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Zweiter Theil: Thierische Wärme

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{"created":"2022-01-31T16:43:23.202925+00:00","id":"lit37385","links":{},"metadata":{"alternative":"Handbuch der Physiologie. Band 4: Handbuch der Physiologie des Kreislaufs, der Athmung und der thierischen W\u00e4rme","contributors":[{"name":"Rosenthal, J.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Handbuch der Physiologie. Band 4: Handbuch der Physiologie des Kreislaufs, der Athmung und der thierischen W\u00e4rme, edited by Ludimar Hermann, 287-452. Leipzig: Verlag von F. C. W. Vogel","fulltext":[{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"DIE\nPHYSIOLOGIE DER THIERISCHEN W\u00c4RME\nVON\nProf. Dr. J. ROSENTHAL in Erlangen.","page":287},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"ERSTES CAPITEL.\nGrundbegriffe und Messungsmethoden.\nI. Vorbemerkungen.\nDass der Mensch und die ihm n\u00e4chst verwandten Thiere eine Temperatur haben, welche die der Umgebung oft sehr bedeutend \u00fcbertrifft, ist eine so leicht zu beobachtende Thatsache, dass sie schon den \u00e4ltesten Physiologen bekannt sein musste. Diese Erscheinung f\u00fchrte daher zur Unterscheidung jener Thiere (der S\u00e4uger und der V\u00f6gel) als warmbl\u00fctiger Thiere von allen \u00fcbrigen, welche im Gegensatz zu diesen kaltbl\u00fctige genannt wurden. Da aber diese letzteren unter Umst\u00e4nden sogar eine h\u00f6here Temperatur annehmen k\u00f6nnen, als die ersteren in der Regel zu haben pflegen, so ist die von Bergmann1 eingef\u00fchrte Bezeichnung vorzuziehen. Bergmann hat n\u00e4mlich mit Recht darauf hingewiesen, dass der Unterschied der beiden Thierreihen haupts\u00e4chlich darin bestehe, dass die Thiere der ersten Reihe unter verschiedenen \u00e4usseren Umst\u00e4nden, namentlich bei sehr wechselnden Temperaturen der Umgebung, immer nahezu dieselbe Temperatur behalten, w\u00e4hrend die der zweiten Reihe je nach den Umst\u00e4nden sehr grosse Unterschiede zeigen k\u00f6nnen. Er nennt deshalb die ersteren: Thiere mit constant er Temperatur oder homoio-therme Thiere, die letzteren: Thiere mit wechselnder Temperatur oder poikilotherme Thiere.\nWenn die homoiothermen Thiere in einer Umgebung, welche zuweilen um 400 und noch mehr niedriger temperirt ist als sie selbst, wo sie also fortw\u00e4hrend grosse Mengen von W\u00e4rme an die Umgebung verlieren, ihre eigene hohe Temperatur bewahren, so muss offenbar W\u00e4rme in ihnen entstehen oder producirt werden. Es kann\n1 Bergmann, G\u00f6ttinger Studien. Abth. I. S. 595 f.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IVa.\n19","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\nRosenthal, Die thierische W\u00e4rme.\nnach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse kein Zweifel dar\u00fcber bestehen, dass diese W\u00e4rmebildung durch die oxydativen Processe zu Stande kommt, welche das Wesentlichste dessen ausmachen, was wir den Stoffwechsel der Thiere nennen. Da nun aber auch bei den poikilothermen Thieren derselbe Stoffwechsel, wenngleich meistens in geringerem Grade, besteht, so wird auch in ihnen w\u00e4hrend des ganzen Lebens stets W\u00e4rme gebildet. Dementsprechend ist auch in der That die Temperatur derselben in der Regel1 etwas, wenngleich zuweilen nur um ein geringes, h\u00f6her als die der Umgebung. Das Verhalten beider Thierreihen ist deshalb nur ein gradweise verschiedenes, indem einerseits die Menge der gebildeten W\u00e4rme geringer, andererseits die Abgabe derselben an die Umgebung gr\u00f6sser sein kann, woraus dann von selbst ein geringerer Unterschied zwischen der Temperatur des Thieres und der der Umgebung folgen muss.\nII. Thermometer.\nZum Verst\u00e4ndniss der W\u00e4rmeverh\u00e4ltnisse eines Thiers ist es offenbar nothwendig, die beiden Factoren zu kennen, von welchen seine Temperatur bedingt sein muss: erstlich die Menge der in jedem Augenblick gebildeten W\u00e4rme, zweitens der Theil derselben, welchen das Thier an seine Umgebung abgibt. Sind diese beiden einander gleich, so muss die Temperatur des Thieres constant bleiben. Dieser Fall ist wenigstens ann\u00e4hernd bei den homoithermen Thieren verwirklicht. Die Temperatur, welche ein solches Thier hat, nennen wir seine Eigenw\u00e4rme.\nZur Bestimmung der Eigenw\u00e4rme bedienen wir uns bekanntlich des Thermometers, in einzelnen besonderen F\u00e4llen auch des Thermo-multiplicators. Beide messen die Temperatur unter Zuhilfenahme einer thermometrischen Substanz, welche in der Regel mit dem zu messenden K\u00f6rper in unmittelbare Ber\u00fchrung gebracht und so lange gelassen wird, bis man annehmen kann, dass die Temperatur in der thermometrischen Substanz und in dem zu messenden K\u00f6rper die gleiche sei. Die thermometrische Substanz aber zeigt ihre eigene Temperatur (und damit auch die des zu messenden K\u00f6rpers) an entweder durch ihr Volum (Thermometer im engern Sinne) oder durch ihren elektrischen Zustand (Thermomultiplicator).\nDas Thermometer. Jeder K\u00f6rper kann als thermometrische Substanz dienen, denn alle K\u00f6rper haben die gleiche Eigenschaft, dass\n1 Von den Ausnahmen wird im 2. Capitel die Rede sein.","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Grundbegriffe u. Messungsmetboden. Thermometer.\n291\nihre Volumina mit wechselnden Temperaturen wechseln und zwar mit steigenden Temperaturen zunehmen, mit abnehmenden Temperaturen abnehmen. Davon gibt es nur wenige Ausnahmen, worunter die bekannteste die ist, dass Wasser bei der Temperatur von ungef\u00e4hr 40 C. seine gr\u00f6sste Dichtigkeit hat, bei niedrigeren Temperaturen also ein gr\u00f6sseres Volum einnimmt als bei dieser besonderen Temperatur. Die Gr\u00f6sse dieses Volumwechsels bei gleichen Temperaturdifferenzen ist aber f\u00fcr verschiedene K\u00f6rper sehr verschieden, namentlich sind die Gase in dieser Beziehung sehr viel empfindlicher als die tropfbaren Fl\u00fcssigkeiten, diese wieder viel empfindlicher als die festen K\u00f6rper.\nDemnach eignen sich alle K\u00f6rper mehr oder weniger zu Thermometern; aus Zweckm\u00e4ssigkeitsgr\u00fcnden aber wenden wir meistens Quecksilber als tkermometrische Substanz an.\nFl\u00fcssigkeiten, deren Volum gemessen werden soll, m\u00fcssen in ein Gef\u00e4ss eingeschlossen werden. Denken wir uns ein genau cylindrisches Gef\u00e4ss theilweise mit Quecksilber r gef\u00fcllt, und nimmt das Volum des Quecksilbers zu oder ab, so steigt und sinkt das Oberfl\u00e4chenniveau des Quecksilbers im Gef\u00e4sse. Ist der Querschnitt des