Seit jener Zeit hat man jedoch diesem Gegenst\u00e4nde gr\u00f6fsere Aufmerksamkeit geschenkt, und sowohl die Herren Horkel und Schleiden, als ich selbst haben fast \u00fcberall die Pollenschl\u00e4uche gefunden, wenn man zur geh\u00f6rigen Zeit darnach suchte. Bei dem reichen Materiale, welches ein so grofsartiger Garten, als * der zu Berlin unseren Untersuchungen darreicht, ist nichts leichter als die Zahl der Gattungen bei welchen man Pollenschl\u00e4uche beobachten kann, t\u00e4glich zu vermehren. Die neue Befruchtungstheorie steht aber heutigen : Tages schon so fest, dafs es nur noch n\u00f6thig ist, diejenigen F\u00e4lle speciell aufzuf\u00fchren, welche dagegen zu sprechen scheinen, damit sie auch von anderen Beobachtern n\u00e4her untersucht werden m\u00f6gen.\n1 Ich habe bei allen Phanerogamen, welche ich zur geh\u00f6rigen Zeit und mit geh\u00f6riger Mufse untersuchte, die Befruchtung durch Pollenschl\u00e4uche gefunden, nur nicht bei unserer kleinen Brennnessel, obgleich ich die weiblichen Bl\u00fcthen dieser Pflanze gar sehr oft beobachtet","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\nhabe. Vielleicht findet es zuf\u00e4llig ein anderer Beobachter, was ich lange vergebens suchte.\nSchliefslich erinnere ich noch an die Bastardzeugung der Pflanzen, welche man sicherlich mit allem Rechte, als ein Analogon der Bastarderzeugung bei den Thieren ansieht; sie allein war hinreichend um die Hypothese des Herrn Schleiden zu beseitigen, Man mache sich eine Vorstellung von dem Befruclitungsprozesse zur Bastardzeugung, nach den von uns mitgetheilten Vorg\u00e4ngen im Inneren des Nucleus und des Embryosackes, und man wird die gen\u00fcgendste L\u00f6sung \u00fcber diesen Gegenstand erhalten; durch die befruchtende Substanz, welche der Pollenschlauch in das Innere des-\u00c8ycheifs f\u00fchrt, wird dem k\u00fcnftigen Embryo der Typus der v\u00e4terlichen Pflanze aufgedr\u00fcckt, und da die ganze fernere Bildung, durch welche der eigentliche Embryo hervorgeht, im Inneren des Nucleus oder des Embryosackes stattfindet, wo also der Embryo von der Mutterpflanze ern\u00e4hrt wird, nachdem schon dem Keimbl\u00e4schen, welches als unmittelbares Produkt der Befruch-' tung hervorgeht, neben dem Typus der v\u00e4terlichen Pflanze auch derjenige, der m\u00fctterlichen eingepr\u00e4gt war, so wird die Erzeugung des Bastard\u2019s erkl\u00e4rlich.\nDrittes Capitel.\nFernere Ausbildung des EinbrjVs und des Ej weifsk\u00f6rper\u2019s.\nSobald die Befruchtung im Inneren des Pflanzen-Eychen\u2019s erfolgt ist, gebt die Ausbildung des Embryosackes oder dessen Stellvertreters rasch vor sich, und wo derselbe schon vor der vollst\u00e4ndigen Befruchtung vorhanden war, was gerade am h\u00e4ufigsten vorkommt, da dehnt sich der Embryosack sehr rasch aus, und dieses ist meistentheils","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"321\nmit einem Verdr\u00e4ngen und einer Resorbtion des Zellengewebes der Kernmasse begleitet, so dafs von dieser mei-stentlieils nur noch eine d\u00fcnne Haut iibrigbleibt, wenn der Kern seiner vollkommenen Ausbildung entgegengeht, ja oftmals wird sogar die ganze Kernmasse verdr\u00e4ngt und der Embryo mit den ihn umkleidenden neuen Bildungen des Embryosackes nehmen den ganzen inneren Raum des Saamen\u2019s ein. Es lassen sich \u00fcber diesen Gegenstand schwerlich allgemeinere Angaben aufstellen, doch wenn man denselben an mehreren, sehr verschiedenen Saamen genau kennen gelernt hat, so wird man die Abweichungen von allen \u00fcbrigen sehr bald zu deuten verm\u00f6gen.\nWir haben schon im vorigen Abschnitte die Bildung des Embryo\u2019s in mehreren Saamen kennen gelernt, wie \u201e z. B. in dem der Capsella Bursa pastoris, der Orchis I Morio u. s. w. wo der Embryo nach geschehener Befruchtung f\u00fcr sich allein gebildet wird, dagegen zeigten die Zeichnungen aus den Saamen von Alsine media (Fig. 37. Tab. XIII.) von Helianthemum canariense (Fig. 44 und 45. Tab.XIII.), sowie vonFritillaria imperialis (Fig. 3. Tab XV.), dafs die Entwickelung des Embryo\u2019s mit der Bildung einer eigent\u00fcmlichen Substanz begleitet ist, welche sich im Inneren des Embryosackes oder dessen Stellvertreters ge-E staltet und den Embryo unmittelbar umgiebt ohne mit demselben wirklich verwachsen zu sein. Malpighi nannte bekanntlich den Embryosack: Amnios, Membrana am-nii oder die Vesicula colliquamenti, worin sich die ; junge Pflanze bilde, daraus m\u00f6chte man schliefsen, dals ihm schon der Inhalt des Embryosackes in den fr\u00fchesten Perioden bekannt war. In allen F\u00e4llen, wo der Embryosack schon vor der Befruchtung im Inneren des . Nucleus auftritt, da ist die Fl\u00fcssigkeit, welche denselben erf\u00fcllt, bei eintretender Befruchtung noch wasserhell und daher vollkommen durchsichtig *) ; alsbald bilden sich in\n*) Anmerkung. Bei mehreren Pflanzen habe ich um diese Zeit in der wasserhellen Fl\u00fcssigkeit des Embryosackes eine kleine Me yen. Pfl. Physiol. 111.\t21","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322\nder N\u00e4he des Keimbl\u00e4schens einige tr\u00fcbe W\u00f6lkchen, welche mitunter fein gek\u00f6rnt sind, und in diesen, sich zuerst condensirenden Schleim- und Gummimassen bemerkt man das Auftreten einzelner, mehr oder weniger grofsen K\u00fcgelchen, wie bei d in Fig 44. Tab. XIIL, weiche durch Vereinigung mehrerer kleineren hervorgehen. Auch in Fig. 37. ebendaselbst, ist die erste Bildung um den Embryo dargestellt, und hier bemerkt man schon, dafs rund um die gr\u00f6\u00dferen K\u00fcgelchen die Gerinnung der umgebenden feingek\u00f6rnten Schleimmasse zu einer durchsichtigen Membran stattfindet, welche alsdann eine Schleimzelle bildet, in deren Mitte sich der gr\u00f6fsere Ballen als Kern befindet. In Fig. 45. sind diese Bildungen der Zellen mit ihren Kernen schon weiter vorgeschritten, und je mehr sich das zarte Bl\u00e4schen vergr\u00f6fsert um so deutlicher tritt es als eine besondere Zelle auf, wobei gew\u00f6hnlich mehrere derselben zusammenstofsen und sich unmittelbar aneinander legen, wie es in Fig. 3. Tab. XV. bei der Fritillaria zu sehen ist. Wird die Zahl dieser Zellen noch gr\u00f6fser, so erhalten sie endlich durch gegenseitigen Druck mehr oder weniger regelm\u00e4fsige, vielseitige Formen und bilden ein wirkliches Zellengewebe, das sich allm\u00e4lich durch Resorbtion der Zellenkerne mit Amylum oder einem \u00e4hnlichen Stoffe f\u00fcllt. In Fig. 10. Tab. XV. ist dieses Zellengewebe in der Spitze des Embryosackes des Phaseolus vulgaris dargestellt, doch kommt es hier nur selten und in sehr geringem Grade zur Bildung des AmylunTs in den Zellen. Die Bildung dieser Zellenmasse beginnt stets von dem Mikropyl-Ende des Embryosackes und steigt mehr oder weniger tief in den Embryosack hinein, was sich in den Saamen verschiedener Pflanzen ganz aufserordentlich verschieden verh\u00e4lt; sie ist es, welche von Grew und von Gaertner den Namen des Eyweifsk\u00f6rper\u2019s (Albumen) erhalten hat, eine Benennung, welche zwar vielfach an-\nMenge von gleichgrofsen selbstbeweglichen Molek\u00fclen beobachtet, welche in ihren Bewegungen grofse Lebhaftigkeit zeigten, aber nicht von der spermatischen Substanz des Pollen\u2019s abzuleiten war.","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"323\ngegriffen ist, aber gewifs sehr passend erscheint, da das Eyweifs in den Eyern der V\u00f6gel eine Substanz ist, welche dem Embryo zun\u00e4chst liegt und von demselben zur Ern\u00e4hrung resorbirt wird. Jussieu nannte das Eyweifs der Pflanzensaamen: PeriSpermium und Richard sogar En-dospermium, indem er die \u00e4ufsere \u2018H\u00fclle des Saamens Perispermium nannte. Obgleich die Jussieu\u2019sche Benennung Perispermium sehr allgemein angenommen ist, so ist es doch leicht zu erweisen, dafs dieses mit Unrecht geschehen ist, denn bei einer sehr grofsen Anzahl von Pflanzen befindet sich gar kein Eyweifs und daselbst ist der dem Embryo zun\u00e4chst Hegende Theil ein ganz anderer, der weder durch Perispermium noch durch Endospermium benannt werden kann, sondern den ihm sonst zukommenden Namen beh\u00e4lt. Das Eyweifs des Pflanzensaamens ist dagegen ein ganz eigener, f\u00fcr sich bestehender Theil desselben, der bald vorhanden ist, bald mehr oder weniger vollst\u00e4ndig fehlt, und daher um alle Verwechselungen zu vermeiden, einen eigenen Namen f\u00fchren mufs. Herr Treviranus hat die Jussieu\u2019sche Benennung Perispermium angenommen und nennt die wasserhelle Fl\u00fcssigkeit, welche den jungen Embryosack f\u00fcllt, den Licpior perispermicus, w\u00e4hrend ich es vorziehe dieselbe als fl\u00fcssiges Eyweifs zu bezeichnen.\nDie Bildung des Eyweifsk\u00f6rper\u2019s ist nicht selten mit eigenthiimlichenVer\u00e4nderungen des Embryosackes begleitet; so sieht man z. B. bei Helianthemum canariense, dafs die zarte und einfache Haut an der Spitze, gleich nach dem Auftreten des Embryo\u2019s mit mehr oder weniger grofsen Zellen bekleidet wird, welche zwar auf der inneren Fl\u00e4che des Sackes ihren Ursprung nehmen, dann aber mit der Resorbtion des Th eiles des umschliefsenden Embryosackes hinausgeschoben werden; die Entstehung dieser Zellen, welche in Fig. 11. Tab. XV. bei h aus Phaseolus vulgaris\n*) Von der Entwickelung des Embryo im Pflanzen-Ey. Berlin 1825. pag. 6.\nund seinen Umh\u00fcllungen 21 *","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324\ndargestellt sind, geht sicherlich ohne vorhergebildeten Kern vor sich, und zwar auf eine Weise, welche ich sp\u00e4ter noch n\u00e4her angeben werde. Auch an der Membran des Embryosackes der Urtica urens, welcher inFig. 6. Tab. XIV. mitten im Nucleus dargestellt ist, sind in grofser Anzahl dergleichen Zellen bemerkbar, welche hier nicht nur in der Spitze, sondern auch schon in gr\u00f6fserer Tiefe auftre-ten, aber meistens an der inneren Fl\u00e4che angeheftet sind, mitunter auch noch in dem fl\u00fcssigen Eyweifs schwimmen. Bei vielen Pflanzen nimmt die Bildung dieser Zellen, wozu auch noch die Zellen mit Zellenkernen hinzukommen, wie in Fig. 11. Tab. XV. bei Phaseolus, so \u00fcberhand, dafs zuletzt der gr\u00f6fsere Theil der, fr\u00fcher ganz einfachen Membran des Embryosackes, als eine aus Zellen zusammengesetzte Haut erscheint, der sich die Zellen des Eyweifs-k\u00f6rper\u2019s unmittelbar anlagern und einen innig zusammenh\u00e4ngenden K\u00f6rper bilden, in welchem unmittelbar der Embryo befindlich ist.\nBei einigen Pflanzen ist der Eyweifsk\u00f6rper innerhalb des Saamen\u2019s sehr stark ausgebildet, aber die Form desselben h\u00e4ngt ganz und gar von der Gr\u00f6fse, Form und Lage des Embryo ab ; bei anderen Pflanzen ist das Eyweifs weniger stark auftretend, oft nur mikroskopisch zu erkennen und mitunter verschwindet es schon wieder mit der vollkommenen Ausbildung \u00d6les Embryo\u2019s. Im reifen Saamen ist das Eyweifs von weifslicher oder von gelblicher Farbe, mitunter zeigt es aber auch sehr auffallende F\u00e4rbung; es ist z. B. gr\u00fcnlich bei Viscum, r\u00f6thlich bei einigen Pittosporum-Arten u. s. w. Der Consistenz nach zeigt der Eyweifsk\u00f6rper grofse Verschiedenheiten; er ist bald mehlartig wie bei den Gr\u00e4sern und besteht dann aus mehr oder weniger grofsen, aber \u00e4ufserst zarth\u00e4utigen Zellen, die mit dem Collenchym der Antherenf\u00e4cher zu vergleichen sind, und ganz und gar mit Amylum-K\u00fcgelchen, Pflanzen-Eyweifsstoff, Kleber u. s. w. gef\u00fcllt sind, was sich bei verschiedenen Pflanzen sehr verschieden verh\u00e4lt. Zuweilen wird der mehlige Eyweifsk\u00f6rper der Gr\u00e4ser","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"325\nmehr oder weniger fest, und zeigt auf den Durchschnittsfl\u00e4chen eine gl\u00e4nzende Substanz, welche am Rande um so fester ist und nach Innen in das gew\u00f6hnliche mehlige Ey-weifs \u00fcbergeht. Man bezeichnet diesen abnormen Zustand bei dem Waizen mit dem Beinamen: glasig. Ich finde in dem Ey weifsk\u00f6rper des glasigen Waizen\u2019s, wie auch im glasigen Mays u. s. w. gerade keine Verdickungen der Zellen-Membranen, sondern eine eigentlnimliche Umwandelung der Amylum-K\u00fcgelchen in eine festere, der Zellen-Membran \u00e4hnlicher gewordene Substanz, welche sich durch Jodine nicht mehr blau f\u00e4rbt aber wie Gummi in kochendem Wasser allm\u00e4lich aufl\u00f6st.\nBei anderen Pflanzen zeigt der Eyweifsk\u00f6rper eine feste, mehr oder weniger leder- oder knorpelartige Substanz, und diese besteht aus sehr verdickten Zellen, deren Membranen unter dem Mikroskope glasartig durchsichtig erscheinen, mitunter ihre Zusammensetzung aus Schichten sehr leicht wahrnehmen lassen und durch \u00fcberaus breite und regelm\u00e4fsig geformte T\u00fcpfelkan\u00e4le durchzogen sind, welche diesem Gewebe ein \u00fcberaus niedliches Ansehen geben. Am sch\u00f6nsten finde ich es bei den Liliaceen und Irideen; hier und auch in anderen F\u00e4llen, sind die T\u00fcpfelkan\u00e4le mit einer gelbbr\u00e4unlichen Substanz, dem weichen Eyweifsstoffe des Saamens, fast eben so stark gef\u00fcllt, als die H\u00f6hle der Zellen, und dadurch erscheinen die T\u00fcpfelkan\u00e4le in der hellen und dickeren Zellen-Membran so h\u00f6chst auffallend.\nEinige wenige Pflanzen zeigen in der Bildung des Embryosackes im Verh\u00e4ltnisse zum Nucleus einige scheinbare Abweichungen, welche bisher bei der Deutung der Structur des Saamens die gr\u00f6fsten Schwierigkeiten darboten. Die Nympheen stehen hier obenan, ihr Embryosack ist von h\u00f6chst eigenthiimlicher Form, doch geht derselbe durch \u00e4hnliche Formen, welche andere Pflanzen darbieten, zu der gew\u00f6hnlichen \u00fcber. In der Spitze des Nucleus sitzt eine in der L\u00e4ngenachse des Eychen\u2019s zusammengedr\u00fcckte Blase von einer zarten Haut, welche","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326\neinen fadenf\u00f6rmigen Fortsatz zeigt, der mit einer abermaligen Anschwellung an der Chalaza des Eychen\u2019s befestigt ist. Diese Blase bildet sich schon einige Zeit vor dem Bl\u00fchen der Pflanze, indem die Zellen des Nucleus an dieser Stelle auseinandertreten, zum Theil colliquesci-ren und zur Bildung des Embryosackes verbraucht werden, denn jene Blase ist nichts weiter, als der Embryosack dieser Pflanzen und die Bildung des herabsteigenden Fadens geht erst um die Zeit der Befruchtung vor sich. Die Befestigung des Embryosackes an der Basis des Nucleus kann nicht auffailen, denn auch bei Phaseolus und anderen Gattungen mehr findet dasselbe statt. Erst mit der Bildung des Keimbl\u00e4schen^, welches wie gew\u00f6hnlich, etwa wie bei Alsine media, nach unseren Abbildungen auf Tab. XIII. vor sich geht, treten die Zellen in dem Inneren dieses oberen Theiles des Embryosackes auf, welche bald den jungen Embryo so innig umgeben, dafs er nicht mehr vollkommen durchscheint; sp\u00e4ter f\u00fcllt sich der ganze Sack mit diesen Zellen, welche meistens noch Zellenkerne enthalten und eine weiche, mehr sulzige Masse darstellen, die mit der Ausbildung des Embryo\u2019s wieder zum Theil resorbirt wird. Es ist ganz klar, dafs diese zeitige Bildung in dem Embryosacke und rund um den Embryo herum nichts Anderes ist, als ein Eyweifsk\u00f6rper, in welchem es erst etwas sp\u00e4ter zur Ausbildung des Amylum\u2019s kommt. Alles dieses verh\u00e4lt sich bei den Nymphaeen ganz in derselben Art, wie bei anderen Pflanzen, dagegen zeigt das Innere des Nucleus eine eigent\u00fcmliche Umwandlung, weiche nur sehr wenigen Pflanzen zukommt und defshalb so sehr lange verkannt wurde. Bei den meisten Pflanzen wird die Kernmasse mit der Entwickelung des Embryosackes verdr\u00e4ngt und resorbirt; bei den Nymphaeen dagegen bleibt der Embryosack im Allgemeinen bis zur Reife des Saamens sehr klein, dagegen zeigen die Zellen des Nucleus eine bedeutende Vergr\u00f6fserung, f\u00fcllen sich vollst\u00e4ndig mit Amylum-Kiigelchen und einer schleimigen Masse, und trennen sich in ihrer gegenseitigen Verbindung so weit, dafs der leiseste","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"327\nDruck die einzelnen Zellen oder ganze Massen von einander schiebt. Bei der Untersuchung des befruchteten Eychen\u2019s der Nymphaeen tritt diese sehr grofse zellige, mit Amylum gef\u00fcllte Masse sogleich in die Augen, und man erkennt in ihr eine, dem gew\u00f6hnlichen Eyweifskorper analoge Substanz, daher man dieselbe ebenfalls f\u00fcr den Eyweifskorper dieser Saamen erkl\u00e4rt hat. Eine Untersuchung desselben in verschiedenen Perioden der Entwickelung zeigt sehr deutlich eine feine, aber aus einer einfachen Zellenschicht bestehende Membran, welche die obere Zellenschicht des urspr\u00fcnglichen Nucleus ist; nur die Zel-\u00c4 len dieser \u00e4ufseren Membran sind weniger Amylum-haltig und haften fest mit einander zusammen, aber die ganze innere Zellenmasse bildet jene Eyweifs-artigeNucleus-Masse. Noch im Jahre 1822 deutete Herr Dutrochet*) den Em-8 bryosack der Nymphaeen f\u00fcr den wirklichen Cotyledon, und die wirklichen Cotyledonen des so leicht zu erkennenden Embryo s dieser Pflanzen f\u00fcr die ersten Bl\u00e4ttchen der Plumula ; so ward denn Nymphaea zu einer monoco-tyledonischen Pflanze gemacht und die Eyweifs-artige Kernmasse f\u00fcr das wirkliche Eyweifs ausgegeben. Erst die Herrn Robert Brown und Brongniart gaben die richtige Deutung des Nymphaeen-Saamen\u2019s, indem sie anerkannten, w dafs hier der Eyweifskorper von doppelter Art sei; der eine werde im Embryosacke gebildet, w\u00e4hrend der andere, welcher den Embryosack unmittelbar umschliefst, aus der Kernsubstanz hervorgeht. Da Herr Brongniart das Albumen der \u00e4lteren Autoren offenbar sehr unpassend mit En-dospermum nach Richard bezeichnet, so nannte er die Eyweifs-artige Kernmasse der Nymphaeen Perispermium, eine Benennung, welche keinen Beifall finden kann, indem \u00a3 dieselbe schon zu anderen und viel besseren Zwecken verwendet ist. Besser w\u00e4re es offenbar nach Dutrochets Beispiel, welcher von einem p\u00e9visperme imm\u00e9diat und einem p\u00e9risperme m\u00e9diat spricht, das Eyweifs im Embryosacke,\n*) M\u00e9rn. du Mus. d\u2019hist. nat. VIII. pag. 275.","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328\nals unmittelbares und dasjenige aufserhalb desselben als mittelbares zu bezeichnen, doch noch empfehlenswerter ist die Bezeichnung dieser beiden Arten von Ey-weifs durch inneres und \u00e4ufseres.\nHerr Brongniart hat den Saamen der Gramineen auf \u00e4hnliche Weise gedeutet, indem er das wirkliche Eyweifs Perispermium nennt und also mit der Kernmasse des Saa-men\u2019s der Nymphaeen vergleicht; eine vollst\u00e4ndigere Untersuchung lehrt jedoch, dafs es sich im Saamen der Gr\u00e4ser viel einfacher verh\u00e4lt und dafs der Eyweifsk\u00f6rper in demselben unmittelbar am Embryo liegt und durch den Embryosack umschlossen wird, wie es noch ganz k\u00fcrzlich durch Herrn Schleiden sehr richtig * *) publicirt worden ist. Das Auftreten von Amylum K\u00fcgelchen in einzelnen Theilen der Embryoh\u00fcllen, aufser dem wirklichen Eyweifsk\u00f6rper ist wohl gar nicht so selten, als man es glaubt, jedoch tritt es meistens nur in sehr kleinen Massen auf. In Fig. 37. Tab. XIII. habe ich bei g g drei, vollst\u00e4ndig mit Amylum gef\u00fcllte Zellen aus der inneren Haut des Eychen\u2019s von Alsine media abgebildet, und in den Zellen der Testa des Saamen\u2019s von Cactus nycticallus habe ich ganz allgemein das Auftreten der Amylum-K\u00fcgelchen aus der Scheibe des Zellenkernes beobachtet, wodurch die ganze Membran ein sehr niedliches und regelm\u00e4fsiges Ansehen erhielt. Ja man beobachte die dicken Eyh\u00e4ute einiger Lilia-ceen und man wird darin sehr grofse Massen von Amylum und Schleim aufgeh\u00e4uft finden, was besonders auffallend in dergleichen zwiebelartig verdickten Saamen der Fall ist.\nDie Saamen von mehreren Crinum-Arten hat man h\u00e4ufig f\u00fcr wirkliche Zwiebelknospen angesehen, doch Ach. Richard untersuchte solche Saamen von Crinum asia-ticum, C. erubescens und C. Ta'itense, welche eine aufser-ordentliche Gr\u00f6fse erreicht hatten, und will gefunden haben, dafs sie eine eigent\u00fcmliche H\u00fclle haben, dafs die\n*) h c. Nova Acta Acad. C. L. C. Nat. Cur. Vol. XIX. P. 1. pag. 43.\n*\u00a5) Ann. des scienc. nat. II, 1824. pag. 13.","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"329\ndicke Zellenmasse das Albumen (Endosperme Rieh.) ist, und dafs in diesen ein kleiner K\u00f6rper, der wirkliche Embryo enthalten ist.\nBei einigen wenigen Pflanzen zeigt der Embryosack eine sehr eigenthiimliche Form undStructur; er entwickelt sich zu einer bedeutenden Gr\u00f6fse; so dafs er sehr bald zur Spitze des Nucleus hinaustritt, in einigen F\u00e4llen die Oeff-nungen der Eyh\u00fclien durchbricht, ja zuletzt, wie bei der Gattung Veronica selbst die ganzen Eyhiillen nach verschiedenen Richtungen hin zersprengt, was ich am sch\u00f6nsten bei Veronica hederaefolia beobachtet habe, wo es\n*\tanfangs sehr schwer h\u00e4lt den Gegenstand aufzufassen. Hier und in \u00e4hnlichen F\u00e4llen, wie z. B. bei Lathraea, wo es Herr Schleiden beobachtet hat, zeigt der Embryosack eine sulzige Substanz, welche mit Einsackungen und Ein-\nI schniirungen versehen ist, \u00e4hnlich den Ged\u00e4rmen der h\u00f6heren Thiere; es ist eine sehr dicke und fast durchsichtige Haut, welche anfangs nur eine sehr enge H\u00f6hle enth\u00e4lt. Wie sich die Spitze dieses sulzigen Embryosackes \u00f6ffnet, ist noch nicht beobachtet, aber man sieht, dafs der Pollenschlauch mehr oder weniger tief in die H\u00f6hle desselben hineindringt, und wenigstens sieht man hier sehr deutlich dafs von einer Einst\u00fclpung des Embryosackes bei der\n*\tEmbryobildung nicht die Rede sein kann.\nSchon im vorigen Abschnitte, als die Beobachtungen \u00fcber den Befruchtungsprozefs der Pflanzen angegeben wurden, haben wir die erste Entstehung des Embryo's kennen gelernt, dessen fernere Ausbildung wir gegenw\u00e4rtig zum Gegenst\u00e4nde der Untersuchung zu w\u00e4hlen haben. Herr v. Mirbel, Treviranus und auch mehrere andere Botaniker haben schon gelehrt, dafs der junge Embryo ein rundes K\u00fcgelchen ist, an welchem weder ein Radikular- noch ein Cotyledonar-Ende zu bemerken ist, und ich habe im Vorhergehenden angegeben und durch die Abbildungen auf Tab. XIII. mehrfach nachgewiesen, dafs der junge Embryo bei seinem ersten Auftreten, als ein selbstst\u00e4ndiges Gebilde, nichts weiter, als eine ganz einfache","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330\nkugelrunde Zelle ist, welche mit einer noch unge- . k\u00f6rnten schleimigen Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt ist; ich habe aber auch darauf aufmerksam gemacht, dafs es sich bei einigen Pflanzen aus der Abtheilung der Monocotyledonen, wie z. B. bei den Liliaceen etwas anders verh\u00e4lt, wie es bei Fritillaria in Fig. 3. Tab. XV. abgebildet ist.\nDer Embryo ist bei seinem ersten Auftreten weich und fast fl\u00fcssig, wie es schon von G\u00e4rtner ganz richtig beschrieben ist, ja blofses Liegen im Wasser pflegt denselben schon in kurzer Zeit aufzul\u00f6sen, und selbst der leiseste Druck eines Glimmerpl\u00e4ttchen\u2019s verwischt sehr bald alle Organisation in demselben. In diesem j\u00fcngsten Zustande ist der Embryo stets ungef\u00e4rbt, sowohl bei Monocotyledonen als bei Dicotyledonen, und Herr Treviranus, \u00a7 der denselben in so vielen F\u00e4llen gr\u00fcngef\u00e4rbt beobachtete und ihn, gegen G\u00e4rtner\u2019s Beobachtung, von h\u00e4rtlicher Beschaffenheit beschreibt, hat nicht mehr den fr\u00fchesten Zustand des Embryo\u2019s untersucht. Wir haben den Tr\u00e4ger des jungen Embryo\u2019s und dessen Entstehung schon fr\u00fcher kennen gelernt, so dafs wir die Ansicht, als werde dem Embryo durch jenen Tr\u00e4ger die Nahrung zugef\u00fchrt, als beseitigt halten, denn es liegt zu nahe, dafs der Embryo | aus dem ihn umgebenden, zuerst fl\u00fcssigen Eyweifsk\u00f6rper seine Nahrung zieht; wir haben aber auch auf die Bildung des Embryo\u2019s in solchen F\u00e4llen aufmerksam gemacht, wo gar kein Ey weifsk\u00f6rper vorkommt, wo der Embryo ent- M weder, wie z. B. bei Capselia, Draba u. s. w., in die mit Schleim gef\u00fcllte Nucleus-H\u00f6hle hineinragt oder, wie bei Orchis, sehr bald den ganzen Nucleus verdr\u00e4ngt, und unmittelbar im Zellengewebe der inneren Eyh\u00fclle zur Entwickelung kommt. In allen diesen, von der Regel abweichenden F\u00e4llen zieht der Embryo die Nahrung ebenfalls aus seiner n\u00e4chsten Umgebung, welche dabei auch gew\u00f6hnlich stark resorbirt wird, und wir d\u00fcrfen uns durch die starke Entwickelung des Tr\u00e4gers, welche wir z. B. bei Capsella finden, noch nicht zu der Annahme verleiten lassen, dafs derselbe dennoch, wenigstens in solchen F\u00e4llen","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"331\nzur Ern\u00e4hrung des Embryo\u2019s dient, denn bei der Alsine media, wo wirkliches Eyweifs im Inneren eines eigenen Embryosackes den Embryo umgiebt, da zeigt sich die Bildung des Tr\u00e4gers verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig eben so stark. Ich glaube annehmen zu d\u00fcrfen, dafs der Tr\u00e4ger gr\u00f6fstentheils zur blofsen Befestigung des Embryo\u2019s dient, dafs aber durch ihn, noch vor der Bildung des Embryo\u2019s, die aus dem Pollenschlauche gestiegene befruchtende Substanz dem fl\u00fcssigen Eyweifs l\u00e4ngere Zeit hindurch zur dynamischen Einwirkung ausgesetzt ist, und in solchen F\u00e4llen, wo der Tr\u00e4ger zur aufserordentlichen Entwickelung gelangt, wie bei der Gattung Capselia, Alsine u. s. w., da scheint es mir sehr klar, dafs auch durch ihn eine Menge Nahrung auf-gesaugt werden mufs, welche dem jungen Embryo zu Gute kommt. Mitunter zeigt der Tr\u00e4ger des Embryo\u2019s sehr ei-genth\u00fcmliche Formen, so vergr\u00f6fsert sich derselbe bei Chenopodium viride auf eine sehr beachtenswerthe Weise; hier wird dasjenige Ende des Tr\u00e4gers, welches in der Spitze des Embryosackes befestigt ist, sehr breit, und besteht dann aus einer Menge von locker aneinandersitzenden zarten Zellen. Der ganze Tr\u00e4ger erh\u00e4lt hier zuweilen das Ansehen eines Hutpilzes. Viel merkw\u00fcrdiger ist dagegen die Bildung des Tr\u00e4ger\u2019s bei der Gattung Tropaeolum, wozu ich leider wegen Mangel an Raum nicht mehr Abbildungen geben kann; verweise aber auf die Darstellungen dieses Gegenstandes bei den Herren Brongniart*) und Schleiden **). An dem ausgebildeten Saamen von Tropaeolum majus findet man n\u00e4mlich einen eigenth\u00fcmlichen Faden, der seinen Ursprung aus dem Exostomium oder der Mikropyle des Saamen\u2019s nimmt, und um die \u00e4ufsere Seite des Saamen\u2019s heruml\u00e4uft; ich fand ihn bis \u00fcber die H\u00e4lfte der inneren, etwas gekr\u00fcmmten Fl\u00e4che desselben wieder hinauflaufend. Aufserdem l\u00e4uft noch ein zweiter, aber k\u00fcrzerer Faden, ebenfalls vom Exostomium ausge-\n*) 1. c. Pi. 44. Fig. 2.\n1. c. \u2014 Nova Acta Acad. G. L. G. Vol. XIX. P, I, pag. 5d. Tab, VIII. f. 125. etc.","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332\nhend, auf der inneren Seite des Saamen\u2019s herab, und mitunter fand ich auch noch einen dritten, aber noch k\u00fcrzeren Faden ebendaselbst. Diese F\u00e4den bestehen aus einem Strange von ziemlich grofsen, aber zarten und etwas gestreckten Parenchym-Zellen, deren an ausgebildeten Saa-men etwa 14 \u2014 20 auf dem Querschnitte zusammengeh\u00e4uft 4 liegen, und s\u00e4mmtlich die bekannte Rotationsstr\u00f6mung zeigen, wie die Zellen der Vallisneria. Alle diese Zellenstr\u00e4nge gehen von einer Stelle aus, welche unmittelbar die Mikropyle bedeckt, deren Zellen eine \u00fcberaus niedliche Form und Zeichnung zeigen; und hier h\u00e4ngen dann Str\u00e4nge mit dem wirklichen Tr\u00e4ger des Embryo\u2019s in unmittelbarem Zusammenh\u00e4nge, was der allm\u00e4liche Uebergang der Zellen des einen Gebildes in die Zellen des anderen sehr deutlich * zeigt. Der eigentliche Tr\u00e4ger des Embryo\u2019s hat eine sehr bedeutende L\u00e4nge, ist ebenfalls aus l\u00e4nglichen Parenchym-Zellen zusammengesetzt, nur nicht ganz so dick, als die \u00e4ufserlich verlaufenden Str\u00e4nge; er ist von seinem Verei-nigungspunkte mit den \u00e4ufserliehen Str\u00e4ngen an, von der Membran des Embryosackes umschlossen und f\u00fcllt ganz genau die R\u00f6hre aus, welche die lange Oeffnung des Endo-stomium\u2019s und die Oeffnung des Nucleus bildet. Diese | ganze Bildung ist als ein sehr eigenth\u00fcmlicher Fall anzusehen, und dieselbe vollst\u00e4ndig zu verfolgen, geh\u00f6rt zu den m\u00fchesamsten Aufgaben. Mit Herrn SchleideiTs Angaben stimmen meine Untersuchungen in dieser Hinsicht nicht * ganz \u00fcberein; ich habe gesehen, dafs der Pollenschlauch im Inneren des Nucleus eine sehr bedeutende, aber etwas unregelm\u00e4fsige Anschwellung zeigt, und Herr Schleiden sah zuerst, dafs sich der Embryo aus dem Ende eines . Astes bildete, welcher aus jener Anschwellung hervorgeht.\nIch habe ferner mehrmals gesehen, dafs der Tr\u00e4ger um die Zeit, wenn der Embryo bis zur Entwickelung zu einer gr\u00fcnen Kugel gekommen ist, schon als ein starker Zellenstrang erscheint, der sich allm\u00e4hlich in die Kugel des Embryo\u2019s hineinzieht.\nDie fernere Ausbildung des Embryo\u2019s der Gew\u00e4chse","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"333\naus der einfachen kugelf\u00f6rmigen Zelle bietet sehr interessante und der h\u00f6chsten Beachtung werthe Erscheinungen dar. Gleichwie in dem wasserhellen Safte des Embryosackes, so bilden sich in dem Safte der einfachen Embryozelle mehr oder weniger starke Condensationen der Schleimmasse, wie sie in a Fig. 21. Tab. XIII. aus der Draba verna dargestellt sind; oder es treten gleich mehrere, mehr oder weniger grofse kugelf\u00f6rmige Massen auf, welche aus einer gek\u00f6rnten gummiartigen Substanz bestehen (Fig. 42. Tab. XIII. bei o aus Alsine media), und um diese herum erh\u00e4rtet die Schleimmasse zu besonderen Zellenmembranen,\n\u00ab\nganz wie dieses bei der Bildung des Eyweifsk\u00f6rpers im Embryosacke auf pag. 322 geschildert wurde. Diese neuen Zellchen dehnen sich sehr schnell aus (Siehe die 2 Zell-chen in d Fig. 35. Tab. XIII.), stofsen zusammen und ver-I dr\u00e4ngen durch Resorbtion die urspr\u00fcngliche Zellenmembran des ersten Anfanges des Embryo\u2019s, so dafs dieser hierauf als aus mehreren Zellchen zusammengesetzt erscheint, wie es die Abbildungen in Fig. 45. Tab.XIII. von Helianthemum canariense, Fig. 16. ebendaselbst von Capsella Bursa pa-storis, Fig. 43. von Alsine media und so weiter zeigen. In diesen neuen Zellchen bilden sich nun abermals neue Zellen, theils durch Gerinnung der Substanz um urspriing-* lieh gebildete kugelf\u00f6rmige Massen, welche dann als Zellenkerne auftreten, was aber hier sehr selten ist, theils durch Gerinnung der sichtbar gewordenen Schleimmassen, welche sich in verschiedenen Stellen der Zellen blasenf\u00f6r-s- mig ausdehnen, zu feinen Membranen erh\u00e4rten, und sich entweder der Membran der Mutterzellen anlegen, oder nach Resorbtion dieser, gleichfalls als selbstst\u00e4ndige Zellen auftreten, worin die ferneren Bildungen von Neuem er-' scheinen.\nIn Fig. 35. Tab. XIII. habe ich den jungen Embryo von Orchis Morio dargestellt, in welchem sich zwei wirkliche Zellenkerne befinden, und in solchem Falle geschieht die Bildung der Membranen der neuen Zellen aus der aufgel\u00f6sten Substanz dieser Kerne, was denn auch der ganz","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\ngew\u00f6hnliche Gang der Zellenbildung hierselbst ist. Ganz ebenso geschieht auch die Zellenbildung in dem Tr\u00e4ger des Embryo\u2019s der Capselia, wozu auf Tab. XIII. eine Reihe von Abbildungen vorhanden sind.\nHerr Schleiden*) hat in einer reichhaltigen Abhandlung die hohe Wichtigkeit zu erweisen gesucht, welche dem Zellen-kerne bei der Bildung der Zellen zukommt, wefshalb er denselben mit einem besonderen Namen belegt und ihn Cytobla-stus (von xmog und \u00dflaoxog) nennt. Meine Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand stimmen indessen mit denen des Herrn \"* Schleiden nicht \u00fcberein, ja ich mufs mich imGegentheile ganz gegen jene Ansicht aussprechen, dafs der Zellenkern die Zelle selbst erzeuge. Herr Schleiden hat sich offenbar durch die Bildung der Zellen des Eiweifsk\u00f6rper\u2019s im Em- i bryosacke t\u00e4uschen lassen; hier findet die Bildung der Zellenmembran jedesmal rund um einen Ballen condensir-ten Schleimes statt, ganz ebenso, wie ich es schon vor 10 Jahren bei der Bildung der Membran der Conferven-Spore vollst\u00e4ndig beschrieben habe. Aber der ganze Eyweifs-k\u00f6rper ist eine transitorische Bildung, und schon wenige Beobachtungen sind hinreichend zu zeigen, dafs die Bildung des \u00fcbrigen Zellengewebes auf andere Weise erfolgt. Die J Bildung der Zellen durch Selbsttheilung der schon vorhandenen haben wir schon im vorigen Bande kennen gelernt, und in der Folge werden wir sehen, dafs die Vermehrung der Zellen durch Selbsttheilung eine, bei niederen und bei\n\u25a0\nh\u00f6heren Pflanzen sehr allgemein verbreitete Erscheinung ist. Wo sich aber die Zellen in dem vollkommenen Zellengewebe der h\u00f6heren Pflanzen, wTie der niederen nicht durch Theilung vermehren, da geschieht ihre Bildung nicht durch Zellenkerne oder durch sogenannte Cytoblasten, sondern die neuen Zellen bilden sich aus der condensirten Schleimmasse im Inneren der \u00e4lteren Zellen, und mau kann sehen, dafs sich die Schleimmasse zu einer Blase ausdehnt, deren Wand sp\u00e4ter erh\u00e4rtet, oder schon vorher mit an-\n*) Beitr\u00e4ge zur Phylogenesis. \u2014* In J. M\u00fcllers Archiv etc. 1838.","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"335\nderen \u00e4hnlichen Schleimblasen in eben derselben \u00e4lteren Zelle zusammenst\u00f6fst, wie dieses in den jungen Haaren und im Tr\u00e4ger des jungen Embryo's so sch\u00f6n zu sehen ist. Die nicht zu entr\u00e4thselnde Frage, welche sich hier bei der Zellenbildung aufwirft, ist: Was ist die Ursache, dafs sich der Schleim im Inneren der jungen Zelle zu einer Schleimblase umgestaltet? Ja nicht selten habe ich beobachten k\u00f6nnen, dafs Zellenkerne, welche schon vollst\u00e4ndig ausgebildet waren und in H\u00e4rchen, wie bei den Tr\u00e4gern des Embryo\u2019s zu 2, 3 und 4 St\u00fcck nebeneinander lagen, dafs diese fast ganz oder gr\u00f6fstentheils aufgel\u00f6st wurden, und dafs sich aus der daraus entstehenden Schleimmasse ebenso viele Zellchen in jenen H\u00e4rchen bildeten. Der Zellenkern ist nicht ein allgemeines Elementarorgan der Pflanzen; ich kenne eine grofse Menge von F\u00e4llen, wo weder in ganz jungen Zellen, noch in \u00e4lteren Zellen Zellenkerne Vorkommen, aber es geht aus meinen Beobachtungen hervor, dafs sich der Zellenkern immer in solchen Zellen bildet, welche bestimmt sind assimiiirten Nahrungsstoff zu f\u00fchren, und an verschiedenen Stellen dieses Buches habe ich nachgewiesen, dafs der Zellenkern zur Bildung der Zellensaftk\u00fcgelchen verbraucht wird, und zwar sowohl zur Bildung der Amylum-K\u00fcgelchen in h\u00f6heren Pflanzen, als zur Bildung der gr\u00fcngef\u00e4rbten Zellensaftkii-gelchen. Daher fehlen die K\u00fcgelchen, wo der Zellenkern vollst\u00e4ndig vorhanden ist! Herr Schleiden wird demnach wohl einsehen, dafs der Vorwurf, den er mir gemacht, als k\u00fcmmerte ich mich nicht genug um die Bildung der Elementarorgane, nicht so ganz gegr\u00fcndet ist.\nDas Verschwinden der urspr\u00fcnglichen Bildungen und die Hineinschiebung der neuen in Stelle der \u00e4lteren, wobei eine stete Vergr\u00f6fserung vor sich geht, wird nur dadurch m\u00f6glich, dafs die ganze Substanz der W\u00e4nde dieser Zellen noch ganz weich und leicht aufl\u00f6slich ist. So geht nun die Bildung der Zellen im Inneren der urspr\u00fcnglichen Embryozelle vor sich, bis der junge Embryo zu einer verh\u00e4ltnifem\u00e4fsig grofsen Kugel angewachsen ist, welche","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336\nnoch durch den Tr\u00e4ger befestigt ist, wie dieses auf den beiliegenden Tafeln mehrfach abgebildet ist. Fig. 23. Tab. XIII. zeigt diese Embryo-K\u00fcgelchen der Draba verna, welche aus dem Zellchen a Fig. 21. daselbst hervorgebildet ist. Fig. 6. Tab. XIV. zeigt diese Embryo-Kugel in ihrer nat\u00fcrlichen Lage im Inneren des Embryosackes aus der Urtica urens, und dicht daneben, in Fig. 5. ist diese Kugel in einem weit j\u00fcngeren Zustande zu sehen, wo der Tr\u00e4ger ausnahmsweise sehr lang ist. In Fig. 15. Tab. XV. ist diese Entwickelungsstufe des Embryo\u2019s aus Solanum nigrum dargestellt.\nSo wie wir in der einfachen kugelf\u00f6rmigen Zelle die erste Bildungsstufe des Embryo\u2019s erkannten, so halten wir die Bildung dieser gr\u00f6fseren Kugel f\u00fcr die zweite Entwik-kelungsstufe des Pflanzenembryo\u2019s. Auf dieser zweiten Entwickelungsstufe nimmt der Embryo sehr h\u00e4ufig eine gr\u00fcnliche Farbe an, was besonders bei einigen Familien der Dicotyledonen sehr allgemein ist, wie z. B. bei den Caryophylleen, den Malvaceen, vielen Cruciferen, Leguminosen, bei Tropaeolum u. s. w. Der gr\u00fcnf\u00e4rbende Stoff haftet hier der schleimigen, oft feink\u00f6rnigen Substanz, welche die Zellen in mehr oder weniger grofsen und stark con-densirten Massen erf\u00fcllt; zuweilen sind selbst die Zellenkerne gr\u00fcnlich gef\u00e4rbt, und es unterliegt wohl keinem Zweifel, dafs dieser gr\u00fcne Farbestoff mit dem Chlorophyll identisch ist. An den Embryonen dieser Entwickelungsstufe habe ich mehrmals \u00e4hnliche Beobachtungen zu machen Gelegenheit gehabt, als Herr Schleiden k\u00fcrzlich an einem sehr grofsen Embryo der Schotia latifolia *) angestellt hat, sie werden n\u00e4mlich mitunter durch Jodine blau gef\u00e4rbt, und diese F\u00e4rbung erstreckt sich mehr oder weniger allgemein \u00fcber die festen und fl\u00fcssigen Theile des kleinen Embryo\u2019s, so wie auch mehr oder weniger grofse Massen der condensirten Substanzen des noch fl\u00fcssigen, den Embryo umgebenden Eiweifsk\u00f6rpers blau gef\u00e4rbt werden.\nY) Poggendorff\u2019s Annalen der Physik. 1838. pag. 398.","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"337\nDiese Beobachtungen habe ich schon seit mehreren Jahren gemacht, habe aber denselben keine so grofse Wichtigkeit beigelegt, indem, wie ich es im zweiten Bande dieses Buches \u00fcberall nachzuweisen gesucht habe, die Ueberg\u00e4nge zwischen Zucker, Schleim, Gummi und den Abarten der St\u00e4rke, bei dem Ern\u00e4hrungs- und Bildungsprozesse der Pflanzen so \u00fcberaus h\u00e4ufig zu beobachten sind, und auch nach dem heutigen Standpunkte der Phytochemie ebenso leicht zu erkl\u00e4ren sind, als die Oxydationen und die Desoxydationen der verschiedenen Metalle. Doch ist hiebei noch zu bemerken, dafs die blaue F\u00e4rbung jener Substanzen durch Jod ine noch nicht erweist, dafs die ganze Masse aus Amylum besteht, denn schon die kleinste Quantit\u00e4t des gel\u00f6sten Amylum\u2019s wird eine so allgemeine blaue F\u00e4rbung verursachen.\nWenn der junge Embryo seine zweite Entwickelungsstufe erreicht hat, so zeigt er abermalige Bildung kleiner Zellen innerhalb seiner gr\u00f6fseren, und zu gleicher Zeit beginnt er seine Form zu ver\u00e4nderen; die Kugel streckt sich etwas in die L\u00e4nge und erh\u00e4lt dadurch eine l\u00e4ngere Achse, welche in der Achse des Eychen\u2019s gelegen ist, mit dem einen Ende, dem Unteren, gegen die Mikropyle und mit dem entgegengesetzten, dem Oberen, nach der Chalaza zu. An dem unteren Ende entwickelt sich das W\u00fcrzelchen, an dem oberen die Ootyledonen u. s. w. In Bezug auf die Entwickelung der Ootyledonen und des W\u00fcrzelchens verh\u00e4lt es sich bei den Embryonen verschiedener Gattungen sehr verschieden; oft kann man, wie z. B. bei der Capselia ganz bestimmt behaupten, dafs die Bildung der Ootyledonen an dem oberen Ende des Embryo's zuerst erfolgt, in anderen F\u00e4llen dagegen, wie z. B. bei der Draba verna, zeigt sich mit dem ersten Auftreten der Ootyledonen am entgegengesetzten Ende eine kleine Spitze (a Fig. 24. Tab. XIII.), welche die Anlage zur k\u00fcnftigen Wursel ist.\nGleich bei der Umbildung der Embryokugel m die sp\u00e4tere Form des Embryo\u2019s, zeigen sich bei verschiedenen Gew\u00e4chsen die grofsen Abweichungen, weiche zur Auf-Meyen. P3. Phys, III.\t22","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nStellung der nat\u00fcrlichen Abtheilungen der Gew\u00e4chse Ver- -anlassung gegeben haben; bei einer grofsen Reihe von Pflanzengattungen entwickelt der Embryo ein einzelnes Keimblatt, w\u00e4hrend der Embryo anderer Gattungen zwei Keimbl\u00e4tter entwickelt. Obgleich sich die Entwickelung der Embryonen der Monocotyledonen ganz \u00e4hnlich den- * jenigen der Dicotyledonen verh\u00e4lt, so herrschen \u00fcber jene noch sehr verschiedene Meinungen, daher ich zuerst von der Entwickelung des dicotyledonischen Embryo\u2019s handeln will, indem, wir hier\u00fcber endlich wohl einer und derselben Meinung sein k\u00f6nnten.\nAn dem Embryo der Capselia Bursa pastoris, welcher, in Fig. 17. Tab. XIII. dargestellt ist, sehen wir an dem oberen Ende in c, c, zwei blattartige Ausw\u00fcchse entstehen, ^ welche sich allm\u00e4lich in der Art ver\u00e4ndern, dafs sie die Form wie in c, c, Fig. 18. ebendaselbst erhalten; einige Zeit sp\u00e4ter zeigt die Form dieses Embryo\u2019s noch gr\u00f6fsere Ver\u00e4nderungen, indem sich die beiden blattartigen Ausw\u00fcchse, welche die k\u00fcnftigen Cotyledonen sind, mehr in die L\u00e4nge strecken und sich aneinander legen, wie es in Fig. 19. daselbst, nach einer schw\u00e4cheren Vergr\u00f6fserung dargestellt ist. Das erste Auftreten dieser Cotyledonen j ist besonders gut in Fig. 24. ebendaselbst, an dem jungen Embryo der Draba verna zu sehen, es schiebt sich daselbst an dem oberen Ende der Embryokugel das Zellengewebe in b und c in Form zweier H\u00fcgel hervor, und in der Mitte % beider ist noch keine Spur einer besonderen Bildung zu bemerken; auch an dem Embryo in Fig. 18, 19 und 20. ist hiervon noch nichts bemerkbar, obgleich aus dieser Stelle (d in Fig. 18.) sp\u00e4ter die Entwickelung der ersten , Knospe hervorgeht. Es ist auf diesen Gegenstand von verschiedenen Autoren grofse Wichtigkeit gelegt worden, selbst Herr Schleiden *) hat noch neuerlichst behauptet, dafs sich die Cotyledonen aus den Seiten der Kugel mit mehr oder weniger deutlichem Freibleiben der Spitze entwickeln, und nennt daher dieselbe das punctum vegeta-\n*) EinigeBlicke auf dieEntwickelungsgeschichte etc. 1. c, pag, 292.","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"339\ntionis nach C. Fr. Wolff, mit welchem Namen dieser das Ende der Achse des Stammes belegte.\nMit dem Hervorwachsen der Cotyledonen ist zugleich eine Verl\u00e4ngerung der Achse des jungen Embryo\u2019s begleitet, welche durch Dehnung der Substanz der urspr\u00fcnglichen Embryokugel hervorgeht, so dabs man jedenfalls die Ansicht festhalten mufs, dafs die Cotyledonen aus der Achse des Embryo\u2019s hervorwachsen; auch hat man nicht die kleinsten Gr\u00fcnde f\u00fcr die, leider gegenw\u00e4rtig so allgemein herrschende Ansicht, dafs die Achse des Embryo\u2019s aus den verwachsenen Cotyledonen, oder wenigstens aus den verwachsenen Stielen dieser bestehe. Die Beobachtung zeigt ganz deutlich, dafs die H\u00fcgel, welche den ersten Ursprung der Cotyledonen darstellen, aus Zellengewebe bestehen, welches an diesen Stellen der Embryokugel ganz neu entwickelt wird; es ist nicht etwa ein Hervorschieben schon gebildeter Theile, sondern es ist die Bildung neuer, welche nach den der Art eigenen Bildungsgesetzen an bestimmten Stellen hervortreten und die dazu n\u00f6thige Nahrung aus der Substanz des Achsengebildes erhalten.\nDie Entwickelung der Cotyledonen des Embryo\u2019s durch Hervorwachsen aus der Achse desselben ist eine, \u00fcber allen Zweifel erhobene Thatsache, doch das Hervortreten derjenigen Stelle, aus welcher sich die erste Knospe des Embryo\u2019s, die Plumula entwickelt, findet erst nach mehr oder weniger vollst\u00e4ndiger Ausbildung der Cotyledonen statt. W ollte man die Einwendung machen, dafs die Cotyledonen aus der Embryokugel hervorwachsen, und dafs an dieser, noch wenig oder gar nichts von einem Achsengebilde wahrzunehmen sei, dafs sich die Achse vielmehr erst nach der Ausbildung der Cotyledonen entwickele, so kann man mit Bestimmtheit erwiedern, dafs der Embryo am Schl\u00fcsse der zweiten Entwickelungsstufe, bei vielen Monocotyledonen wenigstens, schon ein wirkliches Achsengebilde ist, und dafs bei den Dicotyledonen ebenfalls um die Zeit, wenn die Cotyledonen hervorwachsen die Kugel etwas in die L\u00e4nge gestreckt ist.\n\n22*","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\nAn dem den Cotyledonen entgegengesetzten Ende des -Embryo's entwickelt sich das Schn\u00e4belchen (Rosteilum), welches mehr oder weniger lang ist und in eine kegelf\u00f6rmige Spitze endet, die stets nach dem Mikropyl-Ende des Saamen\u2019s zu gelegen ist, und sehr lange Zeit hindurch am Embryotr\u00e4ger befestigt ist; erst wenn der Embryo eine 4 gewisse Gr\u00f6fse erreicht hat und sich sowohl in den oberen Theil des Embryosackes, als in den unteren hinein ausdehnt, wird der zarte fadenf\u00f6rmige Tr\u00e4ger zerst\u00f6rt, und dann liegt der Embryo ganz lose, entweder nackt oder durch den Eyvveifsk\u00f6rper umschlossen in der Saamenh\u00f6hle und geht seiner vollkommenen Entwickelung entgegen, welche meistens sehr rasch erfolgt.\nDiese beiden Theile, das Schn\u00e4belchen und die Coty-i ledonen, sind fast an allen jungen Embryonen der dico-tyledonischen Pflanzen schon innerhalb des Saamen's zu unterscheiden, nur der Embryo der Gattung Cuscuta zeigt keine Cotyledonen, oder dieselben sind wenigstens sehr klein und treten erst bei v\u00f6lliger Entwickelung auf. Der dritte, sehr wesentliche Theil des dicotyledonischen Embryo's ist die PI umul a oder das Federchen, welches ganz im Grunde zwischen der Basis der beiden Cotyledonen! auftritt und nichts Anderes als die erste Knospe ist, aber * sehr h\u00e4ufig bei dem Embryo innerhalb des Saamen\u2019s noch nicht ausgebildet ist. Wir haben die Entwickelung des Embryo\u2019s der Capsella Bursa pastoris, wozu die Abbild d\u00fcngen auf der 13ten Tafel befindlich sind, schon im Vorhergehenden verfolgt. An den Abbildungen in Fig. 17, 18, 19 und 20. sind das Schn\u00e4belchen und die Cotyledonen sehr gut zu sehen, doch von der ersten Knospe istj noch keine Spur; dagegen kann man an den beiden letzteren Figuren bemerken, dafs unterhalb des Beginnes der Cotyledonen das obere Ende des Schn\u00e4belchens, wie bei c, c, zu einem ziemlich starken Knoten anschwillt, und erst nach Ausbildung dieses Knotens ist die Entwickelung der ersten Knospe daselbst zu sehen.\nDie monocotyledonischen Gew\u00e4chse keimen, wie man","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"341\n2u sagen pflegt nur mit einem Cotyledon- oder Saamen-blatte, und bei einer sehr grofsen Anzahl derselben findet man dieses Saamenblatt schon am jungen Embryo entwickelt, bei vielen aber tritt der Embryo als ein einfaches cylindrisches oder gar kugelf\u00f6rmiges Gebilde auf, aus dem erst sp\u00e4ter, bei dem Keimen des Saamen\u2019s der Cotyledonen das Schn\u00e4beichen und die Plumula hervorgebildet wird, doch gew\u00f6hnlich trifft man auch hier eine Spur von Spalte. Im Allgemeinen zeigt der Embryo der Monocotyledonen eben dieselbe Zusammensetzung, als der der Dicotyledo-nen, mit dem Unterschiede, dafs Ersterer nur einen Cotyledon entwickelt, doch sind die Abweichungen von der Regel bei den Monocotyledonen viel zahlreicher als bei den Dicotyledonen. Die Bildung des Cotyledon's an dem Embryo der Monocotyledonen geschieht ganz wie bei den Dicotyledonen; aus der Achse, dem k\u00fcnftigen Stengelchen, erhebt sich der Cotyledon als ein scheidenf\u00f6rmiges Bl\u00e4ttchen, aus dessen Spalte seitlich die erste Knospe hervortritt, die bei einigen Familien, z. B. bei den Gr\u00e4sern, stets so h\u00f6chst ausgebildet ist, dafs sie schon im Saamen oft mehrere, gr\u00fcnlich gef\u00e4rbte und deutlich entwickelte Bl\u00e4ttchen zeigt. Und dieser ganze, in allen Theilen deutlich ausgebildete Embryo wird entweder von allen Seiten her von dem Eyweifsk\u00f6rper umschlossen, oder er liegt diesem zur Seite; Ersteres findet z. B. bei Oryza statt, Letzteres bei Secale u. s. w.\nNachdem wir dieses \u00fcber die Entwickelung des Embryo\u2019s im Allgemeinen\" vorausgeschickt haben, gehen wir zur Betrachtung desselben in Bezug auf seine Lage und Form im Verh\u00e4ltnisse zum Eyweifsk\u00f6rper \u00fcber, wodurch viele, f\u00fcr die systematische Botanik \u00e4ufserst wichtige Cha-ractere gedeutet werden k\u00f6nnen.\nDas junge Pfl\u00e4nzchen, welches sich in Folge der Befruchtung innerhalb des Saamen\u2019s bildet, wurde von Malpighi Plantula genannt, C\u00e4salpin nannte es Corculnm, worin ihm Linn\u00e9 und viele Andere gefolgt sind; Ludwig nannte es Plantula seminalis, aber der Name Embryo,","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\nwelcher zuerst von Adanson aufgestellt wurde, hat gegenw\u00e4rtig\u2019 f\u00fcr die Benennung des jungen Pfl\u00e4nzchens im Eychen ebenso allgemeinen Eingang gefunden, als f\u00fcr den Foetus der Thiere.\nDer Embryo ist entweder gerade (Embryo erectus) oder gekr\u00fcmmt (E. curvus vel arcuatus); den ersteren Fall * sieht man an der Nessel (Urtica urens) in Fig. 5. Tab.XIV., den zweiten dagegen bei Polygonum aviculare in Fig. 13. Tab. XIV. In Hinsicht der Lage kann der gerade Embryo auftreten als umgekehrt (E. antitropus), wie z. B. bei der Nessel, wo er mit der Wurzelspitze in dem Mikropyl-Ende und mit den Cotyledonen nach der Chalaza zu gestellt ist. Der aufrechtstehende Embryo (E. orthotropus) verh\u00e4lt sich eigentlich ganz \u00e4hnlich, nur folgt er der Rieh- i tung des Saamen\u2019s, wie bei Pyrus Malus. Der gekr\u00fcmmte Embryo kommt bei geradl\u00e4ufigen Saamen, wie in der zuletzt angef\u00fchrten Abbildung, wie auch bei gekr\u00fcmmten und krumml\u00e4ufigen vor, den letzteren Fall (E. amphitropus) sieht man im Eychen der Capselia Bursa pastoris in Fig. 20. Tab. XIII. ; sobald hier der Embryo in der Nucleus-H\u00f6hle die L\u00e4nge der umgebogenen H\u00e4lfte des Eychen\u2019s erreicht hat, beginnt er sich zu kr\u00fcmmen, und schiebt sich bei 1 zunehmender Vergr\u00f6fserung in die H\u00f6hle der anderen H\u00e4lfte des Nucleus (von 1 bis kk Fig. 8.). In geradl\u00e4ufigen Saamen ist der gekr\u00fcmmte Embryo stets l\u00e4nger, als die Achse des Saamen\u2019s und diese L\u00e4nge ist bei verschie- i denen Pflanzen sehr verschieden; bei dem gemeinen Kn\u00f6terich (Polygonum aviculare) in Fig. 13. Tab. XIV. biegt sich der Embryo, so bald er eine gr\u00f6fsere L\u00e4nge erreicht hat, als die des Saamens an der Basis vor\u00fcber und steigt * an der entgegengesetzten Wand wieder hinauf. Wird der Embryo in solchen F\u00e4llen so lang, dafs seine Cotyledonen wieder zum Wurzelende desselben kommen, so nennt man ihn peripherisch (E. peripheries), und zwar erh\u00e4lt er diesen Beinamen in Bezug auf den Eyweifsk\u00f6rper, welcher von dem peripherischen Embryo eingeschlossen wird. Ist der Embryo nicht so lang und liegt er, wie z. B. bei","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"343\nPolygonum (Fig. 11, 12 und 13. Tab. XIV.) dem Eyweifsk\u00f6rper zur Seite, so wird er Embryo lateralis genannt, und dieser kann gekr\u00fcmmt und auch gerade sein. Unter einem centralen Embryo (E. centralis) versteht man dagegen einen solchen, der in der Mitte des Eywreifsk\u00f6r-per\u2019s zur Entwickelung kommt, wie es der Saame der Nessel in Fig. 6 und 8. Tab. XIV. so deutlich zeigt. In einigen seltenen F\u00e4llen weicht die Richtung des Embryo\u2019s im reifenden Saamen von der angegebenen ab, und es entsteht dadurch der Embryo heterotropus, transversalis und horizontalis, dem meistentheils mechanische Ursachen zum Grunde liegen.\nSo einfach sich die Zusammensetzung des Embryo s in den gew\u00f6hnlichen F\u00e4llen verh\u00e4lt, und so gewifs es ist, dafs der Embryo der Monocotyledonen eben dieselben we-f sentlichen Theile aufzuweisen hat, welche wir bei denjenigen der Dicotyledonen finden, so giebt es doch bei vielen Gew\u00e4chsen so mannigfaltige Abweichungen in der Form und Lage der einzelnen Theile des Embryo\u2019s, dafs deren Deutung h\u00e4ufig die gr\u00f6fsten Schwierigkeiten zeigt, daher auch eine grofse Reihe der miihesamsten Arbeiten \u00fcber diesen Gegenstand erschienen sind. Herrn Tittmann s *) Schrift hat besonders viel f\u00fcr die Kenntnifs des monoco-f tyledonischen' Embryo\u2019s beigetragen, wenn darin auch mitunter eine unrichtige Deutung einzelner Theile vorkommt; aber meisterhaft in jeder Hinsicht ist Herrn Bernhardi\u2019s**) Arbeit \u00fcber den entwickelten Embryo. Herr Bernhardi w\u00e4hlte die Untersuchung des entwickelten Embryo\u2019s und beobachtete denselben w\u00e4hrend und nach dem Keimen, wodurch die morphologische Deutung einzelner Theile des noch unentwickelten Embryo\u2019s gr\u00f6fsere Bestimmtheit er-:\treichte.\n*) Ueber den Embryo des Saamenkornes und seine Entwickelung zur Pflanze. Dresden 1817.\n**) Ueber die merkw\u00fcrdigsten Verschiedenheiten des entwickelten Pflanzenembryo\u2019s und ihren Werth f\u00fcr Systematik,\tLinnaea.\n7ter Band. pag. 561\u2014613.","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\nEs ist aus den Handb\u00fcchern der Botanik hinreichend bekannt, wie vielfach verschieden man die einzelnen Theile des Embryo\u2019s benannt hat, und auch in der vorhin angef\u00fchrten Abhandlung des Herrn Bernhardi findet sich hier\u00fcber eine ziemlich vollst\u00e4ndige historische Nachweisung; er selbst sagt, dafs es f\u00fcr den Embryo im Saamen der 4 Dicotyledonen kaum noting sein d\u00fcrfte mehr als drei Haupt-theile zu unterscheiden, n\u00e4mlich: 1) Das Schn\u00e4bel-chen (Rostellum), welches man auch Str\u00fcnkchen (Cau-diculus) nennen k\u00f6nnte, 2) die Cotyledonen oder Saa- \" menbl\u00e4tter, welche nur selten mit einem Stiele versehen sind, selten fehlen oder blofs aus Stielen bestehen und 3) das Federchen (Plumula), welches bezeichnender das Kn\u00f6spch en (Gemmula) genannt werden kann. Richard*) i unterscheidet an dem ausgebildeten Embryo 4 besondere Theile, n\u00e4mlich ausser den Cotyledonen und dem Kn\u00f6sp-chen, noch das Stielchen (Cauliculus) und das W\u00fcr-zelchen (Radicula), und hierin stimme ich demselben bei, obgleich ich die von ihm gegebenen Definitionen dieser letzteren Theilchen nicht annehmen kann. Wir haben bei der Betrachtung der Entwickelung des Embryo s aus seiner zweiten Periode kennen gelernt, dafs sich die Kugel j zu einem Achsengebilde ausdehnte, diese Achse ist der Stengel des Embryo\u2019s, er mag lang oder kurz sein; an dem oberen Ende desselben treten die Cotyledonen, und sp\u00e4ter die Knospe hervor, an dem unteren, dem Mikro- | pylende dagegen verl\u00e4ngert sich dieselbe in eine kegelf\u00f6r-mige Spitze, die sich sp\u00e4ter entweder unmittelbar zur Hauptwurzel verl\u00e4ngert, oder seitlich die Nebenwurzeln austreibt. Diese Spitze des Stengelchen\u2019s (Caudiculus vel cauliculus) kann man mit allem Rechte das W\u00fcrzelchen des Embryo\u2019s nennen, denn so, wie die \u00fcbrigen Theile desselben fast immer nur im Rudiment-Zustande vorhanden sind, was besonders von dem Kn\u00f6spchen gilt, welches so-\n\u00a5) Analyse der Frucht- und des Saainenkorns. Uebers. v. F. S. Voigt. Leipzig 1811. pag. 19.","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"345\ngar sehr oft g\u00e4nzlich fehlt, so verh\u00e4lt es sich auch mit dem Wiirzelchen, welches bald mehr bald weniger deutlich ausgebildet ist, aber erst nach dem Keimen des Saa-men vollkommen bestimmt unterschieden werden kann. Die anatomische Untersuchung des Achsengebildes des Embryo\u2019s giebt keine Grenze zwischen dem Stengelchen und dem Wiirzelchen, wie dieses schon Herr Link *) an dem Embryo der Vicia Faba nachgewiesen hat; untersucht man dasselbe an ziemlich grofsen und der Ausbildung nahen Embryonen, so findet man es zusammengesetzt aus einer \u00e4ufseren und sehr dicken Rindenlage, welche aus cubischem Zellengewebe besteht. Im Inneren dieses Rin-denparenchym\u2019s findet sich eine kreisf\u00f6rmige Lage von zarten und langgestreckten Parenchym-Zellen, welche in ihrer Mitte eine cylindrische Masse eines dem Rindenparenchyme \u00e4hnlichen Zellengewebes einsehliefsen und diejenige Stelle andeuten, an welcher k\u00fcnftig der Holzring auftritt. Urspr\u00fcnglich besteht das Ganze aus einem cubi-schen und ziemlich regelm\u00e4fsigen Zellengewebe, und aus diesen kleinen Zellen bilden sich an den, der Art bestimmten Stellen die langgestreckten R\u00f6hren, indem sich die Zellchen selbst bis zu einer gewissen L\u00e4nge ausdehnen, ihre iibereinanderliegenden Querw\u00e4nde resorbiren und sich zu den l\u00e4ngeren R\u00f6hren vereinigen ; die einen verdicken sich durch Anlagerung neuer Membranen auf der inneren Fl\u00e4che der W^\u00e4nde, die anderen durch Bildung blofser, mehr oder weniger dicht verlaufenden Spiralfasern, und diese stellen alsdann die Spiralr\u00f6hren dar. In dieser Art geht die Structur durch das ganze Achsengebilde des Embryo\u2019s, und an dem Wurzelende desselben zeigt sich eben dieselbe Structur wie an den Spitzen der Wurzelfasern. Hiernach zeigte also die Structur keine Grenze zwischen dem eigentlichen Stengeitheile und dem Wurzeltheile des Schn\u00e4belchen der \u00fcbrigen Autoren, und erst die Beobachtung \u00fcber das Verhalten dieser Theile w\u00e4hrend und nach\n\u00a5) Grundlehren etc. 1807. pag. 237.","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346\ndem Keimen geben dar\u00fcber Gewifsheit. Wir wissen gegenw\u00e4rtig aber auch, dafs sich die Hauptwurzel von dem Stamme oder dem Stengel der Pflanzen nicht wesentlich unterscheidet, und dafs die Hauptwurzel immer als unmittelbare Verl\u00e4ngerung des Stammes zu betrachten ist, was denn auch durch die Beobachtung der Verl\u00e4ngerung des Schn\u00e4belchen\u2019s des Embryo\u2019s w\u00e4hrend des Keimens best\u00e4tigt wird.\nHerr Bernhardi hat zwTar in seiner reichhaltigen Arbeit an dem Stengelchen des Embryo\u2019s den Wurzeltheil nicht besonders anerkannt, aber er sagt, dafs das Stengelchen (Striinkchen) in den aufsteigenden und in den absteigenden Theil zerf\u00e4llt, was mit unserer, vorhin aufgestellten Ansicht offenbar ganz \u00fcbereinstimmt, nur nenne ich den herabsteigenden Theil des Stengelchen\u2019s stets die Wurzel, und den aufsteigenden stets den Stengel. Verschiedene der ausgezeichnetsten Botaniker haben das Schn\u00e4belchen des Embryo\u2019s bald f\u00fcr die Wurzel, bald f\u00fcr den Stengel der jungen Pflanze angesehen, wozu offenbar nur das verschiedene Verhalten dieses Theiles bei verschiedenen Pflanzen Veranlassung gegeben hat; so behauptet noch Herr Tittmann, dafs das Schn\u00e4belchen bei der Keimung immer und ohne alle Ausnahme bis an die Cotyledonen zur wirklichen Wurzel wird, und das St\u00e4mmchen, welches sich zuweilen bei den Dicotyledonen unterhalb der Saa-menbl\u00e4tter bildet, w\u00e4re erst Produkt der Keimung. Indessen Herr Bernhardi zeigte, dafs die Grenze zwischen dem absteigenden und dem aufsteigenden Theile des Schn\u00e4-belchen\u2019s, also zwischen der Wurzel und dem Stengel, in vielen F\u00e4llen ziemlich genau zu bestimmen ist, und er schl\u00e4gt vor diesen Theil, oder vielmehr diese Grenze mit dem Namen Hals (Collum) zu bezeichnen, und wo sich dieser Theil mehr verwischt, daher weniger genau zu bestimmen ist, da sei es besser vom Schn\u00e4belchen \u00fcberhaupt zu sprechen, als einen Wurzeisfcock u. s. w. anzunehmen. Bei der gemeinen Bohne (Vicia Faba L.) ist fast das ganze Schn\u00e4belchen als Wurzel zu betrachten, denn es w\u00e4chst","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"347\nnach Unten und treibt Nebenwurzeln ; der Theii dagegen, aus welchem sich der Stengel bildet, ist sehr klein. Bei anderen Pflanzen dagegen, z. B. bei den Cruciferen, wohin auch der vielbesprochene Saamen der Gattung Raphanus geh\u00f6rt, wird fast das ganze Schn\u00e4belchen zum Stengel und nur aus der unteren Spitze desselben bildet sich die Wurzel. Bei einigen Dicotyledonen, welche bei dem Hervorkeimen ihre Saamenbl\u00e4tter \u00fcber die Erde hinausschieben, da ist das Stengelehen, welches von der, mehr oder weniger deutlich zu erkennenden Wurzel beginnt und sich s bis zu den Cotyledonen erstreckt, oftmals mehrere Zoll lang, wenn es auch im umgekehrten Embryo zuweilen kaum zu unterscheiden war.\nDie Bildung der Wurzel bei dem keimenden Embryo . gab Richard *) 4die Veranlassung zur Aufstellung einer * neuen nat\u00fcrlichen Einteilung der Gew\u00e4chse, welche in der That sehr scharfsinnig genannt werden kann. So wie Jussieu die Gew\u00e4chse nach der Zahl der Cotyledonen ihrer Saamen eingetheilt hat, so stellte Richard 4 grofse Abtheilungen auf, deren unterscheidende Charactere aus dem Bau und der Entwickelungsweise der Wurzel des Embryo\u2019s gesch\u00f6pft sind. Die Abtheilungen hiefsen: Ana-rhizae, Endorhizae, Synorhizae und Exorhizae; r die Exorhizae fallen im Allgemeinen mit den Dicotyledonen zusammen, und bei ihnen entsteht die Wurzel aus der unmittelbaren Verl\u00e4ngerung des Schn\u00e4belchen\u2019s. Die En-dorhizen fallen mit den Monocotyledonen zusammen, bei : ihnen bildet die innere Substanz der Spitze des Embryo-w\u00fcrzelchen\u2019s ganz allein, ohne Beitritt der Corticalsubstanz, welche reifst oder zerst\u00f6rt wird, die Wurzel des keimenden Pfl\u00e4nzchen\u2019s, indem ein oder mehrere innere Kn\u00f6t-- chen zur Seite des Stielchen\u2019s heraustreten. Die Synorhizen fielen mit den Polycotyledonen zusammen und die Anarhi-zen mit den Acotyledonen. Man fand jedoch sehr bald, dafs diese neue Eintheilung nicht so brauchbar als die nach\n*) 1. c. pag. 199.","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348\nder Zahl der Cotyledonen war, und dafs man bei derselben noch weit mehr Ausnahmen aufzuf\u00fchren hatte, als bei der Jussieu\u2019schen Einteilung. Bei den Monocotyledonen ist zuweilen dasjenige Ende des Stengelchen s, aus weichem sich die W\u00fcrzelchen bei der keimenden Pflanze entwickeln, mehr oder weniger dick und fast kugelf\u00f6rmig angeschwollen, man kann es mit einem Wurzelstocke vergleichen, aus welchem dann beim Keimen die W\u00fcrzelchen hervortreten. Richard nannte einen solchen Embryo grofs-f\u00fcfsig (E. macropodus), er kommt nur bei Wasserpflanzen vor, als bei Potamogeton, Zanichellia, Alisma u. s. w. aber es war ein grofser Fehler auch die Saamen der Gr\u00e4ser hiemit zusammenzustellen, bei denen man den Eyweifsk\u00f6r-per f\u00fcr ein solches verdicktes Wurzelende ansehen wollte. Bei den grofsfiifsigen Embryonen nannte, Richard das dicke Ende, welches dem d\u00fcnneren zum Tr\u00e4ger dient, den Hypoblast (Wurzelkuchen) und den eigentlichen Embryo Blas-tus; Benennungen, welche gegenw\u00e4rtig nicht mehr so allgemein im Gebrauche sind.\nGegen jene Richard\u2019sche Eintheilung der Gew\u00e4chse hat man von allen Seiten her geschrieben; in Deutschland wurde sie besonders durch Herrn Link beseitigt, und Herr De Candolle*) macht die sehr richtige Bemerkung, dafs man den Embryo jeder exorhizen Pflanze durch Abschneiden des Endes der Radicula zu einem endorhizen machen k\u00f6nne, indem man dieselbe dadurch zwingt Seiten* w\u00fcrzeichen hervorzutreiben.\nBei mehreren Saamen aus der Abtheilung der Monocotyledonen und der Dicotyledonen tritt das W\u00fcrzelchen bei dem Keimen aus der Tiefe hervor, und hebt die dar\u00fcber liegenden oberen Zellenschichten mit in die H\u00f6he, welche dann entweder von der unteren Partie abgerissen werden und in Form eines Hiitchen\u2019s auf der Spitze des Wiirzei-chen\u2019s liegen bleiben, oder es entsteht in diesen \u00fcberliegenden Zellenschichten eine Spalte, aus welcher dasWiir-\n\u00a5) Organographie v\u00e9g\u00e9t* II. pag. 93.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"349\nZeichen hervortritt. Herr Bernhardi hat diesen Vorgang bei dem Keimen an Raphanns Saamen sehr gut beobachtet; es platzt hier die ganze Scheide, welche das Sten-gelchen als Rinde umgiebt, und bei der fortschreitenden Verdickung desselben trennt sie sich immer mehr, bis auf zwei Lappen, welche noch oben am Stengel sitzen bleiben. Auch bei den Gattungen Polygonum, Alsine und Colutea beobachtete Herr Bernhardi \u00e4hnliche Erscheinungen, und ich sah an dem keimenden Saamen der Lemna das Wur-zelspitzchen vollst\u00e4ndig mit einem Wurzelhiitchen umschlossen. Herr Bernhardi macht den Vorschlag diese scheidenbildende Zellenlage des Stengelchen\u2019s mit dem Namen Coleocormus zu bezeichnen und ich glaube, dafs man dieselbe bei dem Embryo einer gr\u00f6fseren Menge von Pflanzen finden wird, wenn darauf besonders geachtet I werden m\u00f6chte, denn die Sache verh\u00e4lt sich ziemlich \u00e4hnlich wie mit der H\u00e4utung der Wurzelzasern, wovon im 2ten Theile dieses Buches die Rede war; sie tritt auf und kann fehlen, kann sich zuweilen wiederholen und zuweilen ziemlich regelm\u00e4fsig gestalten, ist aber nicht wesentlich n\u00f6thig, denn selbst die W\u00fcrzelchen von Pflanzen, bei denen man das Wurzelhiitchen als Regel angiebt, als bei Lemna, Azolla u. s. w. zeigen dasselbe zuweilen nicht. * Auch kommt es bei dem W\u00fcrzelchen des keimenden Embryo\u2019s vor, was wir schon an den Wurzelzasern der ausgewachsenen Pflanzen nachgewiesen haben, dafs die gel\u00f6sten Wurzelh\u00e4utchen, wenn sie nach oben mit der feststehenden Epidermis der Wurzel verbunden sind, durch die nun an der Spitze sich verl\u00e4ngernde Wurzel durchbrochen werden und dann endlich seitlich als Lappen umherh\u00e4ngen.\nEine speciellere Betrachtung \u00fcber das Auftreten der ; Cotyledonen des Embryo\u2019s mufs uns von besonderem Interesse sein, da unsere, gegenw\u00e4rtig ziemlich ganz allgemein angenommene nat\u00fcrliche Eintheilung der Gew\u00e4chse gerade auf diesen Theilen des Embryo\u2019s beruht, und es n\u00f6thig ist den Werth der Gr\u00fcnde geh\u00f6rig w\u00fcrdigen zu k\u00f6nnen, welche man so h\u00e4ufig dagegen aufgestellt hat.","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\nAnton Lorenz von Jussieu theilte zuerst die Gew\u00e4chse in drei grofse Abtheilungen, und nahm die Anwesenheit oder das Fehlen, so wie die Anzahl der Cotyledonen des Embryo\u2019s zum Princip der Eintheilung. Die Acotyledones umfassen diejenigen Pflanzen, deren Saamen, wie man allgemein zu sagen pflegt, ohne Embryo ist, daher an demselben auch keine Cotyledonen vorhanden sein k\u00f6nnen. Es geh\u00f6ren hierher alle diejenigen Pflanzen, welche Linn\u00e9 zu seiner grofsen 24sten Klasse, n\u00e4mlich zu den Cryptogamen brachte, die alle Gew\u00e4chse umfafste, an welchen die Geschlechts-Organe oder Fructificationsorgane nicht sichtbar w\u00e4ren. Die Monoco-tyledones umfassen %diejenigen Gew\u00e4chse, deren Embryo mit einem einzigen Saamenblatte keimt, w\u00e4hrend die Embryonen der Dicotyl\u00e9dones zwei Saamenbl\u00e4tter aufzuweisen haben. Zu dieser letzteren Abtheilung wurde die kleine Gruppe der Polycotyledones gebracht, deren Saamen mit vielen Saamenbl\u00e4ttern keimen sollen, man hat aber seitdem vielf\u00e4ltig beobachtet, dafs hier die Zahl der Saamenbl\u00e4tter nicht regelm\u00e4fsig ist, dafs ferner einige Gattungen dieser Familie mit vielen, quirlf\u00f6rmig gestellten Saamenbl\u00e4ttern keimen, w\u00e4hrend die anderen, dicht daneben stehenden nur wie gew\u00f6hnlich zwei Saamenbl\u00e4tter zeigen, und dafs ferner auch in allen denjenigen F\u00e4llen, wo viele Saamenbl\u00e4tter auftreten, dennoch mehr oder weniger deutlich eine Theilung derselben in zwei besondere H\u00e4lften zu beobachten ist.\nDie haupts\u00e4chlichsten Einw\u00fcrfe, welche man gegen diese nat\u00fcrliche Eintheilung der Gew\u00e4chse nach der Zahl der Cotyledonen gemacht hat, sind folgende: Man glaubte beobachtet zu haben, dafs der Embryo mehrerer Gew\u00e4chse, welche der Structur nach, so wie ihrem ganzen Habitus nach, unbestreitbar zu den Dicotyledonen geh\u00f6ren, dennoch ganz ohne alle Cotyledonen auftritt, und die erste Knospe an der Spitze des Stengelchen\u2019s entwickelt, wie z. B. bei Cuscuta, Cyclamen u. s. w. Bei anderen Gew\u00e4chsen, wie z. B. bei Trapa natans, welche ebenfalls entschieden zu den Dicotyledonen geh\u00f6rt, soll der Embryo nur einen Co-","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"351\n%\ntyledon zeigen. Ja bei einer grofsen Menge von mono-cotyledonischen Embryonen ist, so lange sie im Saamen eingeschlossen sind, keine Spur eines Saamenblattes zu sehen u. s. w. Mehrere von diesen Einw\u00fcrfen sind allerdings gegr\u00fcndet, doch wenn man diese F\u00e4lle fleifsig betrachtet, und sie in allen ihren Bildungsperioden verfolgt, so wird man, meistens sehr allgemein best\u00e4tigt finden, dafs die Zahl der Cotyledonen in einem sehr genauen Verh\u00e4ltnisse zur inneren Structur der Pflanzen steht. Vor Allem mufs man den, schon von Herrn Link aufgestellten Satz beachten, dafs der Embryo im Saamen entweder entwickelt oder unentwickelt, oder auch halb entwickelt vorkommt, man mufs daher einen jeden Embryo, der mehr oder weniger auf seiner zweiten Bildungsstufe stehen geblieben ist, auch w\u00e4hrend und nach dem Keimen beobachten. An\nI dem Embryo der Gattung Cuscuta finden sich die beiden Cotyledonen schon innerhalb des Saamen\u2019s als kleine Her-vorragungen, und mehr kann man hier auch nicht verlangen, denn die ausgebildeten Pflanzen dieser Gattung haben die Bl\u00e4tter ebenfalls nur im Rudimentzustande aufzuweisen. Der Embryo im Saamen von Cyclamen ist ebenfalls ungetheilt und zeigt keine Spur von Saamenbl\u00e4ttern; Gaert-ner will allerdings einmal vollst\u00e4ndig ausgebildete und\nf getrennte zwei Cotyledonen an einem solchen Embryo gesehen haben. Herr Bernhardi stellt den Embryo von Cuscuta mit Dodecatheon Media zusammen, welches auf \u00e4hnliche Weise wie Delphinium fissum keimt; es treibt n\u00e4m-\n-\tlieh zwei verwachsene Cotyledonenstiele mit zwei Cotyledonen aus der Erde hervor, w\u00e4hrend sich das Stengelchen in der Erde etwas verdickt, und erst sp\u00e4ter treibt aus den verwachsenen Cotyledonenstielen das Federchen hervor.\n-\tMan kann aber nicht beistimmen, wenn Herr Bernhardi die Spitze dieses Embryo\u2019s von Cuscuta, als zwei verwachsene Cotyledonenstiele ansieht, denn einmal wachsen immer die Bl\u00e4tter zuerst, und dann kommt es zur Entwickelung der Blattstiele, und zweitens haben wir schon vorl\u00e4ufig kennen gelernt, dafs eine solche Praeexistenz der Bl\u00e4tter","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nund ihrer Stiele weder in dem Stengelchen des Embryo\u2019s noch in dem Stengel der erwachsenen Pflanzen anzuneh-men ist.\nIn anderen F\u00e4llen sind die Cotyledonen nur mit ihrer Basis mehr oder weniger vollkommen verwachsen, wie es sich besonders h\u00e4ufig bei den Umbellaten zeigt, wo man zu sagen pflegt, dafs nur die Cotyledonenstiele verwachsen sind; ja bei einigen Gattungen, als Ferulago ist die, durch Verwachsung der Cotyledonenh\u00e4ute entstandene Scheide, aus welchen sp\u00e4ter das Federchen hervortritt, sehr lang. Besonders merkw\u00fcrdig verhalten sich jedoch einige Arten von Corydalis, und Bunium Bulbocastanum unter den Umbellaten, die Saamen dieser Gew\u00e4chse keimen mit einem einzelnen Cotyledon, was Herr Berhardi durch Fehlschlagen des anderen erkl\u00e4rt.\nBesondere Beachtung verdient die ungleiche Entwickelung der Cotyledonen, welche bei einigen Gew\u00e4chsen sehr regelm\u00e4fsig auftritt, und schon zu vielfachen Deutungen Anlafs gegeben hat. Das merkw\u00fcrdigste Beispiel zeigt in dieser Hinsicht unsere gemeine Wassernufs (Trapa natans); die Keimung der Saamen dieser Pflanze ward von verschiedenen Botanikern beobachtet und Tittmann erkl\u00e4rte dieselbe f\u00fcr eine monocotyledonische. Herr De Candolle*) erkannte jedoch sehr richtig, dafs Trapa natans zu den Dicotyledo-nen geh\u00f6rt, und dafs die beiden Cotyledonen des Embryo\u2019s in Hinsicht ihrer Gr\u00f6fse in einem aufserordentlichen Mifs-verh\u00e4ltnisse stehen, doch ebenfalls gegen\u00fcber gestellt sind, ganz wie bei den \u00fcbrigen Dicotyledonen. Der eine Cotyledon dieses Embryo\u2019s ist sehr grofs, gestielt und reich an Amylum, der andere dagegen findet sich nur im Rudimentzustande daneben sitzend. Herr De Candolle hat bei der Keimung dieses Embryo\u2019s die sehr interessante Bemerkung gemacht, dafs die Entwickelung der Nebenw\u00fcrzelchen gerade auf derjenigen Seite der Radicula zahlreicher stattfindet, welche dem grofsen Cotyledon entspricht, was\n\u00a5) Organogr. v\u00e9g\u00e9t, II. pag. 107.","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"353\nals eine Best\u00e4tigung der Ansicht gelten mufs, dafs der Nahrungsstoff zur Bildung jener W\u00fcrzelchen in den Coty-ledonen zubereitet und zur Radicula herabgef\u00fchrt wird. Herr Bernhardi stimmt im Allgemeinen Herrn De Candolle\u2019s Deutung des Embryo\u2019s der Trapa bei, doch ist er der Ansicht, dafs der kleine rudiment\u00e4re Cotyledon nur ein Rudiment des cotyledonarischenBlattstieles sei; indessen aus verschiedenen Gr\u00fcnden scheint mir die vorige Deutung die richtigere, auch sind beide Cotyledonen an diesem Embryo in seinem fr\u00fchesten Zustande von ziemlich gleicher Gr\u00f6fse.\nDieses eigent\u00fcmliche Verhalten des Embryo\u2019s der Trapa natans f\u00fchrte mich zu Untersuchungen \u00fcber die Entwickelung des einen Cotyledon\u2019s bei den Monocotyle-donen, ob n\u00e4mlich bei diesen Gew\u00e4chsen nicht vielleicht , gleichzeitig ein zweiter Cotyledon auftritt, der sp\u00e4ter viel-I leicht durch Verk\u00fcmmerung in seiner Ausbildung g\u00e4nzlich zur\u00fcckbleibt ; wegen der Gr\u00f6fse des monocotyledonischen Embryo\u2019s im Allgemeinen, sind diese Beobachtungen nicht so leicht anzustellen, doch schien es mir, dafs man der gehegten Vermutung mit Bestimmtheit widersprechen k\u00f6nne.\nDie ungleiche Entwickelung der Cotyledonen ist jedoch nicht nur der Gattung Trapa eigen, sondern noch mehrere andere Gew\u00e4chse zeigen diese Abweichung; so F z. B. hat Herr Aug. de Saint-Hilaire eine auffallende ungleiche Cotyledonen-Entwickelung bei der Gattung Sorocea, einer Urticeen-Familie beobachtet, und ich finde, dafs der junge Embryo unserer gemeinen Brennnessel gar nicht selten ungleich gr\u00f6fse Cotyledonen zeigt, doch an dem jungen Embryo des Chenopodium viride scheint es sogar fast Regel zu sein.\nAuch \u00fcber den Embryo derNymphaeen hat man sehr lange Zeit hindurch die unrichtigsten Ansichten verbreitet, was um so merkw\u00fcrdiger ist, da bei diesen Gew\u00e4chsen der fragliche Gegenstand sehr leicht zu beobachten ist, wenn man denselben an dem geh\u00f6rigen Orte, n\u00e4mlich an dem Mikropylende des Embryosackes sucht; in dem, mit dem Eyweifsk\u00f6rper gef\u00fcllten Embryosacke dieser Pflanzen Weyen. Ffl. l'bysiol. HI.\t23","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\nglaubte man einst den einzelnen Cotyledon zu erkennen, doch gegenw\u00e4rtig ist auch dieser Einwand, welchen man gegen die Jussieu\u2019sche Eintheilung der Gew\u00e4chse machte, beseitigt. Bei dem Embryo einiger Gattungen, z. B. bei Aesculus und Eugenia sind, wie man sagt, die Cotyledonen mit einander verwachsen, und bilden eine einzelne, zusammenh\u00e4ngende Cotyledonenmasse, doch bei Aesculus ist nichts leichter als das Getrenntsein der Cotyledonen zu sehen. Bei den Gattungen Ebenus (cretica), oder bei der Pithoria giebt Herr De Candolle diese Verwachsungen der Cotyledonenbl\u00e4tter an den Seiten an, und zwar soll sie hier unregelm\u00e4fsig und gleichsam rein zuf\u00e4llig sein. Auffallende Verwachsungen an der Basis zeigen sich an dem Embryo einiger Mesembryanthemum-Arten, wozu aber nicht Tropaeolum in Vergleich zu stellen ist; bei anderen Fettpflanzen, z. B. bei den Stapelien sind die Cotyledonen \u00e4u-fserst klein, ja kaum zu unterscheiden.\nDurch Untersuchung einer grofsen Menge der verschiedensten Gew\u00e4chse findet man also, dafs selbst die auffallendsten Abweichungen in dem Baue des Embryo\u2019s und dessen einzelner Theile, durch verschiedene Ueber-gangsstufen, welche verschiedene Gew\u00e4chse darbieten, erkl\u00e4rt werden. Das allgemeinste Ergebnifs bei diesen Untersuchungen ist, dafs die Cotyledonen, sie m\u00f6gen schon im Saamen ausgebildet sein, oder erst nach dem Keimen hervortreten, bei den Dicotyledonen entgegengesetzt stehen, dafs aber bei den Monocotyledonen der einzelne Cotyledon mit dem ersten, sich entwickelnden Blatte in abwechselnde Stellung zu stehen kommt. Cassini machte den Vorschlag die Monocotyledonen mit dem Namen der Anisodynamen oder Anisobryen zu bezeichnen, und die Dicotyledonen mit Isodynamen oder Isobryen, weil bei Letzteren die Kr\u00e4fte, welche die Cotyledonen hervortreiben, gleich grofs sind, bei Ersteren dagegen auf der einen Seite st\u00e4rker, als auf der anderen. Indessen es ist wahrlich nicht abzusehen, wefshalb diese Benennungen bezeichnender sein sollen, als die schon vorhandenen, denn Alles","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"355\nwas man gegen die Einteilung in Monocotyledonen und Dicotyledonen zu sagen hat, das gilt auch gegen diese; auch wurde im Vorhergehenden auf mehrere Dicotyledonen aufmerksam gemacht, deren Embryo ungleich grofse Coty-ledonen entwickelt.\n\u201eMit Recht, sagt Herr De Candolle, hat man alle mit gegen\u00fcberstehenden oder quirlf\u00f6rmigen Cotyledonen versehenen Pflanzen zu einer einzigen Klasse vereinigt, und vielleicht h\u00e4tte man ihnen einen passenderen Namen als den der Dicotyledonen geben k\u00f6nnen, indessen derselbe ist zu allgemein bekannt und nicht so sehr unrichtig, als dafs es sich der M\u00fche lohnte ihn abzu\u00e4ndern, nur mufs man sich wohl merken, dafs es nicht die Zahl, sondern die gegenseitige Stellung ist, worauf es wesentlich ankommt.\u201c\nIn Hinsicht der Form, der Gr\u00f6sse und der Structur zeigen die Cotyledonen die gr\u00f6fsten Verschiedenheiten: die der Dicotyledonen stehen bei ihrer Entwickelung stets mehr oder weniger weit auseinander, und diese Stellung bleibt mehr oder weniger lange, w\u00e4hrend sie sich bei einigen Pflanzen schon fr\u00fch ver\u00e4ndert, und die Cotyledonen alsdann mit ihrer inneren Fl\u00e4che unmittelbar aufeinander liegen, m\u00f6ge die Fl\u00e4che gleichm\u00e4fsig sein, oder m\u00f6ge sie gebuchtet, gekr\u00fcmmt oder noch so mannigfach gefaltet sein. Die Form, die Lage, die Zusammenfaltung und alle \u00fcbrigen Verh\u00e4ltnisse, welche die Cotyledonen zeigen, hat man, ganz wie bei den gew\u00f6hnlichen Bl\u00e4ttern benannt, defshalb dieselben hier nicht weiter zu er\u00f6rtern sind; auch findet man diesen Gegenstand in Herrn De Candolle\u2019s Or-ganographie sehr gut auseinandergesetzt.\nLinn\u00e9 belegte die Saamenbl\u00e4tter des Embryo\u2019s mit dem Namen der Cotyledonen*), weil dieselben, als mehr oder weniger concave oder ausgeh\u00f6hlte K\u00f6rper die erste Knospe einschliefsen, und diese Benennung hat alle fr\u00fcheren, als folia seminalia, valvae s\u00e9minales (Jung) und\n*) y\\ y.oivly\\\u00e0(\u00e0v.\n23*","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356\nlobi s\u00e9minales (Gleichen) mit allem Rechte verdr\u00e4ngt. Es ist bekannt, dafs die Cotyledonen der meisten Pflanzen bei dem Keimen der Saamen \u00fcber die Erde kommen, eine gr\u00fcne Farbe annehmen, und mehr oder weniger lange aus-dauern; bei einigen Pflanzen, z. B. bei Polygonum Fago-pyrum, Fumaria officinalis u.A. m. zeigen sich nach Herrn MeisneFs Beobachtung die Cotyledonen nicht selten noch w\u00e4hrend und selbst nach derBl\u00fcthe; Ersteres kommt auch bei Galium-Arten und ziemlich gew\u00f6hnlich bei den Cucurbitaceen vor. Die Cotyledonen der Euphorbia canariensis sah Herr De Candolle noch im zweiten Jahre. Alle diese Cotyledonen zeigen auf ihrer Oberfl\u00e4che Spalt\u00f6ffnungen, und zeigen in ihrem Inneren \u00e4hnliche erweiterte Intercellularg\u00e4nge, ganz wie bei gew\u00f6hnlichen Bl\u00e4ttern; dagegen diejenigen Cotyledonen, welche unter der Erde bleiben, keine gr\u00fcne Farbe annehmen, keine Spalt\u00f6ffnungen zeigen, aber stets von fleischiger oder mehliger Beschaffenheit sind, und auch fleischige Cotyledonen in der Kunstsprache genannt werden. Man hat den Satz aufgestellt, dafs die blattartigen Cotyledonen, welche \u00fcber die Erde hinausgehen, im Allgemeinen bei den, mit einem Eyweifsk\u00f6rper versehenen Saamen zu finden sind, dagegen die fleischigen Cotyledonen gerade bei [den eyweifslosen Dicotyledonen h\u00e4ufiger auftreten, doch scheine das Gegentheil bei den Monocotyledonen stattzufinden ; aber fast \u00fcberall zeigen sich Ausnahmen von dieser Regel. Ja bei Gattungen einer und derselben Familie kommen fleischige Cotyledonen vor, welche unter der Erde bleiben, wie bei Vicia Faba, und fleischige und blattartige Cotyledonen, welche \u00fcber die Erde hinausgehen, als z. B. bei Phaseolus u. s. w.\nDie Cotyledonen hat man nicht nur Saamenbl\u00e4tter genannt, sondern man hat sie auch in ihrer Bedeutung mit den \u00fcbrigen Bl\u00e4ttern der Pflanze gleichgestellt, wozu weniger die Form, als die Structur und das \u00fcbrige Verhalten derselben Veranlassung gegeben hat; ja man hat eine Menge von Gr\u00fcnden aufgestellt, welche es erweisen sollen, dafs die Cotyledonen gew\u00f6hnliche Bl\u00e4tter sind;","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"357\ndoch diese Gr\u00fcnde beweisen gerade nur ebenso viel, als jene, welche man fiir die allgemein herrschende Ansicht aufgestellt hat, dafs Blumenbl\u00e4tter und Staubf\u00e4den etc. ebenfalls nur modificirte Bl\u00e4tter sind. Meiner Ansicht nach sind die Cotyledonen nichts anderes als Cotyledonen, und diese treten als blattartige Ausw\u00fcchse auf, welche mit den gew\u00f6hnlichen Bl\u00e4ttern der Pflanzen in vieler Hinsicht grofse Aehnlichkeit zeigen, und zur Ern\u00e4hrung des jungen Pfl\u00e4nzchen bestimmt sind, wor\u00fcber schon im 2ten Theile dieses Buches pag. 320 die Rede war. Die Zahl der Cha-ractere, durch welche sich die Cotyledonen von den gew\u00f6hnlichen Bl\u00e4ttern unterscheiden, ist dagegen auch nicht klein, und besonders auffallend ist die Stellung derselben bei den Dicotyledonen, wo sie gegen\u00fcberstehend sind, wenn auch die \u00fcbrigen Bl\u00e4tter der Pflanze alterniren, und zwar geschieht hier der Wechsel in der Stellung bald pl\u00f6tzlich, so dafs die Cotyledonen vollkommen opponiren, w\u00e4hrend die n\u00e4chsten wirklichen Bl\u00e4tter sogleich alterniren; in anderen F\u00e4llen, sagt Herr De Candolle in seiner Organogra-phie, findet hierin ein allm\u00e4liger Uebergang statt, welcher zeigt, dafs die abwechselnde Stellung der Bl\u00e4tter eine von der Entwickelungsweise abstammende Ausartung ist.\nDie wichtigste Einwendung, welche man gegen Jussieu\u2019s nat\u00fcrliches Pflanzensystem zu machen hat, ist die, dafs die Farrnkr\u00e4uter, deren Structur und Entwickelung im Allgemeinen mit derjenigen der Monocotyledonen iiberein-stimmt, wie ich es im ersten Theile nachgewiesen habe, dafs diese Gew\u00e4chse mit so unvollkommenen Saamen auf-treten, dafs in denselben nicht einmal besondere Embryonen und daher auch keine Cotyledonen enthalten sind, wefshalb man sie zu den Aeotyledonen stellen mufste, mit welchen sie ihrer Structur nach allerdings nicht zusammengeh\u00f6ren. Es ist auch keineswegs zu rechtfertigen, wenn man die Saamen der Farm etwa als freie Embryonen ansehen wollte, deren Cotyledon erst bei dem Keimungsakte entwickelt w\u00fcrde. Denn wir werden es sp\u00e4ter kennen lernen, dafs die Bildung der Farrnsporen ganz","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\n\u00e4hnlich denjenigen der Sporen der Moose erfolgt; auch sind es hohle Bl\u00e4schen, gleichsam Embryonen in der ersten Entwickelungsperiode, welche mit einer zweiten, mehr oder weniger zusammengesetzten Haut umschlossen sind, was bei den jungen Embryonen der Cotyledonar-Pflanzen nicht der Fall ist. Die Farm bleiben also eine Familie, und zwar eine der gr\u00f6fsten, welche in Jussieu\u2019s nat\u00fcrlichem Pflanzensysteme nicht nat\u00fcrlich gestellt werden k\u00f6nnen, was gegenw\u00e4rtig allen Botanikern bekannt ist. Wir lernen hieraus abermals, dafs die Systeme, welche wir uns zur n\u00e4heren Kenntnifs der Gesch\u00f6pfe bilden, keineswegs diejenigen sind, nach welchen sich die Bildungen der Natur richten, und wir k\u00f6nnen zufrieden sein, wenn wir die Regeln kennen gelernt haben, nach welchen die Gesch\u00f6pfe in der Natur aneinander gereiht sind; so verh\u00e4lt es sich bei den Pflanzen und ebenso bei den Thieren, \u00fcberall zeigen unsere Systeme Ausnahmen. Es scheint mir Herrn De Candolle\u2019s Vorschlag, die Monocotyledon en in zwei Klassen zu bringen, n\u00e4mlich in phan\u00e9rogame und in krypto-game sehr annehmbar; zu letzteren k\u00f6nnte man dann die Farm bringen.\nAuch dasFederchen oder die erste Knospe, bietet bei der Betrachtung des Embryo\u2019s mannigfache Verschiedenheiten dar, welche jedoch im Allgemeinen weit weniger wichtig sind, als die Charactere, welche die Cotyledonen und das Stengeichen und W\u00fcrzelchen des Embryo\u2019s zeigen. Es ist schon eine, sehr auffallende Erscheinung, dafs das Federchen bei dem Embryo einiger monocotyledoni-schen Gattungen so auffallend weit ausgebildet ist, wie z. B. bei den Gr\u00e4sern, w\u00e4hrend der Embryo anderer Mo-nocotyledonen selbst im reifen Saamen gleichsam auf der zweiten Entwickelungsstufe zur\u00fcckbleibt. Bei den dicoty-ledonischen Gattungen zeigt der Embryo in Hinsicht des Auftretens des Federchens ganz \u00e4hnliche Verschiedenheiten; bei einigen Gattungen ist es im Embryo des reifen Saa-mens schon ausgebildet, bei anderen dagegen entwickelt es sich erst w\u00e4hrend des Keimen\u2019s. So wie das Federchen","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"359\nbei den Saamen der Monocotyledonen anfangs aus der geschlossenen Scheide des Cotyledon\u2019s hervorgeht, so w\u00e4chst es bei den Dicotyledonen gew\u00f6hnlich aus dem Grunde zwischen den beiden Cotyledonen hervor, welche nur in seltenen F\u00e4llen daselbst scheidenf\u00f6rmig verwachsen sind; das erste Auftreten desselben ist schwer zu beobachten, aber es scheint, dafs sich die Spitze des Stengelchen\u2019s unmittelbar in ein kleines, konisches K\u00f6pfchen von Zellengewebe verl\u00e4ngert, und dafs dieses K\u00f6pfchen oder W\u00e4rzchen zur Seite der Basis die kleinen Bl\u00e4ttchen entwickelt. Bei dem Embryo der Gattung Cuscuta, wo die Cotyledonen nur im Rudimente angedeutet sind, da w\u00e4chst das Federchen unmittelbar aus der Spitze des Stengelchen\u2019s hervor.\nHerr Bernhardi, der die Abweichungen, welche die Embryonen verschiedener Gattungen in Hinsicht ihrer Structur und ihres Keimen\u2019s zeigen, am ausf\u00fchrlichsten und gr\u00fcndlichsten gew\u00fcrdigt hat, findet die Benennungen Monoco-tyleen und Dicotyleen, welche man gegenw\u00e4rtig f\u00fcr die Jussieu\u2019schen eingef\u00fchrt hat, ebenfalls nicht .hinl\u00e4nglich bezeichnend, bemerkt aber auch, dafs es schwer h\u00e4lt Benennungen zu finden, welche den Unterschied ebenso treffend, als gef\u00e4llig ausdr\u00fccken. Sehr passend sollen die Monocotyledonen Coleomonocotyleen und die Dicotyledonen Allocotyleen genannt werden; die erstere Benennung gr\u00fcndet sich auf die scheidenartige Bedeckung, welche das Federchen der Monocotyledonen zeigt, die letztere dagegen auf die mannigfachen Modifikationen, welche die Cotyledonen in Form, Zahl und Stellung bei den Dicotyledonen zeigen. Lestiboudois hat schon fr\u00fcher eine Aenderung der Benennungen Monocotyledonen und Dicotyledonen in Endoptilen und Exoptilen vorgeschlagen, welche, dem Wesentlichen nach, mit der vorhergehenden Eintheilung zusammenf\u00e4llt, nur sind die Benennungen von verschiedenen Theilen des Embryo\u2019s entnommen. Bei den Exoptilen soll das Federchen frei stehen, w\u00e4hrend es bei den Endoptilen in der Scheide, welche der Cotyledon bii-","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\ndet, eingeschlossen ist. Es kann jedoch aus den, im Vor- I hergehenden mitgetheilten Beobachtungen nicht mehr schwer fallen zu zeigen, dafs sich gegen diese Eintheilung ebenso viele Ausnahmen oder Abweichungen auff\u00fchren lassen, als gegen Jussieu's Eintheilung.\nAuch in Bezug auf abnorme Entwickelung des Feder- * chen\u2019s bei dicotyledonischen Embryonen, hat Herr Bern-hardi in seiner, schon so oft genannten Abhandlung \u00fcber den Embryo \u00e4ufserst ausgezeichnete F\u00e4lle beschrieben; so zeigt der Embryo der Gattung Dentaria zwar zwei Coty-ledonen, aber kein Federchen; es keimt mit einem einzelnen Cotyledon und einem sehr unvollkommenen Federchen hervor, bildet sp\u00e4ter im Verlaufe des W\u00fcrzelchen\u2019s einen Knollen, welcher immer mehr zunimmt und im fol- $ genden Jahre, nachdem alle \u00fcbrigen Theile des Pfl\u00e4nzchens geschwunden sind, am oberen Ende ein Blatt treibt, welchem bald mehrere folgen; bei der Gattung Corydalis bleibt jenes erste Blatt im ersten Jahre ganz allein. Aehnlich verh\u00e4lt sich, nach Herrn Bernhardts Beobachtungen, auch das Keimen von Leontice altaica und vesicaria, wo im zweiten Jahre aus dem Knollen ein Blatt und, wenn dasselbe die geh\u00f6rige Gr\u00f6fse erreicht hat, auch ein bl\u00fchender \u00a7 Stengel hervortritt; der Embryo von Leontice hat \u00fcbrigens deutlich ausgebildete und abstehende Cotyledonen. In einigen Saamen sind die Cotyledonen verwachsen und hier w\u00e4chst das Federchen oder die erste Knospe aus der Basis -der, zu einer Scheide verwachsenen Cotyledonen seitlich hervor, wie bei vielen Umbellaten und einigen Delphinium-Arten. Nach Bernhardts Beobachtung sind die Cotyledonen bei Delphinium puniceum bald verwachsen, bald mehr oder weniger getrennt, w\u00e4hrend sie sich bei Delphinium fissum und ochroleucum immer vollkommen verwachsen zeigen, daher sich hiernach die Bildung des Federchen\u2019s richtet; welches bald aus der Mitte des Ansatzpunktes der Cotyledonen, bald zur Seite der, durch die Verwachsung zur\u00fcckgebliebenen Scheide hervortritt.\nAls allgemeine Regel ist anzunehmen, dafs jeder Ein-","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"361\nbryo nur ein Kn\u00f6spchen und zwar zwischen oder \u00fcber den Cotyledonen bildet, und diese erste Knospe ist es, welche das Federchen genannt wird und als Terminalknospe auf-tritt. Es kommt aber auch zuweilen vor, dafs neben dem Federchen noch zwei Axillarknospen auftreten, welche freilich, wie Herr Meisner in der Uebersetzung von De Candolle\u2019s Organographie v\u00e9g\u00e9tale *) sehr richtig bemerkt, weniger in den Achseln, als auf der Basis der Cotyledo-nen sitzen. Dieses Auftreten der Kn\u00f6spchen kann nicht mehr befremden, denn es kommt auch an den wirklichen Bl\u00e4ttern sehr h\u00e4ufig vor. Durch die Herrn Roeper und Bernhardi ist zuerst darauf aufmerksam gemacht, dafs der Embryo bei verschiedenen Pflanzen, als z. B. bei den Gattungen Euphorbia und Linaria nicht nur das Federchen zwischen den Cotyledonen treibt, sondern auch noch unterhalb der Cotyledonen ein oder mehrere Kn\u00f6spchen hervorschickt. Besonders interessant ist Herrn Bernhardi\u2019s Beobachtung bei vielen Linaria-Arten, wo sich die Zahl dieser Seitenknospen, welche nicht unterhalb der Cotyledonen sondern an der Basis des Stengelchens hervortreten, nach dem \u00fcppigen Wachsthume der Pfl\u00e4nzchen richtet? w\u00e4hrend sich in der Achsel der Cotyledonen niemals ein zweiter Trieb entwickelt.\nSchliefslich kommen wir nochmals auf die morphologische Deutung des Embryo\u2019s zur\u00fcck, um das Auftreten des ersten Knoten\u2019s n\u00e4her zu beleuchten, wor\u00fcber selbst bei den ausgezeichnetsten Botanikern unserer Zeit so \u00e4u-fserst verschiedene Ansichten herrschen, wie es z. B. die beiden meisterhaften Abhandlungen von den Hrn. E. Meyer **) und Bernhardi zeigen, welche zu gleicher Zeit und in einem und demselben Bande der Linnaea (1832) erschienen. Herr Meyer ***) lehrt, dafs sich das Stengelchen, als das erste Internodium aus dem Cotyledonenkreise hervorzieht und zugleich bilde sich der Hals, welchen wir fr\u00fcher pag. 346\n*) B. pag. 88.\n**) Die Metamorphose der Pflanzen und ihre \"Widersacher.\n***) h c. pag. 414.","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nkennen gelernt haben, zwischen Stengelchen und W\u00fcrzelchen, und dieser Hals sei als der erste Knoten anzusehen. Hals oder Knoten, Stengelchen oder Internodium und Co-tyledonarkreis machen hiernach das einfache Pfl\u00e4nzchen des Embryo aus. Ich kann dieser Ansicht keinesweges beistimmen, denn die Beobachtung des sich entwickelnden * Embryo\u2019s lehrt, dafs mit dem Hervorsprossen der Cotyle-donen zugleich eine Streckung der Embryokugel und somit die Bildung des Stengelchen\u2019s als die Hauptachse stattfindet; demnach man wohl sagen kann, dafs die Cotyledo- \" nen aus den Seiten der Spitze der Achse hervorwachsen, aber keineswegs, dafs die Achse aus dem Cotyledonenkreise hervorgezogen werde. Wenn man den Stengel der Pflanzen als zusammengesetzt aus verschiedenen, mehr oder \u00e9 weniger selbstst\u00e4ndigen Gliedern befrachtet, so ist nat\u00fcrlich die morphologische Deutung dieser Glieder sehr wichtig; Herr Meyer glaubt, dafs ein jedes Glied gleich der Embryopflanze aus Knoten, Internodium und Blattkreis bestehe und sie alle bilden sich aus einer morphologischen Einheit, die wir im weitesten Sinne des Wortes das Blatt nennen d\u00fcrfen. WTir haben jedoch im Vorhergehenden die Bildung des Embryo\u2019s so vollst\u00e4ndig nachgewiesen, dafs, j wie ich glaube, kein Grund aufzufinden ist, der uns zu dieser Annahme berechtigt; und auch die Entwickelung der Knospen lehrt, dafs Stengel und Blatt stets wesentlich verschiedene Theile sind, dafs also der Satz \u201edie ganze * Pflanze ist ein allgemeines Blatt\u201c keineswegs mit der Natur \u00fcbereinstimmt. Die Knospe der Pflanzen, sagt Herr Meyer*) besteht nur aus Blattkreisen und aus nichts anderem ; jeder Blattkreis stehe mit dem vorhergehenden an seiner . Basis in Verbindung und daher fehle es auch hier nicht an - einer gemeinsamen Achse, doch dieses sei kein eigenes Organ. Diese Annahme, welche so grofsen Beifall gefunden hat, dient ebenfalls zur Begr\u00fcndung der Hypothese, nach welcher der Stengel oder die Achse der Pflanze aus den Bl\u00e4ttern hervorgebildet wird. Andere Botaniker sind\n*) Linnaea. VII. pag. 411.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"363\nder Meinung, dafs jede Knospe eine besondere Achse habe, dafs aber weder die Bl\u00e4tter noch die Achse das Vorherrschende sei, sondern dafs sich beide Theile zugleich bilden, auf diese Weise entgehen sie dem gef\u00e4hrlichen Streite, der sich gegenw\u00e4rtig \u00fcber diesen Gegenstand erhebt. Meiner Ansicht nach darf hier nur die reine Beobachtung der Natur entscheiden, und diese zeigt, freilich nicht immer so deutlich, wie man es zu haben w\u00fcnscht, dafs sich die Bl\u00e4tter aus der Seite der sich verl\u00e4ngernden Achse hervorbilden. Ich habe im Vorhergehenden verschiedene F\u00e4lle .angef\u00fchrt, wo dieses mehr oder weniger deutlich zu sehen ist, und hier f\u00fchre ich nur noch die Knospen von Ceratophyl-lum auf, an welchen nichts deutlicher zu sehen ist, als das Hervorsprossen der Bl\u00e4tter aus den Seiten der Achse, oft I noch weit entfernt von der Spitze derselben.\n' Herr Bernhardi *) giebt von jenem Gegenst\u00e4nde eine ganz andere Deutung, der ich im Allgemeinen vollkommen beistimmen m\u00f6chte; er findet es unstatthaft im Halse regelm\u00e4fsig den ersten Knoten, den sogenannten Lebensknoten zu suchen, denn dieser d\u00fcrfe nur da angenommen werden, wo sich die erste Knospe bildet. Die Knoten seien \u00fcberhaupt die Verbindungsorgane zwischen je zwei Gliedern einer Pflanze und daher die Zahl derselben gleich der Zahl der Glieder weniger 1. Das junge Pfl\u00e4nzchen oder der Embryo, meint Herr Bernhardi und dieses ist reine Naturbeobachtung, bedarf defshalb auch keines Knoten\u2019s, aber es sei das Gesch\u00e4ft desselben einen solchen zu erzeugen um die Ansetzung eines zweiten idealen Individuum\u2019s m\u00f6glich zu machen, dessen ersten Ansatz das Federchen darstellt. Ueber die Entstehung des Knoten\u2019s durch die Verwachsungen der Spiralgef\u00e4fse u. s. w. fehlen noch genaue Untersuchungen.\nDie Ver\u00e4nderungen, welche die Eyhiillen nach erfolgter Befruchtung des Eychen\u2019s eingehen, sind \u00fcberaus mannigfaltig, deren Betrachtung jedoch nicht mehr zum Zwecke dieses Buches geh\u00f6rt.\n*) 1. c. pp.g. 569.","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nViertes Capitel.\nVon der B a s t a r d z e u g* u n g.\nDie Bastardzeugung, wie sie hei den Thieren vorkommt, finden wir auch bei den Pflanzen, und daher hat * man schon seit der fr\u00fchesten Zeit, als die Geschlechts-Verschiedenheit bei den Pflanzen angenommen wurde, gerade die Bastardzeugung unter den Pflanzen als eine der wichtigsten Beweisgr\u00fcnde f\u00fcr das Geschlecht der Pflanzen anerkannt, und in der That, nichts war treffender als dieses, denn die Entstehung der Bastarde bei den Thieren setzt immer die geschlechtliche Vermischung zweier verschiedenen Arten voraus.\tf\nBastardpflanzen nennt man solche Pflanzen, die aus Saamen entstanden sind, deren Mutterpflanze durch den Blumenstaub einer anderen Pflanzenart befruchtet ist.\nDie Bastardzeugung bei den Pflanzen ward schon von Camerer *) vermuthet, doch bald darauf ward sie von Bradley**), n\u00e4mlich 1726, vollst\u00e4ndig behauptet. Er gab an, dafs man zuerst nur zwei Variet\u00e4ten von Aurikeln, n\u00e4mlich die gelbe und die schwarze in England gehabt | habe, welche aber mit einander vereinigt Saamen gegeben h\u00e4tten, welche die \u00fcbrigen Variet\u00e4ten hervorbrachten. Bradley spricht sich hier\u00fcber ganz klar aus, er glaubte, dafs der Pollen durch die Luft von einer Pflanze zur an- i deren getragen w\u00fcrde, und dafs auf diese Weise die vielen Variet\u00e4ten entstanden w\u00e4ren, welche wir t\u00e4glich an Blumen und an Fr\u00fcchten wahrnehmen. Dann f\u00fchrt Bradley die Bastardbildung an, welche aus Saamen hervorgegangen * war, die der ber\u00fchmte G\u00e4rtner Fairchild zu Hoxton, durch Best\u00e4ubung zweier Nelken erhielt, der Carnation (Dianthus Caryophillus) mit dem Pollen des Sweet William (Dianthus barbatus); wodurch also schon zu jener Zeit die Bastard-\n*) De sexu plantarum. T\u00fcbingen 1694.\t8.\n**) New Improvements of planting and gardening etc. The seventh Edit. London 1739. pag. 17.","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"365\nbildung bei den Pflanzen erwiesen war. Linn\u00e9 * *) behauptete erst im Jahre 1744, und wahrscheinlich nur folgend den Erfahrungen der G\u00e4rtner, dafs die Bastardzeugung auch bei den Pflanzen vorkomme, denn die geflammten Tulpen entst\u00e4nden durch geschlechtliche Vermischung verschiedenfarbiger Spielarten. Auch die verschiedenfarbigen Kohlarten f\u00fchrt Linn\u00e9 an, welche gleichfalls Beweise daf\u00fcr geben, wenn sie unter einander vermengt st\u00e4nden. So soll der weifse Kohlkopf, wenn er neben dem rothen Kohlkopfe steht, nicht selten Saamen bringen, aus welchen wieder rothe hervorgehen. J. G. Gmelin hatte zwei Delphinium-Arten aus Sibirien mitgebracht, welche im botanischen Garten zu Petersburg gezogen wurden, und sp\u00e4ter zeigten sich 5 \u2014 6 Delphinium-Arten, welche er unterscheiden konnte; Linn\u00e9 vermuthet, dafs diese Mehrzahl durch Bastardzeugung hervorgegangen sei. Doch Linn\u00e9 widmete auch fernerhin seine Aufmerksamkeit immer mehr den Bastardpflanzen, denn er erkannte gewifs sehr wohl, dafs gerade hierin der unumst\u00f6fslichste Beweis f\u00fcr die, von ihm so allgemein behauptete Theorie von der Geschlechts-Verschiedenheit bei den Pflanzen zu finden sei. Im Jahre 1751 behauptete Linn\u00e9 **) die Bastardzeugung bei den Pflanzen mit aller Bestimmtheit, er f\u00fchrte eine sehr grofse Menge von Beispielen auf, welche seine Angabe erweisen sollten, doch hat es sich sp\u00e4ter gezeigt, dafs wohl nur einige wenige dieser Beispiele, als richtig angesehen werden k\u00f6nnen. Linn\u00e9 sah n\u00e4mlich die Entstehung der Verbena tetrandra aus der Vermischung der Verbena hastata und Verbena spuria u. s. w. Sp\u00e4ter beobachtete Linn\u00e9***) den sch\u00f6nen Bastard von Verbascum Thapsus und Verbascum Lichnitis und endlich erzeugte er selbst -j-) einen Bastard durch Befruchtung von Tragopogon\n\u00a5) De Peloria. \u2014 Araoenitat. acad. Edit. Sehr. I. pag. 70.\n\u00a5\u00a5) Plantae hybridae. \u2014 Amoenit. acad. III. pag. 25.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Amoenitat. acad. VI. pag. 293.\n*f) S. Disquisitio de sexu plantarum. \u2014 Arnoen. acad. Tom, X.\npag. 126.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nporrifolius mit Blumenstaub von Tragopogon pratensis, und glaubte den Satz aufstellen zu k\u00f6nnen, dafs bei den Bastardpflanzen die innere Pflanze oder die Fructification der Mutter \u00e4hnlich sei, dafs aber die \u00e4ufsere Pflanze die Form des Vaters annehme *), doch diese Ansicht ist durch sp\u00e4tere Beobachtungen widerlegt worden.\nIm Jahre 1761 trat endlich Koelreuter**) mit seinen, sp\u00e4ter so sehr ber\u00fchmt gewordenen Beobachtungen auf, dafs man endlich die Bastardzeugung unter den Pflanzen und mit ihr also auch die Geschlechts-Verschiedenheit bei denselben allgemein anerkannte; seine Versuche sind \u00e4u-fserst genau angestellt und prunklos beschrieben, dafs sie von allen wirklichen Botanikern, welche dieselbe wiederholt haben, nur best\u00e4tigt worden sind. Die Gesetze, weiche Koelreuter aus den Resultaten seiner Beobachtungen zog, sind bis auf den heutigen Tag allgemein anerkannt und nur Weniges ist noch von den neueren Beobachtern \u00fcber diesen Gegenstand hinzugef\u00fcgt. Die Herren Sageret ***) Friedrich G\u00e4rtner f), Knight ff) uud A. F. Wiegmann fff) haben die Koelreuter\u2019schen Beobachtungen \u00fcber die Ba~\n*) Araoen, acad. V\u00cf. pag. 293.\n\u00a5\u00a5) Vorl\u00e4ufige Nachrichten von einigen das Geschlecht der Pflanzen\nbetreffenden Versuchen und Beobachtungen. Leipzig 1761. 8vo. _\nEs folgten 3 Fortsetzungen dieser vorl\u00e4ufigen Nachrichten in den Jahren 1763, 1764 und 1766.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Considerations sur la production des Hybrides, des Variantes et des Vari\u00e9t\u00e9s en g\u00e9n\u00e9ral, et sur celles de la famille des Cucurbi-tac\u00e9es en particulier.\u2014 Ann. des scienc. d\u2019hist. nat. VIII. pag.294-314.\n\"h) Nachricht \u00fcber Versuche, die Befruchtung einiger Gew\u00e4ehse betreffend. \u2014 Naturwissensch. Abhandl. der W\u00fcrtembergerj Gesellsch. T\u00fcbingen 1816. I. pag. 35. Nachtr\u00e4ge sind in der botanischen Zeitung und in der Isis erschienen und endlich die gr\u00f6fsere Arbeit : Over de Voortteling van Bastaard - Planten in Natuurlc. Verhandeling. von de Hollandsche Maatsch. de Wetensch. Deel 24. 1838.\nff) Trans, of the Hortic. Soc. of London. Vol. Ill, IV. und V. Philos. Transact, of the Boyal Soc. of London 1799. fff) Ueber die Bastarderzeugung im Pflanzenreiche. Braunschweig 1828.","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"367\nstardzeugung wiederholt, dieselben best\u00e4tigt und manche interessante Thatsachen hinzugef\u00fcgt. G\u00e4rtner\u2019s Beobachtungen sind die zahlreichsten, er hat deren gegen 6000 aufzufiihren, welche er 12 Sommer hindurch fortgesetzt hat; aber gewifs mit Unrecht werden Wiegmann\u2019s Versuche, welche in der, von der Akademie der Wissenschaften zu Berlin gekr\u00f6nten Preisschrift mitgetheilt sind, durch Herrn Treviranus *) zu sehr zuriickgesetzt. Es ist gewifs gar nicht n\u00f6thig, dafs ein so feststehendes Factum, als die Bastardzeugung bei den Pflanzen, noch durch Tausende von neuen Versuchen best\u00e4tigt wird; auch einige wenige reichen dazu vollkommen aus, und ich habe viele dieser, von Herrn Wiegmann gezogenen Bastardpflanzen gesehen, welche das von ihm Mitgetheilte auch best\u00e4tigen. Ich selbst habe keine eigenen Versuche \u00fcber Erzeugung von Bastardpflanzen angestellt, indem ich glaubte, dafs hier\u00fcber wenigstens vorl\u00e4ufig, genug beobachtet sei.\nWenn man Bastardpflanzen erzeugen will, so hat man auf einige Punkte wesentlich zu achten. Man mufs an derjenigen Pflanze, welche k\u00fcnstlich befruchtet werden soll, zeitig genug die Antheren entfernen, damit keine Spur ihres eigenen Pollens auf die Narbe f\u00e4llt; da aber die Zeit, in welcher der Pollen ausgestreut wird, im Verh\u00e4ltnis zur Entwickelung der Bl\u00fcthe bei verschiedenen Pflanzen so sehr verschieden ist, so hat man zuerst durch l\u00e4ngere Beobachtung zu erforschen, um welche Zeit die Er\u00f6ffnung der Antheren erfolgt. Bei einigen Blumen geschieht die Best\u00e4ubung schon lange vor der Entfaltung der Blumenkrone. Die Befruchtung mufs jedoch erst dann erfolgen, wenn die Narbe der weiblichen Pflanze vollkommen entwickelt ist, was sich bei vielen Gew\u00e4chsen durch eine gl\u00e4nzende Absonderung auf deren Oberfl\u00e4hhe zeigt. Die Uebertragung des Blumenstaubes auf die Narbe geschieht am zweckm\u00e4fsigsten, wenn man die ge\u00f6ffneten Antheren der dazu bestimmten Pflanze unmittelbar auf die\n\u00bb Physiologie der Gew\u00e4chse. II. pag. 413.","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nNarbe der Mutterpflanze legt, oder den Blumenstaub vermittelst eines feinen Pinsels auf die Narbe streicht. Herr G\u00e4rtner bediente sich hiebei der Morgenzeit, ehe noch die Sonne auf die Blumen wirken konnte, als der g\u00fcnstigsten Zeit, ja n\u00f6thigenfalls wurde diese k\u00fcnstliche Befruchtung des Tages mehrmals wiederholt.\nDie Erfahrung hat gelehrt, dafs zu den gew\u00f6hnlichen k\u00fcnstlichen Befruchtungen nur sehr wenig Pollen erforderlich ist, was aus demjenigen, was wir \u00fcber den plastischen Prozefs bei der Befruchtung kennen gelernt haben, sehr erkl\u00e4rlich ist, denn jedes Eychen bedarf nur eines einzelnen Pollenkornes um durch dessen Schlauch befruchtet zu werden. Bei der Bastardbefruchtung ist dagegen eine sehr grofse Menge von Blumenstaub erforderlich, und auch wenn dieses ber\u00fccksichtigt wird, so gelingt dennoch die Befruchtung so h\u00e4ufig nicht. Der Einflufs des eigenen Pollen\u2019s, sagt Herr G\u00e4rtner, ist so \u00fcberwiegend selbst \u00fcber eine grofse Masse des fremden, wenn gleich von einer noch so nahe verwandten Art, dafs eine mikroskopische Menge des eigenen Pollens die Einwirkung des fremden v\u00f6llig vernichtet. Hiedurch findet es Herr G\u00e4rtner erkl\u00e4rlich, dafs die Bastardbefruchtungen in der freien Natur so h\u00f6chst selten Vorkommen; und ist einmal die Befruchtung mit dem eigenen Blumenstaube erfolgt, so kann, wenigstens nach den bisherigen Erfahrungen, keine zweite Befruchtung stattfinden, eine Erscheinung, welche, wie es scheint, sich auch im Thierreiche best\u00e4tigt.\nDie bisherigen Beobachtungen haben fast \u00fcbereinstimmend gelehrt, dafs diejenigen Pflanzen, welche mit einander Bastarde erzeugen sollen, auch mit einander verwandt sein m\u00fcssen. Je n\u00e4her diese Verwandtschaft zwischen den \u00e4lterlichen Pflanzen ist, um desto leichter erfolgt die Bastarderzeugung; am leichtesten bei verschiedenen Unterarten einer und derselben Art, dann bei verschiedenen Arten einer und derselben Gattung, und endlich, wTenn gleich viel schwerer, auch bei verschiedenen Arten verschiedener Gattungen, doch ist f\u00fcr diesen Fall weniger auf die kiinst-","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"369\nliehe Trennung der Gattungen zu sehen, als auf die Merkmale, wodurch nat\u00fcrliche Gruppen entstehen. Alle Versuche der Bastardbefruchtung, welche man zwischen Pflanzen verschiedener nat\u00fcrlicher Familien angestellt hat, sind bis jetzt nicht gelungen; dieses ist das Resultat, welches bei der Bastarderzeugung der Thiere ebenfalls erlangt ist. Ja selbst dergleichen Bastarde, welche zwischen Arten verschiedener Gattungen erzeugt sind, sind gerade noch nicht in grofser Anzahl vorhanden. Koelreuter beobachtete Bastarde zwischen verschiedenen Gattungen derMal-\nvaceen ; Herr Link *) **) beobachtete einen Bastard zwischen\n^ \u2022 \u2022 \u2022\nLychnis dioica alba fern, und Saponaria officinalis, dessen Saamen unfruchtbar waren. LIerr Wiegmann erzeugte Bastarde zwischen den Gattungen Vicia und Pisum, Ervum und Vicia, wie zwischen Lychnis und Cucubalus. Herr I Sageret zwischen Cochlearia Armoracia und Brassica ole-racea, aber Herr G\u00e4rtner hat die gr\u00f6fste Menge von Beobachtungen der Art gemacht, aus diesen ergeben sich Bastarde zwischen den Gattungen Ipomoea purpurea und Convolvulus Sepium, zwischen Nicotiana und Hyoscyamus, zwischen Nicotiana und Datura, zwischen Papaver Rhoeas und Chelidonium majus und Glaucium luteum; zwischen Lavatera trimestris und Hibiscus Trionum und umge-f kehrt u. s. w.\nObgleich die Bastardzeugung zwischen verschiedenen Arten und selbst unter verschiedenen verwandten Gattungen im Allgemeinen leicht gelingt, so sind doch von - G\u00e4rtner und anderen Beobachtern F\u00e4lle angegeben, in denen diese Zeugung nicht so leicht gelingt, ja mitunter gar nicht. So nimmt Nicotiana pumila, Datura laevis und Lychnis Flos Cuculi fremden Pollen sehr leicht auf, selbst von an-: deren Gattungen, doch Nicotiana Langsdorfii und panicu-lata, so wie Lychnis Viscaria und Datura Metel sollen sich nach Gartner\u2019s Angabe mit fremden Pollen gar nicht oder\n*) N. Comment, Acad. C. Petropolitan. 1782. P. II. pag. 251.\n**) Eiern, phil. bot. pag. 410.\nMeyen, PU. Phys. III.\n24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nnur schwer befruchten lassen. Die Bastardbefruchtungen gelingen zwar \u00fcberhaupt weniger vollst\u00e4ndig, als die gew\u00f6hnlichen, aber, wie es auch soeben angef\u00fchrt wurde, dieses gilt haupts\u00e4chlich f\u00fcr einige Arten ganz besonders; so sah G\u00e4rtner bei 9 Blumen der Nicotiana Langsdorfii, die mit N. quadrivalvis befruchtet wurde, nur in einem Falle Fr\u00fcchte ansetzen; in 7 F\u00e4llen wurde die Befruchtung mit N. macrophylla ausgef\u00fchrt und in keinem wurden Fr\u00fcchte hervorgerufen. Bei 19 Versuchen mit Nicotiana marylandica, wurde die N. Langsdorfii nur 5 mal wirklich befruchtet. Ebenso findet man bei Bastardbefruchtungen in jeder einzelnen Frucht immer mehr fehlgeschlagene Saamen, als dieses bei der nat\u00fcrlichen Befruchtung der Fall ist. So z\u00e4hlte G\u00e4rtner in einer Frucht von Papaver a somniferum 2130 Saamen, dagegen enthielt eine Bastardfrucht dieser Art mit Glaucium luteum dreimal befruchtet nur 6 Saamen. Dieses ist allerdings ein sehr auffallender Fall, aber die Bastardzeugung zwischen Papaver und Glaucium geh\u00f6rt auch \u00fcberhaupt zu den ausgezeichnetsten F\u00e4llen, die bekannt geworden sind. Eine mit Datura laevis gekreuzte Datura Metel enthielt nur 284 vollkommene Saamen, w\u00e4hrend die Fr\u00fcchte dieser Pflanze zwischen j 580 und 650 Saamen enthalten.\nMan hat aus diesen Erscheinungen auf eine gewisse Affinit\u00e4t geschlossen, welche zwischen gewissen Arten einer bestimmten Gattung vorhanden sei, man nannte sie die sexuelle Affinit\u00e4t und jede Art, welche der Bastardzeugung f\u00e4hig ist, habe ihre eigene Reihe der sexuellen Affinit\u00e4t. Diese Reihen der sexuellen Affinit\u00e4t werden jedoch aufgehoben, sobald man die Factoren umkehrt und die weibliche Unterlage als befruchtende Potenz benutzt. Aus den vorliegenden Thatsachen ergiebt sich allerdings eine solche Annahme, aber man miifste dergleichen Thatsachen wohl mehrmals pr\u00fcfen, denn es ist sehr bekannt, dafs Bastardbefruchtungen oftmals nicht einschlagen und sp\u00e4ter gelingen sie denn endlich doch.\nDie Herren Wiegmann und G\u00e4rtner haben gefunden,","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"371\ndafs die Blumenkronen nach geschehener Bastardbefruchtung nicht so schnell abfallen, als dieses bei gew\u00f6hnlicher Befruchtung geschieht, was auch schon von Koelreuter bemerkt wurde; aber nach erfolgter Bastardbefruchtung wird die Blumenkrone mifsfarbig, sie verliert \u00fcberhaupt ihr lebhaftes Ansehen und zeigt einen kranken Zustand, bis sie nach l\u00e4ngerer Zeit abgestofsen wird. So f\u00e4llt die Blumenkrone bei Lychnis Flos Cuculi nach nat\u00fcrlicher Befruchtung schon in 2 Tagen ab, bei der k\u00fcnstlichen bleibt sie aber 4 bis 5 Tage lang stehen. Ebenso verh\u00e4lt es sich mit der Narbe und der Nektarabsonderung nach erfolgter Bastardbefruchtung; die Narbe erh\u00e4lt sich l\u00e4nger frisch und die Nektarabsonderung dauert oft noch l\u00e4ngere Zeit hindurch fort. Ja die praktischen G\u00e4rtner erkennen es aus dem Verhalten der Blumen sehr bald, ob eine vorgenommene Bastardbefruchtung gelungen ist oder nicht.\nSobald die Bastardbefruchtung erfolgt ist, so entwickelt sich ein Embryo im Inneren des Eychen\u2019s wie im gew\u00f6hnlichen Zustande, und der reif gewordene Saamen erzeugt die Bastardpflanze, welche in ihrem Verhalten mehr oder weniger in der Mitte zwischen den beiden Ael-tern steht. Die Bastardpflanzen k\u00f6nnen sich selbst befruchten, wie es die gew\u00f6hnlichen Pflanzen thun, und auf diese Art k\u00f6nnen sie die einmal angenommene Natur wieder weiter fortpflanzen. Koelreuter erhielt von seinen Bastardpflanzen nur sehr selten reife Saamen und kam dadurch zu dem Schl\u00fcsse, dafs die Bastardpflanzen an und f\u00fcr sich unfruchtbar w\u00e4ren, so wie es gew\u00f6hnlich bei den Bastarden der Thiere zu sein pflegt. Indessen schon das Gelingen eines einzelnen Falles h\u00e4tte hinreichend sein k\u00f6nnen, das Gegentheil von jener Behauptung fest zu stellen, und man h\u00e4tte mehr nach den Ursachen forschen m\u00fcssen, welche so h\u00e4ufig das Fehlschlagen der Saamen bei Bastardpflanzen verursachen. Es ist haupts\u00e4chlich das Resultat der neuen Untersuchungen von Herrn Wiegmann, dafs die Saamen der Bastardpflanzen vollkommen ausgebildet werden, und sich wieder zu vollkommenen Pflanzen\n24 *","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nentwickeln, welche sich selbst befruchten k\u00f6nnen. Die vielen F\u00e4lle, wo man die Saamen der Bastardpflanzen unfruchtbar fand, m\u00f6chten vielleicht in verschiedenen \u00e4ufseren Ursachen ihren Grund gehabt haben, am gew\u00f6hnlichsten sind aber die Saamen um so fruchtbarer, je \u00e4hnlicher sich die Aeltern waren. Bastarde, welche aus Abarten einer und derselben Art gezogen werden, sind s\u00e4mmtlich fruchtbar. Dagegen ist es durch Herrn G\u00e4rtner\u2019s neuesten Untersuchungen festgestellt, dafs Bastarde in der zweiten und in den folgenden Generationen zu ihrer origin\u00e4ren Form von selbst zur\u00fcckkehren, indem sich dieselben h\u00e4ufig zur Gestalt der Mutter zur\u00fcckwenden, oder auch mit der achten oder noch weiteren Generation mit abnehmender Zeugungskraft endlich ganz ausgehen.\nDurch Koelreuter ward es schon erwiesen, und Herr Wiegmann hat es best\u00e4tigt, dafs die Bastardpflanzen durch abermalige k\u00fcnstliche Befruchtung sowohl nach v\u00e4terlicher als nach m\u00fctterlicher Seite allm\u00e4lich zur\u00fcckgef\u00fchrt werden k\u00f6nnen, indem man die Befruchtung allj\u00e4hrlich mit dem Pollen der Mutterpflanze oder der Vaterpflanze fortsetzt.\nWiegmann\u2019s Erfahrungen*) scheinen sehr beachtungs-werth zu sein, derselbe fand, dafs Bastarde, welche gerade die Mitte zwischen den \u00e4lterlichen Pflanzen halten, wirklich unfruchtbar zu sein schienen; so war auch die Digitalis purpurascens, jener Bastard, welchen die Herren Roeper und Aug. de Saint-Hilaire zwischen Digitalis purpurea und D. lutea vorfanden, vollkommen unfruchtbar, es zeigte sich in den Antheren nur sehr wenig Pollen.\nAus den vielen F\u00e4llen von Unfruchtbarkeit der Pflanzenbastarde glaubten Koelreuter, Knight u. A. m. annehmen zu d\u00fcrfen, dafs man aus fruchtbaren Bastarden vielleicht auf die mehr oder mindere Selbstst\u00e4ndigkeit der Species der dazu angewendeten Aeltern schliefsen k\u00f6nne, d. h. dafs dergleichen Pflanzen einer Gattung, welche\n*) 1. c. pag. 38.","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"373\nfruchtbare Bastarde hervorbringen, vielleicht gar nicht spe-cifisch verschieden sind ; diese Annahme ist aber sicherlich unrichtig, was schon aus einigen der Versuche von Koel-reuter selbst hervorging, und durch die neueren Beobachtungen vollst\u00e4ndig erwiesen ist.\nSo wie bei den Thieren die Bastarde eine Mittelbildung sind, so verh\u00e4lt es sich auch bei den Bastarden der Pflanzen, doch stehen sie nicht immer ganz in der Mitte, sondern bald ist in ihrer Bildung der v\u00e4terliche, bald der m\u00fctterliche Antheil gr\u00f6fser, und dieses \u00e4ndert sich wiederum, wenn die Aeltern in anderen Bastardbefruchtungen umgekehrt werden; also auch in diesen Erscheinungen verhalten sich die Bastarde der Thiere ganz ebenso wie die der Pflanzen. Wir haben schon im Vorhergehenden kennen gelernt, dafs Linn\u00e9 den Satz aufstellte, dafs bei den Bastarden die Bliithen und die Fr\u00fcchte der Mutter, die \u00e4ufsere Form dagegen, welche durch die Bl\u00e4tter u. s. w. bedingt wird, dem Vater \u00e4hnlich ist, doch dieses Resultat ist durch die Beobachtungen der folgenden Zeit g\u00e4nzlich beseitigt.\nDer \u00e4lterliche Einflufs auf die Bastarde der Pflanzen zeigt sich in sehr verschiedenen Theilen; bald \u00e4ndert die L\u00e4nge der Staubf\u00e4den in der Form der Mutterpflanze, bald \u00e4ndert sich der Blumenstand, bald werden die Formen und die Ueberz\u00fcge der Bl\u00e4tter ver\u00e4ndert, bald die Farbe und Form der Blumenbl\u00e4tter, ja die Ver\u00e4nderungen erstrecken sich zum Theil selbst auf Farbe, Gr\u00f6fse und Gestalt des Saamen\u2019s. Doch bei der genauesten Aufmerksamkeit, welche Herr G\u00e4rtner diesem Gegenst\u00e4nde schenkte, hat er bei keinem einzigen Versuche von Bastardbefruchtung weder die Gestalt, noch die Farbe, noch eine andere \u00e4ufsere Eigenschaft der Fr\u00fcchte und Saamen der Mutterpflanze ver\u00e4ndert gefunden. Jener Einflufs durch die Bastardbefruchtung erzeugt nur in dem Embryo der Mutterpflanze die F\u00e4higkeit eine neue Pflanze zu erzeugen, welche eine, aus beiden angewendeten Arten gemischte Form hervorbringt. Ja nach Herrn G\u00e4rtner\u2019s Beobachtungen","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\nbeh\u00e4lt die weibliche Unterlage sogar ihre gewohnte Reifungszeit der Fruchte.\nDie Bastardpflanzen zeichnen sich sehr h\u00e4ufig durch aufserordentliche Ueppigkeit in ihren Bliithen aus, wozu noch die Erfahrung kommt, dafs sie auch auffallend lange Bliithezeit zeigen, wodurch denn gerade solche Pflanzen f\u00fcr die Gartenkultur ganz besonders wichtig werden, was sich gegenw\u00e4rtig durch die Menge von Bastarden, die von Liliaceen, Amaryllideen und haupts\u00e4chlich von Cacteen gezogen sind, ganz besonders bemerkbar macht.\nIn der neueren Zeit hat man auch mit gr\u00f6fserem Fleifse nach den Bastardpflanzen gesucht, welche in freier Natur Vorkommen, um sie im Systeme als solche zu bezeichnen, wodurch denn nat\u00fcrlich gewisse Gattungen, welche besonders leicht bastardiren, auf eine geringere Artenzahl ein-schmelzen werden. So haben die Herren Schiede * *) und Lasch die nat\u00fcrlichen Bastarde zu sammeln gesucht ja auch Herr Koch ***) hat die Bastarde unter den Weiden nachgewiesen und in Herrn De Candolle s Pflanzenphysiologie finden wir alle diese Beispiele zusammengestellt und mit noch vielen anderen versehen. Die meisten dieser Angaben beruhen allerdings auf blofsen Vermuthungen, und bleiben es auch so lange, bis dieselben durch k\u00fcnstliche Bastardbefruchtung erwiesen sind. Bei einigen Gattungen, als bei Aconitum, Mentha, Aster u. s. w. ist die Zahl der Bastarde gewifs sehr grofs. Doch ich schliefse dieses Capitel mit den Worten des Herrn Wiegmann j-), dafs manche Species oder Subspecies z. B. Pisum arvense, Vicia leucosperma, Vicia Faba semine rubro, so wie die meisten Kohlsorten und Cerealien, deren Ursprung unbekannt ist, wahrscheinlich Bastardpflanzen sein werden, welche auf unseren Aeckern und in unseren G\u00e4rten durch die N\u00e4he\nDe plantis hybridis sponte natis. Cassellis Cattor. 1825.\nBeitr\u00e4ge zur Kennt, der Variet\u00e4ten und Bastardformen einheimischer Gew\u00e4chse. \u2014 Linnaea. IV. pag. 405\u2014434.\n***) De Salicihus europaeis. Erl. 1828. f) 1. c. pag. 26.","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"375\neiner verwandten Pflanze erzeugt wurden und constant geblieben sind. Diese Annahme scheint nicht zu gewagt, wenn wir sehen, dafs gewisse Blumen-Variet\u00e4ten ganz constant geworden sind, obgleich man ihren Ursprung durch Bastardirung ableiten kann.\nF\u00fcnftes Capitel.\nVon der Saamenbildimg bei den crjpfoga-mischen Gew\u00e4chsen.\nWir haben schon fr\u00fcher kennen gelernt, dafs die Saamen der grofsen Reihe von Gew\u00e4chsen, welche Linn\u00e9 mit dem Namen der Cryptogamen umfafste, sehr einfach gebauet sind, dafs man an denselben keinen Embryo und daher auch keine Cotyledonen wahrnehme, wefshalb dieselben bei der nat\u00fcrlichen Eintheilung der Gew\u00e4chse nach Jussieu zu der Abtheilung der Acotyledonen gebracht wurden. Bei vielen dieser Gew\u00e4chse ist es noch heutigen Tages sehr unbestimmt, ja oftmals sogar sehr unwahrscheinlich, dafs die Bildung der Saamen in Folge geschlechtlicher Vereinigung vor sich gehe, denn man findet z. B. bei den Flechten keine Spur von Organen, welche f\u00fcr die m\u00e4nnlichen Fructificationswerkzeuge anzusehen w\u00e4ren, ja selbst bei dem gr\u00f6fsten Theile der Farm, wie bei den Equiseten u. s. w. sind ebenfalls noch keine Antherenbildungen aufgefunden worden. Schon aus diesen Gr\u00fcnden, haupts\u00e4chlich aber wegen der einfachen Structur, welche wir sp\u00e4ter kennen lernen werden, hat man die Saamen dieser Gew\u00e4chse mit besonderen Namen belegt, welche kaum zu billigen w\u00e4ren, wenn sie nicht schon durch vielj\u00e4hrigen Gebrauch ganz allgemein eingeb\u00fcrgert w\u00e4ren. Man nennt die Saamen der cryptogamischenGew\u00e4chse Sporen (Sporae Hedw. auch Sporidien und Gongyli) doch ist erstere Be-\n","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\nnennung die gebr\u00e4uchlichste, und hienach wird der Saa-menbeh\u00e4lter Sporangium oder Sporengeh\u00e4use genannt. Stehen mehrere Sporangien neben einander, so bilden sie nach Link eine Sporenfrucht (Sporocarpium), Benennungen, welche gegenw\u00e4rtig ganz allgemein im Gebrauche sind und sich denn auch durch verschiedene Gr\u00fcnde rechtfertigen lassen.\nBei der Betrachtung der Grunds\u00e4tze, worauf Jussieu\u2019s nat\u00fcrliches Pflanzensystem gegr\u00fcndet ist, haben wir schon kennen gelernt, dafs die Farrnkr\u00e4uter es sind, welche in dieses System nicht hineinpassen, denn sie sind, ihrer Structur nach, den Monocotyledonen anzureihen, w\u00e4hrend ihre Saamen so \u00fcberaus einfach und unvollkommen gebauet sind, dafs sie darnach zu den Acotyledonen zu z\u00e4hlen w\u00e4ren. Ja obgleich die Farm mit allem Rechte an die Spitze der cryptogamischen Gew\u00e4chse gestellt werden, so stehen sie doch in Hinsicht ihrer Fruchtbildung nicht nur den Laub- und Lebermoosen nach, sondern selbst den Charen, und auch dieses m\u00f6ge zum Beweise dienen, dafs die Natur nach keinem der von uns erfundenen Systeme gebildet hat.\nVon der Saamenbildung bei den Farrnkr\u00e4utern.\nDie Saamen oder Sporen der Farrnkr\u00e4uter treten im Inneren von linsenf\u00f6rmigen, ellipsoidischen oder kugelf\u00f6rmigen Kapseln auf, welche von sehr einfacher Structur sind und bald sitzend, bald mehr oder weniger gestielt auf der unteren L l\u00e2che der Bl\u00e4tter Vorkommen ; sie bestehen aus einer Haut, welche durch eine einfache Zellenschicht gebildet wird, die anfangs aus gleichgeformten Zellen zusammengesetzt ist. Bei den meisten Farm zeigt dieser Sporenbeh\u00e4lter im ausgebildeten Zustande eine sehr eigen-thiimliche Bildung, und diese ist der sogenannte Ring, welcher von den Botanikern: Annulus auch Gyroma genannt wird. Der Umfang dieses Ringes, so wie auch sein Aussehen \u00fcberhaupt, ist bei den verschiedenen Gruppen","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"377\nvon Farm sehr verschieden; so nimmt er zuweilen den ganzen Umfang des Sporangium\u2019s ein, und zuweilen nur einen kleinenTheil desselben; zuweilen ist derselbe in seiner ganzen L\u00e4nge gleichf\u00f6rmig gestaltet, zuweilen nimmt er jedoch nach dem einen Ende auffallend an Breite zu. So h\u00f6chst eigenth\u00fcmlich auch dieser Ring des Sporangium\u2019s der Farm gestaltet zu sein scheint, und dasselbe in den meisten F\u00e4llen mit einem hervorragenden Kamme umschliefst, welcher sich auch noch durch eine auffallend dunkeiere F\u00e4rbung auszuzeichnen pflegt, so ist es dennoch sehr leicht . zu erkennen, dafs derselbe aus einer Reihe von Zellen besteht, die aus der, fr\u00fcher gleichm\u00e4fsigen Wand des Sporangium\u2019s durch auffallendere Vergr\u00f6fserung hervorgetreten sind und bis um die Zeit, wenn die Reifung der Farrn-! Rucht eintritt, ganz wie die \u00fcbrigen Zellen mit Saft gef\u00fcllt sind. Die Membran der Zellen des Annulus zeichnet sich durch aufserordentliche Dicke aus, daher denn auch die Scheidew\u00e4nde, welche dieselbe zeigt, so auffallend breit erscheinen, zuweilen gleich breiten Ringfasern, welche in einer R\u00f6hre, wof\u00fcr man dann den Annulus halten k\u00f6nnte, aufgestellt sind; die genauere Untersuchung zeigt jedoch ganz bestimmt, dafs der Annulus nur aus einer Reihe von Zellen besteht und keine Spiralfaserbildung aufzuweisen hat. Herr Presl hat die Verschiedenheiten, welche der Annulus bei verschiedenen Gattungen der Farm zeigt, speciell aufgef\u00fchrt. Der Zweck des Annulus an den Sporangien der Farm ist nicht leicht anzugeben, doch kann man vermuthen, dafs derselbe das Aufspringen der Kapsel erleichtert, indem bei neben einanderliegenden Zellen von verschiedener Gr\u00f6fse, Lage und gr\u00f6fserer Dichtigkeit der Zellen-Membran, auch die Elasticit\u00e4t der neben - einanderliegenden Zellen verschieden sein mufs, sobald die Wand des Sporangium\u2019s in Folge der Reife saftlos wird. So reifst das Sporangium in einer Querspalte auf, welche sich \u00fcber die zarte Wand hinzieht, wenn der Annulus die Kapsel gr\u00f6fstentheils umzieht.\n*) Icutam. pteridographiae etc. pag. 21.","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\nDie Sporangien der Farm treten meistens in mehr oder weniger fgrofsen Massen neben einanderstehend auf und die H\u00e4ufchen, welche bei verschiedenen Gattungen \u00fcberaus verschieden geformt sind, f\u00fchren den Namen: Sori. Zuweilen, wie z. B. bei der Gattung Marattia sind die Sporangien eines und desselben Sorus mit einander verwachsen.\nBei einem sehr grofsen Theil der Farm, als bei den Aspidiaceen, Aspleniaceen, Davalliaceen u. s. w. sitzen die Fr\u00fcchte (Sori) in den Achseln eigenthiimlicher blattartiger Vorspr\u00fcnge, welche die Sporangien im jugendlichen Zustande v\u00f6llig bedecken; man nennt diese H\u00fclle das Indu-sium, welches bekanntlich bei der systematischen Anordnung der Farm eine grofse Rolle spielt, und man h\u00e4lt es f\u00fcr ein Organ, welches den Bracteen der h\u00f6heren Pflanzen zu vergleichen ist. Bei der tropischen Farmgattung Ly-godium sitzen die Sporangien auf den R\u00e4ndern des Blattes, und kleine schuppige Ausw\u00fcchse sitzen unmittelbar darunter. Herr Treviranus hat zuerst nachgewiesen, dafs das Indusium ein ganz eigenthiimlicher Theil ist, welcher mit der Bildung der Sporangien aus der oberen Blattsubstanz hervorw\u00e4chst und den Fruchtboden umh\u00fcllt; es ist also nicht die abgel\u00f6ste Epidermis, unter welcher, wie man fr\u00fcher glaubte, die Bildung der Sporangien vor sich gehe. In solchen F\u00e4llen, wie bei Adianthum und Cera-topteris sieht man, dafs das Indusium durch eine zarte Ausbreitung der Randsubstanz des Blattes gebildet wird, wo also auch die Oberhaut bei dieser Bildung mit Theil nimmt.\nDie Beobachtung der Entwickelung der Sporangien bei den Farm zeigt nur zu deutlich, dafs die morphologische Deutung, welche die Herrn C. H. Schultz, Lindley und Bischoff von denselben gegeben haben, nicht richtig ist; die Farrnkapsel ist sicherlich kein metamorphosirtes Blatt, wie es die genannten Autoren glauben, und der\n*) Vermischte Schriften IV. pag. 86.","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"379\nRing auf' derselben ist noch viel weniger mit der Mittelrippe des Blattes zn vergleichen. Wir sehen vielmehr, dafs die Sporangien der Farm in Form kleiner zelliger W\u00e4rzchen hervorwachsen, die dann kugelf\u00f6rmig anschwellen, und in ihrem Inneren die Sporen bilden. Die gestielten Sporangien erscheinen dagegen als einfache l\u00e4ngliche Zellchen, welche sich verl\u00e4ngern, durch Entstehung von Querw\u00e4nden abschn\u00fcren, so dafs man schon sehr fr\u00fch den Stiel von dem k\u00fcnftigen Sporangium unterscheiden kann. In diesen F\u00e4llen sieht man ganz deutlich, dafs die ganze k\u00fcnftige Sporenfrucht aus einer einzelnen Zelle hervorgebildet wird, und indem sich die Zellen der W\u00e4nde bilden, treten die inneren Zellen zur Bildung der Sporen auf. An ganz jungen Sporangien scheinen grofse und regelm\u00e4-fsig geformte Zellen aus dem Inneren hindurch, welche jedesmal in ihrem Inneren eine Kugel von einer weichen gummiartigen Substanz besitzen; und die fernere Beobachtung lehrt, dafs diese Kugel gleich einer Mutterzelle in den jungen Antheren erscheint, und sp\u00e4ter in vier kleinere Kugeln zerf\u00e4llt, welche die k\u00fcnftigen Sporen bilden. Mit der Ausbildung der Sporen verschwinden die Zellenw\u00e4nde, welche im Anf\u00e4nge die Mutterzellen einschlossen. Erst Herr Mold hat \u00fcber die Bildung der Sporen in dem Sporangium der Farm Beobachtungen angestellt, und lehrte, dafs die Sporangien dieser Gew\u00e4chse in ihrer Jugend mit runden Mutterzellen erf\u00fcllt w\u00e4ren, von welchen eine jede vier Sporen enth\u00e4lt; sp\u00e4ter werden die Mutterzellen re-sorbirt, und die Sporen liegen dann ohne Zusammenhang frei in dem Sporangium. Meine eigenen Untersuchungen lehren zwar ebenfalls, dafs die Farrnsporen stets zu vier St\u00fcck in einem abgerundeten H\u00e4ufchen auftreten, und dafs diese vier jedesmal aus einer einzelnen, mehr oder weniger kugelrunden oder ellipsoidischen Zelle hervorgeben, ja ich sehe auch, dafs in solchen kleinen Kapseln, wie bei Ceratopteris, jener niedlichen Farrngattung aus China, diese\n*) Flora oder botanische Zeitung von 1833. I. pag. 38.","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\nkugelf\u00f6rmigen Mutterzellen im Inneren von gr\u00f6fseren Zel- . len auftreten, welche im Anf\u00e4nge auch das Innere des Sporangium\u2019s ausf\u00fcllten. Da aber diese Mutterzellen, aus welchen die wirklichen Sporen entstehen, bei den Farm verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig sehr grofs sind, so ist es mir bis jetzt noch nicht gegl\u00fcckt die Art und Weise zu beobachten, in 4 welcher sich die eigentlichen Sporen aus jenen Zellen hervorbilden, obgleich es sehr wahrscheinlich ist, dafs diese Bildung ganz ebenso erfolgt, wie ich sie in der Folge bei der Bildung der Lebermoos-Sporen angeben werde. Es ^ scheint mir defshalb entsprechender, dafs man diejenige Zelle, aus welcher sich unmittelbar die 4 Sporen hervorbilden, nicht Mutterzelle, sondern vielleicht Mutterspore nennt, denn diese wird in einer Mutterzelle gebildet, welche Ie im Anf\u00e4nge viel umfangreicher ist, als die junge Mutterspore. Das gruppirte Auftreten der Sporen der Farm kann man sehr leicht beobachten, wenn man die Sporan-gien einige Zeit vor ihrer vollkommenen Reife langsam zerdr\u00fcckt; man wird alsdann wahrnehmen, dafs sich jedes H\u00e4ufchen in 4 einzelne Sporen trennt, welche bei jeder Art und Gattung die bestimmteste Stellung zu einander zeigen, und dafs diese Stellung wiederum mit einer be- f stimmten Form der Sporen zusammenh\u00e4ngt. Im Allgemeinen lassen sich an den Sporen der Farm bei ihrer Vereinigung zu Gruppen wohl nur 2 verschiedene Formen unterscheiden, entweder zeigen sie, wie die Moossporen, r die Form von dreiseitigen Pyramiden mit convexer Grundfl\u00e4che, und diese 4 Pyramiden in jeder Gruppe liegen mit ihren Spitzen nach der Mitte der Mutterspore zu gerichtet, so dafs alsdann die Kugelfl\u00e4che der Mutterspore durch die 4 Segmente geoildet wird, welche die convexen Grundfl\u00e4chen der 4 pyramidenf\u00f6rmigen Sporen darbieten. Herr Mohl bezeichnete diese Verbindung sehr passend mit dem Namen der tetra\u00ebdrischen Vereinigung. In anderen F\u00e4llen sind die Sporen mehr von ellipsoidischer Form und liegen mit ihren L\u00e4ngenachsen parallel nebeneinander, wobei dann diejenige Fl\u00e4che der Sporen, womit dieselben miteinander","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"381\nzusammenstofsen, in eine scharfe Kante ansl\u00e4uft, w\u00e4hrend die entgegengesetzte sich etwas w\u00f6lbt, so dafs die ganze Spore etwas halbmondf\u00f6rmig gekr\u00fcmmt erscheint. Im jungen Zustande sieht man bei diesen l\u00e4nglichen Sporen, dafs die L\u00e4ngenkante ganz deutlich durch das Zusammenstofsen von zwei geraden Fl\u00e4chen gebildet wird, und durch diese Fl\u00e4chen werden die Sporen gegenseitig vereinigt. Herr Mold meint zwar, dafs es leicht einzusehen sei, wie die Form dieser Sporen noth wendiger Weise durch ihren gegenseitigen Druck entstehen mufs, indessen ich glaube ge-. genw\u00e4rtig sehr bestimmt beweisen zu k\u00f6nnen, dafs diese, scheinbar so einleuchtende Erkl\u00e4rung, sowohl bei der Bildung der Farrnsporen, wie der Zellen \u00fcberhaupt nicht richtig ist; ich habe n\u00e4mlich bei der Sporenbildung * der Moose beobachten k\u00f6nnen, dafs die Form derselben\n-\tgleich anfangs durch die Richtung der Scheidew\u00e4nde gegeben wird, welche von der Oberfl\u00e4che der Mutterspore nach deren Mittelpunkt hineinwachsen, und die sp\u00e4teren W\u00e4nde der einzelnen Sporen bilden. Zu keiner Zeit der Bildung kann hier ein gegenseitiger Druck von Einflufs auf die Form der Sporen sein, denn mit dem Entstehen derselben ist auch zugleich die Form gegeben. Sobald die Reifung der Kapsel eintritt, trennen sich die einzelnen Sporen von einander, sie schwellen gew\u00f6hnlich noch sehr bedeutend an, und dann verliert sich ihre urspr\u00fcngliche Form so vollst\u00e4ndig, dafs man in diesem Zeitpunkte nur noch selten dieselbe wiedererkennen kann.\nVon der Fruchtbildung bei den Laub- und Lebermoosen.\nDie weiblichen Fructificationsorgane der Moose sind\n-\tschon von Hedwig meisterhaft beschrieben und abgebildet, und Herr Nees von Esenbeck*) hat dieselben bei den Lebermoosen mit der gr\u00f6fsten Genauigkeit geschildert. Es sind diese Organe, welche man mit dem Namen der Pistille\n*) Naturgeschichte der Lebermoose etc. I. pag. 61 etc.","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382\nbelegen kann, bei den Laub- und Lebermoosen bei ihrem _ Auftreten von gleicher Structur, und wir werden sogleich kennen lernen, dafs sie, wenn gleich viel einfacher gebauet, dennoch vollkommen vergleichbar den Pistillen der h\u00f6heren Pflanzen sind. Hierbei mache ich aber auch darauf aufmerksam, dafs diese Pistille der Moose in ihrem ersten \u00bb Auftreten den jungen Anlagen der Staubf\u00e4den vollkommen gleich sind, so dafs man dieselben bis zu einem gewissen Zeitpunkte nicht unterscheiden kann; ja es scheint sehr wahrscheinlich, dafs die Bildung der einen oder der ande- + ren dieser Organe durch sp\u00e4ter hinzutretende Verh\u00e4ltnisse bedingt wird. Ich habe die ersten Anf\u00e4nge der Fructifi-cationsorgane bei den Moosen und den Lebermoosen als kleine, aus 2 und 3 Zellen bestehende H\u00e4rchen beobach- \u00e0 tet, welche sich anfangs verl\u00e4ngerten, und zugleich durch Bildung neuer Zellen an Dicke Zunahmen. Bald darauf erkannte man diese Gebilde als l\u00e4ngliche oder cylinderische S\u00e4ckchen, indem jene H\u00e4rchen an Umfang zugenommen, und sich in ihrem Inneren der L\u00e4nge nach eine H\u00f6hle gebildet hatte. In diesem Zustande bleibt die Form der Anthere, wenn sich dieselbe auch noch allm\u00e4hlich vergr\u00f6-fsert; diejenigen R\u00f6hrchen dagegen, welche sich zu Pistillen } umwandeln, gehen noch folgende Ver\u00e4nderung ein: Der vollkommen cylinderische Schlauch, welcher sich zum Pistill umwandelt, schwillt an der Basis etwas an, und zeigt sehr bald eine tr\u00fcbe Masse im Inneren dieser Anschwel- # lung, die zuletzt zur gr\u00fcnen Kugel wird. Die Spitze des * Schlauches \u00f6ffnet sich dagegen, und zwar schon einige Zeit vor der eintretenden Reife der Antheren. Diese Oeff-nung an der Spitze des PistilFs nimmt eine mehr oder weniger deutliche Trichterform an, und l\u00e4fst sich mit der Narbe des PistilFs der h\u00f6heren Pflanzen vergleichen; im Allgemeinen ist dieser Trichter an den Pistillen der Laubmoose gr\u00f6fser, als bei den Lebermoosen, bei einigen Jun-germannien dagegen wird er mitunter sehr grofs. Derjenige Theil des urspr\u00fcnglich cylinderischen Schlauches, welcher die Fortsetzung zwischen der kugelf\u00f6rmigen An*","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"383\nSchwellung der Basis, und der so eben erw\u00e4hnten Narbe bildet, ist f\u00fcr die ganze Lebensdauer eine wirkliche R\u00f6hre und kann mit dem Griffel des Pistills der h\u00f6heren Pflanzen verglichen werden; der untere, mehr oder weniger angeschwollene Theil, ist dagegen mit dem Germen oder dem Ovario der weiblichen Geschlechtstheile der h\u00f6heren Pflanzen zu vergleichen, indem in demselben die Bildung der Saamen, so wie auch gr\u00f6fstentheils deren Befruchtung vor sich geht. Schon Herr Nees von Esenbeck hat es ausgesprochen, dafs sich die Frucht der Lebermoose, und ganz ebenso verh\u00e4lt es sich auch bei den Laubmoosen, in der Achse und aus dem Grunde dieses angeschwollenen Theiles des PistilFs hervorbildet, und dafs das M\u00fctzchen oder die Calyptra nichts anderes, als die zellige H\u00fclle des PistilFs ist.\nSowohl bei den Moosen, als bei den Lebermoosen treten die Pistille fast immer in sehr grofser Anzahl nebeneinander auf; 5, 10 und selbst 20 derselben sind nicht selten zu beobachten, m\u00f6gen die Pflanzen mon\u00f6cisch oder di\u00f6cisch sein. Bei den Laubmoosen treten sie gr\u00f6fstentheils in Gesellschaft der Antheren auf, und da sie um die Zeit, wenn die Antheren ihre Ausbildung erlangt haben und sich \u00f6ffnen, mit ihren, mehr oder weniger grofsen trichterf\u00f6rmigen Narben dicht daneben stehen, und jedenfalls von der befruchtenden Substanz der Antheren mehr oder weniger aufnehmen, und durch ihren Griffelkanal in die Tiefe des OvariunFs f\u00fchren k\u00f6nnen, so scheint es keinem Zweifel unterworfen zu sein, dafs um diese Zeit und auf diese Weise die Befruchtung der Laub- und Lebermoose erfolgt. Schwieriger ist allerdings die Befruchtung bei den di\u00f6cischen Arten dieser Pflanzen zu erkl\u00e4ren, doch selbst bei den Marchantien, wo die Pistille mit ihren Narben nach Unten gestellt sind, mufs dieselbe auf diese Weise erfolgen. Wir finden bei diesen Pflanzen das Auftreten der weiblichen Fr\u00fcchte erst um die Zeit der vollkommenen Ausbildung der m\u00e4nnlichen Geschlechtsorgane, welche die Pollenmasse auf ihrer Oberfl\u00e4che ausstreuen, und daher den","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\nNarben der jungen Pistille, welcche nach Unten gerichtet sind, ganz nahe kommen, so dafs jeder starke Thau und jeder Regen die befruchtende Substanz nothwendig zu den Pistillen f\u00fchren mufs. W irkliche Befruchtungsversuche, wie sie bei den Phanerogamen angestellt sind, lassen sich nat\u00fcrlich bei den Moosen wegen der aufserordentiichen Kleinheit der Befruchtungswerkzeuge nicht anstellen, so dafs man also hier die Ausbildung der Saamen in Folge der Befruchtung gerade nicht auf dem Wege des Experimentes erweisen kann, es sind aber doch schon ziemlich sichere Angaben vorhanden, dafs die di\u00f6cischen Moose keine Saamen tragen, wenn nicht beide Geschlechter neben einander stehen, und auch bei den Marchantien hat man etwas Aehnliches beobachtet.\nSehr bemerkenswert!! ist es jedoch, dafs sowohl bei den Laub- als bei den Lebermoosen, besonders allgemein bei den Ersteren, aus der grofsen Menge von Pistillen nur \u00e4ulserst selten mehr, als ein einzelnes (bei einigen Arten allerdings auch mehrere), und dieses steht meistens gerade in der Mitte der Uebrigen, zu Entwickelung der Saamen kommt; alle \u00fcbrigen Pistille schlagen fehl, obgleich sie \u00f6fters noch etwas gr\u00f6fser werden, aber auch zugleich eine br\u00e4unliche Farbe annehmen, welche zuerst von der H\u00f6hle des Ovarium\u2019s und des Griffels ausgeht. Bei einigen Gattungen der Lebermoose, wie z. B. bei den Marchantien u. A. m., da kommen allerdings eine Menge von Pistillen zu gleicher Zeit zur Entwickelung der Saamen.\nDenjenigen Zeitpunkt, in welchem die m\u00e4nnlichen und weiblichen Geschlechtsorgane der Moose ausgebildet sind und die Befruchtung beginnt, denjenigen m\u00fcssen wir als die Bl\u00fcthenzeit dieser Gew\u00e4chse ansehen, welche man denselben abzusprechen versucht hat. So wie bei den Phanerogamen um die Zeit der Bliithe Antheren und Pistille vollst\u00e4ndig ausgebildet sind, so auch bei den Moosen; wir wissen, dafs man um diese Zeit das Ovarium, als den Fruchtanfang bezeichnen kann, dafs man dasselbe jedoch bei den Moosen wiederum mit besonderen Namen belegen","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"385\nwill, wie z. B. Herr Bischoff daf\u00fcr Primordium fructus v. Arehegonium (1. c. pag. 921.) vorgeschlagen hat, das ist wohl nicht zu billigen. Ebenso wenig kann ich diesem genauen Bearbeiter der Lebermoose darin beistimmen, wenn er sagt, dafs die Fortpflanzungsorgane der Lebermoose eine aus der Metamorphose der Bl\u00e4tter hervorgegangene Bildung seien; es wird freilich hinzugesetzt, dafs dieses in unseren Tagen Niemand mehr in Zweifel ziehen wird, der G\u00f6the's Metamorphosen-Lehre beherzigt hat, und dieselbe \u00fcberall bei den h\u00f6her organisirten Pflanzen durch eigene Beobachtung best\u00e4tigt fand. Dieses ist aber keineswegs der Fall; ich habe G\u00f6thes und haupts\u00e4chlich Wolffs Me-tamorphosen-Lehre viel studirt, und in der Natur gepr\u00fcft, habe mich aber keineswegs von den darin aufgestellten Ansichten so allgemein \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, und diese auch bei der Bildung der Fructificationsorgane der Moose als entschieden g\u00fcltig aufstellen zu wollen, das scheint mir durch die wirkliche Beobachtung \u00fcber die Bildung derselben g\u00e4nzlich unstatthaft. Es ist unglaublich, mit welcher Anstrengung man oftmals versucht hat, die verschiedenen Bildungen der Fructificationsorgane der h\u00f6heren und der niederen Pflanzen in jene G\u00f6the schen Ideen hineinzuzw\u00e4ngen, ohne die Begr\u00fcndung dieser Ideen selbst einer ebenso genauen Untersuchung zu unterwerfen.\nNach erfolgter Reife der Antheren geschieht bei den Moosen, wie bei den Phanerogamen die weitere Ausbildung des Ovarium s oder des Fruchtanfanges; man bemerkt um diese Zeit an den Pistillen der Moose, dafs die Narbe vertrocknet, dafs der Griffel br\u00e4unlich gef\u00e4rbt wird, und dafs das Germen immer mehr und mehr anschwillt um f\u00fcr die Bildung des Sporenbeh\u00e4lters, welcher aus dem Grunde, der Spitze der Achse hervorw\u00e4chst, Platz zu machen. Von nun an zeigt sich die Saamenbildung im Inneren des Ger-men\u2019s wesentlich verschieden von derjenigen in den pha-nerogamischen Gew\u00e4chsen; hier treten die Eychen frei in der H\u00f6hle des Ovariurffs auf, bei den Moosen dagegen werden sie im Inneren von besonderen S\u00e4cken, wie bei Me y en. Pfl. Physiol. III.\t25","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\nden Riccien, oder in mannigfaltig gestalteten und sehr zusammengesetzt gebaueten Saamenbeh\u00e4ltern ausgebildet, aber niemals treten sie unmittelbar in der H\u00f6hle des Germen\u2019s auf, wie es Herr Bischoff f\u00fcr die Gattung Riccia angegeben hat, was auch schon durch Herrn Lindenberg widerlegt ist, Auf diese Weise tritt nun das Germen als H\u00fclle des k\u00fcnftigen Saamenbeh\u00e4lters auf, welcher bei den Moosen unter dem Namen der Kapsel allgemein bekannt ist; und mit der weiteren Ausbildung des Kapselanfanges erweitert sich jene kugelf\u00f6rmige Anschwellung an der Basis des PL still\u2019s immer mehr und mehr nach Oben, wobei ein Tlieil des fr\u00fcheren GriffeFs darin \u00fcbergeht, bis endlich die ganze H\u00fclle an ihrer Basis abreifst, und nun als M\u00fctze oder Calyptra auf der Spitze der Saamenkapsel sitzen bleibt und bei der Verl\u00e4ngerung des Fruchtstieles mit emporgehoben wird. Im Allgemeinen verh\u00e4lt es sich bei den Lebermoosen ganz eben so, und man ist durchaus nicht berechtigt diese Theile wiederum mit besonderen Namen zu belegen, wie es Herr Bischoff gethan hat, der die Calyptra unter dem Namen der Knopfdecke (Epigonium), und die Sporenbeh\u00e4lter als Endogonium bezeichnet, wenn auch die Calyptra bei einigen Gattungen der Riccieen u. s. w. in sp\u00e4teren Zeiten einen besonders ausgezeichneten Bau erh\u00e4lt. Die speciellere Beschreibung der Calyptra der Laubmoose findet man in Herrn Nees von Esenbeck\u2019s reichhaltiger Schrift \u00fcber die Lebermoose.\nMan glaube nicht, dafs in der Fruchtbildung der Pha-nerogamen und in derjenigen der Laub- und Lebermoose ein so grofser und wesentlicher Unterschied stattfindet, dafs dieselben mit einander gar nicht zu vergleichen w\u00e4ren; nur in der Bildung der Saamen finde ich den wesentlichen Unterschied. Man vergleiche die jungen Fr\u00fcchte der Moose mit den einfachsten F\u00e4llen, welche die Fruchtbildung der Phanerogamen aufzuweisen hat, wie z. B. mit den jungen Fr\u00fcchten der gemeinen Nessel u. s. w. Es w\u00fcrde jedoch in diesem Lehrbuche zu weit vom Ziele abf\u00fchren, wollte ich specieller in diese Untersuchungen eingehen, so wie es","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"387\nauch nicht der Zweck dieser Arbeit sein kann, alle die Formverschiedenheiten aufzuf\u00fchren, welche die Fruchtbildung der Laub- und Lebermoose aufzuweisen hat, und die accessorischen Gebilde n\u00e4her anzugeben, welche bei verschiedenen Gattungen neben der Fruchtbildung auftreten; es reicht vielmehr hin die M\u00f6glichkeit der Befruchtung nachgewiesen und die Art der Fruchtbildung im Allgemeinen geschildert zu haben. Von gr\u00f6fserer Wichtigkeit erscheint mir dagegen die Betrachtung \u00fcber die Bildung der Sporen und der dieselben begleitenden Organe zu sein.\nUeber die Structur der Mooskapsel * und die Bildung der Sporen in derselben fehlt zwar noch immer eine spe-cielle Arbeit, doch im Allgemeinen k\u00f6nnen wir den Gegenstand als ziemlich erkannt ansehen. Die zellige Masse, welche in der H\u00f6hle des Germen\u2019s, in Folge derBefruch-tung, zur weiteren Ausbildung kommt, erscheint sp\u00e4ter als unmittelbare Fortsetzung des Fruchtstielchen\u2019s, die aber alsbald mehr oder weniger bauchigt anschwillt, und in ihrem Inneren die Sporen bildet. Im Allgemeinen zeigt die junge Mooskapsel ein S\u00e4ulchen, welches der L\u00e4nge nach mitten durch verl\u00e4uft, und rund herum von der H\u00f6hle umgeben wird, worin die Sporen gebildet werden. Die W\u00e4nde der Mooskapsel werden durch doppelte Zellen-schichten dargestellt, wovon die \u00e4ufsere aus besonders gro-fsen und dickh\u00e4utigen Zellen gebildet wird, die innere dagegen wiederum aus mehreren Schichten eines zarteren, aber sehr regelm\u00e4fsigen kubischen Parenchym zusammengesetzt wird, welches mit demjenigen des S\u00e4ulchens vollkommen \u00fcbereinstimmt. Zwischen dieser inneren H\u00fclle und dem S\u00e4ulchen (Columnula) geschieht die Bildung der Sporen, welche weder aus den Zellen der Letzteren, noch aus der Substanz der Ersteren hervorgehen, sondern, ganz \u00e4hnlich, wie die Pollensubstanz in den Antheren, als eine ganz neue Bildung auftreten. Herr Robert Brown *), von\nS. dessen vermischte Schriften. Herausg, v, Nees von Esen-beck II. pag. 690.\n25*","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\ndem wir eine kleine Abhandlung \u00fcber die Befruchtungs-theile der Moose besitzen, scheint der Meinung gewesen zu sein, dafs die Moossporen in den Zellen des S\u00e4ul-chens gebildet werden, und dafs diese hierauf wieder aufgesogen werden. Das Verschwinden des S\u00e4ulchens in der reifen Kapsel vieler Moose, gab hierzu die n\u00e4chste Veranlassung, doch wir wissen gegenw\u00e4rtig, dafs das S\u00e4ulehen nach der Abl\u00f6sung des Deckel\u2019s der Kapsel, womit es in unmittelbarer Verbindung stand, allm\u00e4hlig abstirbt, und mehr oder weniger ganz zusammenschrumpft. Vor seiner vollkommenen Ausbildung dehnt es sich zuweilen etwas bauchig aus, wodurch sich im Inneren die Zellen von einander trennen, und zuletzt eine H\u00f6hle daselbst entsteht. Schon Hedwig hat vortreffliche Durchschnitte von Mooskapseln geliefert, um die Structur derselben daran nachzuweisen, und neuerlichst hat HerrMohl* *) diesen Gegenstand mit gr\u00f6fserer Genauigkeit untersucht, um die Bildung der Sporen in der Kapsel zu verfolgen, wobei mehrere Abbildungen \u00fcber die Structur der Mooskapsel mitgegeben sind, welche man nur anzusehen braucht, um alle die interessanten morphologischen Deutungen als nicht richtig zu erkennen, welche Herr Bischoff \u00fcber die Mooskapsel so ausf\u00fchrlich vorgetragen hat. Herr Mohl lehrte, dafs die Bildung der Moossporen im Inneren von Mutterzellen vor sich gehe; er fand, dafs die H\u00f6hle der Mooskapsel, welche sp\u00e4ter mit den Sporen gef\u00fcllt ist, in einem sehr fr\u00fchen Zustande mit einem \u00e4ufserst zarten Zellengewebe erf\u00fcllt ist, dessen Zellen in horizontalen Reihen liegen und kleine k\u00f6rnige Massen enthalten, welche er f\u00fcr die Anlagen zu den k\u00fcnftigen Sporen h\u00e4lt. Die Sporen der Moose treten ebenso, wie die der Farm in tetra\u00ebdrischer Vereinigung auf, was man an den Sporen jeder unreifen Mooskapsel sehen kann.\n*) Einige Bemerkungen \u00fcber die Entwickelung und den Bau der Sporen cryptogamischer Gew\u00e4chse. \u2014 Flora v. 1833. I. pag. 49. etc.\n*\u00a5) Lehrbuch der Botanik. II. pag. 430.","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"389\nDie Gattung Sphagnum, welche man zwar ziemlich ganz allgemein zu den Laubmoosen bringt, deren Antheren-bildung, wie wir es pag. 201. kennen gelernt haben, mit derjenigen der Lebermoose \u00fcbereinstimmt, zeigt auch in Hinsicht der Fruchtbildung grofse Aehnlichkeit mit den Lebermoosen, so dafs man dieselbe wohl an die Spitze der Lebermoose stellen miifste. Die Bildung der Sporen ist bei dieser Gattung h\u00f6chst eigent\u00fcmlich und findet, ganz ebenso wie bei den Lebermoosen, sicherlich nicht in Mutterzellen statt. Bei Sphagnum bemerke ich die Bildung von confervenartigen, gegliederten und ver\u00e4stelten F\u00e4den, welche anfangs die Kapselh\u00f6hle f\u00fcllen; die Endglieder dieser F\u00e4den schwellen kugelf\u00f6rmig an, und aus jeder dieser Kugeln, welche noch l\u00e4ngere Zeit hindurch an ihren F\u00e4den sitzen bleiben, bilden sich 4 Sporen, und zwar nicht auf die Weise, dafs die urspr\u00fcngliche grofse Zelle als Mutterzelle dient, sondern die grofse kugelf\u00f6rmige Zelle theilt sich in 4 kleinere, indem die Substanz ihrer Membran nach Innen zu in Scheidew\u00e4nde ausw\u00e4chst, ganz in derselben Weise, wie es bei der Theilung der Zellen der Conferva glomerata (Bd. II.) beschrieben wurde. Nachdem diese neuen Querw\u00e4nde vollkommen ausgebildet sind, fallen die dadurch entstandenen kleinen Zellen bei der leisesten Ber\u00fchrung auseinander, was aber in der reifenden Kapsel von selbst geschieht. Um diese Zeit geschieht erst die weitere Ausbildung der Sporenhaut, und die confervenartigen F\u00e4den, welche noch \u00fcbrig bleiben, bleiben ver-schrumpft zwischen den Sporen liegen.\nBei den verschiedenen Gattungen der Lebermoose verh\u00e4lt sich die Bildung der Sporen in mancher Hinsicht auffallend verschieden; ich habe schon im ersten Theile pag. 55 der Schleuderer gedacht, welche die Fr\u00fcchte der Lebermoose aufzuweisen haben, und hier werde ich einige n\u00e4here Nachvveisungen \u00fcber die Bildung derselben und deren Verhalten zu den Sporen geben. Die Schleuderer sind urspr\u00fcnglich einfache, mehr oder weniger lange und meistens an beiden Enden zugespitzte Schl\u00e4uche, welche aufser den","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\nRiccieen, fast in allen Gattungen der Lebermoose im Inneren der Kapsel und zwischen den Sporen auftreten; gew\u00f6hnlich bilden sich in dem Inneren dieser langen Zell-chen einzelne oder mehrere Spiralfasern, wozu ich schon fr\u00fcher*) eine Menge von Beispielen aufgef\u00fchrt habe; bei der Gattung Anthoceros treten jedoch keine Spiralfasern in den Schl\u00e4uchen auf, daher man die confervenartigen F\u00e4den, welche ich vorhin bei der Gattung Sphagnum anf\u00fchrte, f\u00fcr Gebilde ansehen kann, welche den Schleuderern der Lebermoose analog sind. Die Befestigung der Schleu-derer im Inneren der Saamenkapsel ist bei den verschiedenen Gattungen und Gruppen der Lebermoose sehr verschieden, ist aber noch lange nicht \u00fcberall so genau ausgemittelt, wie es durch die grofse Arbeit des Herrn Nees v. Esenbeck f\u00fcr die alte Gattung Jungermannia geschehen ist. Die Scldeuderer entspringen entweder auf der ganzen inneren Fl\u00e4che der Frucht (Elateres vagi), wie bei Junger-mannia, oder an den Enden der Klappen (Elateres terminales) wie bei Lejeunia, oder in der Achse der Frucht, also vom Grunde derselben hervorwachsend, wie bei Ju-bula und Marchanda (Elateres centrales, mediani).\nIm fr\u00fchesten Zustande erscheinen die urspr\u00fcnglichen Schl\u00e4uche der Schleuderer als \u00e4ufserst zarte, weiche und \\ollkommen durchsichtige Gebilde, worin eine gr\u00fcngef\u00e4rbte, formlose aber etwas feingek\u00f6rnte Substanz enthalten ist; etwas sp\u00e4ter tritt diese Substanz in Form gesonderter K\u00fcgelchen von verschiedener Gr\u00f6fse und regelloser Lagerung auf, und um die Zeit, wenn sich die Sporen ihrer vollkommenen Ausbildung n\u00e4heren, kann man durch Beobachtungen die Bildung der Spiralfasern im Inneren der Schl\u00e4uche vollst\u00e4ndig verfolgen. Diese Bildung geschieht durch regelm\u00e4fsiges Zusammenfliefsen der gr\u00fcngef\u00e4rbten K\u00fcgelchen (S. Bd. I. pag. 119.), welche vorher ganz unregelm\u00e4fsig in der H\u00f6hle umherlagen, und die daraus entstehende, neue Spiralfaser beh\u00e4lt auch anfangs die gr\u00fcne\n*) S. meme Phytotomie pag. 160 etc.","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"391\nF\u00e4rbung bei, welche sp\u00e4ter in Gelb und Gelbbraun \u00fcbergeht. Diese Bildung der Spiralfaser ist in den Schleudere\u2122 der Lebermoose gar nicht schwierig zu verfolgen und beweist, wie es mir scheint, sehr bestimmt, was ich in den beiden ersten Theilen dieses Buches, \u00fcber die Bildung der Spiralfaser gesagt habe, dafs dieselbe n\u00e4mlich durch spiralf\u00f6rmige Aneinanderlagerung der Materie erfolgt, was wir der Th\u00e4tigkeit der Zellen zuschreiben m\u00fcssen, die in dieser Art bildet. Die Ansicht, welche Herrv. Mirbel \u00fcber die Bildung dieser Spiralfaser-Zellen aufgestellt hat, ist hiemit widerlegt, was auch aus den sch\u00f6nen Beobachtungen\n*\tdes Herrn Nees von Esenbeck *) best\u00e4tigt wird. Ebenso leicht kann man mit den neuen Mikroskopen die Bildung der Spiralfasern und der Ringfasern beobachten, welche in den Zellen der inneren Kapselhaut der Jungermannien,\nj Marchantien und einiger Riccieen auftreten; ich habe dieses Auftreten der Spiralfasern in den Kapsel zellen der Marchanda conica schon in meiner Phytotomie angegeben, und diese Angabe ist durch Herrn Treviranus mit Unrecht bestritten worden. Auch diese Zellen sind anfangs stark mit gr\u00fcngefarbten Zellensaft-K\u00fcgelchen gef\u00e4rbt, welche allm\u00e4lich mit einander Zusammenfl\u00fc\u00dfen und regelm\u00e4fsige Spiralfasern bilden, oder sich unmittelbar in die niedlichen,\n*\tebenfalls gr\u00fcnlich gef\u00e4rbten Ringe umgestalten, welche sp\u00e4ter eine braune Farbe annehmen. Man kann hier, wie auch zuweilen bei Sphagnum die Bildung der Ringr\u00f6hren unmittelbar verfolgen und mit Bestimmtheit behaupten, dafs dieselben in diesen F\u00e4llen nicht aus Spiralfasern n\u00e4mlich durch deren Zerreifsen u. s. w. hervorgehen.\nUeber die Bildung der Sporen in den Kapseln der Lebermoose haben wir die ersten Andeutungen durch Herrn\n- Beilschmied **) erhalten, welcher die Saamenkapsel der Jungermannia Blasia sehr fleifsig beobachtet hatte; er fand die unreifen Sporen zu je 4 glomerirt und sah dann das\n*) Naturgeschichte der Lebermoose etc. IV. pag. 19d.\n** j Jungermannia Blasia Hook. \u2014 Flora v. 1824. pag. 646.","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392\nZerfallen dieser Sporenh\u00e4ufchen bei zunehmender Ausbil-dung, auch beobachtete er schon einen durchscheinenden Hof, welcher das Sporenh\u00e4ufchen in einem sehr fr\u00fchen Zustande\u2019 umgiebt, wenn die Schleuderen noch ganz ohne Spiralfasern zu sehen sind. Sp\u00e4ter sprach Herr Nees von Esenbeck*) die Ansicht aus, dafs sich die meisten Saamen der Lebermoose in Gruppen, vielleicht unter einer gemeinschaftlichen Blasenlnille ausbildeten, \u00e4hnlich den Pollenk\u00f6rnern. Um dieselbe Zeit publicise Herr Mohl seine Beobachtungen \u00fcber die Bildung der Sporen und gab an **), dafs er auch bei den Lebermoosen \u00fcberzeugt sei, dafs die\u2019 Bildung der Sporen in Mutterzellen vor sich gehe, ja er sagt, dafs er in den grofsen runden Mutterzellen von Antho\u2019ceros laevis die erste Spur der Sporen in Form von vier kleinen Anh\u00e4ufungen von K\u00f6rnchen gesehen habe, und dafs erst sp\u00e4ter, wenn sich die Masse dieser K\u00f6rnchen vergr\u00f6fserte (?), die zarten Zellenh\u00e4ute um dieselben gebildet werden. Nach meinen Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand hat zuerst Herr Lindenberg ***) den Anfang der Bildung bei den Saamen von Sphaerocarpus terrestris richtig beobachtet, denn er giebt an, dafs allm\u00e4lich an der sogenannten Mutterzelle von aufsen drei oder vier, durch eine dunklere Linie gebildete Abschnitte sichtbar werden, in welche l\u00e4ngs dieser Linien endlich die Kugel oder Mutterzelle zerf\u00e4llt, doch er fafste die Wichtigkeit dieser Erscheinung noch nicht auf. Die Bildung der Sporen der Lebermoose verh\u00e4lt sich allerdings sehr \u00e4hnlich der Bildung der Pollenk\u00f6rner, doch hat man bei den ersteren Erscheinungen \u00fcbersehen, dafs die Entstehung der kleineren Zellen, der Sporen in der urspr\u00fcnglichen Mutterzelle n\u00e4mlich, durch wirkliche Thei-lung der Letzteren erfolgt, und zwar ganz auf eben demselben Wege, wie diese Theilung der Conferven-Zellen erfolgt. Die Membran, welche die k\u00fcnftigen Seiten w\u00e4nde der Sporen bildet, w\u00e4chst von ihrer urspr\u00fcnglichen Lage\n*) Lebermoose etc. I. pag. 70.\n\u00a5\u00a5) 1. c. pag. 36.\n\u00a5*\u00a5) Monographie der Riccien I, c. pag. 498,","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"393\nquer in die Mitte der M\u00fctterzelle hinein, bis sie mit den neuen Querw\u00e4nden zusaramenst\u00f6fst, welche von der entgegengesetzten Seite entgegenwachsen, und nachdem die gegenseitige Vereinigung erfolgt ist, haben sich aus der urspr\u00fcnglichen Zelle 3 oder 4 neue geformt, welche sich allm\u00e4lich weiter ausbilden, auseinanderfallen und die Saa-men bilden. Auf Tab. XII. Fig. 35. habe ich zur leichteren Verst\u00e4ndigung mehrere solcher Bildungen von Jun-germannia epiphylla dargestellt; man sieht an diesen Abbildungen den Vorgang deutlicher, als es sich durch Beschreibung wiedergeben l\u00e4fst. Man bemerkt ferner, dafs diese urspr\u00fcnglichen Saamenzellen an den Enden der Schleuderer befestigt sind, und dafs ihr Inhalt anfangs ebenfalls noch gr\u00fcngef\u00e4rbt ist. Herr Lindenberg hat die Bemerkung gemacht, dafs die Sporen bei den Riccien nicht immer zu 4 zusammengebildet werden, sondern er fand die Dreizahl als vorherrschend, aber ich kann dieses nicht best\u00e4tigen, sondern finde solche F\u00e4lle nur sehr selten. Am auffallendsten erscheint die Sporenbildung bei der Gattung Marchanda, wo man sich ganz vollst\u00e4ndig \u00fcberzeugen kann, dafs dieselbe nicht innerhalb sogenannter Mutterzellen vor sich geht, sondern, wie bei den anderen Laub- und Lebermoosen durch Selbsttheilung.\nBei den Marchantien sind die \u00e4ufserst langen Schl\u00e4uche, in welchen sich sp\u00e4ter die Spiralfasern bilden, auf dem Grunde der Kapsel befestigt, was schon Herr v. Mirbel angedeutet hat; sie treten in sehr grofser Anzahl auf und liegen ziemlich vollst\u00e4ndig parallel neben einander, aber zwischen denselben findet man in einem sehr fr\u00fchen Zustande lange Reihen von regelm\u00e4fsig sph\u00e4risch geformten und rosenkranzf\u00f6rmig aneinander gereihten Zellen, welche zum Theil schon die wirklichen jungen Sporen sind, zum Theil aber auch noch sp\u00e4ter in mehrere kleinere Zellen, meistens in zwei, zuweilen in drei und in vier zerfallen und dann ebenfalls Sporen bilden. Ich bedauere, dafs ich bei den Marchantien noch nicht den fr\u00fchesten Zustand des Kapsel-Inhaltes beobachtet habe; vielleicht zeigte es","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nsich, dafs hier die ganze Reihe von sph\u00e4rischen Zeilcheu, welche stets zwischen zwei Schleuderer-Schl\u00e4uchen gelagert ist, durch Theilung eines confervenartigen Fadens gebildet wird, welcher dann urspr\u00fcnglich mit dem daneben liegenden Schlauche von ganz gleicher Bildung sein m\u00fcfste.\nFruchtbildung bei den Characeen.\nDie Frucht der Charen ist fast ebenso einfach, als die der niedrigsten Algen, zeigt aber dennoch eine Spur von einer Narbe, welche schon darauf hindeuten m\u00f6chte, dafs auch hier eine Befruchtung wie bei den Moosen vorkommt. Wir haben schon fr\u00fcher kennen gelernt, von weichem ausgezeichneten Baue die Antheren dieser Gew\u00e4chse sind und wir werden auch sogleich einsehen, dafs die Fruchtbildung derselben in mehrfacher Hinsicht von eben so hohem Interesse ist.\nDas Sporangium der Charen besteht aus einer einzelnen verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig sehr grofsen Spore von ellipsoidischer Gestalt, welche von einer H\u00fclle umschlossen wird, die aus 5, zuweilen aus 6 neben einanderliegenden Schl\u00e4uchen besteht, die sich, von der Basis der Spore aus, bis zu deren Spitze in spiralf\u00f6rmiger Richtung herumwinden, und an ihren Enden wiederum etwas gesondert auseinander stehen, so dafs sie dadurch eine Art von Narbe bilden, in deren Grunde die Spitze der Spore liegt und dem befruchtenden Einfl\u00fcsse der Fovilla ausgesetzt werden kann. Bei der Chara vulgaris und den \u00e4hnlichen Formen dieser Gattung, wird diese Narbe durch besondere Zellchen gebildet, welche den Schl\u00e4uchen die die Sporenh\u00fclle bilden, als Endglieder aufsitzen, aber neben einander so innig verwachsen sind, dafs man diese ganze Narbe, die gleich einer niedlichen Krone gestaltet ist, von der Sporenh\u00fclle abbrechen kann. Diese Umkleidung der einfachen Spore kann man ebensowohl mit der Eyhiille der vollkommenen Saamen vergleichen, und in der Narbe die Mikropyle wiederfinden; eine Deutung, welche mir viel nat\u00fcrlicher er-","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"395\nscheint. Die Spore besteht anfangs aus einer einfachen, glatten Haut, bei eintretender Reife zeigt sie in ihrem Inneren noch eine zweite \u00e4ufserst zarte Haut und die \u00e4ufsere, welche aufserordentlich dick und fest geworden ist, zeigt spiralf\u00f6rmig verlaufende Rinnen, die durch die Eindr\u00fccke der Schl\u00e4uche der Sporenh\u00fclle verursacht worden sind.\nDieses so h\u00f6chst eigenthiimlich und demnach am einfachsten gestaltete Sporangium der Charen sitzt stets auf einem kleinen Stiele, der aus einem kurzen Schlauche besteht, und mit einem Internodium der Aeste zu vergleichen ist. Es sitzen die Sporangien in den Achseln der Bra-cteen, oder auch bisweilen in dem Grunde zwischen gabelf\u00f6rmig sich vertheilenden Aesten. Man hat \u00fcber diese niedlichen Gew\u00e4chse, welche die Familie der Characeen bilden, schon sehr viel geschrieben, und dabei hat denn auch diese, so einfach geformte Frucht mehrfache morphologische Deutung erhalten. Am richtigsten m\u00f6chte es sein, wenn man die Charenfrucht f\u00fcr eine verk\u00fcrzte Astbildung erkl\u00e4rt; der Stiel ist das unterste Internodium und die Spore das zweite, w\u00e4hrend die Schl\u00e4uche der Sporenh\u00fclle als verwachsene Bl\u00e4tter anzusehen w\u00e4ren. Die letztere Erkl\u00e4rung pafst leider nur f\u00fcr die, mit wirtelf\u00f6rmig gestellten Bl\u00e4ttern versehenen Charen, und h\u00e4lt man die Sporenh\u00fclle f\u00fcr nichts weiter, als f\u00fcr ein Analogon des Ueberzuges der Stengelglieder, wie ihn Chara vulgaris und die dazu geh\u00f6rige Gruppe zeigt, so kann man wiederum sagen, dafs diese H\u00fclle auch auf den Sporen derjenigen Arten vorkorame, deren Stengelglieder aus einer einfachen Haut bestehen; kurz man sieht auch hierbei, dafs an allen solchen Deutungen zwar etwas Wahres zu finden ist, dafs aber auch immer viel poetische Freiheit n\u00f6thig ist, um sie vollst\u00e4ndig auszuf\u00fchren. Das wichtigste Ergebnifs bei der Betrachtung der Charenfrucht ist jedoch die Thatsache, dafs die Spore nichts weiter, als das Endglied oder die Spitze der Achse der Pflanze ist, und dafs die Sporenh\u00fclle durch unmittelbare Anlagerung von blattartigen Gebilden entsteht, dafs sich also diese, so niedere Fruchtbil-","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\ndung dem Wesentlichsten nach mit der einfachsten Form . hei den Phanerogamen vergleichen l\u00e4fst.\nMit den Charen endet die Reihe von cryptogamischen Gew\u00e4chsen, in welchen man die weiblichen Fructifications-Organe von den m\u00e4nnlichen unterscheiden kann, daher wir bei diesen von der Fruchtbildung nur im Allgemeinen * sprechen m\u00fcssen; wir werden jedoch selbst bei den niedrigsten Formen der Algen und der Pilze Vorrichtungen und besondere Vorg\u00e4nge kennen lernen, welche ziemlich deutlich zeigen, dafs auch hier die Saamenbildung das Resultat geschlechtlicher Vereinigung zu sein scheint, die entweder durch Vereinigung zweier verschiedener Individuen vor sich geht, oder auch nur durch Vereinigung verschiedener Substanzen eines und desselben Individuum^, i\nlieber den Bau und die Keimung der Sporen bei den bisher betrachteten Cryptogam en.\nWir haben im Vorhergehenden die Bildung derFr\u00fcchte bei den Farm und den Moosen kennen gelernt und dabei nachgewiesen, welch ein grofser Unterschied zwischen dem Auftreten der Saamen bei den phanerogamischen und den j cryptogamischen Gew\u00e4chsen herrscht; gegenw\u00e4rtig wollen wir die Structur und die Keimung dieser Sporen n\u00e4her betrachten, um sowohl auf die Aehnlichkeit, wie auf die\nwesentlichen Verschiedenheiten aufmerksam zu machen, ,\n' \u25a0\nwelche man in jener Hinsicht zwischen den Saamen der Phanerogamen und denjenigen der Farm und der Moose nachweisen kann.\nDie Sporen der Farm wie die der Laub- und Lebermoose erscheinen bei ihrem ersten Auftreten, als einfache Zellchen. Bei den Farm erhalten diese Zellchen bei verschiedenen Gattungen und Arten eine sehr mannigfaltige Gestalt; deren Beschreibung der systematischen Botanik angeh\u00f6rt; mit der vollkommenen Ausbildung erzeugt sich jedoch im Inneren diese einfache Zelle noch eine zweite, sehr feine Membran, welche an den Sporen vieler Farm","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"397\nsehr leicht zu beobachten ist, bei anderen dagegen ist mir dieses noch nicht gelungen, doch kann man wohl im Allgemeinen annehmen, dafs die Sporen der Farm stets aus zwei H\u00e4uten gebildet werden. Die \u00e4ufsere dieser H\u00e4ute erreicht eine besondere Festigkeit, sie wird oftmals mit regelm\u00e4fsig gestellten W\u00e4rzchen, Streifen und zellenartigen Hervor-ragungen bekleidet, welche sich mit jenen Bildungen auf der \u00e4ufseren Haut der Pollenk\u00f6rner vergleichen lassen, und auch auf \u00e4hnliche Weise, n\u00e4mlich durch Anlagerung der Substanz von Aufsen gebildet werden, wozu eine Masse von zartgek\u00f6rntem Schleime verwendet wird, welcher die Muttersporen unmittelbar einh\u00fcllt. Wirkliche, vollst\u00e4ndige Zellen kommen in der \u00e4ufseren Membran der Farrnsporen niemals vor, aber sehr bemerkenswerth ist es, dafs diese Membran stets mehr oder weniger dunkel gelbbraun gef\u00e4rbt ist. Bei vielen Farm sind die reifen Sporen mit einer unregelm\u00e4fsig gefalteten Haut umgeben, welche sich sehr leicht abl\u00f6st, ja zuweilen der Spore ein Ansehen giebt, als wenn sie mit fl\u00fcgelf\u00f6rmig hervorragenden H\u00e4uten umkleidet w\u00e4re, wie es auch Herr Corda* *) dargestellt hat. Nach meinen Untersuchungen wird dieses auffallende Ansehen der Sporen durch die \u00e4ufsere Membran veranlafst, welche sich bei einigen Gattungen und Arten bei eintretender Reife stark erweitert, dann unregelm\u00e4fsig zusammengefaltet wird und nach wie vor die innere Sporenhaut umschliefst. Die innere Haut ist dagegen \u00e4ufserst zart und fast ungef\u00e4rbt, doch, wie ich schon vorher bemerkt habe, kann man sie nicht \u00fcberall gesondert darstellen. Herr Presl hat diesen beiden H\u00e4uten der Farrnsporen besondere Namen beigeiegt, was wohl jedenfalls \u00fcberfl\u00fcssig war, er schl\u00e4gt vor die \u00e4ufsere Sporenhaut Episporium und die innere Endosporium zu nennen, und stellt mit ihnen Vergleiche an, welchen man nicht beistimmen m\u00f6chte.\nDas Innere der Farrnsporen ist mehr oder weniger\n*) S. Presl Tentamen pteridographiae etc. Tab. XII. Fig, 1 und 2.\n*\u00a5) 1. c. pag. 19.","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nganz mit kleinen Oeltr\u00f6pfchen gef\u00fcllt, welche zuweilen von gleicher Gr\u00f6fse sind, mitunter aber auch von sehr verschiedener, so dafs zuweilen zwei bis drei Oeltr\u00f6pfchen den gr\u00f6fsten Theil der Spore f\u00fcllen, w\u00e4hrend der \u00fcbrige dann nur noch ganz kleine zeigt. Aufser diesem fetten Oele, welches durch Terpenthin-Oel gel\u00f6st wird, findet man zuweilen auch durchsichtige K\u00fcgelchen von \u00e4hnlicher Gr\u00f6fse und Form ganz wie Oeltr\u00f6pfchen, welche aber in heifsem Wasser gel\u00f6st werden und wahrscheinlich aus einem gummiartigen Stoffe bestehen. Besonders beachtenswerth erscheint jedoch ein kleines und ziemlich durchsichtiges, rundes Fleckchen, welches auf der inneren Sporenhaut einiger Farm vorkommt und immer an einer bestimmten Stelle zu finden ist; bei einigen Polypodien mit grofsen, ellipsoidischen Sporen ist dieses Fleckchen an einem der Enden zu finden und stets von gleicher Gr\u00f6fse; bei pyramidalen Sporen finde ich es dagegen auf der Seite der convexen Grundfl\u00e4che. Vielleicht kommt diese Bildung bei allen Farm vor, was einer speciellen Untersuchung werth w\u00e4re, denn durch mehrfache Keimungsversuche habe ich mich \u00fcberzeugt, dafs das Hervortreten des Schlauches aus der Spore, gerade an der Stelle des Vorkommens jener Narbe geschieht. Auch Herr Link spricht schon in seinen Grundlehren (pag. 237) von dem Vorkommen eines dunkeln Punktes in den Sporen der Farm.\nDie Entwickelung der Farmsporen zu jungen Pflanzen, welche man unter dem Keimungsprozesse derselben ver-< steht, ist schon sehr oft beobachtet, beschrieben und abgebildet worden. Kaulfufs*) hat den Keimungsprozefs der Sporen von Pteris serrulata sehr genau beobachtet und durch Abbildungen erl\u00e4utert, so wie die Beobachtungen seiner Vorg\u00e4nger bei diesem Gegenst\u00e4nde geh\u00f6rig gew\u00fcrdigt; es war Ehrhart **) und nicht Lindsay ***), welcher das Keimen der Farrnsporen zuerst beobachtet hat, und\n*) Das Wesen der Farrnkr\u00e4uter etc. Leipzig 1827, pag. 67.\n\u00a5\u00a5) Beitr\u00e4ge. Hannover 1788. III. pag, 75.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Transact, of the Linnean Society, Vol, TI. pag. 95.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"399\ntl\u00ee\u00f4 vollst\u00e4ndigsten Beobachtungen und die sch\u00f6nsten Abbildungen hier\u00fcber, haben wir k\u00fcrzlich durch Herrn J. Henderson *) erhalten.\nBei dem Keimen der Farrnsporen platzt entweder die \u00e4ufsere Sporenhaut oder sie l\u00f6fst sich mehr oder weniger ganz ab, und hierauf tritt die innere Sporenhaut in Form eines confervenartigen Schlauches an der schon vorhin angedeuteten Stelle hervor; dieser zarte Schlauch verl\u00e4ngert sich, erh\u00e4lt eine gr\u00fcnliche F\u00e4rbung durch die in demselben enthaltene Masse, und gliedert sich durch Entstehung \\on\n- Querw\u00e4nden, ganz wie es bei den gegliederten Conferven der Fall ist. Wenn der hervorsprossende Schlauch zwei bis drei Glieder zeigt, so treten auch schon an seinem unteren Ende zarte und ungef\u00e4rbte Wurzelh\u00e4rchen hervor,\n\u2022\twelche nach Unten wachsen, sich verl\u00e4ngern und auch an\n^ Zahl zunehmen je \u00e4lter das Pfl\u00e4nzchen wird. Der gegliederte Schlauch, der nach Oben w\u00e4chst, zeigt sehr bald eine seitliche Vermehrung seiner Zellen, welche von den letzten Gliedern beginnt und sich durch best\u00e4ndiges Fortwachsen zu einer keulenf\u00f6rmigen, blattartigen Masse um-formt. Sp\u00e4ter ver\u00e4ndert sich die keulenf\u00f6rmige Bildung in ein herzf\u00f6rmiges Blatt, indem das Zellengewebe an beiden R\u00e4ndern des Blattes vorzugsweise hervortritt, und die\n*\tBildung der Zellen selbst in der Basis des urspr\u00fcnglichen Keimschlauches, bis zu der ersten Zelle, welche durch die innere Sporenhaut gebildet wurde, sichtbar wird. Noch sp\u00e4ter tritt die Zellenbildung haupts\u00e4chlich am unteren Theile auf, und aus dem herzf\u00f6rmigen Blatte entsteht dadurch ein nierenf\u00f6rmiges, welches an derjenigen Stelle, von wo aus die erste Bildung des Keimschlauches erfolgte, eine grofse IVlenge von Wurzelh\u00e4rchen zeigt und aus mehreren Zellenschichten besteht. Diese Bildung ist bis jetzt bei allen Farm beobachtet worden, welche man mit Sorgfalt bei ihrem Keimen beobachtet hat, und man nennt die-\nObservations on. the Germin. of Ferns. Jaidmes and Selby\u2019s Magaz. of Zool. and Botany. London 1836. I. pag. 333.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nselbe: das Keimblatt, welches sowohl an Gr\u00f6fse, sowie in der Form bei verschiedenen Arten sehr verschieden gestaltet ist. Das Keimblatt nimmt mit seiner allm\u00e4lichen Entwickelung eine horizontale Lage an, und so kommen die Wurzelh\u00e4rchen auf die untere Fl\u00e4che der Basis zu stehen; die junge Pflanze bildet sich aber erst, wenn dasselbe aus der Herzform in die Nierenform \u00fcbergeht, und zwar tritt es in der Querachse desselben auf, d. h. in der Linie, welche von der urspr\u00fcnglichen Basis nach dem Einschnitte am oberen Rande des Keimblattes verl\u00e4uft. Hier sieht man, wie es Kaulfufs so sch\u00f6n dargestellt hat, dafs das Zellengewebe zu einem Knoten anschwillt, welcher sich alsbald nach Oben und nach Unten verl\u00e4ngert, der nach Unten steigende Theil wird zur Wurzel, der nach Oben steigende dagegen dr\u00e4ngt sich durch den Einschnitt am oberen Rande hindurch und wird zum Stamme. Das Auftreten der Spiralr\u00f6hre geschieht im Knoten und das Keimblatt, w elches einige Zeit nach der Entwickelung des Sten\u2014 gelchens ebenfalls verschwindet, enth\u00e4lt keine Spiralr\u00f6hren.\nDie Sporen der Moose zeigen ebenfalls zwei besondere H\u00e4ute, welche besonders deutlich bei dem Keimen derselben zu sehen sind. In Folge der Beobachtungen mit den \u00e4lteren Mikroskopen glaubte man allgemein die Sporen der Moose, als einfache Zellen ansehen zu k\u00f6nnen, und wegen der aufserordentiichen Kleinheit dieser K\u00f6rperchen konnte man auch keine doppelten IVIembranen an denselben unterscheiden. Auch hier verh\u00e4lt es sich wie bei den Sporen der Farm, die \u00e4ufsere Haut ist dunkelbraun gef\u00e4rbt und besonders fest, w\u00e4hrend die innere \u00e4ufserst zart und ungef\u00e4rbt erscheint. Der Inhalt der Moossporen besteht in einer unregelm\u00e4fsigen Anzahl von ungleich grofsen K\u00fcgelchen, wovon einige aus fettem Oele, andere aus einer gummiartigen Substanz zu bestehen scheinen, ja in sehr seltenen F\u00e4llen kommen zuweilen sogar Amylum-K\u00fcgelchen in denselben vor, wie es k\u00fcrzlich die Herrn Bruch und Schimper *) nachgewiesen haben. Mit-\n*) L\u2019Institut de 1836. pag. 353.","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"401\nunter sind auch einzelne K\u00fcgelchen im Inneren der Moos-sporen gr\u00fcngef\u00e4rbt und zeigen hiemit das Auftreten von Chlorophyll, was jedoch jedenfalls in aufserordentlieh geringer Menge enthalten ist; wohl aber sind diese Sporen in ihrem fr\u00fchesten Zustande, wie ich es fr\u00fcher angegeben habe, sehr stark mit einer gr\u00fcngef\u00e4rbten und gr\u00f6fstentheils ungeformten Masse gef\u00fcllt. An den W\u00e4nden dieser Sporen ist nirgends ein besonders ausgezeichneter Punkt zu sehen, von welchem aus etwa regelm\u00e4fsig die Bildung des Keimschlauches erfolgt, sondern es scheint, als wenn dieses \u00fcberall erfolgen kann und vielleicht durch die Lage derselben bedingt wird.\nWirkliche Beobachtungen \u00fcber das Keimen der Moossporen hat zuerst Hedwig *) mit grofser Genauigkeit angestellt, doch vollst\u00e4ndiger ward dieser Gegenstand erst I durch Fr. Nees von Esenbeck **) bearbeitet, auch lieferte ich selbst im Jahre 1828 eine kleine Abhandlung \u00fcber diesen Gegenstand***), worin mehrere, bis dahin noch weniger beobachtete Punkte eine n\u00e4here Beleuchtung erhielten.\nBei dem Keimen der Moossporen bricht die \u00e4ufsere Sporenhaut und es tritt ein zarter confervenartiger Schlauch hervor, der die unmittelbare Verl\u00e4ngerung der inneren # Sporenhaut ist, und sich sehr bald durch Bildung von Scheidew\u00e4nden zu gliedern anf\u00e4ngt. Der K\u00fcrze halber, wollen wir diesen zuerst hervorbrechenden Schlauch den Keim-schlauch nennen; er entwickelt sich zuweilen zu einer K bedeutenden L\u00e4nge, ja er treibt sogar Seiten\u00e4ste von gleicher gegliederter Structur und sch\u00f6ner gr\u00fcner Farbe, ehe eine Spur von Wurzelbildung erscheint. Die Bildung des ersten Wurzelh\u00e4rchen findet an sehr verschiedenen Stellen f statt, und der von Hedwig dargestellte Zustand, wo das W\u00fcrzelchen die unmittelbare Verl\u00e4ngerung des Keimschlau-\n*) Fundament. Hist. nat. musc. Vol. II. pag. 56. Tom. V. und Tora. VI.\n**) Nova Acta Acad. C. L. C. Vol. XIIT.\n***) S. Nova Acta Acad. C. L. C. Tom. XIV. P. II. pag. 478.\nDie y en. Pfl. Phys. TU.\t2()","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nches (Corculum nach Hedwig) ist, darf keinesweges als der Normalzustand angesehen werden. Das erste Wurzelh\u00e4rchen bildet sich bei den keimenden Moosen meistens an eben derselben Stelle, wo es hei den keimenden Farm auftritt, n\u00e4mlich seitlich an der Basis des Keimschlauches, gerade dicht \u00fcber der Stelle, welche aus der Spore unmittelbar hervorgeht, und diese Stelle ist als eine fixe anzusehen, indem der Keimschlauch nach dem Hervortreten aus den Sporen sich an der Spitze verl\u00e4ngert und dort neue Glieder bildet. In anderen F\u00e4llen und dieses scheint von den Verh\u00e4ltnissen des Bodens abzuh\u00e4ngen, worin die Keimung der Spore erfolgt, entwickelt sich das erste Wurzelh\u00e4rchen ebenfalls unmittelbar aus der Spore und zwar an der dem Keimschlauche entgegengesetzten Seite, ja es treten auch wohl zwei und noch mehrere Wurzelh\u00e4rchen zu gleicher Zeit heraus, w\u00e4hrend in anderen F\u00e4llen ein Wurzelh\u00e4rchen aus der Spore und ein zweites aus der Basis des Keimschlauches hervortritt, und in noch selteneren F\u00e4llen treten mehrere Keimschl\u00e4uche und mehrere W\u00fcrzelchen unmittelbar aus der Spore hervor. Der Keimschlauch w\u00e4chst in der Luft, er gleicht einer gegliederten Conferve und ist durch den gr\u00fcngef\u00e4rbten Zelleninhalt gef\u00e4rbt; die Wurzelh\u00e4rchen dagegen wachsen in der dem Lichte abgewendeten Richtung fort, sind ungegliedert, meistens viel d\u00fcnner als der Keimschlauch, und zeigen eine braune F\u00e4rbung, welche der Membran angeh\u00f6rt. Keimen die Moossporen im W7asser oder in sehr feuchter Erde, so sieht man gleich anfangs eine vorherrschende Entwickelung der gr\u00fcnen confervenartigen F\u00e4den, welche aus den Keimschl\u00e4uchen hervorgehen und unter dem Namen der Mooscotyledonen, auch der Luftwurzeln der Moose bekannt sind; ich werde diese Gebilde die Keimf\u00e4den nennen, um damit zugleich die Aehnlichkeit in der Function derselben mit dem Keimblatte bei den Farm anzudeuten. L\u00e4fst man dagegen die Moossporen in Erde keimen, so geschieht eine vorherrschende Entwickelung der Wurzelh\u00e4rchen,","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"403\nMan hat die Entwickelung der Keimf\u00e4den bei den Laubmoosen zwar schon sehr oft beobachtet und ich selbst habe mehrmals gesehen, dafs die Keimschl\u00e4uche nach verschiedenen Richtungen hin aus wachsen, sich ver\u00e4steln und verzweigen, und auf diese Weise einen mehr oder weniger grofsen Filz zeigen von Keimf\u00e4den, aus dessen Mitte sich das Moosst\u00e4mmchen erhebt; diejenige Stelle jedoch, wo sich die erste Spur des Moosst\u00e4mmchen entwickelt, habe ich noch nicht genau genug bestimmen k\u00f6nnen, es verh\u00e4lt sich aber hiebei wahrscheinlich ganz ebenso, wie bei dem Keimen der Farrnsporen, und vielleicht schwillt die Basis des Keimschlauches zu einem Kn\u00f6tchen an, welches sich nach Oben in das St\u00e4mmchen verl\u00e4ngert. Eine WTurzel? wie sie bei den Farm noch vorkommt, findet sich bei den Moosen nicht mehr, aber die Andeutung dazu .kann man auch hier noch sehr wohl erkennen. Man sieht n\u00e4mlich, dafs sich das junge Moosst\u00e4mmchen nach Unten in einen ziemlich regelm\u00e4fsigen kegelf\u00f6rmigen Fortsatz verl\u00e4ngert und dafs die oberfl\u00e4chlichen Zellen dieses Kegels zu Wurzelh\u00e4rchen auswachsen, kurz man findet auch hier bei den Moosen, wie bei den Farm, dafs an verschiedenen Stellen Wurzelh\u00e4rchen ausbrechen; die einen geh\u00f6ren dem Keimblatte oder den Keimf\u00e4den an, wie bei den Moosen, w\u00e4hrend die anderen dem wahren W\u00fcrzelchen der Pflanze zugeh\u00f6ren.\nSchon im ersten Theile dieses Buches wurde angedeutet, dafs man beobachtet zu haben glaubte, wie das Moosst\u00e4mmchen aus der Vereinigung oder Verm\u00e4hlung jener confervenartigen F\u00e4den hervorgehe, welche wir als Keimf\u00e4den bezeichnet haben, ja andere Botaniker glaubten sogar behaupten zu k\u00f6nnen, dafs die Moose durch Verwachsung von Conferven-F\u00e4den hervorgehen; indessen unsere Wissenschaft ist auf dem Wege der Beobachtung seit der letzten Reihe von Jahren so weit vorgeschritten, dafs wir gegenw\u00e4rtig dergleichen Annahmen nicht mehr n\u00f6thig haben als unstatthaft zu widerlegen. Wir sehen die Keimf\u00e4den bei den Moosen als eine Bildung an, welche dem\n26 *","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\nKeimblatte der Farm analog ist, und die Beobachtungen der n\u00e4chsten Zeit m\u00fcssen zeigen, an welcher Stelle die Keimf\u00e4den zum Moosst\u00e4mmchen anschwellen. Es ist allerdings etwas auffallend, dafs die Keimf\u00e4den der Moose eine grofse Aelmlichkeit mit einigen Conferven zeigen, doch diese Aelmlichkeit ist nur in der Gleichheit der Form und der Structur im Allgemeinen begr\u00fcndet, aber nicht in dem Wesentlichen, denn von einer Fortpflanzung dieser Gebilde, wie wir sie bei den Conferven kennen, ist noch keine Spur beobachtet worden. Nur eine kugelf\u00f6rmige Anschwellung und eine theilweise Trennung der Glieder dieser Keimf\u00e4den ist bei Catoptridium smaragdinum durch Herrn Unger und von mir selbst beobachtet worden*).\nUnter gewissen Verh\u00e4ltnissen treiben einige Moose, \u2022z. B. Funaria hygrometrica **) ausgezeichnet grofse Wurzelhaare, welche, gleich unterirdischen Stengeln, dicht unter der Oberfl\u00e4che verlaufen und \u00fcberall, wo sie an die Luft kommen und dem Lichte ausgesetzt sind, gr\u00fcngef\u00e4rbte Keimschl\u00e4uche austreiben, die doch wahrscheinlich, was aber noch nicht beobachtet ist, gleichfalls zu neuen Moosen hervorwachsen. Diese Mooswurzeln, welche fr\u00fcher unter dem Namen der Conferva castanea in den systematischen Handb\u00fcchern aufgef\u00fchrt wurden, unterscheiden sich nicht nur durch ihre braune Farbe von den Keimf\u00e4den, sondern sie zeigen auch gr\u00f6fstentheils schr\u00e4g verlaufende Querw\u00e4nde, w\u00e4hrend die Querw\u00e4nde der Keimf\u00e4den wie bei den Conferven gerade verlaufen.\nDie Sporen der Lebermoose scheinen mitunter nur eine einfache Haut zu besitzen, w\u00e4hrend die der Farm und der Lebermoose stets sehr deutlich zwei H\u00e4ute zeigen; indessen ich vermuthe aus sehr guten Gr\u00fcnden, dafs auch bei den Sporen der Lebermoose ganz allgemein eine doppelte Haut vorkommt. Bei der Marchanda polymorpha ist es in der That etwas schwer mit der n\u00f6thigen Be-\n*) S. Wiegmann\u2019s Archiv f\u00fcr Naturgeschichte 1835.\n\u00a5*) S. meine Abhandlung \u00fcber die Wurzeln der Moose in den Bonner Akten. Tom. XIV. P. 2. Tab. XXX. Fig. 8 und 9.","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"405\nstimmth\u00eait \u00fcber das Vorhandensein einer \u00e4ufseren Sporen haut zu sprechen, auch hat man die Sporen dieser Pflanze schon so oft keimen lassen und stets nur eine einzelne Membran an denselben zu sehen geglaubt. Neuerlichst hat noch Herr Schleiden eine solche keimende Spore sehr sch\u00f6n dargestellt, wobei aber auch nur eine Haut angegeben wird; auch mir schien es so, dafs sich diese Sporen so h\u00f6chst einfach verhalten, aber ich habe bei \u00f6fterer Anschauung vieler solcher Sporen denn doch zu sehen geglaubt, dafs das sich ausdehnende Bl\u00e4schen noch durch eine, \u00e4ufserst zarte und gelbliche Membran \u00e4ufserlich umschlossen ist, und an derjenigen Stelle aufreist, wo der Keimschlauch hervortritt. Bei den Jungermannien glaube ich die zweite oder ;\u00e4ufsere Sporenhaut noch deutlicher bemerkt zu haben, und bei den Sporen der Riccieen sind ! die doppelten H\u00e4ute sehr leicht wahrzunehmen. Die innere Haut der Riccieen-Sporen ist ein einfaches Zellenbl\u00e4schen, die aufsere dagegen ist sehr bedeutend dick, von brauner Farbe und zeigt ein zeitiges Ansehen, welches bis jetzt von allen Autoren zu regelm\u00e4fsig abgebildet ist und sehr verschieden gedeutet wurde. Herr Lindenberg, der ber\u00fchmte Monograph der Riccieen hat diesen Gegenstand, offenbar durch Anwendung alter Mikroskope sehr verkannt, * und glaubt, dafs die Sporen der Riccieen nur eine einzelne Haut zeigen, und dafs diese nicht aus Zellen zusammengesetzt sei, wie es Herr Mohl u. A. m. angegeben hatten, auch giebt er eine Erkl\u00e4rung *), wie die Sporenhaut das zellige Ansehen nur durch die K\u00f6rner in ihrem Inneren hervorruft; die Sache verh\u00e4lt sich jedoch ganz anders. Das zellige Ansehen der \u00e4ufseren Sporenhaut der Riccieen ist keine T\u00e4uschung; die Membran ist vielmehr auf ihrem : ganzen Umfange mit einem Netze umgeben, welches derselben das Ansehen giebt, als w\u00e4re sie aus Zellen zusammengesetzt, es verh\u00e4lt sich hier aber ganz ebenso, wie mit dem netzartigen und zeitigen Ansehen der \u00e4ufseren\nO S. 1. c. pag. 423.","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\nPollenk\u00f6rner-Haut, denn die W\u00e4nde, welche die Maschen jenes Netzes bilden, sind blofse Hervorragungen auf der Oberfl\u00e4che, welche sich noch innerhalb der gallertartigen Mutterzelle bilden, worin jede einzelne dieser Sporen eingeschlossen ist; sp\u00e4ter wird diese resorbirt und dann wird das niedliche zellige Geflecht frei liegend.\nDer Inhalt der Sporen bei den Lebermoosen ist demjenigen der Laubmoose sehr \u00e4hnlich, und verh\u00e4lt' sich im Allgemeinen bei den Jungermannien, wie bei den Mar-chantien und den Riccien ziemlich gleich; er besteht bald aus kleinen K\u00f6rnern, welche aus einer gummiartigen Substanz zu bestehen scheinen, bald aus einigen kleinen Oel-tr\u00f6pfchen, bald aus beiden zu gleicher Zeit. Die Membran ist an und f\u00fcr sich schon etwas gelbbr\u00e4unlich gef\u00e4rbt und erscheint noch dunkeier, indem der im fr\u00fcheren Zellensafte der Spore enthaltene Stoff als eine gelblich br\u00e4unliche Substanz auf der inneren Fl\u00e4che derselben niedergeschlagen ist, Von einem Sporenkerne, wie ihn Herr Bischoff in seiner sehr r\u00fchmlichen Arbeit \u00fcber die Lebermoose angenommen hat, ist aber nichts zu sehen und mit Recht tadelt derselbe Herrn Corda, welcher von einem Albumen und einem Embryo der Lebermoose spricht, der bald wachsartig, bald hornartig und bald cellul\u00f6s sei*).\nUeber das Keimen der Sporen der Lebermoose haben wir schon mehrfache vortreffliche Beobachtungen, doch die vollst\u00e4ndige Entwickelung der keimenden Sporen zur ausgebildeten Pflanze ist bis jetzt noch nicht nachgewiesen. Bei wiederholten Aussaaten bringt man zwar die Sporen der verschiedensten Lebermoose zum Keimen, aber nur selten gelingt es dieselben weiter zu bringen; bei der Marchanda gelingt es noch am leichtesten, und von Marchantia polymorpha haben wir denn auch die sch\u00f6nsten Beobachtungen von Herrn v. Mirbel (1. c. Tab. III.) aufzuweisen. An irgend einer Stelle, dehnt sich hier die Membran der Spore in einen kleinen, konischen Schlauch aus, welcher\n*) S. Sturm\u2019s Deutschland\u2019s Flora. II. Abth. 22 und 23 Heft. 1832.","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"407\nsehr bald durch Bildung einer Querwand abgeschnitten wird, worauf die neue abgeschniirte Zelle sich weiter ausdehnt, und durch Abschn\u00fcrung nach verschiedenen Seiten, neue Zellen hervorbildet. Mit der Bildung neuer Zellen und schon mit dem Hervortreten des kegelf\u00f6rmigen Auswuchses bemerkt man, dafs einige der K\u00fcgelchen in der Spore aufgel\u00f6st werden, und also dem Auge verschwinden* w\u00e4hrend andere ihre Gr\u00f6fse behalten und gr\u00fcngef\u00e4rbt werden, ja die gelbe Farbe, welche diese Sporen zeigen, verschwindet fast g\u00e4nzlich und an einer Stelle, welche mehr oder weniger den neugebildeten Zellen entgegengesetzt gestellt ist, tritt ein zarter Schlauch hervor, der zum Wurzelh\u00e4rchen umgestaltet wird. Die Zellenbildung auf der einen Seite der Spore, und die Bildung der Wurzelh\u00e4rchen, welche noch aus einzelnen der neugebildeten Zellen hervortreten, geht mehr oder weniger schnell vor sich, und aus ersterem bildet sich eine herzf\u00f6rmige blattartige Ausbreitung, welche durch die Wurzelh\u00e4rchen an der Basis in der Erde befestigt wird. Herr Bischoff hat aber neuerlichst gelehrt, dafs diese blattartige Ausbreitung bei den Marchantien erst der Vorkeim sei, und dafs er n\u00e4chstens die Entwickelung der Keimpflanze n\u00e4her beschreiben werde. Was Herr Bischoff hier mit dem Namen eines Vorkeimes belegt, das ist offenbar mit dem Keimblatte der Farm und den Keimf\u00e4den der Moose zu vergleichen, und daher auch mit ersteren Namen zu belegen.\nHerr Schleiden*) hat die K\u00fcgelchen, welche in den Sporen der Marchantia Vorkommen, f\u00fcr Zellenkerne oder sogenannte Cytoblasten ausgegeben und erkl\u00e4rt, dafs daselbst nur 2 bis 4 zur Bildung der Zellen gelangen, w\u00e4hrend sich die anderen mit Chlorophyll \u00fcberziehen; indessen ich glaube, dafs sowohl diese Ansicht unrichtig ist, als auch die Art der Zellenbildung in jenen Sporen, wie sie Herr Schleiden auf seinen Abbildungen Fig. 18\u201420. angedeutet hat. Dergleichen Sporen haben keinen Zellenkern,\n*) Beitrage zur Phylogenesis \u2014 pag, 21.","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408\nwohl aber Zellensaftk\u00fcgelchen, welche aufgel\u00f6st und bei der Bildung der neueren Zellen verbraucht werden.\nLieber den Keimungsprozefs der Riccieen-Sporen haben wir neuerlichst durch Herrn Lindenberg (1. c. pag. 402.) einige vorl\u00e4ufige Nachrichten erhalten. In der ersten Zeit wurde ein Anschwellen des Randes der Sporen beobachtet, aber zwischen dem 14ten und 20sten Tage dehnte sich dieser Rand an einigen Stellen zugleich aus, und wenn die Sporen warzige Ausw\u00fcchse hatten, so waren es diese, welche sich zuerst entwickelten, und bald liefs sich eine Wurzelzaser durch Verl\u00e4ngerung eines der Ausw\u00fcchse wTahrnehmen. Die braune Farbe der Spore verwandelte sich in eine griine, und die verschiedenen Ausw\u00fcchse wurden zu besonderen Zellen. Leider wurden die Pfl\u00e4nzchen nicht weiter gef\u00fchrt. Die interessanten Angaben des Herrn Kiitzing *) nach welchen die Entwickelung der Riccia crystallina durch Copulation der F\u00e4den von Conferva genu-flexa erfolgen soll, die sogar in Form von Zellen das Gewebe der Riccie bilden soll, sind dadurch freilich noch nicht widerlegt, aber die Botaniker werden denselben wohl ebenso vielen Glauben schenken, als den ber\u00fchmten Beobachtungen \u00fcber die Metamorphose desHafer\u2019s in Roggen.\nIch habe im Vorhergehenden die Structur, die Bildung und den Keimungsprozefs der Farm, der Laub- und Lebermoose so ausf\u00fchrlich abgehandelt, um damit klar vor Augen zu stellen, in wie weit man diese Familien der cryptogamischen Gew\u00e4chse in Hinsicht der Structur ihres Saamen\u2019s und der Entwickelung ihres Embryo\u2019s mit Sicherheit in das nat\u00fcrliche System von Jussieu stellen kann.\nAlle Versuche sind mifsgliickt, durch welche man die Identit\u00e4t zwischen den Erscheinungen bei dem Keimungsprozesse der Saamen h\u00f6herer Pflanzen und denjenigen der genannten cryptogamischen Familien zu erweisen suchte, doch offenbar hielt man sich hierbei zu sehr an unwesentliche Erscheinungen, und \u00fcbersah dadurch die Analogie,\n4 *) Linnaea VIII. pag. 316,","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"409\nwelche sich dem Wesentlichen nach zwischen diesen Bildungen sehr wohl nachweisen l\u00e4fst.\nW\u00fcnscht man einen Vergleich, so vergleiche man die Sporen dieser cryptogamischen Familien mit dem Zellenbl\u00e4schen, als welches sich der Embryo der phanerogami-schen Gew\u00e4chse bei seinem ersten Auftreten darstellt; in dem Keimschlauche, welchem die Spore unmittelbar entw\u00e4chst, suche man ein Analogon von der auftretenden Achse bei h\u00f6heren Gew\u00e4chsen, aus welcher sich das Keimblatt oder die Keimf\u00e4den entwickeln, welche wir im Vorhergehenden bei den Moosen, den Lebermoosen und den Farm kennen gelernt haben, welche sich aber auch bei den Equiseten und den Lycopodien finden, wie es die Versuche von Vaucher*) und von Salisbury**) dargethan haben. Erst nach der Ausbildung des Keimblattes oder der Keimf\u00e4den, welche wir sogleich als Analoga der Co-tyledonen n\u00e4her bezeichnen werden, tritt die gr\u00f6fsere Ausbildung der Achse ein, und mit dieser bildet sich nun am oberen Ende die Plumula und am unteren die Hauptwurzel. Das Keimblatt bei den Farm ist dem scheidenf\u00f6rmigen Cotyledon der Monocotyledonen zu vergleichen, und die Einschn\u00fcrung am oberen Rande berechtigt noch nicht die beiden seitlichen Lappen des Keimblattes f\u00fcr zwei entgegenstehende Cotyledonen zu halten, denn wir kennen F\u00e4lle, wo der Cotyledon auch bei monocotyledonischen Gattungen noch viel bedeutender gespalten ist. Herr C. H. Schultz***) hat sogar eine ganze Reihe von Gr\u00fcnden angegeben, wefshalb das Keimblatt der Farm nicht mit den Cotyledonen der h\u00f6heren Pflanzen zu vergleichen w\u00e4re, dieselben sind aber wohl sehr leicht zu beseitigen. Die Bildung von besonderen Wurzelh\u00e4rchen, welche das Keimblatt zeigt und von den Wurzeln der k\u00fcnftigen Pflanze ganz verschieden sind, kann doch nicht von so hoher\n*) M\u00e9m. de la Soc* de Phys, et d\u2019hist. nat. de Gen\u00e8ve. I. pag, 329 \u2014 392.\n**) Linnean. Transact. XII. pag. 365.\n***) Die Natur der lebendigen Pflanze, II. pag. 460,","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410\nWichtigkeit sein, als man glaubt, denn da hier bei den harm die Bildung des Keimblattes aufserhalb besonderer Saamenhiillen vor sich geht, und die Spore verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig nur sehr wenigen Nahrungsstoff zur Bildung des Keimblattes besitzt, so m\u00fcssen auch sogleich die eigenen Wurzelh\u00e4rchen hervortreten, um dem Keimschlauche zur Bildung der \u00fcbrigen Zellenmasse Nahrungstoff zuzuf\u00fchren.\nHerr Schultz glaubt ferner, dafs die innere Organisation des Cotyledon\u2019s und die des Embryo der jungen Pflanze ganz gleich ist, das Keimblatt der Farm habe dagegen von der jungen Farrnpflanze eine ganz verschiedene Organisation. Hiegegen l\u00e4fst sich indessen sehr Vieles einwenden, und haupts\u00e4chlich ist der Vordersatz in jener Behauptung theils unrichtig, theils unverst\u00e4ndlich. Der dritte Einwurf gegen jene Analogie zwischen dem Keimblatte der Farm und dem Cotyledon der Phanerogamen, welchen Herr Schultz am angef\u00fchrten Orte aufgestellt hat, ist mir g\u00e4nzlich unverst\u00e4ndlich geblieben.\nIch habe im Vorhergehenden die Sporen der Farm und Moose mit der Embryobildung der h\u00f6heren Gew\u00e4chse in ihrem ersten Auftreten verglichen, und um diese Ansicht einigermafsen noch mehr zu unterst\u00fctzen, f\u00fchre ich schliefs-lich noch an, dafs der Embryo einiger Monocotyledonen, wie z. B. bei den Orchideen, im reifen Saamen ebenfalls eine sehr einfache Structur zeigt, indem er hier fast ganz auf seiner zweiten Entwickelungsstufe zur\u00fcckbleibt, und eine einfache zellige Kugel zeigt, dafs sich also auch in diesen F\u00e4llen die Bildung der \u00fcbrigen Theile des Embryo\u2019s erst bei dem Keimungsakte zeigt.\nDas Keimen der Charen-Sporen verh\u00e4lt sich eben so einfach, als die Structur derselben, und wurde zuerst von Herrn Vau eher *), unserem genauen Algenbeobachter, beschrieben und durch Abbildungen dargestellt; sp\u00e4ter haben\n\u00a5) M\u00e9m. sur les Charagncs. \u2014 M\u00e9m. de la Soc. de PliySl et d\u2019Hist. nat. 1. pag. 168.","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"411\ndie Herren Kaulfuss *), Bischoff**) und C. H. Schultz *&*) \u00fcber eben denselben Gegenstand ausf\u00fchrlicher gehandelt.\nWenn die Charen-Sporen zu keimen beginnen, so \u00f6ffnet und erweitert sich ihre \u00e4ufsere H\u00fclle an dem Narbenende, und es tritt ein einfacher Keimschiaach hervor, der sehr bald jene Rotationsstr\u00f6mung zeigt, von welcher im 2ten Theile dieses Buches ausf\u00fchrlich die Rede war. Wenn man in diesem Zustande die H\u00fclle der Spore vorsichtig zerst\u00fcckelt, so wird man sehen, dafs der Keimschlauch eine unmittelbare Fortsetzung der inneren Sporenhaut ist, und dafs ein grofser Theil von dem Amylum und den Oeltr\u00f6pf-chen aufgel\u00f6st ist, welches vorhin die H\u00f6hle der Spore vollst\u00e4ndig anf\u00fcllte, w\u00e4hrend die noch zur\u00fcckgebliebenen festen Massen die Rotationsstr\u00f6mung zeigen. Alsbald entsteht in dem hervorwachsenden Keimschlauche eine Querwand, wodurch der neue Schlauch von dem Schlauche der inneren Sporenhaut abgeschlossen wird, sich sofort weiter verl\u00e4ngert und immer wieder theilt. Sobald sich das erste Glied in dem Keimschlauche gebildet hat, sehen wir auch das Hervortreten von Wurzelh\u00e4rchen aus dessen Basis.\nSechstes CapiteL\nVon der Fortpflanzung der Algen, der Pilze und der Flechten.\nDie Algen bieten in der Art ihrer Vermehrung sehr grofse Verschiedenheiten dar, und obgleich diese Gew\u00e4chse, besonders in diesem Jahrhundert, von vielen Botanikern mit anhaltendem Fleifse beobachtet sind, so wissen wir denn doch nur von wenigen Gruppen dieser grofsen Familie ihre\n*) Ueber das Keimen der Charen. Halle 1825.\n\u00a5\u00a5) Die cryptogamischen Gew\u00e4chse, lte Lieferung. N\u00fcrnberg 1828.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Die Natur der lebendigen Pflanze. II. pag. 471.","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nvollst\u00e4ndige Vermehrungsweise. Ich selbst habe der Beobachtung dieses Gegenstandes viel Zeit geopfert, aber hat man erst die gew\u00f6hnlichsten Fruchtbildungen dieser Gew\u00e4chse beobachtet, so ist es sp\u00e4ter immer nur als ein gl\u00fccklicher Zufall anzusehen, wenn man hier und da wieder etwas Neues findet. Es w\u00fcrde eine eigene Schrift erforderlich sein, wollte man die Fortpflanzung der Algen nach den vorhandenen Beobachtungen vollst\u00e4ndig darstellen, daher m\u00f6ge es mir erlaubt sein nur das Haupts\u00e4chlichste an diesem Orte mitzutheilen. Der Gegenstand ist von gr\u00f6fstem Interesse, er ber\u00fchrt auch diejenigen Gesch\u00f6pfe, welche so einfach gebauet sind, dafs man sich zu verschiedenen Zeiten dar\u00fcber gestritten hat, ob dieselben zu den Pflanzen, oder ob sie zu den Thieren zu bringen sind.\nAller M\u00fche ungeachtet hat man bei den Algen noch keine besonderen Organe auffinden k\u00f6nnen, aus welchen man mit Sicherheit auf eine Geschlechtsverschiedenheit bei diesen Pflanzen h\u00e4tte schliefsen k\u00f6nnen, indessen einige der Angaben, welche im, Folgenden Vorkommen werden, m\u00f6chten denn doch von der Art sein, dafs sie zu ferneren Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand von Neuem auffordern.\nBei der Gattung Vaucheria De C. (Ectosperma Vauch.) glaubte einst Vaucher* **)) verschiedene Geschlechtsorgane aufgefunden zu haben; die Kapseln oder Sporenbeh\u00e4lter hielt er f\u00fcr das weibliche Geschlechtsorgan, und in den danebenstehenden gekr\u00fcmmten Schl\u00e4uchen (cornes Vauch.) glaubte er die Antheren zu sehen; ja in der Kr\u00fcmmung dieser Schl\u00e4uche sollte der Befruchtungsakt bestehen. Die Grundlosigkeit dieser Ansicht habe ich sp\u00e4ter nachgewiesen, indem ich TrentepohFs ***) Vermuthung, dafs diese H\u00f6rner nur unvollkommen ausgebildete Aeste sind, durch Beobachtungen erwies. Die von mir daselbst mitgetheilten Abbildungen zeigen, wie aus einem solchen gekr\u00fcmmten\n\u00a5) Hist, des Conferves d\u2019eau douce A. Gen\u00e8ve. 1803. pag, 17.\n**) Beitr\u00e4ge zur Physiologie und Systematik der Algen. \u2014 3NL Acta Acad. C. L. C. T. XIV. pag. 434.\n***) In Roth\u2019s Botanischen Bern. etc. 1807. pag. 205.","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"413\nAestchen ein neuer Ast mit einer neuen Frucht hervorgeht u. s. w. Ganz neuerlichst hat Herr Morren *) in den Schl\u00e4uchen der Conferva dissiliens besondere m\u00e4nnliche Geschlechtsorgane aufzufinden geglaubt. Er sagt, dafs die Zeilen dieser Conferve eine fast gleichm\u00e4fsige Masse enthalten, in welcher einige besondere K\u00fcgelchen Vorkommen, welche zu helleren Bl\u00e4schen werden, die mehr gelb als die \u00fcbrige Masse sind, und im Inneren dunkele P\u00fcnktchen von brauner oder rother Farbe zeigen. Diese besonderen Kugeln h\u00e4lt Herr Morren f\u00fcr m\u00e4nnliche Geschlechtsapparate, welche auf den \u00fcbrigen Theil des Zelleninhaltes eine wahre Befruchtung aus\u00fcben. Es ist zu bedauern, dafs der Gegenstand nicht durch Abbildungen verdeutlicht ist; anConf. dissiliens habe ich selbst dergleichen Kugeln nicht gesehen.\nDagegen hat man bei einigen Conferven Erscheinungen beobachtet, welche wohl als ein Analogon geschlechtlicher Vereinigung behufs der Saamenbildung anzusehen w\u00e4ren; ich meine hiermit dergleichen Verbindungen der Schl\u00e4uche nebeneinander liegender F\u00e4den, wie sie an den Abbildungen von Conferva bipunctata Dillw. (Fig. 11.) und Spirogyra princeps Lk. (Fig. 12.) auf beiliegender lOter Tafel zu sehen sind, und unter dem Namen: Conjugation, Copulation und Paarung der Conferven schon oftmals beschrieben sind. Diese Conjugation ward durch O. F. M\u00fcller**) an verschiedenen Conferven zuerst beobachtet; Hedwig***) gab vortreffliche Abbildungen dazu, und Vau-cher (1. c. pag. 37.) untersuchte den Gegenstand mit gro-fser Genauigkeit; er fand die Erscheinung bei einer grofsen Reihe von Conferven, welche er als Conferves conju-g\u00e9es bezeichnete, und gr\u00fcndete darauf die Gattung Con-jugata. Endlich fand man diesen Namen gesetzwidrig und nannte die Gattung Zygnema; zuletzt ist noch die Gattung Spirogyra durch Herrn Link von den Vaucher\u2019schen Con-jugaten getrennt.\n*) Bull, de l\u2019Acad. des scienc. de Bruxelles. 1837. pag. 303\u00bb\n**) Nova Acta Petropolit. 1785. Pars III. pag. 97. etc. Tab.II. etc.\n***) Theoria generation, etc. Ed. alt. 1798. Tab. XXXYI\u00cf.","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414\nDie Copulation dieser Conferven zeigt sich in folgen- -der Weise. Die Zeit, in welcher die Erscheinung auftritt, ist sehr verschieden, ich habe dieselbe bei verschiedenen Arten schon in den ersten Fr\u00fchlingstagen wahrgenommen,, ich habe sie mitten im Sommer gefunden und ebenso auch noch sp\u00e4t im Herbste. Zuweilen findet man in gewissen 4 Gegenden fast alle Conferven der Art zu gleicher Zeit in Copulation, und zu anderen Zeiten geh\u00f6rt die Erscheinung zu den gr\u00f6fsten Seltenheiten. Wenn der Zeitpunkt der Copulation eintritt, so zeigen sich seitlich und fast ganz regelm\u00e4fsig in der Mitte der Glieder kleine warzenf\u00f6rmige Ausw\u00fcchse, wie man es in Fig. 10. Tab. X. in f, g, h und i sehen kann; gew\u00f6hnlich wird ihre Gr\u00f6fse nur wie in h, oder wie bei g Fig. 11. ebendaselbst, und dann verbinden i sich dieselben mit den \u00e4hnlichen W\u00e4rzchen der nebenanliegenden Conferven-F\u00e4den, wie es Fig. 11. zeigt. Es ist wahrscheinlich, dafs die Entwickelung dieser W\u00e4rzchen nur an nebeneinander liegenden und sich ber\u00fchrenden F\u00e4den auftritt, doch, wie es auch die Abbildungen zeigen, diese W\u00e4rzchen sind nicht an allen Schl\u00e4uchen gleich grofs, oder vielmehr, sie treten nicht immer gleichzeitig auf. Es ist ganz gew\u00f6hnlich der Fall, dafs an conjugirten F\u00e4den je- | desmal die gegen\u00fcberstehenden Glieder derselben auf die angegebene Weise in Vereinigung treten, da aber nicht immer diese Glieder von gleicher L\u00e4nge sind, und die W\u00e4rzchen ziemlich regelm\u00e4fsig aus der Mitte des Gliedes * hervorgehen, so nehmen dieselben mitunter eine schr\u00e4ge Stellung an, um sich gegenseitig zu erreichen, wie dieses auch in Fig. ii. und Fig. 12. zu sehen ist; ja mitunter, wenn zwei kleine Glieder einem l\u00e4ngeren gegen\u00fcbersfehen, vereinigen sich die W\u00e4rzchen der beiden kleinen Glieder mit dem einen W\u00e4rzchen des langen Gliedes. Mitunter kommt es auch vor, dafs ein einzelnes Glied eines Fadens, wie bei i Fig. 11. ohne Conjugation mitten in der Reihe zur\u00fcckbleibt. Das Auftreten dieser Begattungsw\u00e4rzchen geschieht sehr regelm\u00e4fsig und stets in einer geraden Richtung, doch kommt es sehr h\u00e4ufig vor, dafs ein solcher Fa-","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"415\nden in einer langen Strecke auf der einen Seite mit einem anderen Faden verbunden ist, ganz wie gew\u00f6hnlich, dagegen ist derselbe Faden in einer anderen Strecke und gerade auf der entgegengesetzten Seite, noch mit einem dritten Faden conjugirt. Ja selbst die Glieder eines und desselben Faden\u2019s k\u00f6nnen sich mit einander conjugiren, wenn die Enden desselben so gebogen sind, dafs sie neben einander zu liegen kommen. Verschiedene F\u00e4lle der Art sind auch in den Werken von Vaucher und von Lyngbye*) abgebildet. Es ist aber noch niemals beobachtet worden, dafs ein und dasselbe Glied nach beiden Seiten hin ausw\u00e4chst, und sich mit zwei verschiedenen F\u00e4den verbindet.\nSobald sich die Spitzen dieser Begattungsw\u00e4rzchen ber\u00fchren, geschieht ein inniges Verwachsen derselben, wobei sie h\u00e4ufig etwas wulstartig anschwellen, wie z. B. bei h Fig. 11. Mit dieser Vereinigung erfolgt eine Resorption der Zellenw\u00e4nde, welche sich aneinander gelegt haben, und sobald diese vollst\u00e4ndig erfolgt ist, zeigen die conju-girten Glieder die offenste Communication mit einander; ja die Verwachsung der Begattungsw\u00e4rzchen nach erfolgter Resorption der Querw\u00e4nde geschieht mitunter so vollst\u00e4ndig, dafs ich zuweilen mit aller Aufmerksamkeit, und bei Anwendung der entsprechendsten Vergr\u00f6fserungen keine Spur irgend einer Linie habe wahrnehmen k\u00f6nnen, welche die erfolgte Vereinigung h\u00e4tte andeuten k\u00f6nnen. Ich halte diese Beobachtung f\u00fcr wichtig, indem sie uns zeigt, dafs auch in anderen F\u00e4llen \u00e4hnliche vollkommene Verwachsungen auftreten k\u00f6nnen, wo es uns aber nicht so leicht wird dieselbe zu erweisen.\nGew\u00f6hnlich pflegt gleich mit dem Auftreten der Begattungsw\u00e4rzchen eine Ver\u00e4nderung in derLagerung des Inhaltes der Schl\u00e4uche stattzufinden, die Masse, welche sich bei verschiedenen Gattungen und Arten sehr verschieden geformt findet, besteht aus einem, durch Chlorophyll gef\u00e4rbten Schleime, worin mehr oder weniger grofse K\u00fcgelchen von \u00e4hnlicher\n\u00a5) Temamen Hydrophytologiae Danicae. 1819. Tab. 58 \u201460.","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nFarbe und in sehr verschiedener Anzahl vorhanden sind, in welchem sich h\u00e4ufig (S. Band II. pag.275.) auch Amylum-K\u00fcgelchen vorfinden; diese Masse l\u00f6st sich allm\u00e4lich von den W\u00e4nden, nimmt eine unregelm\u00e4fsige, verworrene Lagerung an und, nachdem sie sich zu einem zusammenh\u00e4ngenden Klumpen vereinigt hat, zieht sie durch die ge\u00f6ffneten Begattungsw\u00e4rzchen aus dem einen Gliede in das gegen\u00fcberstehende conjugirte Glied. Dieses Hin\u00fcbertreten der formlosen Substanz geschieht sehr langsam, und es ist keine \u00e4ufsere Ursache aufzufinden, durch welche es ver-anlafst werden k\u00f6nnte. Die geheime Attraction, welche die gegenseitige Bildung der Begattungsw\u00e4rzchen an den gleichgebaueten Gliedern dieser Conferven hervorruft, eben diese scheint auch zwischen den Substanzen zu herrschen, welche im Inneren dieser Glieder enthalten sind; es tritt der Inhalt des einen Gliedes in das andere verbundene Glied \u00fcber; hier vereinigen sich die Massen beider Glieder und bilden eine Kugel, aus welcher der Saame oder die Frucht hervorgeht. Es ist besonders auffallend, dafs an solchen conjugirten F\u00e4den, oft auf langen Strecken hin die Glieder des einen Fadens, als die empfangenden erscheinen, und sich daher in diesen die Saamen bilden, w\u00e4hrend die Glieder des anderen Fadens durch den Austritt ihres Inhaltes leer geworden sind, und in diesem Zustande oft noch viele Wochen und Monate mit derSaamen-tragenden Conferve in Verbindung bleiben. Man kann aber nicht die Ansicht aufstellen, dafs die einen F\u00e4den als die m\u00e4nnlichen, die anderen dagegen, als die weiblichen anzusehen sind, denn man findet, dafs sie hierin in ihrem Verlaufe wechseln, dafs n\u00e4mlich an irgend einer Stelle die Substanz aus den Gliedern des Saamen-tragenden Fadens in die conjugirten Glieder des anderen Fadens \u00fcbergeht und hier, nach erfolgter Vereinigung die Saamen bildet. Wollte man aber dennoch auch bei der Conjugation der Conferven wirkliche Geschlechts-Verschiedenheit herauserkennen, so k\u00f6nnte dieselbe hier nur zwischen den mit einander verbundenen Glieder angenommen werden, wobei","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"417\ndas eine die m\u00e4nnliche Function, das andere dagegen die Empf\u00e4ngnifs verrichtet. Doch diese Annahmen k\u00f6nnen nicht erwiesen und auch nicht widerlegt werden; in der Structur der sich vereinigenden Glieder zeigt sich nichts, welches auf eine solche Verschiedenheit zu schliefsen berechtigen k\u00f6nnte.\nBei der Gattung Spirogyra Lk. zeigt sich die Conjugation noch viel auffallender, indem die Structur dieser Conferven schon sehr bedeutend complicirter ist. Die Glieder der gleichm\u00e4fsigen F\u00e4den dieser Conferven sind sehr fest mit einander verwachsen und l\u00f6sen sich nach meinen Beobachtungen niemals in ihren Verwachsungsfl\u00e4chen; dagegen tritt hier mit gr\u00f6fserer Deutlichkeit eine innere Haut auf, welche die innere Fl\u00e4che jedes Gliedes auskleidet und anfangs so \u00e4ufserst zart ist, dafs man in ihr nur eine Schleimablagerung erkennt, aber \u00e4hnlich verh\u00e4lt es sich \u00fcberhaupt mit der inneren Haut, welche den Gliedern der Conferven u. s. w. zukommt. Schon im ersten Theile dieses Buches pag. 169 habe ich angegeben, dafs diese Spirogyren-F\u00e4den noch von einer schleimigen Hiille \u00e4ufserlich umkleidet werden; diese H\u00fclle l\u00f6st sich um die Zeit, wenn die Pflanzen absterben oder in die einzelnen Glieder zerfallen, entweder allm\u00e4lich ganz auf, oder sie f\u00e4llt in mehr oder weniger grofsen St\u00fccken ab, und dann bleibt der Faden ganz einfach zur\u00fcck, wie er in Fig. 12. Tab. X. dargestellt ist. Das Characteristische dieser Gattung ist, dafs sich auf der inneren Fl\u00e4che der einzelnen Glieder spiralf\u00f6rmig verlaufende B\u00e4nder einer gr\u00fcngef\u00e4rbten Substanz befinden, deren Breite, Form und Beschaffenheit sehr mannigfaltig verschieden ist. Die verschiedenen Arten und Unterarten zeigen auch in der Anzahl dieser gr\u00fcnen Spiralb\u00e4nder die gr\u00f6fste Verschiedenheit. Die Substanz dieser Spiralb\u00e4nder ist sehr weich, sie l\u00e4fst sich durch Weingeist und Oele entf\u00e4rben, l\u00f6st sich aber, selbst in kochendem Wasser nicht auf; in der Mittellinie derselben kommen zu gewissen Zeiten und in ziemlich regelm\u00e4fsigen Abst\u00e4nden, kleine K\u00fcgelchen eingelagert vor, Meyeii. Pfl, Physiol. 111.\t27","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418\nwelche anfangs eine dunkelgr\u00fcne Farbe zeigen und mit den gef\u00e4rbten Zellensaftk\u00fcgelchen anderer Pflanzen zu vergleichen sind, sp\u00e4ter werden sie sehr oft gr\u00f6fser und, wie es Herr Mold zuerst beschrieben hat, enthalten Amyium*). Mitunter sieht man alte Spirogyren-F\u00e4den, die sich nicht conjugirt haben, bei denen die gr\u00fcne Substanz der spiralen B\u00e4nder fast ganz verschwunden ist, dagegen finden sich statt der einzelnen K\u00fcgelchen, kleine Gruppen von 2, 3 und 4 gr\u00f6fseren und mehreren kleineren K\u00fcgelchen, welche fast ganz ungef\u00e4rbt sind und ebenfalls aus Amyium bestehen. Bei dem Allen darf man jedoch nicht den Satz aufstellen, dafs die K\u00fcgelchen in den gr\u00fcnen Spiralb\u00e4ndern der Spirogyren immer aus Amyium bestehen. Ich hielt diese Amylum-K\u00f6rner fr\u00fcher (1827) f\u00fcr Sporen, und Herr Ehrenberg **) hat hierin Gebilde erkannt, welche den Saa-mendr\u00fcsehen der Infusorien zu vergleichen sein sollen, er ist aber dabei geneigt die Spirogyren noch bei den Pflanzen stehen zu lassen.\nWenn man die Spirogyren-F\u00e4den mittelst Glasplatten unter dem Mikroskope etwas quetscht, so l\u00f6sen sich augenblicklichst die gr\u00fcnen B\u00e4nder von der inneren Fl\u00e4che ab, und nun kann man sehen, dafs sich die Substanz dieser F\u00e4den verk\u00fcrzt und dafs dieselben dadurch an Breite zunehmen; oder die Substanz der B\u00e4nder zerreifst hie und da, und die zusammenh\u00e4ngenden Enden ziehen sich zu breiten, elliptischen, oder unregelm\u00e4fsigen spatelf\u00f6rmigen Gebilden zusammen, bis sich endlich auch diese wieder aufl\u00f6sen; es ist also eine weiche und elastische Substanz.\nSehr bemerkenswert!! ist das Vorkommen eines sehr eigent\u00fcmlichen Centralorganes im Inneren eines jeden\n*) Anmerkung. Als ich diese Gebilde im Jahre 1826 mit einem alten unachromatischen Mikroskope (S. Linnaea von 1827. Fig. 424.) beobachtete, nannte ich sie \u201eK\u00fcgelchen oder Bl\u00e4schen\u201c indem der schattige Band, rund um dieselben mich dar\u00fcber in Ungewifsheit liefs.\nDie Infusionstierchen als vollkommene Organismen, etc. Leipzig 1838. pag. 99.","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"419\nGliedes der Spirogyren, dessen Bedeutung uns noch unbekannt ist; ich entdeckte dieses Gebilde zu Coin im Jahre 1826 *), habe es seit jener Zeit bei jeder Gelegenheit zu beobachten gesucht, und habe auch die Structur desselben deutlicher erkannt, aber die Function desselben ist mir noch ziemlich dunkel geblieben. Man bemerkt dieses Organ in der Mitte eines jeden Gliedes, doch zeigt es nach dem verschiedenen Alter der Conferve sehr verschiedene Formen. An jungen F\u00e4den zeigt es sich bei der Ansicht von Oben, als eine schmale Zelle, welche in dem Querdurchmesser des Gliedes gelagert ist, und im Inneren noch einen festen kugelf\u00f6rmigen K\u00f6rper enth\u00e4lt der etwas gr\u00fcnliche F\u00e4rbung besitzt, die aber unter dem achromatischen Glase g\u00e4nzlich verschwindet. Trennt man um diese Zeit jenes Gebilde durch leises Zerdr\u00fccken der F\u00e4den, so erkennt man darin eine vollkommene kreisrunde tafelf\u00f6rmig zusammengedr\u00fcckte Zelle. Eine solche Zelle ist in der Mitte eines jeden Gliedes auf der Kante stehend, und wird in ihrer Lage durch \u00e4ufserst feine F\u00e4den erhalten, welche nach einer gewissen Regel und von bestimmten Punkten aus, nach den verschiedenen Richtungen der Zellenw\u00e4nde verlaufen und daselbst befestigt sind; sehr oft sind diese \u00fcberaus feinen F\u00e4den auch ver\u00e4stelt und bestehen aus einer ganz schleimigen etwas gelblichen Substanz, welche augenblicklichst zusammenfliefst, wenn die ausgespannten F\u00e4den abgerissen werden. Bei der Spirogyra quinina, wo nur ein einzelnes gr\u00fcnes Band auf der inneren Fl\u00e4che der Glieder vorkommt, da wird jenes Centralorgan nur durch einige wenige solcher F\u00e4den aufgeh\u00e4ngt, und hier kann man sehr bestimmt sehen, dafs diese F\u00e4den nicht mit dem gr\u00fcnen Spiralbande in Verbindung stehen, sondern auch unmittelbar an der inneren Fl\u00e4che der Schlauchwand befestigt sind. Bei der Spirogyra princeps, und haupts\u00e4chlich bei derjenigen Variet\u00e4t, welche man als Zygnema nitidum bezeichnet findet, da ist die Zahl der F\u00e4den, mit welchen jenes Centralorgan\n*) S. Linnaea von 1827. pag. 428.\n27*","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\naufgeh\u00e4ngt ist, sehr grofs; sie laufen hier b\u00fcschelf\u00f6rmig von dem Seitenrande, wie auch von den Flachen aus nach verschiedenen Richtungen hin, und da l\u00e4fst sich dann nicht mehr sehen, ob die F\u00e4den mit den gr\u00fcnen B\u00e4ndern, oder ob sie mit der Zellenwand in Verbindung stehen, mir scheint es, dafs sie hier, ganz zuf\u00e4llig an verschiedenen Punkten mit beiden in Ber\u00fchrung stehen. In \u00e4lteren Spi-rogyren-F\u00e4den dehnt sich jene schmale Zelle, als welche das Centralorgan anfangs erschien, in eine mehr oder weniger vollkommen kugelrunde aus, nimmt aber auch mitunter eine etwas eckige Gestalt an, und wenn diese Umwandelung vollendet ist, so erkennt man an derselben einen Kern, welcher aus einer gummiartigen, etwas hellgr\u00fcnlich gef\u00e4rbten Substanz besteht. Dieser Kern befindet sich im Inneren von zwei besonderen Blasen, welche in einander stecken; die innere ist ungef\u00e4hr halb so grofs als die au-fsere, beide sind von der zartesten Membran gebildet und enthalten eine schleimige Fl\u00fcssigkeit. Wenn man die alten Spirogyren-F\u00e4den zwischen Glasplatten zerdr\u00fcckt, so werden diese Centralorgane von ihren F\u00e4den abgerissen, und man erh\u00e4lt sie dann, sehr oft ganz unverletzt, frei aufser-halb der Zelle; ich habe zweimal an solchen getrennten Organen gesehen, dafs der Kern aus der inneren Blase langsam hervortrat, sich dabei wie eine ganz weiche Substanz verhielt, welche sich in den Raum zwischen der \u00e4u-fseren und der inneren Blase lagerte und dabei eine Wurmform annahm, sich aber nicht bewegte. Bald darauf traten auch kleine ungef\u00e4rbte Molek\u00fcle in diesem Zwischenr\u00e4ume auf, welche etwas Molekular-Bewegung zeigten. Die zarten Membranen dieser beiden Blasen sind aber noch so weich, dafs sie sich nach der leisesten Verletzung zusammenziehen und zu einer formlosen Schleimmasse umwandeln. Dieses ist denn auch ziemlich Alles, was ich in den letzten 5 bis 6 Jahren mit der unglaublichsten Zeitaufopferung an diesem eigenth\u00fcmlichen Organe habe beobachten k\u00f6nnen; sein Verhalten gegen Alkohol u. s. w. habe ich schon fr\u00fcher mitge-theilt und kann defshalb darauf verweisen; ich vermuthete","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"421\ndamals *), dafs aus dem Inneren dieser beschriebenen Centralorgane jedesmal ein Infusorium hervorkomme, indem ich in einer Masse solcher absterbenden Conferven-F\u00e4den \u00e4hnliche Blasen fand, aus welchen, wie ich es daselbst Fig. 15. abgebildet habe, ganz vollst\u00e4ndige Infusorien hervorgingen, ich habe es aber nicht unmittelbar gesehen, und es war daher wohl ganz wahrscheinlich, dafs jene Infusorien vielleicht auf andere Weise daselbst entstanden waren. Im vergangenen Herbste bin ich in der That wiederum so gl\u00fccklich gewesen, und habe abermals im Inneren dieser Blase ein eben solches Infusorium gesehen, wie im Jahre 1827 zu Coin, ob aber das Auftreten dieser Infusorien im Inneren jener Blasen allgemein ist, oder ob dieses Thier daselbst nur parasitisch, wie ein Entozoon auftritt, das kann ich noch immer nicht bestimmen, vermuthe aber Letzteres; auch habe ich ein \u00e4hnliches Centralorgan noch in anderen Conferven gefunden. Nach unseren gegenw\u00e4rtigen Beobachtungen m\u00f6chte es erlaubt sein, \u00fcber die Bedeutung dieses Centralorganes zwei Ansichten aufzustellen; man k\u00f6nnte es wohl f\u00fcr ein Analogon des Zellenkernes halten, welcher auch sehr oft durch feine Schleimf\u00e4den nach den verschiedenen Richtungen hin aufgeh\u00e4ngt ist; der Zellenkern ist zwar gew\u00f6hnlich platt, aber in den Pollenk\u00f6rnern vieler Pflanzen, wie z. B. in Fig. 3. Tab. XI. u. s. w. sind auch \u00e4hnliche Gebilde von kugelrunder Gestalt, doch zeigen sie nur eine einfache Haut. Sollte diese Ansicht die richtige sein, so werden auch die fortgesetzten Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand keine weitere Aufkl\u00e4rung geben. Vielleicht ist aber dieses Centralorgan dennoch als ein Gebilde anzusehen, welches sich auf die geschlechtliche Function bezieht, die .sich auch hier durch die Conjugation so \u00e4ulserst auffallend zeigt; mir selbst scheint diese Ansicht in Folge wirklicher Betrachtung \u00fcber die Structur und das Verhalten dieses Organes gar nicht unwahrscheinlich, doch eine einzige gl\u00fcckliche Beobachtung\n*) 1. c. pag. 431.","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\nk\u00f6nnte hier\u00fcber sofort entscheiden; es w\u00e4re wohl m\u00f6glich, dafs sich aus dem Kerne des Organes Saamenthierchen entwickelten, derselbe hat grofse Aehnlichkeifc mit den Zell-chen in den Pollenf\u00e4den der Charen.\nNeuerdings hat auch Herr Ehrenberg *) diesen Gegenstand ber\u00fchrt und in Folge fl\u00fcchtiger Beobachtung zu sehen geglaubt, dafs jenes Centralorgan durch strahlenartige Kan\u00e4le nach allen Seiten der Zelle hin wirksam erscheine. Schade, dafs er nicht n\u00e4her angiebt, wie er dazu gekommen ist, in jenen feinen Schleimf\u00e4den Kan\u00e4le zu erkennen! Die gr\u00fcnen Spiraib\u00e4nder seien im direkten Zusammenh\u00e4nge mit den Centralorganen, und aus den Spiralb\u00e4ndern ziehe sich der gr\u00fcne Inhalt sp\u00e4ter in das Centralorgan zur\u00fcck, um die glatte oder strahlige Kugel zu bilden, welche zuletzt in den einzelnen Gliedern einzeln sichtbar ist; leider kann ich keine dieser Angaben best\u00e4tigen.\nBei diesem so complicirten Baue, welchen die Spiro-gyren zeigen, erfolgt die Conjugation der F\u00e4den ganz in derselben Art, wie wir es vorhin bei den anderen Con-ferven kennen gelernt haben, und wir sehen hier wie dort, dafs sich der Zelleninhalt entweder gleich mit dem Auftreten der Befruchtungsw\u00e4rzchen von den W\u00e4nden trennt, und zu einer zusammenh\u00e4ngenden Masse zusammenballt, oder erst einige Zeit nachher, nachdem schon die Conjugation vollst\u00e4ndig erfolgt ist. Bei dem Zusammenballen des Zelleninhaltes wird auch jenes Centralorgan mit seinen F\u00e4den gel\u00f6st, und geht mit der gr\u00fcnen Masse zu der Zelle des conjugirten Fadens \u00fcber, woselbst sich diese Substanzen vereinigen und endlich eine, mehr oder weniger ey-runde oder auch elliptische Kugel bilden, in welcher ich keine Spur jener Centralorgane wiederfinden konnte.\nDie sph\u00e4rische Masse, welche sich in Folge der Conjugation in dem einen der Glieder der Conferve bildet, lagert sich in der Mitte desselben und zeigt alsbald eine\n*) Die Infusionsthierchen etc. pag. 99,","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"423\nungef\u00e4rbte Oberfl\u00e4che, welche anfangs ein schleimiges Ansehen hat, sehr bald aber zu einer wirklichen zarten und ungef\u00e4rbten Membran erh\u00e4rtet, welche die \u00e4ufsere Saamen-oder Sporenhaut bildet. Bei der Gattung Spirogyra, wie es auch die Abbildungen der Sporen in e, e Fig. 12. Tab. X. zeigen, bildet sich sp\u00e4ter eine zweite Haut auf der inneren Fl\u00e4che der ersteren, und diese zweite ist hier nicht nur ausgezeichnet dick, sondern sie zeigt auch eine auffallend sch\u00f6ne gr\u00fcne F\u00e4rbung. Nach einiger Zeit zeigt sich auch der Inhalt dieser Sporen in \u00e4hnlicher spiraler Anordnung, wie wir sie schon in den Gliedern der ausgewachsenen Conferve kennen gelernt haben. Dieses ist die Saamen-bildung in Folge der Copulation der Conferven, indessen ganz \u00e4hnliche Saamen bilden sich auch ohne Copulation in den Gliedern dieser Conferven, und zeigen, so weit ich es habe sehen k\u00f6nnen, ganz dieselbe Gr\u00f6fse und eben dieselbe Structur; ob dieselben aber auch zur Entwickelung kommen, wie jene, die durch Conjugation entstanden sind, habe ich noch nicht bestimmen k\u00f6nnen.\nIn Fig. 13. Tab. X. sind dergleichen Saamen der Spirogyra princeps dargestellt, welche sich ohne Conjugation gebildet haben, und bei Spirogyra quinina ist es sehr allgemein; auch sie zeigten doppelte H\u00e4ute, aber die Masse in ihrem Inneren hat sich zu kleineren Blasen umgebildet, welche wahrscheinlich ebenfalls Sporen sein m\u00f6chten, deren ferneres Verhalten ich aber nicht gesehen habe. Die Bildung dieser kleinen Blasen in dem eigentlichen Saamen ist aber nicht immer bei diesen nicht conjugirten Conferven zu finden, sondern gew\u00f6hnlich ist auch hier die gr\u00fcne Masse spiralig angeordnet.\nDiese Saamen der Spirogyren fallen mit den H\u00e4uten der Conferven-Glieder bald nach ihrer Bildung zu Boden, und hier bleiben sie bis zum n\u00e4chsten Jahre liegen; oftmals bis zur Zeit ihrer Entwickelung immer noch innerhalb der leeren Schlauchh\u00e4ute. Die Entwickelung oder das Keimen dieser Saamen wurde zuerst von Vaucher*)\n*) 1. c. Tab. IV. Fig, 5.","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424\nbeobachtet und durch Abbildungen ziemlich richtig dargestellt, doch hat sich hier\u00fcber von Buch zu Buch eine sehr irrige Ansicht verbreitet. Man glaubt, dafs sich diese Saa-men bei dem Keimen mittelst zweier Klappen \u00f6ffnen, ja von einigen Botanikern wurden diese angeblichen Klappen sogar f\u00fcr cotyledonenartige K\u00f6rper angesehen und es fehlte nur noch, dafs man diese Conferven zu den Dicotyledonen stellte. Eine genauere Beobachtung zeigt jedoch, dafs sich diese Sporen bei dem Keimen an dem einen ihrer Enden durch eine lange und mehr oder weniger unregelm\u00e4fsige Spalte \u00f6ffnen, aus welcher dann ein junger, an beiden Enden zugespitzter Schlauch hervortritt, dessen Inhalt im Anf\u00e4nge noch nicht spiralf\u00f6rmig geordnet ist. Dieser junge Schlauch war in der vollkommen ausgebildeten Spore nichts weiter als die innerste Membran, welche sich beim Keimen auf \u00e4hnliche Weise ausdehnt und verl\u00e4ngert, wie die der Charen-Saamen. Wir haben also an den Saamen der Conferven, welche sich conjugiren, drei besondere H\u00e4ute kennen gelernt; eine \u00e4ufsere ungef\u00e4rbte, eine zweite sehr dicke und bei den Spirogyren gr\u00fcngef\u00e4rbte, so wie eine \u00e4ufserst zarte, welche die innerste Haut bildet, diese letztere kommt aber nicht zur Ausbildung, wenn sich in dem Inneren dieser Saamen noch kleinere bilden, wie in Fig. 13. Tab. X. Die gr\u00fcne Farbe der zweiten Haut, ist der Substanz der Membran so fest insitzend, dafs ich sie selbst durch kochendes Terpenthin-Oel nicht ausziehen konnte.\nEine sehr beachtenswerthe Verschiedenheit bei der Conjugation dieser Conferven ward zwar schon durch Vaucher^j beobachtet, aber von den sp\u00e4teren Botanikern meistens ganz \u00fcbersehen. Es kommen n\u00e4mlich bei den genannten Conferven, wo die gew\u00f6hnliche Conjugation statt findet, auch F\u00e4lle vor, wo sich der Inhalt der Glieder nach erfolgter Conjugation von beiden Seiten aus in Bewegung setzt, sich in der R\u00f6hre der vereinigten Begattungsw\u00e4rz-chen mit einander vereinigt, und auch an diesem Orte die\n*) 1. C. Tab. VII. Fig. 3 und 4.","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"425\nSaamen gebildet werden. Vauclier beobachtete diese Erscheinung an seiner Conjugata decussata und C. pectinata und Lyngbye *) bildet das Zygnema compression in einer Conjugation ab, aus welcher man schliessen m\u00f6chte, dafs hier eine \u00e4hnliche Vereinigung stattgefunden habe, obgleich die Zeichnung hierzu nicht in allen St\u00fccken pafst.\nNoch auffallender zeigt sich diese Art der Conjugation bei den in Fig. 14 und 15. Tab. X. abgebildeten Conferven; auch hier geschieht die Sporenbildung nach erfolgter Conjugation nicht in den Gliedern, sondern in dem Inneren der zur Conjugation gebildeten seitlichen Ausw\u00fcchse. Bei diesen Conferven erfolgt jedoch die Conjugation nicht an allen nebeneinander liegenden Gliedern, sondern in gewissen, mehr oder weniger regelm\u00e4fsigen Abst\u00e4nden, wodurch eine kettenf\u00f6rmige Verbindung entsteht. Fig. 15. e und k zeigt die Bildung der Spore durch die Anschwellung der bei der Conjugation vereinigten Masse, und hier zeigt sich auch der Fall, dafs die Conferve cd, welche auf der einen Seite mit dem Faden ab conjugirt ist, sich auf der anderen Seite noch mit dem Faden hi verbindet.\nBei einer anderen Conferve entdeckte Roth eine \u00e4hnliche Conjugation, wie bei den wahren Conjugaten Vau-cher\u2019s, nur mit dem Unterschiede, dafs sich die Glieder dieser Conferve, wenn sie die Conjugation eingehen, knief\u00f6rmig kr\u00fcmmen; Roth nannte defshalb diese Conferve: C. genuflexa, und Herr Agardh hat sogar die besondere Gattung Mougeotia darauf gegr\u00fcndet. Indessen schon nach Lyngbye?s vortrefflichen Abbildungen zeigte es sich, dafs sich diese sogenannte Conferva genuflexa auch in der Art der wahren Conjugaten conjugirt, und ich habe dieses nicht nur selbst mehrfach beobachtet, sondern habe auch \u00f6fters gesehen, dafs die Conferva bipunctata, welche sich gew\u00f6hnlich wie die Spirogyren conjugirt, mitunter aber auch wie Conferva genuflexa, was hinreichend sein m\u00f6ge, um zu zei-\n*) I. c. Tab. 58. 2.\n\u00a5*) Schrader\u2019s Journal f\u00fcr die Botanik. I. 1800. pag, 70.","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426\ngen, dafs dergleichen Charactere weder zur Begr\u00fcndung der Art, noch zur Begr\u00fcndung der Gattung anzuwenden sind.\nDiese knief\u00f6rmige Conjugation sieht man zu allen Jahreszeiten sehr h\u00e4ufig, es geh\u00f6rt aber wohl zu den gr\u00f6fsten Seltenheiten, wenn man die gebildete Spore in den conju-girten Gliedern antrifft, denn bei sehr h\u00e4ufiger Beobachtung dieses Gegenstandes habe ich niemals das liebergehen des Inhaltes des einen Gliedes in die H\u00f6hle des anderen Gliedes wahrgenommen, und ich glaube, dafs dieses in der Natur auch wirklich nicht geschieht. Dagegen habe ich den auffallenden Fall gesehen, wo sich auf der convexen Seite des gebogenen Gliedes zwei andere Conferven derselben Art mit ihren Enden, aufgesetzt hatten ; sie standen in geringer Entfernung auseinander, und schon waren die Scheidew\u00e4nde an den vereinigten Stellen resorbirt.\nEndlich kommt die Erscheinung der Conjugation noch bei mehreren der kleineren Algen vor, wovon einige noch namenlos umherirren; bei den Closterien dagegen ist sie schon seit einiger Zeit bekannt geworden, und zwar durch die vortreffliche Arbeit, welche Herr Morren*) im Jahre 1835 \u00fcber die Closterien geliefert hat; derselbe beobachtete einmal an wahren Individuen die wahre Conjugation durch Bildung von \u00e4hnlichen Begattungsw\u00e4rzchen, wie wir sie bei den Conjugaten kennen gelernt haben. Die Bildung der Spore erfolgte hierauf durch Vereinigung des gr\u00fcnen Inhaltes der beiden verbundenen H\u00e4lften, aber nicht in der H\u00f6hle des Closterium\u2019s, sondern in der, durch die Verwachsung der Begattungsw\u00e4rzchen entstandenen R\u00f6hre, welche sich allm\u00e4lich zu einer aufserordentlichen Gr\u00f6fse ausdehnte um die grofse Kugel zu fassen, aus welcher sich wieder ein neues und zwar den alten gleich grofses Individuum entwickelt. Nach den mitgetheilten Abbildungen erfolgt diese Conjugation nicht nur mit den concaven Seiten, sondern auch auf den convexen, wie ich es ebenfalls\n\u00a5) Sur les Clost\u00e9ries. Ann. des scienc. nat. Ser. II. T. V. 1836. pag. 257.","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"427\nein einziges Mal zu sehen Gelegenheit hatte, aber nur an der k\u00fcrzeren H\u00e4lfte, welche die Closterien so h\u00e4ufig zeigen, wenn sie durch Selbsttheilung entstanden sind, wor\u00fcber erst sp\u00e4ter die Rede sein wird. In einem anderen Falle (Fig. 37. Tab. 11.) sah Herr Morren in Folge solcher Conjugation eine grofse elliptische Blase von gr\u00fcner Farbe entstehen, worin zwei besondere Sporen gebildet waren, wozu aber auch die ganze Masse beider Individuen verbraucht wurde. Aufserdem beobachtete Herr Morren mehrmals die Conjugation von 4 Individuen, wovon sich 2 und 2 in der Mitte der concaven Fl\u00e4che ber\u00fchrten, und dann zu 2 und 2 mit den Spitzen der k\u00fcrzeren Enden vereinigten. In einem anderen Falle (Fig. 23.) sah er die Bildung einer Kugel im Mittelpunkte des ClosteriunTs, wobei sich die H\u00f6rner sehr stark zusammenkr\u00fcmmten, und die convexe Seite mit derselben eines anderen gleichgebildeten sich ber\u00fchrte. Herr Morren war hierin sehr gl\u00fccklich, denn die meisten dieser F\u00e4lle der Conjugation sind bei uns noch nicht beobachtet worden; vielleicht ist Belgien sehr reich an Closterien, denn ich selbst sah 1827 im Garten zu Loewen in einen K\u00fcbel, worin Nymphaeen standen, dafs das ganze Wasser mit einer, mehrere Linien hohen, sch\u00f6n gr\u00fcn gef\u00e4rbten Schicht bedeckt war, welche g\u00e4nzlich aus Closterien bestand. Bei Closterium lineatum Ehr. sah Herr Ehrenberg*) schon 1832 mehrmals 2 ganz leere Panzer, mit der convexen Biegung einander zugekehrt, dicht beisammen liegend, mit einer offenen Querspalte in jedes Mitte einander gen\u00e4hert, und zu beiden Seiten desselben, zwischen ihnen 2 grofse, runde gr\u00fcne Kugeln, welche Erscheinung ihn an die Saamenbildung der Confervae conju-gatae erinnerte; wof\u00fcr er sie aber keineswegs hielt. Auch mir scheint es, dafs dieser von Herrn Ehrenberg beobachtete Fall keine wahre Conjugation war, und demnach Herrn Morren die Entdeckung dieser Erscheinung bei Clo-\n*) Organisation in der Richtung des kleinsten Raumes. Driller Beitrag. Berlin 1834. pag. 95.","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\nsterium zukommt. Ich habe im Vorhergehenden die Fortpflanzung der Conferven durch Conjugation so ausf\u00fchrlich behandelt, indem sie die einzige ist, welche man bei diesen Gew\u00e4chsen mit der geschlechtlichen Fortpflanzung der h\u00f6heren Pflanzen einigermafsen vergleichen kann. Die Conjugation ist eine, nur den Pflanzen zukommende Fortpflanzungsweise.\nWir haben schon im Vorhergehenden gesehen, dafs die Bildung der Saamen selbst bei den wahren Conjugate!! ebenfalls ohne Conjugation im Inneren der einzelnen Glieder stattfinden kann; diese Art der Saamenbildung ist aber bei den Conferven die h\u00e4ufigste, und sowohl hier, wie in allen \u00fcbrigen F\u00e4llen der Saamenbildung bei den Algen kann man die Frage aufstellen, ob diese Gebilde, durch welche sich die Algen wirklich fortpflanzen, als Saamen oder ob sie als Knospen zu betrachten sind. Diese Frage ist schon seit langer Zeit aufgestellt, und sie geh\u00f6rt zu denjenigen, welche nicht so recht beantwortet werden k\u00f6nnen. Wir werden sehen, dafs bei vielen Algen, obgleich ihnen alle Spur einer geschlechtlichen Verschiedenheit zu fehlen scheint, dennoch mehrfache Bildungen von Fortpflanzungsorganen Vorkommen, wo man geneigt sein m\u00f6chte die einen f\u00fcr Saamen, die anderen dagegen f\u00fcr Knospen zu halten. Wir m\u00fcssen aber den Begriff festhalten, dafs die Bildung des Saamen\u2019s nur durch geschlechtliche Vereinigung erfolgt, und daher \u00fcberall Knospen oder knospenartige Gebilde erkennen, wo die Fortpflanzung ohne jene stattzufinden scheint. Hier kommt uns die Benennung: Spore, welche man f\u00fcr die saamenartigen Gebilde der Cryptogamen gegeben hat, sehr zu Nutze.\nDie Lagerung des Inhaltes der Conferven-Schl\u00e4uche wird bei der systematischen Botanik gelehrt, weshalb ich darauf verweisen kann, um mich hier nur mit den Ver\u00e4nderungen zu besch\u00e4ftigen, welche bei der Sporenbildung im Inneren der Schl\u00e4uche der Conferven vor sich gehen. Einer der interessantesten F\u00e4lle ist bei der Sporenbildung der Vaucherien zu beobachten, er wurde von dem Recen-","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"429\nsenten des Vaucher sclien Werkes \u00fcber die Conferven*) zuerst beobachtet, und von Trentepohl **) beschrieben. Man sah an den Vaucherien, welche unter Wasser wach-sen***'), dafs sich die Spitzen der angeschwollenen Aeste \u00f6ffnen und dafs eine, sich lebhaft bewegende Kugel zur Oeffnung hinaustrat, wefshalb man die Erscheinung mit dem Geb\u00e4ren lebender Keime verglich. Der Vorgang hierbei verh\u00e4lt sich ungef\u00e4hr auf folgende Weise: Man sieht unter dem Mikroskope, dafs die Spitzen der Aeste allm\u00e4lich anschwellen, indem immer mehr und mehr von der gleich-m\u00e4fsigen Sporenmasse der F\u00e4den dieser Conferve nach der Spitze hin aufsteigt. Endlich bildet sich aus dieser gleich-m\u00e4fsigen, schleimigen, sch\u00f6n gr\u00fcngef\u00e4rbten und etwas k\u00f6rnigen Masse dicht an der Spitze eine runde oder ovale Sporenkugel; zuweilen bildet sich unter dieser noch eine zweite und dritte, doch gew\u00f6hnlich springt bald nach der Bildung der ersten Spore die Spitze auf und nun tritt die Spore hinaus. Die Oeffnung ist nicht immer grofs genug und dann mufs sich die Spore zu einer elliptischen Form zusammenschniiren um hinaus zu kommen -{-). H\u00e4ufig geschieht die Bildung der Spore erst aufserhalb des Schlauches; es tritt eine gewisse Masse der weichen Substanz zum Schlauche hinaus, zieht sich hier wie in einen Tropfen zusammen, der sehr bald an Consistenz gewinnt, und sich mit grofser Lebhaftigkeit bewegt. Die Bildung der Sporenhaut erfolgt hier sehr schnell, und zwar durch Erh\u00e4rten des Schleimes, welcher sich auf der Oberfl\u00e4che zeigt. Die Bewegung dieser sehr grofsen Sporen ist sehr auffal-\n*) S. Hall. Allg. lit. Zeit. 1805. n. 10. pag. 76.\n**) 1. c. Roth\u2019s Botanisch. Bemerk, etc. 1807. pag. 180.\nAnmerkung. In meinen Beitr\u00e4gen zur Physiologie und Systematik der Algen. \u2014 N. Acta. Acad. G. L. C. T. XIV. pag. 452. \u2014 habe ich nachgewiesen, dafs die Gattung Ectosperma aus Vaucherien besteht, welche im Wasser wachsen, und daselbst nur selten besondere Saamenkapseln tragen, die den Vaucherien zukommen.\nS. die Abbildungen in Fig. 29 \u2014 31. lab. XXIX. in meiner Abhandlung \u00fcber die Entwickelung, Metamorphose und Fortpflanzung der Vaucherien a. a. O.\n/","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430\nlend; schon Trentepolil beobachtete sie zu vvillkiihrlich und zu ver\u00e4nderlich, als dafs sie durch \u00e4ufsere Ursachen zu erkl\u00e4ren w\u00e4re; sie bewegen sich bald vorw\u00e4rts, bald seitw\u00e4rts, bald langsamer fortgehend, und dazwischen ruhen sie. Treffen sie, sagt Trentepohl, auf dem Wege einen Gegenstand, so lenken sie bei Zeiten seitw\u00e4rts ab, oder kehren um u. s. w. Herr Valentin*) beobachtete, dafs sich diese Sporen, sobald sie zum Austritte aus den Spitzen der Aeste reif sind, spiralig bewegen, sich n\u00e4mlich best\u00e4ndig um ihre Achse drehen, und dabei eine progressive Bewegung annehmen, so wie sie aus der Oeffnung des Astes hervorgetreten sind. Ich selbst sah dieses Drehen der Spore um ihre eigene Achse gleichfalls, doch sie geschieht nicht immer, und die Drehung geschieht bald nach der einen, bald nach der anderen Seite.\nTrentepohl sah, dafs die Anschwellung der Spitze der Aeste besonders des Nachts erfolgte, und dafs dann der Austritt der Sporen gegen Morgen eintrat, und etwa bis Mittag w\u00e4hrte, um welche Zeit sie dann gew\u00f6hnlich alle leer waren; er beobachtete ferner, dafs die ausgetretenen Sporen schon nach 10 Tagen abermals Sporen gebende Pfl\u00e4nzchen erzeugt hatten. Diese sich bewegenden Sporen der Vaucherien sind verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig sehr grofs, wobei sie aber auch unter sich von verschiedener Gr\u00f6fse sind; sie erscheinen als einfache, mehr oder weniger kugelrunde Blasen von schleimiger Substanz, auf deren innerer Fl\u00e4che die griingef\u00e4rbte k\u00f6rnige Substanz abgelagert ist. Wenn man den Inhalt dieser Vaucherien-F\u00e4den genauer untersucht, so wird man an den Spitzen und im Inneren der Fr\u00fcchte-tragenden gekr\u00fcmmten Aestchen mehr oder weniger feine und selbstbewegliche Molek\u00fcle beobachten, \u00fcber deren Function sich jedoch nichts Bestimmtes ermitteln l\u00e4fst. Bei ihrer Entwickelung zur jungen Pflanze dehnt sich die Kugel etwas in die L\u00e4nge, und es wachsen dann an der Spitze oder an der Seite einzelne, oder auch meh-\n*) Linnaea von 1838. pag, 122.","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"431\nrere Schl\u00e4uche hervor, welche als unmittelbare Forts\u00e4tze oder Ausdehnungen der Sporenhaut zu betrachten sind, wie ich es auf der Tafel zu meiner Abhandlung \u00fcber die Vaucherien dargestellt habe.\nDie Vaucherien, als ungegliederte und vielfach sich ver\u00e4stelnde Conferve, bringt ihre Sporen an den Spitzen der Aeste hervor, bei vielen der gegliederten Conferven treten dieselben dagegen zu den Seiten hinaus. Man hat das Hervortreten der Sporen aus dergleichen Conferven sehr h\u00e4ufig beobachtet; eine vollst\u00e4ndige Nachweisung \u00fcber diesen Vorgang glaube ich fiir Polysperma glomerata \\ auch. (Conferva glomerata Auct.)*) gegeben zu haben. Die Schl\u00e4uche dieser Conferve bilden um die Zeit, wenn die Sporen zur Reife kommen, kleine unregelm\u00e4fsige Anschwel-. hingen, welche zu den Seiten der Enden hervortreten und 1 sich \u00f6ffnen, um den Sporen den Ausgang zu gestatten. Die Oeffnung ist sehr regelm\u00e4fsig und durch eine cylinde-rische Einfassung umgeben; sie findet sich jedesmal zur Seite des Endes des Schlauches, und gew\u00f6hnlich haben ganze Reihen aufeinander folgender Schl\u00e4uche diese Oeff-nungen auf einer und derselben Seite, mitunter kommt es aber auch vor, dafs einzelne Glieder die Oeffnung gerade auf der entgegengesetzten Seite zeigen. So wie das Con-f fervenglied sich \u00f6ffnet, tritt die Sporenmasse zur Oeffnung allm\u00e4lich hinaus und nun sieht man, dafs sich in der gek\u00f6rnten Masse, dem fr\u00fcheren Inhalt des Confervengliedes, kleine H\u00e4ufchen durch Vereinigung von mehr oder weniger Partikelchen gebildet haben. Alle diese H\u00e4ufchen, wie auch die noch einzeln gebliebenen Partikelchen, welche s\u00e4mrnt-lich gr\u00fcngef\u00e4rbt sind, haben selbstst\u00e4ndige Bewegung, welche sich oft mit gr\u00f6fster Lebhaftigkeit zeigt. Oft bewegen -- sich diese H\u00e4ufchen schon innerhalb des Gliedes, und zwar nicht nur von Unten nach Oben, um aus der Oeffnung hervorzutreten, sondern frei nach allen Richtungen hin, bis sie endlich ebenfalls austreten, oder auch, wenn sie gr\u00f6fser\n*) Nova Acta Ac. C. L. G. T. XPV. pag. 447. etc.","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432\nsind als die Oeffnung, darin Zur\u00fcckbleiben und sich hier zu neuen Pfl\u00e4nzchen ausdehnen. Mehrmals beobachtete ich solche H\u00e4ufchen vor ihrem Austritte aus den Gliedern bis zu ihrer ferneren Entwickelung aufserhalb derselben; ich sah diese H\u00e4ufchen 10 bis 15 Minuten und noch l\u00e4nger in ihrer lebhaften Bewegung, und w\u00e4hrend dieser Bewegung\u201c bemerkte man die Bildung einer schleimigen Alembran auf ihrer Oberfl\u00e4che, wobei die einzelnen etwa hervorragenden Partikelchen derselben mit der Schleimmasse verschmolzen, in welchen die Oberfl\u00e4che bald nach ihrem Austritte erh\u00e4rtet. Es findet also auch hier eben dieselbe Bildung\u201c der Zellenmembran statt, welche wir fr\u00fcher bei der Bildung des Eyweifsk\u00f6rpers im Inneren des Embryosackes kennen gelernt haben. Mit diesem Verschmelzen der Masse auf der Oberfl\u00e4che des H\u00e4ufchen\u2019s ist die umschliefsende Haut gegeben, welche alsbald erh\u00e4rtet, und nun erkennt man darin die Spore, deren freie Bewegung mit der Bildung der Sporenhaut aufh\u00f6rt.\nBeobachtungen \u00fcber die freie Bewegung der Sporen gegliederter Conferven und anderer Algen sind in sehr grofser Anzahl vorhanden, ich habe dieselben in einer fr\u00fcheren Arbeit: Ueber selbstbewegliche Molek\u00fcle, welche Herr Nees von Esenbeck im 4ten Bande der Uebersetzun0,\nO\nvon Herrn Robert Brown\u2019s Schriften aufnahm, im Jahre 1829 zusammengestellt, und seit jener Zeit haben sich dergleichen Beobachtungen allj\u00e4hrlich vermehrt. Mertens*) beobachtete die selbstbeweglichen Sporen der Conferva compacta und C. mutabilis nach ihrem Austritte aus den Gliedern und wurde dadurch zu der Ansicht verleitet, dafs Infusionsthierchen und Conferven n\u00e4her verwandt seien, als man gew\u00f6hnlich glaube. Herr L. Treviranus best\u00e4tigte die Beobachtungen von Mertens, und gab eine genauere Beschreibung dieser Erscheinung von der Conferva compacta Roth**), wobei sich die Beobachtung findet, dafs die sich\n\u00a5) Weher und Mohr\u2019s Beitr\u00e4ge zur Naturkunde 1805. pag. 349.\n**) S. Treviranus Vermischte Schriften. II. pag. 79.","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"433\nbewegenden Sporen dieser Conferve aus einem, der Sonne ausgesetzten Wasser fortzogen, und sich in den beschatteten Theil desselben lagerten. Herr Treviranus drehte n\u00e4mlich den Teller, worin sich jene Sporen auf der beschatteten Seite in Form einer gr\u00fcnlichen Wolke befanden, in der Art um, dafs Letztere von der Sonne beschienen wurden, und es dauerte nicht 5 Minuten, so hatten sich die Sporen wieder in den Schatten gezogen und zwar in Streifen, deren langsames Fortschreiten er deutlich sehen konnte.\nIn der neuesten Zeit hat Herr Agardh jun. diese selbstst\u00e4ndige Bewegung der Sporen auch an den Meeres-Algen vielf\u00e4ltig beobachtet*), und wenn gleich diese Erscheinungen von verschiedenen Seiten her theils bezweifelt, theils durch h\u00f6chst mechanische Erkl\u00e4rungen in ihrer Bedeutung herabgew\u00fcrdigt sind, so k\u00f6nnen wir denn doch mit gutem Gewissen den Satz aufstellen, dafs die Sporen der meisten Algen im Zustande der Reife eine freie Bewegung besitzen, welche als eine Erscheinung des Lebens anzusehen ist, und nicht aus \u00e4ufse-ren Ursachen erkl\u00e4rt werden kann. Sowohl durch die \u00e4ufsere Form, wie auch haupts\u00e4chlich durch ihre Bewegung, haben diese Sporen der Algen, besonders die einiger Conferven, einige Aehnlichkeit mit wirklichen Infusorien, und es haben bekannte Gelehrte defshalb die Ansicht aufgestellt, dafs auf der Grenze zwischen Pflanzen und Thieren eine und die n\u00e4mliche organische Materie bald als Infusorium dem Thierreiche, bald als bewegungsloser, aber wachsender gr\u00fcner Elementartheil dem Pflanzenreiche n\u00e4her angeh\u00f6rt. Indessen die genauesten Beobachtungen der neuesten Zeit haben weder mich noch andere Botaniker gelehrt, dafs aus einem Infusorio eine Pflanze, oder aus einer niederen Pflanze ein Infusorium hervorgehen kann, und dennoch finden wir dergleichen Angaben in so vielen B\u00fcchern, und sie werden immer weiter nachgeschrieben, wenn sie\n*) S. L\u2019Insfltut Nro. 104. pag. 230. und die ausgezeichnete Arbeit in den Ann. des scienc. natur. 1836. Oct.\nMe y en. Pfl. Pliys. III.\n28","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"334\nauch auf den fl\u00fcchtigsten Beobachtungen beruhen. Jene Bewegungen der Algensporen sind h\u00f6chst mannigfaltig, und so etwas l\u00e4fst sich weniger gut beschreiben, als wenn wir sie als frei und selbstst\u00e4ndig bezeichnen; und wenn einige Naturforscher hierbei die Bemerkung machen, sie glaubten nicht, dafs jene Bewegungen der Algensporen willk\u00fchrlich seien, so kann man ihnen erwiedern, dafs hier von einer Willk\u00fchr, wie bei den h\u00f6heren Thieren allerdings nicht die Rede sein k\u00f6nne, wohl aber von einer Willkiihr, wie wir sie den Pflanzen zuzuschreiben berechtigts ind, und wor\u00fcber in der folgenden Abtheilung dieses Buches die Rede sein wird. Die Ursache der Bewegung dieser Sporen ist uns freilich g\u00e4nzlich unbekannt, von Cilien oder anderen Bewegungsorganen ist hier gar nichts zu sehen, und wir bemerken auch durchaus keine Formver\u00e4nderungen an den Sporen w\u00e4hrend ihrer Bewegung, wodurch dieselbe vielleicht erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnte.\nIn einigen anderen F\u00e4llen zeigt sich die Sporenbildung der Algen im Inneren ihrer Glieder oder Zellen unter sehr auffallenden Erscheinungen, wovon wir einige wiederum speciell kennen lernen wollen. Die Sphaeroplea annulina Ag. (Conferva annulina Roth.) ist eine \u00fcberaus zarth\u00e4utige, lang gegliederte Conferve, die sich schleimigt und glatt anf\u00fchlt, \u00e4hnlich den Spirogyren; sie ist gew\u00f6hnlich von sch\u00f6ner gr\u00fcner Farbe, wird aber sehr oft um die Zeit, wenn sie Sporen bildet, r\u00f6thlich braun gef\u00e4rbt, und zwar durch die Farbe der Sporen und der Contenta ihrer Glieder. Der Inhalt ihrer Glieder ist in der Art gleiehm\u00e4fsig vertheilt, wie es die Abbildung in Fig. 17. Tab. X. bei g g zeigt; um die Zeit aber, wenn sich Sporen bilden, l\u00f6fst sich die Masse von den W\u00e4nden, und tritt in mehr oder weniger grofse Kugeln zusammen, wie es bei f, e und e in obiger Figur zu sehen ist. Meistenteils geschieht diese Bildung der Kugeln in dem ganzen Gliede gleiehm\u00e4fsig und fast in einer und derselben Zeit, so dafs die H\u00f6hle desselben alsdann in ihrem ganzen Verlaufe mit dergleichen, mehr oder weniger gleich grofsen Kugeln angef\u00fcllt ist, wie","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"435\nes in Fig. 17. Tab. X. von c d bis b zn sehen ist. Diese Kugeln sind Sporen, welche ich nach ihrem Austritte in die L\u00e4nge wachsend beobachtet habe; sie zeigen meistens eine sehr zarte Haut, doch in der Spore k sieht man nicht nur eine dicke Umh\u00fcllung, welche auf doppelte Haute schlie-fsen liefse, sondern es scheint auch, dafs das Innere dieser Blase wiederum mit kleineren gef\u00fcllt ist. In den \u00fcbrigen Sporen sieht man hier und da einzelne helle K\u00f6rner, welche nichts weiter als Amylum sind. Aufserdem sieht man noch bei i, i, dafs ein zartes und durchsichtiges Zellengewebe in der Art zwischen den Sporen verl\u00e4uft, als wenn in jeder Zelle eine besondere Spore gebildet w\u00e4re; ich habe indessen bei Beobachtung einer grofsen Anzahl von Individuen, dieses zarte Gewebe zwischen den Sporen nur einmal gesehen, und glaube mit Bestimmtheit sagen zu k\u00f6nnen, dafs sich die Sporen in diesem Falle nicht innerhalb solcher Mutterzellen bilden. Die Conferva annulina Roth, erhielt ihren Namen durch die niedlichen gr\u00fcnen Ringe, welche in ihren Gliedern, gleich den Ringen der ringf\u00f6rmigen Spiralr\u00f6hren mehr oder weniger parallel aufgestellt sind; diese Ringe werden aus der gr\u00fcnen Substanz gebildet, welche in einem fr\u00fcheren Zustande gleichm\u00e4fsig die inneren W\u00e4nde der Glieder bekleidet, und zwar geschieht diese Bildung auf eine sehr merkw\u00fcrdige Weise, welche ich durch die Abbildung in Fig. 16. Tab. X. deutlich zu machen gesucht habe. Die gr\u00fcne Substanz n\u00e4mlich, welche anfangs gleichm\u00e4fsig ausgebreitet ist, bildet Blasen, welche sich immer mehr und mehr vergr\u00f6fsern und, indem sie mit einander zusammenstofsen, sich in parallelen Fl\u00e4chen aufein-anderlegen, so dafs dadurch scheinbare Scheidew\u00e4nde gebildet werden; hier und da finden sich an diesen Stellen des Zusammenlegens noch kleinere Blasen, welche ebenfalls aus der weichen, schleimigen und sch\u00f6n gr\u00fcn gef\u00e4rbten Substanz bestehen, und an vielen Stellen, wie z. B. bei g, g, g sieht man, dafs jene gr\u00fcne Substanz in besonderer Menge zwischen den neu entstandenen Blasen und der Wand des Gliedes aufgeh\u00e4uft ist, so wie auch in den Zwi-\n28*","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436\nschenr\u00e4umen, welche bei der Aneinanderlagerung der Blasen \u00fcbrig bleiben. In dem untersten Theile des Gliedes, als bei kk ist diese gr\u00fcne Masse sehr stark angeh\u00e4uft, so dafs sie ganz schw\u00e4rzlich erschien; bei i ist die Substanz nicht mehr so dunkel, und bei hh bildet sich so eben die Wand einer neuen Blase. Die K\u00fcgelchen, welche man bei f, f, f und e dargestellt findet, erschienen von gr\u00fcner Farbe, in ihrem Inneren befand sich aber Amylum. Ich habe diese Bildung so umst\u00e4ndlich beschrieben und getreu dargestellt, weil hier eben dasselbe im Grofsen zu sehen ist, was die Zellenbildung in den H\u00e4rchen und Schl\u00e4uchen der h\u00f6heren Pflanzen im Kleinen zeigt; dort, wie hier, liegt das grofse Geheimnifs in der Ursache, durch welche in der gleichm\u00e4fsigen organischen Substanz dergleichen Blasen gebildet werden, denn sind diese erst gebildet, so sieht man ihre W\u00e4nde mit einander zusammenstofsen und verwachsen, wodurch dann die Querw\u00e4nde gebildet sind. Hier bei der Conferva annulina findet dieses allerdings nicht statt, der Schleim, welcher die zarten W\u00e4nde dieser grofsen Blasen bildet, erh\u00e4rtet nicht; nach einiger Zeit l\u00f6sen sich diese Blasen auf, und es bleiben nur die gr\u00fcnen Ringe an den W\u00e4nden zur\u00fcck, von welchen die Pflanze den Namen bekommen hat, und diese gr\u00fcnen Ringe sind dann aus einer Substanz gebildet, welche sich zwischen den Blasen, wie bei f, f angeh\u00e4uft hatte.\nBesondere Aufmerksamkeit verdient auch die Bildung der Sporen in den Closterien, deren Vermehrung in Folge der Conjugation wir schon fr\u00fcher kennen gelernt haben. Ich habe das Closterium Lunula N. in Fig. 24. Tab. X. dargestellt, es geh\u00f6rt zu den einfachsten Algen und jedes Individuum besteht aus einer einzelnen Zelle. Nicht nur in fr\u00fcheren Zeiten hat man dieses kleine Gew\u00e4chs zu den Infusionstierchen gez\u00e4hlt, denn der Vibrio Lunula M\u00fcll, ist eben dasselbe Gesch\u00f6pf, sondern auch Herr Ehrenberg hat dasselbe bis in seinem neuesten Werke den Infusorien angereiht. Es ist etwas sehr seltenes die Closterien mit Sporen zu finden, doch habe ich dieselben zuweilen in","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"437\nunz\u00e4hlbarer Menge in diesem Zustande beobachtet, und zwar an Individuen aus fliefsendem Wasser. Jene gr\u00f6fse-ren gr\u00fcngef\u00e4rbten Kugeln, welche so h\u00e4ufig in der Mittellinie der Closterien und in regelm\u00e4fsiger Entfernung stehend auftreten, bilden sich zu besonderen Sporangien aus, welche, wie es die Abbildung bei f, g, h u. s. w. zeigt, als kugelrunde Blasen auftreten und in ihrem Inneren 7 bis 8 kleine Sporen enthalten. Die Ausbildung dieser Fr\u00fcchte erfolgt mit der Resorbtion der ganzen \u00fcbrigen Substanz, welche fr\u00fcher die H\u00f6hle des Closterium\u2019s anf\u00fcllte, und nach der Reife der Fr\u00fcchte treten die kleinen Sporen hervor, und entwickeln sich durch Dehnung in die L\u00e4nge und Breite zu jungen Closterien, und zwar, wie es die Abbildungen in Fig. 25 und 26. zeigen, nicht nur als einzelne Individuen, sondern zu 2, 3 und selbst zu ganzen H\u00e4ufchen, wie sie vorhin in dem Sporangio befindlich waren. Nach einiger Zeit trennen sie sich und nehmen die gew\u00f6hnliche Kr\u00fcmmung an.\nHerr Ehrenberg, der die Closterien f\u00fcr Thiere h\u00e4lt, nennt jene grofsen K\u00fcgelchen (Saamen?) Dr\u00fcsen, und er w\u00fcrde, h\u00e4tte er diese Art der Fortpflanzung beobachtet, die Sporangien als Eyerst\u00f6cke und die Sporen als Eyer beschreiben; ja er h\u00e4lt selbst jene kleineren zerstreut, zuweilen auch regelm\u00e4fsig gestellt vorkommenden K\u00fcgelchen in den Closterium f\u00fcr K\u00f6rper, welche mit den Saamendr\u00fc-sen der Thiere zu vergleichen w\u00e4ren; diese Ansichten m\u00fcssen aber fernerhin aufgegeben werden, denn ich habe sehr oft gesehen, dafs sowohl diese, als auch jene gr\u00f6fseren Kugeln zu gewissen Zeiten, besonders im Fr\u00fchjahre fast g\u00e4nzlich aus Amylum bestehen. Im Monate Mai des vorigen Jahres habe ich sehr viele Exemplare dieses Closterium\u2019s beobachtet, worin die ganze innere Substanz gek\u00f6rnt war, und alle diese K\u00f6rner durch Jodine die sch\u00f6nste blaue Farbe annahmen, also aus Amylum bestanden, welches kein thierisches Produkt ist.\nAuch bei dem Scenedesmus magnus mihi, welcher in Fig, 30. Tab. X. abgebildet ist, einem Pfl\u00e4nzchen, welches","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nebenfalls von Herrn Ehrenberg unter den Infusorien beschrieben ist, habe ich die Bildung von Sporen beobachtet, wie es die Abbildung zeigt, und die fernere Theilung der daraus sich bildenden jungen Pfl\u00e4nzchen ist ebenfalls zu beobachten. Auch in diesem Pfl\u00e4nzchen habe ich \u00f6fters beobachtet, dafs die einzelnen gr\u00f6fseren K\u00fcgelchen, welche sehr h\u00e4ufig im Inneren derselben regelm\u00e4fsig gestellt auf-treten, zu gewissen Zeiten, besonders gegen das Fr\u00fchjahr zu, in ihrem Inneren Amylum enthalten. Ueber die Vermehrung dieser Pfl\u00e4nzchen durch Theilung habe ich schon im zweiten Theile (pag. 343) dieses Buches gesprochen.\nDie Fruchtbildung bei den Conferven ist sehr h\u00e4ufig mit Anschwellungen der einzelnen Glieder begleitet, und zwar findet man auch hierin bei verschiedenen Conferven sehr grofse Verschiedenheiten; bei einigen schwellen die letzten Glieder der verschiedenen Aeste zu ellipsoidischen Blasen an, wie bei der Gattung Trentepohlia, wo aber auch gar nicht selten s\u00e4mmtliche Glieder in eben derselben Art anschwellen, daher hierauf die Gattung nicht zu gr\u00fcnden ist. Bei anderen Conferven schwellen nur einzelne Glieder mehr oder weniger an, so dafs sie entweder elliptisch oder ganz rund werden; Vaucher gr\u00fcndete hierauf die Gattung Prolif\u00e9ra. In sehr vielen F\u00e4llen findet man aber, dafs sich die Glieder der Conferven ellipsoidisch formen, ohne dafs dadurch irgend eine Fruchtbildung bezweckt wird, ja mitunter, wie bei Conferva glomerata und deren Verwandten sieht man mehrere solcher Glieder, zu zwei und zu drei zusammen anschwellen, wie wenn sie zu einem Gliede geh\u00f6rten, und dennoch erfolgt dabei noch keine Fruchtbildung.\n\\iele andere Conferven zeigen ihre Sporen in besonderen Kapseln, welche meistens kugelrund oder ellipsoidisch gestaltet und an den Spitzen oder den Seiten gelagert sind. Diese besonderen Sporenkapseln sind aus einzelnen Gliedern hervorgebildet und man kann sie als die ersten Glieder neuer Aeste betrachten. Bei der sogenannten Gattung Trentepohlia, der alten Conferva aurea,","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"439\nhabe ich solche Kapseln in Menge abgebildet;* *) ; bei der Gattung Ectocarpus sind sie verschiedenartig geformt. Die besonderen Kapseln, welche die Vaucherien als ungegliederte Conferven aufzuweisen haben, sind ebenfalls durch blofse Abschn\u00fcrung des angeschwollenen Astendes entstanden, und diese Anschwellungen haben wir schon fr\u00fcher bei der Bildung der grofsen selbstbeweglichen Sporen dieser Pflanzen kennen gelernt. Auch hier ist mit der Bildung der Kapsel die fernere Astbildung unterdr\u00fcckt, und der Stiel kr\u00fcmmt sich seitlich, um aus seinem convexen Bogen den Ast weiter fortwachsen zu lassen.\nUeberaus interessant ist die Vermehrung des ber\u00fchmten Wassernetzes (Hydrodictyon utriculatum R.), welche Vau eher**) zuerst beobachtet hat. Dieses Pfl\u00e4nzchen von sch\u00f6ner gr\u00fcner Farbe bildet einen mehr oder weniger grofsen und geschlossenen Sack, dessen W\u00e4nde aus einem \u00fcberaus niedlichen Netze dargestellt werden; die Maschen dieses Netzes sind meistens 5seitig, oft aber auch 6 und 7 seitig, und jede dieser Seiten wird aus einer schlauchf\u00f6rmigen Zelle dargestellt, welche mit einer gr\u00fcnen Substanz ausgekleidet ist und, \u00e4hnlich wie bei anderen Conferven, eine Menge von festeren K\u00fcgelchen enth\u00e4lt. Die Zellen, welche die W\u00e4nde der Maschen jenes Netzes bilden, sind mit ihren Enden meistens zu drei, zuweilen auch zu vier zusammenh\u00e4ngend, ganz \u00e4hnlich wie bei anderen Conferven, aber das Wichtigste bei dieser Pflanze besteht darin, dafs sich, bei der Vermehrung, in jeder einzelnen Zelle dieses grofsen Netzes eine besondere neue Pflanze bildet, welche nach der Zerst\u00f6rung der Zellen-Membran hervortritt, sich allm\u00e4lich durch Ausdehnung der einzelnen Zellen vergr\u00f6fsert und somit wieder ein neues sackf\u00f6rmiges Netz bildet. Ich habe die Vermehrung dieses merkw\u00fcrdigen Pfl\u00e4nzchen\u2019s bei Blankenburg im Harze (1835) zu beobachten Gelegenheit gehabt, wo sie im Monate Au-\n*) Nova Acta Acad. C. L. C. T. XIV. Tab. XXVIII.\n*\u00a5) Hist, de Conf. etc. pag. 83. T.ab. IX.","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\ngust in grofser Menge vorkam und viele Variet\u00e4ten zeigte: auch bei Berlin und bei Potsdam habe ich sie mehrmals gefunden aber niemals in dem Zustande der Vermehrung. Die schwachen Vergr\u00f6fserungen, welche mir damals zu Gebote standen, erlaubten noch nicht den ganzen Vorgang, bei der Bildung des Netzes in der Mutterzelle zu verfolgen, dessen Kenntnifs aber sehr wichtig w\u00e4re.\nEine der auffallendsten Erscheinungen, welche die Algen behufs ihrer Vermehrung zeigen, ist die Selbst-theilung, es ist dieses eine Erscheinung, welche bei mehreren Thieren schon seit langer Zeit bekannt war; doch diese Thiere geh\u00f6ren zu den niedrigsten, n\u00e4mlich zu den Infusorien, wo die Theilung in der Quere wie der L\u00e4nge nach vorkommt, ja zuweilen theilen sich diese Thiere nicht nur zu zwei, sondern selbst zu drei und zu vier neuen Individuen. Auch bei den Planarien ist diese Selbsttheilung vorkommend.\nMan glaubte diese Erscheinung der Vermehrung durch Selbsttheilung nur den Thieren zuschreiben zu d\u00fcrfen, und hat sie defshalb bei mehreren sehr entschiedenen Pfl\u00e4nzchen als ein Zeichen angesehen, wodurch man haupts\u00e4chlich berechtigt w\u00e4re, dieselben zu den Thieren zu z\u00e4hlen, ja Herr Ehrenberg hat dieses in seinem neuen Werke \u00fcber die Infusorien mit aller Bestimmtheit behauptet, und die Ansicht ausgesprochen, dafs die Selbsttheilung den Pflanzen g\u00e4nzlich fiemd sei. Dergleichen Ansichten m\u00fcssen aber den directen Beobachtungen der neuesten Zeit weichen, und ich glaube im Folgenden beweisen zu k\u00f6nnen, dafs die Vermehrung durch Selbsttheilung eine Erscheinung ist, welche gerade den Pflanzen in einem ausgedehnteren Grade zukommt, als den Thieren.\nDen interessantesten Fall von Selbsttheilung habe ich zuerst bei Merismopedia punctata mihi beobachtet, einer kleinen Alge, aus derFamilie der\u00fclven, welche ichl828 beiPots-dam entdeckte und abgebildet habe*), ich habe seit jener Zeit dieses Pfl\u00e4nzchen sehr h\u00e4ufig beobachtet, und auch keine Spur\n*) Nova Acta Acad. C. L. C. T.XIV, Tab. XXXXIII. Fig.36.","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"441\nvon Zeichen daran wahrnehmen k\u00f6nnen, dafs dieselbe vielleicht zu den Thieren zu z\u00e4hlen w\u00e4re, und dennoch finden wir auch dieses Pfl\u00e4nzchen von Herrn Ehrenberg*) als Infusorium beschrieben und mit dem Beinamen: tran-quillum und glaucum als zwei verschiedene Arten zu der Infusorien-Gattung Gonium gestellt, freilich mit einem ? begleitet. Dieses Pfl\u00e4nzchen bildet eine 4 eckige d\u00fcnne Tafel, welche in ihrer Fl\u00e4che eine gewisse Zahl von griin-gef\u00e4rbten elliptischen Zellchen zeigt, die mit grofser Re-gelm\u00e4fsigkeit neben und unter einander gestellt sind. Am h\u00e4ufigsten trifft man das Pfl\u00e4nzchen mit 16 dergleichen Zellchen, welche zu vier und vier in 4 Reihen unter einander gestellt sind; ein sehr zarter, kaum sichtbarer Schleim, umh\u00fcllt s\u00e4mmtliche neben einander liegende Zellchen. Wenn die Vermehrung dieses Pfl\u00e4nzchen durch Selbsttheilung ein-tritt, so bemerkt man gew\u00f6hnlich, dafs sich jene 16Zellen zu vier und vier voneinander etwas absondern, so dafs dann die einhiillende Schleimmasse zwischen diesen vier besonderen Abtheilungen als etwas breitere und durchsichtige Streifen auftritt, die \u00fcber Kreuz verlaufen; hierauf erfolgt die Theilung der einzelnen Zellchen und diese geschieht entweder in zwei oder in vier gleichgrofsen Thei-len, in letzterem Falle entstehen jedesmal aus den vier abgesondert stehenden Zellen wieder 16, welche anfangs ganz regelm\u00e4fsig zu vier und vier neben und \u00fcbereinander gestellt sind. Nach dieser erfolgten Theilung besteht das Pfl\u00e4nzchen aus vier grofsen quadratischen Theilen zu je 16 Zellchen, und nun pflegt eine Trennung dieser Abtheilungen stattzufinden, worauf sich wieder jede einzelne Abtheilung, ganz wie im Vorhergehenden angegeben wurde, von Neuem in gleiche Theile sondert u. s. w. Gar nicht selten geschieht die Selbsttheilung der Zellchen dieses Pfl\u00e4nzchen in zwei Theile und dadurch wird dann die quadratische Form in eine Rautenform ver\u00e4ndert; aber auch hier, ganz wie in den vorhergehenden F\u00e4llen, geschieht die Ab-\n*) Die Infusionstierchen. 1838. pag. 58. Tab. III. Fig. 3 und 5.","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nSonderung der gr\u00f6lseren Theile und sp\u00e4ter deren vollst\u00e4ndige Abtrennung.\nSchon im vorigen Theile dieses Buches, pag. 343, wurde bei Gelegenheit, als von der Vermehrung der Pflanzenzellen durch Theilung die Rede war, Herrn Morren\u2019s Beobachtung vom Jahre 1830 aufgefiihrt, nach welcher die Vermehrung kleiner Palmellen ebenfalls durch Theilung erfolgt; auch ich habe seitdem diesen Gegenstand mehrmals beobachtet, und kann dar\u00fcber einige nachtr\u00e4gliche Bemerkungen hinzuf\u00fcgen. Die gef\u00e4rbte sph\u00e4rische Masse, welche ein einzelnes Palmellen-Individuum darstelit, ist jedesmal in einer bedeutenden Schleimh\u00fclle eingeschlossen, und im Inneren dieser H\u00fclle, welche man als eine Mutterzelle ansehen kann, erfolgt die Selbsttheiiung jener Masse; es ist hier ein wirkliches Zerfallen in 2, 3 und in 4 ziemlich ganz gleich grofse Theile. Sobald die Theilung erfolgt ist, wird jeder einzelne Theil von einer eigenen Schleimh\u00fclle umschlossen, wobei die erstere allm\u00e4lich re-sorbirt wird, doch mitunter wird sie bedeutend ausgedehnt und man sieht darin noch die neuen Palmellen in ihren besonderen vollst\u00e4ndig ausgebildeten H\u00fcllen eingeschlossen.\nBesonders auffallend erscheint die Vermehrung durch Selbsttheiiung bei der Gattung Closterium, deren Fortpflanzung durch Conjugation wie durch wirkliche Sporen schon im Vorhergehenden gelehrt wurde. Es wurde diese Selbsttheiiung der Closterien durch Herrn Morren, Ehrenberg und durch mich beobachtet; ich gab hiezu in Wieg-mamfis Archiv von 1837 (I. Tab. X. Fig. 2.) eine Abbildung, worin das Pfl\u00e4nzchen vor und nach der Theilung dargestellt wurde. Wenn man die lebenden Closterien beobachtet, so findet man in ihrem Inneren eine solche symmetrische Anordnung, dafs man bald zu der Ansicht kommen kann, dafs hier zwei verschiedene Individuen mit einander verwachsen sind, dafs n\u00e4mlich jedes Horn ein besonderes Individuum darstellt, und dafs daher beide zusammen eine\n*) Bydragen tot de Natuurkundige Wetenschappen V. pag. 55.","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"443\nDoppelpflanze darstellen, wie wir durch Herrn von Nord-mann Doppelthiere kennen gelernt haben. Diese Ansicht hat in der That sehr viel f\u00fcr sich, denn man sieht nicht nur, dafs sich die beiden H\u00e4lften in der Mitte von einander trennen, sondern man sieht auch sehr oft, dafs die Membran des einen Hornes oder der einen H\u00e4lfte, von derjenigen der anderen H\u00e4lfte verschieden gef\u00e4rbt ist; bei dem Allen mufs es hier nur bei der Ansicht bleiben, denn die Duplicit\u00e4t entsteht hier in Folge des Wachsthumes aus der einfachen Zelle, und wiederholt sich sogleich bei dem einzelnen, neugebildeten Individuum. Die Selbsttheilung bei den Closterien erfolgt durch allm\u00e4liche Einschn\u00fcrung der Membran, welche in der Mitte zwischen beiden H\u00f6rnern den K\u00f6rper der Pflanze bildet; sie erfolgt ganz in derselben Art, wie ich es ausf\u00fchrlich bei der Bildung der Saa-men der Lebermoose pag. 393 etc. beschrieben und auch in Fig.35. Tab. XII. durch eine Abbildung dargestellt habe. Ist die Scheidewand vollkommen gebildet, was in Verlauf von wenigen Tagen geschieht, so trennen sich die beiden H\u00f6rner allm\u00e4lich, indem sich die neuen flachen Enden sogleich ausdehnen, zuerst eine stumpfe Gestalt annehmen und sehr bald, n\u00e4mlich schon in 2 oder 3 Tagen die Form eines Hornes zeigen, welches dem des alten Endes mehr oder weniger vollkommen gleich ist. Gleich nach der Bildung der Querw\u00e4nde, wodurch die Theilung erfolgt, ist schon wieder eine neue Theilung des gr\u00fcnen Inhaltes an dem letzten Drittel des dicken Endes zu sehen und hier tritt die Mitte des neuen Individuum\u2019s auf, wo sp\u00e4ter eine abermalige Theilung erfolgen kann. Wenn die Closterien absterben ohne sich fortzupflanzen, dann sieht man nicht selten, dafs ihre Membran gerade in jener Mitte zerf\u00e4llt, ohne dafs sich vorher Abschn\u00fcrungen gebildet haben.\nDie Vermehrung der Oscillatorien geschieht ebenfalls durch Selbsttheilung, zeichnet sich aber noch durch verschiedene Eigenth\u00fcmlichkeiten aus. Ich spreche hier von denjenigen wahren Oscillatorien, welche einen ungegliederten Schlauch zeigen, worin die gr\u00fcngef\u00e4rbte Masse ge-","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\ngliedert auftritt. In fr\u00fchester Zeit, so wie auch an den Spitzen \u00e4lterer Oscillatorien ist diese Gliederung des gr\u00fcnen Inhaltes noch nicht bemerkbar, sie tritt aber allm\u00e4lich durch Selbsttheilung oder durch ein Zerfallen desselben mehr oder weniger regelm\u00e4fsig hervor. Die einzelnen Glieder im Inneren der Oscillatorien sind stets breiter als lang; sie k\u00f6nnen im ausgebildeten Zustande zur Seite durch die \u00e4ufserlich umschliefsende Membran des Schlauches durchbrechen, aber sehr oft habe ich beobachtet, dafs der ganze Inhalt dieser einzelnen Schl\u00e4uche in mehr oder weniger langen St\u00fccken hervortritt, und dafs sich dann die einzelnen Glieder von einander l\u00f6sen. Hiebei habe ich eine sehr merkw\u00fcrdige Bewegung wahrgenommen, indem ich sah, dals sich die langen St\u00fccken des gegliederten Inhaltes bald zum Schlauche hinausbewegten bald wieder mit gleicher Schnelligkeit in ihre fr\u00fchere Lage zur\u00fcckkehrten, wobei aber immer kleine Zwischenr\u00e4ume zwischen den Enden der verschiedenen St\u00fccke \u00fcbrig blieben, wodurch sehr h\u00e4ufig die leeren Stellen zu erkl\u00e4ren sind, welche nicht selten im Inneren der Oscillatorien-Schl\u00e4uche Vorkommen. Die freigewordenen Sporen der Oscillatorien, welche nichts Anderes, als jene Glieder aus dem Inneren des Schlauches sind, dehnen sich alsbald in die Breite zu neuen F\u00e4den aus, welche an beiden Enden Spitzen bilden; es geschieht also hier, bei den Oscillatorien die Bildung der Sporen durch Quertheilung und die gebildete Spore, welche breiter ist als lang, dehnt sich wieder in die Breite aus.\nAuch bei den Nostochineen wird die Vermehrung durch Selbsttheilung ausgef\u00fchrt; die rosenkranzf\u00f6rmigen F\u00e4den, welche bei der Gattung Nostoc mannigfach gewunden in der Gallerte umherliegen, verl\u00e4ngern sich durch best\u00e4ndige Selbsttheilung ihrer einzelnen Bl\u00e4schen. Sobald die alte Nostoc zerf\u00e4llt, treten jene Bl\u00e4schen aus der gallertartigen Masse hervor, und jedes derselben vermag sich zu vergr\u00f6fsern, und zu einem neuen Nostoc umzuwandeln, vorz\u00fcglich aber nur diejenigen, welche sich schon","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"445\nin der alten Pflanze durch besondere Gr\u00f6fse auszeichneteri. Die Sporen bestehen aus einer etwas erh\u00e4rteten und gr\u00fcnlich gef\u00e4rbten Gallertmasse, und sind mit einer schleimigen und wasserhellen Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt; bei der Entwickelung schwillt jene H\u00fclle zu der gallertartigen Masse an, welche dem Kostoc eigen ist, und in dieser Gallerte entstehen Tr\u00fcbungen, aus welchen die ersten Bl\u00e4schen hervorgehen, welche sich durch best\u00e4ndig fortgesetzte Theilung vervielfachen und die rosenkranzf\u00f6rmig aneinandergereihten Sporen-F\u00e4den darstellen. Bei den Rivularien trennt sich jedesmal am unteren Ende der Sporen-bringenden F\u00e4den eine kugelf\u00f6rmige Blase, aber auch am oberen Ende zerf\u00e4llt sp\u00e4ter der gr\u00fcne Inhalt in regelm\u00e4fsige Glieder die mit der Umh\u00fcllung hervortreten und sich zu neuen Individuen ver-gr\u00f6fsern. Bei den Chaetophoren hat schon Lyngbye ganz richtig beobachtet, dafs sich im Inneren der Schl\u00e4uche regelm\u00e4fsige Kugeln bilden, welche der Fortpflanzung vorstehen u. s. w.\nWir haben also die Vermehrung durch Selbsttheilung in verschiedenen F\u00e4llen kennen gelernt und ich brauche jetzt nur noch auf verschiedene Beobachtungen aufmerksam zu machen, welche wir schon in den vorhergehenden Abtheilungen dieses Buches kennen gelernt haben, um dadurch zu erweisen, dafs die Selbsttheilung eine Erscheinung ist, welche in dem Wachsthume der Pflanzen-Substanz ganz allgemein begr\u00fcndet ist. Ich habe im Vorhergehenden nachgewiesen, dafs die Ansicht, als entstehen die Saamen der Moose und Lebermoose im Inneren von Mutterzellen, in mancher Hinsicht zu modificiren ist, denn sie entstehen eigentlich durch Selbsttheilung, und die einzelnen Saamen, werden im wahren Sinne des Wortes von dem gr\u00f6fseren Mutter-Saamen abgeschn\u00fcrt. Ferner haben wir schon im zweiten Theile pag. 345. die Vermehrung der Zellen bei einigen gegliederten Conferven, der Conferva glomerata n\u00e4mlich, durch Abschn\u00fcrung kennen gelernt, und in Fig. 27, 2S und 29. Tab. X. sind einzelne Theile dieser Conferve vor, w\u00e4hrend und nach der Abschn\u00fcrung der seitlich aus-","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\ngewachsenen Glieder dargestellt. Was ich damals mit Herrn Mold eine Theilung der Zellen durch Abschn\u00fcrung nannte, das ist nichts weiter, als eine Selbsttheilung, und hier tritt diese Selbsttheilung als gew\u00f6hnliche Wachsthumserscheinung auf, w\u00e4hrend sie sich bei den Closterien u. s. w. bei der Vermehrung und bei dem Wachsen derselben zeigte.\nWir haben im Vorhergehenden die Sporenbildung der niederen Algen nach ihren wichtigsten Differenzen kennen gelernt, nur bei denjenigen durch Conjugation habe ich hingedeutet, dafs dieser Akt wohl aller Wahrscheinlichkeit nach, als eine geschlechtliche Vereinigung anzusehen sei, wor\u00fcber aber gegenw\u00e4rtig noch nicht mit Bestimmtheit gesprochen werden kann. Es w\u00e4re aber zu w\u00fcnschen, dafs die Naturforscher die Fortpflanzung der Algen zum Gegenst\u00e4nde der genauesten Beobachtung machen m\u00f6chten, denn es scheint, dafs uns hier sehr viele der wichtigsten Erscheinungen, welche auch auf eine geschlechtliche Verschiedenheit bei diesen niederen Gew\u00e4chsen zu deuten w\u00e4ren, noch nicht klar genug vorliegen. Ich habe es vielfach beobachtet, dafs bei sehr verschiedenen Conferven um die Zeit, wenn sie Sporen bilden, eine unz\u00e4hlige Menge von kleinen spiralf\u00f6rmig gedrehten und auch spiralf\u00f6rmig oder wellenf\u00f6rmig sich bewegenden Thierchen auftritt; diese Thierchen, welche mit den Spirillen die gr\u00f6fste Aehn-lichkeit haben, aber in dem grofsen Infusorien-Werke des Herrn Ehrenberg noch nicht verzeichnet sind, kommen nicht nur in dem die Conferven umgebenden Wasser vor, sondern ich habe sie \u00f6fters in gr\u00f6fster Menge im Inneren solcher Conferven-Glieder gesehen, welche soeben Sporen bildeten. Bei der Conferva annulina fand ich dieselbe Erscheinung mehrere Jahre hintereinander, und bei der Abbildung derselben in Fig. 17. Tab. X. habe ich bei 1, 1, 1 einige dieser Thierchen in verschiedenen Stellungen dargestellt. Ich habe zwar nicht beobachtet, dafs diese Gesch\u00f6pfe einen Antheil bei der Sporenbildung dieser Pflanze hatten, aber ihr Vorkommen im Inneren unverletzter Con-","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"447\nferven-Glieder und ihre grofse Aehnlichkeit in Form und Bewegung mit den geschw\u00e4nzten Saamenthierchen der Moose u. s. w. dieses veranlafst mich zu ferneren Beobachtungen \u00fcber diesen Gegenstand aufzufordern, denn es w\u00e4re doch m\u00f6glich, dafs jene Spirillen-artigen Thierchen blofse Saamenthierchen der Conferven w\u00e4ren.\nSehr allgemein ist aber das Auftreten von kleinen und regelm\u00e4fsig grofsen K\u00f6rperchen im Inneren der Algen, welche mit einer sehr lebhaften Molekular-Bewegung begabt sind; ihr Erscheinen ist in einigen F\u00e4llen so \u00fcberaus regelm\u00e4fsig, dafs man wohl auf eine tiefe Bedeutung derselben zu schliefsen berechtigt ist. Es ist dieser Gegenstand zuerst bei der Gattung Closterium zur Sprache gekommen, wo dergleichen K\u00f6rperchen in besonderen H\u00f6hlen an der Spitze der H\u00f6rner *) Vorkommen und sehr mannigfach gedeutet sind. Herr Gruithuisen **) sah die eigene Bewegung dieser Molek\u00fcle in den H\u00f6rnern der Closterien zuerst; er sah dieselben f\u00fcr die Saamenk\u00f6rner an und sagte von ihnen, dafs sie sich fortw\u00e4hrend bewegten***). Herr Morren will sp\u00e4ter beobachtet haben, dafs diese sich bewegenden K\u00f6rperchen zu j\u00fcngeren Closterien auswachsen, und wenn diese Angabe best\u00e4tigt w\u00fcrde, so h\u00e4tte Herr Gruithuisen die ganze Erscheinung, gleich bei der Entdeckung derselben richtig gedeutet, doch es kommt mir t\u00e4glich immer zweifelhafter vor, ob Herrn Morren\u2019s Angabe \u00fcber diesen Punkt so ganz richtig ist f). Im Jahre 1829 wurden jene beweglichen K\u00f6rperchen in den Spitzen der Closterien auch durch Herrn Ehrenberg ff) entdeckt; er\n*) S. c bei a Fig. 24. Tab. 10.\n\u00a5\u00a5) Beitr\u00e4ge zur Physiognosie etc. pag. 322. Tab. II. Fig. 40.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Vergl, pag. 252 des zweiten Bandes, f) Anmerkung. Ich will hiemit keinesweges Herrn Morren\u2019s Beobachtungen in Zweifel ziehen, die ich im Gegentheile sehr sch\u00e4tze, aber \u00fcber den vorliegenden Gegenstand kann man sich nur gar zu leicht t\u00e4uschen und Herr Morren hat denselben auch nicht vollst\u00e4ndig verfolgen k\u00f6nnen.\nff) Isis von 1830\u00bb pag. 168.","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nerkannte darin 12\u201420 Papillen, welche zuweilen hervorragten und die Ortsver\u00e4nderung bedingten. Sp\u00e4ter (1831.) erschienen sie Herrn Ehrenberg mehr wimperartig mit schwacher Bewegkraft. Bei Closterium setaceum beschrieb Herr E. * *), dafs dicht am Ende 2 bis 4 bewegliche Punkte Vorkommen, welche er fiir Bewegungsorgane halte, die mit feinen Wimpern durch End\u00f6ffnungen nach aufsen ragen, deren verdickte Basis (!) aber jene leichten sichtbaren Kn\u00f6tchen bilden. In dem neuen Infusorienwerke (1838.) sagt endlich Herr Ehrenberg bei der Beschreibung der Gattung Closterium (pag. 89.), dafs die Bewegungsorgane sehr kurze, zarte und durchsichtige Organe in Form von coni-schen Papillen w\u00e4ren, welche in der N\u00e4he der, von ihm f\u00fcr Oeffnungen angegebenen Einkerbungen liegen, und nur sehr wenig hervorschiebbar sein sollen. Auch noch mehrere andere sehr auffallende Vermuthungen hat Herr Ehrenberg ebendaselbst \u00fcber die Bedeutung jener selbstbeweglichen K\u00f6rperchen ausgesprochen, welche aber s\u00e4mmtlich unhaltbar sind. Man vergleiche nochmals, was ich im 2ten Theile pag. 252. \u00fcber die Bewegung dieser K\u00f6rperchen mitgetheilt habe, nachdem ich an denselben beobachtet hatte, dafs sie aus ihrer Molekular-Bewegung in eine rein fortschreitende, \u00e4hnlich wie bei den Rotationsstr\u00f6mungen in den Zellen \u00fcbergehen k\u00f6nnen.\nSehr abweichend ist das Vorkommen dieser selbstbeweglichen, etwas ellipsoidischen K\u00f6rperchen, die ich f\u00fcr kleine Bl\u00e4schen halte, bei dem \u00fcberaus niedlichen Closterium, welches Herr Ehrenberg als Cl. Trabecula (1830.) beschrieben und neuerlichst*) abgebildet hat. Auch bei dieser Art findet sich in der N\u00e4he eines jeden Endes eine runde, meistens etwas ellipsoidische H\u00f6hle, worin eine grofse Menge von jenen beweglichen, br\u00e4unlich r\u00f6thlichen K\u00f6rperchen befindlich sind; beide H\u00f6hlen sind aber, was Herr E. \u00fcbersehen hat, durch einen cylinderischen Kanal\n\u00a5) S. Beitrag zur Kenntnifs grofser Organisation in der Richtung des kleinsten Raumes. Berlin 1834. pag, 96.\n*\u00a5) Die Infusionsthierchen etc. 1838. Tab. VI, Fig. II,\n\\","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"449\nverbunden, der in der Mittellinie durch die ganze Pflanze verl\u00e4uft, und ebenfalls sehr stark mit \u00e4hnlichen K\u00f6rperchen gef\u00fcllt ist, ganz wie die beiden H\u00f6hlen an den Enden. Es ist wahrscheinlich, dafs dieser lange Kanal mit den beweglichen K\u00f6rperchen in allen Individuen dieser Art vorhanden ist, aber er ist nicht immer zu sehen, indem h\u00e4ufig die W\u00e4nde des Pfl\u00e4nzchen\u2019s so stark mit gr\u00fcner, hier und da gek\u00f6rnter, oft grofse Amylum-K\u00fcgelchen enthaltender Substanz bekleidet sind, dafs sie vollkommen undurchsichtig werden. In einem grofsen Individuum von Closterium Trabecula, wo dieser Kanal fast der ganzen L\u00e4nge nach sichtbar war, habe ich nach einer ungef\u00e4hren Sch\u00e4tzung 5 \u2014 600 solcher beweglicher K\u00f6rperchen gesehen. Mitunter ist dieser Kanal nur an einzelnen Stellen sichtbar, die zuweilen sogar in regelm\u00e4fsigen Entfernungen auftreten.\nDafs die Closterien .dennoch zu den Thieren geh\u00f6ren, solle endlich durch die Oeffnungen erwiesen werden, welche Herr Ehrenberg an den Enden derselben beobachtet zu haben glaubt, indessen ich kann hierin nicht beistimmen, sondern ich halte dasjenige, was f\u00fcr Oeffnungen angesehen ist, f\u00fcr eine blofse Einkerbung oder Vertiefung in der \u00e4u-fseren Membran, und diese Kerbe erscheint auch nicht einmal bei allen Closterien - Arten ; ja gerade bei dem gew\u00f6hnlichsten Closterium, an welchem Herr Morren seine Beobachtungen angestellt hat, und auch von mir in Tausenden und Tausenden von Individuen beobachtet und in Fig. 24. Tab. X. abgebildet ist, fehlen jene angeblichen L\u00f6cher. Eine \u00e4hnliche Einkerbung in der Membran, nur auf der inneren Fl\u00e4che sitzend, erscheint in der kugelf\u00f6rmigen Spitze der Brennhaare unserer Nessel, die aber ebenso wenig als Oeffnung anzusehen ist.\nHerr Ehrenberg hat auch im Inneren derjenigen Pfl\u00e4nzchen, welche er in seiner Gattung Euastrum auff\u00fchrt und unter den Infusorien beschreibt, \u00e4hnliche H\u00e4ufchen beobachtet, welche aus schwarzen, beweglichen Punkten bestehen *), und in anderen F\u00e4llen sah er den ganzen inneren\n*) S. das dritte Heft seiner Beitr\u00e4ge etc. pag. 101 etc. Me yen. Pfl, Physiol. IIJ.\t29","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\nRaum dieser Pfl\u00e4nzchen wie mit lebenden Monaden gef\u00fcllt. In dem neuen Infusorien werke (pag. 161) spricht sich Herr Ehrenberg \u00fcber die selbstbeweglichen K\u00f6rperchen dieser Pfl\u00e4nzchen sehr unbestimmt aus und scheint sie f\u00fcr lebendig geb\u00e4rende Brut zu halten, auch geben die Abbildungen dieser Pfl\u00e4nzchen auf Tab. XII. jenes Werkes nur einen schwachen Begriff von den niedlichen Formen dieser Gattung. Sowohl bei den Closterien als auch bei den sogenannten Euastren habe ich zuweilen gesehen, dafs diese, sich bewegenden K\u00f6rperchen absterben und in Amylum-K\u00fcgelchen verwandelt werden, wobei sie auch ihre eigene Farbe verlieren und durch Jodine blau gef\u00e4rbt werden; von Closterium habe ich einen \u00e4hnlichen Fall in Fig.24. Tab. X. bei d eingezeichnet, und in Fig. 31. ebendaselbst ist die H\u00fclle eines Euastrum\u2019s worin s\u00e4mmtliche K\u00fcgelchen aus Amylum bestehen. Bei einigen gr\u00f6fseren Formen dieser Pfl\u00e4nzchen sind diese beweglichen K\u00f6rperchen in sehr grofser Anzahl vorhanden, es ist oft der gr\u00f6fste Theil in jeder H\u00e4lfte damit erf\u00fcllt, und man kann Hunderte z\u00e4hlen, welche sich dar\u00fcber und darunter mit besonderer Lebhaftigkeit bewegen. Ich habe keinen Grund zu ver-muthen, dafs diese K\u00f6rperchen f\u00fcr lebendig zu geb\u00e4rende Brut zu halten sind, und das Auftreten derselben unter \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen bei mehreren Conferven giebt mir hierin noch Unterst\u00fctzung. Es k\u00f6nnte indessen sein, und k\u00fcnftige Beobachtungen werden dar\u00fcber entscheiden, dafs diese selbstbeweglichen K\u00f6rperchen mit den Saamenthier-chen der anderen Pflanzen zu vergleichen w\u00e4ren, und dafs ihr Auftreten auch in diesen so niederen Gew\u00e4chsen von einer geschlechtlichen Differenz zeige. Den Beobachtern der Algen wird es bekannt sein, dafs man im Inneren der gr\u00fcnen Substanz der gegliederten Conferven hie und da einzelne r\u00f6thliche oder br\u00e4unliche K\u00f6rperchen findet, welche eine eigene Bewegung zeigen und sonst in jeder Hinsicht mit jenen zu vergleichen sind, von denen vorhin bei den Closterien die Rede war, aber den auffallendsten Fall der Art, habe ich an einer Conferve beobachtet, welche in","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"451\nden Fig. 1, 3, 4 und 5. Tab. X. dargestellt ist, die ich aber erst an einem anderen Orte, n\u00e4her systematisch bestimmen werde ; sie wuchs auf den Schalen verschiedener Schnecken eines stehenden Gew\u00e4ssers und war gew\u00f6hnlich nur 3 bis 4 Glieder lang, doch in eben demselben Wasser kam sie auch an Grashalmen sitzend vor und war dann sehr lang. In Fig. 3. bei c und bei d, so wie in Fig. 5. bei f e sieht man mitten in der Masse, welche gr\u00fcn gef\u00e4rbt war, einen hellen elliptischen Raum, worin eine Menge kleiner Bl\u00e4schen von gleicher Gr\u00f6fse enthalten sind, dieselben waren von braunr\u00f6thlicher Farbe und zeigten eben dieselbe Bewegung wie jene in den Spitzen der Closterien u. s. w. In den jungen Conferven-F\u00e4den von Fig. 1. zeigte sich das Auftreten solcher K\u00f6rperchen unweit der Spitze a; sie bewegten sich mitten in der gr\u00fcnen Masse, hatten aber noch keine besondere H\u00f6hle in derselben. An dem Faden, der in Fig. 5. dargestellt ist, zeigte sich in dem Gliede b c eine \u00fcberaus \u00fcberraschende Bewegung, wie ich dieselbe noch in keinem anderen Falle gesehen habe; ich glaubte im Anf\u00e4nge, dafs das ganze Glied auf der inneren Fl\u00e4che mit Cilien bekleidet sein m\u00fcsse, doch nach einigen Stunden wurde die Bewegung etwas langsamer, und nun konnte man erkennen, dafs eine Anzahl \u00e4hnlicher br\u00e4unlicher K\u00f6rperchen, wie jene in der H\u00f6hle von e f, im Inneren des Gliedes befindlich war, und dafs sich diese in \u00e4hnlichen Bogenlinien mit gr\u00f6fster Schnelligkeit bewegten, wie ich sie in der Abbildung durch feine Linien angedeutet habe. Dergleichen Bewegungen habe ich niemals an monadenar-tigen Infusorien beobachtet. Bemerkenswerth erscheint die geringelte Bildung, welche das vordere Ende vieler Glieder der in Fig. 1 \u2014 6. Tab. X. abgebildeten Conferven zeigt; es ist dieses eine Erscheinung, welche ganz analog der Ringelbildung ist, die man in den hornartigen Schl\u00e4uchen der Campanularien beobachtet. Auch bei jenen Polypen tritt diese Bildung erst bei zunehmendem Alter auf, und so verh\u00e4lt es sich auch bei den Conferven, und zwar bei sehr verschiedenen Arten der gegliederten Pfl\u00e4nzchen dieser\n29*","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452\nFamilie. Die Bildung beginnt mit einer Verdickung der Membran; dann treten die Einschn\u00fcrungen auf, welche nicht spiralf\u00f6rmig verlaufen, sondern in Kreisen horizontal \u00fcber einander stehen. Mitunter, wie bei c d Fig. 4. und f g Fig. 3. Tab. X. scheint es als wenn diese geringelte Substanz eine ganz neue Bildung w\u00e4re, welche sich \u00fcber der alten Membran abgelagert hat.\nBei der unter dem Namen der Conferva vesicata bekannten Alge, habe ich den Zusammenhang solcher beweglichen K\u00f6rperchen mit der Sporenbildung deutlicher wahrzunehmen geglaubt; ich habe in Fig. 23. Tab. X. ein Endchen einer solchen Conferve dargestellt, an welchem der Utriculus c d blasenf\u00f6rmig angeschwollen ist und nach sp\u00e4ter erfolgender L\u00f6sung aus seiner Verbindung mit den angrenzenden Schl\u00e4uchen die Frucht bildet; hier ballt sich die gr\u00fcne Masse mit mehreren Amylum-K\u00fcgel-chen im Inneren zusammen und rund herum, wie bei g, g u. s. w. fanden sich eine Menge solcher br\u00e4unlicher Molek\u00fcle, welche sich bewegten, sp\u00e4ter aber mit dem Ballen im Inneren zusammenschmolzen. Diese wenigen Angaben m\u00f6gen hinreichen, auf diesen wichtigen Gegenstand von einem anderen Gesichtspunkte aus aufmerksam gemacht zu haben; ich glaube nicht, dafs wir uns schon gegenw\u00e4rtig mit der Ansicht beruhigen d\u00fcrfen, dafs bei diesen niederen Gew\u00e4chsen keine Geschlechtsverschiedenheit vorkomme, dieselbe scheint vielmehr sehr allgemein zu sein.\nBei den Batrachospermen hat man noch keine besondere Fruchtbildung beobachtet, aber Vaucher*) machte auf die Knospen aufmerksam, durch welche sich diese Conferven fortpflanzen. Das Batrachospermum monili-forme, welches in Deutschland so allgemein ist, hat man noch lange nicht genug beobachtet, ja man hat auch hier wieder Arten aus Variet\u00e4ten gemacht. Die Pflanze verh\u00e4lt sich dem Habitus nach ziemlich \u00e4hnlich einigen Cha-renformen, sie besteht aus einem Mittelfaden, welcher\n*) Hist, de Conf, d\u2019eau douce pag, 110 etc,","page":452},{"file":"p0453.txt","language":"de","ocr_de":"453\neine gew\u00f6hnliche gegliederte Conferve ist, aus deren Knoten sehr zahlreiche quirlf\u00f6rmig gestellte zarte und kurzgegliederte Aeste hervorgehen, die wiederum verzweigt sind und deren Spitzen in haarf\u00f6rmige Schleimf\u00e4den aus-laufen. In den Axillen dieser Aeste kommen die Knospen zum Vorscheine, welche sich \u00e4hnlich den Knospen der Gattung Ceratophyllum verhalten. Die einzelnen Internodien des Hauptfaden\u2019s zeigen im \u00e4lteren Zustande noch sehr beachtenswerthe Erscheinungen; es wachsen n\u00e4mlich mehrere von den wirtelf\u00f6rmig gestellten Aesten nach Unten herab und diese legen sich unmittelbar auf die Oberfl\u00e4che der einfachen Membran des Schlauches, welcher das Internodium bildet ; ich habe oftmals 5, 6 bis 10 solcher herabwachsenden Aeste beobachtet, welche ganz parallel verlaufen, sich allm\u00e4lich bis zum n\u00e4chsten Knoten hinziehen, und dadurch dem Schlauche ein regelm\u00e4fsig gestreiftes Ansehen geben. Sp\u00e4ter wachsen aber viele der einzelnen Glieder dieser herabgewachsenen und festsitzenden Aeste ebenfalls zu neuen gegliederten Aesten aus, welche im rechten Winkel vom Hauptfaden aus verlaufen und dadurch auch der Oberfl\u00e4che der Internodien ein behaartes Ansehen geben. Diese Aestchen kommen aber nicht an den Enden der einzelnen Glieder, sondern unmittelbar aus der Mitte derselben hervor, ganz so, wie sich die Papillen auf den Epidermiszellen bilden; alle \u00fcbrige Entwickelung geschieht dann wie bei den \u00fcbrigen gegliederten Conferven.\nVon der Fortpflanzung der Pilze.\nDie Vermehrung der Pilze geschieht auf eben so mannigfaltige Weise, wie die der Algen, ja ihre Formverschiedenheit ist noch weit gr\u00f6fser als bei jener Familie. Man hat sich schon \u00f6fters \u00fcber den Rang gestritten, welchen die Algen und die Pilze im Systeme einzunehmen haben, viele Botaniker haben die Algen \u00fcber die Pilze gestellt, andere dagegen stellen die Pilze h\u00f6her als die Algen ; auch ich stimme f\u00fcr die letztere Ansicht, wenn man n\u00e4mlich die Gesammtheit der Formen dieser Familie gegen jene der","page":453},{"file":"p0454.txt","language":"de","ocr_de":"454\nAlgen stellt. Vergleicht man aber die niederen Formen der Pilze gegen die niederen Formen der Algen, z. B. die Mucedines gegen die Conferven, so scheint es mir, dafs die Algen etwas h\u00f6her stehen, als jene Pilze. Betrachtet man aber den ausgebildeten Fructifications-Apparat bei den Hymenomyceten, wie wir ihn sp\u00e4ter kennen lernen werden, so kann gar kein Zweifel \u00fcbrig bleiben, dafs diese Pilze h\u00f6her zu stellen sind als die Algen, bei welchen man keine solcher Formen kennt.\nAuch hier bei den Pilzen, wie vorhin bei den Algen, kann ich in diesem Buche wegen Mangel an Raum nur die wichtigsten Arten der Fructifications-Bildung und der Fortpflanzung auff\u00fchren, indem dieser Gegenstand zu weitumfassend ist.\nAm gew\u00f6hnlichsten geschieht die Frucht-oder Saamen-bildung bei den niederen Pilzen durch Abschn\u00fcrung oder Selbsttheilung ihrer Schl\u00e4uche ; eine Reihe von verschiedenen F\u00e4llen m\u00f6chte es sehr bestimmt erweisen, dafs man hier die Bildung der Saamen durch Abschn\u00fcrung mit jener Vermehrung der Algen durch Selbsttheilung, welche wir fr\u00fcher kennen gelernt haben, vergleichen kann. Ich habe auf Tab. X. Fig. 20 und 21. richtige Abbildungen von P\u00e9nicillium glaucum gegeben, wo man an den Spitzen der Aestchen die Bildung der Sporen durch Abschn\u00fcrung verfolgen kann; an \u00fcppig wachsenden Individuen, wie bei e und f Fig. 21. daselbst, geht die vollkommene Abl\u00f6sung einer wahren Zusammenschn\u00fcrung des Schlauchendes voraus, Bei gr\u00f6fseren Gew\u00e4chsen der Art ist diese Bildung der Sporen durch Abschn\u00fcrung der Schlauchenden noch viel vollkommener zu sehen, und bei Verticillium agarici-num habe ich den ganzen Vorgang vollst\u00e4ndig verfolgen k\u00f6nnen. Die Spitze des im Anf\u00e4nge vollkommen cylin-drischen Schlauches schwillt zuerst kugelf\u00f6rmig an, wobei alsbald eine Trennung dieser Kugel von der H\u00f6hle des Schlauches durch Bildung einer Querwand erfolgt uad nun erst kommt die Spore zur vollst\u00e4ndigen Entwickelung ihrer Gr\u00f6fse und Form.","page":454},{"file":"p0455.txt","language":"de","ocr_de":"455\nBei den wahren Entophyten, welche in den Zellen anderer Pflanzen, als Folge eines abnormen Bildungspro-zesses auftreten, ist die Entstehung derjenigen Gebilde, welche wir mit Sporen zu bezeichnen pflegen, gar sehr deutlich durch Abschn\u00fcrung oderSelbsttheilung zu verfolgen. Bei der Gattung Ustilago, womit Herr Link den Getreidebrand belegt hat, ist dieses besonders leicht zu sehen, und ich habe k\u00fcrzlich *) \u00fcber die Entwickelung des Brandes der Mays-Pflanzen eine Abbildung gegeben.\nBesondere Aufmerksamkeit verdient die Vermehrung . der kleinen Fadenpilze, welche in den g\u00e4hrenden Substanzen Vorkommen und als Arten der Gattung Saccharomyces bezeichnet werden **). Saccharomyces cerevisiae habe ich in Fig. 22. Tab. X. dargestellt; der Form nach sind . sich alle Individuen gleich, nur in Hinsicht der Gr\u00f6fse\n-\tsind sie von einander verschieden, denn die einzelnen zeigen F\u00e4den von 2 und von 8 oder mehreren zusammenh\u00e4ngenden Gliedern, zu deren Seiten Aeste und Zweige hervorgehen, welche oftmals wiederum eine mehr oder weniger lange Reihe von Gliedern zeigen. Die Herrn Cogniard-Latour und Schwann haben schon beobachtet, dafs die neuen Glieder dieses Pfl\u00e4nzchen\u2019s an den Spitzen der Endglieder hervorwachsen, so wie die Glieder der\nr Aeste seitlich hervorsprossen, und auf der angef\u00fchrten Abbildung habe ich dieses Hervorwachsen der neuen Glieder aus den \u00e4lteren so getreu wie m\u00f6glich darzustellen gesucht. Unsere gegenw\u00e4rtigen Instrumente lassen es nicht deutlich sehen, dafs die einzelnen Glieder aus doppelten H\u00e4uten bestehen, was jedoch wahrscheinlich ist, sie zeigen aber, wie aus der Spitze eines Gliedes, wie bei e ein kleines schmales Bl\u00e4schen hervorw\u00e4chst, welches sich immer\n-\tmehr ausdehnt, wie bei f und wie bei g; um diese Zeit ist noch eine offene Communication zwischen dem neuen\n*) S. Wiegmann\u2019s Archiv etc. III. Jahrg. Tab. X.\nM. s. \u00fcber diesen Gegenstand die ausf\u00fchrlichen Mittheilungen in meinem Jahresbericht der physiologischen Botanik von 1837. Berlin 1838. pag. 100.","page":455},{"file":"p0456.txt","language":"de","ocr_de":"456\nund dem alten Gliede wahrzunehmen, wenn aber das neue Glied ziemlich vollst\u00e4ndig ausgebildet ist, dann sind sie vollst\u00e4ndig von einander getrennt, wie es auch die \u00e4lteren Glieder in der Abbildung zeigen. An solchen ausge-bildeten G\u00e4hrungspilzen sind die Glieder sehr locker mit einander verbunden und trennen sich sehr bald, aber ein jedes dieser, durch Zerfallen des Fadens hervorgegangenen Glieder, treibt an der Spitze wieder neue Glieder und entwickelt sich wieder zu mehr oder weniger grofsen neuen Pfl\u00e4nzchen. Ich kenne keinen Fall, in welchem sich Sporenbildung durch gew\u00f6hnliches Wachsen deutlicher zeigt als gerade hier, denn ein jedes Glied dieser Pflanze ist zugleich ein Gebilde, durch welches die Mutterpflanze vermehrt wird; ja es m\u00f6chte noch passender sein, wenn man diese Glieder mit Knospen vergleichen wollte. Bei den Gattungen Monilia, Torula, Oideum u. s. w. verh\u00e4lt es sich ziemlich \u00e4hnlich, doch entstehen hier die einzelnen Sporen durch Abschn\u00fcrung aus dem schon gebildeten cy-lindrischen Faden, w\u00e4hrend bei dem Saccharomyces die neue Spore oder Knospe stets aus der \u00e4lteren hervorw\u00e4chst.\nDie Mucedines, wie z. B. die Gattungen Mucor, Aspergillus und alle diejenigen, welche man nach einer, nicht nachzuahmenden Weise daraus gemacht hat, verhalten sich in Hinsicht ihrer Fruchtbildung sehr \u00e4hnlich einigen Con-ferven; ihre Schl\u00e4uche bilden an den Spitzen ihrer Enden besondere Sporenkapseln, welche mehr oder weniger grofs erscheinen, bald kugelrund bald ellipsoidisch, und in anderen F\u00e4llen feigenf\u00f6rmig sind und aus doppelten H\u00e4uten gebildet werden. Diese doppelten H\u00e4ute sind bei dieser Art von Fruchtbildung stets zu beobachten; sehr oft l\u00f6st sich die \u00e4ufsere Haut ab und zeigt sich in ihrem zur\u00fcck-bleibenden Rudimente als ein, von der platten Basis der Frucht zur\u00fcckgeschlagener Schirm. Wenn der Mucor Mucedo unter Wasser wachsen mufs, so kann man daran \u00e4hnliche Kr\u00fcmmungen der Frucht-tragenden Aeste beobachten, wie wir sie bei den Vaucherien pag. 412 kennen","page":456},{"file":"p0457.txt","language":"de","ocr_de":"457\ngelernt haben; auf der convexen Seite w\u00e4chst der Ast wieder weiter aus und bildet neue Fr\u00fcchte u. s. w. In der H\u00f6hle der inneren Fruchthaut findet sich eine Menge von ellipsoidischen Sporen, welche nach dem Platzen der Fruchthaut ausgestreut werden. Auch diese Sporen von Mucor Mucedo zeigen zuweilen im Wasser freie Bewegung, \u00e4hnlich jener der Conferven-Sporen; auch zeigt jene Pflanze noch sehr viele \u00e4ufserst merkw\u00fcrdige Erscheinungen, welche hier nicht weiter mitgetheilt werden k\u00f6nnen, nur eine andere Art der Sporenbildung mufs noch angedeutet werden, welche diese Pflanze zuweilen zeigt, wenn sie lange unter Wasser wuchs. Die Wasserformen derselben zeigen n\u00e4mlich d\u00fcnnere und sehr h\u00e4ufig gegliederte Schl\u00e4uche; in den ungegliederten bilden sich dann und wann grofse ellipsoidische Sporen, welche der L\u00e4nge nach in der R\u00f6hre des Schlauches liegen, sich zuweilen noch durch Bildung von Querw\u00e4nden in zwei Theile thei-len und sp\u00e4ter, [nach der Zerst\u00f6rung des umschliefsenden Schlauches zu neuen Individuen auswachsen.\nInteressanter zeigt sich die Fruchtbildung bei der ber\u00fchmten Achlya prolif\u00e9ra Nees v. Esenbeck, welche auf abgestorbenen thierischen und vegetabilischen Theilen unter Wasser zur Entwickelung kommt; sie ist ungef\u00e4rbt, fast g\u00e4nzlich ungegliederte, zuweilen auch ver\u00e4stelnde Schl\u00e4uche zeigend, welche an den Enden kolbenf\u00f6rmig anschwellen und darin die Sporen bilden. Die Abbildungen von dieser Pflanze, welche ich in Fig. 18 und 19. Tab. X. gegeben habe, sind nach Exemplaren, welche an einer in Wasser liegenden Spinne entstanden waren. In Fig. 19. ist der Fruchtkolben eines Astes dargestellt, woran man sieht, dafs auch hier die Sporen d, d, etc. in besonderen Mutterzellen gebildet wurden, wie sie bei e, e deutlich zu sehen sind. Die Substanz der W\u00e4nde dieser Mutterzellen, wie auch die der Fruchth\u00fclle ist jedoch so weich, dafs die Sporen, welche zuweilen schon in den Mutterzellen zu Entwickelung der jungen Pflanze kommen, durch diese W\u00e4nde hindurchbrechen und auf der Oberfl\u00e4che der Frucht mit","page":457},{"file":"p0458.txt","language":"de","ocr_de":"458\nihren Keimschl\u00e4uchen erscheinen. In Fig. 18. wurde ein Theil einer gr\u00f6fseren Pflanze der Art dargestellt; acbd sind die Seitenw\u00e4nde des grofsen Schlauches, dessen oberes Ende ganz dicht mit Sporen gef\u00fcllt war, wie bei f, welche mit gr\u00f6fster Regelm\u00e4fsigkeit geordnet auftraten, aber keine Spur der Mutterzellen zwischen sich zeigten. In dem unteren Ende dieses Schlauches, von e bis b d erkennt man, dafs der Inhalt noch mit einer inneren Haut umschlossen ist, die bei e eine vollst\u00e4ndige Querwand bildet. Der Inhalt des Schlauches, bestehend in \u00e4ufserst kleinen Partikelchen von ziemlich gleicher Gr\u00f6fse, welche in \u2019der wasserhellen Fl\u00fcssigkeit desselben enthalten sind, befand sich in best\u00e4ndiger Bewegung und zwar zeigten die Partikelchen eine Menge von Str\u00f6men, welche sich nach verschiedenen Richtungen hin bewegten, wie es durch die Pfeile angedeutet wird. Ich habe hier nur die Str\u00f6me in der oberen H\u00e4lfte des Schlauches aufzeichnen k\u00f6nnen; es waren deren noch eben so viele in der unteren H\u00e4lfte. An dem Ende des Schlauches drehten sich die Str\u00f6me um, und sich gegenseitig wieder vereinigend, und sich an anderen Stellen wieder trennend, liefen sie nach der entgegengesetzten Richtung, ziemlich ganz ebenso, wie wir es bei der Rotationsstr\u00f6mung in den Haaren von Pentaste-mon coeruleum u. s. w. kennen gelernt haben. Nur f\u00fcr diejenigen Anf\u00e4nger in der Botanik, welche diesen Theil des Buches fr\u00fcher lesen sollten, als den zweiten, habe ich noch zu erinneren, dafs diese Str\u00f6me nicht etwa in besonderen Gef\u00e4fsen verlaufen, wie dergleichen von Herrn C. H. Schultz in solchen F\u00e4llen gelehrt werden, sondern frei im Zellensafte auftreten. Dafs sich die Sporen dieser Achlya einige Zeit hindurch frei bewegen, \u00e4hnlich denjenigen der Vaucherien, so wie auch die Entwickelung derselben zu neuen Pfl\u00e4nzchen, habe ich an einem anderen Orte umst\u00e4ndlich angegeben *).\n*) S. Nova Acta Acad. C. L. C. nat. cur. Tom. XV. P. II. pag. 374. Tab, LXXIX.","page":458},{"file":"p0459.txt","language":"de","ocr_de":"459\nBei diesen Fadenpilzen kommt auch Fruchtbildung durch Conjugation vor, und diese zeigt sich auf \u00e4hnliche Art, wie die Conjugation der Conferven (S. pag. 425.); es ward diese Erscheinung bei den Pilzen zuerst durch Herrn Ehrenberg *) beobachtet, und zwar bei der Gattung Syzy-gites. Die aufrecht stehenden, ungegliederten Schl\u00e4uche bilden seitliche warzenf\u00f6rmige Anschwellungen, welche sich aneinander legen und worauf zwischen beiden eine grofse Spore gebildet wird, indem der Inhalt jener Warzen hervortritt und sich mit einander vereinigt. Eine solche Conjugation ist bis jetzt noch bei keinem anderen Pilze beobachtet worden, wohl aber findet bei diesen, und besonders bei den h\u00f6heren Formen eine Conjugation der F\u00e4den, woraus der Thallus derselben besteht, sehr h\u00e4ufig statt, welche aber nicht mit Sporenbildung begleitet ist, also \u00e4hnlich wie bei der Conjugation der sogenannten Conferva genuflexa, und wir werden \u00fcber diesen Gegenstand bald nachher etwas ausf\u00fchrlicher sprechen.\nBei einer sehr grofsen Reihe von Pilzen, wovon die Gattungen Helvella, Peziza u. s. w. die bekanntesten sind, treten die Sporen im Inneren von Schl\u00e4uchen (thecae) auf, welche auf der Oberfl\u00e4che des Pilzes in grofser Menge nebeneinander sitzen, und bei der Reife der Sporen zur ge\u00f6ffneten Spitze hinaustreiben. Man kann das Hervortreten dieser Sporen bei hellem Sonnenschein in Form eines feinen Staubes wahrnehmen, und bei den Morcheln ist es zuweilen so stark, dafs sie rauchend erscheinen, und sp\u00e4ter auf der ganzen Oberfl\u00e4che mit einem weifsen Anfluge bedeckt sind, welcher aus unz\u00e4hligen dieser Sporen besteht. In dieser Art, n\u00e4mlich im Inneren von besonderen Schl\u00e4uchen, treten die Sporen noch bei einer sehr grofsen Anzahl von Pilzen auf. Bei Peziza habe ich beobachten k\u00f6nnen, dafs die grofsen elliptischen Sporen aus gew\u00f6hnlichen Zellen hervorgehen, welche im Inneren der Sporenschl\u00e4uche\n*) Verhandlungen der Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin. Bd. I. St\u00fcck 2. 1820.","page":459},{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"460\nder Reihe nach aufeinander stehen. Die ausgestreueten Sporen der Helvellen kommen sehr leicht zur Entwickelung ; man darf die alten Pflanzen nur unter eine Glasglocke stellen, so keimen die Sporen in grofser Menge auf der Oberfl\u00e4che des Pilzes. Die Sporen zeigen doppelte H\u00e4ute; die \u00e4ufsere Membran ist bedeutend dicker und fester als die innere, und das Auftreten von 2 regelm\u00e4fsig gestellten und gleichgrofsen Kernen im Inneren dieser Sporen ist eine l\u00e4ngst bekannte Erscheinung. Wenn sich diese Sporen zu jungen Pflanzen entwickeln, so springt an irgend einer Stelle die \u00e4ufsere Haut in Form einer kleinen Oeflhung auf, und es w\u00e4chst die innere Haut in Form eines zarten Schlauches hervor; sehr oft kommen zwei solcher Keimschl\u00e4uche an verschiedenen Punkten zu gleicher Zeit hervor, und meistens ziemlich regetm\u00e4fsig an den Enden. Mit dem Hervortreten der Keimschl\u00e4uche geht eine bedeutende Ver\u00e4nderung im Inneren der Sporen vor sich; in den meisten F\u00e4llen werden beide Kerne zu einer schleimigen Substanz aufgel\u00f6st, und der Schleim bildet eine Art von Gewebe in der H\u00f6hle der Spore, \u00e4hnlich dem Seifenschaum, welches sich immer mehr verliert, je weiter jene Schl\u00e4uche hervorwachsen. Mitunter bleiben jene beiden Kerne noch lange Zeit hindurch in dem Inneren der Spore zur\u00fcck und werden nur aus ihrer nat\u00fcrlichen Lage verschoben, woraus wohl sehr deutlich das Resultat hervorgeht, dafs jene Kerne nicht unmittelbar auf die Entwickelung der Keimschl\u00e4uche Einflufs haben.\nBei den Hymenomyceten haben die Fructifications-Organe in neuester Zeit die Aufmerksamkeit verschiedener Beobachter auf sich gezogen; nachdem man lange Zeit hindurch die sch\u00f6nen Beobachtungen, welche Micheli \u00fcber diesen Gegenstand angestellt hatte, \u00fcbersah. Micheli *) beschrieb schon an Agaricus-Arten, dafs auf der Oberfl\u00e4che der einzelnen Lamellen \u00fcberall sehr kleine, runde oder halbrunde Saamen Vorkommen, welche bei einigen Arten\n*) Nova genera plantarum pag. 133, Tab. 73.","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"461\nzerstreuet anzutreffen w\u00e4ren, die anderen dagegen zu 4 beisammenst\u00e4nden; und nimmt man noch die Abbildungen Micheli\u2019s hinzu, so geht daraus wohl ganz deutlich hervor, dafs derselbe das Auftreten der freistehenden Saamen, so wie auch deren Stellung zu 4 bei Agaricus Coprinus erkannt hatte. In anderen F\u00e4llen dagegen *) hat Micheli diese freistehenden Saamen ganz verkannt; er nennt sie: flores apetali monostemones, und bildet daneben Saamen ab, welche es gewifs nicht sind.\nVor einigen Jahren ward dieser Gegenstand von mehreren Seiten her von Neuem beobachtet, man glaubte etwas ganz Neues gefunden zu haben, und begann um die Priorit\u00e4t dieser Entdeckung zu streiten, bis endlich ganz neuerlichst eine Abhandlung von Herrn Berkeley **) erschien, welche durch die musterhafteste Nachweisung der \u00e4lteren Litteratur \u00fcber diesen Gegenstand den Streit beendet haben m\u00f6chte; von der neueren Litteratur findet sich darin leider gar nichts. In den so eben erscheinenden Schriften der Herren Klotzsch ***) und Phoebus f) ist die Form der Fructificationsorgane bei den Analysen der einzelnen Pilze stets dargestellt und ich kann darauf zur Ansicht verweisen.\nDas Fruchtlager (Hymenium) dieser Pilze besteht aus einer besonderen Schicht von gleichm\u00e4fsig geformten Zellen, welche mit ihrer L\u00e4ngsachse vertikal auf der Fl\u00e4che des darunter liegenden Zellengewebes der Lamellensubstanz aufgesetzt sind. Sie sind zwar bei verschiedenen Arten und Gattungen sehr verschieden geformt und auch verschieden grofs, im Allgemeinen aber sind sie cylinderisch, oft mit einem d\u00fcnnen Stiele, meistens aber mit einem verdickten Ende versehen. Alle diese Zellen des Fruchtlagers\n*) S. pag. 117. des angef. Werkes.\nOn the Fructification of the Pileate and Clavate Tribes of Hymenomycetous Fungi. \u2014 Ann. of natur. history etc. London 1838. pag. 82.\n\u00a5\u00a5\u00a5) S. die Pilze in Dietrich\u2019s Flora von Preufsen. 1838,\n\u2022f ) Deutschland\u2019s kryptogamische Gift-Gew\u00e4chse etc. Berlin 1838,","page":461},{"file":"p0462.txt","language":"de","ocr_de":"462\nzeigen im ausgebildeten Zustande einen opaken, und etwas gek\u00f6rnten Inhalt; eine grofse Menge derselben kommt zu einer besonderen Entwickelung, indem sie sich verl\u00e4ngern, dadurch mehr oder weniger weit \u00fcber die Fl\u00e4che der \u00fcbrigen Zellen emporragen, und zu besonderen Saamentr\u00e4gern werden. Die Saamen oder Sporen dieser Pilze entwickeln sich aus dem abgerundeten Ende dieser besonders hervorgewachsenen Zellen des Fruchtlagers, und zwar in folgender Art. Es entwickeln sich an der genannten Stelle \u00e4u-fserst feine spitze Hervorragungen, deren Zahl und L\u00e4nge bei den verschiedenen Arten ganz genau bestimmt ist; haben diese hervorwachsenden Spitzen beinahe die vollkommene L\u00e4nge erreicht, so schwellen ihre \u00e4ufsersten Enden zu kleinen runden Kn\u00f6pfchen an, welche allm\u00e4hlich immer gr\u00f6fser werden, sich von ihrem bisherigen Stielchen abschn\u00fcren, verschiedene Formen annehmen und die Saamen oder Sporen dieser Pflanzen darstellen,\nDurch die neuesten Arbeiten, welche \u00fcber diesen Gegenstand im Vorherigen angef\u00fchrt wurden, ist es erwiesen, dafs die Zahl dieser freistehenden Saamen f\u00fcr bestimmte Gattungen sehr constant ist, und Herrn Berkeley\u2019s Beobachtungen sind hier\u00fcber am ausf\u00fchrlichsten; er fand, wie schon fr\u00fcher, wenn auch weniger allgemein angegeben worden war, dafs die Saamen bei der Gattung Agaricus zu 4 auftreten, mag die Form derselben noch so verschieden sein; nur bei Agaricus flexuosus Fr. glaubt derselbe eine constante Ausnahme beobachtet zu haben, indem er hier immer nur 2 Saamen sah, aber die Bildung der beiden anderen schien unterdr\u00fcckt zu sein. Bei der grofsen Gattung Agaricus entwickelen sich also auf der abgerundeten Spitze des Saamentr\u00e4gers vier regelm\u00e4fsig im Vierecke gestellte Spitzen, aus deren Enden die 4 Saamen zur Entwickelung kommen; fallen die Saamen sp\u00e4ter ab, so bleiben die fr\u00fcheren Saamenstiele an dem Saamentr\u00e4ger zur\u00fcck, und in diesem Zustande findet man dieselben ganz gew\u00f6hnlich, wenn man sie an alten Pilzen untersucht, und die Schnitte unter Wasser legt, worauf sich die meisten Saamen abl\u00f6-","page":462},{"file":"p0463.txt","language":"de","ocr_de":"463\nsen. So \u00fcberaus constant die Zahl der Sporen bei den ausgebildeten Hymenomyceten ist, so fand ich dieselbe denn doch bei jungen Pilzen \u00e4ufserst verschieden, ein junger Champignon, der noch vollkommen von der Volva umschlossen war, zeigte schon eine Menge von ausgebildeten Sporen, die eine br\u00e4unliche Farbe angenommen hatten, und sich bei der Ber\u00fchrung mit Wasser von ihren Sporenstielen abl\u00f6fsten, woraus man vielleicht schliefsen durfte, dafs dieselben schon ziemlich vollst\u00e4ndig reif waren. Die meisten dieser Sporen safsen ganz regelm\u00e4fsig zu 4 auf den einzelnen Schl\u00e4uchen des Fruchtlagers, ich fand aber eine sehr grofse Menge von Schl\u00e4uchen, welche nur zwei Sporen trugen, so wie auch viele andere, welche nur eine einzelne Spore mit ihrem Tr\u00e4ger aufzuweisen hatten, und diese safs unmittelbar auf dem Scheitel des Schlauches. Iu einem so fr\u00fchen Zustande ist der Inhalt der Schl\u00e4uche des Fruchtlagers noch nicht so auffallend gef\u00e4rbt, sondern erscheint noch als eine schaumartig gestaltete Schleimmasse.\nDie Anzahl der Saamentr\u00e4ger, welche sich aus den vorhin beschriebenen Zellen des Fruchtlagers entwickeln, so wie ihre Stellung ist sehr regelm\u00e4fsig, und zwar in der Art, dafs rund um einen Saamentr\u00e4ger 4, 5, 6 und 7 Zellen des Fruchtlagers unfruchtbar bleiben, oder vielmehr keine Saamen entwickeln.\nBei der Gattung Boletus ist die Zahl der Saamen ebenfalls regelm\u00e4fsig 4, auch bei Thelephora m\u00f6chte es Regel sein; bei anderen Gattungen dagegen ist die Anzahl der Saamen bei verschiedenen Arten sehr verschieden; so zeigt nach Herrn Berkeley\u2019s Beobachtungen Clavaria cri-stata Pers. 2 oder auch 3 Saamen, Clavaria crispula Fr. hat 3 oder 4 Saamen. Clavaria /vermicularis Swartz hat nur 2 Saamen und Calocera viscosa Fr. sogar nur einen Saamen auf jedem Saamentr\u00e4ger.\nBei Cantharellus cibarius und tubaeformis Fr. sind 6 Saamen, wovon 4 wie gew\u00f6hnlich bei Agaricus gestellt sind und 2 jenen 4 zur Seite; bei Cantharellus cornucopi-oides kommt dagegen nur ein einzelnes Paar von Saamen","page":463},{"file":"p0464.txt","language":"de","ocr_de":"464\nvor, und bei C. fissilis sind nur einzeln stehende Saa-men, u. s. w.\nBei allen diesen Pilzen mit freistehenden Saamen findet man zwischen den Saamentr\u00e4gern einzelne, mehr oder weniger grofse und vielfach verschieden geformte Schl\u00e4uche, welche mit einer opaken und etwas gek\u00f6rnten Masse gef\u00fcllt sind, ganz ebenso, wie die Zellen des Fruchtlagers. Die Form, in welcher diese Schl\u00e4uche bei verschiedenen Arten und Gattungen auftreten, ist ziemlich ganz constant, die Anzahl derselben, so wie ihre Stellung scheint aber, nach meinen Beobachtungen wenigstens, sehr verschieden zu sein. Dieser Gegenstand ist von den neuesten Bearbeitern der Pilze sch\u00e4rfer aufgefafst worden, doch herrscht \u00fcber denselben noch immer eine grofse Meinungsverschiedenheit. Auch diese Gebilde wurden zuerst von Micheli*) beobachtet, und zwar an Coprinus und \u00e4hnlichen auf D\u00fcnger wachsenden Pilzen, wo sie ganz besonders ausgebildet auftreten; er beschrieb sie als durchsichtige K\u00f6rper von konischer oder pyramidaler Form und er glaubte, dafs sie dazu dienten, damit sich die Lamellen gegenseitig nicht ber\u00fchrten u. s. w. ; ich finde aber nirgends, dafs Micheli diese K\u00f6rper unumwunden stemones benannt hat, wie es Herr Corda **) angiebt, noch weniger hielt Micheli diese Gebilde f\u00fcr Antheren, was Herr Corda***) ganz neuerlichst ausgesprochen hat. Erst Gleditsch und B\u00e4tsch scheinen jene, von Micheli entdeckten K\u00f6rper f\u00fcr die befruchtenden W erkzeuge dieser Pilze erkannt zu haben, und es wurden dieselben defshalb Stamina oder Antheren genannt. Man darf sich nicht wundern, dafs diese sehr gewagte Ansicht schon damals so bestimmt ausgesprochen wurde, da es gerade um die Zeit geschah, in welcher man \u00fcberall die Geschlechtsverschiedenheit der Pflanzen nachweiseil wollte. Bulliard -J-) hat endlich bei den Gattungen Agaricus, Bo-\n\u00a5) 1. c. pag. 133. Tab. 73. I.\n\u00a5\u00a5) Flora von 1834. pag. 113.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Icon, fungor. etc. I.\nf) Hist. des Champign. de la France Vol.I. pag. 44. etc. Paris 1791.","page":464},{"file":"p0465.txt","language":"de","ocr_de":"465\nletus und Thelephora die Saamen sehr bestimmt von den spermatischen Gef\u00e4fsen unterschieden, und als diese die hervorragenden Schl\u00e4uche erkannt, von denen soeben die Rede war. Herr Link nannte sp\u00e4ter diese Gebilde Para-physen, worin viele andere Botaniker gefolgt sind; andere bezeichneten sie blofs mit dem Namen der Schl\u00e4uche, so auch Herr Berkeley, obgleich derselbe das Auftreten dieser Schl\u00e4uche bei verschiedenen Arten und Gattungen sehr richtig beobachtet hat. Herr Klotsch hat in der schon angef\u00fchrten Arbeit die sch\u00f6nsten Abbildungen dieser Gebilde gegeben, welche er f\u00fcr Antheren h\u00e4lt, die bei verschiedenen Pilzen sehr verschieden geformt sind. Endlich hat auch Herr Phoebus (1. c. pag. 11.) diesen Gegenstand vielfach beobachtet und spricht die Ansicht aus, dafs man diese Paraphysen in sehr vielen (vielleicht in allen?) F\u00e4llen nur f\u00fcr abnorm ver\u00e4nderte Saamentr\u00e4ger zu halten habe. Herr Corda *) gab einst eine Mittheilung \u00fcber die Beobachtungen, welche er \u00fcber die Pilz-Antheren angestellt hatte; er beschreibt sie aber von so mannigfacher Gestalt und Zusammensetzung, wie ich dieselben nicht habe wiederfinden k\u00f6nnen.\nAus dieser historischen Uebersicht geht also hervor, dafs \u00fcber die Funktion dieser Gebilde eine grofse Meinungsverschiedenheit herrscht; direkte Befruchtungs-Versuche k\u00f6nnen hier nicht angestellt werden, demnach ist weder die eine, noch die andere der herrschenden Meinungen mit Bestimmtheit zu erweisen. Auch ich halte jene K\u00f6rper f\u00fcr Organe, welche eine befruchtende Substanz enthalten; meine Beobachtungen zeigten mir jedoch, dafs sie einmal nur sehr sparsam auftreten, ja gar nicht selten an ausgebildeten Pilzen, welche mit Tausenden und Tausenden von Saamen bedeckt sind, g\u00e4nzlich fehlen. In vielen F\u00e4llen sieht man nur zu deutlich, dafs diese K\u00f6rper aus den abortirten Saamentr\u00e4gern hervorgewachsen sind, ja in anderen schien es mir, dafs diese Saamentr\u00e4ger selbst\n*) Flora von 1834. pag. 113\u2014-115.\nMe y en. Pfl. Phys. III.\n30","page":465},{"file":"p0466.txt","language":"de","ocr_de":"466\nnach dem Abfalle der Saamen zu einer besonderen Gr\u00f6fse anschwellen, und dann ebenfalls als Antheren-artige Organe erscheinen; in beiden F\u00e4llen zeigen sie dann auf ihrer Spitze die spitzen Stielchen, auf welchen die Saamen sonst befestigt sind. Ich bin also mit Herrn Phoebus zu einer und derselben Ansicht gekommen, dafs die Antheren-artigen Organe f\u00fcr abnorm ver\u00e4nderte Saamentr\u00e4ger zu halten sind, ich habe aber auch verfolgen k\u00f6nnen, dafs sich diese Organe unmittelbar aus den cylinderischen Zellen des Fruchtlagers hervorbilden, und dafs diese eben dieselbe Gr\u00f6fse und L\u00e4nge erreichen, wie die anderen. Es zeigt sich aber auch, dafs der Inhalt dieser, aufserordentlich entwickelten Gebilde ganz von derselben Art ist, wie derjenige, welcher die kleinen zur\u00fcckbleibenden Zellen des Fruchtlagers f\u00fcllt; nur in Hinsicht der Menge findet hierin Verschiedenheit statt. Zerst\u00fcckelt man diese Zellen und beobachtet man die ausfliefsende opake, schleimige Substanz (bei Agaricus lacteus und Coprinus sah ich auch, dafs die grofsen sogenannten Antheren unter Wasser aufplatzten und ihren Inhalt ausgossen), so wird man sehen, dafs in derselben eine sehr gr\u00f6fse Menge von kleinen und von gr\u00f6fseren Molek\u00fclen enthalten ist, welche ziemlich regelm\u00e4fsig gestaltet sind und eine lebhafte Molekularbewegung zeigen, ganz so wie die spermatische Substanz der Pollenk\u00f6rner.\nErkennt man in diesen verschiedenen Fortpflanzungsorganen eine geschlechtliche Verschiedenheit und glaubt man, dafs hier eine wirkliche Befruchtung der Sporen statt-findet, so kann diese nur nach Art der Befruchtung der Fisch- und Amphibien-Eyer erfolgen, denn die Sporen bilden sich h\u00e4ufig schon viel fr\u00fcher aus, als die F\u00fcllung des Schlauches des Fruchtlagers mit jener opaken und gek\u00f6rnten Substanz stattfindet.\nDie Fortpflanzung der Pilze durch Saamen der Sporen ist schon lange bekannt, sie ward wohl vonMicheli*) zuerst gelehrt, sp\u00e4ter von dem Herausgeber der Ueberset-\n*) 1. c. pag. 136. etc.","page":466},{"file":"p0467.txt","language":"de","ocr_de":"467\nzung yon Bonnets Werken der nat\u00fcrlichen Geschichte etc.*) genauer beobachtet, dann durch Herrn Ehrenberg**) ausf\u00fchrlicher verfolgt, und gegenw\u00e4rtig weifs man, dafs die Saamen der Pilze ebenso leicht als diejenigen der Algen keimen. Bei der Fortpflanzung der h\u00f6heren Pilze durch Sporen, ist es allerdings noch Niemanden gegl\u00fcckt den ganzen Vorgang in der Art zu beobachten, dafs man dar\u00fcber n\u00e4here Nachweisung geben k\u00f6nnte, aber dennoch darf heutigen Tages Niemand mehr daran zweifeln, dafs sowohl die niederen, als die h\u00f6heren Pilze durch Sporen fortgepflanzt werden k\u00f6nnen.\nSchon fr\u00fcher, ehe die Fortpflanzung der Pilze durch Sporen bekannt war, haben Malpighi und Tournefort die Entstehung derselben aus einem Gewebe feiner F\u00e4den beobachtet, welches auch schon seit sehr langer Zeit zur k\u00fcnstlichen Fortpflanzung, z. B. bei den Champignons benutzt wird. Sp\u00e4ter kam man zu der Einsicht, dafs ein solches zartes, aus den feinsten F\u00e4den gewebtes Gebilde, wenigstens allen h\u00f6heren Pilzen zukomme, und in seinem W ach stimme oftmals h\u00f6chst ausgezeichnet auftrete; man erkannte hierin den Thallus der Pflanze, und den daraus hervorgehenden Pilz erkl\u00e4rte man f\u00fcr die Frucht jenes Thallus oder f\u00fcr den Fruchttr\u00e4ger. Die ganze Gattung Himantia Pers. und viele der \u00e4lteren Byssus-Arten sind nichts weiter, als solche Anf\u00e4nge von Hymenomyceten, was gegenw\u00e4rtig von verschiedenen Seiten her beobachtet ist; und die Vermehrung der Pilze geschieht durch den Thallus so vollkommen, dafs man denselben bei den Champignons mit dem Namen der Champignon-Brut bezeichnet. Herr Ehrenberg***) hat die Entwickel ung der Clavaria canaliculata aus ihrem Thallus ziemlich vollst\u00e4ndig nachgewiesen, und sp\u00e4ter hat Herr Dutrochet f) die Beobach-\n*) Leipzig. 1783. III. pag. 46.\n**) D. Mycetogenesi. \u2014 N. Acta Acad. C. L. C. T. X. P. I. 1820. \u00a5\u00a5\u00a5) h c. pag. 213. Tab. XIV.\n7) Observ\u00e2t, sur les Champign. \u2014 Annal, du Mus. 1834. I. pag. 59 \u2014 76.\n30*","page":467},{"file":"p0468.txt","language":"de","ocr_de":"468\ntung bekannt gemacht, dafs die langen F\u00e4den des Byssus parietina flavescens Fl. fran\u00e7. an ihren Enden zusammenkleben, und den Stiel von Bl\u00e4tterschw\u00e4mmen bilden; sie begannen zuerst zu schwellen und bildeten alsdann einen bimf\u00f6rmigen K\u00f6rper, welcher der Anfang des Bl\u00e4tterschwammes war. Herr Dutrochet schliefst hieraus, dafs Bl\u00e4tterpilze die Fr\u00fcchte eines Byssus parietina sind, und dafs dieses auch f\u00fcr alle anderen Filze gelte. Herr Turpin*) hat jenen Pilz, dessen Entstehung aus dem Thallus von Dutrochet beobachtet wurde, mit Meisterhand gemalt, wenn gleich die dazu gegebene Analyse g\u00e4nzlich unrichtig ist. Man sieht aus jener Abbildung, und so habe ich es auch in der Natur mehrmals gesehen, dafs der Thallus von einem gewissen Mittelpunkte aus radial nach den verschiedenen Richtungen hin seine Aeste und Zweige ausbreitet, und die feinsten der Letzteren verwachsen mit den feinen Zweigen der zun\u00e4chst liegenden Aeste. Endlich entwickeln sich aus den feinen Zweigen der \u00e4ufsersten Spitzen der Aeste eine grofse Anzahl noch feinerer F\u00e4den, welche in ihrem ferneren Verlaufe miteinander seitlich verwachsen, und damit die Basis bildet, von welcher aus die Entwickelung des Hutpilzes erfolgt, der sich in dem vorliegenden Falle als Cantharellus Dutrochetii Turp. darstellte.\nIch habe versucht die Bildung des Hutes an unseren Champignons zu verfolgen, deren Cultur so \u00fcberaus leicht ist, aber diesen Untersuchungen setzen sich manche un\u00fcberwindliche Hindernisse in den Weg. Es ist allen G\u00e4rtnern sehr bekannt, dafs sich in unseren Gegenden fast \u00fcberall, wo gr\u00f6fsere Massen von Pferded\u00fcnger l\u00e4ngere Zeit hindurch \u00dcbereinanderliegen, der Thallus oder die sogenannte Brut der Champignons erzeugt; dieselbe besteht in einem zarten Gewebe von milchweifser Farbe, welches die tiefer liegenden Schichten des D\u00fcngePs nach allen Richtungen hin durchzieht, ja dieselben wie mit einem\n*) M\u00e9m. de l\u2019Acadern. Royale des Scienc. de L\u2019Instit, de France Tome XIV, 1838. pag. 154. PI. 22.","page":468},{"file":"p0469.txt","language":"de","ocr_de":"469\nSchleier \u00fcberkleidet, und sich nach allen Richtungen hin weiter fortzieht. Aus kleineren, fast kreisrunden Massen dieses Gewebes, welche ich zuweilen sah, scheint zu folgen, dafs auch der Thallus dieses Pilzes, \u00e4hnlich wie in den vorhin angegebenen F\u00e4llen, von einem Mittelpunkte aus radial nach allen Richtungen hin verl\u00e4uft, und von den Enden der Aeste und Zweige dieses Thallus gehen lange F\u00e4den als Ausl\u00e4ufer ab, welche sich hie und da miteinander wieder vereinigen, aber meistens, auf verschiedene Strecken hin parallel nebeneinander verlaufen und ziemlich locker mit einander verbunden sind. Diese F\u00e4den sind sehr zarte, oft \u00e4ufserst langgegliederte Schl\u00e4uche, die hie und da wiederum Ver\u00e4stelungen und Verzweigungen zeigen aber keinen sichtbaren Inhalt aufzuweisen haben; sie sind dabei sehr verschieden dick und es kommen immer um so st\u00e4rkere Schl\u00e4uche hervor, je mehr solcher Ausl\u00e4ufer der Neben\u00e4ste des Thallus zusammenstofsen. Besonders auffallend erscheint es, dafs alle diese F\u00e4den des Thallus, und selbst die zartesten, welche bei 3 und 400f\u00e2cher Vergr\u00f6fserung gleich den feinsten H\u00e4rchen erscheinen, auf ihrer ganzen Oberfl\u00e4che mit \u00e4ufserst feinen? etwas l\u00e4nglichen aber ebenfalls ungef\u00e4rbten K\u00f6rperchen besetzt sind, welche den F\u00e4den eine rauhe Oberfl\u00e4che geben und wahrscheinlich, gleich den Wurzelh\u00e4rchen der vollkommenen Pflanzen durch Vergr\u00f6fserung der Fl\u00e4che die Einsaugung bef\u00f6rdern helfen. Aus den Enden dieser, zu mehr oder weniger grofsen B\u00fcndeln vereinigten Thallus-F\u00e4den gehen endlich die Fr\u00fcchte oder Fruchttr\u00e4ger hervor; man sieht, dafs sich die F\u00e4den eines solchen B\u00fcndels vielfach ver\u00e4steln und verzweigen, dafs sich hiebei die neben einanderliegenden oftmals durch Conjugation vereinigen, und dafs unter diesen Erscheinungen das Ende des Ausl\u00e4ufers pl\u00f6tzlich anschwillt. Sobald man diese Anschwellung bemerkt, findet man auch schon das Fadenb\u00fcndel aus dessen Ende dieselbe hervorgeht, im Inneren hohl, und die Anschwellung, welche sehr schnell an Umfang zunimmt wird zur Volva, in derem Inneren der ganze Hut","page":469},{"file":"p0470.txt","language":"de","ocr_de":"470\ndes Pilzes gebildet wird. Sehr h\u00e4ufig entstehen gleich zur Seite der Basis der ersteren Anschwellung neue, welche mitunter in sehr grofser Anzahl auftreten, w\u00e4hrend die Ausl\u00e4ufer des Thallus, welche hiezu verwendet wurden, an Zahl und Masse oftmals \u00e4ufserst gering sind, so dafs es unerkl\u00e4rlich bleibt, wie sich an den Enden solcher kleinen B\u00fcndel in so kurzer Zeit oftmals so grofse Massen von Substanz bilden k\u00f6nnen.\nVon der Sporenbildung der Flechten.\nWir haben schon fr\u00fcher die Fortpflanzung der Flechten durch Gemmen-artige Gebilde kennen gelernt, dieselbe geschieht aber auch durch wirkliche Sporen, welche in besonderen Fr\u00fcchten erzeugt werden, die unter dem Namen derApothecia oder Fruchtlager bekannt sind, doch hat man an diesen Fructificationsorganen noch keine Andeutungen gefunden, welche auf eine geschlechtliche Verschiedenheit schliefsen liefsen. Das Fruchtlager wird aus der Substanz des Thallus gebildet und enth\u00e4lt einen Kern, bestehend aus gestreckten Zellen, zwischen welchen einzelne gr\u00f6fsere und auffallender geformte Schl\u00e4uche auftreten, in denen die Sporen enthalten sind. So \u00fcberaus mannigfach die Sporen bei den verschiedenen Flechten, gattungen gestaltet sind, so herrscht doch in der Art ihrer Bildung die gr\u00f6fste Aehnlichkeit; sie erscheinen selbst im reifen Zustande fast immer in besonderen Schl\u00e4uchen, ganz wie bei den Helvellen und Pezizen unter den Pilzen, und diese Schl\u00e4uche sind als Mutterzellen anzusehen, in welchen die Sporen gebildet werden, nur dafs hier fast immer diese Mutterzellen Zur\u00fcckbleiben, ja selbst erh\u00e4rten, w\u00e4hrend sie m den meisten anderen F\u00e4llen resorbirt werden. In dieser Art hat auch Herr Mold die Flechtenfrucht gedeutet. Diese Sporenschl\u00e4uche sind im fr\u00fchesten Zustande von den daneben liegenden gestreckten Zellen des Frucht-\n*) Flora von 1833, I. pag. 55.","page":470},{"file":"p0471.txt","language":"de","ocr_de":"471\nkernes nicht zu unterscheiden; sp\u00e4ter vergr\u00f6fsern sich dieselben und nun erscheint in ihrem Inneren eine schleimig gek\u00f6rnte Masse, welche sich zu Zellen bildet, die dann zu wirklichen Sporen umgewandelt werden. Herr Meyer*) hat auch diesen Gegenstand mit vielem Fleifse verfolgt; er lehrte schon, dafs die Sporen bald in gr\u00f6fserer bald in geringerer, oft in betr\u00e4chtlicher Zahl der L\u00e4nge nach an einandergereiht auftreten, in anderen F\u00e4llen aber, wo die Schl\u00e4uche sehr weit sind, auch in Qnerreihen geordnet Vorkommen. Bisweilen kommen die Sporen im Inneren eines Schlauches nicht zur Ausbildung, sondern es bildet sich ein zweiter Schlauch, in welchem hier und da Tr\u00fcbung und Bildung kleinerer, und ungeformter Zellchen eintritt, w\u00e4hrend sich in anderen F\u00e4llen der schleimig membran\u00f6se Schlauch aufl\u00f6st und die noch aneinander h\u00e4ngenden Sporen im Zusammenh\u00e4nge bleiben, wie bei den Verrucarien. Die Form, Gr\u00f6fse und Structur der Flechtensporen ist ganz \u00fcberaus mannigfaltig, besonders bei den Gattungen der Kernfrucht- und Scheibenfrucht-Flechten, wie man es auf den Abbildungen der neuern systematischen Bearbeitungen dieses Gegenstandes sehen kann; sie bestehen bald aus einzelnen Zellchen, bald aus mehreren, und wTie es scheint, so ist die Zahl dieser Zellchen meistens regelm\u00e4fsig, bald 2, bald 4, 8, 16, 32 u. s. w. Bei den Sporen, welche aus einzelnen Zellchen bestehen, ist es leicht zu sehen, dafs sie aus 2 Membranen, einer \u00e4ufseren und einer inneren gebildet werden, und man kann wrohl vermuthen, dafs diese Bildung hier, wie bei den Pilzen und so vielen Algen ganz allgemein ist. Herr Meyer **) hat auch das Austreten der Flechtensporen aus ihren Schl\u00e4uchen n\u00e4her beobachtet und giebt an, dafs sie unter Einwirkung des Lichtreizes bald einzeln, bald in kleinen Aggregaten gegen die Oberfl\u00e4che der Schlauch-\n*) Die Entwickelung, Metamorphose und Fortpflanzung der\nFlechten. G\u00f6ttingen 1825. pag. 129.\n**) 1. c. pag. 131.","page":471},{"file":"p0472.txt","language":"de","ocr_de":"472\nSchicht vorr\u00fccken, oft aber r\u00fccken auch die Schl\u00e4uche selbst mit hinauf. Man sieht die ausgetretenen Sporen nicht selten als ein feines Pulver auf der Oberfl\u00e4che der Frucht liegen. Die Entwickelung dieser Sporen zu jungen Flechten ist durch Herrn Meyer beobachtet und *) ausf\u00fchrlich beschrieben worden; mir selbst ist die mehrfach wiederholte Aussaat nicht gegl\u00fcckt.\n*) 1. c. pag. 175.","page":472},{"file":"p0473.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00fcnfte Abtheilung.\nVon den Bewegungen und der Empfindung der\nPflanz en.\nDieses schwierige Capitel beginne ich mit den Worten, welche Herr Alexander von Humboldt schon vor einem halben Jahrhundert ausgesprochen hat: \u201eOb wir gleich,\u201c heifst es in den Aphorismen aus der chemischen Physiologie der Pflanzen, \u201ebis jetzt in den Gew\u00e4chsen keine Nerven entdeckt haben, und unsere Begriffe von Empfindlichkeit blofs von der Natur der Nerven entlehnen, so k\u00f6nnen wir doch den Streit, welchen die Philosophen seit langen Zeiten \u00fcber die Empfindlichkeit der Pflanzen gef\u00fchrt haben, nicht beilegen. Die Sache ist blofs subjektiv, wovon man kein anderes Kennzeichen angeben kann, als das Gef\u00fchl selbst, daher sind die Skeptiker, die nicht auf Analogie achten, unbezwingbar.\u201c Seit Du HameFs*) ausgezeichneter Arbeit \u00fcber die freiwilligen Bewegungen def Pflanzen, ist man \u00fcber diesen Gegenstand nur wenig weiter gekommen, obgleich dar\u00fcber sehr viel geschrieben ist, erst die neueste Zeit hat uns wiederum kostbare Arbeiten geliefert; als solche nenne ich die Arbeiten der Herrn E. Meyer: Ueber den Pflanzenschlaf**) und M. Dassen: Ueber die verschiedenartigen Bewegungen der Bl\u00e4tter***);\n*) Naturgeschich.e der B\u00e4ume. II. pag. 129 etc.\n**) S. Vortr\u00e4ge aus dem Gebiete der Naturwissenschaften und der Oekonomie etc. K\u00f6nigsberg 1834. pag. 127.\n*\u00a5Y) S. Natuurkundige Verhandelingen von de Hollandsche Maat-schappij der Wetenschappen te Harlem. II. Deel. Te Harlem 1835. pag. 309 \u2014 346.; \u2014 und dessen Onderzoek aangaarde de Bladbewegingen, die niet door aanzwcllingen ontstaan \u2014 Tijdschrift voor\nNatuurlijke Gescbiedenis en Phys. 1837. IV. pag. 106 \u2014 131.","page":473},{"file":"p0474.txt","language":"de","ocr_de":"474\ndiese letztere Abhandlung ist mit grofser Umsicht und Literaturkenntnifs geschrieben.\nDie Bewegungen der Pflanzen \u00e4ufsern sich auf sehr mannigfache Weise, auch haben wir, schon in der vorhergehenden Abtheilung kennen gelernt, dafs es Pflanzen giebt, wie z. B. die Oscillatorien u. s. w., welche ganz offenbar freiwillige Bewegungen zeigen, so dafs man zweifelhaft bleibt, ob diese Gebilde zu den Pflanzen oder zu den Tliie-ren zu bringen sind; wir haben ferner kennen gelernt, dafs die Saamen der niederen Pflanzen, bei denen eine wahre Geschlechts-Verschiedenheit nicht nachgewiesen werden kann, besonders die Saamen der Algen und der algenartigen Pilze, einige Zeit hindurch mit einer eigenen Bewegung begabt sind, welche man ebensowohl eine freiwillige oder selbstst\u00e4ndige nennen kann, als die Bewegung der monadenartigen Infusorien, und endlich haben wir in den Saamenthierchen der Moose und der Charen Gebilde nachgewiesen, welche mit den Saamenthierchen der Thiere h\u00f6chst auffallend iibereinstimmen. Schon durch diese Beobachtungen haben wir kennen gelernt, dafs auch bei den Pflanzen und bei einzelnen Theilen der Pflanzen Bewegungen auftreten, welche mit allem Rechte mit denjenigen der Thiere zu vergleichen sind, aber auffallend ist es, dafs auch hierin die niederen Pflanzen den Thieren n\u00e4her zu stehen scheinen, als die h\u00f6heren.\nErstes Capitel.\nVon der t\u00e4glichen Bewegung, welche die Bl\u00e4tter der Pflanzen zeigen.\nDie periodischen Bewegungen, welche ein grofser Theil der Pflanzen bei dem Wechsel von Tag und Nacht zeigen, wurden bisher ganz allgemein als Erscheinungen gedeutet,","page":474},{"file":"p0475.txt","language":"de","ocr_de":"475\nwelche dem Wachen und Schlafen der Thiere zu vergleichen w\u00e4ren; erst ganz neuerlichst hat man gegen diese Ansichten Einw\u00fcrfe gemacht, welche wir in der Folge n\u00e4her untersuchen wollen.\nDie ersten Beobachtungen \u00fcber die t\u00e4glichen Bewegungen der Bl\u00e4tter sind schon sehr alt, so hat Plinius die Beobachtung aufgezeichnet, dafs sich die Bl\u00e4tter des Tri-folium\u2019s bei annahendem Unwetter schliefsen; sp\u00e4ter haben Valerius Cordus und Garcia de Horto *) **) einige Bemerkungen \u00fcber diesen Gegenstand gemacht, bis endlich Linn\u00e9 i diese Erscheinungen in ihrer Allgemeinheit auffafste, und die n\u00e4chtliche Stellung der Bl\u00e4tter mit dem Namen des Schlafes der Pflanzen belegte ***). Sehr treffend hat Herr De Candolle die Bemerkung gemacht, dafs Linn\u00e9 j diese Benennung in seinem, stets dichterischen Style gemacht habe, und es wurde auch schon in seiner Schrift (pag. 336) gesagt, dafs diese Benennung eigentlich unpassend sei. Dessen ungeachtet haben fast alle Botaniker, bis auf die neueste Zeit von dem Schlafe der Pflanzen gesprochen, und darunter theils die n\u00e4chtliche Zusammenfaltung der Bl\u00e4tter begriffen, theils auch die n\u00e4chtliche Schliefsung der Blumen als eine, damit zusammenh\u00e4ngende ! Erscheinung angesehen.\nLinn\u00e9 gab zugleich eine Uebersicht von der n\u00e4chtlichen Stellung der Bl\u00e4tter, indem er dieselbe hienach ein-theilte in: folia conniventia, includentia, circumsepientia,\n*) Hist, natur. Lib. XYIIT. Cap. 35.\n\u00a5\u00a5) S. De Candolle\u2019s Pflanzen-Physiologie. Ueb. v. Roeper. II.\npag. 628.\n\u00a5\u00a5\u00a5) Somnus plantarum in dissert, acad. propositus praeside Lin-naeo a Petro Bremer. Upsaliae 1755. 4. \u2014 Caroli Linnaei Amcenit. academicae. 1Y. pag. 333. Herr Dassen hat neuerlichst zu zeigen gesucht, dafs die Benennung des Schlafes der Pflanzen von Bremer und nicht von Liun\u00e9 ausgegangen sein m\u00f6chte, indem Linn\u00e9 schon im Jahre 1737 in seiner Flora Lapponica, mehrere Pflanzen auff\u00fchrt, deren Bl\u00e4tter des Nachts eine andere Stellung als am Tage haben, und dieser Beobachtungen in jener Dissertation nicht gedenkt.","page":475},{"file":"p0476.txt","language":"de","ocr_de":"476\nmunientia, conduplicantia, involventia, divergentia, dependents, invertentia und imbricantia*); f\u00fcr die systematische Botanik ist diese Einteilung allerdings von Werth, in physiologischer Hinsicht reichte sie jedoch nicht aus, und ich halte die Einteilung, welche Herr Dassen **) k\u00fcrzlich \u00fcber diesen Gegenstand mitgetheilt hat f\u00fcr zweckm\u00e4-fsiger, indem sie sich ganz allein auf die Richtung gr\u00fcndet, welche die beweglichen Bl\u00e4tter des Nachts annehmen. Die Bl\u00e4tter k\u00f6nnen sich Nachts in die H\u00f6he heben, oder sie k\u00f6nnen sich niederbeugen; in anderen F\u00e4llen bewegen sie sich seitlich, und zwar wiederum nach verschiedenen Richtungen. Da sich bei zusammengesetzten Bl\u00e4ttern die einzelnen Theile ebenfalls und unabh\u00e4ngig vom Ganzen bewegen k\u00f6nnen, so wird die Bewegung solcher Bl\u00e4tter a complicirter; bei den meisten Pflanzen zeigen jedoch die Bl\u00e4tter nur eine Bewegung. Die Einteilung des Herrn Dassen \u00fcber die Verschiedenheiten in der Richtung, welche die Bl\u00e4tter bei ihrer n\u00e4chtlichen Stellung annehmen ist folgende :\n1)\tPflanzen, deren Bl\u00e4tter nur eine Bewegung zeigen.\na.\tDas Blatt oder dessen beweglicher Theil, hebt sich | Nachts in die H\u00f6he, wie z. B. bei Faba vulgaris, Lotus, Trifolium, Vicia, Lathyrus.\nb.\tDie Bl\u00e4tter oder deren bewegliche Theile, werden des Nachts niedergesenkt, wie z. B. bei Lupinus, Oxalis, Robinia, Glycyrrhiza, Glycine.\nc.\tDas Blatt oder dessen bewegliche Theile bewegen sich seitlich und nach vorn, wie z. B. bei Tama-rindus indica, Mimosa-Arten u. s. w.\nd.\tDas Blatt oder dessen bewegliche Theile bewegen sich seitlich nach hinten, wie z. B. bei Thephrosia caribaea.\n2)\tPflanzen mit Bl\u00e4ttern, welche zwei bewegliche Theile haben.\n*) S. 1. c. pag. 342.\n**) Harlemer Maatschappij etc. pag. 217.","page":476},{"file":"p0477.txt","language":"de","ocr_de":"477\nA.\tDer gemeinschaftliche Blattstiel steigt etwas in die H\u00f6he.\na. Die Bl\u00e4ttchen biegen sich abw\u00e4rts, wie bei Hedy-sarum gyroides, Cassia.\nB.\tDer gemeinschaftliche Blattstiel senkt sich etwas.\na.\tDie Bl\u00e4ttchen beugen sich abw\u00e4rts, wie bei Amorpha fruticosa.\nb.\tDie Bl\u00e4ttchen beugen sich seitlich nach vorn, wie bei Gleditschia.\n3) Pflanzen mit Bl\u00e4ttern, welche drei bewegliche Theile haben.\nA. Der gemeinschaftliche Blattstiel senkt sich abw\u00e4rts, a. Die besonderen Blattstiele n\u00e4hern sich einander.\n*) Die Bl\u00e4ttchen heben sich in die H\u00f6he, wie bei Mimosa pudica u. s. w.\nIm Allgemeinen kann man annehmen, dafs die einzelnen Bl\u00e4tter, welche diese t\u00e4glichen Bewegungen zeigen, bei ihrer n\u00e4chtlichen Stellung in diejenige Lage zur\u00fcckkehren, welche ihnen in ihren fr\u00fcheren Lebensverh\u00e4ltnissen zukam, und je j\u00fcnger die Bl\u00e4tter sind, um so vollkommener wird die Gleichheit in diesen Stellungen; dagegen verschwindet die auffallende Verschiedenheit in der Richtung zwischen der t\u00e4glichen und der n\u00e4chtlichen Stellung immer mehr, je \u00e4lter die Bl\u00e4tter werden. Herr Meyer, der die n\u00e4chtliche Stellung der Bl\u00e4tter sehr sinnreich mit dem Schlafe der Thiere vergleicht, sagt ganz entschieden, dafs je j\u00fcnger das Blatt, desto tiefer auch der Schlaf ist; es richtet sich fr\u00fcher empor, oft schon gegen Mittag; doch mit zunehmendem Alter schwindet F\u00e4higkeit und Bed\u00fcrfnifs des Schlafes. Ja an einer und derselben Pflanze kann man, in einer einzigen Nacht, alle Verschiedenheiten des Schlafes in Bezug auf verschiedenes Alter beobachten. Hat man die Pflanze bei Tage genau angesehen, so wird man des Nachts bemerken, dafs die j\u00fcngsten Bl\u00e4tter fast zum Knospenzustande zur\u00fcckkehren, w\u00e4hrend die untersten Bl\u00e4tter oft nicht mehr die mindeste Ver\u00e4nderung zeigen.\nDiese t\u00e4glichen Bewegungen der Bl\u00e4tter scheinen auch mit der Structur derselben im innigen Zusammenh\u00e4nge zu","page":477},{"file":"p0478.txt","language":"de","ocr_de":"478\nstehen, denn wir sehen, dafs sich, wenn man so sagen 1\nO\t-4\ndarf, die Neigung zum Schlafen bei zarten Bl\u00e4ttern viel h\u00e4ufiger zeigt, als bei derberen; ja bei Pflanzen mit festen, lederartigen und fleischigen Bl\u00e4ttern, wie bei dem Buxbaum, den Coniferen, den Fettpflanzen u. s. w. zeigt sich keine Spur von Ver\u00e4nderung in der t\u00e4glichen Stellung der Bl\u00e4t- 4 ter. Um so entschiedener ist dagegen die n\u00e4chtliche Stellung der Bl\u00e4tter bei solchen Pflanzen, wo eigenthiimliche Gelenke auftreten, mit welchen die Bl\u00e4tter oder deren einzelne Theile mit einander, oder unmittelbar mit dem Stamme der Pflanze in Verbindung stehen. Dieses Letztere findet in einem so h\u00f6chst ausgezeichneten Grade bei der Sinnpflanze (Mimosa pudica) und dem Hedysarum gyrans statt, wie es bis jetzt noch bei keiner anderen Pflanze i beobachtet ist.\nDie Richtung der Bl\u00e4tter und deren Ver\u00e4nderung steht mit dem Stande der Sonne in einem sehr genauen Verh\u00e4ltnisse, obgleich, wie wir es in der Folge sehen werden, dieselbe von Letzterer gerade nicht unbedingt abh\u00e4ngig ist. Wir sehen im Allgemeinen, dafs sich die t\u00e4gliche Stellung der Bl\u00e4tter mit untergehender Sonne ver\u00e4ndert, und zwar tritt diese Ver\u00e4nderung um so regelm\u00e4fsiger und vollst\u00e4n- j diger auf, je kr\u00e4ftiger die Pflanze vegetirt; um so unvollkommener und unregelm\u00e4fsiger dagegen, je \u00e4lter die Bl\u00e4tter der Pflanze sind. Der Eintritt der n\u00e4chtlichen Stellung der Bl\u00e4tter ist aber gerade nicht von dem Stande der Sonne, sondern mehr von der Wirkung des Sonnenlichtes abh\u00e4n- * gig, denn wir sehen, dafs Gew\u00e4chse, oft mitten am Tage, wenn sich die Sonne durch dickes Gew\u00f6lk verdunkelt, allm\u00e4lich die Stellung der Bl\u00e4tter ver\u00e4ndern und die n\u00e4chtliche Stellung annehmen, welche man mit dem Namen des Schlafes bezeichnet. Ja wir sehen bei tr\u00fcbem Wetter, dafs sich die Bl\u00e4tter mancher Pflanzen den Tag \u00fcber fast gar nicht \u00f6ffnen, und wenn sie es gegen Mittag thun, so pflegen sie sich schon sehr fr\u00fch Nachmittags wieder zu schliefsen. In den kalten Juli-Tagen, welche wir im vergangenen Sommer hatten, sah ich an einem Nachmittage,","page":478},{"file":"p0479.txt","language":"de","ocr_de":"479\ngleich nach 3 Uhr, dafs sich die grofsen Bl\u00e4tter des Hy-dysarum gyrans vollkommen niedersenkten, so dafs sie den Stengel wie mit einem Mantel bekleideten, nachdem sich pl\u00f6tzlich der ganze Horizont mit dunkeln Regenwolken bezogen hatte. Es regnete hierauf den ganzen Tag bis sp\u00e4t in die Nacht hinein, und das Hedysarum blieb denn auch bis zum folgenden Morgen in seiner n\u00e4chtlichen Stellung. Einige Stunden sp\u00e4ter, meistens schon um 5J Uhr, falteten sich auch die Bl\u00e4tter der Mimosen zusammen, welche ich an jenem Tage im Zimmer zu stellen hatte. Herr Morren*) hat selbst beobachtet, dafs sich w\u00e4hrend der Sonnenfinsternifs am 18. Mai 1836 mehrere Leguminosen, als Cassia subfusca, Tamarindus indica, Acacia speciosa, Mimosa sensitiva, M. pudica und M. arborea beinahe vollkommen zusammenfalteten, und bekanntlich war diese Sonnenfinsternifs noch lange nicht vollkommen.\nDie tropischen Pflanzen, welche in unseren Gew\u00e4chsh\u00e4usern kultivirt werden, scheinen, wie man glaubt, fortzufahren zu derjenigen Zeit ihre Bl\u00e4tter zu schliefsen und zu \u00f6ffnen, in welcher sie es in ihrem Vaterlande thun, indessen es lassen sich eine Menge von Thatsachen gegen diese Ansicht auff\u00fchren. Wir sehen allerdings, dafs dergleichen Gew\u00e4chse aus w\u00e4rmeren Climaten, die in unseren Gew\u00e4chsh\u00e4usern gezogen werden, schon fr\u00fch, mitten im Sommer z. B. schon um 6 Ehr Abends ihre n\u00e4chtliche Stellung annehmen, um welche Zeit allerdings in den Tropen der Untergang der Sonne eintritt; aber wir sehen auch, dafs eben dieselben Pflanzen des Morgens sehr fr\u00fch ihre Bl\u00e4tter entfalten, wie z. B. die Mimosa pudica, in der Stube gezogen, oft schon lange vor 5 Uhr ge\u00f6ffnet dasteht. Im Allgemeinen kann man aber doch den Satz festhalten, dafs die tropischen Pflanzen auch in unseren Climaten die Dauer ihrer t\u00e4glichen und n\u00e4chtlichen Blattstellung ungef\u00e4hr beibehalten; es versteht sich aber von selbst, dafs hiemit nur die L\u00e4nge dieser Zeit, nicht aber die gleichnamigen Stunden gemeint sind.\n*) L\u2019Institut de 1836. pag. 416.","page":479},{"file":"p0480.txt","language":"de","ocr_de":"480\nWir kommen hierbei zur Betrachtung der Versuche? durch welche Herr De Candolle *) zuerst erwiesen hat? dafs man die periodischen Erscheinungen des Schlafend und des Erwachen\u2019s der Pflanzen durch \u00e4ufsere Einfl\u00fcsse regelm\u00e4fsig ab\u00e4ndern kann? eine Erscheinung, welche von hoher Wichtigkeit ist? besonders da man durch Du Hamel\u2019s **) Beobachtungen zu dem Schl\u00fcsse berechtigt zu sein glaubte? dafs das Licht auf diese Erscheinungen von keinem Einfl\u00fcsse sei. Du Hamei sah n\u00e4mlich? dafs sich die Mimosen? wenn sie im Finstern standen? ebenfalls Abends schlossen und Morgens \u00f6ffneten? ja selbst das Licht einer Fackel bewirkte hierin keine Ver\u00e4nderung. Die Resultate? welche Du Hamei aus diesen Versuchen zog? sind durchaus unrichtig; er setzte seine Beobachtungen nicht lange genug fort? sonst h\u00e4tte er gesehen? dafs sich jene regelm\u00e4fsigen t\u00e4glichen Perioden? schon nach einigen Tagen ab\u00e4ndern lassen. J. Hill***) war es aber? der zuerst zeigte? dafs die Erscheinungen des Pflanzenschlafes von dem Lichte abh\u00e4ngig w\u00e4ren? und dafs die Ver\u00e4nderung in der Stellung der Bl\u00e4tter ganz und gar den verschiedenen Graden des einwirkenden Lichtes entsprechen. Hill stellte eine Abrus-Pflanze w\u00e4hrend des Vormittags in einen dunkelen Raum und sah schon? dafs sich die Bl\u00e4tter nach Verlauf von einer Stunde s\u00e4mmtlich gesenkt hatten. Als Anhang zu der obigen? deutschen Ausgabe von Hill\u2019s Schrift erschien eine Abhandlung von Zinn? worin derselbe durch neue Beobachtungen seine Zweifel erhob? ob denn der Mangel des Lichtes die alleinige Ursache des Pflanzenschlafes sein k\u00f6nne? und wie richtig diese Zweifel sind? werden wir in der Folge n\u00e4her kennen lernen.\nHerr De Candolle stellte verschiedene Pflanzen? deren Bl\u00e4tter eine besondere n\u00e4chtliche Stellung annehmen? in\n*) M\u00e9m. sur l\u2019influence de la lumi\u00e8re artificielle sur les plantes. \u2014- M\u00e9m. des savans \u00e9trangers de l\u2019Institut I.\n**) 1. C. II. 124.\n***) Der Schlaf der Pflanzen und die Ursache der Bewegung an dem F\u00fchlkraut. A. d. Engl. N\u00fcrnberg 1768. pag. 39.","page":480},{"file":"p0481.txt","language":"de","ocr_de":"481\neinen, durch sechs Argandsche Lampen erleuchteten Keller, und beobachtete ihr Verhalten bei diesem k\u00fcnstlichen Lichte. Am 25sten Juli Abend\u2019s wurden 2 geschlossene Exemplare der Mimosa pudica in jenen Keller gestellt; ihre Bl\u00e4tter \u00f6ffneten sich um 2 Uhr Morgens und 1| Stunde fr\u00fcher, als die Pflanzen, weiche sich im Treibhause befanden, sie schlossen sich aber schon um 3 Uhr|Nachmittags. Am folgenden Tage \u00f6ffneten sich diese Pflanzen schon um Mitternacht und schlossen sich schon um 2 Uhr Nachmittags-Wurde der Keller, worin die Mimosen standen, des Nachts erleuchtet und bei Tage dunkel erhalten, so ver\u00e4nderten die Pflanzen allm\u00e4lich die Stunden des Schlafes, und schon am dritten Tage \u00f6ffneten sie sich des Abends und schlossen sich gegen Sonnenaufgang. L\u00e4fst man aber die Mimosa pudica ununterbrochen in einem dunkelen Raume stehen, so treten zwar ebenfalls die periodischen Erscheinungen von Er\u00f6ffnen und Schliefsen der Bl\u00e4tter auf, aber im h\u00f6chsten Grade unregelm\u00e4fsig. Ich habe diese Versuche zum Theil wiederholt, und bediente mich dabei statt des Kellers eines gew\u00f6hnlichen Ofens; auch ich habe bei diesen Versuchen bemerkt, dafs sich bei anhaltender Beleuchtung die Perioden des Wachens und des Schlafens immer mehr und mehr abk\u00fcrzen, so dafs eine solche Pflanze schon am dritten Tage, und zwar dem Lichte einer einzigen Lampe ausgesetzt, ihre Bl\u00e4tter gegen Mittag sclilofs. Das wichtigste Resultat dieser Beobachtungen war jedoch, dafs man die Sinnpflanze durch den k\u00fcnstlich geleiteten Einflufs des Lichtes dahin bringen kann, dafs sie des Nachts ihre Bl\u00e4tter entfaltet, und dieselben bei Tage wiederum schliefst.\nHerr De Candolle fand aber auch, dafs die periodischen Erscheinungen des Wachens und Schlafens der Bl\u00e4tter bei mehreren Gew\u00e4chsen, als z. B. bei Oxalis incarnata L. und O. stricta L., wie auch bei Mimosa leucocephala durch k\u00fcnstliche Beleuchtung nicht zu ver\u00e4ndern waren, denn sie \u00f6ffneten drei Tage hindurch ihre Bl\u00e4tter im Dunkeln, und schlossen sie drei N\u00e4chte hindurch in jenem hellerleuchte-\nMeyen. Pfl. Physiol. Ill,\t31","page":481},{"file":"p0482.txt","language":"de","ocr_de":"482\nten Raume. Oxalis stricta ist indessen eine, in dieser Hinsicht sehr empfindliche Pflanze ; Herr Dassen stellte sie hei Tage unter ein Futteral von steifem Papier, und in einer halben Stunde waren alle Bl\u00e4tter geschlossen. Vielleicht waren daher die Zeitperioden, in welchen die De Candolle\u2019schen Experimente mit Oxalis stricta u. s. w. angestellt wurden, nicht lang genug, um die Gewohnheiten dieser Pflanzen umzu\u00e4ndern, aber jedenfalls scheint es sehr gewagt, wenn man diese Experimente stets als ganz erwiesen ansieht, besonders da ich bei Oxalis tetraphylla das Gegentheil beobachtet habe.\nWir kommen jetzt zur n\u00e4heren Betrachtung des Zustandes, welchen die Pflanze bei der n\u00e4chtlichen Stellung der Bl\u00e4tter darbietet, und auch hier m\u00f6ge die Sinnpflanze als Beispiel dienen. Die gemeinschaftlichen Blattstiele der Bl\u00e4tter dieser Pflanzen stehen in verschiedenen Winkeln zu dem Stamme der Pflanze; bei den untersten und \u00e4ltesten Bl\u00e4ttern ist dieser Winkel gr\u00f6fser, als bei den obersten und j\u00fcngsten; diese stehen in einem Winkel von 60 und 70 Grade, die darauf folgenden zeigen eine best\u00e4ndige Zunahme dieses Winkels und die untersten, besonders wenn die Pflanze schon etwas alt ist, und an Empfindlichkeit verliert, stehen im rechten Winkel von dem Stamme ab. An gew\u00f6hnlichen warmen und hellen Sommertagen beginnt die Zusammenfaltung der Pflanze schon gegen 6 Uhr, und zeigt sich zuerst in einem allm\u00e4ligen Senken der gemeinschaftlichen Blattstiele; nach einiger Zeit, wenn sich die Winkel, welche die Blattstiele mit dem Stamme machen, um 20 und 30 Grad vergr\u00f6fsert haben, beginnen die Fiederbl\u00e4ttchen sich zu erheben, doch nicht einzeln, sondern mehr in Masse, oft der ganzen Seite eines gefiederten Blattes entlang, meistens aber von der Basis anfangend und sich ailm\u00e4iich nach der Spitze des Blattes hinziehend, jedoch findet auch hierin gar nicht selten grofse Unregel-m\u00e4fsigkeit statt. Mit diesem Zusammenlegen der Fiederbl\u00e4ttchen n\u00e4heren sich die Stiele der gefiederten Bl\u00e4tter, und der gemeinschaftliche Blattstiel senkt sich immer mehr","page":482},{"file":"p0483.txt","language":"de","ocr_de":"483\nund mehr, so dafs er bei einbrechender Nacht mit dem Stamme nach Unten zu einen Winkel von 30 Graden bildet und sogar nicht selten ganz parallel mit der Richtung des Stammes steht. Nach Mitternacht beginnt schon wiederum das Steigen des gemeinschaftlichen Blattstieles und gegen Morgen, mitunter schon gegen 3 und 4 Uhr, gew\u00f6hnlich aber erst nach 5 Uhr, er\u00f6ffnen sich wieder die Fiederbl\u00e4ttchen, doch ist die Ordnung, in welcher sich die verschiedenen Theile der einzelnen Bl\u00e4tter wieder entfalten, nicht immer gleich.\ni Der Winkel, in welchem die Blattstiele bei ihrer Tagstellung zum Stamme gerichtet sind, ist an verschiedenen Tagen sehr verschieden grofs; im Allgemeinen kann man sagen, dafs derselbe um so gr\u00f6fser ist, je reizbarer die\n| Pflanze ist, und dieses steht wieder im Verh\u00e4ltnisse zum Wetter und zu dem Stande der Sonne. So sah schon Du Hamei *), dafs der gemeinschaftliche Blattstiel einer Mimose Morgens um 9 Uhr einen Winkel von 100\u00b0 (auf der unteren Seite n\u00e4mlich!) zeigte; um 12 Uhr betrug derselbe 112\u00b0, um 3 Uhr nur noch 100\u00b0 und Abend\u2019s um 8 Uhr 90\u00b0. Am anderen Tage dagegen, bei sch\u00f6nem Wetter zeigte derselbe schon um 9 Uhr Morgens einen Winkel\nI von 135\u00b0 und Mittags von 143\u00b0. Ganz in demselben Verh\u00e4ltnisse ver\u00e4ndert sich dieser Winkel bei der n\u00e4chtlichen Stellung der Bl\u00e4tter; er pflegt Abends um so kleiner zu sein, je reizbarer die Pflanze ist, und je w\u00e4rmer der Tag war. Du Hamei giebt auch an, dafs die Mimosen an solchen Tagen, wo sie best\u00e4ndig dem Sonnenlichte ausgesetzt sind, des Vormittags reizbarer, als des Nachmittags sind.\nMitunter findet man bei der n\u00e4chtlichen Stellung der Mimosen-Bl\u00e4tter, dafs einzelne Blattstiele nicht gesenkt sind, wenn sich auch die Bl\u00e4ttchen derselben zusammengefaltet haben; wenn man aber ein solches Blatt anriihrt, so senkt es sich sogleich nachtr\u00e4glich.\nBetrachtet man die Stellung der Blattstiele und der Bl\u00e4ttchen der Sinnpflanze in ihrer n\u00e4chtlichen Stellung, so\n*) 1. c, pag. 126.\n31*","page":483},{"file":"p0484.txt","language":"de","ocr_de":"484\nwird man finden, dafs diese Zusammenfaltungen nicht etwa mit einer Erschlaffung begleitet sind, wie sie den Schlaf der Thiere gew\u00f6hnlich begleitet, sondern es findet gerade das Gegentheil statt; dieser Zustand n\u00e4mlich, welchen man mit dem Namen des Schlafes der Pflanzen belegt hat, ist stets mit mehr oder weniger starken Contractionen begleitet. Die Fiederbl\u00e4ttchen sind mittelst eigenth\u00fcmlicher Gelenke dem gemeinschaftlichen Stiele des einfachen gefiederten Blattes aufgesetzt, so wie die gefiederten Bl\u00e4tter durch \u00e4hnliche Gelenke mit dem gemeinschaftlichen Blattstiele in Verbindung stehen, und dieser wieder mit dem Stamme oder den Aesten des Stammes zusammenh\u00e4ngt. Diese Gelenke sind von sehr eigenth\u00fcmlichem Baue, sie werden \u00e4ufserlich durch eine dicke zellige Wulst umschlossen, und in dieser sieht man, schon vermittelst einer Loupe, die wellenf\u00f6rmigen Contractionen, wenn sich der dazu geh\u00f6rige Theil in die n\u00e4chtliche Stellung versetzt hat. Diese Contractionen sind aber wohl nicht als aktive Aeufserungen des Zellengewebes anzusehen, sondern mehr als blofse Zusammenfaltungen, welche dadurch entstehen, dafs das Blatt, oder \u00fcberhaupt der dazu geh\u00f6rige Theil, mit einer gewissen Gewalt seine Richtung ver\u00e4ndert, und also auch das in der Achsel liegende Zellengewebe zusammendr\u00fccken mufs. An den Gelenkw\u00fclsten der Fiederbl\u00e4ttchen der Mimosa pudica contrahirt sich die obere Zellenmasse, weil sich das Bl\u00e4ttchen nach Oben aufrichtet; von den Gelenkw\u00fclsten des gemeinschaftlichen Blattstieles dieser Pflanze wird jedoch die untere Zellenmasse contrahirt, indem sich der Blattstiel nach Unten senkt. Sind diese Zusammenfaltungen vollkommen erfolgt, so wird man sich \u00fcberzeugen, dafs die zusammengefalteten Theile nicht wieder willkiihr-lich auseinandergebogen werden k\u00f6nnen; die dabei erfolgten Contractionen sind so bedeutend, dafs man Gefahr l\u00e4uft die Bl\u00e4tter abzubrechen, wenn man sie mit Gewalt auseinander zieht.\nHerr Dassen hat sogar neuerlichst gezeigt, dafs diese Zusammenziehungen bei der n\u00e4chtlichen Stellung der Bl\u00e4t-","page":484},{"file":"p0485.txt","language":"de","ocr_de":"485\nter mit gr\u00f6fserer Kraftanstrengung erfolgen, als eigentlich dazu n\u00f6thig ist. Es wurden zu diesem Zwecke folgende Versuche angestellt *) : Frisch abgeschnittene Zweige von Faba vulgaris, Oxalis stricta, Lupinus albus und Robinia viscosa wurden Abends um 6 Uhr auf Wasser gelegt, so dafs wenigstens einige ihrer Bl\u00e4tter mit der unteren Fl\u00e4che vollkommen auf demselben trieben. Alsbald bem\u00fchten sich die Bl\u00e4tter ihre n\u00e4chtliche Stellung anzunehmen, es kr\u00fcmmten sich die Bl\u00e4tter der Faba vulgaris, aber sie konnten sich nicht ganz aufheben. Die Oxalis machte dieselbe Bewegung, wodurch die Bl\u00e4ttchen auf die Seite fielen. Die Bl\u00e4ttchen von Lupinus konnten sich nicht von dem Wasser losmachen, sie dr\u00fcckten aber den Anheftungspunkt so weit nach Unten, dafs sie beinahe dieselbe Richtung, als aufser dem Wasser erhielten. Bei der Robinia viscosa konnten die Bl\u00e4ttchen wegen des Widerstandes des Wassers nicht abw\u00e4rts gebogen werden, sie hoben aber durch R\u00fcckwirkung den gemeinschaftlichen Blattstiel empor.\nUm ferner die Kraft zu bestimmen, mit welcher die Bl\u00e4tter ihre n\u00e4chtliche Stellung einnehmen, befestigte Herr Dassen an dergleichen Bl\u00e4ttern kleine Gewichte. So wurde z. B, an dem Mittelnerven eines Blattes von Faba vulgaris, in -f der L\u00e4nge von der Basis, 2 Gran Medicinalge-wicht befestigt, w\u00e4hrend ein anderes Blatt sogar 4 Gran tragen mufste. Die Bl\u00e4tter mit 2 Gran hoben sich Abends wie gew\u00f6hnlich, diejenigen aber, welche mit 4 Gran beschwert waren, erhoben sich langsamer und erreichten die vollkommene H\u00f6he der \u00fcbrigen Bl\u00e4tter nicht mehr; woraus man ungef\u00e4hr schliefsen kann, dafs jedes dieser Bl\u00e4tter 3 Gran mehr heben kann, als f\u00fcr die Schliefsung desselben n\u00f6thig ist.\nSeit einer Reihe von Jahren hat Herr Dutrochet die botanische Welt mit Beobachtungen unterhalten, durch welche er bei der Mimosa pudica den Sitz der Beweglichkeit nachwiefs, und auch durch sinnreiche Hypothesen die\n*) S. Dassen in den Harlem. Maatsch. etc, pag. 220 und die Ue-> bersetzung in Wiegmann\u2019s Archiv, 1838. I. pag. 218.","page":485},{"file":"p0486.txt","language":"de","ocr_de":"486\nganze Erscheinung zu erkl\u00e4ren suchte. Herr Dutrochet*) schnitt die Zellenmasse auf der unteren Seite der Gelenkknoten mehrerer Blattstiele von Mimosa pudica ab, und sah, dafs sich die Blattstiele senkten und die n\u00e4chtliche Stellung annahmen, wie dieses bei jeder anderen Verletzung der Sinnpflanze geschieht; das Auffallende bei diesem Experimente war jedoch, dafs die Bl\u00e4tter in dieser gesenkten Stellung beharrten, und sich nicht wieder aufrichteten. An anderen Bl\u00e4ttern wurde die Zellenmasse des Gelenkknote11\u20198 der oberen Fl\u00e4che abgeschnitten, und diese Bl\u00e4tter senkten sich nicht, sondern richteten sich vielmehr noch mehr auf. Aus diesen so klar dargestellten Versuchen wurde sogleich gefolgert, dafs hier in dem Gelenke ein Antagonismus zwischen der oberen und der unteren Masse des Zellengewebes vorhanden sei; dafs sich n\u00e4mlich bei dem Erheben der Blattstiele das Zellengewebe auf der unteren Fl\u00e4che des Gelenkknotens ausdehne, w\u00e4hrend dasjenige auf der oberen Fl\u00e4che des Gelenkes erschlaffe, und so umgekehrt; bei der n\u00e4chtlichen Stellung der Bl\u00e4tter sei eine Expansion des Zellengewebes auf der oberen Fl\u00e4che des Gelenkes und eine Erschlaffung desselben auf der unteren Fl\u00e4che zu beobachten. Die Bewegungen der Pflanzen, wodurch deren Bl\u00e4tter die n\u00e4chtliche Stellung annehmen, geschehen also nach diesen Beobachtungen nicht in Folge von Contraction, sondern sie werden durch Expansion des Zellengewebes auf der entgegengesetzten Seite bewirkt.\nDie Resultate dieser Dutrochet\u2019schen Versuche machten \u00fcberall grofses Aufsehen und wurden sogar von mehreren Botanikern, als von Herrn L. Treviranus, Mold, Meyer u. s. w. best\u00e4tigt, nur in den Schriften des Herrn Link**) finde ich eine Stelle, aus welcher die Unrichtigkeit jener Resultate schon ganz allein zu erweisen war. Es heifst daselbst: \u201eDafs die Ursache der Bewegung in\n*) Recherches sur la structure intime des animaux et des v\u00e9g\u00e9taux, et sur leur motilit\u00e9. Paris 1824.\n**) Elem. philos, bol. Edit, altera II. pag, 360.","page":486},{"file":"p0487.txt","language":"de","ocr_de":"487\nden Spiralgef\u00e4fsen und dem Prosenchym, nicht aber in dem besonders verdickten Parenchym, auch nicht in dem Einfkifs einer Fl\u00fcssigkeit in die Zellen besteht, sieht man daraus, dafs wenn man rund umher den Knoten des Blattstieles einschneidet, dafs Tropfen heraus fliefsen, das Blatt zwar niederf\u00e4llt, aber sich bald wieder aufrichtet und bewegt wie vorher.\u201c Es ist in der That auffallend, dafs sich die Botaniker durch jene Dutrochet\u2019schen Beobachtungen so lange Zeit hindurch haben t\u00e4uschen lassen, denn es ist gar nicht schwer nachzuweisen, dafs sie unrichtig sind, und dafs alsdann auch alle die sinnreichen Hypothesen zusammenfallen, welche man zur Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung aufgestellt hat. Ich habe an kr\u00e4ftigen Exemplaren der Sinnpflanze mitten im Sommer jene Versuche oft wiederholt, und zwar mit aller Sorgfalt, aber stets erhielt ich andere Resultate; ich schnitt das Zellengewebe der unteren Seite des Gelenkes, bis auf das Holzb\u00fcndel in dessen Mitte, vollkommen eben ab und schon am zweiten Tage, so wie noch mehrere Wochen lang nachher, bewegten sich diese Blattstiele nach wie vor; am Morgen erhoben sie sich und am Abende senkten sie sich. Ich schnitt an anderen Bl\u00e4ttern die obere Zellenmasse des Gelenkes ab und sogleich senkte sich der Blattstiel, erhob sich aber sp\u00e4ter, und in den folgenden Wochen bewegten sich auch diese Bl\u00e4tter nach wie vor. Auch habe ich oftmals versucht, die ganze Zellenmasse des Gelenkes abzul\u00f6sen, damit das Blatt einzig und allein durch das Holzb\u00fcndel mit dem Stamme in Verbindung st\u00e4nde, doch dieser Versuch gelingt niemals, indem sich das Blatt durch seine eigene Schwere niedersenkt und nicht mehr erhoben wird. Man wende mir nicht ein, dafs ich die ber\u00fchmten Du-trochet\u2019schen Experimente ungeschickt wiederholt habe, und dafs sie wohl defshalb anders ausgefallen sind, denn ich glaube mir hierin ebenfalls einige Geschicklichkeit erworben zu haben.\nHerr Dutrochet schnitt d\u00fcnne Scheiben von der Wulst der Gelenke der Mimose ab und sah, dafs sich dieselben","page":487},{"file":"p0488.txt","language":"de","ocr_de":"488\nsogleich kr\u00fcmmten, wenn sie in Wasser geworfen wurden; die Scheibe von der oberen Fl\u00e4che der Wulst kr\u00fcmmte sich nach Oben, die von der unteren Seite aber nach Unten, und da hier offenbar eine Endosmose stattfindet, wenn der zarte Schnitt in Wasser geworfen wird, so glaubte man schliefsen zu k\u00f6nnen, dafs die Endosmose die Ursache dieser und also auch \u00e4hnlicher Kr\u00fcmmungen im lebenden Zustande der Pflanze sein m\u00fcsse. Mehrere Gelehrte haben \u00fcber diese Beobachtungen ihre Freude ausgedr\u00fcckt, ja sie haben dieselben sogar best\u00e4tigt; auch ich kann diese Beobachtungen best\u00e4tigen, die Schl\u00fcsse aber, welche man daraus gezogen hat, sind g\u00e4nzlich unrichtig. Man mache die Schnitte aus dem Zellengewebe der Gelenkw\u00fclste an den Seiten, und man wird finden, dafs sich diese ganz ebenso zusammenziehen, dafs n\u00e4mlich die Incurvation auf der Epidermisseite statt findet, wo die Zellen kleiner und von dickeren W\u00e4nden sind, dafs sich also die ganze Sache sehr nat\u00fcrlich verh\u00e4lt. Die gr\u00f6fseren Zellen auf der inneren Fl\u00e4che des Schnittes sind zugleich mit zarteren Membranen versehen; sie saugen das Wasser schneller ein, als die dickwandigen, dehnen sich daher fr\u00fcher aus und erzeugen dadurch die Kr\u00fcmmung; liegt der Schnitt l\u00e4ngere Zeit im Wasser, so verschwindet wieder die Kr\u00fcmmung, oft schon nach 2\u2014-3 Minuten.\nHerr Dassen hat diese letzteren Beobachtungen des Herrn Dutrochet ebenfalls sehr wenig best\u00e4tigt gefunden und giebt an, dafs die \u00e4ufserste Lage der Anschwellung gar keine Kr\u00fcmmung im Wasser zeigt, und dafs sich auch die ganze H\u00e4lfte derselben, in Wasser geworfen, nicht kr\u00fcmmt. Beide Angaben lassen sich aber sehr leicht erkl\u00e4ren, und somit w\u00e4re wohl das Wunderbare jener Du-trochet\u2019schen Versuche verschwunden.\nNeuerlichst hat auch Herr Dassen dergleichen Beobachtungen bei einigen minder reizbaren Pflanzen angestellt, als bei Faba vulgaris, Robinia viscosa, R. Pseudacacia,\n*) Haarlem. Maatschappij etc, XXII. pag. 301.","page":488},{"file":"p0489.txt","language":"de","ocr_de":"489\nAmorpha, Cassia marylandica u. s. w. es wurde, wie es heifst, die ganze Anschwellung des Blattstieles abgeschnitten und es ging dadurch alle Bewegung verloren, es blieben aber einige Wochen hindurch, dergleichen Bl\u00e4tter am Leben. Schnitt Herr Dassen an allen Bl\u00e4ttchen eines zusammengesetzten Blattes der Robinia viscosa den oberen Theil der Anschwellung ab und zwar bis auf die Gef\u00e4fsbiindel, so fand Abends die Senkung des Blattes nicht statt, sondern im Gegentheil es wurde noch eine geringe Hebung beobachtet. Wurde der untere Theil der Anschwellung bei jener Pflanze abgeschnitten, so senkten sich die Bl\u00e4ttchen und blieben unbeweglich in dieser Haltung, und umgekehrt verhielt es sich bei denjenigen Pflanzen, welche ihre Bl\u00e4ttchen bei der n\u00e4chtlichen Stellung erheben.\nHerr Dassen hat auch eine Menge von Versuchen angestellt, um die Verrichtungen der Bl\u00e4tter als entferntere Ursachen ihrer Bewegungen zu erweisen oder deren An-theil dabei darzuthun, dieselben f\u00fchrten aber leider nur zu negativen Resultaten. So fand es sich, dafs weder die Entwickelung von Sauerstoffgas bei Tage, noch die Entwickelung von Kohlens\u00e4ure des Nacht\u2019s darauf Einflufs zeigten. Dagegen glaubt Herr Dassen durch Beobachtungen von Oxalis, Lotus u. s. w. zu dem Resultate gekommen zu sein, dafs Ueberflufs an rohen S\u00e4ften die n\u00e4chtliche Richtung, das Gegentheil aber die t\u00e4gliche bef\u00f6rdere, und er folgert aus allen Versuchen, dafs die t\u00e4glichen Lebensverrichtungen der Bl\u00e4tter die Annahme der n\u00e4chtlichen Richtung, und die n\u00e4chtlichen dagegen die Tagrichtung der beweglichen Bl\u00e4tter bef\u00f6rdern. Diese Erkl\u00e4rung \u00fcber die Ursachen des Pflanzenschlafes m\u00f6chte ich jedoch f\u00fcr ganz unerwiesen halten, denn dem einfachen Versuche mit Oxalis stricta, welche er ganz in Wasser setzte und daran die n\u00e4chtliche Blattstellung eintreten sah, kann ich mehrere Versuche mit Mimosa pudica und Vicia Faba entgegensetzen, welche durch den h\u00f6heren Grad von Feuchtigkeit keinesweges die n\u00e4chtliche Stellung zeigten.\nEndlich kommen wir zur Betrachtung der Wirkungen,","page":489},{"file":"p0490.txt","language":"de","ocr_de":"490\nwelche durch sch\u00e4dliche Einfl\u00fcsse, als besonders durch Gifte u. s. w. auf die Richtung in der Tagstellung und der n\u00e4chtlichen Stellung der Bl\u00e4tter verursacht werden. Auch hier hat Herr Dassen eine grofse Reihe von zusammenh\u00e4ngenden Beobachtungen angestellt und den Gegenstand so \u00fcbereinstimmend mit meinen Ansichten bearbeitet, dafs ich nicht anders thun kann, als seine eigenen Beobachtungen und Resultate hieselbst aufzuf\u00fchren. Auch ich habe eine Reihe von Versuchen \u00fcber den Einflufs von Giften auf die Beweglichkeit der Bl\u00e4tter angestellt, deren Resultate mit denjenigen meiner Vorg\u00e4nger \u00fcbereinstimmen, deren specielle Beschreibung jedoch jeden Leser langweilen w\u00fcrde.\nWerden Pflanzen mit beweglichen Bl\u00e4ttern abgeschnitten und in sch\u00e4dlich wirkende Substanzen gestellt, so verliert sich die Beweglichkeit der Bl\u00e4tter, sobald die sch\u00e4dlichen Substanzen aufgenommen sind und die Pflanzen durchdrungen haben. Die Zeit, in welcher die L\u00e4hmung eintritt, richtet sich jedoch g\u00e4nzlich nach der St\u00e4rke der angewendeten sch\u00e4dlichen Substanzen oder Gifte und auch, was sehr zu bemerken ist, nach dem Grade der Reizbarkeit, welchen die angewendeten Pflanzen zeigen. Wurden Zweige von Mimosa nilotica und M. frondosa in Fl\u00fcssigkeiten gesetzt, welche q- blausaures Kali, oder Sublimat, oder schwefelsaures Morphium oder Arsenik enthielten, so nahmen die Bl\u00e4tter dieser Pflanzen in einer oder in zwei Stunden eine Richtung an, welche zwischen der t\u00e4glichen und der n\u00e4chtlichen die Mitte hielt, und dabei starben auch diese Pflanzen. Folgende Versuche zeigten zugleich, wie viel Zeit gewisse Gifte erfordern um minder reizbare Bl\u00e4tter zu l\u00e4hmen; wurden n\u00e4mlich Zweige von Robinia Pseudacacia in Fl\u00fcssigkeiten von i Acid, acetic, dilut., oder von T~ Eisenvitriol oder von ~ Kochsalz Gehalt gestellt; so sah man, dafs sie Abends noch einige Schliefsung zeigten, wenn sie erst um Mittag eingesetzt waren ; wurden sie aber schon Nachts vorher hineingestellt, so schlossen sich Abends die Bl\u00e4tter nicht","page":490},{"file":"p0491.txt","language":"de","ocr_de":"491\nmehr. Dergleichen starke Gifte, wie die Blaus\u00e4ure, wirken dagegen sehr schnell, so fand schon Herr Goeppert*) und ich habe den Versuch wiederholt, dafs die Blattstiele der Mimosa pudica sogleich gel\u00e4hmt werden, wenn die Blaus\u00e4ure durch die Spiralr\u00f6hren abgeschnittener Zweige aufgenommen und bis zu den Stielen hingef\u00fchrt wird; die T\u00f6dtung des Parenchymes, welche die W\u00fclste der Gelenke bildet, geschieht aber erst sp\u00e4ter. Hieraus ist zu folgern, dafs die Aufhebung des Verm\u00f6gens der Pflanzen die Bl\u00e4tter zu bewegen fr\u00fcher erfolgt, als die T\u00f6dtung der Pflanze in Folge der Einwirkung der Gifte, und man kann als ein bestimmtes Gesetz annehmen, dafs die Gifte die Beweglichkeit der Bl\u00e4tter aufheben und die Pflanzen t\u00f6dten, dafs sie aber keinesweges die n\u00e4chtliche Stellung der Bl\u00e4tter herbeif\u00fchren. Herr Goeppert sah schon, dafs in einem gefiederten Blatte der untere Theil durch die Einwirkung der Blaus\u00e4ure schon l\u00e4ngst zerst\u00f6rt sein k\u00f6nne, w\u00e4hrend der obere noch die n\u00e4chtliche Stellung zeigte.\nHerr Dutrochet **) brachte die Sinnpflanze unter den Recipienten einer Luftpumpe und beobachtete ihr Verhalten im luftleeren Raume; er sah, dafs die Pflanze sogleich die Bl\u00e4ttchen halb schlofs, als der Recipient luftleer wurde; die Blattstiele richteten sich himmelw\u00e4rts, und in diesem Zustande blieb die Pflanze. Wurde die Pflanze hervorgenommen, nachdem sie einige Zeit im luftleeren Raum gestanden hatte, so erholte sie sich wieder sehr bald. Herr Dutrochet fand, dafs die Sinnpflanze unter dem Recipienten auch des Nachts in dem vorhin angegebenen Zustande bleibt und nicht die n\u00e4chtliche Stellung der Bl\u00e4tter annahm; und blieb eine solche Pflanze 18 Stunden lang im luftleeren Raume, so hatte sie alles Bewegungsverm\u00f6gen vollkommen verloren, erhielt es aber in der freien Luft allm\u00e4lich wieder. Herr Dutrochet nannte diesen Zustand, in welchen die Sinnpflanze durch Luftentziehung verfiel,\n*) Le Acidi Hydrocyanici vi in plantas commentatio. pag. 26.\nM\u00e9m. sur les organs a\u00ebrif\u00e8res des v\u00e9g\u00e9taux etc. \u2014 Ann. des scienc. nat. XXV. pag. 254. 1832.","page":491},{"file":"p0492.txt","language":"de","ocr_de":"492\neinen asphyktischen, und ich stimme hierin umso mehr bei, als wir schon vorhin kennen gelernt haben, dafs auch die Gifte die Pflanzen t\u00f6dten k\u00f6nnen, ohne die n\u00e4chtliche Stellung der Bl\u00e4tter herbeizufiihren. Ich kann diese Du-trochefschen Versuche vollst\u00e4ndig best\u00e4tigen, nur mufs ich bemerken, dafs ich die Wirkung des luftleeren Raumes auf eine sehr lebhafte Pflanze noch weit geringer fand, denn wenn die Luft langsam ausgepumpt wurde, so sah ich gar keine Ver\u00e4nderung in der Stellung der Bl\u00e4ttchen und des gemeinschaftlichen Blattstieles. Ja Du Hamei sah sogar, dafs sich die Bl\u00e4tter anfangs bei Nacht schlossen und bei Tage wieder \u00f6ffneten; wenn sie aber l\u00e4nger im Recipienteii blieben, so verlor sich ihre Reizbarkeit und sie blieben stets offen.\nDurch andere Versuche glaubte Herr Dutrochet *) zu erweisen, dafs die atmosph\u00e4rische Luft, welche in den luftf\u00fchrenden Organen der Pflanzen enthalten ist, einen grofsen Einflufs auf die Tag- und Nachtstellung der Bl\u00e4tter, oder, wie man sich gew\u00f6hnlich ausdr\u00fcckt, auf das Schlafen und Erwachen der Pflanzen ausiibt. Er kam zu dem Schl\u00fcsse, dafs der Schlaf der Pflanzen um so l\u00e4nger dauere, je weniger Luft in den Lufth\u00f6hlen ist; indessen diese Annahme ist sehr zu modificiren, indem, wie es Herr Dutrochet selbst zuerst nachgewiesen hat, durch einen starken Grad von Luftentziehung die Pflanzen in einen asphyktisehen Zustand verfallen, der aber nicht mit dem Schlafe zu vergleichen ist. Das Hauptresultat dieser Untersuchungen bleibt aber von grofser Wichtigkeit, dafs n\u00e4mlich die Pflanzen durch Entziehung der atmosph\u00e4rischen Luft die Reizbarkeit verlieren, und Herr Dutrochet schliefst hiebei ganz richtig, dafs Mangel an Sauerstoff sowohl bei den Pflanzen, wie bei den Thieren Asphyxie hervorbringe.\nSp\u00e4ter ist Herr Dutrochet in Folge neuer Versuche noch specieller in die Erkl\u00e4rung der Ursachen eingegangen, durch welche das Schlafen und Erwachen der Pflanzen\n*) 1* c. pag. 256.","page":492},{"file":"p0493.txt","language":"de","ocr_de":"493\nveranlafst wird, doch wird es vorteilhafter sein diese Ansichten erst sp\u00e4ter zu ber\u00fchren, wenn wir auch die Erscheinungen n\u00e4her kennen gelernt haben, welche die Bl\u00fcthen der Pflanzen bei ihrem Oeffnen und Schliefsen darbieten.\nZweites Capitel.\nVon dem Oeffnen und Schliefsen der Bl\u00fcthen.\nEs scheint, dafs dem Oeffnen und Schliefsen der Bl\u00fcthen eben dieselbe Ursache zum Grunde liegt, welche das Schlafen und Erwachen der Pflanzenbl\u00e4tter bedingt, eine Ansicht, f\u00fcr die jedoch erst sp\u00e4ter die Gr\u00fcnde angef\u00fchrt werden k\u00f6nnen. Linn\u00e9 schenkte auch diesem Gegenst\u00e4nde zuerst seine Aufmerksamkeit, doch betrachtete er nur die Verschiedenheiten der Erscheinungen, welche derselbe darbietet, ohne auf die Ursache derselben weiter einzugehen; er nannte den Zustand, in welchem die Bl\u00fcthen der Pflanzen ge\u00f6ffnet sind, das Wachen (Vigiliae) der Bl\u00fcthen, und nachdem er erkannt hatte, dafs die Bl\u00fcthen bei einer grofsen Anzahl von Pflanzen zu bestimmten Stunden erwachen, so gr\u00fcndete er hierauf in seinem bildlichen Style die Blumenuhr (Horologium florae)*), welche aber sehr ungenau geht. Er nannte dergleichen Pflanzenbliithen, welche sich zu einer bestimmten Tageszeit \u00f6ffnen und schliefsen: Sonn en bl\u00fcthen (Flores solares) und unterschied drei besondere Arten derselben:\n1) die meteorischen (meteorici), welche sich weniger genau nach der Stunde im Er\u00f6ffnen richten, sondern bald fr\u00fcher bald sp\u00e4ter aufbrechen, je nachdem der Einflufs des Schattens, der trockenen oder feuchten Luft und des Druckes der Atmosph\u00e4re verschieden ist.\n*) Linn\u00e9 Philosophia botanica. Stockholmiae 1751. pag. 274.","page":493},{"file":"p0494.txt","language":"de","ocr_de":"494\n2)\tDie tropischen (tropici), welche sich t\u00e4glich des Morgens \u00f6ffnen und gegen Abend wieder schliefsen, bei denen aber die Stunde des Er\u00f6ffnend bald vorriickt bald zur\u00fcckgeht, je nachdem die Tage zunehmen oder abnehmen. Diese Bl\u00fcthen beobachten also den nat\u00fcrlichen Tag, d. h. diejenige Zeit, in welcher die Sonne \u00fcber dem Horizonte steht. Endlich\n3)\tdie aequinoctialen, welche t\u00e4glich zu einer ganz bestimmten Stunde er\u00f6ffnet werden und sich auch zur bestimmten Stunde t\u00e4glich schliefsen.\nEs ist sehr bekannt, dafs sich viele Bl\u00fcthen nur einmal \u00f6ffnen und sich dann f\u00fcr immer schliefsen; dergleichen eint\u00e4gige Bl\u00fcthen er\u00f6ffnen sich bei Tage, wie z. B. die Cistrosen (Cistus-Arten), oder des Nachts, wie der grofs-bl\u00fcthige Cactus, die K\u00f6nigin der Nacht und \u00e4hnliche Arten dieser Gattung. Die eint\u00e4gigen Bl\u00fcthen sind den mehrt\u00e4gigen entgegengesetzt; sie bl\u00fchen mehrere Tage hintereinander; Herr De Candolle nannte sie Aequinoctialblumen, doch ist dieser Ausdruck durch Linn\u00e9 schon in einem anderen Sinne gebraucht. Diese mehrt\u00e4gigen Bl\u00fcthen k\u00f6nnen ebenfalls Tagbliithen sein oder Nachtbliithen; der er-stere Fall ist sehr h\u00e4ufig, der letztere dagegen selten; Hr. De Candolle f\u00fchrt das Mesembryanthemum noctiflorum als solches auf, welches sich mehrere Abende hintereinander gegen 7 Uhr \u00f6ffnet und am folgenden Morgen schliefst.\nDie Stunden, in welchen sich die Blumen des Abends schliefsen, sind mit den Jahreszeiten verschieden; so schliefst sich Bellis perennis im Sommer gegen 5 Uhr, im Fr\u00fchlinge dagegen schon gegen 3 Uhr Nachmittags. Das regelm\u00e4fsige Schliefsen und Oeffnen an mehrt\u00e4gigen Bl\u00fcthen ist nur an jungen Bl\u00fcthen zu sehen, und werden dieselben \u00e4lter und hinf\u00e4llig, so h\u00f6rt das Schliefsen endlich ganz auf.\nEinige eint\u00e4gige wie auch einige mehrt\u00e4gige Blumen \u00f6ffnen sich gar nicht, wenn die Sonne um die Zeit nicht scheint, in welcher sie es gew\u00f6hnlich thun, und wenn es","page":494},{"file":"p0495.txt","language":"de","ocr_de":"495\num diese Zeit regnet und kaltes Wetter ist, so pflegen sie es noch seltener zu thun. Die Portulaca oleracea, Alsine media und Oxalis-Arten sind hier als Beispiele anzuf\u00fchren ; die Befruchtung erfolgt auch hier in der verschlossenen Blume.\nBei vielen Syngenesisten sieht man, dafs des Nachts die Strahlenbliithen niederh\u00e4ngen, und dafs sie sich am Tage wieder aufrichten, ja einige Pflanzen lassen sogar die ganze Bliithe des Nachts h\u00e4ngen.\nHerrn De Candolle*) verdanken wir die ersten gr\u00fcndlichen Untersuchungen \u00fcber die Ursachen, welche dem Erwachen und Einschlafen der Bl\u00fcthen zum Grunde liegen m\u00f6chten; er fand, dafs Cistrosen im Dunkeln mehrere Tage hindurch bl\u00fchten, w\u00e4hrend diese Pflanzen bekanntlich des Morgens fr\u00fch erbl\u00fchen und schon Nachmittags abfallen; Cistus villosus verlor die Blumenbl\u00e4tter im Dunkeln erst Abends, und die Bliithe von Cistus apenninus erhielt sich 2~ Tage lang, ja einige Cistrosen schlossen ihre Blumenbl\u00e4tter im Dunkeln nach dem Bl\u00fchen, was im Freien fast nie geschieht, da die Bl\u00e4tter stets abfallen. Die Blumen der Nachtviolen wurden Nachts dem hellen Lampenlichte und bei Tage der Dunkelheit ausgesetzt, und schon am zweiten Tage \u00f6ffneten sich die Blumen regelm\u00e4fsig am Morgen, und schlossen sich erst am Abende, und zwar in dem Augenblicke wenn die Lampen angez\u00fcndet wurden. Aehnliche Versuche stellte Herr De Candolle noch mit mehreren anderen Pflanzen an, und auch ich habe die Bliithen-zeit von Ipomoea purpurea, Oxalis tetraphylla und Mesem-bryanthemum durch k\u00fcnstliche Beleuchtung vermittelst 4 Argandscher Lampen ganz nach Belieben umge\u00e4ndert; mit ersterer Pflanze gelang es mir schon nach 2 Tagen, dafs sich die Blumen des Morgens \u00f6ffneten, Doch Oxalis tetraphylla \u00f6ffnete sich erst am Abende des vierten Tages. Auch mit Cactus grandiflorus hat ein hiesiger Blumenfreund\nM\u00e9m. des savans \u00e9trang. de L\u2019Instit. etc. I. und Phys, v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 486.","page":495},{"file":"p0496.txt","language":"de","ocr_de":"496\nden Versuch gemacht, und die Bl\u00fcthen des Morgens zum Oeffnen gebracht. Mesembryanthemum crystallinum bl\u00fchte bei meiner k\u00fcnstlichen Beleuchtung regelm\u00e4fsig 11^ Uhr Nacht\u2019s.\nEs geht aus diesen Versuchen das interessante Resultat hervor, dafs die Einwirkung des Lichtes bei dem Oeffnen und Schliefsen der Bl\u00fcthen ganz augenscheinlich ist, die Art der Einwirkung desselben l\u00e4fst sich aber nicht leicht angeben. W\u00fcrden sich alle Bl\u00fcthen bei Tage \u00f6ffnen, so k\u00f6nnte man die Erscheinung leichter erkl\u00e4ren, aber wir haben kennen gelernt, dafs sich viele Bl\u00fcthen gerade mit Einbruch der Nacht \u00f6ffnen, und hier mufs also der Mangel an Licht als n\u00e4chste Ursache des Erbliihen\u2019s angesehen werden. Vergleichen wir jedoch die Erscheinung mit dem Schlafen und Erwachen der Thiere, so haben wir f\u00fcr beide F\u00e4lle hinreichend genug Analogie. Es wird wohl Niemand bestreiten, dafs uns Menschen die Natur angewiesen hat bei Tage zu wachen und Nacht\u2019s zu schlafen, und ebenso verh\u00e4lt es sich auch mit den meisten Thier en; wir wissen aber auch, wie leicht sich Menschen und Thiere daran gew\u00f6hnen k\u00f6nnen, bei Nacht zu wachen und bei Tage zu schlafen; ja bei einer grofsen Menge von Thieren ist diese Lebensordnung gerade die nat\u00fcrliche. Wir kennen keine anderen Einfl\u00fcsse, als das Licht, weiche im Stande sind eine Ver\u00e4nderung in den Zeitperioden des Erbl\u00fchend der Pflanzen herbeizuf\u00fchren; es ist durch Beobachtungen nachgewiesen, dafs selbst verschiedene Grade von W\u00e4rme hierauf keinen Einflufs haben, denn die aequinoctialen Bl\u00fcthen er\u00f6ffnen sich zu eben derselben Zeit, m\u00f6gen sie in einem warmen Gew\u00e4chshause stehen, oder m\u00f6gen sie im Freien wachsen. Bei den meteorischen Bl\u00fcthen wird dieser periodische Wechsel durch den Zustand der Atmosph\u00e4re allerdings mitunter sehr unregelm\u00e4fsig, doch scheint auch hier mehr der Mangel von Sonnenschein, als der Feuchtigkeitszustand der Luft die Ursache zu sein, denn dergleichen Blumen werden, wie ich mich selbst davon \u00fcberzeugt habe, bei Gewitterregen, die sehr pl\u00f6tzlich eintreten, gleich-","page":496},{"file":"p0497.txt","language":"de","ocr_de":"497\nsam \u00fcberrascht, und schliefsen sich oftmals erst, nachdem der Regen schon vor\u00fcber ist. Den Sonchus sibiricus hat Linn\u00e9 sogar zum Wetterpropheten gemacht, indem er sagte, dafs der folgende Tag meistens sch\u00f6n ist, wenn die Bl\u00fc-then des Sonchus die Nacht hindurch geschlossen sind; der folgende Tag w\u00e4re aber unbest\u00e4ndig und regnigt, wenn die Bliithen des Sonchus die ganze Nacht hindurch offen geblieben w\u00e4ren. Ich habe zwar nicht Gelegenheit gehabt den Sonchus sibiricus des Nachts zu beobachten, aber wahrscheinlich wird er ein ebenso schlechter Wetterprophet sein, als die Calendula pluvialis, von der man sagt, dafs sie sich schliefst, wenn Regen bevorsteht; diese Blume richtet sich aber mehr nach dem Sonnenschein, als nach dem kommenden Regen. Herr Link *) sagte, dafs er die Calendala pluvialis sehr oft beobachtet und gefunden habe, dafs sie sich nur dann an das Wetter kehrt, wenn es lange trocken gewesen ist, wenn aber oft Regenschauer kommen, so richtet sie sich auf keine Weise danach, woraus man auf ein Gew\u00f6hnen an schlechtes .Wetter schliefsen k\u00f6nnte.\nIn den letzteren Jahren hat sich Herr Dutrochet **) vielfach mit vorliegendem Gegenst\u00e4nde besch\u00e4ftigt; er bringt das Oeffnen und Schliefsen der Bl\u00fcthen ganz vortrefflich mit dem Er\u00f6ffnen und Schliefsen der Bl\u00e4tter in Zusammenhang, sucht beide Erscheinungen aus gleichen Ursachen zu erkl\u00e4ren, und benennt auch beide mit gleichem Namen, n\u00e4mlich mit Schlafen und Erwachen, glaubend dafs diese Erscheinungen sowohl an den Bl\u00fcthen, als an den Bl\u00e4ttern mit dem Schlafe der Thiere gleichbedeutend seien. Mit unglaublicher Ausdauer scheint sich Herr Dutrochet der Erforschung der Ursache des Schlafes und des Erwachens hingegeben zu haben; er bem\u00fcht sich mit gr\u00f6fstem Fleifse Alles so mechanisch wie m\u00f6glich zu erkl\u00e4ren, aber ohne\nGrundlehren etc. pag. 254.\nDu R\u00e9veil et du Sommeil des plantes. \u2014 Ann. dec scienc. nat. 1836. II. pag. 177 \u2014189. und in dessen M\u00e9ro. pour servir \u00e0 P hist. anat. et phys. des v\u00e9g\u00e9taux et des animaux. Pans 1837, I. pag. 469 \u2014 533.\nMe y en. PU. Phys. III.\n32","page":497},{"file":"p0498.txt","language":"de","ocr_de":"498\ndaran zu denken, dafs die Erkl\u00e4rung der Ursache des Schlafes der Thiere eine ganz andere ist, und dennoch h\u00e4lt er diese Erscheinungen bei Pflanzen und Thieren fiir gleichbedeutend. Es ist nicht m\u00f6glich, dafs ich hier in die Untersuchungen des Herrn Dutrocliet speciell eingehen kann, ich werde nur die Ansichten aufstellen, welche derselbe als Resultat seiner vielfachen Beobachtungen erhalten zu haben glaubt, und f\u00fcge die Bemerkung hinzu, dafs es nicht schwer halten w\u00fcrde zu zeigen, dafs die meisten Thatsachen, von welchen Herr Dutrochet bei seinen Schl\u00fcssen ausgeht, theils auf unvollst\u00e4ndigen, theils auf ganz unrichtigen Beobachtungen beruhen, und dafs viele Annahmen rein hypothetisch sind. Ueberall an den Pflanzen, wo die Erscheinungen des Wachens und des Schlafens stattfinden, sowohl an den Blumen als an den Bl\u00e4ttern, da findet Herr Dutrochet ein kr\u00fcmmungsf\u00e4higes Zellengewebe, an welchem die Kr\u00fcmmung durch Endosmose bewirkt wird, und ferner ein durch Oxygenation kr\u00fcmmungsf\u00e4higes Fasergewebe. Sobald das kr\u00fcmmungsf\u00e4hige Zellengewebe in Folge von Endosmose turgescirt, sobald erfolgt die Er\u00f6ffnung oder das Erwachen der Bl\u00fcthen oder Bl\u00e4tter, dagegen erfolgt das Schliefsen, oder die Zusammenziehung der Bl\u00fcthen und der Bl\u00e4tter, welche man mit dem Schlafe dieser Theile bezeichnet, sobald das kr\u00fcmmungsf\u00e4hige Fasergewebe durch Oxygenation dazu angeregt wird. Wurde ein Nerve aus der Corolla der Mirabilis-Blume in luftleeres Wasser gelegt, so kr\u00fcmmte sich derselbe nach Au-fsen und blieb in diesem Zustande; hier soll also die Endosmose auf das kr\u00fcmmungsf\u00e4hige Zellengewebe gewirkt haben, und da kein Sauerstoff in dem luftleeren Wasser war, so konnte das kr\u00fcmmungsf\u00e4hige Fasergewebe nicht gereizt werden. Eine ge\u00f6ffnete Mirabilis-Bl\u00fcthe sehlofs sich in gew\u00f6hnlichem Wasser nach mehreren Stunden, in luftleerem blieb sie dagegen ge\u00f6ffnet. Die Bl\u00fcthen von Mirabilis \u00f6ffnen sich bekanntlich Abends und schliefsen sich des Morgens ; die Bl\u00fcthen von Convolvulus purpureus \u00f6ffnen sich dagegen gegen Mitternacht und schliefsen sich","page":498},{"file":"p0499.txt","language":"de","ocr_de":"499\nam folgenden Abend; der Unterschied in diesen beiden F\u00e4llen soll dadurch erkl\u00e4rt werden, dafs die Convolvulus-Blume weit langsamer den Sauerstoff aufnimmt, u. s. w. Die Versuche, welche Herr Dutrochet auff\u00fchrt, scheinen allerdings zu den von ihm aufgestellten Ansichten zu berechtigen, doch der Gegensatz in der Structur jener beweglichen Theile, welchen Herr Dutrochet \u00fcberall so deutlich sieht, scheint mir in der Wirklichkeit nicht vorhanden zu sein.\nNachdem wir im Vorhergehenden die wichtigsten Untersuchungen \u00fcber den Schlaf und das Erwachen der Pflanzen kennen gelernt haben, kommen wir nochmals darauf zur\u00fcck, ob die Benennung der darunter begriffenen Erscheinungen zu billigen ist, was um so n\u00f6thiger sein m\u00f6chte, als Herr Dassen, in seinen so Gehalt-reichen Arbeiten \u00fcber die Bewegung der Bl\u00e4tter der Pflanzen *) neuerlichst ganz entschieden gegen die, den betreffenden Erscheinungen untergeschobenen Ansichten aufgetreten ist; derselbe meint, dafs Linn\u00e9, der grofse Mann, in einen Irrthum verfallen sei, als er den Begriff des Pflanzenschlafes aufstellte, so wie alle Andere, welche demselben in diesem Punkte nachgeschrieben haben. Herr Dassen stellte einen Topf mit Impatiens Noli tangere w\u00e4hrend der Tagstellung der Bl\u00e4tter in einen dunkeln Raum und bemerkte, dafs die Bl\u00e4tter w\u00e4hrend ganzer 2 Tage ihre gew\u00f6hnliche Stellung beibehielten. Aus diesen und einigen \u00e4hnlichen Versuchen schliefst Herr Dassen, dafs die Bewegungen der Bl\u00e4tter ohne Anschwellungen allein durch den gew\u00f6hnlichen Gang der Vegetation bewirkt werden, und dafs sie unterbleiben, sobald die Bl\u00e4tter unnat\u00fcrlichen \u00e4ufseren Einfl\u00fcssen blofs-gestellt sind. Indessen die daf\u00fcr aufgestellten Gr\u00fcnde sind wahrlich nicht genug beweisend, und da man, auch bei den Thieren, durch Ver\u00e4nderung der \u00e4ufseren Einfl\u00fcsse die Zeitperioden des Schlafens und des Wachens ab\u00e4ndern\n*) S. Tijdschrift voor Natuurlijke Geschiedenis en Phys. 1837. IV. pag. 106 \u2014131.\n32*","page":499},{"file":"p0500.txt","language":"de","ocr_de":"500\nkann, so m\u00f6chte gerade dasjenige, was Herr Dassen gegen -die Annahme des Pflanzenschlafes aufgefiihrt hat, ebensowohl f\u00fcr dieselbe sprechen. Es liegt die Annahme zu nahe, dafs der Schlaf der Pflanzen eine Aeufserung des Lebens, gleichsam eine Lebensperiode ist, welche man, ebenso wie bei den Thieren, durch Leitung der \u00e4ufseren Einfl\u00fcsse ab\u00e4ndern kann, und diese Erscheinung ist den Pflanzen also ebenso allgemein, als den Thieren. Es ist sehr bekannt, sagt Herr Link, dafs ein Getreidefeld des Nachts ein ganz anderes Ansehen hat, als am Tage, wegen der weniger aufgerichteten Bl\u00e4tter und der mehr herabh\u00e4ngenden Aehren.\nVortrefflich hat Herr E. Meyer in der schon oben angef\u00fchrten Abhandlung \u00fcber den Schlaf der Pflanzen ge- * schrieben, wenn auch allerdings einige der Vorders\u00e4tze sehr leicht zu bestreiten sind. Herr Meyer versucht zuerst festzustellen, dafs das Allgemeine in den mannigfaltigen Erscheinungen des Schlafes ist: \u201eder periodisch t\u00e4gliche \u201eWechsel, die Ann\u00e4herung der Haltung des schlafenden \u201eLeibes an die, fr\u00fcheren Lebensaltern vorzugsweise zukom-\u201emende Haltung, und die mit fortschreitendem Alter abnehmende Dauer und F\u00fclle des Zustandes, den wir nur I \u201eunbedenklich Schlaf nennen d\u00fcrfen bei den Pflanzen wie \u201ebei den Thieren.\u201c \u201eDer Schlaf der Pflanzen ist seinem \u201eWesen nach eins mit dem Schlafe der Thiere; verschie-\u201eden ist er nur in seinen Erscheinungen, so weit dieselben \u00ab \u201evon der eigent\u00fcmlichen Organisation der Pflanzen ab-\u201eh\u00e4ngen.\u201c Auch die Pflanze, sagt Herr Meyer, schl\u00e4ft, wie das Thier. Ermattet vom Einfl\u00fcsse des Lichtes, der W\u00e4rme und der anderen Reize, legt sie am Abend ihre -schon entfalteten Bl\u00e4tter auf\u2019s neue zur Knospe zusammen, und schliefst ihre Blumenkelche, um sie am folgenden Tage desto kr\u00e4ftiger wieder zu \u00f6ffnen, und 'ebenso \u00fcberf\u00e4llt sie ein l\u00e4ngerer oder tieferer Schlaf in unseren kalten Gegenden im Herbste, welcher bis zum Fr\u00fchjahre dauert. Diese Zusammenstellung des Verhaltens der Pflanzen im Winter mit deren t\u00e4glichem periodischen Wechsel zwischen","page":500},{"file":"p0501.txt","language":"de","ocr_de":"501\nEntfaltung und Schliefsung der Bl\u00e4tter und Bliithen, ist gevvifs sehr passend, und es ist leicht einzusehen, dafs sich auch hiebei der Pflanzenschlaf in seinen \u00e4ufseren Erscheinungen etwas anders verhalten mufs, als sich der Winterschlaf der Thiere zeigt; dem Wesen nach ist er jedoch unbedenklich \u00fcbereinstimmend. Man mufs aber auch hierin nicht zu weit gehen, und das Leben im gebundenen Zustande, wie es siclr im Saamen der Pflanzen und in dem Keimen \u00fcberhaupt, oder in dem Zustande des Scheintodes zeigt, mit dem Schlafe f\u00fcr identisch halten, wenngleich es in vielen F\u00e4llen sehr schwer halten m\u00f6chte die Grenzen anzugeben. In der Kartoffelknolle scheint das Leben den| Winter hindurch nur zu schlummern; der Stoffwechsel, wenn auch allerdings nur im geringen Grade, findet best\u00e4ndig statt, und die weitere Ausbildung der Keime ist leicht zu bemerken; nehmen wir aber dagegen wirkliche Saamen, welche sich im trockenen Zustande, abgeschlossen von dem Einfl\u00fcsse der atmosph\u00e4rischen Luft und aller anderen gew\u00f6hnlichen Reize, Jahrhunderte hindurch erhalten haben, so wird man wohl zu der Annahme berechtigt, dafs sich hier das Leben ohne allen Stoffwechsel erhalten hat und dieser Zustand nicht mehr mit dem Schlafe zu vergleichen ist.\nDie gegr\u00fcndetste Einwendung, welche man gemacht hat um zu erweisen, dafs der Pflanzenschlaf nicht mit dem Schlafe der Thiere zu vergleichen ist, m\u00f6chte darin bestehen, dafs wir in dem Zustande, welchen wir mit dem Namen des Pflanzenschlafes bezeichnet haben, nicht eine Erschlaffung wie bei den Thieren wahrnehmen, sondern im Ge-gentheile ziemlich allgemein einen Zustand der Contraction. Die Pflanze scheint nicht zu schlafen in Folge von Ermattung oder Kraftmangel, sondern im Gegentheile, die Pflanze zeigt diesen t\u00e4glichen periodischen Wechsel in der Stellung ihrer Bl\u00e4tter nur dann, wenn sie in \u00fcppigster Kraft vegetirt. Aber auch hier verl\u00e4fst uns keinesweges die Analogie ; auch bei dem Menschen sehen wir den festen Schlaf nur um die Zeit, wenn er sich in h\u00f6chster Kraft","page":501},{"file":"p0502.txt","language":"de","ocr_de":"502\nbefindet; die best\u00e4ndige Neigung zum Schlafe, welche der Greis zeigt, ist mit dem halbgeschlossenen Zustande der Bl\u00e4tter zu vergleichen, welchen die Pflanzen mit beweglichen Bl\u00e4ttern im Herbste und \u00fcberhaupt im Alter zeigen. Auch bei dem Menschen, wie bei den Thieren \u00fcberhaupt sehen wir, dafs die Contraction der Schliefsmuskeln im Schlafe gerade dann am st\u00e4rksten ist, wenn sich .dieselben im Zustande der h\u00f6chsten Kraft befinden; sowohl in der Jugend, wie auch im Alter zeigt sich diese Erscheinung nicht so entschieden, wozu eine Menge von Beispielen allgemein bekannt sind. Noch in vielen anderen F\u00e4llen lassen sich Beispiele auff\u00fchren, wo Thiere w\u00e4hrend des Schlafes mehr oder weniger Muskeln im Zustande der Contraction zeigen.\nAuffallend m\u00f6chte dagegen die Erscheinung gegen den Begriff des Pflanzenschlafes sprechen, dafs die sensibeln Pflanzen, wie z. B. die Mimosen, in Folge der Reizung gerade in denjenigen Zustand verfallen, welchen diese und andere Pflanzen w\u00e4hrend des Schlafes zeigen. Wenn die Sinnpflanze ber\u00fchrt wird, so verf\u00e4llt sie in die n\u00e4chtliche Stellung; man pflegt diese Erscheinung dadurch erkl\u00e4ren zu wollen, dafs man sagt, die Mimose verf\u00e4llt in Folge der Ber\u00fchrung in Ohnmacht, doch hiemit ist jener con-trahirte Zustand der Mimose offenbar noch weniger zu vergleichen. Es giebt aber auch Thiere, welche sich bei jeder Reizung zusammenziehen, und sich auch in eben demselben Zustande des Nachts beim Schlafen zeigen.","page":502},{"file":"p0503.txt","language":"de","ocr_de":"503\nDrittes Capitel.\nVon den Bewegungen, welche die Geschlechts-Organe der Pflanzen behufs der Best\u00e4ubung\nzeigen.\nDiejenigen Naturforscher, welche gewohnt sind die Pflanzen als unbeseelte und vollkommen willenslose Gesch\u00f6pfe anzusehen, suchen alle m\u00f6glichen Wege hervor um diejenigen Bewegungen, welche wir an einzelnen Pflan-zentheilen im Vorhergehenden kennen gelernt haben, auf physikalische Weise erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen; sie m\u00f6gen aber die Bewegungen von mannigfacher Art n\u00e4her anschauen, welche die Geschlechts-Organe vieler Pflanzen in so h\u00f6chst auffallendem Grade zeigen, und sie werden sehr bald uberzeugt werden, dafs die Pflanzen dergleichen Bewegungen wohl nach anderen Gesetzen ausf\u00fchren, als sie selbst aufgestellt haben; sie werden erkennen, dafs diese Bewegungen Erscheinungen des Lebens der Pflanzen sind, welche gebunden an genaue Zeitperioden auftreten, und durch ein psychisches Princip, welches der Pflanze einwohnen mufs angeregt werden.\nDiese auffallenden Bewegungen, welche die Geschlechts-Organe der Pflanzen zeigen, wurden schon seit langer Zeit beobachtet und Joh. Bauhin *) scheint der erste zu sein, bei dem wir dergleichen Beobachtungen verzeichnet finden; er ist der Entdecker des auffallenden Ph\u00e4nomens, welches die Staubf\u00e4den der Parietaria officinalis bei der Ber\u00fchrung zeigen. Man hat im vorigen Jahrhundert \u00fcber diesen Gegenstand sehr viel geschrieben und die einzelnen Beobachtungen der verschiedenen Botaniker finden wir in chro nologischer Ordnung in einer musterhaften Abhandlung\n*) Hist, plantar, universalis. 1600. T. II. pag. 9/6.","page":503},{"file":"p0504.txt","language":"de","ocr_de":"504\nvon Kasimir Medicus *) bis zum Jahre 1773 verzeichnet. Sp\u00e4ter hat auch Desfontaines **) \u00fcber diesen Gegenstand eine gehr interessante Arbeit geliefert, und eine Reihe von neuen Beobachtungen wurden dann von Conrad Sprengel***) und mehreren anderen Botanikern bis auf die neueste Zeit mitgetheilt.\nMedicus sagt, dafs er in Folge seiner Beobachtungen eine gegenseitige Neigung aufgefunden habe, verm\u00f6ge welcher sich die beiden Geschlechter bei den Pflanzen zur Befruchtung aufsuchen und dieses sei etwas, das die h\u00f6chste Bewunderung verdient und vielleicht mehr als blofsen Reiz anzeigt. Die Bewegungen, welche sich hiebei wahrnehmen lassen, bringt Medicus ganz vortrefflich unter drei besondere Rubriken, und f\u00fchrt dann in denselben die Beobachtungen an verschiedenen Pflanzen der Reihe nach auf. Man findet n\u00e4mlich bei sehr vielen Pflanzen, dafs sich die m\u00e4nnlichen Geschlechts-Organe oder die Staubf\u00e4den um die Zeit, wenn die Antheren aufspringen und der Pollen ausgest\u00e4ubt werden soll, nach der- Narbe hin bewegen, oder \u00fcberhaupt auf irgend eine Weise die unmittelbare Ber\u00fchrung derselben zu Wege zu bringen suchen. In anderen F\u00e4llen bewegt sich die Narbe zu den Staubf\u00e4den und haupts\u00e4chlich zu den soeben aufspringenden Antheren, und in noch anderen F\u00e4llen suchen beide Geschlechter einander gemeinschaftlich auf. Einige der auffallendsten Beispiele, die ich hier anf\u00fchre, werden hinreichend sein, um unsere Ansichten \u00fcber das Wesen dieser Erscheinungen sp\u00e4ter zu begr\u00fcnden. Herr Link f ) hat die interessante Beobachtung gemacht, dafs sich die Staubf\u00e4den und die Pistille gegenseitig aufsuchen, wenn auch diese oder jene\n*) Von der Neigung der Pflanzen sich zu begatten. \u2014 Pflanzenphysiologische Abhandlungen. I. Leipzig 1803. Die hierin enthaltenen Beobachtungen wurden schon 1773 angestellt und zuerst in den Actis Acad. Theodoro-Palatinae. Vol. III. pag. 116 etc. publicirt.\n**) M\u00e9m. de PAcad. Pioy. de scienc. de Paris. 1783.\n***) Das entdeckte Geheimnifs der Natur etc. Berlin 1793,\n\u25a0f) Grundlehren etc. pag. 250.","page":504},{"file":"p0505.txt","language":"de","ocr_de":"505\nTheile vorher abgeschnitten sind, daher kann hier diese Bewegung nicht etwa durch den Reiz der Antheren oder der Narbe veranlafst werden.\nMan hat einen Unterschied in diesen Bewegungen zu begr\u00fcnden gesucht, je nachdem sich die verschiedenen Geschlechtstheile ganz langsam einander n\u00e4hern, so dafs man die Bewegung nicht unmittelbar mit dem Auge verfolgen kann, oder indem sie sich mit auffallender Schnei-ligkeit und zwar in Folge eines besonderen Reizes bewegen; in dem ersteren Falle nannte Medicus die Geschlechtstheile wandernde, und in dem zweiten Ualle hezeich-nete er sie als reizbar. Diese Unterscheidung einer, dem Wesen nach ganz gleichen Erscheinung ist heutigen Tages nicht mehr zu gestatten, nachdem wir einmal kennen gelernt haben, dafs auch die Bewegungen der Bl\u00e4tter bei dem Schlafen und Erwachen, an verschiedenen Pflanzen sehr verschieden sind, dafs diese Bewegungen, wie z. B. bei der Sinnpflanze und vielen anderen in Folge eines \u00e4ufseren Reizes sehr schnell vor sich gehen, aber auch ohne diesen Reiz, als dann jedoch sehr langsam ausgef\u00fchrt werden. Ja wir werden in der Folge Beobachtungen kennen lernen, welche darthun, dafs die Reizbarkeit der Geschlechtstheile der Pflanzen ganz auf dieselbe Weise erkl\u00e4rt werden mufs, wie die der Bl\u00e4tter u. s. w.\n1. Bewegungen der Staubf\u00e4den zu den\nPistillen.\nLinn\u00e9 hat auch hier\u00fcber schon im Jahre 1735 eine Reihe der sch\u00f6nsten Beobachtungen bekannt gemacht; bei der Parnassia palustris sah er, dafs sich die Staubf\u00e4den einer nach dem anderen der Narbe n\u00e4hern, dieselbe best\u00e4uben und in derselben Ordnung wieder zur\u00fcckkehren. Herr Alexander von Humboldt*) hat den Gegenstand ge-\n*) S. Usteri\u2019s Annalen der Botanik 1792. 3tes St\u00fcck, pag. 7 und Aphorismen aus der chem. Phys. der Pflanzen. 1797. pag, 58.","page":505},{"file":"p0506.txt","language":"de","ocr_de":"506\nnauer untersucht und lehrte, dafs in eben derselben Ordnung, in welcher der Pollen reift, sich die Staubf\u00e4den zum Pistille bewegen, und zwar geschieht es nicht allm\u00e4lich sondern ruckweise; wenn sie sich dem Germen n\u00e4hern, schnell und auf einmal, wenn sie sich aber von demselben nach der Befruchtung entfernen, in drei Abs\u00e4tzen. Auch fand Herr Alexander von Humboldt, dafs sich die Staubf\u00e4den der Parnassia nach einer bestimmten Reihenfolge bewegen, denn wenn man dieselben von der Rechten zur Linken von 1 bis 5 z\u00e4hlt, so bewegt sich zuerst 1, dann 5, dann 2, dann 4 und endlich 3. Der vierte und dritte Staubfaden machen die Bewegung meistens zusammen, wenigstens erhebt sich schon der dritte, wenn der vierte noch nicht ausgeleert ist.\nDie Bewegung der Staubf\u00e4den der Raute (Ruta gra-veolens) hat Koelreuter im Jahre 1759 entdeckt, sie findet sich aber auch bei anderen Arten dieser Gattung. Hier stehen die Staubf\u00e4den in zwei Reihen, jede zu vier, in der einen opponiren sie den Blumenbl\u00e4ttern, in der anderen alterniren sie; bei dem Er\u00f6ffnen der Blume liegen jene den Blumenbl\u00e4ttern fest an, diese dagegen zeigen einige Kr\u00fcmmung nach r\u00fcckw\u00e4rts. Um die Zeit, wenn die Antheren reifen, biegen sich diese Staubf\u00e4den gerade und steigen dann in die H\u00f6he, bis sie sich \u00fcber die Narbe des Pistilles gelegt haben. Bald gehen sie einzeln nach der Narbe, bald mehr oder weniger gleichm\u00e4fsig alle vier zusammen. Die vier Staubf\u00e4den des zweiten Kreises bewegen sich aber viel langsamer zur Narbe und zwar einer nach dem anderen.\nBei Saxifraga tridactylites bewegen sich die Staubf\u00e4den zu zwei und zwei zum Pistille hin und beugen sich \u00fcber dasselbe w\u00e4hrend die Best\u00e4ubung vor sich geht. Einen der interessantesten F\u00e4lle bietet die Blume des Berberitzenstrauches (Berberis vulgaris) dar, wo ebenfalls Linn\u00e9 schon im Jahre 1735 die Bewegung der Staubf\u00e4den zuerst beobachtete; ausf\u00fchrlicher und sehr gut ward die","page":506},{"file":"p0507.txt","language":"de","ocr_de":"507\nErscheinung von Medicus*) und sp\u00e4ter auch von vielen anderen Botanikern beschrieben. Die 5 Staubf\u00e4den der Berberitzenblume stehen in einer gewissen Entfernung von dem Pistille ab ; r\u00fchrt man einen der Griffel an seiner Basis an, so springt er pl\u00f6tzlich zum Pistille und bald nachher richtet sich der Staubfaden wieder auf, worauf man den Versuch erneuern kann. Medicus machte schon bei der Berberitze die interessante Entdeckung, dafs sich die Blumenbl\u00e4tter zusammenziehen und die Staubf\u00e4den pl\u00f6tzlich die Narbe einfassen, wenn man von einer frisch entfalteten Bliithe ein Blumenblatt abfliickt. Es ist leicht einzusehen, dafs bei solchen Pflanzen mit reizbaren Staubf\u00e4den, die Best\u00e4ubung sowohl durch Insekten, als durch blofse Ersch\u00fctterungen in Folge des Windes, Regens u. s. w. gar sehr erleichtert werden mufs. Herr Link hat diese Reizbarkeit der Staubf\u00e4den nicht nur an Berberis vulgaris, sondern auch an B. canadensis und humilis, und Herr Goeppert auch an B. emarginata, cretica und aristata beobachtet. Aehnlich wie bei dem Berberitzenstrauche verhalten sich die Staubf\u00e4den bei Cactus Opuntia und bei C. hexagonus und C. grandiflorus wurden sie etwas weniger reizbar beobachtet, doch bei warmen Wetter sieht man diese Bewegungen der Staubf\u00e4den auch aus freien St\u00fccken hervorgehen, und zwar zeigen sie sich mehr stofsweise, \u00e4hnlich wie bei Parnassia.\nBei den Cistineen ist die Bewegung der Staubf\u00e4den in Folge \u00e4ufserer Reize sehr auffallend, sie wurde von Koelreuter im J. 1766 an Cistus apenninus, aber an Helian-themurn schon 1717 von Vaillant entdeckt. Du Hamei erz\u00e4hlt schon, dafs die Staubf\u00e4den der Sonnen-Wende (Helianthemum) sehr empfindlich werden, wenn man die Pflanze stark ersch\u00fcttert, aber eine sehr gelinde Reizung, wie z. B. ein Hauch verursache dieselben convulsivischen Bewegungen oder ganz besonderes Zittern. Ich habe diese Beobachtungen \u00f6fters wiederholt, doch niemals obige An-\n*) 1. c. pag. 27.","page":507},{"file":"p0508.txt","language":"de","ocr_de":"508\ngaben vollkommen best\u00e4tigt gefunden, ja Herr Roeper*) giebt sogar an, dafs die Staubf\u00e4den von Helianthemum-Arten keine Reaction auf mechanische Reizungen mehr zeigen, sobald sie einmal ber\u00fchrt und in Folge dessen auseinander gefahren sind. Indessen bei Medicus**) findet sich dieser Gegenstand sehr genau beobachtet und ich glaube die Beobachtungen ausf\u00fchrlich mittheilen zu m\u00fcssen, da sie zeigen, dafs sich die Reizbarkeit der Geschlechtsteile der Pflanzen mit derjenigen der Bl\u00e4tter, welche wir in der Folge specieller kennen lernen werden, ganz \u00fcbereinstimmend verh\u00e4lt. Wenn man die Staubf\u00e4den von Helianthemum vulgare unten ber\u00fchrt, so, sagt Medi-cus, ziehen sie sich zwar augenblicklich, aber langsam und in gesetzten Schritten auseinander, n\u00e4hern sich dem Blumenblatte und zwar um so mehr, je st\u00e4rker sie ber\u00fchrt worden sind, ziehen sich sp\u00e4ter aber auch um so schneller zum Pistille zur\u00fcck, wobei die Narbe best\u00e4ubt wird. Die Ersch\u00fctterung des Windes reizt schon die Staubf\u00e4den auseinander zu treten, und bei jeder Windstille legen sie sich gleich wieder um das weibliche Geschlechtsorgan und zwar so stark, dafs die Antheren um die Narbe zu liegen kommen. Medicus fand diese Bewegung des Morgens fast allein merkbar, und Abends sogar ganz fehlend; er warf eine solche Blume an die Erde und am folgenden Morgen fand er sie im hohen Grade empfindlich, ja er glaubt annehmen zu k\u00f6nnen, dafs diese Reizbarkeit um so st\u00e4rker ist, je weniger eine Bl\u00fcthe der Ersch\u00fctterung ausgesetzt ist. Auch bei der K\u00fchlung sind diese Bl\u00fcthen am reizbarsten; bei trockener und starker Hitze dagegen g\u00e4nzlich unempfindlich. Bei der starken Hitze, sagt Medicus, welche wir zu Anf\u00e4nge und in der Mitte des Juni 1773 hatten, konnte ich zu keiner Tagesstunde die geringste Bewegung wahrnehmen, da aber mit dem 30sten Juni hef-\n*) S. De Candolles Pflanzen-Physiologie. Deutsche Ausgabe II. pag. 72.\n**) I. c. pag. 28.","page":508},{"file":"p0509.txt","language":"de","ocr_de":"509\ntiges Regen wetter eintrat, erwachte diese Reizbarkeit auf einmal, und zeigte sich in ihrer gr\u00f6fsten St\u00e4rke. Bei Ci-stus apenninus ist die Reizbarkeit der Staubf\u00e4den noch st\u00e4rker; ber\u00fchrt man, sagt Medicus, diese Staubf\u00e4den des Morgens nach einem starken Thaue, so fliegen sie mit der gr\u00f6fsten Heftigkeit auseinander; je heftiger sie aber auseinander fliegen, desto st\u00e4rker ziehen sie sich bald nachher wieder zu dem Pistille zur\u00fcck auf dessen Narben sie sich nach und nach mit ihren Antheren auflegen. Es m\u00f6chte scheinen, dafs in solchen F\u00e4llen, wo in Folge \u00e4ufserer Reize die Staubf\u00e4den zuerst auseinander fahren und sich dann erst wieder dem weiblichen Geschlechtsorgane n\u00e4hern, die ganze Bewegung nur dazu diene, um vielleicht durch die Ersch\u00fctterung das Aufspringen der Antheren zu bef\u00f6rdern.\nDie Reizung der Staubf\u00e4den vermittelst des Brennglases hat wohl Koelreuter an der Berberitzenblume zuerst beobachtet. Auch Herr Nasse hat dasselbe bei verschiedenen Pflanzen angewendet und gefunden, dafs mehrere Pflanzen Bewegungen der Staubf\u00e4den zeigen, welche man keiner Verbrennung zuschreiben kann; aber besonders auffallend fand es Herr Nasse bei Ranunculus gramineus. Herr Schultz *) hat diese Beobachtungen an den Staubf\u00e4den des Sauerdorns wiederholt; wird ein einzelner Staubfaden mittelst eines Brennglases gereizt, so bewegt sich derselbe unabh\u00e4ngig von den \u00fcbrigen, doch nach starker Reizung sieht man, dafs der Reiz allm\u00e4hlich fortgeleitet wird, indem sich auch, die \u00fcbrigen Staubf\u00e4den bewegen. Herr Schultz sieht die Ursache dieser Erscheinung in der Sympathie, doch ich werde sp\u00e4ter, bei der Beschreibung der Bewegungen der Sinnpflanze nachweisen, dafs diese Erscheinung anders zu erkl\u00e4ren ist.\nAehnliche Bewegungen der m\u00e4nnlichen Geschlechtsorgane zur Ausf\u00fchrung der Best\u00e4ubung hat man noch an sehr vielen anderen Pflanzen beobachtet, und t\u00e4glich scheint\nDie Natur der lebendigen Pflanze II. pag. 142.","page":509},{"file":"p0510.txt","language":"de","ocr_de":"510\nsich die Zahl derselben zu vergr\u00f6fsern, jedoch sind sie meistens minder auffallend als in den vorhin angef\u00fchrten F\u00e4llen. Schon bei Medicus finden wir in dieser Hinsicht folgende Pflanzen aufgef\u00fchrt: Amaryllis formosissima, Sero-phularia, Anthirrhinum, Aquilegia, Allium, Lilium Martagon, Hyoscyamus aureus, Fritillaria persica, Polygonum orientale, Tamarix gallica, Tilia canadensis, Zygophyllum habago, Sedum-Arten, Potentilla-Arten, Geum urbanum, Ranunculus acris, Scrophularia nodosa, aquatica etc. Agri-monia und Rivinia-Arten. Alle diese Pflanzen zeigen eine langsame Bewegung der Staubf\u00e4den, dagegen sind noch folgende Pflanzen mit reizbaren Staubf\u00e4den genannt: Centaurea-Arten und die mehrsten Gattungen der Syngene-sisten und Kalmia-Arten, auch bei Sparmannia africana zeigt sich eine solche auffallende Reizbarkeit der Staubf\u00e4den.\nAls eine besondere Gruppe f\u00fchrt Medicus die Gattungen: Urtica, Spinacia, Parietaria und A triplex auf, bei denen die Bewegungen der m\u00e4nnlichen Geschlechtsorgane zeigen, dafs zwischen dem Wandern derselben und der Reizbarkeit eine sehr nahe Verwandschaft bestehe. Bei der Parietaria officinalis hat schon Bauhin im J. 1600 beobachtet, dafs sich die Staubf\u00e4den, wenn man sie herausnehmen will ausstrecken und die Antheren den Blumenstaub mit Heftigkeit ausstreuen. Im Allgemeinen kann man sagen, dafs sich die Staubf\u00e4den bei Parietaria und Urtica mit der Entwickelung der Bliithe erheben, und sich dann langsam zur\u00fcckbiegen; liegen sie endlich in einer ebenen Fl\u00e4che gestreckt, so ist der Zeitpunkt gekommen, in welchem sich die Antheren \u00f6ffnen, und dann ist schon der geringste Reiz hinreichend um das Oeffnen derselben zu veranlassen, welches aber mit solcher Kraft geschieht, dafs der Pollen weit ausgest\u00e4ubt wird. Ob aber hier bei dem Oeffnen der Antheren eine Lebenserscheinung zum Grunde liegt, oder ob dieses heftige Aufspringen eine blofse Folge der Elasticit\u00e4t des Gewebes der Antherenw\u00e4nde ist, was mir am wahrscheinlichsten ist, dass l\u00e4fst sich schwerlich","page":510},{"file":"p0511.txt","language":"de","ocr_de":"vollkommen entscheiden. Herr Fr. Nasse *) hat eine Reihe von Beobachtungen angestellt, durch welche die Reizbarkeit der Staubf\u00e4den in den genannten Pflanzen erwiesen sein sollte; er glaubt bemerkt zu haben, dafs die Staubf\u00e4den durch W\u00e4rme, Weingeist, Aether und aetherische Oele in Bewegung gesetzt und zum Ausstreuen ihres Pollens angeregt w\u00fcrden, und dafs diese Bewegung defshalb durch eine jenen Gebilden einsitzende Reizbarkeit zu Stande k\u00e4me. R. Treviranus**) hat diese Annahme in Zweifel gestellt, worauf Herr Nasse \u00fcber den fraglichen Gegenstand neue Versuche anstellte. Um die Zeit wenn sich die Corolle oder der Kelch der Blume der genannten Pflanzen bereits etwas ge\u00f6ffnet hat und die Antheren in der Oeffnung zu sehen sind, betupfte man diese Oeffnung mit einem Campher- haltigen Linimente und man sah das Aufplatzen der Antheren sofort erfolgen, was aber nicht geschah , wenn die Blume mit einem trockenen Pinsel ber\u00fchrt wurde, oder wenn es geschah, so trat es doch viel sp\u00e4ter ein. Bei diesem Streite \u00fcber die Reizbarkeit der Staubf\u00e4den der Nessel und des Glaskrautes hat man gar nicht daran gedacht denjenigen Theil genau zu bezeichnen, in welchem man die Reizbarkeit erweisen wollte ; die Erhebung und Ausw\u00e4rtsbeugung der Staubf\u00e4den ist hier schon lange bekannt, und kann ebenfalls nur in Folge eben derselben Ursache erkl\u00e4rt werden, welche der auffallenden Reizbarkeit der Staubf\u00e4den anderer Blumen einsitzt. Das Aufspringen der Antheren ist aber wohl nichts weiter, als eine Folge der Ver\u00e4nderung in der Elasticit\u00e4t der Anthe-renw\u00e4nde. Die Einwirkung der Oele und \u00e4therischen Stoffe auf das, beinahe ganz trockene Gewebe der Anthe-renw\u00e4nde, geht \u00fcberaus rasch vor sich, und die Endosmose erfolgt vollkommener als bei Wasser und einigen anderen Fl\u00fcssigkeiten.\n*) Muller\u2019s Archiv f\u00fcr Anatomie etc. 1835, pag. 196.\n**) Biologie. V, pag. 215.","page":511},{"file":"p0512.txt","language":"de","ocr_de":"512\n2. Bewegungen des Pistilles zu den Staubf\u00e4den.\nAuch in Beziehung der Bewegungen, welche die weiblichen Geschlechtsorgane verschiedener Pflanzen zu den m\u00e4nnlichen behufs der Best\u00e4ubung ausf\u00fchren, hat Medicus wie bei den Staubf\u00e4den, so auch hier wandernde und reizbare Pistille aufgef\u00fchrt, je nachdem sie sich allm\u00e4-lich und aus freien St\u00fccken oder je nachdem sie sich erst in Folge eines \u00e4ufseren Reizes bewegen.\nWandernde Pistille werden bei Nigella sativa, Tama-rindus, Passiflora-Arten, Sida americana, Oenothera-Arten, Hibiscus- und Cactus-Arten aufgef\u00fchrt, reizbare Narben dagegen bei Gratiola, Gentiana, Martynia annua, Bignonia-Arten, Lobelia-Arten u. s. w. Auch hier werde ich nur einige der auffallendsten Erscheinungen der Art etwas n\u00e4her beschreiben.\nBei Nigella sativa stehen die Pistille aufrecht neben einander; behufs der Best\u00e4ubung kr\u00fcmmen sie sich jedoch so stark zur\u00fcck, dafs sie ganz nahe den Antheren zu stehen kommen; ist die Befruchtung vollendet, so erheben sie sich wieder. Bei den Passionsblumen ist der Vorgang bei der Befruchtung ganz \u00e4hnlich, und haben die Narben die Staubbeutel erreicht, so dauert die Befruchtung etwa nur eine Stunde, worauf sich die Pistille wieder aufrich-ten. Bei Gratiola, Catalpa, Bignonia radicans, Martynia annua sind die Xappen der Narbe um die Zeit der Befruchtung sehr ausgebreitet, und zeigen auf \u00e4ufsere Reize sehr auffallende Zusammenziehungen. Eine sehr auffallende Bewegung des Pistilles ist von Salisbury bei Stylidium-Arten beschrieben; bei diesen sonderbaren Gew\u00e4chsen, heifst es in Roeper\u2019s Uebersetzung der De Candolle\u2019schen Pflanzen-Physiologie*) ist der Griffel in seiner ganzen L\u00e4nge mit den beiden Staubf\u00e4den der Staubgef\u00e4fse verwachsen und es entsteht hiedurch eine, dem Anschein nach\n*) R- pag. 72.","page":512},{"file":"p0513.txt","language":"de","ocr_de":"513\neinfache S\u00e4ule. Bei ganz jungen Blumen ist die S\u00e4ule nicht reizbar, sie ist es dagegen in hohem Grade, sobald sich die Staubbeutel ge\u00f6ffnet haben und die Blumenkrone weifs oder rosenfarben geworden ; wenn man um diese Zeit die Blume sch\u00fcttelt oder mittelst eines Nadelstiches an ihrer \u00e4ufseren Basis reizt, so sieht man dieselbe augenblicklich mit Gewalt Zur\u00fcckschlagen und sich auf die entgegengesetzte Seite der Blume legen, aber nach einiger Zeit nimmt sie ihre fr\u00fchere Stellung wieder ein und kann dann von Neuem wieder gereizt werden. Diese Reizbarkeit h\u00f6rt am Ende der Bliithenzeit auf und ist im Sonnenschein am bemerklichsten. Endlich erinnere ich noch an die vielen Falle, wo sich das Ende des Griffels in der Art kr\u00fcmmt, dafs die Narbe unmittelbar mit den ge\u00f6ffneten Antheren in Ber\u00fchrung tritt. Bei einer bl\u00fchenden Col-linsonia sah Darwin*) dafs die Griffel einiger Blumen, anstatt sich zu den ihnen zugesellten Staubf\u00e4den zu halten, sich zu den Staubf\u00e4den benachbarter Blumen neigten und so gleichsam Ehebruch trieben.\n3. Die m\u00e4nnlichen und die weiblichen Geschlechts-Organe suchen sich behufs der Best\u00e4ubung gegenseitig auf.\nEndlich hat Medicus in seiner meisterhaften Abhandlung auch eine Reihe von F\u00e4llen aufgef\u00fchrt, wo sich die Staubf\u00e4den und auch die Pistille gegenseitig bewegen um sich einander aufzusuchen und die Befruchtung auszuf\u00fchren; er f\u00fchrt Boerhavia diandra, die Gattungen Malva, La-vatera, Althaea, Alcea und mehrere Oenothera-Arten als hiehergeh\u00f6rig an. An Boerhavia diandra hat Medicus die t\u00e4gliche Bewegung der Geschlechtstheile \u00fcber 8 Tage hinter einander beobachtet, und zwar zeigte sie sich in folgendem: Abends und Morgens fr\u00fch ist das Pistill gegen die Seite der Bliithe angelegt, gegen 10 oder 11 Uhr f\u00e4ngt es aber an sich zu erheben und sich mit seiner Narbe ge-\n*) 1. C. I. pag. 157. Meyen. Pfl. Physiol. III.\n33","page":513},{"file":"p0514.txt","language":"de","ocr_de":"514\ngen die Mitte der Bliithe vorzurichten. Dort begegnet es einem oder dem anderen Staubfaden, an dessen Staubbeutel dasselbe so stark anst\u00f6fst, dafs man glauben sollte, sie w\u00e4ren wirklich mit einander verwachsen. Bei den Staubf\u00e4den hat Medicus eben dieselbe Wanderung beobachtet; wenn sich die Bliithe Abends schliefst, so legen sie sich auch an die Seite, sp\u00e4ter erheben sie sich ebenfalls, begeben sich in die Mitte und suchen der Narbe zu begegnen.\nDie Reizbarkeit der Geschlechtstheile der Pflanzen verh\u00e4lt sich gegen die Einwirkung der Electricit\u00e4t, des Galvanismus und der giftig wirkenden Substanzen ganz ebenso, wie in den Bl\u00e4ttern derjenigen Pflanzen, welche sich durch ihre Reizbarkeit so auffallend auszeichnen, wie wir es in den folgenden Kapiteln kennen lernen werden. Herr Alexander von Humboldt untersuchte zuerst den Ein-flufs der Electricit\u00e4t auf die Bewegung der Staubf\u00e4den der Berberis vulgaris; er ersch\u00fctterte die Bliithen durch heftige electrische Schl\u00e4ge, wenn sich die Staubf\u00e4den in Folge mechanischer Reizung dem Pistille angelegt hatten und er sah, dafs sich hiebei die Staubf\u00e4den zur\u00fcckbeugten, fand aber auch, dafs sie dadurch alle Reizbarkeit verloren. Die Wirkung der galvanischen S\u00e4ule auf die Reizbarkeit der Staubf\u00e4den der Berberis und anderer Pflanzen, wurde ebenfalls von Herrn Alexander von Humboldt und hierauf von Rafn versucht, doch ohne Resultat; erst Herr Nasse* *) wies in einem, sehr interessanten Aufsatze den Einflufs der Vol-taischen S\u00e4ule auf die Reizbarkeit der Staubf\u00e4den dieser Pflanze nach, und zeigte, dafs hiezu eine st\u00e4rkere galvanische Th\u00e4tigkeit erforderlich ist, als bei der Reizung der thierischen Gewebe. Herr Nasse**) zeigte auch sp\u00e4ter, dafs das Terpentin\u00f6l ein \u00fcberaus kr\u00e4ftiges Erregungsmit-tel der Staubgef\u00e4fse der Parietaria sei; bei der Ber\u00fchrung der Bliithe mit diesem Oel bewegten sich die Staubf\u00e4den\n*) Gilberts Annalen Bd. XL. 1812 pag. 392.\n*\u00a5) Archiv f\u00fcr die Physiologie von Reil und Autenrieth. XII.\npag. 278.","page":514},{"file":"p0515.txt","language":"de","ocr_de":"515\n\nentweder sogleich s\u00e4mmtlich, oder doch bald hinter einander, kurz er fand, dafs dergleichen Mittel, welche die Reizbarkeit bei den Thieren aufzuregen im Stande sind, dieses auch an den Geschlechtstheilen der Pflanzen zeigen. Die Gifte zerst\u00f6ren die Reizbarkeit der Geschlechtstheile, wie es Herr Goeppert*) in einer sehr fleifsig gearbeiteten Abhandlung gezeigt hat.\nDie Schl\u00fcsse welche man aus diesen verschiedenen Beobachtungen \u00fcber die Bewegungen der Geschlechtstheile behufs der Befruchtung der Pflanzen ziehen kann, liegen zu nahe, als dafs ich hier noch besonders davon sprechen sollte, aber unbegreiflich ist es mir, wie man dieselben auf die Erscheinungen des Pflanzenschlafes zur\u00fcckf\u00fchren zu k\u00f6nnen glaubt.\nViertes Capitel.\nVon den Bewegungen welche die Bl\u00e4tter der Pflanzen in Folge \u00e4ufserer Beize zeigen.\nDie auffallenden Erscheinungen, welche die Bl\u00e4tter einiger wenigen Pflanzen durch ihre Bewegungen in Folge \u00e4ufserer Reize darbieten, h\u00e4ngen mit denjenigen in einigem Zusammenh\u00e4nge, die wir schon im ersten Capitel, als von den t\u00e4glichen periodischen Bewegungen der Bl\u00e4tter die Rede war, n\u00e4her kennen gelernt haben. Fast alle Bewegungen der Pflanzenbl\u00e4tter, welche bis jetzt, als Folge \u00e4ufserer Reize auftretend bekannt geworden sind, stimmen vollkommen mit denjenigen \u00fcberein, die wir bei dem Schlafe der Pflanzen hervorgehen sahen, nur mit dem einzigen Unterschiede, dafs diese Bewegungen im letzteren Falle \u00e4ufserst\nL.\n*) Ueber die Reizbarkeit der Staubf\u00e4den von Berberis vulgaris \u2014 Linnaea v. 1828 pag. 237.\n33 *","page":515},{"file":"p0516.txt","language":"de","ocr_de":"5\u00ce6\nlangsam vor sich gehen, ja oftmals so langsam, dafs sie* mit dem Auge nicht mehr unmittelbar wahrgenommen werden k\u00f6nnen, sondern erst in l\u00e4ngeren Zeitperioden bemerkt man die Ver\u00e4nderung in der Stellung derselben. So auffallend es nun erscheint, dafs diejenige Bewegung der Bl\u00e4tter der Pflanzen, welche wir bei dem Eintritte des Schlafes derselben, gleichsam aus freien St\u00fccken hervorgehen sehen, dafs eben dieselbe Bewegung bei einer noch kleineren Zahl von Gew\u00e4chsen ganz besonders auffallend vorkommt, und dafs sie sich auch noch nebenher durch \u00e4ufsere Reize hervorrufen und dabei sehr beschleunigen l\u00e4fst, so haben wir doch auch hief\u00fcr schon eine Reihe von analogen F\u00e4llen bei den Bewegungen der Geschlechtsteile der Pflanzen im vorigen Capitel kennen gelernt. Die beiden Erscheinungen, welche wir unter dem Namen des Wanderns der Geschlechtstheile und der Reizbarkeit derselben keimen gelernt haben, sind dem Wesen nach ganz und gar mit den Bewegungen der Bl\u00e4tter \u00fcbereinstimmend, welche bald eine langsame Bewegung zeigen, wie bei den t\u00e4glichen periodischen Bewegungen, bald eine auffallend schnelle, die in Folge \u00e4ufserer Reize auftritt.\nWir werden jetzt diese letzteren Erscheinungen der Reihe nach n\u00e4her kennen lernen, und sie zum Schl\u00fcsse des Ganzen, mit den \u00fcbrigen in Zusammenhang zu bringen suchen.\nSpecielle Betrachtung der Bewegungen an der Sinnpflanze (Mimosa pudica L.).\nUeber die Bewegungen bei der Mimosa pudica L. welches Gew\u00e4chs unter dem Namen der Sinnpflanze sehr bekannt ist, hat man schon unendlich viel geschrieben, so dafs schon die Titel der verschiedenen Abhandlungen ganze Seiten f\u00fcllen w\u00fcrden, und schwerlich lassen sich noch viele neue Beobachtungen an diesem Gew\u00e4chse anstellen, welche nicht schon irgend wo, wenn auch gerade nicht vollst\u00e4ndig mitgetheilt w\u00e4ren.\nDie Mimosa pudica verlangt eine W\u00e4rme von 20 Grad","page":516},{"file":"p0517.txt","language":"de","ocr_de":"517\n\u00efleaum. und viel Feuchtigkeit, wenn sie \u00fcppig wachsen und recht reizbar sein soll; sie ist in ihrem Vaterlande, so wie noch mehrere andere Mimosen so sehr reizbar, dafs ein starkes Auftreten auf dem Boden, in der N\u00e4he der Pflanze, schon ganz allein hinreichend ist, um die ganze Pflanze zum Zusammen ziehen der Bl\u00e4tter zu bringen, wovon ich mich selbst in der N\u00e4he von Rio de Janeiro iibei-zeugt habe, und auch Herr v. Martins erz\u00e4hlt ), dafs selbst der Hufschlag des durcheilenden Pferdes hinreichend ist, um ganze Massen von Mimosen in Bewegung zu setzen.\nWenn man die Beobachtungen, welche verschiedene Autoren \u00fcber die Bewegungen der einzelnen Theile dei Mimosen angestellt haben, nachmachen will, so ist es vor Allem n\u00f6thig, dafs man die Versuche an kr\u00e4ftigen Individuen und bei hohen Temperaturen anstellt; eine W\u00e4rme von 18 und \u00fcber 20\u00b0 Reaum. ist hiebei durchaus n\u00f6thig, und die Pflanze mufs schon l\u00e4ngere Zeit hindurch in einer solchen Temperatur gestanden haben. Bringt man z. B. eine Pflanze aus einer niederen Temperatur, etwa aus 15 oder 16\u00b0 R. in ein w\u00e4rmeres Zimmer, so vergehen zuweilen mehrere Stunden, bis die Pflanze die geh\u00f6rige Empfindlichkeit zeigt und diese \u00e4ussert sich alsdann in folgenden Erscheinungen :\nHaben sich die gefiederten Bl\u00e4tter der Mimosa pudica vollst\u00e4ndig ausgebreitet, in welchem Zustande wir dieselben an hellen Sommertagen gew\u00f6hnlich beobachten, und fafst man alsdann ein solches Blatt mit einigem Drucke an, so bemerken wir, dafs sich die Bl\u00e4ttchen der einzelnen Bl\u00e4tter*) **) mit ihren Oberfl\u00e4chen Zusammenlegen und dafs sich der ganze gemeinschaftliche Blattstiel, mit bedeutender Schnelligkeit herabsenkt, so dafs sich der spitze Winkel, in welchem fr\u00fcher der Blattstiel zum Stamme\n*) Reise nach Brasilien III. pag, XXXVIII.\n**) Anmerkung. Die Mimosa pudica hat doppelt gefiederte Bl\u00e4tter, und jeder gemeinschaftliche Blattstiel tr\u00e4gt entweder 2, oder 4 gefiederte Bl\u00e4tter, was der gew\u00f6hnliche Fall ist; bei sehr kr\u00e4ftigen Pflanzen kommen auch 6 gefiederte Blatter an einem \u00f6tiele vor\u00bb","page":517},{"file":"p0518.txt","language":"de","ocr_de":"518\nstand, in mehr als 90\u00b0 vergr\u00f6fsert, ja mitunter senkt sich der Blattstiel so tief, dafs er nach Unten dem Stamme parallel zu liegen kommt. War die Ersch\u00fctterung der Pflanze bei dem Anfassen des Blattes von einiger Bedeutung, so legen sich die Bl\u00e4ttchen, ohne eine genaue Reihenfolge zu beobachten, mit ihren oberen Blattfl\u00e4chen zusammen, und wenn die Ersch\u00fctterung noch st\u00e4rker war, so sieht man, dafs sich der Reiz auch auf die zun\u00e4chst stehenden Bl\u00e4tter fortpflanzt, und zwar geschieht dieses bald schneller, bald langsamer, je nach dem Grade der Reizbarkeit, welchen die Pflanze zeigt. Diese Beobachtung ist die bekannteste und Jeder, der einer Sinnpflanze bei geh\u00f6riger Temperatur nahe gekommen ist, wird sich hievon \u00fcberzeugt haben. Nach einiger Zeit hebt sich wieder der gemeinschaftliche Blattstiel zu seiner fr\u00fcheren Stellung und all-m\u00e4lich legen sich auch wieder die Bl\u00e4ttchen auseinander und nehmen eine horizontale Lage an; wird ein solches Blatt abermals ber\u00fchrt, so wiederholen sich die Erscheinungen, bis sich nach mehrfacher Wiederholung die Reizbarkeit so sehr herabstimmt, dafs selbst nach starken Ersch\u00fctterungen nur noch wenig Reaction erfolgt.\nMan pflegt zu sagen, dafs diese so eben beschriebenen Bewegungen an den Bl\u00e4ttern der Mimose in Folge von Ersch\u00fctterungen der Pflanze eintreten, indessen es scheint mir, dafs bei jedem Stofse der dadurch verursachte Druck auf die Holzb\u00fcndel als die Ursache anzusehen ist, durch welche die Bewegungen veranlafst werden. Geringe Er-Sch\u00fctterungen verursachen noch keine Bewegungen an den Bl\u00e4ttern, ja man kann sie leise anfassen, aber sobald man die Bl\u00e4tter dr\u00fcckt, so erfolgt auch augenblicklichst die Bewegung des ber\u00fchrten Blattes, und war der Reiz grofs genug, so bewegt sich gleich darauf das entgegenstehende Bl\u00e4ttchen, ja der Reiz pflanzt sich allm\u00e4lich von Bl\u00e4ttchen zu Bl\u00e4ttchen bis nach der Basis des Blattstieles fort.\nWir haben schon in den vorigen Capiteln kennen gelernt, dafs man verm\u00f6gend ist, die Pflanzen in Hinsicht ihres Schlafes und Wachens an \u00e4ufsere Reize zu gew\u00f6hnen ; eben","page":518},{"file":"p0519.txt","language":"de","ocr_de":"dasselbe hat man auch an der Sinnpflanze kennen gelernt, indem Beobachtungen nachweisen, dafs sich dieselbe an anhaltende Ersch\u00fctterungen gew\u00f6hnen kann, so dafs sie darauf nicht mehr reagirt. Desfontaines nahm eine Sinnpflanze in einen Wagen und sah, dafs sich dieselbe bei dem Rollen auf dem Steinpflaster sogleich schlofs und die Blattstiele sinken liefs; allm\u00e4lich richteten sich aber die Bl\u00e4tter wieder auf, obgleich die Ersch\u00fctterung des Wagens anhielt. Stand der Wagen einige Zeit still, und fuhr er dann von Neuem weiter, so schlofs sich die Sinnpflanze jedesmal wieder. Diese letztere Thatsac-he ist besonders wichtig, indem sie beweist, dafs die Sinnpflanze durch die anhaltende Ersch\u00fctterung nicht etwa ihre Reizbarkeit verloren hatte und ihre Bl\u00e4tter etwa aus diesem Grunde wieder \u00f6ffnete.\nIn dem Zusammenf\u00e4llen der Fiederbl\u00e4ttchen und dem Senken des gemeinschaftlichen Blattstieles, besteht denn auch haupts\u00e4chlich die Bewegung, welche uns die Sinnpflanze darbietet; allerdings senken sich auch die Blumenstiele nach dem Abbl\u00fchen und selbst die gr\u00f6fseren Aeste der Pflanzen heben sich und senken sich wenigstens etwas, doch diese Bewegungen sind weniger auffallend. Die Beobachtungen zeigen, dafs sich in der Sinnpflanze nicht nur die unmittelbar gereizten Theile der Pflanze in Bewegung setzen, sondern auch, dals der auf die 1 flanze einwirkende Reiz fortgepflanzt wird, und zwar geschieht die Fortleitung desselben nach allen Richtungen hin, sowohl von Oben nach Enten, als von Unten nach Oben, und je st\u00e4rker die reizende Einwirkung ist, um so weiter dehnt sich der Erfolg derselben aus. Zu den auffallendsten, hiehergeh\u00f6rigen Erscheinungen sind folgende anzusehen: Hat man eine kr\u00e4ftige Sinnpflanze vor sich, und schneidet man in den Stamm derselben mit einem scharfen Messer (was bei einiger Geschicklichkeit sehr leicht in der Art auszuf\u00fchren ist, dafs die Pflanze dadurch keine Ersch\u00fctterung erleidet), so wird man sehen, dafs sich die zun\u00e4chst stehenden Blattstiele fast augenblicklichst senken","page":519},{"file":"p0520.txt","language":"de","ocr_de":"520\nund war der Schnitt tief genug gef\u00fchrt, so senken sich auch die entfernt stehenden und allm\u00e4lich legen sich auch die Bl\u00e4ttchen zusammen. Ist die Pflanze recht kr\u00e4ftig und die Temperatur, worin sie steht gegen 20 Grad, so ist der Erfolg \u00e4ufserst \u00fcberraschend, denn so wie die Schneide des Messers die Rinde durchzogen und den Holzk\u00f6rper ber\u00fchrt hat, so zeigt sich auch, oft in demselben Augenblicke ein schnelles Herabsenken der entfernt stehenden Blattstiele, ja ich habe bemerkt, dafs sich Blattstiele in dem Augenblicke des Einschneidens in die Basis des St\u00e4mm-chens pl\u00f6tzlich senkten, obgleich sie mehr als Fufs davon entfernt standen. Man kann bei diesem Experimente mit ziemlicher Bestimmtheit angeben, welches Blatt sich in Folge des Einschnittes herabsenken wird, denn der Reiz wird durch die, zu dem Blatte verlaufenden Holzb\u00fcndel unmittelbar fortgef\u00fchrt und erst nach erfolgter Zusammenziehung springt derselbe seitlich auf die zun\u00e4chst liegenden Holzb\u00fcndel \u00fcber. Einige Zeit nach dem Versuche heben sich wiederum die Blattstiele, und auf neue Einschnitte in das Holz des Stammes erfolgen neue Zusammenziehungen der Bl\u00e4tter, doch nimmt die Empfindlichkeit der Pflanze hiebei sehr bald ab, und sie gebraucht l\u00e4ngere Zeit um sich wieder ganz zu erholen; hierin m\u00f6ge auch die Angabe von Du Hamei ihre Erkl\u00e4rung finden, wenn derselbe sagt, dafs es mit einiger Vorsicht und Geschicklichkeit m\u00f6glich ist einen Ast der Sinnpflanze abzuschneiden, ohne dafs sich die Bl\u00e4tter desselben zusammenziehen; ich habe diesen Versuch sehr oft wiederholt, doch au kr\u00e4ftigen Pflanzen, welche in geh\u00f6riger W\u00e4rme vege-tirten, gelang er niemals, wohl aber an solchen Indivi-' duen, die schon in Folge anderer Versuche, sehr gelitten hatten. Auch fand ich ziemlich constant, dafs die angegebene Contraction in Folge des Einschnittes bei einer Temperatur von 15 Graden nicht mehr stattfindet, so dafs dergleichen Versuche bei uns schon im Monate September\n*) Naturgeschichte der B\u00e4ume. II. pag. 128.","page":520},{"file":"p0521.txt","language":"de","ocr_de":"521\nnur noch selten gelingen. Die Empfindlichkeit der Bl\u00e4tter und deren Blattstiele kann sich um diese Zeit noch auf jede, unmittelbar angebrachte Reizung \u00e4ufsern; die Bl\u00e4ttchen legen sich beim blofsen Anfassen zusammen und der gemeinschaftliche Blattstiel senkt sich noch, w\u00e4hrend die Reize, in Folge von Einschnitten in den Holzk\u00f6rper nicht mehr fortgeleitet werden.\nDer Holzk\u00f6rper ist der Leiter der Reize bei der Sinnpflanze, doch l\u00e4fst es sich unm\u00f6glich ermitteln, ob hier im Holze die Spiralr\u00f6hren allein, oder ob die ganze Holz-masse als solche anzusehen ist; doch werden wir diesen f Gegenstand sp\u00e4ter ausf\u00fchrlich betrachten. Herr Schultz *) hat die Meinung gegen Herrn Dutrochet aufgestellt, dafs es die Milchsaftgefafse sind (welche den wesentlichsten Theil der Rinde der Sinnpflanze ausmachen sollen), in denen\n*\u25a0\nI die Ursache der \u00e4ufseren Bewegung bei den Pflanzen zu suchen sei, und er kommt hiebei zu dem Schl\u00fcsse, dafs das System der Milchsaftgefafse, um welche sich die ganze Physiologie des Herrn Schultz zu drehen pflegt, von doppelter Wichtigkeit ist, dafs es n\u00e4mlich das Organ der inneren (S\u00e4fte) und zugleich das Organ der \u00e4ufseren Bewegungen der Pflanzen ist!\nMan kann sich leicht \u00fcberzeugen, dafs weder in den \u00e9 Parenchym-Zellen der Rinde, noch in den angeblichen Milchsaftgefafsen derselben die Leiter der Reize zu suchen sind, denn wenn man den Stamm einer Sinnpflanze etwa auf Zolll\u00e4nge und dar\u00fcber vollkommen entrindet, und den Holzk\u00f6rper so rein biofslegt, dafs man sich durch die mikroskopische Untersuchung desselben \u00fcberzeugen kann, dafs alle Rinde und alle angebliche Milchsaftgef\u00e4fse entfernt sind, und wenn man dennoch sieht, dafs Einschnitte :\tin diesen blofsgelegten Holzk\u00f6rper die Contraction der\nBl\u00e4tter nach wie vor bewirken, so ist es wohl ganz klar erwiesen, dafs der Holzk\u00f6rper als Leiter dieser Reize anzusehen ist. Dieses wurde auch schon durch Dutrochet\u2019s\n\u00a5) Die Natur der lebendigen Pflanze. IT. pag. 148.","page":521},{"file":"p0522.txt","language":"de","ocr_de":"522\nVersuche erwiesen; derselbe entbl\u00f6fste das Holzbiindel in der Achse eines Blattstieles, indem er das umgebende Zellengewebe abschnitt, reizte dann eines der \u00e4ufsersten Fiederbl\u00e4ttchen mittelst eines Brennglases und sah, dafs sich der Reiz sehr bald auf die benachbarten Bl\u00e4tter fortpflanzte. Dagegen durchschnitt Dutrochet an anderen Blattstielen den Holzk\u00f6rper und erhielt das Blatt vermittelst einer Portion des umkleidenden Zellengevvebes mit dem Stamme in Verbindung, brannte alsdann wie im vorhergehenden Versuche eines der \u00e4ufsersten Fiederbl\u00e4ttchen und sah nun keine Fortpflanzung des Reizes erfolgen.\nBetrachten wir nun diese, bisher angef\u00fchrten Erscheinungen der Reizbarkeit der Sinnpflanze im Allgemeinen und suchen wir dieselben, was gewifs sehr nahe liegt, mit \u00e4hnlichen Erscheinungen bei den Thieren in Vergleich zu stellen, welche uns schon viel bekannter sind, so werden wir auch in diesen Erscheinungen grofse Ueberein-stimmung finden. So wie sich die Sinnpflanze zusammenzieht, wenn der Boden, worauf sie steht ersch\u00fcttert wird, so thun es auch die Polypen, die Actinien und die meisten der niederen Thiere; ich hatte ganze Rasen von Alcyonella stagnorum auf einem Teller liegend und sah, dafs sich alle Polypen desselben zusammenzogen, sobald der Teller stark ersch\u00fcttert wurde. Schnitt ich in den Stamm einer Campanularia, so zogen sich augenblicklichst die Polypen zusammen, welche mit der verletzten Stelle des Stammes im organischen Zusammenh\u00e4nge standen. So wie bei diesen niederen Thieren ein und dasselbe Gebilde, sich gleich der Muskelfaser in h\u00f6heren Thieren zusammenzieht und in anderen F\u00e4llen den Reiz leitet, gleich den Nerven in h\u00f6heren Thieren, ebenso scheint es sich bei der Sinnpflanze zu verhalten. Doch wir wollen die Bewegungen an der Sinnpflanze noch weiter verfolgen, ehe wir eine Ansicht iiher das Wesen dieser Erscheinungen auszusprechen wagen.\nWenn man an einem heifsen Sommertage mit einer feinen Scheere das letzte P\u00e4rchen der Fiederbl\u00e4tter eines","page":522},{"file":"p0523.txt","language":"de","ocr_de":"523\nBlattes abschneidet, und zwar mit solcher Vorsicht, dafs keine Spur von Ersch\u00fctterung dabei stattfindet, so wird man beobachten, dafs sich augenblicklichst die darauf folgenden Blattpaare mit ihren oberen Blattfl\u00e4chen Zusammenlegen, und zwar pflanzt sich die Contraction der Bl\u00e4ttchen von der verletzten Spitze des Stieles nach dessen Basis hin fort, was in verschiedenen F\u00e4llen mit verschiedener Schnelligkeit ausgef\u00fchrt wird, die aber ganz zu der Lebhaftigkeit im Verh\u00e4ltnisse steht, in welcher sich die Pflanze befindet. Zuweilen bleibt ein einzelnes Blattpaar mitten in der Reihe in seiner Contraction zur\u00fcck, zuweilen auch wohl nur ein einzelnes Bl\u00e4ttchen und dann sieht man, dafs hier, bei der Fortleitung des Reizes, ein augenblickliches Hindernifs eintritt, sobald aber der Reiz \u00fcber den Anheftungspunkt eines solchen torpiden Blattes hinaus ist, so geht auch die Contraction wieder in gew\u00f6hnlicher Art fort, sie geschieht aber \u00e4ufserst langsam, wenn die umgebende Luft kalt ist, ja dann kann man sehen, wie jedes einzelne Blattp\u00e4rchen sich erst nach mehreren, stofsweise erfolgenden Erhebungen zusammenlegt. Ist der Reiz bis zur Basis des Blattstieles des gefiederten Blattes gelangt, so erfolgt entweder zun\u00e4chst die Senkung des gemeinschaftlichen Blattstieles, oder der Reiz springt auf den Holzk\u00f6rper der zun\u00e4chst stehenden gefiederten Bl\u00e4tter und dann sieht man, dafs sich auch an diesen Bl\u00e4ttern die einzelnen Fiederbl\u00e4ttchen Zusammenlegen, aber gerade in entgegengesetzter Richtung, n\u00e4mlich von der Basis aus nach der Spitze hin, was auch ganz nat\u00fcrlich erscheint. Auch bei dem Zusammenlegen dieser Fiederbl\u00e4ttchen findet die gr\u00f6fste Regelm\u00e4fsigkeit statt, wenn die Pflanze recht lebhaft, wie in ihrem Vaterlande vegetirt, das Gegentheil aber zeigen diese Pflanzen, wenn sie nicht den geh\u00f6rigen W\u00e4rmegrad erhalten. Hatte sich der gemeinschaftliche Blattstiel nicht gleich im Anf\u00e4nge gesenkt, so erfolgt die Senkung nachdem sich die Bl\u00e4ttchen s\u00e4mmtlicher gefiederten Bl\u00e4tter zusammengelegt haben, und war der Reiz stark genug, so bemerkt man nach einiger Zeit, dafs sich auch","page":523},{"file":"p0524.txt","language":"de","ocr_de":"524\ndie Blattstiele der zun\u00e4chst stehenden Bl\u00e4tter senken, und dafs sich dann an diesen gesenkten Bl\u00e4ttern ebenfalls die Fiederbl\u00e4ttchen allm\u00e4lich Zusammenlegen.\nBedeutend schw\u00e4cher ist der Reiz, und die Wirkung desselben erstreckt sich gewifs nur selten \u00fcber das verletzte Blatt hinaus, wenn man nur die parenchymatische Substanz eines der beiden letzten Fiederbl\u00e4ttchen mittelst eines Messers oder einer Scheere verletzt; der Reiz wird wenigstens \u00fcber das ganze gefiederte Blatt geleitet, wenn man den Mittelnerven des Bl\u00e4ttchens verletzt, aber noch geringer ist derselbe, wenn die Seitennerven allein durchschnitten wurden. Untersucht man aber diese Seitennerven der einzelnen Fiederbl\u00e4ttchen, so findet man, dafs sie entweder aus einer einzelnen Spiralr\u00f6hre, oder aus einigen nebeneinanderliegenden zusammengesetzt sind, welche durch einige langgestreckte Zellen begleitet werden, daher man diese Gebilde als diejenigen ansehen mufs, welche einmal den empfangenen Reiz leiten und dann die Contraction des umgebenden Gewebes in den Gelenken bewirken, die wir in ihren n\u00e4chsten Erscheinungen sogleich n\u00e4her kennen lernen werden.\nAm st\u00e4rksten wirken diejenigen Reize auf die Sinnpflanze, welche durch pl\u00f6tzliche Ver\u00e4nderung der Temperatur ausge\u00fcbt werden. Wenn eine Pflanze mit ausge-breiteten Bl\u00e4ttern in einem Treibkasten steht, und man die Fenster selbst mit gr\u00f6fster Behutsamkeit \u00f6ffnet, so ziehen sich durch den Einflufs der k\u00e4lteren Luft die Bl\u00e4ttchen der ganzen Pflanze zusammen und senken ihre Blattstiele; ganz \u00e4hnlich wirkt eine zu hohe Temperatur auf die Sinnpflanze. Es ist z. B. schon lange bekannt, dafs die Con-tractionen der Fiederbl\u00e4ttchen, so wie das Senken des gemeinschaftlichen Blattstieles erfolgt, wenn man ein einzelnes Bl\u00e4ttchen der Sinnpflanze mit einem Brennglase reizt, aber sehr interessant war es mir zu sehen, dafs die Sinnpflanze solche Bewegungen auch ohne k\u00fcnstliche Reize hervorbringt Wenn man n\u00e4mlich eine kr\u00e4ftige Pflanze der Art an einem heifsen Sommertage unmittelbar dem","page":524},{"file":"p0525.txt","language":"de","ocr_de":"525\nEinfl\u00fcsse der Mittagssonne aussetzt, so wird man dann und wann bemerken, dafs sich einzelne Bl\u00e4tter pl\u00f6tzlich senken, und dafs sich alsdann die Fiederbl\u00e4ttchen Zusammenlegen, ganz ebenso, wie bei den schon fr\u00fcher beschriebenen Bewegungen. Bald darauf hebt sich wiederum das Blatt und die Fiederbl\u00e4ttchen legen sich horizontal auseinander, und wenn sich nach l\u00e4ngerer Zeit die Temperatur auf der Oberfl\u00e4che der Bl\u00e4tter, durch den Einflufs der direkten Sonnenstrahlen stark erh\u00f6ht, so senkt sich der gemeinschaftliche Blattstiel von Neuem und die Erscheinungen wiederholen sich. Hier scheint es, als wenn die Contractionen aus freien St\u00fccken eintreten, doch k\u00fcnstliche Erh\u00f6hungen der Temperatur bewirken ganz dieselben Erscheinungen.\nAm heftigsten wirkt das Brennen der Pflanze, und auch hiebei kann man sehen, dafs der Reiz von Unten nach Oben und von Oben nach Unten fortgeleitet wird. Brennt man an einer kr\u00e4ftigen Pflanze w\u00e4hrend der heifsen Sommertage die letzten Fiederbl\u00e4ttchen, so pflanzt sich der Reiz sehr bald \u00fcber das ganze Blatt hinaus und dieses senkt den Blattstiel, ganz ebenso, als wenn man das letzte Blattpaar abgeschnitten h\u00e4tte; hat man aber zugleich die Spitze des Blattstieles mit angebrannt, so pflanzt sich der Reiz sehr bald weiter fort, und nachdem das verletzte Blatt herabgesunken und die Fiederbl\u00e4ttchen sich s\u00e4mmt-lich zusammengelegt haben, zeigt sich die Contraction auch an den zun\u00e4chst stehenden Bl\u00e4ttern des Stammes. In den meisten F\u00e4llen habe ich bemerkt, dafs sich die Contractionen zuerst an denjenigen Bl\u00e4ttern zeigen, welche unterhalb des verletzten Blattes stehen, und wenn sich diese der Reihenfolge gesenkt hatten, bewegten sich auch alle die Bl\u00e4tter, welche \u00fcber dem Verletzten standen, und dann endlich erstreckte sich die Fortleitung des Reizes auf die Bl\u00e4tter der Aeste, welche sich ebenfalls der Reihe nach senkten und ihre Fiederbl\u00e4ttchen zusammenlegten.\nDie Zeit, in welcher sich s\u00e4mmtliche Bl\u00e4tter einer Sinnpflanze in Folge einer solchen Brandwunde zusammen-","page":525},{"file":"p0526.txt","language":"de","ocr_de":"526\nlegen, ist nach dem Grade der Reizbarkeit der Pflanze sehr verschieden, aber selbst im gl\u00fccklichsten Falle vergehen dabei 4 und 5 Minuten, wenn die Pflanze nur von einiger Gr\u00f6fse ist. Ist aber die Temperatur der umgebenden Luft nicht hoch genug, so gehen alle jene Erscheinungen langsamer von Statten und es vergeht oft eine ganze Viertelstunde, bis sich alle Bl\u00e4tter zusammengefaltet haben; ja sp\u00e4t im Sommer, und besonders im Monat October, zeigt die Sinnpflanze schon so wenig Reizbarkeit, dafs man durch starkes Brennen wohl noch die einzelnen Bl\u00e4tter zum Zusammenfalten bringt, aber niemals mehr die ganze Pflanze, wie es bei 18 und 20\u00b0 W\u00e4rme und mitten im Sommer jedesmal erfolgt. Dieser contrahirte Zustand der Sinnpflanze in Folge von Brennen dauert verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig sehr lange, denn die Bl\u00e4tter \u00f6ffnen sich erst nach 4, 6 und selbst erst nach 8 Stunden, woraus man schon auf den heftigen Grad der Einwirkung jener Reize schliefsen kann; dieses wird aber dadurch noch mehr erwiesen, dafs eine und dieselbe Pflanze dieses Brennen nicht oft vertr\u00e4gt, ohne dabei t\u00f6dtlich zu leiden. Schon bei der dritten und vierten Wiederholung des Versuches leidet selbst die kr\u00e4ftigste Pflanze so stark, dafs sie nur noch in geringerem Grade jene Contraction zeigt. Ja an einem schw\u00e4chlichen Pfl\u00e4nzchen von 1| Fufs H\u00f6he habe ich gesehen, dafs sie, bei einer Temperatur von 17 Graden R., schon nach dem einmaligen Anbrennen der Spitze eines Blattes so sehr angegriffen wurde, dafs sie sich, auch noch nach mehreren Wochen nicht wieder erholte. Schon Herr Alexander von Humboldt hat etwas Aehnliches beobachtet, denn er sagt: Wenn man den Stengel einer Mimosa pu-diea, mit einer Nadel so sehr verwundet, dafs der Saft herausfliefst, so schliefst die ganze Pflanze aus Ermattung ihre Bl\u00e4tter, und \u00f6ffnet sie nicht wieder bei Einwirkung der Sonnenstrahlen.\nWenn man an einer Sinnpflanze den Stamm in der N\u00e4he der Wurzel mit einem Lichte brennt, so erfolgen die Wirkungen nicht eher, als bis die Wirkung des Feuers","page":526},{"file":"p0527.txt","language":"de","ocr_de":"527\ndurch die Rinde hindurch gegangen ist und den Holzk\u00f6rper ergriffen hat; schneidet man aber den Stamm einer kr\u00e4ftigen Pflanze ab und setzt ihn so lange in Wasser bis sich die Bl\u00e4tter desselben wieder entfaltet haben, und bringt man alsdann die frische Schnittfl\u00e4che in eine Flamme, so geschehen die Senkungen der Blattstiele und die Zusammenlegung der Bl\u00e4tter der ganzen Pflanze \u00e4ufserst rasch, aber genau in der Reihenfolge, wie die Bl\u00e4tter am Stamme befestigt sind. Aber auch diese Wirkung h\u00f6rt auf, wenn die Pflanze, wie zur Herbstzeit nicht mehr empfindlich . genug ist.\nEs ist interessant zu sehen, wie der angebrachte Reiz bei der Sinnpflanze durch die Holzb\u00fcndel geleitet wird, und wie derselbe auf die daneben liegenden gleichsam . \u00fcberspringt. Nimmt man das doppelt gefiederte Blatt einer \u00c9 solchen Pflanze, welches ausgebreitet an den Stengel sitzt und f\u00fchrt man mit einem sehr scharfen Messer einen Schnitt durch den gemeinschaftlichen Blattstiel, so dafs dieser von der Spitze aus nach der Basis zu vollkommen gespaltet wird, so kann man folgende Reaction en an dem Blatte wahrnehmen. Wenn das Messer in die Spitze des gemeinschaftlichen Blattstieles eindringt, so bemerkt man, erst in demjenigen Augenblicke eine Contraction oder vielmehr die Erhebung der Fiederbl\u00e4ttchen, von der Basis des gefiederten Blattes ausgehend, wenn das Messer die Stelle ber\u00fchrt, von welcher aus die Holzb\u00fcndel zu den beiden gegen\u00fcberstehenden Bl\u00e4ttern ausgehen. Schneidet man weiter in den Blattstiel hinein, so kommt man zu der Stelle, von welcher die Holzb\u00fcndel zum zweiten Paare der gefiederten Bl\u00e4tter abgehen und nun sieht man, dafs sich auch an diesen die Fiederbl\u00e4ttchen von der Basis aus n\u00e4ch der - Spitze zu allm\u00e4lich Zusammenlegen, und erst zuletzt senkt sich auch der gemeinschaftliche Blattstiel. Diese Spaltung des gemeinschaftlichen Blattstieles \u00e4ufsert sich auf das Leben des Blattes ohne allen Nachtheil, wenn man nun aber die Bl\u00e4ttchen der einen H\u00e4lfte des Blattstieles reizt, so kann der Reiz nicht unmittelbar auf die Bl\u00e4ttchen der an-","page":527},{"file":"p0528.txt","language":"de","ocr_de":"/\n528\nderen H\u00e4lfte \u00fcbergehen, sondern er steigt am gemeinschaftlichen Blattstiele entlang, bis zum sogenannten Gelenkknoten hinab und kehrt in entgegengesetzter Richtung in der anderen H\u00e4lfte des Blattstieles zur\u00fcck, worauf sich alsdann hier wie dort die Bl\u00e4ttchen in gleicher Weise Zusammenlegen.\nAufserdem bemerkt man noch in den Bl\u00fcthenstielen der Sinnpflanze einige Bewegung; dieselben stehen vor dem Aufbl\u00fchen und w\u00e4hrend des Bl\u00fchens aufrecht und in \u00e4hnlichen spitzen Winkeln zu dem Stamme wie die Bl\u00e4tter, doch bald nach dem Bl\u00fchen, wenn die Bl\u00fcthe auch nicht einmal Fr\u00fcchte angesetzt hat, senkt sich der Bl\u00fc-thenstiel erhebt sich aber niemals wieder.\nMan hat die verschiedensten corrodirenden Mittel auf die Bl\u00e4ttchen der Sinnpflanze gegossen, um die Einwirkung derselben auf die Reizbarkeit der Pflanze zu erforschen, und man fand immer, dafs sich die Fiederbl\u00e4ttchen zusammenfalteten und der gemeinschaftliche Blattstiel herabsank, sobald jene Substanzen ihre corrodirende Eigenschaft unmittelbar auf die Holzb\u00fcndel aus\u00fcbten, ja die Fortleitung der \u00e4tzenden oder corrodirenden Reize erfolgte im Allgemeinen ganz ebenso, wie wir sie bei der Wirkung der Schnitt- und Brandwunden kennen gelernt haben. In den letzteren Jahren hat Herr Rungeeine sehr grofse Zahl von Beobachtungen \u00fcber die Wirkung \u00e4tzender Reize auf die Bewegungen der Mimosa pudica angestellt und sehr ausf\u00fchrlich beschrieben, aus welchen sich im Allgemeinen die schon fr\u00fcher bekannt gewordenen Thatsachen best\u00e4tigen lassen; auch sie lehren, was besonders wichtig ist, dafs die \u00e4tzenden Reize, ebenso wie die mechanischen auf mehr oder weniger weite Strecken fortgeleitet werden k\u00f6nnen, und dafs die Reaction stets im Verh\u00e4ltnisse zur St\u00e4rke des angewendeten Reizmittels steht. Herr Runge\n\u00a5) Ueber das Verhalten der Mimosa pudica gegen mechanische und chemische Einwirkungen \u2014 Poggendorff\u2019s Annah XXV, pag. 334. etc.","page":528},{"file":"p0529.txt","language":"de","ocr_de":"529\nglaubt ferner beobachtet zu haben, dafs sich die Reaction der Sinnpflanze in Folge der Einwirkung von Schwefels\u00e4ure und von Kali ganz verschieden verhalte; er betupfte die Stelle, wo das Blattstielgelenk in den Blattstiel selbst \u00fcbergeht, mit etwas Schwefels\u00e4ure und beobachtete, dafs sich zuerst einige Blattpaare schlossen, zuletzt aber s\u00e4mrnt-liehe des ganzen Blattes, wobei auch einige Senkung des Blattstieles erfolgte, welche am folgenden Morgen so bedeutend war, dafs der Blattstiel dem Stamme beinahe parallel stand. In einem anderen Falle betupfte Herr Runge eben dieselbe Stelle mit einer L\u00f6sung von Kalihydrat; es war ein Tr\u00f6pfchen von der Gr\u00f6fse eines Nadelknopfes welches so angebracht wurde, dafs der Gelenkansatz selbst von der Lauge nicht ber\u00fchrt wurde. Nach einiger Zeit schlossen sich die Fiederbl\u00e4ttchen, der Blattstiel selbst I hatte aber nach 3 Stunden seine Stellung noch nicht ge\u00e4ndert; nach 5 Stunden, sagt Herr Runge, hatte er sich erhoben und bildete mit dem Stamme einen spitzen Winkel. Hierin zeigte sich also die Einwirkung der Schwefels\u00e4ure von derjenigen des Kali\u2019s verschieden; bei ersterer senkte sich der Blattstiel wie gew\u00f6hnlich und bei letzterem hob er sich empor, wrnrde aber dabei f\u00fcr jeden mechanischen Reiz unempfindlich, doch zeigte sich am folgenden Mor-* gen ziemlich Alles im normalen und reizbaren Zustande bis auf den aufgerichteten Blattstiel, der sich erst am 4ten Tage horizontal stellte. Ich habe diese Versuche dreimal wiederholt und bediente mich dabei einer Kalisolution von gleichen Theilen Kali und Wasser, ich sah hiebei, dafs die Einwirkung der Kalil\u00f6sung langsamer erfolgte, als die der gew\u00f6hnlichen k\u00e4uflichen Schwefels\u00e4ure, aber die Senkung des Blattstieles erfolgte ebenfalls, woraus ich wenig-I stens schliefse, dafs sich die Reizung durch diese beiden \u00e4tzenden Substanzen \u00e4hnlich verhalte, und auch die Reaction in ihren Erscheinungen \u00e4hnlich ist, wenn die Corrosion durch die genannten Substanzen in gleichem Grade stattgefunden hat.\nBesondere Beachtung verdienen Herrn Runge\u2019s Beob-Meyen. PU. Phys. III.\t34","page":529},{"file":"p0530.txt","language":"de","ocr_de":"530\nachtungen \u00fcber die Einwirkung des Terpentin\u00f6ls auf die Mimose; wurden die Fiederbl\u00e4ttchen damit betupft, so schlossen sie sich schon nach einigen Secunden, der Reiz wurde dann mit Schnelligkeit fortgeleitet, es schlossen sich dann in gew\u00f6hnlicher Ordnung auch die \u00fcbrigen gefiederten Bl\u00e4tter und der Blattstiel senkte sich. Nach Verlauf von 4 Minuten senkte sich auch das zun\u00e4chst dar\u00fcbersitzende Blatt, aber schon nach einer halben Stunde \u00f6ffnete sich wieder das gereizte Blatt. Auch fand Herr Runge, dafs der Fiederstiel eines Mimosen-Blattes durch irgend eine corrodirende Substanz in der Art angegriffen werden kann, dafs dadurch die Fortleitung anderer Reize sehr erschwert wird, obgleich die Pflanze dadurch im Allgemeinen gar nicht leidet. So war der Fiederstiel eines Blattes durch Schwefels\u00e4ure gebr\u00e4unt worden, worauf die \u00e4ufsersten Fiederbl\u00e4ttchen durch etwas Terpentin\u00f6l betupft worden; die Schliefsung der Bl\u00e4ttchen erfolgte all-m\u00e4lich bis zur gebr\u00e4unten Stelle, es dauerte aber 10 Minuten bis der Reiz \u00fcber diese Stelle hinausgeleitet wurde, alsdann schlossen sich auch die \u00fcbrigen Fiederbl\u00e4ttchen und dann auch die \u00fcbrigen Bl\u00e4tter. Ganz dasselbe erfolgte auch, wenn statt des Terpentin\u00f6les ebenfalls Schwefels\u00e4ure zur Betupfung der Bl\u00e4ttchen genommen wurde.\nAus den vielen im Vorhergehenden vorgetragenen Beobachtungen haben wir die Reaction der Mimosa pudica gegen eine grofse Anzahl von Reizen kennen gelernt, wir haben ferner gesehen, dafs diese Reize oft mit bewunderungsw\u00fcrdiger Schnelligkeit von einem Ende der Pflanze bis zum anderen fortgeleitet werden, so dafs mitunter fast in demselben Augenblicke eines der \u00e4ufsersten Bl\u00e4tter sich senkt, wenn man an der Basis des Stammes einschneidet. Dergleichen Erscheinungen f\u00fchrten schon Du Hamei zu dem merkw\u00fcrdigen Ausspruche, dafs es scheine, als h\u00e4tte diese Pflanze eine wirkliche Empfindung und die Wirkungen scheinen um so st\u00e4rker zu sein, je st\u00e4rker die Reize sind. Bei solchen Ansichten mufsten die Physiologen zu der genaueren Untersuchung derjenigen","page":530},{"file":"p0531.txt","language":"de","ocr_de":"531\nElementarorgane und derjenigen Kr\u00e4fte geleitet werden, welche jene auffallenden Erscheinungen hervorrufen, worin man eine so grofse Aehnlichkeit mit gewissen Erscheinungen der Irritabilit\u00e4t und der Sensibilit\u00e4t der Thiere erblickte, obgleich es nicht m\u00f6glich war bei jenen Pflanzen weder Muskeln noch Nerven aufzufinden. Die Electricit\u00e4t und sp\u00e4ter der Galvanismus gaben hiezu die entsprechenden Mittel an die Hand, und im Jahre 1776 hat Dreu *) die ersten Versuche \u00fcber die Wirkung der Electricit\u00e4t auf die Bewegungen der Sinnpflanze angestellt, woraus sich Folgendes ergab: Heftige Ersch\u00fctterungen bewirkten ein Zusammenfalten der Bl\u00e4ttchen und ein Senken der Blattstiele, es scheint jedoch, dafs dieses Schliefsen nur die Wirkung der Ersch\u00fctterung und nicht die der Electricit\u00e4t ist, denn electrisirt man eine isolirt stehende Sinnpflanze, so nimmt man keine Contractionen wahr. Ich selbst habe diese Versuche mit jungen Pflanzen im Monat Juli angestellt und dabei durchaus gar keine Ver\u00e4nderung in der Stellung der Bl\u00e4tter wahrgenommen; zog ich aber aus der isolirten Pflanze die Electricit\u00e4t mit einer h\u00f6lzernen Spitze, so zeigten sich doch verschiedene bemerkenswerthe Erscheinungen, aus welchen sich wenigstens die Einwirkung der Electricit\u00e4t auf die reizbaren Theile der Mimosa ergiebt, aber h\u00f6chst auffallend war es mir zu sehen, dafs dieser Reiz nicht fortgeleitet wurde. Wenn man n\u00e4mlich ein Fiederbl\u00e4ttchen mit einer h\u00f6lzernen Spitze ber\u00fchrt, so hebt sich augenblicklichst das dazu geh\u00f6rige Fiederbl\u00e4ttchen der anderen Seite in die H\u00f6he, und f\u00fchrt man die Spitze entlang dem Fiederstiel, so legen sich die Fiederbl\u00e4ttchen in derselben Reihenfolge schnell zusammen, in welcher Richtung man die Spitze hinwegftihrt, und bald nach Entfernung der Spitze stellen sich die Bl\u00e4ttchen wieder in horizontale Lage.\nSchon Dreu hat beobachtet, dafs starke Schl\u00e4ge die Reizbarkeit der Sinnpflanze aufheben und van Marum\n*) Rozier\u2019s Observ. sur la phys., l\u2019hist. nat. etc. 1776. pag. 395.\n34 *","page":531},{"file":"p0532.txt","language":"de","ocr_de":"532\nmachte zuerst im Jahre 1791 und 1792 darauf aufmerksam, dafs hierin die Reizbarkeit der Pflanzen und die der Thiere \u00fcbereinstimme. Die Anwendung starker Funken auf das Gelenk eines Blattstieles der Sinnpflanze hebt sogleich die Reizbarkeit auf, doch dabei findet auch eine wirkliche Zerst\u00f6rung des Gewebes statt. Die galvanische S\u00e4ule zeigt auf die Reizbarkeit der Sinnpflanze keinen merklichen Einflufs, wie es die \u00fcbereinstimmenden Beobachtungen von den Herren Alexander von Humboldt, van Marum, C. Sprengel und meine eigenen best\u00e4tigen.\nDie anatomische Untersuchung giebt leider ebenfalls keinen Aufschlufs \u00fcber die Ursache der Bewegungen, welche die sensibeln Pflanzen zeigen; diese Gew\u00e4chse sind im Allgemeinen ganz ebenso gebauet, wie die \u00fcbrigen nicht reizbaren, aber es zeigt sich, dafs diejenigen Theile, welche bei den Bewegungen der sensibeln Pflanzen ganz besonders th\u00e4tig sind, wie z. B. die Gelenkanschwellungen der Blattstiele, u. s. w., dafs diese eine eigenthiimliche Structur besitzen, aus welcher man wohl ersehen kann, dafs es gerade dadurch m\u00f6glich gemacht wird, diese eigen-th\u00fcmlichen Bewegungen auszuf\u00fchren. Mehrere sehr ausgezeichnete Physiologen haben den Satz aufgestellt, dafs die Structur der Gelenkknoten bei beweglichen und bei unbeweglichen Bl\u00e4ttern ganz gleich sei, und dafs nur die gr\u00f6fsere oder die geringere Rigidit\u00e4t der Gewebe die Bewegungen m\u00f6glich mache oder verhindere, diese Angabe ist aber nicht richtig. Man vergleiche die einfachen Querschnitte aus den Gelenkknoten des gemeinschaftlichen Blattstieles der Mimosa pudica und der Acacia Lophantha, oder \u00e4hnlicher Gew\u00e4chse, welche unbewegliche Blattstiele besitzen, und man wird sich davon sogleich \u00fcberzeugen; wenn man dagegen die Querschnitte aus den Gelenkan-schwellungen der einzelnen Fieder oder gefiederter Bl\u00e4tter dieser Acacia mit den Querschnitten aus den Gelenken der Mimosen vergleicht, so wird man sogleich die auffallendste Aehnlichkiet finden, aber die Fieder und die Fiederbl\u00e4ttchen jener Acacien zeigen auch \u00e4hnliche Bewe-","page":532},{"file":"p0533.txt","language":"de","ocr_de":"533\ngungen, wie die der Mimosen, wenn an eh viel langsamere und unter ganz anderen Verh\u00e4ltnissen, Ja ich glaube den Satz aufstellen zu k\u00f6nnen, dafs sich die Bewegungen der Bl\u00e4tter der Pflanzen um so auffallender zeigen, je mehr die Structur ihrer Gelenkknoten derjenigen der* Gelenke der Mimosen und des Hedysarum gyrans gleichem.\nEs ist schon von mehreren Physiologen angegeben worden, dafs die Holzb\u00fcndel in den Gelenkanschwellungen der Mimosa pudica zu einem einzelnen Strange vereinigt sind, welcher gerade in der Mitte des Gelenkes verl\u00e4uft, w\u00e4hrend die Holzbiindel in den Blattstielen vereinzelt und nahe der Peripherie verlaufen; eine genauere Untersuchung dieses Gegenstandes lehrt aber noch viele Eigenthii ml ich-keiten, welche Einiges zur Erkl\u00e4rung des Mechanismus beitragen, der sich bei der Bewegung dieser Bl\u00e4tter zeigt. Die Gelenkanschwellung des gemeinschaftlichen Blattstieles der Mimosa pudica zeigt die Structur ihrer Gr\u00f6fse wegen, noch am deutlichsten, die Gelenke der Fieder und die der Fiederbl\u00e4ttchen zeigen ganz dieselbe Structur, nur findet sich bei ihnen Alles in kleinerem Maafsstabe wieder. Ein gut gelungener Querschnitt aus dem Gelenke der Mimosa pudica zeigt einen ellipsoidischen Ilolzk\u00f6rper, der in der Mitte des Ganzen liegt; diese Holzmasse zeichnet sich aber dadurch sehr auffallend aus, dafs in dem innersten Theile derselben gar keine Spiralr\u00f6hren Vorkommen, sondern das Innerste derselben wird durch blofse Holzzellen gebildet, welche denen an Gr\u00f6fse und Dicke der Membranen ganz gleich sind, weiche zwischen den Spiralr\u00f6hren liegen und mit diesen das Holz darstellen. Der mit Spiralr\u00f6hren versehene Theil des Holzstranges bildet einen, etwas ellipsoidisch zusammengedr\u00fcckten breiten Ring, und in diesem sind die Spiralr\u00f6hren sehr regelm\u00e4fsig radial gestellt; der ganze elliptische Raum im Inneren dieses Ringes ist aber mit den blofsen Holzzellen gef\u00fcllt, welche in ihrer Structur die gr\u00f6fste Aehnlichkeit mit den Bastr\u00f6hren zeigen und sich von diesen eigentlich nur durch geringere L\u00e4nge unterscheiden, wefshalb ich dieselben auch","page":533},{"file":"p0534.txt","language":"de","ocr_de":"534\nmit dem Namen des kurzen Pleurenchym\u2019s bezeichnet habe. Der Holzring in der Mitte jenes Gelenkes wird unmittelbar durch einen ungef\u00e4rbten, ziemlich breiten Saum um-fafst, welcher aus sehr dickh\u00e4utigen aber weichen Zellen besteht, wovon die dem Holze zun\u00e4chst liegenden kleinere Oeffnungen zeigen, als die, welche den Rand des Saumes bilden. Der L\u00e4ngenschnitt, der durch die Substanz dieses Saumes gef\u00fchrt wird, zeigt, dafs diese Zellen die unmittelbaren Fortsetzungen der Bastr\u00f6hren sind, und dafs die Bastr\u00f6hren in ihrem ganzen Verlaufe durch die Gelenkanschwellung eine ganz eigenth\u00fcmliche Structur zeigen. W\u00e4hrend die W\u00e4nde der Bastr\u00f6hren in den Holzb\u00fcndeln der Blattstiele ganz glatt sind, und nur hie und da einige kleine T\u00fcpfel in der Substanz ihrer festeren Membranen zeigen, so sieht man, dafs dieselben fast augenblicklichst, wenn sie in die Gelenkanschwellung eintreten, ihre bisherige Gl\u00e4tte und Festigkeit verlieren, dagegen aber weichere und etwas dickere W\u00e4nde zeigen, welche auf den gut gef\u00fchrten L\u00e4ngenschnitten ein eigenth\u00fcmlich wellenf\u00f6rmiges Ansehen zeigen, fast wie Muskelfasern, die unter dem Mikroskope durch Galvanismus gereizt werden. Ich blieb lange zweifelhaft \u00fcber die Ursache dieses wellenf\u00f6rmigen Ansehens der Bastr\u00f6hren, und es w\u00e4re m\u00f6glich, dafs ich dieselbe auch gegenw\u00e4rtig noch nicht ganz richtig aufgefunden h\u00e4tte; ich empfehle jedoch, dafs man sich bei Untersuchung dieses Gegenstandes nur der ausgezeichnetsten Instrumente bediene. Es scheint mir, dafs das wellenf\u00f6rmige Ansehen der W\u00e4nde dieser Bastr\u00f6hren durch eine grofse Menge von grofsen T\u00fcpfeln erzeugt werde, und dafs durch eine solche Structur die Bewegungen der dazu geh\u00f6rigen Theile, sowohl nach der einen, als nach der entgegengesetzten Seite gar sehr erleichtert werden. W\u00e4ren die T\u00fcpfel in den W\u00e4nden dieser Bastr\u00f6hren nicht vorhanden, so w\u00fcrden die Bastr\u00f6hren der einen Seite stets denen der entgegengesetzten Seite bedeutende Spannung entgegensetzen, was aber durch die vielfachen Durchbrechungen vermittelst der T\u00fcpfel vermieden wird. Diese","page":534},{"file":"p0535.txt","language":"de","ocr_de":"535\nF\nfr\n\\\nT\u00fcpfel sind allerdings etwas verschieden von den gew\u00f6hnlichen T\u00fcpfeln der Bastr\u00f6hren, sie bestehen mehr in kleinen linsenf\u00f6rmigen Vertiefungen der Zellenw\u00e4nde. Schliefs-lich ist noch zu bemerken, dafs diese, eigenth\u00fcmlich mo-dificirten Bastr\u00f6hren einen vollkommen geschlossenen Ring rings um den geschlossenen Holzring bilden, der in der\nMitte des Gelenkes verl\u00e4uft.\nDie Bastschicht wird endlich durch die dicke griin-gef\u00e4rbte Zellenmasse umschlossen, welche die eigenth\u00fcm-liche Wulst bildet, womit die Gelenkanschwellungen versehen sind. Dieses Zellengewebe besteht in einer Anh\u00e4ufung gew\u00f6hnlicher regelm\u00e4fsiger Parenchym-Zellen, deren W\u00e4nde weich aber von auffallender Dicke sind; sie sind ziemlich \u00fcberall von gleicher Gr\u00f6fse, nur die der Epidermis und der dicht darunter liegenden Schicht sind etwas kleiner, straffer und fester mit einander vereinigt. Zwischen diesen Zellen der inneren Schichten finden sich viele und ziemlich erweiterte Intercellularg\u00e4nge, wodurch die Zellen, bei einer Beugung des in der Mitte durchlaufenden Holzb\u00fcndels sehr bedeutend zusammengeprefst werden k\u00f6nnen. In den W\u00e4nden dieser Zellen sieht man einzelne T\u00fcpfel, wie es auch in anderen \u00e4hnlichen F\u00e4llen vorkommt, aber nirgends ist eine Spur wahrzunehmen, aus welcher man unmittelbar auf ein Contractionsverm\u00f6gen der W\u00e4nde dieser Zellen schliefsen k\u00f6nnte. Der Inhalt dieser Parenchym-Zellen der Gelenke ist sehr ausgezeichnet, und dieses veranlafste auch Herrn Dutrochet gerade hierin das Ner-\nvenmark zu suchen, welches die Ursache der bekannten Bewegungen sein sollte. Man findet n\u00e4mlich in diesen Zellen einige gr\u00fcngef\u00e4rbte Zellensaft-K\u00fcgelchen, so wie auch hie und da etwas gr\u00fcngef\u00e4rbte Schleimmasse, welche den W\u00e4nden der Zellen anh\u00e4ngt; aufserdem findet man\naber, dafs die einzelnen Zellen, wenigstens gr\u00f6fstenthens, mit grofsen Oeltr\u00d6pfchen gef\u00fcllt sind; in jeder Zelle ist ein einzelnes Tr\u00f6pfchen zu finden, welches fast ^ bis 3-der Zellenh\u00f6hle f\u00fcllt und etwas gelbgr\u00fcn gef\u00e4rbt ist ; einige\nVersuche schienen zu zeigen, dafs diese Tr\u00f6pfchen aus","page":535},{"file":"p0536.txt","language":"de","ocr_de":"536\neinem fetten Oele bestehen. Mitunter treten gleich neben dem Tr\u00f6pfchen kleine K\u00fcgelchen auf, ja zuweilen vertreten die K\u00fcgelchen die Stelle des Oeltr\u00f6pfchen und bestehen dann aus Amylum.\nEs ist in der Ihat eine ganz eigenth\u00fcmliche Structur, welche uns diese Gelenkanschwellungen der sensibeln Pflanzen zeigen; schon \u00e4ufserlich zeichnet sich die Form derselben sehr bestimmt aus und in ihrer ganzen L\u00e4nge besitzen sie bei dergleichen Pflanzen, welche eine \u00e4hnliche Bewegung zeigen wie die Mimosen u. s. w., eine sehr auffallende Geschmeidigkeit, so dafs sich, sobald die Reizbarkeit erloschen ist, das ganze Gelenk nach allen Seiten hin drehen und beugen l\u00e4fst, wovon weder unterhalb noch oberhalb des Gelenkes etwas zu finden ist. Im Zustande der Contraction zeigt sich allerdings sehr bedeutende Festigkeit, dieselbe erl\u00f6scht jedoch bei der Sinnpflanze sehr bald, wenn man z. B. den Ast oder den ganzen Stengel derselben an einem heifsen Sommertage abschneidet, dann kann man ohne alle Gewalt dieses Gelenk nach allen Seiten hin drehen und wenden. Untersucht man das Gewebe dieser Gelenke, wenn sie sich gerade im contra-hirten Zustande befinden, so sieht man, dafs die \u00e4ufseren Schichten jener dicken Parenchymmasse an den contrahir-ten Seiten so unregelm\u00e4fsige Falten zeigen, dafs man daraus auf eine blofse mechanische Zusammenpressung desselben schliefsen zu k\u00f6nnen glaubt, dafs also dieses Parenchym dabei g\u00e4nzlich unth\u00e4tig ist, und dafs die Ursache der ganzen Niederbeugung eines solchen Blattstieles in der Beugung des Holzk\u00f6rpers zu suchen ist. Man hat gesehen, dafs das Parenchym dieser Gelenke bei der Contraction, oder eigentlich auf der gekr\u00fcmmten Seite eine dunkeiere Farbe annimmt, und man glaubte hierin etwas sehr Wichtiges gesehen zu haben, doch die Erscheinung ist zu nat\u00fcrlich, als dafs dar\u00fcber noch so oft gesprochen werden d\u00fcrfte. Gleich \u00fcber die Grenze des Gelenkes hinaus nehmen die Holzb\u00fcndel einen ganz anderen Verlauf an; wir sehen bei der Mimosa pudica, dafs auf dem Querschnitte des Blatt-","page":536},{"file":"p0537.txt","language":"de","ocr_de":"537\nstieles zuerst zwei einzeln verlaufende Holzbiindel in die Augen fallen, welche gerade in den beiden hervorspringenden Kanten der oberen Fl\u00e4che desselben liegen, und dann finden wir einen grofsen und unregelui\u00e4fsigen Kreis, der aus Bastr\u00f6hren besteht, in welchem 4 getrennt stehende Spiralr\u00f6hrenb\u00fcndel sichtbar sind, zwischen welchen ein grofsmaschiges Parenchym gelagert ist, das zugleich das Innere dieses Kreises ausfiillt.\nEinige Beispiele m\u00f6gen hinreichend sein zu zeigen, dafs die Structur in den Gelenken der Pflanzen mit unbeweglichen Bl\u00e4ttern sehr bedeutend verschieden ist. Die Querschnitte aus dem Gelenke des gemeinsamen Blattstieles der Robinia Pseudacacia zeigen zwar ebenfalls, dafs die Holzbiindel zu einem vollkommen geschlossenen Ringe vereinigt sind, welche \u00e4ufserlich durch einen geschlossenen Ring von Bastr\u00f6hren umschlossen werden; die Breite des Holzringes ist hier sehr bedeutend gr\u00f6fser, als im Holzringe der Mimosa pudica, und das umfassende Parenchym ist viel geringer als in der Gelenkanschwellung der Mimose. Der wichtigste Unterschied liegt aber darin, dafs bei der Robinia in der Mitte des Holzringes eine Partie von parenchymatischem Zellengewebe vorkommt, welches darin wie das Mark im Stamme auftritt; bei der Mimosa ist hiervon im Gelenke keine Spur. Im Gelenke\u2019des gemeinschaftlichen Blattstieles der Acacia Lophanta ist diese Parenchymmasse im Inneren des Holzringes noch bedeutend gr\u00f6fser, als bei der Robinia, und aufserdem treten hier die Holzbiindel in dem Holzringe durch gr\u00f6fsere Markstrahlen getrennt auf.\nIn der soeben gegebenen Beschreibung \u00fcber die Structur der Gelenke beweglicher Bl\u00e4tter, findet man keine besonderen Saftgef\u00e4fse erw\u00e4hnt, und dennoch spricht Herr O. H. Schultz nur von Lebenssaftgef\u00e4fsen, welche die Bewegungen in jenen Gelenken veranlassen sollen; ich kann aber nach sehr h\u00e4ufigen Untersuchungen dieses Gegenstandes nochmals versichern, dafs diese Lebenssaftgef\u00e4fse, welche Herr Schultz leider \u00fcberall zu sehen glaubt, daselbst","page":537},{"file":"p0538.txt","language":"de","ocr_de":"538\ngar nicht vorhanden sind, was derselbe daf\u00fcr h\u00e4lt, das sind die Bastr\u00f6hren, welche bei diesen Gew\u00e4chsen so strotzend sind, dafs ihr Inhalt nach erfolgter Verletzung ausfliefst. Dieser ausfliefsende Saft bei der Mimosa pudica ist anfangs ungef\u00e4rbt, wasserhell und ohne K\u00fcgelchen, wird aber, sobald er einige Zeit mit der Luft in Ber\u00fchrung kommt, gelb und gelbbraun gef\u00e4rbt, wie es ja bei den Mimosen ganz allgemein ist.\nDiesen Saft sah auch Herr Dassen nach Verwundung der Gelenkansehwellungen ausfliefsen, und in ihm will er das Mittel erkennen, durch dessen Anh\u00e4ufung die Bewegung der Bl\u00e4tter erfolge. Das Zellengewebe der Anschwellung vergleicht er mit der tela erectilis der Thiere (1. c. pag. 307.), welches eben durch Eindringen jenes Saftes angeschwellt wird und dadurch das Blatt bewegt. Mir erscheint diese Ansicht nicht nur ziemlich grundlos, sondern es l\u00e4fst sich sogar beobachten, dafs jener gelbliche Saft nicht in den Zellen der sogenannten angeschwollenen Knoten vorkommt. Die Bewegung geschieht so schnell, dafs der eingedrungene Saft wohl noch unver\u00e4ndert aufzufinden sein m\u00fcfste, was aber nicht der Fall ist.\nHerr Dassen stellt \u00fcberhaupt die Ansicht auf, dafs die Bewegung der zubereiteten S\u00e4fte als die Grundursache aller jener Bewegungen der Pflanzenbl\u00e4tter anzusehen sei, indem sie die Bewegungswerkzeuge in Th\u00e4tigkeit bringen; die Versuche, welche derselbe, im neunten Capitel seiner Schrift, zur Begr\u00fcndung dieser Ansicht beibringt, sind nach meiner Ansicht hier\u00fcber ganz unentscheidend, ja ganz anders zu erkl\u00e4ren, als es Herr Dassen that. Indessen wie kann man glauben, dafs die Bewegung eines Saftes, ganz besonders ein Eindringen desselben aus den Bastr\u00f6hren in das umgebende Parenchym die Ursache der Zusammenziehungen der Mimosen-Bl\u00e4tter ist, wenn man sieht, dafs dieses augenblicklichst geschieht, sobald man in den Stamm einer kr\u00e4ftigen Mimose einschneidet; wollte man hier eine Stockung des herabsteigenden Saftes annehmen, so m\u00fcfste diese Stockung offenbar gerade auf","page":538},{"file":"p0539.txt","language":"de","ocr_de":"539\nder unteren Seite der Blattstiele eintreten, und es k\u00f6nnte sich alsdann das Blatt nicht herabsenken u. s. w.\nDie Ansichten des Herrn Dutrochet, welche derselbe \u00fcber die n\u00e4chste Ursache der Bewegungen bei der Sinnpflanze aufgestellt hat, haben wir schon fr\u00fcher pag. 4S7 kennen gelernt, als von der Ursache des Pflanzenschlafes die Rede war.\nVon der Bewegung der Bl\u00e4tter einiger anderer Leguminosen und einiger Oxalideen.\nWir haben im Vorhergehenden die merkw\u00fcrdigen Erscheinungen kennen gelernt, welche der Mimosa pudica die Benennung der Sinnpflanze verursacht haben, und werden im Folgenden noch eine Reihe von anderen Pflanzen kennen lernen, welche dergleichen Erscheinungen, wenngleich auch weniger deutlich darbieten; zuerst sind hier die vielen Arten der Gattungen Mimosa, Aeschinomene und Desmanthus aufzuf\u00fchren, wovon Mimosa sensitiva wiederum die ber\u00fchmteste ist, dann sind Mimosa viva L., M. Casta L., M. asperata L., M. quadrivalvis L., M. pernambucana L., M. pigra L., M. humilis Humb., M. pellita und M. dor-miens Humb., als weniger reizbar zu nennen. Die Mimosa speciosa Jacq. ist nach Nocca\u2019s Beobachtungen ebenfalls sehr reizbar*). Aeschinomene sensitiva, Smithia sensitiva Ait. sind ebenfalls als sehr reizbare Pflanzen bekannt geworden, und auch Aeschinomene indica L. und A. pumila, so wie Desmanthus stoionifer De C. D. triquetris De C. D. lacustris De C. u. s. w., werden als solche aufgef\u00fchrt, und die Zahl derselben m\u00f6chte sich sehr leicht vermehren lassen, wenn man dergleichen Pflanzen in unseren Gew\u00e4chsh\u00e4usern noch w\u00e4rmer halten und mit mehr Sorgfalt beobachten wollte.! Diese Bewegungen sind freilich weniger auffallend und oft so langsam, dafs man sich nicht die Zeit nehmen kann dieselben zu verfolgen, doch alle diese Pflanzen zeichnen sich dadurch aufserordentlich aus, dafs sie\n*) S. Roemer Neues Magazin f\u00fcr die Botanik. I. pag. 153.","page":539},{"file":"p0540.txt","language":"de","ocr_de":"540\ndie Erscheinungen des Schlafes viel auffallender zeigen als andere, und wie innig diese Erscheinungen mit denen bei reizbaren Pflanzen im Zusammenh\u00e4nge stehen, das haben wir schon an mehreren Orten angedeutet. Ja Herr Mold*) wagt sogar in einer sehr interessanten Abhandlung den Ausspruch, dafs der Mangel an Reizbarkeit, den wir bei der bei weiten gr\u00f6fsten Mehrzahl der Gew\u00e4chse beobachten, nur scheinbar ist, dafs das parenchymat\u00f6se Zellgewebe im Allgemeinen mit Reizbarkeit begabt ist, welche jedoch oft durch Starrheit u. s. w. unterdr\u00fcckt werde. Er theilt hierauf einige Beobachtungen \u00fcber die Reizbarkeit der Bl\u00e4tter von Robinia Pseudacacia, viscosa und hispida mit, welche Herr Autenrieth entdeckt hat; auch war schon fr\u00fcher die Reizbarkeit der Bl\u00e4tter von Robinia Pseudacacia in Folge gewisser Ver\u00e4nderungen der Luft durch Oehme**) beobachtet. Wenn man Zweige dieser Pflanzen bei Tage recht sch\u00fcttelt, so biegen sich die Fiederbl\u00e4ttchen nach Unten zur\u00fcck und nehmen diejenige Lage an, welche sie bei der n\u00e4chtlichen Stellung der Bl\u00e4tter zeigen, doch erstreckt sich hier die Bewegung nur auf die Fiederbl\u00e4ttchen und nicht auf die Blattstiele. Das Zusammenlegen der Fiederbl\u00e4ttchen bei den Robinien geschieht sehr langsam und erst nach einigen Minuten sieht man die Ver\u00e4nderung in der Stellung derselben; auch dauert es wieder eine Viertelstunde und dar\u00fcber, bis die Bl\u00e4ttchen wieder ihre ausgebreitete Lage annehmen. Herr Mohl fand aber auch, und ich kann es ziemlich vollst\u00e4ndig best\u00e4tigen, dafs die Zusammenfaltung der Bl\u00e4ttchen jener Pflanzen nicht erfolgt, wenn man den Versuch an solchen Exemplaren macht, welche unmittelbar der Sonne ausgesetzt stehen. Ich glaube dafs hier die Reizbarkeit durch diejenige Kraft \u00fcberwunden wird, mit welcher die Bl\u00e4ttchen ihre obere Fl\u00e4che der Sonne zukehren. Auch bei Gleditschia triacantha sah ich\n*) Ueber die Reizbarkeit der Bl\u00e4tter von Piobinia \u2014 Flora von 1832. pag. 497. etc.\n**) Besch\u00e4ftig, d. Berlin. Geselisch. naturforschender Freunde. Bd. II. pag. 88.","page":540},{"file":"p0541.txt","language":"de","ocr_de":"541\neinige Zusammenfaltung der Bl\u00e4ttchen erfolgen, nachdem ich die A este stark gesch\u00fcttelt hatte, andere Reize wirkten aber auch hier, wie bei den Robinien gar nicht.\nDie Familie der Oxalideen zeigt uns \u00e4hnliche auffallende F\u00e4lle von reizbaren Pflanzen, wie die der Leguminosen; die Erscheinungen des Schlafes und des Erwachens der Bl\u00e4tter sind bei den Oxalideen ebenso allgemein zu finden, wie bei den Leguminosen, ja es h\u00e4lt bei den Oxalideen noch viel schwerer, diese periodischen Bewegungen der Zeit nach abzu\u00e4ndern, wie wir es schon pag. 481 kennen gelernt haben. Als reizbare Pflanzen dieser Familie werden angegeben Oxalis sensitiva L., Averrhoa Bi-limbi und A. Carambola L.\nDie Oxalis sensitiva L. (Biophytum sensitivum De C.) die ich selbst lebend nicht gesehen habe, scheint wenigstens eben so reizbar zu sein, als die Mimosa pudica. Nach Rumph\u2019s* *) Mittheilungen legen sich die Bl\u00e4ttchen der doppelt gefiederten Bl\u00e4tter dieser Pflanze nach Unten zusammen, also ganz so wie es bei den Oxalideen \u00fcberhaupt der Fall ist. Die Erscheinungen des Schlafes und Wachens zeigt diese Pflanze eben so auffallend, wie die Sinnpflanze, und haben sich die Bl\u00e4ttchen derselben bei Tage horizontal ausgebreitet, so werden sie ebenfalls schon durch blofse Ersch\u00fctterung des Bodens zum Zusammenziehen gereizt. Um Mittagszeit legen sich die B\u00e4ttchen schon bei dem blofsen Anhauchen zusammen, und an regnigten und st\u00fcrmischen Tagen \u00f6ffnen sich die Bl\u00e4tter gar nicht.\nVon Buch zu Buch verbreitet man die Angabe, dafs die Bl\u00e4tter der Carambol-Kirsche reizbar sind. R. Bruce **) erz\u00e4hlt von der Averrhoa Carambola L., einem ostindischen Baume mit gefiederten Bl\u00e4ttern, die den Tag \u00fcber horizontal stehen, aber ihre Stellung fortw\u00e4hrend ver\u00e4ndern. Die Bl\u00e4tter dieser Pflanze senken sich nieder, sobald man sie an ihrem Stiele ber\u00fchrt oder diesen durch ein Brenn-\n*) Herbae. Amboin. V. pag, 302. tal. 104. f. 2.\n*\u00a5) Philos. Transact. 1785. pag. 356.","page":541},{"file":"p0542.txt","language":"de","ocr_de":"542\nglas reizt. Unser ausgezeichnete G. R. Treviranus *) machte schon fr\u00fcher die Bemerkung, dafs Loureiro, der die Averrhoa Carambola vielfach zu beobachten Gelegenheit hatte, diese Bewegungen der Blattstiele nicht erw\u00e4hnt, daher zu vermuthen w\u00e4re, dafs die von Bruce angef\u00fchrte Pflanze eine ganz andere sei. Herr De Candolle sagt, dafs die Bl\u00e4tter der Averrhoa Bilimbi bei der Ber\u00fchrung irritabel w\u00e4ren, giebt aber die Quelle zu dieser Beobachtung nicht an. Ich selbst habe sowohl in Manila, als zu Macao eine grofse Menge von kleinen und grofsen B\u00e4umen der beiden Arten von Averrhoa t\u00e4glich zu sehen Gelegenheit gehabt; in Manila hatte ich einen ungeheuren Baum der Av. Carambola auf dem Hofe meiner Wohnung, und zu Macao befanden sich in dem ber\u00fchmten Garten des Herrn Biel, der von jedem Reisenden erw\u00e4hnt wird, sehr viele Exemplare dieser beiden Pflanzen, und zwar junge und alte, welche ich oft genug gezwickt habe um mich zu \u00fcberzeugen, dafs die Blattstiele dieser Pflanzen nicht irritabel sind. Auch Herr Biel l\u00e4chelte, als ich ihm jene Angabe mittheilte. Die Bl\u00e4tter der Averrhoen zeigen aber Nachts und ebenso bei sehr schlechtem Wetter die zusammengefaltete Stellung, und Exemplare welche man l\u00e4ngere Zeit nach dem Abschneiden liegen l\u00e4fst, falten ebenfalls die Bl\u00e4ttchen zusammen; zu einer Senkung des Blattstiels ist jedoch die Organisationder Basis derselben gar nicht geschaffen.\nIn neueren Zeiten hat man noch Oxalis dendro'ides Kunth, O. mimoso\u00efdes A. St. Hil. O. Blumei Zucc. Ox. casta, somnians und dormiens Mart, et Zucc. und Oxalis Reinwardtii Zucc. als reizbare Pflanzen kennen gelernt. Aber nicht nur Oxalideen mit gefiederten Bl\u00e4ttern zeigen diese Erscheinungen, sondern auch solche mit dreiz\u00e4hligen Bl\u00e4ttern ; so haben wir die Oxalis fruticosa, welche in der N\u00e4he von Rio de Janeiro w\u00e4chst, durch Raddi kennen gelernt, welche gegenw\u00e4rtig auch in unseren botanischen G\u00e4rten w\u00e4chst ,aber leider selten zu einer \u00fcppigen Ent-\n*) Biologie etc. V. pag. 220. 1818.","page":542},{"file":"p0543.txt","language":"de","ocr_de":"543\nWickelung gelangt. Dieses niedliche Gew\u00e4chs hat in unseren G\u00e4rten gew\u00f6hnlich nur Blattstiele, welche blattartig ausgebreitet und lanzettf\u00f6rmig gestaltet sind, die j\u00fcngsten dieser Blattstiele e ntwickeln mitunter ein gew\u00f6hnliches dreiz\u00e4hliges Oxalis-Blatt, wobei die einzelnen Bl\u00e4ttchen eyf\u00f6rmig sind und das mittlere einen besonderen Blattstiel zeigt. Diese kleinen Bl\u00e4ttchen sind, wenn die Pflanze in geh\u00f6rig warmer und feuchter Luft \u00fcppig vegetirt, schon bei der leisesten Ber\u00fchrung reizbar, sie legen sich alle drei sogleich nach Unten zusammen, ganz so, wie es die Oxalis-Bl\u00e4tter bei der n\u00e4chtlichen Stellung zeigen. An den \u00e4lteren Bl\u00e4ttern zeigt sich keine Reizbarkeit mehr. Leider ist diese Pflanze noch zu selten, um weitere Untersuchungen \u00fcber dieselbe anstellen zu k\u00f6nnen.\nVon den Bewegungen der Dionaea Muscipula.\nEine andere Pflanze, welche durch ihre Bewegungen grofse Ber\u00fchmtheit erlangt hat, ist die Venus-Fliegenfalle (Dionaea Muscipula Ellis.) Wir erhielten die Beschreibung und Abbildung dieser merkw\u00fcrdigen Pflanze im Jahre 1769 durch J. Ellis*) dem die Pflanze von Philadelphia aus zugeschickt worden war. Die Venus-Fliegenfalle ist ein perennirendes krautartiges Gew\u00e4chs aus den Br\u00fcchen von Nord-Carolina, sie besitzt zahlreiche saftige Wurzelbl\u00e4tter, welche im Kreise gestellt sind. Diese Bl\u00e4tter sind sehr eigenthiimlich gebaut; der Blattstiel ist gefl\u00fcgelt und beinahe herzf\u00f6rmig und an dem Mittelnerven, welcher aus dem herzf\u00f6rmigen Einschnitte hervortritt, ist das eigentliche Blatt befestigt. Dieses Blatt besteht aus zwei gleich grofsen Lappen von etwas ovaler Form, die sich auf beiden Seiten der Mittelnerven ausbreiten, so dafs dadurch am oberen Ende ein tiefer Einschnitt zwischen diesen beiden Lappen entsteht. Herr Dassen h\u00e4lt diese Lappen f\u00fcr unvollkommen ausgebildete Bl\u00e4tter, wodurch dann\n\u00a5) Beschreibung der Dionaea einer merkw\u00fcrdigen empfindlichen Pflanze. In einem Schreiben an den Bitter v. Linn\u00e9. TJebers. v. Schreber. 2te Aufl. Erlang. 1780.","page":543},{"file":"p0544.txt","language":"de","ocr_de":"544\ndie Bl\u00e4tter dieser Pflanze dem Wesentlichen nach zu den gefiederten geh\u00f6rten, eine Annahme, welche nur durch die anatomische Untersuchung derselben best\u00e4tigt oder beseitigt werden kann, wie wir es etwas sp\u00e4ter sehen werden. Die convexen Seitenr\u00e4nder dieser Blattlappen sind mit grofsen, der Reihe nach gestellten Borsten besetzt, welche zu der oberen Fl\u00e4che des Blattes in einem etwas stumpfen Winkel aufgesetzt sind. Die gr\u00f6fsten Bl\u00e4tter, welche Herrn W. Young, dem ersten Uebersender der lebenden Venus-Fliegenfalle nach England, vorgekommen, waren ungef\u00e4hr drei Zoll lang und, quer \u00fcber die Lappen gemessen, 1^ Zoll breit.\nDieses aus zwei gegen\u00fcberstehenden Lappen zusammengesetzte Blatt der Venus - Fliegenfalle hat das Ei-genth\u00fcmliche, dafs es sich nach Obeii zusammenfaltet, wenn es in der Mittellinie der oberen Fl\u00e4che gereizt wird, und bei diesem Zusammenklappen legen sich die Borsten, welche wie Wimpern die R\u00e4nder einfassen, \u00fcber Kreuz zusammen. Da diese Bewegung schon dadurch veranlafst werden kann, dafs ein Insekt, von der Gr\u00f6fse unserer Fliegen \u00fcber die Mittellinie des Blattes fortl\u00e4uft und dann von den, sich schnell zusammenlegenden Blattlappen eingeschlossen wird, so hat die Pflanze hievon 'den Namen der Fiiegenfalle erhalten, ja schon Ellis und neuerlichst noch Herr Curtis*) haben sogar die Ansicht ausgesprochen, dafs sich die Pflanze des vorher beschriebenen Organes, als ein Mittel bedient, um sich Insekten zur Nahrung zu fangen. Herr Curtis fand n\u00e4mlich, dafs die gefangene Fliege in einer schleimigen Substanz eingeh\u00fcllt war, welche als ein aufl\u00f6sendes Mittel auf dieselbe zu wirken schien; aber diese Zumu-thung, dafs sich die Dionaea M.uscipula die Fliegen zur Nahrung fange, ist in der That etwas stark, und was die Fl\u00fcssigkeit betrifft, welche Herr Curtis um die gefangene Fliege beobachtete, so liefse sich dieselbe ganz hinreichend durch die Transpiration des geschlossenen Blattes erkl\u00e4-\n*) S. Meyen\u2019s Jahresbericht von 1837. pag. 158.","page":544},{"file":"p0545.txt","language":"de","ocr_de":"545\nren. Ellis sagt noch bei seiner Beschreibung der Venus-Fliegenfalle, dafs viele kleine rothe Dr\u00fcsen die Oberfl\u00e4che des Blattes bedecken, welche vielleicht einen siifsen Saft absondern, der den Insekten zur Lockspeise dient.\nIch habe im hiesigen botanischen Garten die Gelegenheit gehabt 4 verschiedene Exemplare der Dionaea zu beobachten, und bin zu der Ueberzeugung gelangt, dafs diese Pflanze selbst in unseren warmen Gew\u00e4chsh\u00e4usern wohl niemals Fliegen fangen wird, denn die Zusammenziehungen der beiden Lappen geschehen lange nicht schnell genug. Bei uns zeigen sich \u00fcberhaupt nur die j\u00fcngeren Bl\u00e4tter durch hohe Reizbarkeit aus, und wenn sie vollkommen ausgewachsen sind, bewegen sich die Lappen nicht mehr, sondern stehen zu einander in einem Winkel von 45\u201460 Grad. Die jungen Bl\u00e4tter werden dagegen nicht nur durch \u00e4ufsere Reize zur Bewegung veranlafst, sondern sie zeigen auch die t\u00e4gliche periodische Erscheinung des Schlafens und des Erwachens; gegen Abend legen sich die beiden B\u00eeattlappen aneinander, und an tr\u00fcben Tagen habe ich gesehen, dafs sich diese Bl\u00e4tter selbst um Mittagszeit noch gar nicht ge\u00f6ffnet hatten; die alten Bl\u00e4tter dagegen, welche das Verm\u00f6gen, sich auf \u00e4ufsere Reize zusammenzulegen, schon verloren haben, zeigen auch keinen Schlaf.\nDie Reizbarkeit der Bl\u00e4tter der Fliegenfalle ist in der That sehr grofs ; die zarteste Ber\u00fchrung der oberen Blattfl\u00e4che im Verlaufe des Mittelnerven ist hinreichend, um sogleich die Zusammenlegung derselben zu bewirken, und da die Lappen der jungen Bl\u00e4tter wohl selten in einem gr\u00f6fseren Winkel als 60, 70 bis 80 Grad auseinander ste_ hen und die Wimpern auf den R\u00e4ndern dieser Lappen ebenfalls noch nach der oberen Fl\u00e4che zu gerichtet sind, so wird es gerade dadurch erkl\u00e4rlich, dafs bei der Zusammenfaltung dergleichen schnellfliegende Insekten, wie Fliegen gefangen werden k\u00f6nnen. Dergleichen Reize, die auf den Fl\u00e4chen der Lappen angebracht werden, bewirken kein Zusammenlegen, doch habe ich leider keine Gelegenheit gehabt mit dieser Pflanze weitere Untersuchungen anstellen\nMeyen. Pfl, Physiol. 111.\t35","page":545},{"file":"p0546.txt","language":"de","ocr_de":"546\nza k\u00f6nnen. Man erz\u00e4hlt, dafs die gefangenen Insekten so lange eingeschlossen bleiben, bis sie sich ganz ruhig verhalten oder absterben, denn jede Bewegung derselben bewirkt einen neuen Reiz, wodurch die Lappen immer wieder von Neuem angeregt werden sich zusammenzuziehen.\nDie genauere anatomische Untersuchung der Bl\u00e4tter der Dionaea giebt leider ebenfalls noch keinen grofsen Aufschlufs \u00fcber die Bewegungen derselben. Die Bl\u00e4tter sind von saftiger Substanz, und besonders ausgezeichnet sind die beweglichen Lappen durch ihre eigentluimliche Spr\u00f6digkeit, welche so bedeutend ist, dafs man sie sogleich zerbrechen w\u00fcrde, wollte man sie einigermafsen auseinander ziehen. Der blattartig ausgebreitete Blattstiel ist auf beiden Seiten reich mit Spalt\u00f6ffnungen versehen, dagegen sind dieselben sehr selten auf dem beweglichen Blatte, und hier wieder am seltensten auf der oberen Blattfl\u00e4che. Sehr eigenth\u00fcmlich ist dagegen die Bekleidung der Blattfl\u00e4chen; die beiden Fl\u00e4chen des blattartig-ausgebreiteten Stieles, so wie das kurze Endchen, welches als besonderer Blattstiel zur Befestigung des beweglichen Blattes dient, sind mit einer sehr grofsen Anzahl von niedlichen sternf\u00f6rmigen Schuppen bekleidet, welche, mit der einfachen Loupe betrachtet, als kleine br\u00e4unlich gef\u00e4rbte H\u00f6cker auftreten. Diese sternf\u00f6rmigen Schuppen haben einen sehr niedlichen Bau und \u00e4hneln denen auf der unteren Blattfl\u00e4che der Olivenbl\u00e4tter; sie zeigen 6, 7 bis 8 strahlig auslaufende platt-gedriickte H\u00e4rchen, welche um einen Kreis gestellt und mit den Seiten ihrer Basis verwachsen sind. Der Kreis in der Mitte dieser Strahlen wird entweder von einer einzelnen plattgedr\u00fcckten kreisf\u00f6rmigen Zelle gebildet, oder er besteht aus zwei Zellen, welche zusammen eine Kreisform ausmachen und mit dem einen Ende aus der Schicht der Epidermis- Zellen hervorwachsen. Diese Schuppen sitzen also gleichsam wie sternf\u00f6rmige Schildchen auf der Oberfl\u00e4che, indem die in der Mitte liegende Zelle zugleich den Stiel bildet; sie ist es auch, welche aus der Schicht der Epidermis, \u00e4hnlich einem gew\u00f6hnlichen H\u00e4rchen her-","page":546},{"file":"p0547.txt","language":"de","ocr_de":"547\nvorgewachsen und zur Seite die \u00fcbrigen Zell eben gebildet hat, welche sich sp\u00e4ter strahlenf\u00f6rmig in der Fl\u00e4che ausgedehnt haben.\nDie innere Fl\u00e4che der beiden beweglichen Lappen des Blattes ist dagegen mit einer sehr grofsen Anzahl von niedlichen Dr\u00fcsen besetzt, welche dem Blatte, wenn man es mit der Loupe betrachtet, ein punktirtes Ansehen geben. Diese Dr\u00fcsen geh\u00f6ren zu denjenigen, welche wir im 2ten Theile dieses Buches mit dem Namen der scheibenf\u00f6rmigen bezeichnet haben; sie sind von gleicher Struktur mit denjenigen, die am Hopfen und auf den Bl\u00e4ttern von Ribes nigrum Vorkommen, nur noch etwas kleiner; \u00fcber ihren Inhalt kann ich nichts mit Bestimmtheit sagen, indem ich nur ein altes Blatt zu untersuchen Gelegenheit hatte, doch kann ich wohl mit Bestimmtheit angeben, dafs diese Dr\u00fcsen nicht nach Aufsen absondern, sondern den secernirten Stoff in ihrer eigenen H\u00f6hle verschlossen halten. Diese Dr\u00fcsen bekleiden nicht nur die ganze Fl\u00e4che der beiden Lappen, sondern auch die dornenf\u00f6rmigen Ausw\u00fcchse, auf den R\u00e4ndern der Lappen, sind bis zur Spitze hin, hie und da mit solchen Dr\u00fcsen bedeckt. In dem Vaterlande der Pflanze, sollen diese Dr\u00fcsen, wenn die Bl\u00e4tter der Sonne ausgesetzt wachsen, eine rosenrothe Farbe annehmen, und mit dieser hat auch Ellis die Dionaea Mu-scipula abgebildet; w\u00e4chst die Pflanze aber im Schatten, so bleiben die Dr\u00fcsen von gr\u00fcner Farbe. An den Exemplaren, welche im botanischen Garten zu Berlin vorhanden waren, liefs sich bei jungen Bl\u00e4ttern keine besondere Farbe dieser Dr\u00fcsen wahrnehmen, die Dr\u00fcsen der alten Bl\u00e4tter wurden aber braun gef\u00e4rbt.\nDie anatomische Untersuchung \u00fcber den Verlauf der Blattnerven scheint zu beweisen, dafs derjenige Theil, welchen ich als den blattartig ausgebreiteten Blattstiel im Vorhergehenden bezeichnete, als das eigentliche Blatt anzusehen ist, und dafs dann jenes Blatt mit den beweglichen Seitenlappen, welches an einer Fortsetzung des Mittelnerven des eigentlichen Blattes entsteht, als ein ganz eigenthiim-\n35*","page":547},{"file":"p0548.txt","language":"de","ocr_de":"548\nliches Organ anzusehen ist, ganz so, wie es bei dem Schlauche der Bl\u00e4tter von Nepenthes der Fall ist. Die schon fr\u00fcher erw\u00e4hnte Ansicht, dafs diese Lappen als unvollkommen ausgebildete Bl\u00e4ttchen eines gefiederten Blattes anzusehen w\u00e4ren, wird aber durch die Struktur des Mittelnerven g\u00e4nzlich beseitigt. Das grofse Gef\u00e4fsbiindel n\u00e4mlich, welches aus der Fortsetzung des Mittelnerven des Blattes in das eigenth\u00fcmliche bewegliche Organ hineintritt und vorher, auf dem Querschnitte, ungef\u00e4hr die Form eines Hufeisens zeigte, dieses Gef\u00e4fsbiindel erscheint beinahe in zwei gleich grofse Parthieen getheilt, die nur noch in der Mittellinie durch eigenth\u00fcmliche langgestreckte Zellen, welche die Spiralr\u00f6hren dieser Nerven begleiten, mit einander verbunden sind. Von diesen Ilauptnerven gehen seitlich im rechten Winkel die Seitennerven ab, welche in paralleler Richtung zu den R\u00e4ndern der beiden Lappen verlaufen; jeder dieser Seitennerven besitzt 4, 5 und 6 Spiralr\u00f6hren, welche durch etwas gestreckte Parenchymzellen umschlossen werden, die einen gr\u00fcnlichen, etwas tr\u00fcben Saft enthalten; einzelne kleine Spiralr\u00f6hrenb\u00fcndel laufen seitlich in spitzen Winkeln ab und bilden mit den angrenzenden Anastomosen, wobei aber immer nur ein Anlegen oder Abgehen, der Spiralr\u00f6hren von einem Nerven zum andern zu sehen ist, aber niemals wahre Vereinigungen. Gegen den Rand der einzelnen Lappen h\u00f6rt dieser parallele Verlauf der Seitennerven auf, sie bilden hier ein niedliches netzf\u00f6rmiges Geflecht, das endlich bedeutend grofse B\u00fcndel zu den einzelnen dornf\u00f6rmigen Forts\u00e4tzen giebt, welche die R\u00e4nder der beweglichen Lappen umfassen. Sowohl die Zellen der Epidermis, wie \u00fcberhaupt dieser ganzen Blattsubstanz sind den Seitennerven parallel gestreckt, wodurch sich der Bau dieses Theiles von allen nur bekannten blattartigen Organen unterscheidet.\nBeidie sem rechtwinkeligten Ablaufen der Seitennerven ist die Zusammenfaltung der beiden Lappen sehr erleichtert, aber fragt man, in welchem Elementarorgan denn eigentlich der Sitz der Reizbarkeit vorhanden ist, und von","page":548},{"file":"p0549.txt","language":"de","ocr_de":"549\n\nwelchem aus die Zusammenziehungen vor sich gehen, durch welche alsdann die Lappen zusammenklappen, so m\u00fcfs man antworten, dafs dieses noch nicht zu bestimmen ist. Wir haben gleich im Anf\u00e4nge kennen gelernt, dafs selbst der leiseste Reiz, der auf die Mittellinie der oberen Fl\u00e4che, also gerade in der Falte zwischen den beiden Lappen, wirkt, augenblicklichst Zusammenziehungen der beiden Lappen veranlafst, und betrachten wir die Struktur dieses Theiles auf Querschnitten, so sehen wir, dafs die Gef\u00e4fs-b\u00fcndel, welche die Hauptnerven bilden, sehr entfernt von der Epidermis der oberen Blattfl\u00e4che liegen, ja sie liegen viel n\u00e4her der unteren Fl\u00e4che des Mittelnerven und demnach wird das Blatt durch Ber\u00fchrung dieser unteren Fl\u00e4che nicht gereizt, woraus man den Schlufs ziehen kann, dafs hier nicht etwa der Druck auf die Gef\u00e4fsb\u00fcndel als Reiz anzusehen ist, der die Zusammenziehung der Lappen bewirkt. Jene reizbare Mittellinie auf der oberen t lache des Blattanhanges zeigt eine Epidermis von ganz gew\u00f6hnlicher Struktur; die Zellenmembranen derselben sind etwas dick und fest, wie es auch die \u00fcbrigen Theile dieses Organes zeigen; das Zellengewebe, welches unmittelbar darunter liegt und den ganzen Raum bis zu dem rinnenf\u00f6rmig gekr\u00fcmmten Mittelnerven ausf\u00fcllt, ist zwar ziemlich grofs-maschig und zeigt eine eigenth\u00fcmliche Anordnung der einzelnen Zellen, indem die kleineren in der Mittellinie liegen, und die gr\u00f6fseren, welche l\u00e4nglich gestreckt sind, sich seitlich in Form von spitzen Winkeln anschliefsen, aber sonst ist hier durchaus nichts Abweichendes vom gew\u00f6hnlichen Baue. Die Zellen der Epidermis und der zun\u00e4chst darunter liegenden Zellenschichten fand ich mit einer, etwas tr\u00fcben, gr\u00fcngelblichen Substanz gef\u00fcllt, die \u00fcbrigen Zellen zeigten dagegen nur einzelne kleine gr\u00fcngef\u00e4rbte Zellensaftk\u00fcgelchen und einen hellen und ungef\u00e4rbten Zellensaft. Kurz man m\u00f6chte bei dieser so einfachen Struktur geneigt sein anzunehmen, dafs die Epidermiszellen selbst, welche in der Mittellinie zwischen den beiden Lappen liegen, das reizbare Gewebe darstellen, das den empfange-","page":549},{"file":"p0550.txt","language":"de","ocr_de":"550\nlien Reiz durch die angrenzenden Zellen bis zu dem Mittelnerven fortleitet, von dem aus alsdann durch Zusammenziehung der Seitennerven das Zusammenfalten der beiden Lappen erfolgt, wobei sich aber auch das, in dem Grunde der f alte liegende Zellengewebe zusammenzieht, und nicht etwa mechanisch zusammengequetscht wird, denn die Querschnitte eines zusammengefalteten Blattes zeigen durchaus keine Runzeln in den W\u00e4nden der betreffenden Zellen oberhalb des Mittelnerven.\nSchliefslich noch einige Worte \u00fcber die Ansicht, ob es wohl denkbar sei, dafs die Venus-Fliegenfalle die gefangenen Insekten zu ihrer Nahrung verbraucht, wie dieses schon von mehreren Botanikern vermuthet worden ist. Soviel als wir bis jetzt von den Zusammenziehungen der vegetabilischen Fliegenfalle und deren Ursache wissen, so scheint es ganz allgemein der Fall zu sein, dafs sich die Lappen jenes eigent\u00fcmlichen beweglichen Organes wieder \u00f6ffnen, sobald der Reiz auf deren Mittelnerven aufgeh\u00f6rt hat; sind demnach Insekten gefangen, und werden dieselben wirklich bis zu ihrem Tode festgehalten, so mufs sich doch die Klappe bald nach dem Absterben der Insekten wieder \u00f6ffnen und es kann dann weiter nicht mehr die Rede davon sein, dafs dieselben verdauet und von der Epidermis der Lappen eingesaugt werden. Ein solcher Fall, wie ihn Herr Curtis mitgetheilt hat, wovon schon pag. 544 die Rede war, k\u00f6nnte dadurch erkl\u00e4rt werden, dafs sich die Falle in Folge tr\u00fcben Wetters mehrere Tage hindurch gar nicht ge\u00f6ffnet hatte, worauf sich dann durch die Trans-spiration des Blattes so viel Feuchtigkeit ansammelte, dafs die gefangene Fliege dadurch bei der einwirkenden hohen Temperatur zum Theil in F\u00e4ulnifs \u00fcberging.\nSchon fr\u00fcher, ehe die auffallenden Bewegungen der Dionaea Muscipula bekannt geworden waren, hatte man an den Bl\u00e4ttern des Sonnenthaues (Drosera) \u00e4hnliche Zusammenziehungen der Bl\u00e4tter beobachtet. Herr De Candolle*)\n*) Phys, v\u00e9g\u00e9t. II. pag. 868","page":550},{"file":"p0551.txt","language":"de","ocr_de":"551\nsagt sogar, dafs sich die Haare, welche die Bl\u00e4tter des Sonnenthaues bekleiden, in Folge einer Reizung auf die Blattoberfl\u00e4che niederlegen. Hayne *) sagt dagegen, dafs sich die Bl\u00e4tter der Drosera anglica, wie die der Drosera rotundifolia und Drosera longifolia sehr langsam zusammenziehen, wenn sie in der Mitte der Oberfl\u00e4che gereizt werden, was schon durch kleine Insekten bewirkt werden k\u00f6nne. Es scheint mir, dafs beide Angaben richtig sind, ich habe wenigstens bei Drosera rotundifolia gesehen, dafs sich die grofsen Driisenstiele einw\u00e4rts gebogen hatten, und an anderen Bl\u00e4ttern sah ich auch, dafs sich, nach Verlauf von 8 Stunden, die Concavit\u00e4t der oberen Blattfl\u00e4che ver\u00e4ndert hatte, ich habe aber niemals sehen k\u00f6nnen, dafs diese Bewegungen in Folge der angebrachten Reize schnell eintraten.. Jedenfalls sind diese Bewegungen bei den Bl\u00e4ttern der Drosera rotundifolia u. s. w. sehr langsam und defs-halb nicht unmittelbar zu sehen; aufserdem ist auch noch zu bemerken, dafs dieselben bei niederer Temperatur, wie im September gar nicht mehr vorzukommen scheinen, ja auch vollkommen ausgewachsene Bl\u00e4tter m\u00f6chten nicht mehr reizbar sein. Sehr ausf\u00fchrlich wmrde diese Erscheinung an den Bl\u00e4ttern der Drosera rotundifolia durch Roth **) beobachtet; er setzte eine Ameise auf die Mitte des Blattes und sah, dafs sich, schon nach einigen Minuten, in Folge der heftigen Anstrengungen des Thierchens um das Blatt mit den klebrigen Dr\u00fcsen zu verlassen, die Haare aus der Mitte des Blattes anfingen zu kr\u00fcmmen, und diesem folgten nach und nach die l\u00e4ngeren Haare von dem Rande des Blattes; ja endlich fing auch das Blatt an sich etwas zu kr\u00fcmmen. Die Ameise starb schon fr\u00fcher als alle Haare gekr\u00fcmmt waren, wras ganz besonders f\u00fcr eine eigene Reizbarkeit dieser Bl\u00e4tter spricht. Diese Kr\u00fcmmungen gehen allerdings sehr langsam vor sich; so schlofs sich ein Blatt dieser Pflanze erst gegen 5 Uhr vollkommen, nach-\nGetreue Darstellung etc. der Arzneygew\u00e4chse. HI. pag- 29. Beitr\u00e4ge zur Botanik. I. Bremen 1/82. pag. 6/.","page":551},{"file":"p0552.txt","language":"de","ocr_de":"552\ndem schon um 11 Uhr eine kleine Fliege aufgesetzt worden war, welche auch alsbald starb. Roth bemerkt schon, dafs der Grad der Reizbarkeit dieser Bl\u00e4tter bei verschiedenem Wetter sehr verschieden ist; bei schw\u00fcler Witterung und heifsem Sonnenschein, wenn die Safttr\u00f6pfchen auf den Dr\u00fcsen der H\u00e4rchen am gr\u00f6fsten sind, dann ist auch die Reizbarkeit der Bl\u00e4tter dieser Pflanze am gr\u00f6fsten; der Regen scheine die Reizbarkeit der Bl\u00e4tter zu vermindern. Wenn ganz kleine Insekten nur die eine Seite der Bl\u00e4tter ber\u00fchren, so werden auch nur diese Stellen zusammengezogen und der \u00fcbrige Theil derselben bleibt offen.\nDie grofsen Dr\u00fcsen, welche die obere Fl\u00e4che der Drosera-Bl\u00e4tter bekleiden, sondern eine so grofse Masse einer sehr klebrigen Substanz ab, und kommen kleine Insekten zwischen diese Dr\u00fcsen, so werden sie festgehalten, doch habe ich gesehen, dafs sie durch ihre gewaltsamen Bewegungen, um sich wieder zu befreien, die gr\u00f6fste Unordnung in der Stellung der Dr\u00fcsenstiele herbeif\u00fchrten, welche dabei auch gr\u00f6fstentheils zusammenklebten; doch ich sah weiter keine Contraction des Blattes erfolgen.\nHerr Link und R. Treviranus haben sich ebenfalls vergebens bem\u00fcht die Zusammenfaltung der Bl\u00e4tter der\nDrosera in Folge \u00e4ufserer Ursachen unmittelbar zu beobachten.\nF\u00fcnftes Capitel.\nVon den freiwilligen Bewegungen, welche die Bl\u00e4ttchen einiger Pflanzen zeigen.\nDie auffallendsten Bewegungen, welche man bis jetzt in der Pflanzenwelt kennen gelernt hat, zeigt uns Hedy-sarum gyrans L., eine Pflanze aus der Familie der Leguminosen, deren Vaterland Bengalen ist; sie hat dreiz\u00e4hlige Bl\u00e4tter, wovon das Endblatt sehr bedeutend gr\u00f6fser ist.","page":552},{"file":"p0553.txt","language":"de","ocr_de":"553\nals die beiden seitlich stehenden. An ausgewachsenen Exemplaren hat das unpaare Endblatt eine L\u00e4nge von 3^ bis 4 Zoll, und ist von l\u00e4nglich eyf\u00f6rmiger Gestalt. Die beiden Seitenbl\u00e4ttchen sind dagegen an ausgewachsenen Bl\u00e4ttern 7 bis 8 Linien lang, und ihre Gestalt steht zwischen lanzettf\u00f6rmig und l\u00e4nglich eyf\u00f6rmig; sie sitzen zur Seite des gemeinschaftlichen Blattstieles genau gegen\u00fcber und durch besondere Stiele befestigt, der Befestigungspunkt ist aber 3 bis 7 Linien entfernt von dem Befestigungspunkte des grofsen Endblattes. Diese kleinen Seitenbl\u00e4tter sind es, welche bei dieser Pflanze eine freiwillige Bewegung zeigen, durch welche dieselbe so ber\u00fchmt geworden ist. Die ersten Nachrichten von dieser merkw\u00fcrdigen Pflanze sind uns durch D. Pohl*) im Jahre 1779 mitgetheilt; Lady Monson, welcher man die Entdeckung dieses Gew\u00e4chses zuschreibt, fand dasselbe neben Dacca in Bengalen **). Eine sehr interessante Beschreibung der auffallenden Bewegungen, welche das Hedysarum gyrans zeigt, erhielten wir im Jahre 1790 durch unsern ber\u00fchmten Hufeland***), sie ist so vollst\u00e4ndig, dafs sich hier\u00fcber nur Weniges nachtragen l\u00e4fst, und ich beginne defshalb mit Hufeland\u2019s eigener Mittheilung. Die Bewegung dieser Pflanze ist eine doppelte, die eine wird von dem Hauptstiele und dem grofsen Endblatte ausgef\u00fchrt und hat ihren einzigen Grund in der Gegenwart oder der Abwesenheit des Lichtes, daher sie mit dem Schlafen und Wachen anderer Pflanzen von Hufeland verglichen wird. Diese Bewegung nannte unser ber\u00fchmte Arzt die unwillk\u00fchrliche, die andere aber ist die, welche in den kleinen Seitenbl\u00e4ttchen ihren Sitz hat, von\n*) Leipziger Sammlungen zur Physik und Naturgeschichte. I. pag. 502.\n**) Broussonet in den M\u00e9m. de l\u2019Acad. des scicnc. de Paris en 1784. pag. 617.\n*\u00a5*) S. lieber die Bewegungen des Hedysarum gyrans und die Wirkung der Electricit\u00e4t auf dasselbe. \u2014 Voigt\u2019s Magaz. f\u00fcr Physik und Naturgeschichte. VI. Drittes St\u00fcck und Hufeland\u2019s gemeinn\u00fctzige Aufs\u00e4tze. I. 1794.\n!","page":553},{"file":"p0554.txt","language":"de","ocr_de":"554\nder vorigen ganz unabh\u00e4ngig und ohne alle \u00e4ufsere Veranlassung erfolgt, daher auch den Namen der willkiihr-lichen erhielt. Die unwillk\u00fchrliche Bewegung der grofsen Endbl\u00e4tter besteht in einem Aufrichten und Niedersenken, und diese Bewegungen richten sich so genau nach dem verschiedenen Grade des Lichtes und der Dunkelheit, dafs man in jeder Stunde des Tages den Stand der Bl\u00e4tter anders findet. In den ersten Morgenstunden und an gew\u00f6hnlichen, etwas tr\u00fcben Tagen stehen die gemeinschaftlichen Blattstiele im spitzigen \"W inkel von dem Stamme ab ; sobald aber die Sonne darauf scheint, geht die Pflanze aus diesem Zustande in den der Erection \u00fcber; die Blattstiele ziehen sich n\u00e4her dem Stamme und die Spitze des Blattes erhebt sich immer mehr, bis das Blatt mit dem Stiele in einer geraden Ebene steht, ja die ganze Pflanze nimmt eine Richtung nach der Sonne an, so dafs sie oft einige Stunden hindurch ganz schief steht. Kehrt die Pflanze aus diesem Zustande wieder in den des Schlafes zur\u00fcck, so sinken erst die aufgerichteten Bl\u00e4tter zur\u00fcck, zugleich ziehen sich die Stiele an den Hauptstamm und zuletzt legen sich auch die grofsen Bl\u00e4tter mit ihrer unteren Fl\u00e4che so genau dem Stamme an, dafs sie mit demselben parallel verlaufen und ihn von allen Seiten her wie mit einem Mantel umschliefsen. Die Bl\u00e4tter sind aber hiebei nicht etwa schlaff herabh\u00e4ngend, sondern ihre Gelenke befinden sich in einem so contrahirten Zustande, dafs man die Bl\u00e4tter nicht ohne Verletzung aufheben kann.\nIm h\u00f6chsten Grade der Erection, welche bei voller Mittagssonne eintritt, bemerkte Hufeland sehr deutlich eine zitternde, oft stark schlagende Bewegung der Bl\u00e4tter und der ganzen Pflanze. Auch Herr Alexander von Humboldt sah schon im Jahre 1794, dafs sich die gr\u00f6fsern oberen Bl\u00e4tter beim Reize der Sonnenstrahlen bewegten und dagegen ruhten, wenn die Sonne mit Wolken \u00fcberdeckt war. Seitdem ist diese so h\u00f6chst auffallende Erscheinung, mehrmals beobachtet worden, und ich f\u00fcge nur noch hinzu, dafs diese Bewegung nur an \u00e4ufserst kr\u00e4ftigen und jungen","page":554},{"file":"p0555.txt","language":"de","ocr_de":"555\nExemplaren zu sehen ist, wenn sie in einer Temperatur, wie in Bengalen wachsen; sie verlangen 22 bis 24\u00b0 R. W\u00e4rme. W\u00e4chst die Pflanze in niederer Temperatur, so kommt an ihnen die Erection der Bl\u00e4tter gar nicht so vollkommen zu Stande, wenn auch die Sonne recht stark scheint; die Bl\u00e4tter bilden dann noch immer einen stumpfen Winkel mit ihrem gemeinschaftlichen Stiele und das auffallende Erzittern zeigen sie nicht. Diese grofsen Bl\u00e4tter des Hedysarum gyrans sind \u00fcberaus empfindlich f\u00fcr den Reiz des Lichtes, und ich habe mehrmals gesehen, dafs sich dieselben an heifsen Sommertagen schon fr\u00fch Nachmittages senkten, wenn der Himmel durch Regenwetter verdunkelt wurde; ist aber die Temperatur, worin diePflanze w\u00e4chst, nicht hoch genug, so zeigt sie auch diese Erscheinungen niemals so entschieden und dabei \u00e4ufserst langsam.\nHufeland bemerkte, dafs selbst das st\u00e4rkste Mondlicht die Pflanze nicht reize, und ebenso wirke auch das st\u00e4rkste k\u00fcnstliche Licht auf dieselbe nicht ein, indessen diese Angabe beruht auf einer zu kurzen Beobachtung, denn ich habe gesehen, dafs sich die Bl\u00e4tter des Hedysarum\u2019s in der dritten Nacht, in welcher ich sie dem Lichte von vier ArgamTschen Lampen aussetzte, w\u00e4hrend die Pflanze bei Tage im Dunkeln eines Ofens stand, ganz ebenso aufrichteten, wie an gew\u00f6hnlichen hellen Tagen ohne Sonnenschein. Alle mechanischen und alle \u00e4tzenden Reize zeigten auf die Bewegung dieser grofsen Bl\u00e4tter keinen Einfiufs, also verhalten sie sich in dieser Hinsicht ganz ebenso, wie die Bl\u00e4tter anderer Pflanzen, welche die gew\u00f6hnlichen Erscheinungen des Pflanzenschlafes zeigen.\nDie willkiihrlichen Bewegungen, welche die Seitenbl\u00e4ttchen des Hedysarum gyrans zeigen, sind indessen viel auffallender und Hufeland beschrieb dieselben ebenfalls ganz vortrefflich. Das eine der beiden Bl\u00e4ttchen hebt sich langsam in die H\u00f6he und legt sich mit der inneren Fl\u00e4che an den Stiel des Hauptblattes, und sobald dieses geschehen, f\u00e4ngt das gegen\u00fcbersitzende Bl\u00e4ttchen an zu sinken und kommt mit der oberen Fl\u00e4che nach Aufsen","page":555},{"file":"p0556.txt","language":"de","ocr_de":"556\nzu liegen, bis sich die untere Fl\u00e4che der L\u00e4nge nach an den Stiel legt. Hierauf sinkt das zuerst emporgestiegene Bl\u00e4ttchen und nachdem es sich dem Blattstiele ebenfalls nach Hinten angelegt hat, beginnt das andere Bl\u00e4ttchen wieder zu steigen, und so geht diese abwechselnde Bewegung ununterbrochen fort; nur in der Schnelligkeit, womit sie -stattfindet, zeigt sich bei verschiedenen Pflanzen, je nachdem sie verschieden alt sind und in verschiedenen Graden von Temperatur wachsen bedeutende Verschiedenheit. Je w\u00e4rmer die Luft und je \u00fcppiger die Pflanze, was besonders bei grofser + Feuchtigkeit der Luft erzielt wird, um so schneller zeigt sich auch die Bewegung; sie dauert fort bei Tag und bei Nacht, und stets mit gleicher Schnelligkeit, wenn W\u00e4rme und Feuchtigkeit der umgebenden Luft in demselben Grade i fortbestehen. Ich habe in warmen Sommern\u00e4chten an Exemplaren dieser Pflanze, welche in meiner Stube standen, durchaus keine Ver\u00e4nderung in der Schnelligkeit dieser Bewegungen bemerkt, ich habe aber auch nicht gesehen, dafs der unmittelbare Einflufs der Sonnenstrahlen diese Bewegungen beschleunigt. \u201eSie gingen, sagt Hufeland, ebenso gut in der Finsternifs als bei Tageslicht vor sich, ebenso gut wenn die Bl\u00e4tter, an deren Stielen die Balan- j zierbl\u00e4ttchen safsen, zusammenfallen als wenn sie aufre-richtet waren, und es gab einen ganz eigenen Anblick, die ganze Pflanze schlafend und doch diese kleinen Organe in steter Bewegung, und oft mit einem merklichen s Ger\u00e4usche unter den sie bedeckenden grofsen Bl\u00e4ttern hervorschnellen zu sehen.\u201c\nUeber die Schnelligkeit dieser Bewegungen k\u00f6nnen nur Beobachtungen nach Zeitperioden richtige Begriffe geben; es ist bei uns schon sehr selten, und nur an kr\u00e4ftigen Exemplaren in \u00e4ufserst warmer Luft zu sehen, dafs die ganze Bewegung der Seitenbl\u00e4ttchen im Verlauf einer Minute erfolgt, und dann pflegen mehrere Minuten zu vergehen, bis sich das Bl\u00e4ttchen zur\u00fcckbewegt. Diese Bewegung ist indessen durchaus nicht ganz gleichm\u00e4fsig ; oft sieht man n\u00e4mlich, dafs das Bl\u00e4ttchen stofsweise sich","page":556},{"file":"p0557.txt","language":"de","ocr_de":"557\nerhebt und sich in einzelnen Strecken schneller, in anderen langsamer bewegt, und wie Herr De Candolle berichtet, so hat man in Ostindien gesehen dafs diese Bl\u00e4ttchen in einer Minute bis gegen 60 ruckweise Bewegungen gemacht haben. Es ist aber durchaus nicht der Fall, dafs sich die Seitenbl\u00e4ttchen des Hedysarum gyrans stets abwechselnd nach entgegengesetzter Richtung hin bewegen, sondern ich habe sehr oft gesehen, dafs sich beide Bl\u00e4ttchen beinahe gleichm\u00e4fsig erhoben haben. Die Pflanze erfordert aber immer sehr viel W\u00e4rme, wenn die angegebenen Bewegungen recht auffallend schnell vor sich gehen sollen. Auch an abgeschnittenen Zweigen sah schon Broussonet und Hufeland die Bewegung der Seitenbl\u00e4ttchen fortbestehen, und ebenso zeigt sie sich auch an kranken Exemplaren. Die Bewegung wird allm\u00e4lich immer langsamer und immer seltener, je \u00e4lter die Bl\u00e4ttchen dieser Pflanze werden und endlich h\u00f6rt sie ganz auf, wobei alsdann dieselben eine Stellung zum gemeinschaftlichen Blattstiele in einem Winkel von etwa 45\u00b0 einnehmen; dann pflegt aber auch der Schlaf der grofsen Endbl\u00e4tter aufzuh\u00f6ren und diese stehen alsdann mit den Blattstielen in einem Winkel von 120 \u2014130\u00b0.\nHufeland\u2019s Beobachtungen \u00fcber den Einflufs der Electri-cit\u00e4t auf die Bewegungen der verschiedenen Bl\u00e4tter des Hedysarum gyrans sind sehr ausf\u00fchrlich und auch in diesem Punkte sind wir bis auf den heutigen Tag nicht weiter gekommen. Weder electrische Funken noch Ersch\u00fctterungen wirken auf die willkiihrhchen Bewegungen der Seiten-Bl\u00e4ttchen von Hedysarum gyrans, dagegen sah schon Hufeland, das das einfache electrische Band ein lebhafteres Balanziren derselben hervorrief, welches sogar noch einige Zeit hindurch fortdauerte, nachdem der electrische Einflufs aufgeh\u00f6rt hatte. Auch ich habe diesen Versuch wiederholt und es schien mir, als wenn auch bei der, von mir angewendeten Pflanze die Bewegung der Seitenbl\u00e4ttchen schneller wurde, doch war es nur sehr gering, was vielleicht der Pflanze zuzuschreiben war, indem dieselbe \u00fcberhaupt","page":557},{"file":"p0558.txt","language":"de","ocr_de":"558\nnicht sehr lebhaft war. Herr Alexander von Humboldt*) machte die ersten Versuche \u00fcber den Einflufs des Galvanismus auf die Reizbarkeit der Pflanzen, doch dieselben waren sowohl bei Mimosa pudica, als bei Hedysarum gy-rans u. s. w. ohne Erfolg; im verflossenen Sommer wiederholte ich diese Versuche an zwei recht kr\u00e4ftig wachsenden Exemplaren mit einer S\u00e4ule von 20 Paaren (zu 1 Quad. Zoll Fl\u00e4che) und ich mufs gestehen, dafs der Einflufs dieser S\u00e4ule auf die unverletzte Pflanze ebenso grofs war, als der des electrischen Bades; die Seitenbl\u00e4ttchen bewegten sich merklich h\u00e4ufiger, und besonders bemerkbar war es, dafs sich gleich nach Schliefsung der Kette weit mehr Bl\u00e4ttchen in Bewegung setzten, als man vorher bemerkte. Ganz besonders beachtenswerth sind die Resultate der Hufeland\u2019schen Beobachtungen \u00fcber den Einflufs der Electricit\u00e4t auf die grofsen Endbl\u00e4tter von Hedysarum gyrans, welche man auffallend genug, so ganz vergessen zu haben scheint. Das electrische Bad, welches die Bewegungen der kleinen Seitenbl\u00e4ttchen verst\u00e4rkt, zeigte auf das grofse Endblatt keinen Einflufs, als aber dieses Blatt mit einer stark geriebenen Siegelstange andauernd ber\u00fchrt wurde, so erfolgte ein allm\u00e4hliches Niedersinken des Blattes, wovon es sich erst nach einigen Stunden erholte. Funken, sie mochten positiv oder negativ sein, bewirkten im Augenblicke nichts, als eine leichte Ersch\u00fctterung, aber wurden sie l\u00e4nger fortgesetzt, so sank das aufgerichtete Blatt ebenfalls nieder, und weit schneller, als vorhin, richtete sich aber auch den ganzen Tag nicht wieder auf und schlofs sich weit fr\u00fcher, als die anderen Bl\u00e4tter derselben Pflanze. Ein zusammengefaltetes Blatt, das auf diese Weise electrisirt wurde, that sich den folgenden Morgen weit sp\u00e4ter auf, erhob sich den ganzen Tag \u00fcber nicht \u00fcber die horizontale Stellung, und wurde das Electrisiren noch einige Tage hintereinander fortge-\n*) Versuch \u00fcber die gereizte Mushel- und Nervenfaser. I. 1797. pag. 249.","page":558},{"file":"p0559.txt","language":"de","ocr_de":"559\nsetzt, so verlor es seine ganze Beweglichkeit und blieb zusammengezogen herabh\u00e4ngend bis es nach 14 Tagen gelb und welk wurde. Es wurden also auch hier dieselben Ph\u00e4nomene bemerkt, welche der Einflufs der Electricit\u00e4t auf die Bl\u00e4tter der Mimosa pudica zeigte.\nMan sieht sehr bald, dafs diese Bewegungen der Bl\u00e4tter des Hedysarum gyrans durch \u00e4hnliche Gelenke vermittelt werden, als wir schon fr\u00fcher bei der Mimosa pudica kennen gelernt haben, aber leider sind diese Gelenke bei dem Hedysarum so \u00e4ufserst klein, dafs sich hier \u00fcber die feinere Structur derselben noch weniger ermitteln l\u00e4fst, als 1 bei der Mimosa. Das dreiz\u00e4hlige Blatt des Hedysarum gyrans ist erstlich mittelst eines Gelenkes dem Stengel der Pflanze eingelenkt, dann zeigt das grofse unpaare Blatt ein besonders grofses Gelenk und auch die beiden Seiten-( bl\u00e4ttchen sind dem gemeinschaftlichen Blattstiele durch \u00e4hnliche aber \u00e4ufserst feine Gelenke angesetzt. Der gemeinschaftliche Blattstiel von Hedysarum gyrans ist dreieckig, die obere Fl\u00e4che ist die dem Stengel zugekehrte, sie zeigt eine rinnenf\u00f6rmige Vertiefung. Auf dem Querschnitte zeigt der Blattstiel folgende Stellung der Holzb\u00fcndel : In jeder Ecke verl\u00e4uft ein einzelnes Holzb\u00fcndel, dessen convexe Seite durch eine Bastschicht gebildet wird * die dem Winkel des Stieles zugewendet ist, die concavere Seite zeigt die Spiralr\u00f6hren und der ganze Raum im Inneren des Dreieckes, welchen die drei Holzb\u00fcndel bilden, ist mit einem lockeren Parenchyme ausgef\u00fcllt. Die beiden Kanten, welche die obere concave Fl\u00e4che des Blattstieles umfassen, zeigen noch zwei, ganz kleine Holzb\u00fcndelchen, welche aufserhalb der convexen Seiten der beiden gr\u00f6fse-ren liegen und aufserdem sind noch regelm\u00e4fsig wenig-y stens drei kleine Holzb\u00fcndel, welche sehr dicht unter der Epidermis verlaufen und mit den gr\u00f6fseren B\u00fcndeln alter-niren. Die Basis dieses, seiner Structur nach soeben beschriebenen Blattstieles, setzt sich unmittelbar in das Gelenk fort, womit dasselbe an dem Stengel befestigt ist; es zeigt kaum die L\u00e4nge einer Linie, ist auf dem Querschnitte von","page":559},{"file":"p0560.txt","language":"de","ocr_de":"560\novaler Gestalt und an dem untersten Ende etwas rinnenf\u00f6rmig. Die Untersuchung dieses Gelenkes vermittelst der Querschnitte zeigt einmal die abweichende Structur dieses Theiles von \u00e4hnlichen Theilen anderer Pflanzen, und zweitens eine ganz verschiedene Stellung der Elementarorgane als wir sie vorher im ferneren \\erlaufe des gemeinsamen Blattstieles kennen gelernt haben. Wir sehen n\u00e4mlich, dafs das Gelenk mit einer ziemlich dicken Schicht von Parenchym umschlossen ist, ganz wie es die Gelenke der Mimosen zeigen; die Zellen dieser Masse sind ziemlich \u00fcberall gleich grofs, nur die Zellen der umkleidenden Epidermis und die zun\u00e4chst darunter liegenden sind etwas kleiner. Die Zellen sind ziemlich reich mit gr\u00fcnen Zellensaftkiigel-chen gef\u00fcllt und in vielen der einzelnen Zellen sieht man einzelne ziemlich grofse Oeltr\u00f6pfchen, denen ganz \u00e4hnlich, welche in den Zellen der Gelenkw\u00fclste der Mimosa pudica Vorkommen; auch fand ich an zwei Exemplaren, welche in verschiedenen G\u00e4rten gezogen waren, dafs die einzelnen Zellen grofse Krystalle von Kalkspath aufzuweisen hatten. Es treten diese niedlichen Krystalle hier so grofs und in so grofser Anzahl auf, wie sie wohl selten in anderen F\u00e4llen zu finden sein m\u00f6chten. Der Holzk\u00f6rper dieses Gelenkes bildet einen zusammengedr\u00fcckten Ring, worin die Spiralr\u00f6hren sehr regelm\u00e4fsig in radial verlaufenden Reihen gestellt sind; diejenige Seite des Ringes, welche dem Stengel zu gelegen, ist nur ganz schmal, die entgegengesetzte Seite dagegen zwei bis dreimal so breit. Der \u00e4ufsere Umfang des Holzringes ist noch durch einen eigenen Ring eingefafst, der aus \u00e4ufserst weichen Zellen besteht, die zuerst von sehr kleinem Lumen sind, aber immer gr\u00f6fser werden, je mehr sie sich dem Parenchyme der Wulst n\u00e4hern, von welchem sie sich am auffallendsten durch den Mangel an gr\u00fcnen Zellensaftk\u00fcgelchen unterscheiden. Dieses zarte Gewebe scheint von besonderer Wichtigkeit zu sein, aber auf den L\u00e4ngenschnitten habe ich doch noch nichts mehr sehen k\u00f6nnen, als dafs es etwas langgestreckte wirkliche Parenchym-Zellen sind, deren","page":560},{"file":"p0561.txt","language":"de","ocr_de":"561\nW\u00e4nde wenig erh\u00e4rtet sind und deren H\u00f6hle zuweilen mit einer opaken Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt ist. Das Auffallendste in dem Baue dieser Gelenke des Hedysarum gyrans ist aber, dafs sich die Bastmasse gerade in der Mitte des Holzringes zeigt und von bedeutendem Umfange ist; die einzelnen Bastr\u00f6hren sind mit dicken W\u00e4nden versehen und die \u00fcbrig bleibende H\u00f6hle ist nur sehr klein. Wenn man diejenige Stelle, wo sich das Ende des Gelenkes unmittelbar in den gemeinschaftlichen Blattstiel fortsetzt, auf L\u00e4ngenschnitten untersucht, so findet man das schrege Verlaufen der Bastb\u00fcndel, wodurch dieselben in dem Blattstiele selbst wieder getrennt und auf der \u00e4ufseren Seite jedes Holz-biindels zu liegen kommen. Das andere Gelenk durch welches das grofse unpaare Blatt mit der Spitze des Blattstieles in Verbindung steht, hat ganz eben dieselbe Structur wie das untere Gelenk, es ist aber bedeutend l\u00e4nger und in seiner ganzen L\u00e4nge etwas gekr\u00fcmmt; die concave Seite liegt nach Oben, die convexe dagegen nach Unten. Gew\u00f6hnlich steht dieses gekr\u00fcmmte Gelenk mit dem dazu geh\u00f6rigen Blatte in gerader Richtung auf dem gemeinschaftlichen Blattstiele, aber zuweilen, wenn die Bl\u00e4tter von dem Sonnenlichte seitlich gelenkt sind, zeigt es noch eine seitliche Drehung. Auch hier an diesem Gelenke stehen wieder die Bastr\u00f6hren in der Mitte, dagegen finden sie sich in dem Hauptnerven des Blattes auf der unteren Seite in Form eines Bogens, und am Rande der oberen Fl\u00e4che zeigt sich nur ein kleines Bastbiindel, Bei den kleinen seitlichen Bl\u00e4ttchen bildet das Gelenk zugleich den partiellen Blattstiel, welcher von 1^ Linie L\u00e4nge ist, wenn das Bl\u00e4ttchen die L\u00e4nge von 7 Linien zeigt; wegen der grofsen Zartheit dieses Gebildes l\u00e4fst sich hier noch weniger genau untersuchen, doch kann man sehen, dafs die Bastb\u00fcndel gerade in der Mitte des Holzringes liegen.\nHiernach ist also die Angabe von Herrn Dutrochet*)\n*) M\u00e9canisme du mouvera. chez les feuilles du sain foin oscillant \u2014 M\u00e9m. p. s. a l\u2019hist. anatom, et phys. des veget. etc. I. pag. 568. Me yen. PH. Physiol. III.\t36","page":561},{"file":"p0562.txt","language":"de","ocr_de":"562\nund anderen zu berichtigen, wonach es heifst, dafs sich die Struktur der Blattstiele des Hedysarum\u2019s ganz ebenso wie bei der Mimose und der Bohne verhalte. Auch hier, wie \u00fcberall sollen die Bewegungen der kleinen Bl\u00e4tter durch ein durch Endosmose kr\u00fcmmungsf\u00e4higes Zellengewebe ausgef\u00fchrt werden, und durch ein durch Oxygenation kr\u00fcmmungsf\u00e4higes Fasergewebe, und die Gr\u00fcnde daf\u00fcr sind folgende: Es wurde ein Blattstiel der L\u00e4nge nach in zwei Theile getheilt, worauf sich diese sogleich nach Innen kr\u00fcmmten und die Kr\u00fcmmung nahm noch zu, wenn die H\u00e4lften in Wasser gelegt wurden. Hierauf wurden diese gekr\u00fcmmten H\u00e4lften der Blattstiele in Zuckersyrup gelegt und sie kr\u00fcmmten sich nach entgegengesetzter Richtung. Noch einige dergleichen Versuche wurden angestellt, um die bekannte Lieblingsidee des Herrn Dutrochet zu best\u00e4tigen, doch glaube ich, dafs es gar nicht mehr n\u00f6thig ist auf eine Beweisf\u00fchrung gegen die Resultate derselben einzugehen, sondern verweise defshalb auf einige fr\u00fchere Stellen dieser Abtheilung.\nEs sollen auch noch einige andere Arten von Hedy-sarum \u00e4hnliche Bewegungen der Bl\u00e4tter zeigen, wie wir sie bei dem Hedysarum gyrans kennen gelernt haben, doch habe ich selbst dergleichen nicht gesehen. Hedysarum gy-roides Roxb. soll sich dem Hed. gyrans noch am \u00e4hnlichsten verhalten.\nSechstes Capitel.\nVon den freiwilligen Bewegungen, welche einige niedere Algen zeigen.\nDa wir durch den Schulunterricht gewohnt sind anzunehmen, dafs die Pflanzen keine freiwilligen Bewegun-","page":562},{"file":"p0563.txt","language":"de","ocr_de":"563\ngen zeigen, so waren schon die F\u00e4lle, welche im vorigen Capitel n\u00e4her er\u00f6rtert wurden, hohes Erstaunen erregend, aber es ist uns schon durch Adanson* *) ein anderes Pfl\u00e4nzchen bekannt geworden, welches Bewegungen zeigt, die man mit Recht noch freier nennen darf, als diejenigen, welche wir so eben bei Hedysarum gyrans kennen gelernt haben. Adanson entdeckte eine solche Bewegung an einer Alge schon im Jahre 1753, er z\u00e4hlte die Pflanze zu den Tre-mellen, doch sp\u00e4ter ward aus dieser und anderen Arten die Gattung Oscillatoria durch Vaucher**) gegr\u00fcndet. In neueren Zeiten hat man diese Gesch\u00f6pfe zu einer eigenen kleinen Familie gebracht, welche den Conferven zur Seite zu stellen ist. Die Oscillatorien zeigen sehr eigenthiim-liche Bewegungen, Vaucher glaubte an ihnen Kopf und Schwanz zu unterscheiden, und rechnete sie mit vielen anderen Botanikern, zu den Thieren, um auf diese Weise aller Rechenschaft \u00fcber die Ursache dieser Bewegungen zu entgehen. Neuerlichst will Herr Corda***) in der Spitze der Oscillatorien den Sitz des Gef\u00fchls, so wie ein eigenes Verlangen aufgefunden haben, und glaubt sie defs-halb ebenfalls zu den Thieren rechnen zu m\u00fcssen. Ich halte die Oscillatorien f\u00fcr Pflanzen und habe schon pag. 443 ihre Fortpflanzung angegeben; wer da glaubt die Oscillatorien ihrer Bewegung wegen zu den Thieren z\u00e4hlen zu m\u00fcssen, der m\u00f6ge nur, wie es schon Herr Linkf) vor l\u00e4nger als 30 Jahren sagte, das Hedysarum gyrans ebenfalls dahinf\u00fchren, um sich recht, consequent zu zeigen; selbst Herr Ehrenberg l\u00e4fst die Oscillatorien noch bei den Pflanzen.\nDie Oscillatorien wachsen gew\u00f6hnlich in einer Schleimmasse geh\u00fcllt, worin das eine Ende derselben fest sitzt,\n\u00a5) M\u00e9m. de l\u2019Acad. des sciens. de Paris. 1767. pag. 564.\n**) Hist, des Conferves d\u2019eau douce, pag. 163 \u2014169.\n*\u00a5\u00a5) Essai sur les Oscillatoires des thermes de Carlsbad. Tir\u00e9 de l\u2019Almanach de Carlsbad de 1836. Prague 1836. pag. 15.\n*f) Grundlehren pag. 262.\n36*","page":563},{"file":"p0564.txt","language":"de","ocr_de":"564\noft auch mit anderen Individuen verwickelt ist, w\u00e4hrend das andere Ende aus dem Rande der Schleimmasse frei hervorragt. In diesem Zustande zeigen die Spitzen der einzelnen Oscillatorien-F\u00e4den jene auffallende Bewegung; die Spitze ist die unmittelbare Fortsetzung des Fadens, doch je nach dem Alter des Individuums ist dieselbe mehr oder weniger lang und die Substanz in derselben ist noch nicht vollkommen in Glieder zerfallen, wie es der alte Faden zeigt. Die Pflanze vermag einmal diese Spitze etwas seitlich zu kr\u00fcmmen, ja sogar wellenf\u00f6rmige Kr\u00fcmmungen zu ertheilen, welche sie wieder ausgleichen kann, um gleich darauf wieder andere Kr\u00fcmmungen zu zeigen. Diese Beweglichkeit in den Spitzen h\u00f6rt aber auf, sobald dieselbe nicht mehr weiter w\u00e4chst und nun zur vollkommenen Ausbildung gelangt, Eine solche Spitze findet sich an beiden Enden der Oscillatorie, wenn dieselbe n\u00e4mlich nicht schon auf irgend eine Weise zerst\u00fcckelt ist, und nach beiden Enden hin verl\u00e4ngert sich die Pflanze. An einem freiliegenden Ende einer jungen Oscillatorie wird diese sich kr\u00fcmmende Spitze hin und her bewegt, sie legt sich bald nach der einen Seite und wendet sich balcl nach der anderen Seite, und zwar in der Art, wie sich der Daumen einer Hand bei der Pronation und der Supination eines aufliegenden Vorderarmes bewegt. Liegt die Oscillatorie auf einer gr\u00f6fseren Strecke frei, so zeigt sie in ihrer ganzen L\u00e4nge verschiedenartige Kr\u00fcmmungen, bald kr\u00fcmmt sie sich nach irgend einer Seite so vollkommen, dafs sie eine Schlinge bildet, bald kr\u00fcmmt sie sich S f\u00f6rmig und streckt sich wieder gerade, um bald darauf wieder andere Kr\u00fcmmungen einzugehen. Die Bewegung bei diesen Kr\u00fcmmungen ist gew\u00f6hnlich ganz gleichm\u00e4fsig, bald langsamer, bald schneller, aber nicht selten geschieht sie ruckweise. Diese Zusammenziehungen und die darauf folgenden Streckungen, veranlassen mitunter eine wirkliche Ortsver\u00e4nderung der Oscillatorie, und diese schon von Adanson wahrgenommene Erscheinung ist offenbar nicht von den zuf\u00e4lligen Kr\u00fcmmungen","page":564},{"file":"p0565.txt","language":"de","ocr_de":"565\nabh\u00e4ngig. Trentepohl*) sah, dafs sich die Oscillatorien vorw\u00e4rts und r\u00fcckw\u00e4rts in gerader Richtung bewegten, und dabei keine Oscillationen zeigten, und so habe auch ich an jungen freiligenden Oscillatorien die Ortsver\u00e4nderung bemerkt. Herr Corda will beobachtet haben dafs die Oscillatorien, wenn sich ihnen irgend ein Hinder-nifs in den Weg stellt, mit der Spitze ihres Kopfes (!) hin und her suchen, um demselben auszuweichen ; ich kann dieser Angabe nicht beistimmen, obgleich ich seit l\u00e4nger als 15 Jahren bei jeder Gelegenheit die Bewegungen der Oscillatorien beobachtet habe.\nBei sehr niederen Temperaturen, selbst bei 4\u00b0 R. zeigen sich die Bewegungen der Oscillatorien eben so auffallend, als bei h\u00f6heren Temperaturen; ich habe dabei keinen Unterschied wahrnehmen k\u00f6nnen, wohl aber zeigt sich die Bewegung bei Oscillatorien von verschiedenem Alter sehr verschieden; am lebhaftesten bewegen sich diejenigen, welche den Tag oder die Nacht vorher gewachsen sind, und um dergleichen zu erhalten, braucht man nur eine kleine Masse derselben auf die Oberfl\u00e4che des Wassers eines Glases zu legen, worauf schon nach einigen Stunden die strahlenf\u00f6rmige Ausdehnung der einzelnen F\u00e4den zu beobachten ist. Alte und ausgewachsene Oscillatorien, welche oft in sehr mannigfaltigen Formen auftreten und stets als besondere Arten beschrieben sind, bewegen sich nicht mehr.\nEine noch lebhaftere Bewegung als die der Oscillatorien, habe ich an einer anderen Pflanze beobachtet, welche ich Stigmatonema stellata nennen m\u00f6chte; sie geh\u00f6rt zu den wenigen, welche zwischen den Algen und denFaden-pilzen zu stellen sind, ja wohl noch mit mehr Recht zu den Wasserpilzen geh\u00f6ren. Das Pfl\u00e4nzchen entstand in meiner Stube an faulenden Charen; es zeigte sich als weisse Sternchen, die an verschiedenen Stellen der Charen safsen und aus einer ganz schleimigen Substanz bestanden.\n*) Roth\u2019s Botanische Bemerkungen etc. 1807. pag. 215.","page":565},{"file":"p0566.txt","language":"de","ocr_de":"566\nDas Mikroskop zeigte, dafs diese Substanz aus lauter F\u00e4den \\on grofser Zartheit\tMillim. Durchmesser) be-\nstand, die ungegliedert sind und in ihrem Inneren eine Menge von unregelm\u00e4fsig zerstreut liegenden K\u00fcgelchen enthalten, welche als dunkele P\u00fcnktchen durchscheinen. Diese K\u00fcgelchen sind zugleich die Sporen, denn bei der Fortpflanzung l\u00f6st sich die umschliefsende Membran und die frei werdenden K\u00fcgelchen dehnen sich in lange und sehr zarte F\u00e4den aus, welche erst nach einiger Zeit an Dicke zunehmen und dann als R\u00f6hren mit K\u00fcgelchen gef\u00fcllt auftreten. Diese feinen F\u00e4den sind es, welche eine Bewegung zeigen, die mit dem Schl\u00e4ngeln der Vibrionen zu vergleichen ist; sie ist bald sehr lebhaft bald weniger lebhaft, bald mit so bedeutender Kraft, dafs durch die Bewegungen eines einzelnen Fadens ganze Haufen derselben auseinander geschoben werden.\nEine sehr merkw\u00fcrdige Bewegung hat schon Herr Link*) an denjenigen Conferven entdeckt, aus welchen er die Gattung Spirogyra bildete; die sch\u00f6nste und bekannteste Art dieser Gattung ist Spirogyra princeps Lk. (Con-jugata princeps Vauch.) an welcher Herr Link sah, dafs sich die F\u00e4den gleich einem Pfropfenzieher gedreht hatten, doch diese Angabe ward \u00fcbersehen. Herr Gruithuisen**) glaubte die Bewegung zuerst beobachtet zu haben; er sah dafs diese Conferven, wenn sie ganz regelm\u00e4fsig in ein offenes Gef\u00e4fs hineingelegt waren, schon in einigen Tagen eine sehr unregelm\u00e4fsige Lage zeigten. Sie waren alsdann unregelm\u00e4fsig gewunden, bald nach Rechts bald nach Links, bald nach Oben und bald nach Unten, und sie versuchten an den W\u00e4nden des Gefafses, worin sie lagen, hinaufzusteigen. Gruithuisen glaubte diese Erscheinung durch die feinen H\u00e4rchen erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen, welche an der \u00e4ufse-ren Fl\u00e4che dieser Conferven sitzen sollten, ja Paul von\n*) Grundlehren etc. pag, 263.\n**) Nova Acta. Acad. C. L. C. Tom. XT.","page":566},{"file":"p0567.txt","language":"de","ocr_de":"567\nSchrank*) stimmt hierin sogar bei, indem er dieselben h\u00e4ufig bemerkt haben will. Bei dem Allen sind diese H\u00e4rchen auf der Oberfl\u00e4che dieser Conferven sicherlich nicht im nat\u00fcrlichen Zustande vorhanden, und die Ursache ihrer Bewegungen mufs in den F\u00e4den selbst gesucht werden.**) Die Bewegung der Spirogyra princeps ist in der That sehr auffallend; es vermag sich der ganze Faden, dessen L\u00e4nge oft sehr bedeutend ist, zu einer vollkommenen Spirale zusammenzuziehen, und die Windungen einer solchen zusammengezogenen Conferve liegen dann so nahe neben einander, dafs ein Faden von 8 \u201410 Zoll L\u00e4nge oftmals bis zu einer L\u00e4nge von 4 \u2014 6 Linien zusammengezogen werden kann. Im Monate December, bei 12 \u201415\u00b0 R. Stubenw\u00e4rme, zog sich ein Faden von 6 Zoll L\u00e4nge in Verlauf von 7 Stunden ganz vollkommen zusammen. Gr\u00f6fsere W\u00e4rme zeigte keine Beschleunigung der Bewegung und ebenso wenig Einflufs zeigte K\u00e4lte. F\u00e4den die 6\u20148 Tage lang vollkommen im Eise eingeschlossen waren, wurden dadurch nicht get\u00f6dtet, ja die Spiralform blieb ihnen, sie konnten nur mit einiger Gewalt auseinander gezogen werden, und bei dem Nachlasse dieser Gewalt sprangen die F\u00e4den abermals zusammen, doch nicht mehr so vollkommen als fr\u00fcher.***) Wenn das eine Ende eines solchen\nUeber die Oscillatorien \u2014 Schrift, d. Akad. d. Wissenschaften zu M\u00fcnchen 1813.\n**) Anmerkung. Wenn man die Spirogyren in grofser Menge in einem Gef\u00e4fse mit Wasser liegen l\u00e4fst, so wird man um die Zeit, wenn sie sich durch F\u00e4ulmfs aufzul\u00f6sen anfangen, sehr h\u00e4ufig sehen, dafs die noch nicht zerst\u00f6rten Individuen auf ihrer ganzen Oberfl\u00e4che mit kleinen und sehr feinen haarartigen K\u00f6rperchen bekleidet sind, welche wohl zu obigen Angaben Veranlassung gegeben haben m\u00f6gen; indessen diese haarf\u00f6rmigen K\u00f6rperchen geh\u00f6ren nicht zur Pflanze, sondern sitzen parasitisch auf der Oberfl\u00e4che derselben und sind meistens die Anf\u00e4nge von jenen Organismen, welche neuerlichst zur Aufstellung einer eigenen Gruppe von Spirillenartigen Thierchen Veranlassung gegeben haben.\n***) S. meine Abhandlung \u00fcber das Genus Sprogyra Lk. Lin-naea von 1827 pag. 420.","page":567},{"file":"p0568.txt","language":"de","ocr_de":"568\nBadens befestigt ist, so windet sich nur das freiliegende Ende, aber nicht mehr so vollkommen spiralf\u00f6rmig, und liegen mehrere F\u00e4den neben einander, so geschieht die Zusammenringelung nur sehr unvollkommen und unregel-m\u00e4fsig, so dafs die Masse ein so unregelm\u00e4fsiges Ansehen zeigt, wie es schon Gruithuisen beschrieb. Legt man eine grofse Masse dieser Conferven in einen flachen Teiler und begiefst sie ganz mit Wasser, so wird man nach einigen Tagen sehen, dafs sich eine Menge von F\u00e4den an dem Rande des Tellers emporheben, und 4, 5 und selbst 8 Linien hoch \u00fcber die Oberfl\u00e4che des Wassers steigen, sich dabei etwas kr\u00e4useln und zugleich an der Spitze dieser emporgehobenen F\u00e4den absterben. Ich sah mitunter, dafs sich die einzelnen F\u00e4den der Spirogyra an den W\u00e4nden der Teller bis 1 und Zoll \u00fcber die Oberfl\u00e4che des Wassers hinaufgezogen hatten ; ich glaubte anfangs diese Bewegung einer blofsen Attraction der W\u00e4nde des Ge-f\u00e4fses zuschreiben zu d\u00fcrfen,*) doch ich finde jetzt, dafs sich diese Erscheinung niemals bei anderen Conferven zeigt, was doch wohl der Fall sein m\u00fcfste.\nDiese Bewegungen der Spirogyren sind offenbar als automatische anzuerkennen; sie sind aber einfacher als die der Oscillatorien; bei diesen herrscht eine gr\u00f6fsere Mannigfaltigkeit (ich m\u00f6chte fast Willkiihr sagen), bei den Spirogyren dagegen zeigt sich nur ein Winden zu der den Pflanzen so allgemein zukommenden Spiralrichtung.\nEndlich habe ich noch an die Bewegungen zu erinnern, welche eine Menge der niedrigsten Algen zeigen, die von der Art sind, dafs man sie nicht nur als freie oder thierische Bewegungen bezeichnet hat, sondern man hat diese kleinen Gew\u00e4chse sogar f\u00fcr Thiere erkl\u00e4rt, um auf diesem Wege aller Erkl\u00e4rung \u00fcber die Ursache ihrer Bewegung \u00fcberhoben zu sein.\n\u00a5) S. Linnaea etc. II. pag. 419.","page":568},{"file":"p0569.txt","language":"de","ocr_de":"569\nt\nSiebentes Capitel.\nAllgemeine Betrachtungen \u00fcber die Ursache der Bewegungen bei den Pflanzen.\nWir haben eine grofse Reihe von Erscheinungen kennen gelernt, welche oftmals mit den Bewegungen der Thiere die auffallendste Aehnlichkeit hatten'und kommen nun zur Erkl\u00e4rung derselben.\nEmpfindung und freie oder willk\u00fchrliche Bewegungen h\u00e4lt man noch immer fiir die characteristischen Merkmale der Thiere und beide Erscheinungen, sowohl die Empfindungen als die willk\u00fchrlichen Bewegungen, werden durch die Nerven ausgefiihrt, deren wirkende Th\u00e4tigkeit von dem Gehirne und dem R\u00fcckenmarke ausgeht. Die thierischen Bewegungen erfolgen nicht, blofs durch Wirkungen des Reizes auf reizbare Theile, sondern, wie Herr J. M\u00fcller sagt, aus inneren Bestimmungen von nicht beweglichen Theilen, den Nerven, auf bewegliche, und alle diese Bewegungen werden durch Zwecke veranlafst, welche ein einzelnes Organ, n\u00e4mlich das Organ der Seelen\u00e4ufserung bestimmt, und, dieses Organ ist das Gehirn- und R\u00fcckenmark. Auch die Empfindung kommt bei den Thieren nur in demjenigen Organe zum Bewufstsein, welches den Seelen\u00e4ufserungen vorsteht.\nWollen wir nun die Bewegungen, welche die Pflanzen auf so mannigfache Weise zeigen, mit jenen der Thiere vergleichen, so m\u00fcssen wir auch zu beweisen suchen, dafs sie aus einem und demselben Bewegungsprincipe abzuleiten sind.\nNach einer Organisation, wie sie in den vollkommensten Thieren vork\u00f6mmt, wo Muskeln und Nerven als vollst\u00e4ndig getrennte Gebilde auftreten, d\u00fcrfen wir bei den Pflanzen nicht mehr suchen, sie haben weder Nerven noch Muskeln, welche mit den gleichnamigen Gebilden der h\u00f6he-","page":569},{"file":"p0570.txt","language":"de","ocr_de":"570\nren Thiere zu vergleichen w\u00e4ren; aber bei den niederen Thieren, als den wahren Infusorien, den Planarien u. s. w. denen man sowohl freie Bewegungen als Empfindungen zuschreiben mufs, verh\u00e4lt es sich ganz anders. Hier kann von getrennt auftretenden Muskeln und Nerven, wie sie bei den h\u00f6heren Thieren erscheinen, nicht die Rede sein, wenngleich man auch kr\u00e4ftige Gr\u00fcnde hat, dafs auch den niedersten Thieren Nerven oder wenigstens Nervensubstanz zukommt. Aber sicherlich fehlen diesen Thieren die Centralorgane des Nervensystemes, von welchen aus das Nervenprincip verbreitet wird, die man auch als die Organe oder den Sitz des psychischen Principes ansieht, und dennoch zeigen diese niederen Thiere nicht nur freie und willk\u00fchrliche Bewegungen, sondern offenbar auch Empfindung, wozu Bewufstsein erforderlich ist; ja man kann, wie schon Herr J. M\u00fcller*) sehr treffend sagt, Polypen und W\u00fcrmer, wie Naiden und Nereiden selbst durch Theilung ihres K\u00f6rpers vermehren, und jedes St\u00fcck derselben zeigt jseinen eigenen Willen und seine besonderen Begehrungen, woraus zu folgern ist, dafs das psychische Princip in diesen niederen Thieren \u00fcber einen grofsen Theil der Materie derselben ausgebreitet und mit dieser zugleich theilbar ist.\nHieraus geht nun aber auch hervor, dafs man die Ansichten \u00fcber die n\u00e4chsten Ursachen der willk\u00fchrlichen Bewegungen und der Empfindung in den Thieren nicht immer von der Organisation der h\u00f6heren Thiere ableiten darf, und dafs man auch berechtigt ist die Erscheinungen der Bewegungen, welche die Pflanzen zeigen, mit denen der niederen Thiere zu vergleichen, welche ebenso wie die Pflanzen keine besonderen Nerven, keine besonderen Muskeln und ebenfalls keine besonderen Centralorgane des Nervensystemes besitzen.\nDie meisten Botaniker haben die Bewegungen, welche\n*) Handbuch der Physiologie des Menschen. II. Abtheil. 1834. pag. 817.","page":570},{"file":"p0571.txt","language":"de","ocr_de":"571\ndie Pflanzen zeigen, von einer Reizbarkeit oder einer Irritabilit\u00e4t abgeleitet, welche den Pflanzen eigen sein soll; ja R. Treviranus *) kam zu dem Ausspruche, dafs die Irritabilit\u00e4t der Gew\u00e4chse ganz den Character der thieri-schen Erregbarkeit zeige, nur sei das, was f\u00fcr die Thiere die Nerven sind, f\u00fcr jene das Licht, denn dieses unterhalte die Reizbarkeit der Pflanzen; andere Gelehrte haben dagegen den Ausspruch gethan, dafs die Pflanzen zwar reizbar seien, aber nicht empfindlich, etwa wie die Muskeln.\nIndessen betrachten wir die uns vorliegenden That-sachen, welche im Vorhergehenden \u00fcber die Bewegungen bei verschiedenen Pflanzen speciell er\u00f6rtert wurden, so werden wir zu dem Schl\u00fcsse kommen m\u00fcssen, dafs bei den Pflanzen ebenfalls nicht nur eine Reizbarkeit anzunehmen ist, sondern dafs auch ein bewegendes Princip in denselben vorhanden ist, durch dessen Einflufs die Bewegungen hervorgebracht werden. Ein Centralorgan, von welchem etwa diese bewegende Kraft ausgehen k\u00f6nnte, ist bei den Pflanzen nicht vorhanden, ja es zeigt sich, wie bei den niederen Thieren, dafs die Pflanzen getheilt werden k\u00f6nnen, und dafs die Kraft den einzelnen Theilen anh\u00e4ngend bleibt. Schneidet man z. B. im Juli oder im August einzelne Aeste der Sinnpflanze ab und setzt dieselben in Wasser, so erheben sie sich in einiger Zeit und zeigen wieder ihre Bewegungen, wenn man aber im September, selbst die kr\u00e4ftigsten Sinnpflanzen nahe der Wurzel abschneidet, so zeigen sie schon in einigen Minuten vollst\u00e4ndige Erschlaffung und nur sehr selten gelingt es, dafs sich diese kr\u00e4ftigen Pflanzen im Wasser wieder erheben.\nWir haben viele Thatsachen kennen gelernt, aus welchen hervorgeht, dafs die Pflanzentheile nicht nur durch \u00e4ufsere Reize zu Bewegungen veranlafst werden, sondern, dafs diese Bewegungen auch aus inneren Ursachen erfolgen; es ist aber gewifs sehr irrig, wenn man diese Be-\n*) Biologie, I. pag. 295\u00bb","page":571},{"file":"p0572.txt","language":"de","ocr_de":"572\nwegungen durch den Einflufs oder durch den Mangel des Lichtes erkl\u00e4ren will, denn das Licht hat auf alle Bewegungen der Pflanzen nur mittelbaren Einflufs. Und darf man die Zweckm\u00e4fsigkeit der Bewegungen bei den Pflanzen l\u00e4ugnen, wenn man sieht, dafs sich die Geschlechts-Organe derselben auf so mannigfache Weise bewegen um die Befruchtung auszufiihren. Wie darf man es wagen diese Erscheinungen als eine Folge allgemeiner Reizbarkeit erkl\u00e4ren zu wollen, da hier in den meisten F\u00e4llen keine von Aufsen hinzutretenden Reize vorhanden sind, welche diese Bewegungen veranlassen. Ich glaube hierin noch mehr sehen zu d\u00fcrfen, als blofse Bewegungen, veranlafst durch ein leitendes Princip, denn die Zweckm\u00e4fsigkeit bei den Vorg\u00e4ngen der Pflanzenbefruchtung ist so grofs, dafs man schon daraus auf ein psychisches Princip schliefsen darf, welches der Pflanze einwohnen mufs. Unser verehrter Hufeland sagte schon in seiner sch\u00f6nen Arbeit \u00fcber das Hedysarum gyrans, dafs es schwer zu entscheiden sein m\u00f6chte, ob die Venus-Fliegenfalle (Dionaea) bei dem Fangen der Fliegen, oder ob der Armpolyp bei dem Einfangen seiner Nahrung dabei mit mehr Verstand zu Werke gehen m\u00f6chte.\nDie Beobachtungen, welche ich \u00fcber die Bewegungen der Sinnpflanze mitgetheilt habe, zeigen wohl zu deutlich, dafs diese Bewegungen durch eine bewegende Kraft ausgef\u00fchrt werden, welche in ihrem Verlaufe verfolgt werden kann, und in mancher Hinsicht mit der motorischen Kraft der Nerven zu vergleichen ist. Bei den h\u00f6heren Thieren zeigt sich die Wirkung der motorischen Nerven nur von den Centralorganen ausgehend und sich nach der Peripherie verbreitend, aber niemals r\u00fcckw\u00e4rts wirkend; bei den Pflanzen dagegen wird die bewegende Kraft vorw\u00e4rts und r\u00fcckw\u00e4rts geleitet, ja sie springt, wenn sie einmal erregt ist, von dem einen Conductor auf den unmittelbar daneben liegenden \u00fcber und verbreitet sich auch hier vorw\u00e4rts und r\u00fcckw\u00e4rts, wie es diejenigen Versuche an der Sinnpflanze erwiesen, wo die Spitze eines einzelnen Fiederbl\u00e4ttchens","page":572},{"file":"p0573.txt","language":"de","ocr_de":"573\nverletzt wurde und der dadurch entstandene Reiz sich nicht nur \u00fcber die dazu geh\u00f6rige ganze Fieder r\u00fcckw\u00e4rts erstreckte, sondern auch auf die anliegenden Fiedern \u00fcbersprang und sich in diesen vorw\u00e4rts fortpflanzte. Auch diese Erscheinung wird bei der Nerventh\u00e4tigkeit der h\u00f6heren Thiere, wo die Nervensubstanz in einzelnen Fasern verl\u00e4uft, nicht beobachtet; hier wird die Th\u00e4tigkeit stets nur von den einzeln gereizten Fasern fortgeleitet und springt nie auf die daneben liegenden \u00fcber. Betrachten wir aber in dieser Hinsicht diejenigen niederen Thiere, welche sich durch Theilung vermehren lassen, so werden wir wohl gleichfalls annehmen k\u00f6nnen, dafs bei diesen die bewegende Th\u00e4tigkeit, welche durch irgend einen \u00e4ufseren Reiz erregt wird, sich nicht nur vorw\u00e4rts, sondern auch r\u00fcckw\u00e4rts bewegt, und um so mehr, da wir bei diesen von einer bestimmten Spitze der Centralorgane oder der Organe f\u00fcr das psychische Princip noch durchaus gar nichts wissen.\nHerr J. M\u00fcller *) brannte die blofsgelegten Nerven der Fr\u00f6sche und Kaninchen mit einer Lichtflamme und sah sogleich die heftigsten Zuckungen in den dazu geh\u00f6rigen Muskeln eintreten. Aehnliche Erscheinungen zeigte die Sinnpflanze, denn brannte ich ihre Stengel unfern der Wurzel, so zogen sich die Gelenke der Blattstiele in dem Stengel und dessen Aeste zusammen und die Bl\u00e4tter wurden dadurch gesenkt, w\u00e4hrend sich die Bl\u00e4ttchen erhoben (S. pag. 527.), doch geschieht hier die Wirkung nicht so schnell wie bei den Thieren, sondern der bewegende Reiz pflanzt sich nach einer gewissen Regel von einem Blatte zum anderen fort. Und brannte ich das \u00e4ufserste Blattp\u00e4rchen eines Fieders dieser Pflanze, so pflanzte sich die durch den Reiz erregte motorische Kraft ebenfalls nach einer gewissen Regel (S. pag. 525.) r\u00fcckw\u00e4rts und wiederum vorw\u00e4rts fort. Ja wenn die Pflanze, wie z. B. bei niederer Temperatur (15 \u201416\u00b0R.) nicht recht reizbar ist,\n*) I. c. pag. 595,","page":573},{"file":"p0574.txt","language":"de","ocr_de":"574\nso geschieht die Fortpflanzung der motorischen Kraft so langsam, das man dabei mehrere interessante Momente wahrnehmen kann. Man sieht n\u00e4mlich, dafs die Contraction der Gelenke, wodurch die Bl\u00e4tter niedersinken, oder die Fiederbl\u00e4ttchen sich aufrichten, dafs diese um so langsamer erfolgt, um so weniger reizbar die Pflanze ist, ja man sieht zuweilen, dafs die Contraction allm\u00e4lich und dabei immer stofsweise erfolgt, woraus man vielleicht schliefsen k\u00f6nnte, dafs die motorische Kraft, indem sie mit dem zu bewegenden Tbeile in Action tritt, noch nicht stark genug ist, um die Reizung vollst\u00e4ndig auszuf\u00fchren, dafs aber diese Kraft, wenn sie in einem Theile erst erregt ist, immer nachstr\u00f6mt.\nSo wie bei den Thieren jede Reizbarkeit durch oft und schnell aufeinander wiederholte Reizung ersch\u00f6pft und wiederum durch andere Reize erh\u00f6ht werden kann, so sehen wir es auch bei den Pflanzen in Hinsicht ihrer Be wegungen. Wenn man eine kr\u00e4ftige Sinnpflanze brennt (S. pag. 526.), so zieht sie alle ihre Bl\u00e4tter zusammen und bleibt oft 5, 6 bis 8 Stunden lang in diesem Zustande, und wiederholt man diese Versuche mehrmals hintereinander, sobald sich die Bl\u00e4tter wieder ausgebreitet haben, so pflegt schon nach dem dritten und vierten Versuche alle Reizbarkeit der Pflanze ersch\u00f6pft zu sein; mir sind die meisten Sinnpflanzen nach diesem Versuche gestorben, obgleich nur einige der \u00e4ufsersten Blattp\u00e4rchen angebrannt waren, demnach der Tod hier nur durch zu heftige Reizung erfolgt sein kann.\nMindere Grade von W\u00e4rme sind dagegen als das vorz\u00fcglichste Reizmittel anzusehen, welches die Reizbarkeit der Sinnpflanze, wie auch aller \u00fcbrigen, sogenannten reizbaren oder sensibeln Pflanzen erh\u00f6ht; eine anhaltende Tem-paratur von 24 \u2014 26\u00b0 R. steigert die Reizbarkeit dieser Pflanzen zu einem hohen Grade, wobei die Fortleitung der bewegenden Kraft in Folge einwirkender Reize oft so schnell wie bei den Thieren erfolgt. Ich sah an hohen und kr\u00e4ftigen Sinnpflanzen, die Zuckungen der Bl\u00e4tter fast","page":574},{"file":"p0575.txt","language":"de","ocr_de":"575\naugenblicklichst erfolgen, als ich die dazu geh\u00f6rigen Holzb\u00fcndel nahe der Wurzel und 20 Zoll von jenen Bl\u00e4ttern entfernt mit einem scharfen Rasirmesser einschnitt. Ich habe mehrere Personen gesehen, welche solchen Versuchen beiwohnten und dabei heftig aufgeregt wurden, denn bei den dabei eintretenden Erscheinungen liegt die Annahme zu nahe, dafs die Sinnpflanze empfinde, wenn gleich es sich nicht erweisen l\u00e4fst, dafs ihr Bewufstsein zukommt. Indessen, wie ich glaube, so verh\u00e4lt es sich bei den niederen Thieren wohl ganz ebenso, und sehen wir kr\u00e4ftige Sinnpflanzen in ihrem Vaterlande, welche ihre Bl\u00e4tter Zusammenlegen, wenn die Erde, in welcher sie wachsen, etwas ersch\u00fcttert wird, so wie die Polypen eines ganzen Rasens der Alcyonella stagnorum sich augenblicklichst zusammenziehen, wenn der Teller, worauf sie liegen ersch\u00fcttertwird, so wird es gewifs schwer fallen, ja unm\u00f6glich sein zu erweisen, dafs die Polypen hiebei mehr Bewufstsein zeigen als die Sinnpflanzen; mir scheint es, dafs beiden ziemlich gleichviel davon zukomme. Und sehen wir, dafs sich Pflanzen und Thiere an solchen Reizen, wenn sie lange anhalten, gew\u00f6hnen k\u00f6nnen (S. pag. 481 u. 519.) so wird uns die Uebereinstimmung in ihrer sensitiven Sph\u00e4re immer klarer vor Augen treten. Die Erscheinungen des Schlafes der Pflanzen, so wie das Oeflnen und Schlie-fsen der Bl\u00fcthen, welche wir im Vorhergehenden kennen gelernt haben, h\u00e4ngen nur mittelbar von dem Einfl\u00fcsse des Lichtes ab und sind also Bewegungen, welche aus inneren Ursachen und zweckm\u00e4fsig erscheinen, was doch nur erfolgen kann, wenn wir den Pflanzen etwas psychisches Princip zu erkennen, wodurch diese zweckm\u00e4fsigen Erscheinungen geleitet werden.\nDas Hedysarum gyrans bietet ferner die merkw\u00fcrdige Bewegung der kleinen Bl\u00e4ttchen dar (S. pag. 555.), welche sich ganz aus innerer Ursache, also ohne alle \u00e4ufsere Reizung in best\u00e4ndiger Bewegung befinden; diese Bewegung wird nur durch Einwirkung der allgemeinen Lebensreize, als die W\u00e4rme bef\u00f6rdert, und auch die galvanische Electri-","page":575},{"file":"p0576.txt","language":"de","ocr_de":"576\ncit\u00e2t vermag diese Bewegungen zu beschleunigen. Die Bewegung dieser Bl\u00e4ttchen verh\u00e4lt sich \u00e4hnlich der Bewegung des Herzens bei den Thieren; auch diese wird durch den Einflufs des Nervensystemes bedingt, sie ist als eine freie oder willkiihrliche Bewegung anzusehen, und dennoch unterliegt sie nicht dem Willen des Individuums. Wer sagt uns denn, ja wer kann es beweisen, dafs es sich mit der Bewegung der kleinen Bl\u00e4ttchen des Hedy-sarum\u2019s anders verhalte?\nEs giebt also thierische Bewegungen, ja es giebt Muskelbewegungen, welche dem Willen des Seelenorganes nicht unterworfen sind, und ich glaube, dafs viele der Bewegungen an Pflanzen auf eine \u00e4hnliche Weise zu erkl\u00e4ren sind; sie erhalten ihre Veranlassung, d. h. den Reiz, welcher die Bewegung bewirkt durch eine, der Nerven-th\u00e4tigkeit der Thiere \u00e4hnlich wirkende Kraft, ohne dafs dabei ein freier Wille oder ein Bewufstsein der Pflanze anzunehmen n\u00f6thig ist.\nEs ist in der neueren Zeit wohl sehr bestimmt nachgewiesen, dafs die Irritabilit\u00e4t der Muskelfaser, wie sie sich Haller dachte, nicht vorhanden ist; die Irritabilit\u00e4t der Muskelfaser ist vielmehr nichts weiter als deren Reizbarkeit, welche auf den Einflufs der Nervenkraft reagirt und dadurch Zusammenziehungen veranlafst, und \u00e4hnlich m\u00f6chte es sich auch wohl bei den Pflanzen verhalten; dieselben zeigen eine gewisse Reizbarkeit, welche durch die Erregung einer eigenen, der Nerventh\u00e4tigkeit der Thiere \u00e4hnliche Kraft zur Reaction veranlafst wird.\nDie Bewegungen der Geschlechts-Organe, welche die Pflanzen bei der Befruchtung zeigen, sind schon in der That von der Art, dafs wir zur Ausf\u00fchrung derselben ein gewissesReflectionsverm\u00f6gen derPflanzen annehmen m\u00fcssen, wenn wir aber die freien Bewegungen der Oscillatorien und anderer niederer Pflanzen (S. pag. 564.) betrachten, so bleibt wohl nichts \u00fcbrig, als diesen Gesch\u00f6pfen eine Art von Willen zuzuerkennen, welcher die Aeufserung eines psychischen Principes ist, ja von den Bewegungen","page":576},{"file":"p0577.txt","language":"de","ocr_de":"577\nder Saamen der niederen Pflanzen, so wie von den Bewegungen der Saamenthierchen, wollen wir hier noch gar nicht sprechen, denn \u00fcber die Ursache deren Bewegungen ist es eigentlich noch unm\u00f6glich irgend ein Bild zu fassen.\nEiner der geistreichsten Botaniker unserer Zeit, Herr v. Martius *) hat k\u00fcrzlich die Annahme einer Pflanzenseele zu erweisen gesucht, eine Ansicht, welche freilich bei der gr\u00f6fsten Menge der Botaniker noch keinen Eingang findet, aber Herr v. Martius ist dabei sicherlich nicht zu weit gegangen, denn er selbst macht darauf aufmerksam, wie auch die thierischen Gestalten so tief herabsinken, dafs alle Eigenschaften des Thierlebens darin erl\u00f6schen, dagegen die pflanzlichen Lebens\u00e4ufserungen hervortreten; und wie umgekehrt in den h\u00f6her entwickelten Pflanzenformen Erscheinungen auftreten, welche dem Thierleben angeh\u00f6ren, als die vielfach verschiedenen Bewegungen, so bei den Pflanzen beobachtet werden. Das Tbierleben und das Pflanzenleben scheinen keinesweges so scharf von einander getrennt zu sein, daher man denn auch nicht nur den Thieren eine Seele zusprechen und den Pflanzen absprechen kann. Auch das vorherrschende Wachsen und die Fortpflanzung der Gew\u00e4chse scheint zu zeigen, dafs sie dem Kreise starrer Nothwer.digkeit entr\u00fcckt sind, und man m\u00fcsse daher in denselben eine Art von Vorausbestimmung, eine Richtung auf das Ideelle, somit ein h\u00f6heres Lebens-princip, eine Seele erkennen. Die Seele der Pflanzen, sagt auch Herr v. Martius ist viel einfacher, als die der Thiere, ja sie trage eine dunkele, unklare Natur an sich. Die Pflanzenseele kann aber auch nicht mit der Menschenseele, oder mit der Seele der h\u00f6heren Thiere verglichen werden, sondern nur mit derjenigen der niederen und einfachsten Thiere. Man denke sich die Seele oder das psychische Princip der Planarien, Polypen, Infusorien u. s. w. dessen Dasein zu bestreiten, wahrlich keine positiven Gr\u00fcnde vorhanden sind, und denke sich nun das geistig belebende\nReden und Beitr\u00e4ge \u00fcber Gegenst\u00e4nde aus dem Gebiete der Naturforschung. Stuttgart und T\u00fcbingen. 1838.\nMeyen. PU. Physiol. 111.\n37","page":577},{"file":"p0578.txt","language":"de","ocr_de":"578\nPrincip einer Sinnpflanze, einer Oscillatorie il. s. w., so wird man die Annahme einer sogenannten Pflanzenseele nicht mehr l\u00e4cherlich finden d\u00fcrfen. Man betrachte nur den plastischen Vorgang bei der Befruchtung der Pflanzen und man wird einsehen, dafs so \u00fcberaus merkw\u00fcrdige Bewegungen, wie z. B. das Herabsteigen des Pollenschlauches durch den Styluscanal, der Verlauf desselben durch die H\u00f6hle des Ovarkmfis und der Eintritt des Pollenschlauches durch die Oeffnungen der Eyh\u00fcllen in das Innere des Nucleus, dafs dieses Bewegungen sind, welche complicirter, ja, wenn man sich so ausdr\u00fccken darf, geistreicher sind, als die Bewegungen so vieler niederer Thiere; wenigstens scheint die Bildung der Eyer bei den wahren Infusorien und einigen anderen Thieren viel einfacher ausgef\u00fchrt zu werden. Ja bei Allem, was man auch von der Begattung der wahren Infusorien gesagt hat, ist es mir in mehreren Fallen sehr klar geworden, dafs die Eyerbildung derselben mit der Sporenbildung im Inneren der Conferven grofse Uebereinstimmung zeigt.\nDa das Pflanzenleben gr\u00f6fstentheils nur plastisch bildend erscheint, so zeigen sich auch die Aeufserungen des psychischen Principes derselben nur wenig \u00fcber Wachsthumsph\u00e4nomene hinausgehend, oder die wesentliche Kraft, welche die Pflanze durchdringt und die Materie nach bestimmten, der Art und Gattung vorgezeichneten Gesetzen aneinanderreiht, welche der Pflanze die Form giebt und die Th\u00e4tigkeit jedes einzelnen Organes derselben bedingt; diese wesentliche Kraft kommt bei den Pflanzen nur in wenigen F\u00e4llen zu einer Ausbildung oder einer Entwickelung, dafs die Aeufserungen derselben mit den Aeufserungen des sensitiven Lebens der Thiere in Vergleich zu stellen sind, doch die Aeufserung von Absicht oder Zweck, ja selbst die Entwickelung der Mittel um Absicht oder Zweck zu erreichen, zeigt sich ziemlich allgemein im Pflanzenleben, und dieses m\u00f6chte hinreichen um zu beweisen, dafs wir die Pflanzen etwas n\u00e4her den Thieren zu stellen haben, als man es gew\u00f6hnlich zu thun pflegt.\n\u00ab","page":578},{"file":"p0579.txt","language":"de","ocr_de":"579\nAchtes Capitel.\nVon der Richtung* der verschiedenen Pflanzen theile.\nSomit komme ich schliefslich noch zur Betrachtung derjenigen Bewegungen der Pflanzen, welche man gew\u00f6hnlich als reine Wachsthums-Erscheinungen zu betrachten pflegt, worin aber doch, wie es mir scheint, \u00fcberall ein zweckm\u00e4fsig regelndes Princip zu erkennen ist, welches sich von seinen Aeufserungen durch \u00e4ufsere Reize nicht ablenken l\u00e4fst, und diese Erscheinungen sind folgende:\n1. Die Richtung der Wurzel und des Stengels\nder Pflanzen.\nEs ist eine allgemein bekannte Erscheinung, dafs die Pflanzen, sowohl die h\u00f6heren als die niederen, nach zwei einander entgegengesetzten Richtungen hin wachsen, und zwar w\u00e4chst der eine Theil nach Unten, dem Mittelpunkte der Erde zu, w\u00e4hrend der andere Theil gerade entgegengesetzt, n\u00e4mlich nach Oben, der Sonne zugewendet sich verl\u00e4ngert; diesen pflegt man den Stengel, jenen die Wurzel zu nennen. Dieses Wachsen der Wurzeln nach Unten und des Stengels nach Oben, ist so constant, dafs es immer wiederkehrt, wenn man auch die Pflanze umkehrt und also die genannten Theile in eine entgegengesetzte Richtung bringt. Defshalb haben die Naturforscher aller Zeiten dieser so eigent\u00fcmlichen Erscheinung ihre Aufmerksamkeit gewidmet, ja man hat dieselbe, besonders in diesem Jahrhundert, vollst\u00e4ndig erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen geglaubt, w\u00e4hrend es doch noch Niemanden in den Sinn gekommen ist erkl\u00e4ren zu wollen, wefshalb bei den Thieren das Kopf- und Schwanzende ebenfalls in entgegengesetzter Richtung gestellt ist. Man hat unendlich viel \u00fcber den fraglichen\n37 *","page":579},{"file":"p0580.txt","language":"de","ocr_de":"580\nGegenstand geschrieben ; eine Erkl\u00e4rung verdr\u00e4ngte die andere, und man hat selbst diejenigen Naturforscher heftig angegriffen, welche sehr wohl erkannten, dafs eine solche Erscheinung nicht zu erkl\u00e4ren ist. Eine sehr reichhaltige historische Darstellung der Arbeiten \u00fcber diesen Gegenstand findet man in Herrn De Candolle\u2019s Pflanzen-Physiologie *), welche aber durch Herrn Roeper\u2019s verschiedenartige Zus\u00e4tze \u00fcber diesen Gegenstand, in der von ihm gegebenen Uebersetzung jenes Werkes, noch brauchbarer gemacht ist.\nTh. A. Knight **) stellte Versuche mit keimenden Saamen an, um die Ursache zu ermitteln, durch welche die Wurzel nach Unten und die Stengel der keimenden Pflanze nach Oben wachse; diese Versuche haben grofse Ber\u00fchmtheit erlangt, doch sollen \u00e4hnliche Beobachtungen schon fr\u00fcher von John Hunter angestellt worden sein. Bei den Versuchen von Knight wurden Saamen von verschiedenen Pflanzen auf den Speichen eines Rades befestigt, welches in vertikaler Richtung durch das Wasser eines reifsenden Baches in Bewegung gesetzt wurde, so dafs es etwa 150 Umdrehungen in der Minute ausf\u00fchrte. Durch diese Vorrichtung sollte der Einflufs der Schwere aufgehoben werden, wenn diese etwa auf die Richtung der Wurzeln Einflufs aus\u00fcben m\u00f6chte. Die Beobachtung ergab, dafs an allen, auf jenem Rade keimenden Saamen, die Wurzeln nach Aufsen und die Stengel nach dem Mittelpunkte des Rades hin gerichtet waren. Hierauf brachte Knight noch ein horizontal laufendes Rad von 11 Zoll Durchmesser an, welches 250 Umdrehungen in der Minute ausf\u00fchrte und liefs auch auf diesem Rade Saamen der Bohne keimen. Der Versuch ergab, dafs sich die W\u00fcrzelchen der keimenden Bohne, nur um 10 Grad von der Horizontale nach Unten abwendeten, w\u00e4hrend sich die Sten-gelchen ebenfalls nur 10 Grad nach Oben hin richteten;\n*) Buch IV. Cap. V.\n\u00a5*) Philos. Transactions f. 1806. I. pag. 99 etc. Uebers. in Treviranus Beitr\u00e4ge zur Pflanzenphysiologie, pag. 191.","page":580},{"file":"p0581.txt","language":"de","ocr_de":"581\nwenn aber die Geschwindigkeit der Bewegung dieses Rades nachliefs, so senkten sich auch die W\u00fcrzelchen immer mehr nach Unten, so dafs sie bei 80 Umdrehungen des Rades schon in einem Winkel von 45 Graden standen. Aus diesen Thatsachen zog Herr Knight den Schlufs, dafs die Richtung der Wurzel und des Stengels durch eine \u00e4ufsere Ursache und nicht durch eine der Pflanze inwohnende Kraft bedingt werde, und erkl\u00e4rte die Schwerkraft, wo nicht als das einzige Agens, doch als das vornehmste, dessen sich die Natur dabei bediene. Diese Erkl\u00e4rung \u00fcber die Ursache in der Richtung der Wurzeln und des Stengels der Pflanzen fand denn auch so allgemeinen Beifall, dafs sie von dem gr\u00f6fsten Theile der Naturforscher angenommen worden ist, und dennoch ist es so leicht dieselbe als g\u00e4nzlich ungen\u00fcgend darzustellen^ was denn auch schon von verschiedenen Seiten her geschehen ist. Auch betrachte man die Resultate jener Versuche etwas vorurteilsfreier und man wird finden, dafs sie nur sehr wenig erweisen; ich brauche nicht einmal specieller auseinander zu setzen, dafs die Beobachtungen von dem horizontal verlaufenden Rade gar nichts erweisen, was jene Ansicht rechtfertigen k\u00f6nnte.\nSp\u00e4ter hat Herr Dutrochet *) jene Knight\u2019schen Versuche wiederholt und die Resultate derselben best\u00e4tigt, giebt aber eine Erkl\u00e4rung der Ursache, durch welche Wurzel und Stengel nach entgegengesetzter Richtung zu wachsen veranlafst werden, welche ebenso wenig haltbar ist. Ich habe schon bei einer anderen Gelegenheit (pag. 498) von den kr\u00fcmmenden Kr\u00e4ften der verschiedenen Gewebe der Pflanzensubstanz gesprochen, welche nach einer, durch Herrn Dutrochet aufgestellten Hypothese, \u00fcberall die Kr\u00fcmmungen und Bewegungen erkl\u00e4ren sollen, und diese, mei-stentheils auf unrichtigen Thatsachen beruhende Hypothese, soll denn auch erkl\u00e4ren k\u00f6nnen, wefshalb die WTurzel nach\n*) Recherch. s. 1. struct, int. etc. pag- 146 und Ann. des sciene. nat. XXIX. pag. 413\u2014435. 1833.","page":581},{"file":"p0582.txt","language":"de","ocr_de":"582\nUnten und der Stengel nach Oben wachse. Die Ursache jener Erscheinung wird in der Structur der Pflanze gesucht, doch die Pr\u00e4missen jener Erkl\u00e4rung sind so wenig mit der Natur \u00fcbereinstimmend, dafs ich defshalb die ganze Erkl\u00e4rung \u00fcbergehen zu k\u00f6nnen glaube.\nK\u00fcrzlich trat auch Herr y. Kielmeyer *) gegen die Erkl\u00e4rung des fraglichen Gegenstandes aus \u00e4ufseren Ursachen auf; er kam aus der Betrachtung der vorhandenen Beobachtungen zu dem Schl\u00fcsse, dafs den Pflanzen eine nach Polen hin wirkende Kraft einwohne, welche sich in denselben gleichsam aus sich selbst erneuere, und in dem Magnetismus und der Electricit\u00e4t ein Analogon finde. Diese Kraft k\u00f6nne h\u00f6chstens als ein Sammelplatz verwandter coagirender Kr\u00e4fte betrachtet werden, und da sie sich auch in allen thierischen Gebilden offenbart, so k\u00f6nne sie mit dem Namen der urspr\u00fcnglich organischen oder organisirenden Kraft bezeichnet werden. Nimmt man nun an, dafs die Richtung der Wurzel und des Stengels das Resultat der Wirkung jener Kraft ist, so wird man auf die, dem Erdk\u00f6rper angeh\u00f6rige, ebenfalls nach Polen hin wirkende Kraft, den Magnetismus, aufmerksam werden m\u00fcssen, indem es denkbar w\u00e4re, dafs sich die freundschaftlichen Pole dieser dem Erdk\u00f6rper und der Pflanze einwohnenden Kr\u00e4fte anz\u00f6gen, daher die Wurzel nach der Erde und die Stengel nach entgegengesetzter Richtung hin wachse.\nUnter allen nat\u00fcrlichen Verh\u00e4ltnissen wachsen die Wurzeln keimender Pflanzen nach Unten und die Stengel nach Oben; m\u00f6ge man sie in feuchter Luft, im Wasser oder in der Erde wachsen lassen, nur mechanische und unbezwingbare Hindernisse sind im Stande die Richtung an den genannten Theilen abzulenken, doch stellt sich dieselbe immer auf dem k\u00fcrzesten Wege wieder her. Die einfachsten Versuche k\u00f6nnen diese Angabe best\u00e4tigen, und\n*) Bericht \u00fcber die Versammlung deutscher Naturforscher und Acrzte zu Stuttgart im September 1834. Stuttgart 1835. pag.58u.s.w.","page":582},{"file":"p0583.txt","language":"de","ocr_de":"583\nman hat denn auch deren schon sehr viele beschrieben. Nimmt man keimende Bohnen, deren Wurzeln 1 bis 1| Zoll L\u00e4nge erreicht haben aus der Erde, ihrem nat\u00fcrlichen Standorte heraus, und legt man sie unter eine Glasglocke auf feuchtes Moos in entgegengesetzter Stellung, so dafs das W\u00fcrzelchen nach Oben und das Stengelchen nach Unten gerichtet ist, so wird man schon am folgenden Tage beobachten k\u00f6nnen, dafs sich das W\u00fcrzelchen mehrere Linien unterhalb der Spitze kr\u00fcmmt, und diese Kr\u00fcmmung wird so vollkommen, dafs endlich die Wurzelspitze wieder perpendikul\u00e4r nach Unten w\u00e4chst ; alle W urzel\u00e4ste, welche sich sp\u00e4ter entwickeln, neigen sich allm\u00e4lich nach dem Boden. So wie sich bei diesem Versuche die Wurzeln nach Unten richten, so steigen die Stengel wieder nach Oben empor. An solchen einfachen \\ ersuchen m\u00f6ge man die Erkl\u00e4rung der Erscheinung nach Knight\u2019s und Dutrochet\u2019s Hypothesen versuchen und man wird finden, dafs sie ganz unzureichend sind, ja bei denselben ist noch auf eine Erscheinung zu achten, welche ganz besonders gegen Herrn Dutrochet\u2019s Erkl\u00e4rung spricht; man beobachtet n\u00e4mlich, dafs die Kr\u00fcmmung der Wurzel jedesmal an der, dem Lichte abgewendeten Seite stattfindet, und man kann doch sicherlich nicht annehmen, dafs gerade an dieser, ganz zuf\u00e4lligen Stelle die Structur verschieden ist von derjenigen der angrenzenden Punkte. Zuweilen f\u00fchrt man wohl Versuche an, welche dennoch beweisen sollen, dafs sowohl Wurzel als Stengel unter gewissen Verh\u00e4ltnissen dennoch nach entgegengesetzter Richtung hin wachsen k\u00f6nnen; Herr De Candolle setzte z. B. eine Hyacinthen-Zwiebel mit der Spitze nach Unten in ein mit Wasser gef\u00fclltes r\u00f6hrenf\u00f6rmiges Glas und bedeckte die Wurzeln mit einem nassen Badeschwamme. Der Blumenstiel trieb und bl\u00fchte im Wasser, obgleich er genau nach Unten gerichtet war, was also als ein Beispiel gegen das sogenannte Knight sehe Gesetz anzusehen w\u00e4re, indessen dieser Schlufs ist, wie ich glaube, nicht so ganz richtig, denn zwischen einem solchen Bliithenschafte, der meistens aus einer Achsillarknospe","page":583},{"file":"p0584.txt","language":"de","ocr_de":"584\nhervorgeht und dem wahren Stengel ist ein sehr grofser Unterschied vorhanden. Aber am wenigsten darf man jene entgegengesetzte Richtung des Bliithenschaftes mit Herrn De Candolle dadurch erkl\u00e4ren wollen, dafs das Gewebe desselben im Wasser weich geworden war und schon verm\u00f6ge seines eigenen Gewichtes herabsank. Man macht gegenw\u00e4rtig nicht selten den Versuch, dafs man zwei Hyacinthen-Zwiebeln in entgegengesetzter Richtung auf einander setzt und in Wasser oder in einem Blument\u00f6pfe zur Entwickelung kommen l\u00e4fst. Der Bl\u00fcthenschaft an der, mit der Spitze nach Unten gerichteten Zwiebel w\u00e4chst hier nach Unten, ganz wie im obigen Falle, wenn man aber die Erde von den Wurzeln abnimmt, so findet man, dafs auch die Wurzeln dieser unteren Zwiebel nach Unten gewachsen sind. Endlich hat man auch wohl die sogenannten Trauerb\u00e4ume als Beispiele aufgef\u00fchrt, dafs die Stengel mancher Pflanzen auch in entgegengesetzter Richtung wachsen k\u00f6nnen; die Trauerweide und die H\u00e4nge-Esche sind dergleichen, bei uns bekannte B\u00e4ume, deren Zweige sehr lang sind und eine perpendikul\u00e4re Richtung nach Unten annehmen. Wenn man auch diese eigenthiim-liche Erscheinung bei der Trauerweide ganz mechanisch erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen glaubt, indem man annimmt, dafs die langen und biegsamen Zweige dieses Baumes durch ihr eigenes Gewicht zu Boden gezogen werden, so kann diese Erkl\u00e4rung wenigstens nicht bei der H\u00e4nge-Esche gelten, denn deren Zweige sind fest genug um auch aufrecht wachsen zu k\u00f6nnen, und dennoch wachsen die Zweige dieser Spielart gerade in entgegengesetzter Richtung. Vielleicht k\u00f6nnte man diese Erscheinung gegen die Erkl\u00e4rung anwenden, welche Herr v. Kielmeyer \u00fcber die Ursache der bestimmten Richtung der Wurzel und des Stengels der Pflanzen gegeben hat; mir scheint es wenigstens, als spr\u00e4che dieses gegen jene Erkl\u00e4rung. Auch wird kaum noting sein die Bemerkung hinzuzuf\u00fcgen, dafs das Herabwachsen derAeste bei den Trauerb\u00e4umen ebenso wenig durch die Annahme einer gewissen Lichtscheue","page":584},{"file":"p0585.txt","language":"de","ocr_de":"585\nerkl\u00e4rt werden kann, wie es Herr Dutrochet versucht hat, denn es m\u00f6chte noch schwerer sein einzusehen, wefshalb die Zweige dieser B\u00e4ume gerade an Lichtscheue leiden.\nEs ist eine allgemein bekannte Erscheinung, dafs die Stengel und die Zweige der Pflanzen nicht nur nach Oben wachsen, sondern dafs sich dieselben auch dem Lichte zuwenden, w\u00e4hrend sich die Wurzel, wie ich es vorhin pag. 583 anf\u00fchrte, vom Lichte abwendet. Dieses Wachsen des Stengels und der Aeste nach dem Lichte hin, ist mitunter h\u00f6chst bewunderungsw\u00fcrdig; so sieht man nicht selten, dafs Kartoffeln in tiefen und dunkeln Kellern gegen den Sommer zu, Stengel treiben, welche sich stets den Oeffnungen zuwenden, durch welche das Licht in den Keller f\u00e4llt, und so lange fortwachsen, bis dafs sie den Ort erreichen, der unmittelbar beleuchtet wird. Man hat dergleichen Stengel der Kartoffel von 20 Fufs L\u00e4nge beobachtet, w\u00e4hrend diese Pflanze sonst, selbst unter den g\u00fcnstigsten Verh\u00e4ltnissen, kaum 3 bis 4 Fufs hohe Stengel treibt. Es ist interessant den Weg genauer zu betrachten, welchen der Stengel einer solchen im Dunkeln wachsenden Kartoffel nimmt, um endlich das Lichtloch zu erreichen. Der Stengel versucht sich dem Lichte auf dem k\u00fcrzesten Wege zu n\u00e4heren, da er aber nicht fest genug ist um f ohne Unterst\u00fctzung quer durch die Luft zu wachsen, so f\u00e4llt er zu Boden und kriecht auf diese Weise bis zur n\u00e4chsten Wand, an welcher er alsdann emporsteigt *).\n*) Anmerkung. Wir sehen also hier, dafs das Wachsthum des Stengels nicht nur nach Oben, d. h. in einer der Wurzel entgegengesetzten Richtung erfolgt, sondern auch, dafs eine gewisse Zweckm\u00e4fsigkeit dabei nicht zu verkennen ist. Der Stengel wird hier so \u00fcberaus lang um an den Ort zu gelangen, wo er in nat\u00fcrlichen, ihm zukommenden Verh\u00e4ltnissen sich weiter entwickeln kann, und ganz \u00e4hnliche zweckm\u00e4fsige Bewegungen sehen wir denn auch in der Richtung und der Entwickelung der Wurzel\u00e4ste, welche sich nach denjenigen Seiten des Bodens hinziehen, wo sie vorzugsweise Fl\u00fcssigkeit finden, was man bald als eine willk\u00fchrliehe Bewegung der Pflanzen angesehen , bald von der besseren Beschaffenheit","page":585},{"file":"p0586.txt","language":"de","ocr_de":"586\nWas die Kartoffel im dunkeln Keller in einem so hohen Grade zeigt, das sehen wir auch an B\u00e4umen und Str\u00e4u-chern in W\u00e4ldern und G\u00e4rten nur minder deutlich; die Erscheinung war schon lange bekannt, doch hat man fr\u00fcher meistens die frische Luft als die Ursache derselben angesehen.\nAuch diese Neigung des Stengels nach dem Lichte zu Zuwachsen, hat man von \u00e4ufseren Verh\u00e4ltnissen abzuleiten gesucht, doch alle diese Erkl\u00e4rungen sind g\u00e4nzlich ungen\u00fcgend. Herr De Candolle \u201c*') glaubt die Erscheinung dadurch erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen, dafs er annimmt, dafs diejenige Seite einer Pflanze, weiche dem Lichte ausgesetzt ist, mehr Kohlenstoff in ihrem Gewebe bindet und dadurch schneller fest wird, w\u00e4hrend die andere Seite weniger schnell fest wird, wodurch die Fasern daselbst l\u00e4nger werden sollen als auf der beleuchteten Seite, und die Folge hievon w\u00e4re dann die Kr\u00fcmmung auf der beleuchteten Seite. Man beobachte nur den Stengel einer im finsteren Keller wachsenden Kartoffel und man wird sich sicherlich \u00fcberzeugen, dafs jene Erkl\u00e4rung nicht nur rein hypothetisch, sondern auch ganz und gar unzureichend ist.\nIn Bonnet\u2019s reichhaltigen Untersuchungen \u00fcber den Nutzen der Bl\u00e4tter findet sich eine ausgezeichnete Abhandlung, welche von der Richtung und dem Herumdrehen der Bl\u00e4tter so wie von dem senkrechten Stande der St\u00e4mme und der ihnen eigenen Art sich wieder aufzurichten handelt; der Gegenstand ist darin fast ersch\u00f6pfend behandelt\ndes Bodens abgeleitet li\u00e2t. Ja wir sehen die \"Wurzeln aus den Seiten der St\u00e4mme und derAeste hervortreten, wenn man dieselben lange Zeit hindurch mit einem feuchten K\u00f6rper in Ber\u00fchrung bringt und bei dem Allen w\u00e4re es ebenso unrichtig, wollte man hier die Richtung der Wurzeln durch eine Anziehung von Seite der Feuchtigkeit erkl\u00e4ren, wie wenn man die Richtung der Stengel durch eine Anziehung des Lichtes zu erkl\u00e4ren suchte.\n*) Phys, v\u00e9g\u00e9t. II. pag, 832.\nS","page":586},{"file":"p0587.txt","language":"de","ocr_de":"587\nund nur durch Herrn Dassen*) sind neuerlichst noch einige neue Beobachtungen hinzugef\u00fcgt. Dodart**) hatte schon die Bemerkung gemacht, dafs sich die Spitzen der Aeste von umgeworfenen Fichten zuriickbeugten und dann wieder in senkrechter Richtung auftraten. Diese und andere Beobachtungen veranlafsten Bonnet zur Aufstellung vielfacher Versuche \u00fcber diesen Gegenstand, er beugte den Stengel verschiedener Pflanzen nieder, so dafs die Spitze gerade nach Unten zu stehen kam, wobei die Befestigung durch einen Faden geschah. Der erste Versuch der Art geschah mit einer Pflanze des Bingelkrautes (Mercurialis), und schon 1 nach Verlauf von 2 Tagen hatte sich die Spitze des Stengels dieser Pflanze wieder nach Oben emporgerichtet; man beobachtet also auch hier ein ganz \u00e4hnliches Verh\u00e4ltnifs, wie an den jungen Stengeln keimender Saamen, wenn man [ dieselben verkehrt einsetzt Die Umbeugung des Stengels erfolgt an krautartigen Pflanzen schneller als an festen und stark verholzten, und sie erfolgt schneller bei hoher als bei niederer Temperatur, daher denn dergleichen Versuche im Juni und Juli besser gelingen, als zur Herbstzeit. Werden diese Versuche in freier Luft angestellt, so wird man beobachten, dafs die Biegung des Stengels stets dem Lichte zugewendet erfolgt, aber Bonnet stellte sie auch in mehr * oder weniger finsteren R\u00e4umen an, wobei sich die Stengel zwar ebenfalls emporhoben, aber es geschah nach ganz verschiedenen Richtungen. Die Umbeugung des Stengels geschieht unter Wasser ganz ebenso, als in gew\u00f6hnlicher Luft.\nHerr Dassen ging auf die Entscheidung der Frage n\u00e4her ein, durch welche Ursache diese Umbeugung des Stengels der Pflanzen veranlafst wird, und glaubt die Ursache in den Bl\u00e4ttern gefunden zu haben, welche ebenso constant mit der einen Fl\u00e4che dem Lichte zu und mit der\n*) Onderzoek aangaande de Bladbewcgingen, die met door aan-zwelingen ontstaan. \u2014 Tijdschrift voor Natuurlyke Geschiedeuis eil Fhys. 1837. IV. I. 2. pag. 106 \u2014 131.\nM\u00e9m. de FAcadem. Royale des Scienc. de 1700,","page":587},{"file":"p0588.txt","language":"de","ocr_de":"588\nanderen Fl\u00e4che vom Lichte abstehen, wie sich Stengel und Wurzel an dem keimenden Saamen verhalten. Herr Dassen beobachtete n\u00e4mlich, dafs sich dergleichen umgebogene Aeste nicht wieder emporrichteten, wenn ihnen die Bl\u00e4tter abgenommen waren, und zog daraus den Schlufs, dafs diese es sind, welche durch ihr eigenth\u00fcmliches Verhalten den Stengel emporrichten; indessen ich habe Beobachtungen der Art gemacht, welche mit jenen Angaben nicht iibereinstimmen, und kann defshalb dieser Ansicht des Herrn Dassen nicht beistimmen. Ich machte meine Beobachtungen an den jungen Stengeln der Bohne und der Erbsen und sah, dafs sich die Enden der umgebogenen Stengel ebenfalls und sehr schnell emporhoben, wenn ihnen auch die Bl\u00e4tter abgeschnitten waren, aber die Spitze des Stengels darf nicht abgeschnitten sein.\n2. Die Richtung der Bl\u00e4tter.\nSo mannigfaltig auch die Richtung der Bl\u00e4tter an verschiedenen Pflanzen ist, so findet man dennoch fast immer, dafs die Bl\u00e4tter mit der einen Fl\u00e4che nach Oben, dem Lichte zu, und mit der anderen Fl\u00e4che nach Unten, der Erde zu gestellt sind, und diese Stellung ist um so bestimmter, je gr\u00f6fser die Verschiedenheit in der Structur der beiden Fl\u00e4chen des Blattes ist. Wird diese nat\u00fcrliche Stellung der Bl\u00e4tter k\u00fcnstlich abge\u00e4ndert, indem man n\u00e4mlich entweder ganze Aeste aus ihrer nat\u00fcrlichen Stellung bringt, oder auch nur die einzelnen Bl\u00e4tter in ihrer Lage ver\u00e4ndert, so wird man alsbald beobachten, dafs sich diese Bl\u00e4tter bem\u00fchen eine \u00e4hnliche Stellung anzunehmen, wie sie ihnen im nat\u00fcrlichen Zustande zukam, damit wieder die eine Fl\u00e4che nach Oben und die andere Fl\u00e4che nach Unten gerichtet werde. Bonnet hat auch diesem Gegenst\u00e4nde seine Aufmerksamkeit gewidmet und eine sehr grofse Reihe von Beobachtungen \u00fcber denselben angestellt.\nWir haben in den beiden ersteren Theilen dieses Buches die Verschiedenheiten kennen gelernt, welche die bei-","page":588},{"file":"p0589.txt","language":"de","ocr_de":"589\nden Blattfl\u00e4clien in Hinsicht ihrer Structur und ihrer Function zeigen, und sind im Allgemeinen zu dem Resultate gekommen, dafs die untere Blattfl\u00e4che der Transpiration und der Respiration vorsteht, w\u00e4hrend die obere Blattfl\u00e4che es ist, welche, durch den Einflufs des Sonnenlichtes, die Zersetzung und Bindung des Kohlenstoffes aus der Kohlens\u00e4ure der Luft zu bewirken scheint. Nun lehrt die Beobachtung, dafs Bl\u00e4tter, welche umgekehrt und in der Art eingezw\u00e4ngt sind, dafs sie sich nicht wieder umdrehen k\u00f6nnen, dafs diese zuerst alle m\u00f6gliche Versuche machen um sich umzukehren, und dafs sie endlich, wenn dieses nicht gelingt wirklich absterben; die Ursache dieses Absterbens ist uns aber eigentlich unbekannt geblieben.\nBonnet bog die Zweige vieler Pflanzen aus ihrer nat\u00fcrlichen Richtung und beobachtete ? dafs sich die Bl\u00e4tter in allen F\u00e4llen sehr bald umkehrten, so dafs sie wieder ihre nat\u00fcrliche Stellung zeigten; ja in einem Falle hat er den Versuch 14 mal hintereinander wiederholt und das Umdrehen der Bl\u00e4tter zeigte sich immer von Neuem. Die gestielten Bl\u00e4tter verrichten ihre Umwendung fast ganz allgemein durch eine blofse Drehung der Blattstiele, welche zuweilen noch mit einer Kr\u00fcmmung begleitet ist. Die Bl\u00e4tter der Kr\u00e4uter kehren sich schneller um, als die der B\u00e4ume, und die Umdrehung geschieht bei warmem und hellem Wetter schneller, als bei kaltem und nassem Wetter. Bonnet, welcher hier\u00fcber die ersten Beobachtungen angestellt hat, sah dafs sich die Bl\u00e4tter einer Weinranke bei k\u00fchlem und schlechtem Wetter erst nach 4 Tagen umdrehten, w\u00e4hrend sie sich bei sch\u00f6nem und warmem Wetter schon in 2 Tagen umwendeten. Ja die Bl\u00e4tter einer Malve nahmen bei heifsem Sonnenscheineschon nach Verlauf von 2 Stunden ihre nat\u00fcrliche Lage wieder ein. Aber je \u00f6fter diese Versuche wiederholt werden, um so mehr Zeit gebrauchen die Bl\u00e4tter um die Umdrehung auszuf\u00fchren; so drehten sich die Bl\u00e4tter der Weinrebe erst in 8 Tagen um, als mit ihnen der Versuch zum 6ten Male wiederholt wurde, und der Erfolg solcher h\u00e4ufig wiederholten","page":589},{"file":"p0590.txt","language":"de","ocr_de":"590\nVersuche war, dafs die Bl\u00e4tter auf der unteren Seite vertrockneten und am Stiele schwarz wurden. Die Umdrehung der Bl\u00e4tter ist besonders sch\u00f6n an B\u00e4umen mit h\u00e4ngenden Aesten zu verfolgen, und am sch\u00f6nsten sah ich es bei der Hange-Esche, an deren Aesten die \u00e4ufsersten Bl\u00e4tter vollkommen umgewendet sind, und diese Umdrehung ist um so weniger vollst\u00e4ndig, je n\u00e4her die Bl\u00e4tter derjenigen Stelle stehen, an welcher sich der Ast umdreht.\nMan erkannte sehr bald, dafs der Einflufs des Sonnenlichtes die Ursache jenes Umdrehens der Bl\u00e4tter zu sein scheint, und es wird auch einem Jeden, der sich Blumen im Zimmer zieht, bekannt sein, wie sich die Bl\u00e4tter der Pflanzen, mit ihrer oberen Fl\u00e4che, mehr oder weniger schnell nach dem Lichte hin wenden, so dafs sie dadurch ganz besondere Formen erhalten, wenn man nicht die T\u00f6pfe von Zeit zu Zeit umwendet. Die Erscheinung war den Naturforschern ebenfalls schon lange bekannt, und man bezeichnete sie mit dem Namen der Wendung (Nutation) der Bl\u00e4tter; sie ist viel auffallender bei krautartigen Gew\u00e4chsen, bei denen man mitunter wahrnehmen kann, dafs die Richtung ihrer Bl\u00e4tter dem t\u00e4glichen Laufe der Sonne folgt, wie es schon von Bonnet bei den Malven, dem Klee und der Meide beobachtet ist. Ja der Einflufs des Sonnenlichtes auf die Bl\u00e4tter ist so bedeutend, dafs die Bl\u00e4tter vieler Pflanzen w\u00e4hrend des Sonnenscheines auf ihrer oberen Fl\u00e4che eine Vertiefung erhalten, welche sich Abends und bei eintretendem Regen wieder verliert; ja Bonnet sah schon, dafs sich dergleichen Bl\u00e4tter in Folge eines sehr kalten und starken Thaufalles gerade nach der entgegengesetzten Seite hin kr\u00fcmmten, und kam dadurch auf eine Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung, welche heutigen Tages ebenfalls nicht mehr ausreicht. Bonnet meinte, man k\u00f6nne mit gutem Grunde annehmen, dafs die obere Seite der Bl\u00e4tter aus Fasern bestehe, welche sich bei der W\u00e4rme zusammenziehen, w\u00e4hrend die untere Seite der Bl\u00e4tter aus solchen Fasern zusammengesetzt ist, welche sich bei der Feuchtigkeit zusammenziehen! Aber","page":590},{"file":"p0591.txt","language":"de","ocr_de":"591\nbei dem Allen darf man nicht unbedingt die ganze Erscheinung von dem Einfl\u00fcsse des Sonnenlichtes ableiten wollen, oder gar eine anziehende Kraft des Lichtes gegen die Oberfl\u00e4che der Blatter annehmen, denn es ist sowohl Bonnet als Herrn Dassen und mir gegl\u00fcckt zu beobachten, dafs die Bl\u00e4tter sehr oft auch im Dunkeln ihre nat\u00fcrliche Richtung annehmen, wenn man sie vorher davon abgelenkt hat. Will man mit Herr Treviranus *) das Vertieft werden der Bl\u00e4tter durch die Anziehung des Sonnenlichtes erkl\u00e4ren, indem man annimmt, dafs sich der beweglichere Umfang des Blattes mehr zu n\u00e4hern vermag, so denke man 8 nur an den entgegengesetzten Fall, der bei feuchtem Wetter eintritt, und man wird die Unhaltbarkeit dieser Erkl\u00e4rung ebenfalls einsehen. Herr Dassen hat mit zuerst auf die Scheingr\u00fcnde besonders aufmerksam gemacht, welche die Gelehrten veranlafst haben die ganze Erscheinung der Blattrichtung unmittelbar vom Lichte abzuleiten; ja Herr Dassen stellte mehrere Beobachtungen an, aus welchen unmittelbar hervorgeht, dafs sich die Bl\u00e4tter verschiedener Pflanzen gerade nicht unter allen Verh\u00e4ltnissen dem Lichte zuwenden. Dieses Letztere kann man denn auch ganz gew\u00f6hnlich beobachten, wenn man besonders darauf achtet. Das Hedysarum gyrans ist z. B. eine Pflanze, de-\u2022i ren grofse Bl\u00e4tter besonders empfindlich gegen den Licht-einflufs sind, und dennoch kann man sehen, wenn ein Pfl\u00e4nzchen der Art am hellen Fenster steht, dafs gerade der gr\u00f6fste Theil der unteren Fl\u00e4che derjenigen Bl\u00e4tter, welche vom Fenster abgewendet stehen, vom Sonnenlichte beschienen wird. Man mache mir hier nicht etwa die Einwendung, dafs sich diese Bl\u00e4tter immer mehr emporheben, je h\u00f6her die Sonne steht, denn ich habe durch besondere Vorrichtungen bald die eine, bald die andere der Blattfl\u00e4chen bescheinen lassen und dabei gar keine Verschiedenheit wahrgenommen. Herr Dassen stellt aus seinen Beobachtungen den Scldufs auf, dafs das Licht ebenso wenig\n*) Physiologie d. Gew\u00e4chse. I. pag. 539.","page":591},{"file":"p0592.txt","language":"de","ocr_de":"592\ndie Ursache der Richtung der Bl\u00e4tter nach Oben ist ? als die Dunkelheit daran Schuld hat, dafs die W\u00fcrzelchen niederw\u00e4rts gerichtet sind, und dieser Ansicht stimme ich vollkommen bei. Die Bl\u00e4tter sind mit der einen Fl\u00e4che mehr nach Oben und mit der anderen Fl\u00e4che mehr nach Unten gerichtet, und diese Stellung ist ebenso unabh\u00e4ngig von \u00e4ufseren Einfl\u00fcssen, wie die Richtung der Wurzel und des Stengels; es sind dieses Erscheinungen, welche mit dem Wesen des Lebens der Pflanzen verbunden sind, und diese erkl\u00e4ren zu wollen scheint mir etwas sehr k\u00fchn. Wie wenig die Ausd\u00fcnstung der Bl\u00e4tter auf ihre Richtung und auf das Umdrehen derselben Einflufs haben kann, das m\u00f6ge man daraus sehen, dafs alle diese Erscheinungen in der Luft wie unter Wasser vor sich gehen.\n3. Das Winden des Stengels und einiger dazu geh\u00f6riger Theile.\nBei einer kleinen Anzahl von Gew\u00e4chsen, welche unter dem Namen der Schlingpflanzen bekannt sind, tritt der Stengel spiralf\u00f6rmig gewunden auf, w\u00e4hrend bei den Rankenpflanzen \u00e4hnliche Windungen an den fadenf\u00f6rmigen Theilen wahrgenommen werden, welche unter dem Namen der Ranken bekannt sind. Dieses Winden der Ranken und das der Schlingst\u00e4ngel ist eine sehr interessante Erscheinung, deren Erkl\u00e4rung man schon oftmals versucht hat, aber leider ohne vorher die Natur derselben genauer beobachtet zu haben. Erst in den Preisschriften der Herren Palm* *) und Mohl**) ist dieser Gegenstand von der richtigeren Seite aufgefafst dargestellt. Man sprach fr\u00fcher von dem Wunderbaren dieser Erscheinung, man schrieb diesen Pflanzen einen Instinkt zu, sich in ihrer Umgegend gleichsam umzusehen und nach einem Gegenst\u00e4nde\n\u00a5) Ueber das Wmden der Pflanzen. Stuttgart, 1827. 8.\n*\u00a5) Ueber den Bau und das Winden der Ranken und Schling-\npflanzen. T\u00fcbingen 1827. 4.","page":592},{"file":"p0593.txt","language":"de","ocr_de":"593\nzu suchen, den sie umklammern k\u00f6nnten; doch dieses ist gegenw\u00e4rtig beseitigt, und wir sehen in dieser Erscheinung nur noch die Ausf\u00fchrung zvveckm\u00e4fsiger Mittel, durch welche der lange und meistens sehr d\u00fcnne Stengel der Schlingpflanzen aufrecht zu wachsen im Stande ist.\nDie Schlingpflanzen winden sich sowohl um lebende, als um abgestorbene Pflanzen, so wie auch um anorganische Stoffe, und dieses Winden ihres Stengels geschieht bei den meisten Pflanzen nach der linken Seite, dagegen nur bei wenigen nach der rechten Seite; das erstere findet man z. B. bei den Gattungen, Cuscuta, Phaseolus, Do-lichos, Passiflora, Banisteria u. s. w., das letztere dagegen bei den Gattungen Humulus, Dioscorea, Lonicera, Polygonum u. s. w. Man kann als ziemlich allgemein g\u00fcltig den Satz aufstellen, dafs sich die Schlingpflanzen einer i und derselben Gattung in gleicher Richtung winden, ja es gilt dieses selbst f\u00fcr die Gattungen einer und derselben Familie, wovon bis jetzt nur eine Ausnahme, n\u00e4mlich die Gattung Abrus durch Herrn Mohl bekannt geworden ist, welche einen rechts gewundenen Stengel zeigt, w\u00e4hrend sich die \u00fcbrigen Leguminosen links winden. Das Winden der Ranken ist dagegen nicht so constant; man kann das Winden derselben bald rechts bald links veranlassen, je * nachdem man die St\u00fctze rechts oder links anlegt, ja es giebt Ranken, wie z. B. die der Gattung Bryonia u. s. w., welche sich um sich selbst rechts und links winden.\nIn dem Winden der Ranken und des Stengels der Schlingpflanzen findet jedoch ein sehr wesentlicher Unterschied statt, auf den besonders durch Herrn Mohl in der vorher genannten Schrift aufmerksam gemacht ist und dieser Unterschied besteht in Folgendem : Bei den Ranken tritt \\ das Winden erst nach Vollendung ihres L\u00e4ngenwachsthtimes auf, und zwar von der Spitze aus nach der Basis zu; bei den Schlingpflanzen dagegen wachsen die 3 \u2014 4 untersten Internodien des Stengels gerade, dann entwickelt sich ein Internodium, welches sich durch besondere L\u00e4nge und schnelles Wachsthum auszeichnet, und mit diesem Inter-Meyen. PH. Physiol. III.\t38","page":593},{"file":"p0594.txt","language":"de","ocr_de":"594\nnodium beginnt die Windung des Stengels von Unten nach Oben, also dem Verlaufe der Windungen bei dem Ranken gerade entgegengesetzt. Herr Mohl hat beobachtet, dafs an derjenigen Stelle, von wo aus die orste Windung beginnt, zuerst eine Drehung des Stengels um seine eigene Achse erfolgt, welche sich durch Ver\u00e4nderung in der Richtung der Holzb\u00fcndel zeigt und sich allm\u00e4lich immer weiter nach Oben erstreckt. Mit dieser Drehung des Stengels beugt sich derjenige Theil des Internodium\u2019s, welcher oberhalb dieses Punktes liegt zugleich etwas nieder, und wenn nun die Drehung des Stengels um seine Achse weiter fortgeht, so wird die Spitze des Stengels im Kreise umherbewegt und legt sich irgend einem K\u00f6rper an, der sich innerhalb des Kreises befindet, den die Spitze beschreibt. Diese letztere Erscheinung war es haupts\u00e4chlich, in welcher man ein Suchen der Pflanze nach einer St\u00fctze zu erkennen glaubte, und man mufs sich sogar noch wundern, dafs man in der Spitze des Schlingstengels nicht zugleich den Kopf der Pflanze zu sehen geglaubt hat, denn bei den Oscillatorien ist derselbe noch k\u00fcrzlich beschrieben worden. Erh\u00e4lt nun aber die Spitze des sich windenden Stengels keine St\u00fctze, so f\u00e4llt der Stengel durch seine eigene Schwere zu Boden, und die Drehung um seine Achse h\u00f6rt auf, bis dafs sich die Spitze wieder verl\u00e4ngert, aufrecht emporw\u00e4chst und eine neue Windung mit abermaliger Drehung um ihre Achse zu machen beginnt, was sich in der Folge immer wiederholt, mag der Stengel eine aufrechte St\u00fctze erhalten haben oder mag er sich auf der Erde bewegen.\nVon den vielen Theorien, welche aufgestellt sind um das Winden der Schlingpflanzen zu erkl\u00e4ren, werde ich hier nur einige der ber\u00fchmtesten auff\u00fchren, besonders um zu zeigen wie leicht man sich zu t\u00e4uschen vermag, wenn man Erscheinungen erkl\u00e4ren will, welche mit dem Wesen des Lebens im innigsten Zusammenh\u00e4nge stehen. Wie grofs der Einflufs des Lichtes auf die Richtung des Stengels ist, das haben wir im Vorhergehenden kennen gelernt; wir haben aber auch gesehen, dafs der Stengel seine Rieh-","page":594},{"file":"p0595.txt","language":"de","ocr_de":"595\ntung nach Oben auch im Finstern ausfiihrt, und so verh\u00e4lt es sich denn auch mit den Schlingpflanzen, deren Stengel sich im Dunkeln wie im Hellen ganz auf gleiche Weise winden. Herr Oken *) glaubt, dafs das Winden der Pflanze durch ein best\u00e4ndiges Fallen und Aufrichten eines Stengels erkl\u00e4rt werden k\u00f6nne, der zu schwach ist um aufrecht zu stehen, indessen dadurch w\u00e4re wohl ein wellenf\u00f6rmig gewundener Stengel zu erkl\u00e4ren, aber kei-nesweges ein spiralf\u00f6rmig gewundener; auch sehen wir an jedem gewundenen Stengel die Verdrehung seiner Holzhandel, was bei dieser Erkl\u00e4rung ganz \u00fcbersehen ist. Herr Dutrochet hat sich besonders viel mit der Auffindung der Ursachen besch\u00e4ftigt, welche das Winden und Kr\u00fcmmen der Pflanzenstengel bewirken sollen**); er leitet auch \u201e diese Erscheinung von der Th\u00e4tigkeit zweier Arten von i Gewebe ab, welche sowohl durch ihre Textur, als durch das Princip ihrer Th\u00e4tigkeit von einander verschieden sein sollen, und diese sind das Zellengewebe und das Fasergewebe. Das Zellengewebe solle sich durch Endosmose kr\u00fcmmen, das Fasergewebe dagegen durch F\u00fcllung mit Sauerstoffgas. Ja es wird, selbst durch sehr specielle Angaben \u00fcber die Structur verschiedener Schlingpflanzen die M\u00f6glichkeit erwiesen, wie sich dergleichen Kr\u00fcmmungen * \u00abnd Windungen des Stengels auf die angegebene Weise bilden k\u00f6nnen, doch bei dem Allen ist es nicht schwer zu erweisen, dafs Herr Dutrochet bei diesen Untersuchungen einen ganz falschen Weg eingeschlagen hat, er probt hiebei zwar die Natur, ob sie nach den von ihm gefafsten Ansichten handelt, und \u00fcbersieht dabei ganz was in der lebenden Pflanze vor sich geht.\nHerr Mold***) nimmt an, dafs der Stengel der Schlingpflanzen eine Reizbarkeit besitzt, welche durch Ber\u00fchrung\n*) Isis von 1832. pag. 803.\n*\u00a5) De la tendance des v\u00e9g\u00e9taux \u00e0 se diriger vers la lumi\u00e8re et de leur tendance \u00e0 la fuir. \u2014 M\u00e9m. p. s. a l\u2019hist. anat. et phys. des v\u00e9g\u00e9taux etc. II. pag. 115 \u2014162.\n***) I. c. pag. 112.\n38*","page":595},{"file":"p0596.txt","language":"de","ocr_de":"596\neines fremden K\u00f6rpers erregt wird, und diese Reizbarkeit komme auch den Ranken zu; er meint, dafs der, durch die Kreisbewegung an die St\u00fctze gelangte Stengel, an der Ber\u00fchrungsstelle zurBewegung gereiztwird, derselbe dr\u00fccke durch diese wieder neue Theile an die St\u00fctze und so wird nothwendig der Stengel spiralf\u00f6rmig um die St\u00fctze gewunden, da er sich best\u00e4ndig nach Oben verl\u00e4ngert. Bei den Ranken entwickele sich diese Reizbarkeit erst im ausgewachsenen Zustande, und dann reichen oft schon wenige Stunden hin um die Ranke zur Biegung zu bewegen. Die Ranken zeigen jedoch diese Reizbarkeit nur bei Ber\u00fchrung der unteren und der Seitenfl\u00e4chen, und es giebt Ranken, wie die des Weinstockes und Cissus hederacea, welche sich nach Knight\u2019s Entdeckung vom Lichte abwenden, also ein \u00e4hnliches Verhalten, wie der Stengel einiger Schlingpflanzen zeigen, als z. B. des Hopfens u. s. w. Herr Brunner *) hat sogar das Winden der Pflanzen nach verschiedenen Seiten hin, durch den verschiedenen Grad von Reizbarkeit zu erkl\u00e4ren gesucht, welcher denselben eigen ist; besitzt z. B. eine Pflanze hohe Reizbarkeit, so wird sie sich den fr\u00fcheren Strahlen der Sonne zuwenden und links eine St\u00fctze suchen, bedarf die Pflanze aber eines l\u00e4ngeren Einflusses des Lichtes, um sich zu einer Richtung zu bestimmen, so wird sich die Pflanze rechts winden. Diese Theorie wird haupts\u00e4chlich dadurch wiederlegt, dafs sich die Pflanzenstengel auch im Dunkeln winden, so wie auch dadurch, dafs sich die Stengel einiger Pflanzen dem Lichte abwenden. Indessen die Annahme einer Reizbarkeit, wodurch der Schlingstengel so wie die Ranke in Folge von Ber\u00fchrung mit fremden K\u00f6rpern zur Th\u00e4tigkeit bewegt wird, kann ebenso wenig die fragliche Erscheinung vollst\u00e4ndig aufkl\u00e4ren; ich m\u00f6chte wissen, wie man hiemit das Verhalten des spiralf\u00f6rmig gewundenen Bliithenstengels der Vallisneria erkl\u00e4ren will, wenn man es nicht vielmehr f\u00fcr die Entwickelung von Mittel h\u00e4lt, durch welche diese Pflanze in den Stand gesetzt wird ihre Bliithen befruchten zu lassen, und die Frucht wieder in der Tiefe zur Reife zu bringen; man mufs also, wie ich glaube, auch diese Erscheinungen als Aeufserungen des psychischen Principes ansehen, dessen Dasein ich schon im Vorhergehenden angedeutet zu haben glaube.\n*) Flora von 1837. Nro. 41.","page":596},{"file":"p0597.txt","language":"de","ocr_de":"Erkl\u00e4rung der Abbildungen auf beiliegenden\nTafeln.\n(Nach 350maliger Vergr\u00f6fserung gezeichnet, wenn dieselbe nicht noch besonders angegeben ist.)\nT a b. X.\nFig. 1., 3., 4. und 5. Darstellungen verschiedener Formen von Conferva rivularis L., an welchen die Structur, so wie der Inhalt derselben zu sehen ist. Der Inhalt der einzelnen Glieder zeigt sich als eine gr\u00fcngef\u00e4rbte weiche Masse, worin hie und da einzelne grofsere K\u00fcgelchen enthalten sind, welche \u00f6fters um die Zeit, wenn die Pflanze Sporen bildet, gr\u00f6fstentheils aus Amylum bestehen. In dem Gliede ab Fig. 3. sieht man zwei grofsere elliptische R\u00e4ume c und d, welche sich durch besondere Helle von dem Inhalte des Gliedes unterscheiden und in ihrer Mitte eine grofse Menge br\u00e4unlicher Bl\u00e4schen von ellipsoidischer Form enthalten, welche sich mit gr\u00f6fster Lebhaftigkeit bewegen, ganz ebenso, wie die \u00e4hnlichen K\u00f6rperchen in den Spitzen der Closterien. In solchen Conferven-Gliedern kommen \u00f6fters mehrere Hunderte jener Molek\u00fcle vor, und dafs hier die Bewegung derselben nicht etwa durch Cilien bewirkt wird, welche die Fl\u00e4che der H\u00f6hle bekleiden, das wird jedem vorurtheilsfreien Beobachter einleuchten. In Fig.5. ist in dem Gliede ab eine \u00e4hnliche H\u00f6hle bei e f, und in Fig. 1. zeigen sich in dem Gliede ab, dicht unter der Spitze, einige dergleichen K\u00f6rper, welche sich durch eigene Molekular-Bewegung der Hohle zu bilden anfangen, welche sp\u00e4ter so auffallend erscheint.\nIn Fig. 5. zeigt das Glied b c eine Menge von \u00e4hnlichen Molek\u00fclen, welche in sehr lebhafter Bewegung begriffen waren und dabei in solchen Bogenlinien verliefen, als in der Zeichnung angegeben sind. Ueber die Deutung dieser selbstbeweglichen Molek\u00fcle sehe man im Texte pag 450, 51 u. s. w.","page":597},{"file":"p0598.txt","language":"de","ocr_de":"598\nFig. 3. zeigt an dem einen Ende eines jeden Gliedes eine sehr auffallende geringelte Bildung; von f bis g ist dieselbe am aus-gebildetsten, und besteht daselbst in einer Verdickung der \u00e4ufseren Membran des Gliedes, welche sich zugleich mit ringf\u00f6rmigen Einschn\u00fcrungen darstellt. Die innere Membran scheint hiebei so bedeutend zusammengedr\u00fcckt zu sein, dafs sie selbst in das anstofsende Glied ab hineingeschoben ist, ganz wie es die Darstellung zeigt. Bei a, als an der Spitze des letzten Gliedes, ist diese Ringelung noch nicht sehr bedeutend, und bei a, an der Spitze des Gliedes in Fig. 1. zeigt sie sich in ihrem ersten Auftreten, so wie auch bei a Fig.5., wo sich die ganze Spitze verdickt hat und gleich einem H\u00fctchen erscheint, welches sich sp\u00e4ter ebenfalls abl\u00f6st, wie es in Fig. 6. ebendaselbst dargestellt ist. Am genauesten liefs sich diese Ringelbildung an einem Gliede eben derselben Conferva rivularis beobachten, welches in Fig. 4. nach st\u00e4rkerer Vergr\u00f6fserung dargestellt ist; hier erscheint die Substanz, welche die Ringelung bildet, als eine neue Bildung, welche die Membran des Conferven-Gliedes umh\u00fcllt. Bei e f zeigt sich eine starke Verdickung der Membran nach Innen, welche zugleich mit einer sehr eigent\u00fcmlichen Form begleitet ist. Der Inhalt der Glieder dieser in Fig. 4. dargestellten Conferve w*ar gr\u00f6fstentheils ausgetreten, nur in dem Gliede a b zeigte sich eine gr\u00f6fsere Kugel (Spore), welche bei g dargestellt ist, und in dem oberen Gliede, wovon in a h ein kleiner Theil dargestellt wurde, zeigte sich die gr\u00fcne Substanz in Form von feinen Streifen, weiche auf der inneren Flache der Membran, wie bei i befestigt waren.\nFig. 2. giebt eine Darstellung eines wellenf\u00f6rmig gewundenen Individuums der Conferva rivularis, eine Form, welche noch mehreren gegliederten Conferven zukommt.\nFig. 6. Eine keimende Spore der genannten Conferve; ab der Schlauch, c das verdickte H\u00fctchen, welches durch die Ausdehnung der Spore zur jungen Conferve (d e) von dem alten Gliede abgel\u00f6st wurde.\nFig. 7., 8. und 9. Junge eingliedrige Individuen eben derselben Conferve; die von Fig. 7 und 8. wuchsen frei im Wasser und entwickelten an dem einen ihrer Enden feine W\u00fcrzelchen; w\u00e4hrend das Pfl\u00e4nzchen in Fig. 9. mit dem Wurzelende fest safs.\nFig. 10. Darstellung einer Conferva bipunctata Auct. (Stellulina cruciata Link), welche seitlich die W\u00e4rzchen f, h, g und i zur Conjugation entwickelt.\nFig. 11. Ein anderes Exemplar eben derselben Conferve im Zustande der Conjugation, ab die eine Conferve und cd die andere Conferve. Bei g sind die W\u00e4rzchen noch nicht ver-","page":598},{"file":"p0599.txt","language":"de","ocr_de":"599\neinigt, dagegen sind die vier folgenden Glieder mit den Sporen m, m, m versehen, wor\u00fcber pag. 415 n\u00e4here Nachweisung gegeben ist.\nFig. 12. Darstellung der Sporen in einem conjugirten Exemplare der Spirogyra princeps Link, wozu pag. 423 n\u00e4here Beschreibung gegeben ist.\nFig. 13. zeigt die Bildung von Sporangien in einer Spirogyra ohne vorhergegangene Conjugation, und zugleich haben sich in diesen Sporangien noch kleinere Sporen gebildet, was aber nur ausnahmsweise vorkommt.\nFig. 14. und 15. Darstellungen der kettenf\u00f6rmigen Conjugation, wovon auf pag. 425 die Rede ist.\nFig. 16. und 17. Darstellungen der Sphaeroplea annulina (Com\n*\tferva annulina Roth.), wozu pag. 334 \u2014 336 die speciellste Nachweisung gegeben ist.\nFig. 18. und 19. Darstellungen der Fruchtbildung und der Rotations-Str\u00f6mungen bei Achlya prolif\u00e9ra Nees v. Es., wozu auf pag. 457 und 458 die genaueste Beschreibung gegeben ist.\nI Fig. 20. und 21. geben Darstellungen der Sporenbildung bei P\u00e9nicillium glaucum, welche durch Abschn\u00fcrung erfolgt. Das knief\u00f6rmige Hervortreten der Seiten\u00e4ste ist dieser Pflanze cha-racteristisch, und dennoch ist es in neueren Abbildungen g\u00e4nzlich \u00fcbersehen!\nFig. 22. Darstellung eines kleinen Exemplares von Saccharomyces cerevisiae, wozu auf pag. 455 die Beschreibung zu finden ist.\nFig. 23. Darstellung eines zur besonderen Spore angeschwollenen Gliedes der Conferva vesicata ; c d der angeschwollene Utriculus; f die gef\u00e4rbten K\u00fcgelchen in dem Inhalte desselben, und bei g, g, wie \u00fcberhaupt rund herum im Umfange des Utriculus, sah man kleine br\u00e4unliche Molek\u00fcle mit lebhafter Bewegung, welche sp\u00e4ter mit dem ganzen Inhalte verschmolzen und die Spore bildeten.\nFig. 24. Darstellung eines Sporen-tragenden Closterium\u2019s. ab die ganze Pflanze, worin eine Menge von grofsen Sporen f bis g enthalten sind, und noch zum Theil von der inneren zarten Membran umschlossen werden, welche sich von der\n*\taufseren Wand abgel\u00f6st hat. Einige dieser Sporen, wie bei i zeigen in ihrem Inneren kleinere Sporen, wie wir es auch bei der Spirogyra in a b und c d Fig. 13. kennen gelernt haben. Die Zahl dieser grofsen Sporen oder Sporenbeh\u00e4lter stimmt mit der Zahl der grofsen gr\u00fcnen K\u00fcgelchen \u00fcberein, welche sonst im Inneren des Closterium\u2019s, der Reihe nach gestellt, Vorkommen. An der vorliegenden Abbildung habe ich zugleich","page":599},{"file":"p0600.txt","language":"de","ocr_de":"600\ndas Vorkommen der selbstbeweglichen Molek\u00fcle, wie in der Spitze bei c angedeutet, welche aber mit dem \u00fcbrigen Inhalte der Pflanze verschmelzen, sobald es zur Saamenbildung kommt. An dem entgegengesetzten Ende habe ich noch eine selten vorkommende Bildung hineingezeichnet, n\u00e4mlich das abnorme Vorkommen von Amylum-K\u00fcgelchen in Stelle der beweglichen Molek\u00fcle; diese K\u00fcgelchen sind bei d angegeben und die Substanz e war wie gew\u00f6hnlich gr\u00fcngef\u00e4rbt. N\u00e4here Angaben \u00fcber diesen Gegenstand im Texte.\nFig. 25. und 26. geben Darstellungen von jungen Closterien, welche sich aus solchen H\u00e4ufchen von Sporen bildeten, wie\nwir sie bei i in der vorhergehenden Figur kennen gelernt haben. Trennen sich die Sporen, so wachsen sie einzeln, sonst aber zu 2, 3 und in noch gr\u00f6fserer Anzahl; sp\u00e4ter trennen sie sich aber und nehmen dann ganz gew\u00f6hnlich ihre regelm\u00e4fsige Gestalt an.\nFig. 27., 28. und 29. geben einige Darstellungen der Conferva glomerata um die Abschn\u00fcrung oder Selbsttheilung ihrer Glieder zu verdeutlichen, wor\u00fcber schon im zweiten Theile pag.346 die Rede war; die Abbildungen sind nach 200maligerVergr\u00f6fse-rung gemacht.\nln Fig. 27. ist d der junge Ast, welcher durch seitlichen Auswuchs des Schlauches b entstanden ist. In Fig. 28. sieht man schon, dafs die beiden jungen Aeste an ihren Enden Einschn\u00fcrungen zeigen, doch ist diese Art der Abschn\u00fcrung nur selten; gew\u00f6hnlich geschieht sie durch Bildung einer Querwand, wobei der Umfang des Gliedes nicht ver\u00e4ndert wird. In Fig. 29. ist der seitliche Ast a schon vollkommen abgeschn\u00fcrt.\nFig. oO. Darstellung eines Exemplares von Scenedesmus magnus mihi; die eine der mittleren Zellen zeigt Sporen, die Fortpflanzung durch Selbsttheilung ist jedoch die gew\u00f6hnliche.\nDieses Pfl\u00e4nzchen hat Herr Prof. Ehrenberg auch als Infu-sionsthierchen beschrieben, und gegen alle herk\u00f6mmlichen Gebr\u00e4uche, mit einem neuen Namen belegt, nachdem es von mir schon vor 10 Jahren beschrieben und abgebildet worden war, und selbst alle Botaniker, welche \u00fcber diesen Gegenstand geschrieben haben, diese Gattung als richtig anerkannt haben.\nFig. 31. Darstellung eines Euastrum\u2019s wie man es im Anf\u00e4nge des Sommers nicht selten in fliefsendem Wasser findet ; alle die K\u00fcgelchen, welche im Inneren desselben enthalten waren, wrnrden durch Jodine sch\u00f6n blau gef\u00e4rbt und bestanden also aus Amylum, was schon ganz allein hinreichend ist zu beweisen, dafs auch die Euastra zu den Pflanzen geh\u00f6ren.","page":600},{"file":"p0601.txt","language":"de","ocr_de":"601\nT a b. XI.\nFig. 1. Darstellung eines Pollenkornes von Corylus Avellana.\na,\ta, a die drei Oelfnungen der \u00e4ufseren Haut.\nFig. 2. Darstellung eines Pollenkornes eben derselben Pflanze, worin jedoch die innere Haut an denjenigen Stellen, wo an der \u00e4ufseren Haut die Oeffnungen a, a, a auftreten, zur\u00fcckge-\u00bb zogen ist, was durch die Lage in c, c, c dargestellt ist. Durch Einwirkung von S\u00e4uren bringt man diese Einbuchtungen der inneren Haut gew\u00f6hnlich zur Anlagerung an die innere Fl\u00e4che der \u00e4ufseren Membran, wo sie dann in den Punkten bei a, a, a durchbrechen.\n* Fig. 3. Pollenkorn aus der Anthere von Fritillaria imperialis,\netwa 12 Tage vor dem Aufbruche der Blume. Das Pollenkorn\na a ist \\on ellipsoidischer Form, von glatter Oberfl\u00e4che und\naus zwei H\u00e4uten gebildet, c, c, c grofsere Zellen mit ihren\nKernen, welche im Inneren des Pollenkornes auftreten, und 7\nb,\tb sind K\u00fcgelchen der spermatischen Substanz.\nFig. 4. Ein reifes Pollenkorn der Fritillaria imperialis, welches auf seiner ganzen Oberfl\u00e4che (c) mit kleinen K\u00fcgelchen bekleidet ist, die an der Seite, wie bei bb hervorragen, dd eine l\u00e4ngliche Zelle, die im Inneren des Pollenkornes enthalten ' und aus einer von den kugelf\u00f6rmigen Zellen hervorgegangen ist, welche mit c, c, c in Fig. 3. bezeichnet sind, ee dicht daneben, ist eine \u00e4hnliche ausgewachsene Zelle, worin der Kern f gelagert ist; sowohl diese Zelle, wie die kugelf\u00f6rmige in g g mit ihrem Kerne h, waren durch Zerdr\u00fccken der Pollenk\u00f6rner zum Vorscheine gekommen und dann sehr deutlich zu beobachten.\nFig. 5. Darstellung eines Pollenkornes von Juniperus communis, welches gleich nach der Ber\u00fchrung mit Wasser, eine Spalte (a b) in der \u00e4ufserenHaut erh\u00e4lt, durchweiche das darin sitzende Pollenkorn sogleich hervortritt.\nFig. 6. Dasselbe Pollenkorn von Fig. 5., nachdem es aus der \u00e4ufseren Haut hervorgetreten w7ar und durch Einsaugung von Wasser die Anschwellung der zweiten Haut a zeigte. Die Dicke dieser zweiten Haut bel\u00e4uft sich von a bis b, und die Masse derselben, welche mit c, c bezeichnet ist, erscheint als eine durchsichtige Gallerte, d zeigt die dritte oder innere Haut und e ist der Kern im Inneren des Pollenkornes, umgeben von Saamenthierchen und spermatischer Substanz.\nFig. 7 \u201410. Darstellungen verschiedener Pollenk\u00f6rner von Larix europaea, wozu die ausf\u00fchrlichere Beschreibung auf pag, 188","page":601},{"file":"p0602.txt","language":"de","ocr_de":"602\nund 189 gegeben ist. In Fig. 16. dicht daneben ist ein Theil eines solchen gew\u00f6hnlichen Pollenkornes bei sehr starker Ver-gr\u00f6fserung dargestellt, a b die \u00e4ufsere Membran, c d die mittlere Membran, wmran unmittelbar die zarte innere Membran k k und die Zelle g h befestigt sind, i i sind die Anf\u00e4nge der Seitenw\u00e4nde der zweiten Zelle, welche in Fig. 9. durch e f bezeichnet ist, und ef stellt die Spalte dar, welche in Fig. 9. als dunkeier Streifen bei b erschien.\nFig. 11. Darstellung eines Pollenkornes der Schlangengurke, aaa die \u00e4ufsere Membran; b b, b b, bb, die Poren des Pollenkornes, durch welche die innere Membran in Form von W\u00e4rzchen, wie bei c, c, c hervortritt. Bei sehr starker Ver-gr\u00f6fserung sieht man an den Poren eine Structur, wie sie in der Figur, dicht daneben dargestellt ist. e e ist die ganzeWand des Pollenkornes; ff der Rand der Pore, durch welche der Pollenschlauch g hervorkommt, und die Spalten bei h, h f\u00fchren auf die Zusammensetzung der Membran e e aus zwTei besonderen Schichten, so dafs also auch dieses Pollenkorn drei H\u00e4ute zeigt.\nFig. 12. Darstellung eines Pollenkornes von Geranium rotundi-folium; a a, a a, a a die drei Poren, aus welchen die innere Membran als beginnende Pollenschl\u00e4uche b, b, b hervortritt.\nc, c, c die durchscheinende Linie, welche den Verlauf der Fl\u00e4che der \u00e4ufseren und inneren Membran andeutet, w\u00e4hrend ddd den Rand der zeitigen Bildung zeigt, womit die ganze Oberfl\u00e4che der \u00e4ufseren Membran bekleidet ist, wie man es bei dd sieht. Die unterbrochenen Linien bei eee, werden durch die seitliche Ansicht der dem Rande zun\u00e4chst \u2018liegenden Schicht jener Zellen hervorgerufen, welche die ganze Oberfl\u00e4che decken.\nFig. 13., 14., 15. Darstellungen von jungen Pollenk\u00f6rnern der Oenothera biennis aus verschiedenen Entwickelungsstufen; in Fig. 13. ist noch nichts von einer zweiten Membran zu erkennen, welche schon in Fig. 14. sehr deutlich erscheint, und in Fig. 15. treten zuerst die drei Spitzen hervor, welche im ausgebildeten Zustande dieser Pollenk\u00f6rner so h\u00f6chst ausgezeichnet sind, wie z. B. in Fig. 18. In Fig. 15. ist das Zur\u00fccktreten der inneren Membran, wie bei d, d sehr auffallend.\nFig. 17. Zusammengewachsene Pollenk\u00f6rner von Orchis Morio; die vier einzelnen K\u00f6rner a, b, c und d verhalten sich in Hinsicht ihres Inhaltes sehr verschieden, derselbe zeigt sich in d als ein schaumartig gestalteter Schleim, w\u00e4hrend a mit spermatischen K\u00fcgelchen gef\u00fcllt ist u. s. w.","page":602},{"file":"p0603.txt","language":"de","ocr_de":"603\n\u00ab\nFig. 18. Darstellung eines ausgewachsenen Pollenkornes von Oenothera biennis.\na, h, c die drei warzenf\u00f6rmigen Hervorragungen, deren Spitzen sich \u00f6ffnen und die innere Membran hervortreten lassen.\nd die zweite oder mittlere Membran des Pollenkornes, und e f die \u00e4ufsere Membran desselben. Nachdem das Pollenkorn einige Zeit hindurch im Wasser gelegen hatte, saugte es so viel davon ein, dafs die Spitze c die Form erhielt, welche durch die Linie g angedeutet ist. Im Inneren des Pollenkornes sind einige Saamenthierchen und mehrere spermatische K\u00fcgelchen dargestellt, womit sonst die ganze H\u00f6hle gef\u00fcllt ist.\nFig. 19. zeigt eine einzelne Spitze eines solchen Pollenkornes, aus welcher die innere Membran zur Bildung des Pollenschlauches hervortritt. Man kann hier sehr deutlich die drei Membranen unterscheiden, welche die W\u00e4nde dieser Pollenk\u00f6rner bilden, a b die Schnittlinie, c d der Rand der Pore der \u00e4ufse-ren Membran; ef die mittlere Membran, deren Oeffnung in i k zu sehen ist und h der Schlauch der inneren Membran, welche die Oeffnungen der beiden \u00e4ufseren H\u00e4ute durchbricht, g ist der verdickte Rand, welcher in einer Verdickung der mittleren Membran besteht.\nFig. 20., 21. und 22. Darstellungen der Pollenk\u00f6rner von Pinus sylvestris, wozu auf pag. 171 und 187 eine specielle Beschreibung gegeben ist.\nFig. 23., 24. und 26. Darstellungen von Pollenk\u00f6rnern der Clarkia pulchella, wozu auf pag. 143 die speciellste Beschreibung gegeben ist.\nFig. 25. Ein Pollenkorn von Trillium erectum. a a die Wand des Pollenkornes; b b eine runde Zelle im Inneren des Pollenkornes und c der Kern dieser Zelle. Die H\u00f6hle des Pollenkornes ist mit spermatischer Substanz gef\u00fcllt und zeigt hie und da einige Oeltr\u00f6pfchen.\nFig. 27. Darstellung eines Pollenkornes der Oenothera biennis von dem Rande aus gesehen, a a zeigt die Dicke des Pollenkornes, welches wir in den fr\u00fcheren F\u00e4llen der Fl\u00e4che nach dargestellt haben, und b und c sind die grofsen warzenf\u00f6rmigen Hervorragungen, welche an ihren Spitzen Poren zeigen, wie bei d.\nEig. 28. Ellipsoidisches Pollenkorn von Ruellia barlerioides; ab die Spitzen und c, d und e die warzenf\u00f6rmig hervortretende innere Membran. Das Pollenkorn hat vier im Aequator sitzende Poren, welche gerade in der Mitte schmaler Falten gelagert sind. Die scheinbar zellige Bildung auf der Oberfl\u00e4che ist \u00fcberaus regelm\u00e4fsig gestellt.","page":603},{"file":"p0604.txt","language":"de","ocr_de":"604\nFig. 29. Ein reifes Pollenkorn von Campanula Medium; a, b und c sind die drei Poren mit verdickten R\u00e4ndern, welche diesen Pollenk\u00f6rnern regelm\u00e4fsig zukommen, und dd, dd, dd sind R\u00e4nder, welche durch Zur\u00fccktreten der inneren Membran gebildet werden, wie es z. B. in Fig. 15. bei d und d u. s. w. deutlicher zu erkennen ist.\nFig. 30. Pollenk\u00f6rner von eben denselben Pflanzen mit ausgebildeten Pollenschl\u00e4uchen, welche aus den Poren hervorgekommen sind; dadurch sind die H\u00f6fe dd, dd der vorigen Figur verschwunden, und die innere Membran hat sich auf die Linie de, fg, hi, zur\u00fcckgezcgen.\nFig. 31. Darstellung eines Pollenkornes der Cobaea scandens, welche freilich noch immer viel zu w\u00fcnschen \u00fcbrig l\u00e4fst; besonders hat der Kupferstecher ermangelt die Zeichnung sorgf\u00e4ltig genug auszuf\u00fchren.\na, a, a, a sind Poren, welche ziemlich regelm\u00e4fsig zerstreut auf der Oberfl\u00e4che awftreten; b, d, e, f, g und h sind zellenartige Felder, weiche um ein \u00e4hnliches Feld cc gelagert sind, worin die Pore a auftritt.\nk, k, i sind \u00e4hnliche Felder, welche dem Rande nahe liegen und ihre seitlichen Einfassungen mehr oder weniger deutlich zeigen. 111 bezeichnet diese Seitenw\u00e4nde des Feldes k noch specieller; oooo zeigt eine Kreislinie, welche den Umfang der Fl\u00e4che der \u00e4ufseren Membran dieses Pollenkornes angiebt und der Rand, welcher durch m m n bezeichnet ist, giebt nun die H\u00f6he der Seitenw\u00e4nde an, welche die zellenartigen Felder einschliefsen, deren Structur auf pag. 151 specieller beschrieben ist.\nFig. 32. Ein reifes Pollenkorn der K\u00fcrbifspflanze. Die Oberfl\u00e4che der \u00e4ufseren Membran ist mit Stacheln und dazwischen mit einer grofsen Anzahl kleiner punktf\u00f6rmiger W\u00e4rzchen bekleidet. An drei verschiedenen Stellen des Randes haben sich die Poren ge\u00f6ffnet und die Deckel derselben sind durch die warzenf\u00f6rmig hervortretenden inneren H\u00e4ute emporgehoben.\nf f Umfang einer Pore, h Deckel derselben und i die mittlere Membran, welche warzenf\u00f6rmig hervortritt, g g eine andere Pore; h der dazu geh\u00f6rige Deckel, k die hervortretende Warze und 1 die hervortretende innere Membran mit der Fovilla.\nFig. 33. Ein junges Pollenkorn der K\u00fcrbifspflanze noch innerhalb der Mutterzelle a a; die Stacheln sind noch sehr klein und von den kleinen W\u00e4rzchen ist noch nichts zu sehen,\nFig. 34. Darstellung eines Pollenkornes von Commelina coe-lestis; n\u00e4here Beschreibung dazu findet sich auf pag. 169.","page":604},{"file":"p0605.txt","language":"de","ocr_de":"605\nTab. XII.\nFig. 1 bis 12. geben Darstellungen zur Bildungsgeschichte der Anthere und des Pollen\u2019s der K\u00fcrbifspflanze, wovon im Texte von pag. 119 bis 129 und von 134 bis 137 ausf\u00fchrlich die Rede ist, so dafs ich darauf verweisen kann.\nFig. 13. Darstellung eines Theiles der Epidermis der oberen Blattfl\u00e4che einer noch unbestimmten Tradeseantia. Man sieht in der Mitte einer jeden dieser Zeilen einen scheibenf\u00f6rmigen Kern, und am Rande dieser Kerne, wie bei d und e treten kleine und sehr regelm\u00e4fsig gestellte K\u00fcgelchen auf, welche sich sp\u00e4ter immer mehr vergr\u00f6fsern bis die ganze Substanz des Kernes resorbirt ist. Bei g hat sich ein Theil des Kernes zu Schleim aufgel\u00f6st und dieser hat eine zellenartige Blase gebildet.\nIn mehreren Zellen sieht man \u00fcberaus feine Saftstr\u00f6me, welche in verschiedenen Richtungen von dem Kerne nach den Seiten der Zellen und auch umgekehrt verlaufen. Mehrere dieser Str\u00f6me sind durch die Richtung der Pfeile angegeben.\nFig. 14. Ein Theil eines Schnittes aus dem Rande einer ganz jungen, etwa erbsengrofsen Kartoffel. In den Randzellen bei d und c sieht man die vollst\u00e4ndigen Zellenkerne, in deren Scheiben sich \u00e4ufserst feine P\u00fcnktchen einer festeren Substanz zeigen; bei e, f und g sind diese K\u00f6rperchen schon bedeutend grofser geworden und bestehen aus Amylum; bei h liegen die gr\u00d6fser gewordenen Amylum-K\u00fcgelchen noch ziemlich in derselben Lao-e, in welcher sie am Rande der Kernscheiben auf-treten und die Substanz des Kernes ist vollst\u00e4ndig resorbirt. Bei i und k ist die Substanz des Kernes resorbirt und die Amylum - K\u00fcgelchen nehmen schon eine unregelm\u00e4fsige Lagerung an.\nFig. 15. Zwei Pollenschl\u00e4uche von Helianthemum canariense, welche aus der Micropyle hervorgezogen wurden und mit einander vollst\u00e4ndig verwachsen waren.\nFig. 16. Darstellung der Mikropyle von Cistus hirsutus, in welcher sich eine Menge von vielfach gewundenen und gedrehten Pollenschl\u00e4uchen befinden; es waren im Ganzen 9 bis 10, wovon aber nur 4 in ihrem Verlaufe dargestellt sind.\nFig. 17. Darstellung einiger Pollenf\u00e4den aus der Anthere der Chara vulgaris, wozu auf pag. 220 die specielle Beschreibung gegeben ist.\nFig. 18 \u2014 21. Einzelne Enden von Pollenf\u00e4den der Chara vulgaris aus verschiedenen Entwickelungszust\u00e4nden. In Fig. 20.","page":605},{"file":"p0606.txt","language":"de","ocr_de":"606\nsind die Zellchen im Inneren der einzelnen Glieder vollkommen ausgebildet, aus welchen die Saamenthierchen hervorgehen, die in dem Faden von Fig. 18. vollst\u00e4ndig entwickelt zu sehen sind. Bei c und d treten einzelne dieser Saamenthierchen aus ihren Geh\u00e4usen hervor.\nFig. 22 \u2014 28. Darstellung von Saamenthierchen der Chara vulgaris, wozu im Texte pag. 222 u. s. w. die specielle Beschreibung enthalten ist.\nFig. 29. Saamenthierchen von Sphagnum acutifolium, wozu auf pag. 211 die Beschreibung gegeben ist.\nFig. 30. Darstellung des Pollen\u2019s und der Saamenthierchen von Marchantia. S. pag. 213\u2014216.\nFig. 31. Saamenthierchen von Hypnum cupressiforme, wozu pag. 209 weitere Nachweisung gegeben ist.\nFig. 32. und 33. Saamenthierchen von Polytrichum commune noch in ihren Zellen liegend. S. pagf. 210 im Texte.\nF i g. 34. a b c d stellt einen Theil einer Anthere von Polytrichum commune dar, aus welcher die Pollenzellen mit noch unvollkommen ausgebildeten Saamenthierchen hervortreten.\nFig. 35. Darstellung der Mutterspore von Pellia epiphylla, noch sitzend auf dem Stiele a b, der k\u00fcnftig zum Schleuderer wird. Die Mutterspore ist eben in der Theilung begriffen; die Anf\u00e4nge von drei neuen Sporen sind zu sehen, die vierte Spore liegt dahinter verborgen, c, d und e sind die drei vorliegenden Theile, welche sich in f, g und h durch Selbsttheilung abschn\u00fcren.\nFig. 36. und 37. zeigen \u00e4hnliche Bildungen der Sporen eben derselben Pellia durch Selbsttheilung.\nFig. 38. giebt eine Darstellung [der Mutterspore von Sphagnum acutifolium; a, e und f sind diese Muttersporen, welche sich sp\u00e4ter ebenfalls durch Selbsttheilung in vier besondere Sporen trennen, a b und der Seitenast c sind confervenartige F\u00e4den, welche in sp\u00e4teren Zeiten der Saamenentwickelung verschrum-pfen, aber offenbar mit den Schleuderern der Jungermannien in Analogie zu stellen sind.\nFig. 39. und 40. Saamenthierchen von Aneura pinguis; a und b sind zwei horizontal liegende Saamenthierchen und c und d sind zwei dergleichen auf die Kante gestellte, wozu im Texte n\u00e4here Nachweisung gegeben ist. a, b, c und d Fig. 40. zeigen diese Saamenthierchen im auseinander gezogenen Zustande.","page":606},{"file":"p0607.txt","language":"de","ocr_de":"607\nTab. XIII.\nFig. 1. und 2. a a die Oberfl\u00e4che der Placenta von Capsella Bursa pastoris; von derselben aus wachsen konische W\u00e4rzchen hervor, welche aus einer einfachen Schicht von Zellen zu bestehen scheinen, denn die Schattirung im Inneren l\u00e4fst darauf schliefsen, dafs sie hohl sind, und diese W\u00e4rzchen bilden den Anfang des Kernes (Nucleus) des k\u00fcnftigen Saamens. Der Kern in Fig. 2. ist in noch j\u00fcngerem Zustande und zeigt \u00fcberall in seinen Zellen kleine Kerne.\nFig. 3. Die Nuclei der Saamen eben derselben Pflanze, nur in einem weiter vorger\u00fcckten Zustande; c nur etwas mehr ver-gr\u00f6fsert; bei den Eykernen d und f bemerkt man dagegen schon Anschwellungen der Zellenmasse in e und g, aus welchen sp\u00e4ter die Saamenh\u00fcllen hervorwachsen.\nFig. 4. und 5. zeigen zwei Eychen eben derselben Pflanze, wo die Nuclei, b, b an ihrer Basis schon mit zwei verschiedenen Zellenschichten cc, c c und d d, dd \u00fcberzogen sind, w\u00e4hrend sich die Basis derselben zugleich verl\u00e4ngert und in Form eines Stieles a, a, von der Placenta abgeschn\u00fcrt hat. Die Zellenschichten c c und d d bilden den ersten Anfang der Eyh\u00fcllen; sie sind in ihrer Verl\u00e4ngerung nach der Spitze des Nucleus so verschieden, dafs, wie Fig. 6. in einem weiter vorger\u00fcckten Zustande zeigt, die \u00e4ufsere Haut dd weit \u00fcber die innere hinweggewachsen ist.\nFig. 6. zeigt schon ein deutlicheres Hervortreten des Stieles a, mit welchem das Eychen an der Placenta befestigt ist, und dieser Stiel ist die Nabelschnur (funiculus umbilicalis) des Saamens. Man sieht ferner das Ueberwachsen der Eyh\u00fcllen \u00fcber den Nucleus, welches in Fig. 7. schon vollst\u00e4ndig ausgef\u00fchrt ist, so dafs keine Spur des Nucleus zu sehen ist. Zugleich bemerkt man die Kr\u00fcmmung der Achse des Eychen\u2019s in e, der Basis des Nucleus und des Endes der Nabelschnur, w\u00e4hrend Fig. 7. zeigt, dafs die Kr\u00fcmmung sp\u00e4ter vollst\u00e4ndig in der Achse des Eychen\u2019s liegt.\nFig. 7. Darstellung einer weiteren Entwickelungsstufe des unbefruchteten Eychen\u2019s eben derselben Pflanze; a a die Nabelschnur, bb der Rand der \u00e4ufsersten Saamenh\u00fclle, e die Oeff-nung derselben (Exostomium) oder die Mikropyle.]\nFig. 8. Darstellung eines Eychen\u2019s eben derselben Pflanze gleich nach der Befruchtung.\na a die Nabelschnur, b ein kleines B\u00fcndel einfacher Spiralr\u00f6hren, die bei c enden, wo die Basis des Eychen\u2019s befindlich ist.","page":607},{"file":"p0608.txt","language":"de","ocr_de":"608\ndd die Spitze des Eychen\u2019s, bestehend in dem Rande der her\u00fcbergewachsenen \u00e4ufseren Saamenh\u00fclle; e die Oeffnung in der H\u00fclle und f ein Pollenschlauch der in die Oeffnung hineingedrungen ist.\ng g die Spitze der inneren Saamenh\u00fclle, deren Basis in hh zu sehen ist. i die sogenannte Chalaza, ein gelblich gr\u00fcner Flecken aus sehr weichem Parenchym gebildet, kk die noch \u00fcbrig gebliebene zarte Haut des urspr\u00fcnglichen Nucleus, der also in kk unmittelbar auf der Chalaza sitzt, sich in 1 vollst\u00e4ndig umgebogen hat und in m m sein Ende erreicht, soweit dieses hier zu verfolgen war. n eine cylindrische Rohre, enthaltend drei neben einander liegende vollst\u00e4ndige Zellenkerne; diese Rohre steht unmittelbar in Ber\u00fchrung mit dem eingedrungenen Pollenschlauche.\nFig. 9. Eine Ansicht der Spitze des vorher beschriebenen Saa-mens, von Oben gesehen, so dafs man in die Oeffnungen der beiden Saamenh\u00fcllen, a a a die \u00e4ufsere und b b b die innere, hinein sehen kann.\nFig. 10. Darstellung der Spitze des Nucleus, die zuf\u00e4llig abgeschnitten war und so lag, dafs man dieselbe von Oben sehen konnte; man erkennt hieran, dafs der Nucleus dieses Eychen\u2019s aus einer einfachen Zellenschicht besteht.\nFig. 11 \u201416. geben verschiedene Zust\u00e4nde der Entwickelung des Embryo der Capsella, welche im Texte pag. 309 u. s. w. n\u00e4her beschrieben sind.\nFig. 17. und 18. zeigen das Hervorwachsen der Cotyledonen und\nFig. 19. und 20. zeigen den ausgebildeten Embryo mit seinen Cotyledonen und dem allm\u00e4lichen Auftreten des ersten Knotens in c; in Fig. 20. sieht man die beginnende Kr\u00fcmmung des Embryo\u2019s, der zuletzt vollst\u00e4ndig zusammen gebogen erscheint, ganz folgend dem Laufe der Nucleus kk mm in Fig. 8.\nFig. 21. zeigt den fr\u00fchesten Zustand des Embryo\u2019s (a) mit seinem Tr\u00e4ger (b c) aus dem Saamen der Draba verna; in Fig.22. ist der Embryo schon aus mehreren Zellen bestehend und in Fig. 23. bildet er schon eine grofse, aus vielen Zellen zusammengesetzte Kugel, welche an ihrem Tr\u00e4ger b c befestigt und bis b hier im Inneren des Eychen\u2019s befindlich ist; der Schlauch von d bis b ist der Pollenschlauch, der hier in unmittelbarem Zusammenh\u00e4nge mit dem Tr\u00e4ger des Embryo erscheint und aus der Mikropyle des Eychen\u2019s hinausragt.\nFig. 24. Erstes Auftreten der Cotyledonen c, b; a die untere Spitze des k\u00fcnftigen Stengels, woraus sich die Wurzel entwickelt.\nFig. 25. Eine Bl\u00fcthenknospe vonPapaver somniferum in nat\u00fcrlicher Grofse.","page":608},{"file":"p0609.txt","language":"de","ocr_de":"609\nFig. 26. und 27. Die unbefruchteten Eychen (nach lOOmaliger Vergr\u00d6fserung) aus jener Bl\u00fcthenknospe.\na a die Oberfl\u00e4che der Placenta; b, b der Nucleus; c c die innere Saamenh\u00fclle und bei d das erste Auftreten der \u00e4ufseren Saamenh\u00fclle, welches sich in einer Anschwellung des Zellengewebes darstellt.\nFig. 28. Ein unbefruchtetes Eychen in einem h\u00f6heren Alter, a a die Oberfl\u00e4che der Placenta, b der Stiel des Eychen\u2019s, die eigentliche Nabelschnur, welche sich gekr\u00fcmmt hat, so dafs der Nucleus c seine fr\u00fchere Richtung um SO Grade ge\u00e4ndert hat. d die innere Saamenh\u00fclle, de die \u00e4ufsere Saamenh\u00fclle.\nFig. 29. Ein unbefruchtetes Eychen eben derselben Pflanze in einem noch weiter ausgebildeten Zustande nach 350 maliger Vergr\u00d6fserung gezeichnet, a a das Ende des Funiculus umbilicalis und die daran stofsende Basis des Eychen\u2019s. b der Nucleus, cc die innere Saamenh\u00fclle, dd die \u00e4ufsere Saamenh\u00fclle. Man kann in der Zeichnung sehen, dafs der Nucleus und die innere H\u00fclle von der \u00e4ufseren bis zu ihrer Basis hin umschlossen werden.\nFig. 30. Ein Saamen von Papaver nudicaule, der beinahe vollkommen reif ist; ab das Ende des Funiculus umbilicalis, der bis b verl\u00e4uft, in seiner ganzen L\u00e4nge mit dem concaven Rande des Saamens c d verwachsen ist und die Rhaphe bildet, c die Basis des Saamens und e die Spitze desselben, welche sich bedeutend hackenf\u00f6rmig gekr\u00fcmmt hat; es war die Micropyle, entstanden aus der \u00e4ufseren H\u00fclle\u00bb wTelche von der Basis c \u00fcber das ganze Eychen hin\u00fcbergewachsen ist. Die Zellen dieser \u00e4ufseren H\u00fclle erhalten s\u00e4mmtlich im ausgebildeten Zustande wellenf\u00f6rmig gebogene Seitenw\u00e4nde, wie die bei e e.\nFig. 31. Ein unbefruchtetes junges Eychen von Orchis MorioL a a der Funiculus umbilicalis, der sich von a bis d so stark gekr\u00fcmmt hat, dafs der Nucleus b um mehr als 130 Grad seine urspr\u00fcngliche Richtung verlassen hat. Der Nucleus zeigt durch die schmalen Randzellen, dafs er in diesem Alter aus einer einfachen Zellenschicht besteht und hohl ist. Bei d sieht man das erste Auftreten der \u00e4ufseren Saamenh\u00fclle, welches sich in der Bildung und seitlichen Hervorschiebung der Zellen von der Basis der inneren H\u00fclle c c darstellt.\nFig. 32. Ein unbefruchtetes Eychen eben derselben Pflanze in einem sp\u00e4teren Zeitr\u00e4ume, a a die Nabelschnur, b die Spitze des Nucleus, bis zu welcher die innere Saamenh\u00fclle cc her\u00fcbergewachsen ist und d d der Anfang der \u00e4ufseren Saamenh\u00fclle.\nb ig. 33. Ein noch weiter vorger\u00fcckter Zustand, wo c die Spitze\nMe yen. Pfl, Physiol. 111.\t39","page":609},{"file":"p0610.txt","language":"de","ocr_de":"610\ndes Nucleus, d d die Oeffnung der inneren Saamenhiille und e den Rand der \u00e4ufseren darstellt.\nFig. 34. Ein Eychen von Orchis Morio, welches seit kurzer Zeit befruchtet ist; a die Basis desselben, b b der offen gebliebene Rand der \u00e4ufseren H\u00fclle, welche hier die Micropyle bildet; cc der offene Rand der inneren H\u00fclle und dd ein feiner Sack, welcher von der Zellenschicht des Nucleus zur\u00fcckgeblieben ist. g der Pollenschlauch, dessen Verlauf durch die Oeffnung der \u00e4ufseren und der inneren Eyh\u00fclle bis zum Punkt e ganz vollst\u00e4ndig zu bemerken ist; von e bis h erscheint die Fortsetzung des Pollenschlauches als ein d\u00fcnner, schon zusammengedr\u00fcckter Faden, und von h an erscheint ein kleines Kl\u00fcmpchen einer gelblichen gummiartigen Substanz, welche gerade auf der Spitze des schon durchbohrten oder ge\u00f6ffneten Nucleus aufliegt und unterhalb in der Blase, welche zwischen dd liegt, die erste Spur des Schlauches zeigt, dessen weitere Ausbildung zum Tr\u00e4ger und zum Embryo in den Fig. 35. und 36. dargestellt ist.\nFig. 35. ab eine feine Haut, gleichend dem Embryosacke, aber entstanden aus der Nucleus-Haut. d d der Schlauch, aus dessen angeschwollenem Ende, worin zwei Zellenkerne befindlich sind, der Embryo hervorgeht.\nFig. 36. Der Embryo schon etwas grofser ausgebildet, e die Spitze des Schlauches und das Ende f der auftretende Embryo, der schon in diesem Zustande jede Spur der Nucleus-Haut verdr\u00e4ngt hat und unmittelbar in der zweiten Saamenhiille gelagert ist, deren zun\u00e4chst liegende Zellen ab c d dargestellt sind.\nFig. 37. Die obere H\u00e4lfte des Embryosackes mit dem darin enthaltenen Embryo und der ersten Bildung des Eyweifsk\u00f6r-pers von Alsine media,\nFig. 38 \u2014 43. geben Darstellungen \u00fcber die fr\u00fcheren Zust\u00e4nde kurz vor und nach der Befruchtung des Embryosackes der Alsine media, wor\u00fcber im Texte pag. 310 gesprochen ist.\nFig. 44. und 45. Darstellung der Spitzen des Embryosackes von Helianthemum canariense mit dem darin h\u00e4ngenden Embryo im Rudimentzustande; a a die Haut des Sackes, an welcher die Spitze b des Embryotr\u00e4gers befestigt ist; in einem etwas sp\u00e4tem Zustande l\u00f6st sich die Spitze von dem Embryosacke wie in Fig. 45. c in Fig. 44. der erste Anfang des Embryo\u2019s, c in Fig. 45. eine weitere Ausbildung desselben, d in Fig. 44. das erste Auftreten des Eyweifsk\u00f6rpers, und d in Fig. 45. die weitere Ausbildung desselben.\nFig. 46. und 47. Darstellung des Zusammenhanges des Pollen-","page":610},{"file":"p0611.txt","language":"de","ocr_de":"611\nSchlauches von Mesembryanthemum glomeratum mit der Spitze des Embryosackes lind dem darin liegenden Embryo, a bis b Verlauf des Pollenschlauches aufserhalb des Saamens; b die Stelle der Mikropyle, dargestellt durch die obere Oeffnung der inneren Saamenhiille; de die Membran des Embryosackes, dessen Spitze von dem fufsf\u00f6rmig zur Seite gebogenen Ende des Pollenschlauches c mit der Membran des Embryosackes unmittelbar verw\u00e4chst und in Folge dessen sich das Bl\u00e4schen f im Embryo sacke bildet.\nFig. 48. Darstellung des Zusammenhanges des Pollenschlauches ab mit der Spitze des Embryosackes cd, und Auftreten des Keimbl\u00e4schens bei Helianthemum canariense.\nFig. 49. Eine \u00e4hnliche Darstellung aus einem.anderen Eychen.\nFig. 50. Darstellung der Spitze des Embryosackes der genannten Pflanze mit dem auswachsenden Keimbl\u00e4schen, welches sich in den Schlauch c d ausdehnt, in dessen Ende die Anschwellung d hervortritt, woraus sp\u00e4ter der Embryo wie in c Fig. 45. gebildet wird.\nTab. XIV.\nFig. 1. Eine weibliche Bl\u00fcthe der Urtica urens in ihrem fr\u00fchesten Auftreten; a der Bl\u00fcthenstiel, b, c und d drei Deckbl\u00e4tter, w\u00e4hrend das vierte auf der hinteren Fl\u00e4che der Knospe liegt. H\u00f6chst auffallend erscheint es, dafs die Gr\u00f6fse dieser Deckbl\u00e4tter so sehr verschieden ist, obgleich dieselben sp\u00e4ter zu zwei und zwei gleichgrofs gegen\u00fcber stehen.\ne Die Spitze des Eychen\u2019s und e f das her\u00fcberwachsende Pericarpium.\nWie es mir scheint, so ist es an den weiblichen Bl\u00fcthen der Nessel der Kern des Eychen, als Spitze des Bliithenstieles, der stets zuerst gebildet wird; um ihn herum wachsen zuerst die k\u00fcnftigen Deckbl\u00e4tter der Frucht, dann bildet sich das Pericarpium und hiemit beginnt auch die Bildung der Eyh\u00fcllen.\nFig. 2. Zeigt die Bildung des Pericarpium\u2019s ab c um den dar\u00fcber hinausragenden Kern d ; auf der Seite von c w\u00e4chst ein Theil des Randes fr\u00fcher \u00fcber den Kern, und die oberfl\u00e4chlichen Zellen dieses Theiles, welche in dieser Abbildung schon bedeutend angeschwollen erscheinen, wachsen sp\u00e4ter zu dem B\u00fcschel von H\u00e4rchen aus, welche diei Carpell\u00f6ffnung umkr\u00e4nzen und zugleich die Narbe bilden.\nFig. 3. zeigt das soeben ausgebildete Pericarpium, dessen Oeffnung bei a seitlich dem grofsen Haarb\u00fcschel b gelagert ist. In der H\u00f6hle des Pericarpium\u2019s liegt das junge Eychen, dessen\n39*","page":611},{"file":"p0612.txt","language":"de","ocr_de":"612\ninnere Hiille schon bis zur Spitze f, die \u00e4ufsere H\u00fclle dagegen nur bis c d ausgewachsen ist. In diesem jungen Zustande schliefsen, wie es auch die Zeichnung zeigt, die W\u00e4nde des Pericarpium\u2019s genau um die Fl\u00e4che des Eychen\u2019s.\nFig. 4. Darstellung einer ausgebildeten weiblichen Bl\u00fcthe der Nessel zur Zeit der Befruchtung, a a Das Pericarpium mit der darauf sitzenden Narbe b; c die Nabelschnur, d die Basis des Kernes und zugleich der dr\u00fcsige Theil der Chalaza. e f \u00e4ufsere Eyh\u00fclle mit dem Exostomium g g. h die Spitze des Kernes \u00fcberzogen mit der inneren H\u00fclle.\nii\tder Bl\u00fcthenstiel, k das in denselben verlaufende Spiral-r\u00f6hrenb\u00fcndel, welches einige Gef\u00e4fse zur Nabelschnur abgiebt, w\u00e4hrend die \u00fcbrigen in die vier Deckbl\u00e4tter der Frucht \u00fcbergehen. 1, 1, sind die Stumpfe der zwei grofsen Deckbl\u00e4tter, welche* die ganze Frucht umfassen; die zwei kleinen, welche mit den ersteren gerade abwechselnd stehen, sind hier ganz weggelassen. In einem fr\u00fcheren Zustande sind alle vier Bl\u00e4ttchen von gleicher Gr\u00d6fse, dann aber bleiben die beiden untersten in der Ausbildung stehen, w\u00e4hrend die beiden oberen zu den grofsen, concaven, die beiden Seiten des Pericarpium\u2019s genau einschliefsenden Bl\u00e4ttern ausgebildet werden.\nFig. 5. Die Spitze eines befruchteten Eyehen\u2019s der Nessel.\nab c -der ungleiche Rand der \u00e4ufseren Eyh\u00fclle, welcher in Fig. 7. nochmals und f\u00fcr sich allein von einem anderen Individuum dargestellt ist; die H\u00fclle besteht aus zwei Zellenschichten, deren \u00e4ufsere in der Zeichnung dargestellt ist.\nd e die Spitze des Kernes bekleidet mit der inneren Eyh\u00fclle, wovon nur die \u00fcber den Kern seitlich hinausragenden Zellen dargestellt sind., damit nicht der Kern h f g ganz verdeckt wird.\niii\tdie Spitze des Embryosackes mit dem Embryo k, dessen langer Tr\u00e4ger 1 an dem Mikropylende stark verdickt ist. m m die freie H\u00f6hle im Embryosacke, welche sich mit dem Ey-vveifsk\u00f6rper f\u00fcllt.\nFig. 6. Darstellung des von seinen H\u00fcllen entkleideten Kernes eben derselben Pflanze.\nd der markige oder dr\u00fcsige Theil der Chalaza.\nh die Spitze des Kernes, iii der Embryosack im Inneren des Kernes.\nk das Chalaza-Ende des Embryosackes. 1, 1, grofse einzelne und zusammengruppirte Zellchen, welche sich an der inneren Fl\u00e4che des Embryosackes mit der \u00fcbrigen noch schleimigen Masse des Eyweifsk\u00d6rpers m ausbilden, an Zahl immer zunehmen und zuletzt die ganze H\u00f6hle f\u00fcllen, wie es im Texte n\u00e4her beschrieben ist.","page":612},{"file":"p0613.txt","language":"de","ocr_de":"613\nn der Embryo auf seiner zweiten Entwickelungsstufe, aufge-h\u00e4ngt an dem kurzen Tr\u00e4ger o.\nFig. 8. Darstellung der ziemlich reifen Frucht der Nessel nach einer 81 maligen Vergr\u00f6fserung.\na a das Pericarpium, b die zusammengetroeknete Narbe, welche bei Fig. 4. im vollkommenen Zustande dargestellt ist. c das Nabelgef\u00e4fs, welches in die Chalaza d hineingeht, ef s\u00e4mmtliche zusammengewachsene Eyh\u00fcllen, n\u00e4mlich die beiden eigentlichen H\u00fcllen, die Kernhaut und der Embryosack.\ng g zeigt noch den Rand der \u00e4ufseren Eyh\u00fclle, h die Spitze des Kernes.\nii der Bl\u00fcthenstiel mit dem Gef\u00e4fsstrange k; bei qq ist derselbe abgeschn\u00fcrt, was sich erst nach der Befruchtung zu bilden scheint.\n11 die beiden kleinen Deckbl\u00e4tter, welche auf den Kanten des Saamens liegen, w\u00e4hrend die beiden grofsen Deckbl\u00e4tter, welche die beiden Seitenfl\u00e4chen desselben vollkommen ein-hiillen, abgeschnitten sind; bei m war der Insertionspunkt des einen und auf der entgegengesetzten Seite der des anderen.\nn n n der mit dem Eyweifsk\u00f6rper gef\u00fcllte Raum des Embryosackes, worin aufserdem der Embryo gelagert ist, dessen Wurzelende o an der Spitze des Kernes k befestigt ist. p der eine Cotyledon, hinter welchem der andere von gleicher Form und Gr\u00f6fse gelagert ist.\nFig. 9. Darstellung des weiblichen Fructificationsorganes von Polygonum aviculare kurz vor der Befruchtung.\na a das Ovarium, b, b, b die drei darauf sitzenden kurzen Griffel mit den kugelf\u00f6rmigen Narben d, d, d.\ne die Nabelschnur, welche als Fortsetzung des Bl\u00fcthenstieles bei g die Chalaza und damit die Basis des Eychen\u2019s bildet.\nff die \u00e4ufsere Eyh\u00fclle mit dem Exostomium c; h das Endost omium und i die Spitze des Kernes.\nFig. 10. Ein befruchtetes Eychen eben derselben Pflanze und nach eben derselben Vergr\u00f6fserung dargestellt. Es zeigt diese Figur, sowie die Figuren 11., 12. und 13. die allm\u00e4liche Ausbildung des Embryo\u2019s und die damit begleitete verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsige Vergr\u00f6fserung des Saamens; die Bezeichnungen sind in allen diesen Abbildungen gleich; a zeigt die Spitze des Eychen\u2019s, b die Chalaza, c die Nabelschnur, d den Embryo und e den Raum im Inneren des Embryosackes, der mit dem Eyweifsk\u00f6rper ausgef\u00fcllt ist.\nFig. 14., 19. und 20. geben Darstellungen von den Eychen der Eschscholtzia californica; in Fig. 14. ist das Eychen vollst\u00e4ndig gegenl\u00e4ufig; bei a ist die Chalaza oder das Ende der Nabel-","page":613},{"file":"p0614.txt","language":"de","ocr_de":"614\nschmir ad, welche sich hei c so vollst\u00e4ndig gekr\u00fcmmt hat, dafs die Spitze (b) des Eychen\u2019s dadurch die entgegengesetzte Lage erhalten hat. Es hat an diesem Eychen noch keine Verwachsung der Nabelschnur mit dem Eychen stattgefunden, was sp\u00e4ter wie Fig. 20. zeigt, der Fall ist. In Fig. 19. hat das Eychen beinahe noch die urspr\u00fcngliche aufrechte Stellung, indem die Kr\u00fcmmung der Nabelschnur c nicht stattgefunden hat, jedoch ist der Anfang derselben schon bemerkbar. In Fig. 20. ist das Eychen ungef\u00e4hr aus derjenigen Zeit abgebildet, wenn die Befruchtung vor sich geht, a zeigt die Basis, b die Spitze des Eychens; welches durch Kr\u00fcmmung der Nabelschnur in c gegenl\u00e4ufig geworden ist. Die Nabelschnur c d ist bis e mit der \u00e4ufseren H\u00fclle des Eychen\u2019s verwachsen und stellt dadurch die Rhaphe dar.\nFig. 15. Darstellung eines doppelt gekr\u00fcmmten Eychen\u2019s. ab Die freie Nabelschnur, e die Basis des Eychen\u2019s, welches seitlich von d bis a mit der Nabelchnur verwachsen ist, die dadurch die Rhaphe bildet. Das, durch die Kr\u00fcmmung deyNabel-schnur gegenl\u00e4ufig gewordene Eychen, wird wieder durch die nochmalige Kr\u00fcmmung der Nabelschnur bei c in die urspr\u00fcngliche Lage gebracht, so dafs die Spitze (f) desselben wieder nach Oben zu stehen kommt.\nFig. 16. Darstellung eines L\u00e4ngenschnittes aus einem befruchteten Eychen von Ricinus communis.\na a das Exostomium, bb das Endostomium und h die Spitze des Kernes, dessen Verlauf durch g g weiter unten bezeichnet ist. Beide Eyhiillen sind aus mehreren Zellenschichten zusammengesetzt; die \u00e4ufsere ab cd, aus zwei, von welcher die obere sp\u00e4ter zur gl\u00e4nzenden Testa wird. Die innere Eyhiille dbg, dbg ist dagegen eine dicke zeitige Haut und an dem Kern ist die langgezogene Spitze, welche bis in das Endostomium reicht, besonders auffallend.\nkii zeigt den Embryosack im Inneren des Kernes und den in k sitzenden Embryo.\nFig. 17. Darstellung eines L\u00e4ngenschnittes aus dem Kerne eben derselben Pflanze um daran die allm\u00e4liche Bildung der H\u00f6hle f\u00fcr die Aufnahme des Embryosackes zu zeigen.\na ab b zeigt den Umfang der Kernmasse, deren Zellen wie bei c, c, geformt sind, wenn sich aber in der Mittellinie (d e) des Kernes die H\u00f6hle g bildet, in welcher der Embryosack d hinabsteigt, so l\u00f6sen sich die einzelnen Zellen, runden sich ab und strecken sich zu l\u00e4nglich elliptischen Formen.\nFig. 18. Darstellung der Spitze des Nucleus von Polygonum orientale; a a zeigt den leyerf\u00f6rmigen Embryosack im Inneren","page":614},{"file":"p0615.txt","language":"de","ocr_de":"615\ndes Nucleus, und der Pollenschlauch b steigt durch das Zellengewebe der Kernspitze hindurch, c einzelne kubische Crystalle, welche fast regelm\u00e4fsig im Embryosacke dieser Pflanze zu finden sind.\nF iff. 21. Darstellung des krumml\u00e4ufigen Eyctien s von Cheno-podium viride; ab die Nabelschnur, c die Basis des Eychen s, d die Spitze desselben, welche hier durch das Endostomium gebildet wird, das \u00fcber das Exostomium ee hinausragt. Man sieht an dieser Darstellung ganz deutlich, dafs bei krummlau-figen Eychen das Eychen selbst in seiner Achse gekr\u00fcmmt ist. F j 22. Das Ovarium von Chenopodium viride nach einer hun-dertmaligen Vergr\u00f6fserung. a der Frucht- oder Blumenstiel, b die Nabelschnur, welche auf der unteren Flache des Ova-rium\u2019s liegt und meistens J des Kreises an L\u00e4nge betr\u00e4gt, woran denn das Eychen horizontal liegend befestigt ist. Die Abbildung des Eychen\u2019s in der vorhergehenden Figur, stellt dasselbe von Oben gesehen dar.\nFig. 23. und 24. findet im Texte pag. 316 n\u00e4here Nachweisung. Fig. 25. und 26. Vereinigung der Pollenschl\u00e4uche mit den 111-\nbryos\u00e4cken bei Cistus hirsutus.\t.\nFig. 27. und 28. Vereinigung der Pollenschl\u00e4uche mit den Keimbl\u00e4schen bei eben derselben Pflanze.\nT a b. XV.\nFig. 1. Darstellung eines L\u00e4ngenschnittes aus dem m der Befruchtung begriffenen Eychen der Kaiserkrone (Fritillaria im-perialis L.). Die \u00e4ufsere sehr fleischige und grungefarbte Ey-h\u00fclle ist entfernt und ab c d zeigt die obere H\u00e4lfte der inneren\nH\u00fclle mit ihrem Endostomium ab.\ne fg der Kern des Eychen\u2019s mit der darin auftretenden Hohle f\u00fcr die Bildung des Embryo\u2019s und des Eyweifsk\u00f6rpers.\nh das Ende des Pollenschlauches i, welcher bei k in das Endostomium dringt, sich zwischen den Zellen dei Kernspitze hindurchdr\u00e4ngt und so in die H\u00f6hle des Kernes hineingelangt. Fig. 2. Eben derselbe Pollenschlauch, welcher in Fig. 1. die Befruchtung bewirkte, herausgezogen aus dem Eychen und fur sic i allein dargestellt, ab zeigt die normale Gr\u00f6fse, c das Ende des Schlauches, welches in die H\u00f6hle des Kernes hineinragte, an der Stelle d ist der Schlauch zusammengedr\u00fcckt von der Spitze des Kernes, welches sich nach erfolgter Befruchtung sehr h\u00e4ufig zeigt. Bei e, \u00fcber a hinaus, ist der Schlauch zu-sammengeschrumpft.\nFig. 3. Darstellung eines Meinen Theiles der Nucleus-Spitze von der Fritillaria imperialism ab die \u00e4ufserste Zellenscnicht\n\\","page":615},{"file":"p0616.txt","language":"de","ocr_de":"616\ndesselben, welche unmittelbar an der inneren Eyh\u00fclle gelagert ist.\nef der junge Embryo auf dem Uebergange aus der ersten Entwickelungsstufe in die zweite, er besteht aus drei einfachen Zellen, welche einen fein gek\u00f6rnten Schleim und einige Zellenkerne, wie h, h, bilden, der Pollenschlauch ist ebenfalls noch bei g mit der ersten Zelle des Embryo\u2019s verbunden. In der Fig. 6., dicht daneben, ist ein solcher noch j\u00fcngerer Embryo aus einem anderen Individuum dargestellt, er besteht nur aus zwei Zellen, einer gr\u00f6fseren und urspr\u00fcnglichen, und einer zweiten und kleineren.\ncd zeigt den Eyweifsk\u00d6rper, welcher die ganze Kernh\u00f6hle rund um den j\u00fcngeren Embryo herum ausf\u00fcllt und immer mehr an Gr\u00f6fse zunimmt, je mehr die seitlichen Zellen des Kernes, wie zwischen i und k colliquescirt werden.\nFig. 4. Der junge Embryo der Fritillaria in seiner weiteren Ausbildung, aber noch mit einem Reste des Pollenschlauches c in Verbindung.\nFig. 5. Der junge Embryo aus eben derselben Pflanze in seiner zweiten Entwicklungsstufe und nach einer schwachen Vergr\u00f6fse-rung dargestellt, ab ist hier vielleicht gleichsam als Tr\u00e4ger und cd als eigentlicher Embryo anzusehen, dessen Zellen noch ganz mit Zellenkernen gef\u00fcllt sind.\nFig. 6. Das erste Auftreten des Embryo\u2019s in dem Saamen der Fritillaria gleich nach dem Eindringen des Pollenschlauches in die Kernh\u00f6hle.\nFig. 7. und 8. zeigen die erste Bildung des Embryo\u2019s aus der Tulpe, wo es sich ganz \u00e4hnlich wie bei der Kaiserkrone verh\u00e4lt; in Fig. 7. ist bei b die Anschwellung des Pollenschlatiches, welche als Basis f\u00fcr die Bildung der \u00fcbrigen Zellen benutzt wird.\nF i g. 9. Darstellung einer einzelnen grofsen Zelle aus dem Eyweifsk\u00d6rper der Kaiserkrone, a a die Zellenwand, b die Zellenkerne, worin sich Amylum-K\u00fcgelchen bilden, und c, d u. s. w. zarte Schleimf\u00e4den, welche den Kern mit der Oberfl\u00e4che der Zellenwand in Verbindung setzen und ebenfalls K\u00fcgelchen enthalten.\nFig. 9*. Darstellung eines L\u00e4ngendurchschnittes des Eychen\u2019s unserer gew\u00f6hnlichen Schneidebohne (Phaseolus vulgaris L.) nach einer 36 maligen Vergr\u00f6fserung, um daran die ungef\u00e4hre Lage der einzelnen Theile zu zeigen, von welchen in den angrenzenden Figuren vollst\u00e4ndigere Abbildungen gegeben werden.\na a die \u00e4ufsere Eyh\u00fclle, bb die innere Eyh\u00fclle, c die Basis des Kernes, d das Ende der Nabelschnur e, welche von m bis d mit der \u00e4ufseren Eyh\u00fclle verwachsen ist und dieRhaphe bildet.","page":616},{"file":"p0617.txt","language":"de","ocr_de":"617\nf der Nucleus, g der daraus hervonvachsende Embryosack, dessen Spitze 1 bis zum Exostomium k verl\u00e4uft. Von i i bis k bildet die innere Eyhiille eine besondere kegelf\u00f6rmige \u00fcm-kleidung der Spitze des Embryosackes, deren Endostomium bis zum Exostomium verl\u00e4uft.\nFig. 10. zeigt den Kern mit dem daraus hervorwachsenden Embryosacke aus dem in voriger Figur dargestellten Eyehen; a a die Basis des Kernes, b b die Spitze desselben und c der Anfang des Embryosackes d, welcher zur Zeit der Befruchtung, als eine grofse sichelf\u00f6rmige gekr\u00fcmmte Zelle erscheint.\nFig. 11. Die Spitze des Embryosackes aus dem Eyehen von Phaseolus vulgaris, einige Zeit nach der Befruchtung dargestellt, a die Spitze, bc das abgeschnittene Ende des Embryosackes, d, d, der Eyweifsk\u00f6rper, bestehend aus Zellchen, welche sich gegenseitig an einander gelegt haben, zum Theil Zellenkerne enthalten, zum Theil nur mit einer feingek\u00f6rnten, etwas gr\u00fcnlich gef\u00e4rbten Schleimmasse gef\u00fcllt sind, die haupts\u00e4chlich den Seitenw\u00e4nden anliegt. Die ersten Zellen des Eyweifskorpers fi et en als ellipsoidische Bl\u00e4schen mit einem oder mit zwei Kernen auf, wie bei e, welche sich dann, bei der allm\u00e4lichen Vergr\u00f6fserung gegenseitig aneinander legen und zuerst die innere Fl\u00e4che des Embryosackes bekleiden ; zwischen diesen noch vereinzelt liegenden Zellchen zeigt sich eine feingek\u00f6rnte, nebelartige Schleimmasse. Auffallend erscheinen mir die Zellen bei g, welche, wie es scheint, durch die Bildung der Seitenw\u00e4nde auf der inneren Fl\u00e4che des Embryosackes auftreten, ohne auch nur eine Spur von fester Substanz, weder von K\u00fcgelchen, noch von einem Zellenkerne zu enthalten.\nh, einzelne ellipsoidische Zellen, welche sich auf der \u00e4ufse-ren Fl\u00e4che des Embryosackes bilden, k der junge Embryo befestigt an dem breiten Tr\u00e4ger k.\nFig. 12. Darstellung der kegelf\u00f6rmigen Spitze der inneren Ey-h\u00fclle, welche die Spitze des in Fig. 11. dargestellten Embryosackes umschlofs, so dafs nur dessen Spitze a mit den Zellchen bei h Fig. 11. \u00fcber das Endostomium ab c Fig. 12. hinausragte.\nd e ist die Basis der kegelf\u00f6rmigen Spitze, welche sich \u00fcber die Seitenwand fg hinaus erhebt.\nFig. 13. Darstellung d.Kernes aus d.Saamen vonEuphorbia italica. a die Spitze, bc die Basis des geradl\u00e4ufigen Eychen\u2019s. d e der mittlere Theil des Embryosackes der an dem oberen Ende bei f, wie an dem unteren Ende bei g bedeutend angeschwollen und g\u00e4nzlich mit dem Zellengewebe gef\u00fcllt ist, welches den Eyweifsk\u00f6rper darstellt.\nDie Anschwellung des Embryosackes f steigt immer tiefer","page":617},{"file":"p0618.txt","language":"de","ocr_de":"618\nnach der Basis des Kernes hinab, je mehr sich der Embryo h ausbildet und in die Tiefe des Embryosackes hineinragt.\nFig. 14. Ein regelm\u00e4fsig gekr\u00fcmmtes Eychen der Saponaria officinalis.\na die Nabelschnur und b die Spitze des Eychen\u2019s.\nFig. 16. Besondere Darstellung der Spitze jenes Eychen\u2019s nach starker Vergr\u00d6fserung. Das Endostomium c c ragt \u00fcber das Exostomium ab hinaus und bildet eine trichterf\u00f6rmige Oeffnung.\nFig. 15. Ein junger Embryo aus der zweiten Entwicklungsperiode von Solanum nigrum, ab der Tr\u00e4ger, cc die Embryokugel.\nFig. 17, Die weibliche Bliithe von Taxus baccata im Monat Januar, a der Bl\u00fcthenstiel, b die Deckbl\u00e4ttchen.\nFig. 18. Eben dieselbe Bliithenknospe nach dem L\u00e4ngenschnitte dargestellt, a der Bl\u00fcthenstiel, b die Deckbl\u00e4tter, c die Oeffnung des Pistilles (Siehe hiezu im Texte pag. 108) und d der darin sitzende Nucleus.\nFig. 19. Darstellung der weiblichen Bl\u00fcthe von Taxus baccata kurz vor der Befruchtungperiode, a der Bl\u00fcthenstiel, b die Deckbl\u00e4ttchen und c die Spitze oder die Narbe des Pistilles, welche weit \u00fcber die Deckbl\u00e4ttchen hinausragt.\nFig. 20. Eben dieselbe Bl\u00fcthe nach dem L\u00e4ngendurchschnitt dargestellt. a der Bl\u00fcthenstiel, b, b, b die Bl\u00fcthenschuppen, d der Nucleus des Eychen\u2019s, welcher unmittelbar die Spitze des Bl\u00fcthenstieles begrenzt und von der Eyh\u00fclle oder dem Pistille umschlossen wird, c der Styluskanal.\nFig. 21. Darstellung des Eychen\u2019s von Taxus gleich nach der Befruchtung.\ne der Nucleus des Eychen\u2019s, ff die Pistillbildung, welche stark verdickt ist und auf ihrer Oberfl\u00e4che noch eine feine, besondere Schicht ii zeigt, die aus den obersten Zellenschichten gebildet wird.\nc c die Oeffnung der Narbe, in welcher der Kanal d zur Leitung des PoLenschlauches verl\u00e4uft.\ng der kurze Bl\u00fcthenstiel und h h eine becherf\u00f6rmige H\u00fclle, welche um die Basis des Eychen\u2019s, gleich dem Rudimente eines Arillus auftritt.\nFig. 22. Die Spitze des Nucleus (a a) von Phaseolus nanus mit der darin sitzenden Basis des Embryosackes b c c.\nFig. 23. Darstellung eines Eychen\u2019s von Epipactis gleich nach der Befruchtung, ab die.Nabelschnur, bed die \u00e4ufsere Eyh\u00fclle,\ne f das Endostomium oder die Spitze der inneren Eyh\u00fclle, welche hier noch bis lange nach der Befruchtung frei bleibt, g zeigt den zum Embryosacke umgewandelten Kern in dessen Spitze,\nh das Embryobl\u00e4schen woran der Pollenschlauch i befestigt ist.\nFig. 24. Darstellung eines Embryosackes mit dem darin sitzenden Embryo von Helianthus annuus.\ni a das Mikropyl Ende, b das Chalaza-Ende mit dem eigent\u00fcmlichen Anh\u00e4nge c, welcher dicht daneben in Fig. 25. nach einer starken Vergr\u00d6fserung dargestellt ist, wozu die Erkl\u00e4rung schon im Texte pag. 303 gegeben ist.\n","page":618},{"file":"p0619.txt","language":"de","ocr_de":"Alphabetisches Sac li regis 1 e r.\nAblactiren. III. pag. 77. Absterben der B\u00e4ume durch Verletzung der Rinde. II. 364. Achlya prolif\u00e9ra in Hinsicht der Fortpflanzung. III. 457. Aepfels\u00e4ure. II. 301.\nAlbumen der Saamen. III. 322. Aldrovanda vesiculosa und andere Pflanzen leben lange ohne Wurzeln. II. 6.\nAlkaloide in den Pfl. 305\u2014307. Allocotyleen. III. 359.\nAmylum (Structur). I. 189. II.\n\u2014\tim Milchs\u00e4fte. II. 394. Anarhizae. III. 347.\nAnorganische Substanzen in den\nPfl. in Hinsicht ihrer Bedeutung.\nII.\t121, 122, 533.\nAntheren der Phanerogamen.\nIII.\t113.\n\u2014\tder Cryptogamen. III. 196.; bei den Pilzen. III. 465\u2014466.\nAnthokyan od.Blumenblau. 11.442. Anthoxanthin oder Blumengelb. II. 442.\nArillus. III. 257, 271. Aschengehalt der Pflanzen durch den Boden bestimmt. II. 545. Assimilation der aufgenommenen Nahrungsstoffe. 11. 143. Athemh\u00f6hlen in den Pfl. I. 264. Aufnahme d.Nahrung d. Pflanzen. II. 2, 27, 54, SO etc.\n\u2014\tder Feuchtigkeit bei keimenden Saamen. II. 317.\n\u2014\tder Stoffe geschieht ohne Ver\u00e4nderung derselben, ganz nach dem Grade ihrer L\u00f6sung. II. 32, 140.\nAusgehauchtesWasser d.Pfl. kann genau bestimmt werden. II. 96. Aufsenhaut. III. 258.\nSS\u00ab\nBalsamg\u00e4nge. I. pag. 320. Bastardzeugung. III. 364. Bastr\u00f6hren der Apoeyneen und Asclepiadeen. I. 106.\n\u2014\tzeigen deutlich eine spirale Structur. I. 109.\n\u2014\tund enthalten \u00f6fters einen Milchsaft. I. 115.\nBastschicht. I. 387, 407. Befruchtung d. Pfl. (historische Auseinandersetz.). III. 272-284.\n\u2014\t(eigene Ansichten u. Beob-achtungenk 111. 285 etc.\nBeiknospen. III. 21. u. deren verschiedene Arten. 111. 23. Bestimmung des Verh\u00e4ltnisses des transpirirten Wassers zum aufgenommenen Wasser. 11. 118. Bewegungen der Geschlechts-Organe der Pflanzen. III. 503.\n\u2014\tder Bl\u00e4tter in Folge \u00e4ufserer Reize. III. 515.\n__ der Drosera-Arten. III. 551.\n\u2014\td. Bl\u00e4tter v. Hedysarum-Arten aus innerer Ursache. III. 553.\n\u2014\tder Oscillatorien. III. 563.\n\u2014\tder Spirogyren. III. 566.\n\u2014\tder Stigmatonema stellata.. III. 565.\n\u2014\tder Sporen d. Algen, pag. 433. Bildung der neuen Holz- und\nRindenschichten. I. 390.\n__ d.Zellen durchSelbsttheilung.\nII.\t343-348; HI. 393, 440.\n\u2014\tder Zellen im Eyweifsk\u00f6rper..\nIII.\t322, 333, 334.\nBiosphaeren nach Mayer. II. 257, Blastus. III. 348\nBl\u00e4tter sollen zur Einsaugung dienen. II. 111.\n\u2014\tsaugen unter Bedingungen auch Feuchtigkeit aus der Umgebung. II. 113,","page":619},{"file":"p0620.txt","language":"de","ocr_de":"620\nDu Hamel\u2019s Versuche hier\u00fcber. II. pag.113. Burnett\u2019s Versuche sind sehr genau. II. 114. Bleichsucht. II. 432. Blumenbl\u00e4tter sind in d. Knospen gr\u00fcnlich gef\u00e4rbt. II. 431. Bodenstete Pflanzen, bodenholde ii. bodenvage Pflanzen. II. 126. Bonnet\u2019s Versuche \u00fcb. d. Function der Bl\u00e4tter. II. 110. Braconnot\u2019s sch\u00f6ne Beobach, tungen \u00fcb. d. Bildung d. Zuckers aus Holz, Lumpen u. s.w. II. 334. Brutknospen bei den Laub- und Lebermoosen. III. 53. Brutkornerb.d.Lebermoos. III. 57. \u2014 bei den Flechten. III. 58. Brutzwiebeln. 36. 41.\nBulbillen. III. 43.\nC.\nCambium. I. 391.\nChampignons Brut. III. 468 u. 469. Carp ellarbl\u00e4tter. III. 227,231,233. Cauliculus seu caudiculus.lll. 344. Chalaza. III. 260\u2014263. Chlorophyll. II. 429.\nCirculation des Milchsaftes. II. 410\u2014427.\nCitronens\u00e4ure. II. 301.\nClosterien in Hinsicht ihrer Fortpflanzung. III. 438,442,447,449. Coleocormus. III. 349. Coleomonocotyleen. III. 359. Collum. III. 346, 363.\nCopuliren. III. 75.\nCopulation oder Conjugation der Conferven. III, 413, der Pilze. III. 459.\nCorti\u2019sche Ph\u00e4nomen der Saftbewegung. II. 217\u2014201.\nAmici\u2019s Best\u00e4tig.desselb. II. 211. Neue Beobachtungen \u00fcber dasselbe. II. 213.\nCotyledonen entwickeln Zucker bei dem Keimungsakte. II. 320. Cotyledonen in Hinsicht ihrer Bildung. III. 347, in Hins, ihrer Zahl bei d. Keimen der Saamen. III. 350. und in Hins, ihrer ungleichen Entwickelung. III. 353. Cuscuta w\u00e4chst als parasitische Pflanze. II. 37.\nCyanische Farben. II. 440. Cytoblastus. III. 334. Verwechse-\nlung zweier sehr verschiedener Gebilde unt. dieser Benennuno-III. pag. 335.\n1*.\nDammerde enth\u00e4ltl\u00f6sliche Stoffe, welche d.Pfl. ern\u00e4hren. II. 136.\n\u2014\tentsteht durch eine Art von F\u00e4uln. d.Pflanzensubst. II. 136.\n\u2014\tbesteht aus ! Humusextrakt, Humuss\u00e4ure, Humuskohle u. s. w. II. 137.\n\u2014\tist sehr hygroskopisch. II. 139. Diclinie. III. 102. Dicotyledonen-Stamm inHinsicht\nseiner Structur u. s. w. I. 358. Dionaea Muscipula Ell. III. 543. Dr\u00fcsen der Pflanzen sind aus Zellen gebildet. II. 464.\nDr\u00fcsen sind \u00e4ufsere oder innere. II. 465.\nEinfache Dr\u00fcsen 466; sie sind elliptisch 466, kugelf\u00f6rmig467, taschenf\u00f6rmig\u00bb 467, hutf\u00f6rmig\n467,\tgefl\u00fcgelt467, kreuzf\u00f6rmig\n468,\tblasenf\u00f6rmig 468.[ Zusammengesetzte Dr\u00fcsen. II.\n472, sind scheibenf\u00f6rmig 473, m\u00fctzenf\u00f6rmig 477, keulenf\u00f6rmig 474, gegliedert 475, Peri-Driisen 475, linsenf\u00f6rmig 477, warzenf\u00f6rmig 477.\nDie gr\u00d6fseren zusammengesetzten Dr\u00fcsen sind am allgemeinsten bekannt. II. 478. Innere Dr\u00fcsen. II, 481.\nJE.\nEinh\u00e4usige Bl\u00fcthen. 111. 101. Einflufs des Bodens auf den Character der Vegetation. II. 127. Elementarorgane, welche d. Pfl.\nzusammensetzen. II. 11.\nEmbryo. III. 342, in Hinsicht seiner Lage und Richtung 342. Embryo, als einfache kugelf\u00f6rmige Zelle auftretend. III. 311.\n\u2014 ist im Inneren der Saamenhiil-.\nlen h\u00e4ufig gr\u00fcn gef\u00e4rbt. II. 433. Embryosack. 305. 321.\nEmpfindung und freie Bewegung als angeblicher Unterschied zwischen Pfl. u. Thier. 111. 569. Endoptilen. III. 359.\nEndorhizae. III. 347.","page":620},{"file":"p0621.txt","language":"de","ocr_de":"621\nEndosmose und Exosmose nach Dutrochet. II. pag. 89. Endosmose ist in Hinsicht der Schnelligkeit, mit welcher sie erfolgt, so wie in Hinsicht der Kraft, welche sie entwickelt, hei verschiedenen Stoffen und bei verschiedenen Graden der L\u00f6sung dieser Stoffe sehr verschieden. II. 92.\nErkl\u00e4rung dies.Erscheinungen.\nII.\t90.\nEquisetsaure. II. 301. Erythrog\u00e8ne. II. 442. Erythrophyll. II. 461.\nEssigs\u00e4ure. II. 300.\nExcretion von Wasser. II. 507.\n\u2014\tvon Wasser in besonderen Beh\u00e4ltern. II. 511.\n\u2014\tder Wurzelspitzen. II. 525.\n\u2014\tv. anorganisch. Stoffen. 11.531. Exoptilen. III. 359.\nExorhizae. III. 347. Extractivstoffe d. Pflanz. II. 305. Eychen sind als Knospen zu deuten. 233\u2014236.\nEyerstock. III. 227.\nEyh\u00fcllen. III. 250.\nEyweifs kann in ein inneres und \u00e4ufseres geschieden werden.\nIII.\t328.\nEyweifsk\u00f6rper. III. 322.\nEy weifsstoff (Pflanzen-Eyweifs-stoff.) II. 281.\nF.\nFarbenbildung in den Pflanzen.\nI. 181 r 189. II. 428. Farbenleiter. II. 441. Farrnstamm. I. 415\u2014420.\nF aser-Zellen od. Bastr\u00f6hren. 1.98. Fibr\u00f6se Zellen oder Faserzellen nach Link. S. Spiralr\u00d6hren-Zellen.\nFlechten-St\u00e4rke. II. 285. Fortpflanzung derConferven und \u00e4hnlicher Algen. III. 453. der Pilze. III. 453.\n\u2014\tder h\u00f6heren Pflanzen durch Bl\u00e4tter. III. 49.\n\u2014\tder Lemna-Arten durch Knospen. III. 52.\nFruchtlager d. Hymenomyceten. III. 460.\nG.\nG\u00e4hrungspilz und dessen Fortpflanzung. III. pag. 436.\nGefrieren der Pflanzen. II. 178, verschiedene auffallende Erscheinungen dabei 181.\nGef\u00e4fspflanzen. I. 328.\nGeneratio. III. 99.\nGerbs\u00e4ure in den Pflanzen. II. 302, chemische Zusammensetzung derselben 304.\nGer\u00fcche der Pflanzen. II. 493, Eintheilung derselben 495.\nGeschlechtsverschiedenheit bei den Pflanzen. III. 106.\nGluten. II. 289.\nGlutengehalt des Getreides ist nach dem Stickstoffgehalt des D\u00fcngers verschieden. II. 291.\nGriffelkanal. III. 237.\nGr\u00fcne Farbe der Pflanzen. I. 200.\nGr\u00fcne Zellenschicht. I. 386.\nGr\u00fcngef\u00e4rbteZellensaftk\u00fcgelchen\nI. 201.\nGummi in den Pflanzen. II. 261.\nGuinmiflufs. II. 263.\nGummig\u00e4nge. I. 319\u2014320.\nGummisecretion geschieht in den Zellen, doch die Zellen scheiden das Gummi zuweilen auch nach Aufsen ab. II. 262.\nM.\nHarze u. \u00e4therische Oele. II. 490. Harzg\u00e4nge. I. 320. Hauptknospen. III. 21.\nHaupt- od. Ersatzzwiebel. III. 37. Hautdr\u00fcsen mit d. Spalt\u00f6ffnungen. I. 269\u2014294.\nHolzb\u00fcndel d. Monocotyledonen. I. 336.\nHolzk\u00f6rper des Dicotyledonen-Stammes. I. 360.\nHumuss\u00e4ure, Wichtigkeit derselben bei der Ern\u00e4hrung der Pflanzen. I. 137\u2014139.\nHumuss\u00e4ure und Rohrzucker sind isomerische Substanz. II. 138.\nHydrodictyon (Fortpflanzung). III. 439.\nHypoblast. III. 348. Hypo states. III. 303.","page":621},{"file":"p0622.txt","language":"de","ocr_de":"622\n5* <J7\nJahresringe i.Holzk\u00f6rp.I.pag.360. Inhalt der Pollenk\u00f6rner. III. 178. Innenhaut oder innere Eyhiille. III. 259.\nIntercellularg\u00e4nge. I. 259.\nIntercellularsubstanz und angebliche Bedeutung derselben. I. 160-178. ,\nJnulin. II. 282, Bereitung desselben 284, chemische Zusammensetzung desselben 285. Irrespirabele Gasarten todten auch die Pflanzen. II. 160.\nm.\nKali- u.Kalk-Skelett d. Pflanzen.\nII.\t548\u2014550.\nKartoffelknollen u. \u00e4hnliche Knollenbildungen. III. 27.\nKeim des Eychens od. Embryo.\nIII.\t250.\nKeimbl\u00e4schen. III. 308.\nKeimen d. Saamen unter verschie-denenVerh\u00e4ltn. betracht. II. 309. Keimen d. Saamen h\u00f6herer Pflanzen II. 315.\n\u2014\tsoll durch heifses Wasser bef\u00f6rdert werden. II. 321.\n\u2014\td. Laubmoose. 111. 401\u2014404, d. Lebermoose. III. 404\u2014408.\nKeimf\u00e4higkeit der Saamen wird durch hohe Grade von W\u00e4rme viel leichter zerst\u00f6rt als durch hohe K\u00e4lte. II. 313.\nKeim zeit d. Saamen ist sehr verschieden b. verschied. Pflanzen. Keimsack. 111. 305.\nKern der Knospen. III. 6.\n\u2014\tder Eychen. III. 250. Kieselerde in d. Pflanzen. II. 535.\nTabaschir 541.\nKnollenbildung an unterirdischen Stengeln wird durch d.Ringel-schn. oberh. aufgehob. II. 362. Knollenzwiebel. III. 35. Knollstock. III. 35. Knospenbildung an den Bl\u00e4ttern. 111. 43.\nKnospengebilde bei den Charen. III. 61.\nKnospen sind achselst\u00e4ndig (Sek tenknospen). III. 9.\n\u2014\tendst\u00e4ndig. Gipfelknosp. III. 9.\nKnospen sind aggreg. III. pag.22. \u25a0\u2014 sind beil\u00e4ufige oder accesso-rische. III. 24.\n\u2014\tsind verborgen. III. 25.\n\u2014\tin Form von Knollen. III. 26.\n\u2014\tin Form von Zwiebeln. III. 31.\n\u2014\tder h\u00f6heren Gew\u00e4chse. III. 5, Knospen - Schuppen , Knospen-^ Bl\u00e4ttchen, Hiill-Bl\u00e4ttch. III. 6.\nKohlengehalt in der Pflanze wird durch Zersetzung der einge-athmeten Kohlens\u00e4ure ver-gr\u00f6fsert. III. 154.\nKohlens\u00e4ure wird bei d. Keimen ^ d. Saamen entwickelt. II. 310. Kohlens\u00e4ure hauchen d. Pflanzen des Nachts aus. II. 146. Kohlens\u00e4ure wird von den gr\u00fcnen Pflanzentheilen durch d. Ein-flufs d. Sonnenlichtes zersetzt. II. 147.\nKorkbildung. I. 408.\nKernholz. I. 369.\nKrystalle in denPfl. I. 212\u2014246.\nJj.\nLeim (Pflanzen-Leim). II. 289. Leitendes od. zuf\u00fchrendes Zellengewebe. III. 24L Lenticellen. I. 412. Lichtentwickelung der Pflanzen. II. 192\u2014206.\nLuft kann durch ab geschnittene Zweige hindurchgezogen werden. II. 72.\nLuft kann ebensowohl in d. Spiralr\u00f6hren hineinsteigen, als gef\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeit und Quecksilber. II. 74.\nLuftbeh\u00e4lter in d. Pflanz. I. 294. L\u00fccken. I. 313.\nM.\nMannazucker. II. 270.\nMark. I. 377.\nMarkh\u00fclle. I. 371.\nMarkstrahlen. I. 373.\nMerenchym. I. 13.\nMikropyle. III. 283.\nMilchsaft in Hinsicht seiner physischen Beschaffenheit, II. 386. Schultz irrth\u00fcmliche Ansichten \u00fcb. dies. Gegenstand. 396\u2014399. Milchsaft in Hins. sein, chemisch. Zusammensetz. II. 400\u2014410.","page":622},{"file":"p0623.txt","language":"de","ocr_de":"623\nMilchsaft in Hinsicht seiner Bewegung. II. pag. 416\u2014427. Milchsaftgefafse in Hins, ihres Baues u. ihr er Verth eil. H. 371. Treviranus irrthiiml. Ansichten iih. dieselben. II. 3/5.; eigene Beobachtungen \u00fcb. diesen Gegenstand. 11. 376\u2014380.\nMistel, als parasitischePfl. II. 38. M olekul ar-B ew e gun gen l. Inneren d. Zellen. II. 250-256. Theorie \u00fcb. d. Rotationsstr\u00f6mung in den Zellen. II. 256.\nMonocotyledonen-Stamm. I. 331. Monotropa als parasitische Pflanze. II 42.\n*\nNabel (Hilum). III. 263. Nabelschnur. III. 229, 259. Nahrungssaft steigt im Holzk\u00f6rper. II. 47.\n|\t\u2014 ln den grofsen Spiralr\u00f6hren\nder Schlingpflanzen. II. 49.\n\u2014\tbewegt sich nicht nur von Unten nach Oben sondern auch seitw\u00e4rts. II. 51.\n\u2014\tsteigt schneller in der Markscheide. 11. 56.\n\u2014\tcirculirt nicht in den Pflanzen. II. 77\u201478.\nNarbe (Stigma). III. 227,243-248. Nath (Rhaphe). III. 265. Nectarien. II. 478; deren Abson-\u00ee derung. 480\u2014481.\nNucleus des Eychen\u2019s. III. 250. __ d. Zell. I. 207. III. 334-336. Nutation der Bl\u00e4tter. III. 590.\nO.\nOculiren od. Aeugeln. III. 80-85. Oeffnen u. Schliefsen derBl\u00fcthen. UI. 493.\nOelartige Substanz, auf d. Oberfl\u00e4che d. Polienk\u00f6rner. III. 174. Oele in Hinsicht ihrer Zusammensetzung. II. 297.\nOele (fette od. fixe) als assimi-lirte Nahrungsstoffe. 11. 292. Oelg\u00e4nge. 1. 320.\nOelgehalt bei verschiedenen Saa-men. II. 295.\nOrobanche als parasit.Pfl. II. 41. Oscillatorien (Fortpflzg.) III. 443.\n\u2014\t(Bewegung). 111. 563.\n3P.\nParasiten (wahre) wurden fr\u00fcher in Wurzel-Parasiten u. Stengel-Parasiten eingetheilt. II. pag. 36.\n\u2014\twie die Gattungen Cuscuta, Cassytha u. s.w. stehen mitten zwischen wahren und falschen Parasiten. II. 36.\nParasitische Pflanzen werden ein-geth. in wahre u. falsche. 11. 35, Parenchym-Zellen. I. 13. Pergamentartiger Ueberzug der Luftwurzeln einiger Orchideen und dessen Structur u.Function. 11. 53.\nLocher i. dies. Ueberzuge. II. 53. Permeabilit\u00e4t d.Zellenmemb. 1.17. Perispermium. III. 323.\nPflanzen-Leim. II. 289.\n\u2014\tEyweifsstoff. II. 287 Pflanzens\u00e4uren. II. 298. Chemische Verschiedenheit. 299.\nPflanzenseele. III. 563. Pfropfreiser u.Vermehrung durch dieselben. III. 72.\nPilostyles, ein \u00e4chter Stengel-Parasit. II. 45.\nPistill. III. 226.\nPlacenta. III. 228\u2014229. Pleurenchym-Zellen. I. 14. Plumula. III. 340.\nPollen. III. 112. Bildung desselb. 119\u2014134.\nPollenk\u00f6rner in Hinsicht ihrer Structur. III. 137\u2014146. ; \u00e4ufsere Membran der Pollenk\u00f6rner ist punktirt u. wTarzig 147; zellig 148; geadert 152; Stachel. 152.\n\u2014\t\u00f6ffnen sich durch Spalten. 111. 156 \u2014160.\n\u2014\t\u00f6ffnen sich durch Poren. 161\u2014168.\n\u2014\tderen Poren Deckel haben. III. 168.\n\u2014\thaben keine Zwischenk\u00f6rper. III. 173, 186.\nPollenschlauch. IIT. 180.\n\u2014\tPollenschlauch wirkt materiell und dynamisch bei d. Befruchtung. III. 318.\nPoren od. T\u00fcpfel der Zellenmembran. I. 32.\n\u2014\tod. T\u00fcpfel d. Spiralr\u00f6hr. 1.134.\n\u2014\tod.T\u00fcpfel d.Prosenchym-Zellen der Coniferen. 1. 82, 97.","page":623},{"file":"p0624.txt","language":"de","ocr_de":"624\nPottasche i. verschied. Pfl. 11.547.\nPropagatio. III. 4.\nProsenchym-Zellen. I. 14.\nProsenchymatisches Zellenge-webe. I. 72, 73, 76, 78-81.\nO.\n/\u25a0a*'\nQuellen der ungeheuren Wassermasse, welche d. Pflanzenmas-sen t\u00e4gl.transpiriren. II. 119.\nQuintine. III. 305.\nSt.\nRafflesia u. Brugmansia als \u00e4chte Parasiten in Hinsicht ihrerVer-hindung mit d.Mutterpfl. II. 43.\nReizbarkeit der Pfl. III. 571.\nReize auf die Bewegung der Pflanzen sind: III. 571 u. s. w.\nRespiration der Pflanzen ist mit derjenigen d. Thiere v. gleicher Bedeutung. 11. 145.\n\u2014\td. Pflanz, ward durch Bonnet, Priestley und Ingenhoufs entdeckt u. durchTheod. de Saussure bestimmt, nachgew. II. 145.\n\u2014\td. Pfl. im Dunkeln ist mit best\u00e4ndiger Bildung von Kohlens\u00e4ure begleitet. II. 148.\n\u2014\td. Pfl. soll die Luftverbessern, welche durch d. Respiration d. Thiere verschlecht, ist. II. 149.\n\u2014\td. Pflanz, in Sauerstoffgas geht rascher. II. 150.\n\u2014\td. Pfl. ist kein rein chemischer Verbrennungsprozefs. II. 136.\n\u2014\tder Blumen. IL 157.\n\u2014\tder Pilze. II. 159.\nRespirationsorgan. II. 163.\nRespirations-System in d. Pflanz.\nI. 259.\nRhaphe. III. 265.\nRichtung d. Wurzel u. d. Stengels der Pflanzen. IIT. 579.\nKnight\u2019s Beobachtung. III. 580. Dutrochet\u2019s Angaben. III 581. Kielmeyer\u2019s Hypothese. III. 582.\nRichtung der Bl\u00e4tter. 111. 588.\nRindenk\u00f6rper. I. 380.\nRingelschnitt in seinen Wirkungen. II. 359.\nRohrzucker. II. 267.\nRosteilum. 111. 340.\nRotationsstr\u00f6mung in d. Charen. If. 214-228.\nRotationsstr\u00f6mling in d. vollkommenen Pflanz. II. pag.228\u2014236.\n\u2014\tin d. Haaren d. Tradescantien u. in anderen h\u00f6her. Pfl. II. 237.\n\u2014\tist nicht von dem Zellenkerne abh\u00e4ngig. II. 244.\n\u2014\tist sehr allgemein im Pflanzenreiche. II. 246; \u00e4hnliche Erschein. b. d. Closterien. II. 249.\nSaamenkeknehen der \u00e4lteren Botaniker. III. 179.\nSaamenthierchen. III. 181.\n\u2014\tder Moose und Charen. III. 200\u2014226.\nSaftbeh\u00e4lter. I. 31S.\nSalze k\u00f6nnen reizend auf die Vegetation wirken. II. 124. Die Erscheinung verh\u00e4lt sich\n^ \u00e4hnlich wie b. d. Thieren. 125.\nSalze u. Erden sind gel\u00f6st od. ungel\u00f6st in den Pflanzen.\nSauerstoffgas wird von d. gr\u00fcnen Pflanzentheilen bei d. Einfl\u00fcsse d. Lichtes ausgehaucht. II. 145.\n\u2014\twird bei gew\u00f6hnlichem Licht nicht ausgeathmet, wenn nicht mehr Kohlens\u00e4ure i. d.Luft vorhanden ist, als gew\u00f6hnl. II. 148.\n\u2014\twird von verschied. Pflanz, in sehr verschiedener Menge eingesaugt. I\u00cf. 151.\nSchlafen u.Wachen d. Pfl. III. 475.\nSchleim (Pflanzenschleim) ist als aufgel\u00f6st. Gummi z. betrachten. II. 260.\nSchleimzucker od. Syrup. II. 269.\nSt\u00e4rke od. Amylum. II. 273.\nSchn\u00e4beichen. III. 340.\nSchnittlinge oder Stecklinge. III. 63-72.\nSchuttpflanzen lieben den Salpeter. II. 124.\nSecrete in fester Form im Zellensafte. I. 209.\nSecretionsbeh\u00e4lter oder eigene Gef\u00e4fse. I. 317.\nSecretions-Erscheinungen in den Pflanzen. II. 368.\nSecretion von wachs-, harz- und balsamartigen Stoffen auf der Oberfl\u00e4che d. Pfl. II. 519\u2014524.\n\u2014\tder Wurzelspitzen. II. 525.","page":624},{"file":"p0625.txt","language":"de","ocr_de":"Selbsttheilimg der Zellen bei den Algen u. s. w. III. pag. 440. Sinnpflanze in Hinsicht ihrer Bewegungen. III. 516. Spalt\u00f6ffnungen. S. Hautdr\u00fcsen. Specifische Schwere des Holzes w-ird durch d. r\u00fcckstr\u00f6menden Bildungssaft ver\u00e4ndert. II. 357. Versuche v. Knight, Pollini u. A. in. 357\u2014358.\nSpiralfaser ist nicht hohl. I. 121. Spiralfaserbildung. 1.119. II. 337. III. 390.\nSpiralfaser-Zellen. I. 54 \u2014 65. III. 135.\nSpiralr\u00f6hren d. Coniferen. T. 75.\n\u2014\tin Hinsicht ihres Baues. 1.117, 124\u2014129.\n\u2014\tin Hins, ihrer Bildung. I. 119. II. 337. 111. 391.\n\u2014\tin Hins, ihres Verlaufes. 1.131.\n\u2014\tsind gegliedert. I. 135. Spiralr\u00f6hren - Metamorphose.\nI.\t138.\nsie sindringf\u00f6rmig.143.; l\u00e4ngsgestreift. 147. ; netzf\u00f6rmig. 146.*, gestreift. 148.-, get\u00fcpfelt. 152.\nSplint. I. 369.\nSporenbildung der Farm. 376.\n\u2014\tder Flechten. III. 470.\n\u2014\tder Moose. III. 481.\n\u2014\tder Algen. III. 411.\n___ der Pilze. III. 453.\nStaubgef\u00e4fse. III. 112.\nStaubweg od. Stempel. III. 226. Steigen d. rohen Nahrungssaftes\nzeigt sich zuerst im Zellengewebe des Markes. II.\n\u2014\tdes rohen Nahrungssaftes geschieht m. grofser Kraft, Beobachtungen dar\u00fcber. II. 58. Einflufs d. W\u00e4rme u. d. Feuchtigkeit d. Luft auf das Steigen des Nahrungssaftes. II. 63.\n\u2014\tder Fl\u00fcssigkeiten in ab geschnittenem Aste u. s. w7. geschieht durch die Verdunstung der Bl\u00e4tter u. s. w. II. 70.\n\u2014, des Nahrungssaftes wird nicht durch Transpiration u. nicht durch Capillarit\u00e4t veranlafst.\nII.\t80.; auch nicht durch s\u00f6ge-nannte Lebens - Contractilit\u00e4t der Zellen. II. 82.\nMe y en, Pfl, Physiol. Ill,\nSteigen des Nahrungssaftes ist Folge d. Endosmose. II. pag.9l.\n___ d. Saftes ist in verschiedenen\nTagesstunden verschied. II. 85. Sternf\u00f6rmiges Zellengewebe. I. 302 \u2014 311.\nSternf\u00f6rmige Haare bei denNym-\nphaeen. I. 311.\nStickstoffgas wird bei der Respiration im Sonnenlichte aus-geathmet. II. 152.\n\u2014\tsoll auch aufgenommen werden. II. 152.\nStigma. IIL 227.\nStr\u00fcnkchen (Caudiculus). III. 344. Styluskanal. III. 237.\nSuspenseur. III. 310.\nSynorhizae. III. 347.\nT.\nTabaschir. III. 541.\nTheilung der Holzb\u00fcndel. I. 352\u2014358.\nThr\u00e4nen der B\u00e4ume II. 50, 57.\n\u2014\tder B\u00e4ume h\u00f6rt auf mit dem Ausbruche der Bl\u00e4tter. II. 63.\n\u2014\tder Wurzeln des Weinstockes.\nII. 68.\nTr\u00e4ger des Embryo\u2019s. III. 310. Transpiration einiger Pfl. nach Gewicht angegeben. II. 97-100.\n\u2014\tsteht im Verh\u00e4ltnisse zur Aufnahme d. Wassers- II. 101.\n\u2014\tist sehr verschieden nach den Jahreszeiten. II. 102.\nGuettard\u2019s Versuche \u00fcber die Transpiration d. Pflanz, \u00fcbertreffen d. Hales\u2019sehen. II. 103.\n\u2014\tist bei verschiedenen Gew\u00e4chsen sehr verschieden. II. 103.\n\u2014\tist um so geringer je dicker die Cuticula ist. II. 104.\n\u2014\twirkt als Pumpwerk auf das Steigen des Saftes. II. 63\u201467.\n___ wird durch den Einflufs des\nSonnenlichtes verst\u00e4rkt. II. 104.\n\u2014\tder fleischigen Fr\u00fcchte ist sehr gering, li. 105.\nUnterdr\u00fcckte Transpiration h\u00e4lt die Blumen l\u00e4nger frisch. II. 105.\n\u2014\tder Pfl. ist mit der Transpiration u. der Urinabsonderung bei d. Thieren zu vergleichen. II. 107.\n40","page":625},{"file":"p0626.txt","language":"de","ocr_de":"626\nTranspiration und Respiration ist bei den Pflanzen mit einander verbunden. II. 109.\nTranspiration wird in eine merkliche u. eine unmerliche unterschieden. II. 115.\nTranspirirtes Wasser ist nicht rein. II. 107.\nT\u00fcpfel. S. Poren.\nU.\nUmdrehen d. B\u00e4ume, dafs aus d. Krone Wurzeln u. aus d. Wurzeln Aeste hervorkomm. II. 76.\nUmwandelung d. St\u00e4rke in Zucker w\u00e4hrend d. Keimungsaktes. II. 323. ; durch Gluten 324, durch Diastase 325.\nUmwandelung d. Pflanzen-Mem-bran in Gummi und Zucker. II. 334.\nW.\nVallisneria spiralis, in Hinsicht der Befruchtung. III. 286.\nVenusfliegenfalle (Dionaea Mus-cipula Ell.). III. 543.\nVerholzung derZellen-Membran, II. 231.\nVermehrung d. Gew\u00e4chse durch Knospen. III. 85 \u2014 99.\nVerwandtschaft zwischen St\u00e4rke und Zellen-Membran. II. 330.\nW.\nWachsen d. Pflanzen in gew\u00f6hnlichem Wasser. II. 129.\nWachsen d. Pflanz, in destillirtem Wasser. II. 130.\n\u2014\td. Pfl. ist zu messen. II. 351. Beobachtungen von Ventenat, Meyer, Mulder u. s. w.\n\u2014\td. Pfl. \u00e4ufsert sich unter folgenden Erscheinungen. II. 336.\n\u2014\td. Pfl. geschieht an den Endzeilen einzelner Theile. II. 338.\n\u2014\tdes Stammes. II. 349.\n\u2014\tder Bl\u00e4tter. II. 350.\nWachsthumsgeschichte der Cha-\nren. II. 339.\nWall\u00f6ffnung. I. 277.\nWall. 1. 276.\nW\u00e4rme-Entwickelung in d. Pflanzen. II. 164.\nVerschiedene Beobachtungen\nund Ansichten \u00fcber diesen Gegenstand. 165\u2014178.\nW\u00e4rme-Entwickelung keimender Saamen. II. 183.\n\u2014\tin einigen stark riechenden Blumen. II. 184.\n\u2014\tSie ist st\u00e4rker in Sauerstoff-Gas. II. 185. Verschiedene Beobachtungen \u00fcb. diesen Gegenstand. 185\u2014191.\nWasser allein ist also zur Ern\u00e4hrung d. Pflanzen nicht hinreichend. II. 132.\nWasser und Kohlens\u00e4ure sollen zur Ern\u00e4hrung hinreichen. Versuche dageg. II. 134 u. 135. II. 133.\nWege des herabsteigenden Bildungssaftes. II. 367.\nWeibliche Geschlechts - Organe der Pflanzen. II. 226.\nWeins\u00e4ure. II. 301.\nWinden des Stengels. III. 592.\nWinden der Ranken. III. 593.\nWurzeln nehmen Alles auf, was ihnen geh\u00f6rig gel\u00f6st dargeboten -wird. II. 26.\nDavi\u2019s Versuche. 28.\nSaussure\u2019s Versuche. 29\u201431.\nWurzeln bei den Algen. II. 3.\n\u2014\tbei den Flechten. II. 3.\n\u2014\t-\t- Pilzen. II. 5.\n\u2014\t-\t- Charen. II. 6.\n\u2014\t-\t- Moosen. II. 6 u. 7.\nWurzel-Haare d. h\u00f6her.Pfl. II. 9.\n\u2014\tfehlen bei Lemna u.s.w. II. 13.\nWurzelknospe. III. 33.\nWurzelspitzen sind mit Papillen\nbesetzt. II. 20.\n\u2014\th\u00e4uten sich. II. 14\u201416.\n\u2014\tsaugen keine gef\u00e4rbte Fl\u00fcssigkeit ein. II. 25.\nWurzeln saugen auch mit der ganzen Fl\u00e4che ein. II. 13.\nWurzelschw\u00e4mmchen sollen die Nahrungsfl\u00fcssigkeit einsaugen. II. 17.\n\u2014\tsind aber nicht Vorhand. II. 22.\nWurzelartige Organe der parasitischen Gew\u00e4chse. II. 35 etc.\n3^\u00bb\nXantische Farben. II. 440.\nXanthog\u00e8ne. II. 442.\t,\nXanthophyll od.Blattgelb.il. 489.","page":626},{"file":"p0627.txt","language":"de","ocr_de":"627\n\nS.\nZellen sind geschlossene Beh\u00e4lter. I. 8. Selbstst\u00e4ndigkeit\n^ u. Bedeutung derselb. I. 9\u201411.\nZellengewebe. I. 8.\nZellen-Membran u. Spiralfasern sollen verschiedene Elementar-Zusammensetzung zeigen.\n\u2014\tbildet sich bei Aigen-Sporen und im Ey weifsk\u00f6rper durch Colliquescirung von K\u00fcgelchen. IF. 336.\n\u2014\tin normalem Zustande ohne Oeffnungen. I. 16.\n\u2014\taus Spiralfasern zusammengesetzt. 1.18, 46, 48, 53.\n\u2014\taus Schichten zusammengesetzt. I. 24.\n\u2014\tist nur selten gef\u00e4rbt. I. 22.\nZellen-Membran hat T\u00fcpfel oder Poren. I. 32.\nZellenpflanzen. I. 328.\nZellensaft, gef\u00e4rbt. I. 181. Zellensaft-K\u00fcgelchen sind ungef\u00e4rbt. I. 189. und gef\u00e4rbt 2\u00d60~ Zucker als assimilirterNahrungsl Stoff in den Pflanzen. II. 265. Zwiebel. III. 31.\n\u2014\tist schalig. III. 34.\n\u2014\tist schuppig. III. 34.\n\u2014\tist einj\u00e4hrig od. mehrj\u00e4hrig\nIII. 38-39.\t\u00eb\nZwiebelknospen. III. 41. Zwiebelscheibe, Zwiebelstock u. s. w. III. 32.\nZweckm\u00e4fsigkeit in den Bewegungen der Pflanzen. III. 575. Zweih\u00e4usige Bl\u00fcthen. III. loi. Zweilagerige Bl\u00fcthen. III. ioi Zwitterbl\u00fcthen. III. loi.\nGedruckt bei den Gebr. U11 g er.","page":627},{"file":"p0627s0001table10.txt","language":"de","ocr_de":"\t\n\tj\t..ij\n\t\n\t!\t\t[T\n\tT\n\t^\ty","page":0},{"file":"p0627s0005table12.txt","language":"de","ocr_de":"'oooH r\n\u00a9\u00a9 i I\n/ego'","page":0},{"file":"p0627s0007table13.txt","language":"de","ocr_de":"d\t.-C\t7\npjJ\t'C","page":0},{"file":"p0627s0010table14.txt","language":"de","ocr_de":"?\\leye-n de/.","page":0},{"file":"p0627s0012table15.txt","language":"de","ocr_de":"\nMey&n. del.\nTab. W","page":0},{"file":"z0001.txt","language":"de","ocr_de":"Druckfehler.\nPag. 241 lies Cereus nycticallus Lk. statt Cereus nyctagineus,.\n-\t233 Zeile 25 v. ob. lies Analogie statt Analoga.\n-\t316 Zeile 6 v. ob. lies 27 und 28 statt 23 und 24.\n-\t10 v. ob. lies welchen statt welcher.\nSchmklel ist mehrmals Schmiedel gedruckt.\nKleinere Druckfehler m\u00f6ge der geneigte Leser g\u00fctigst \u00fcbersehen,","page":0}],"identifier":"lit36695","issued":"1839","language":"de","pages":"627","startpages":"627","title":"Neues System der Pflanzen-Physiologie: Dritter Band","type":"Book","volume":"3"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:37:56.807967+00:00"}

VL Library

Book
Permalink (old)
http://vlp.uni-regensburg.de/references?id=lit36695
Licence (for files):
Creative Commons Attribution-NonCommercial
cc-by-nc

Export

  • BibTeX
  • Dublin Core
  • JSON

Language:

© Universitätsbibliothek Regensburg | Imprint | Privacy policy | Contact | Icons by Font Awesome and Icons8 | Powered by Invenio & Zenodo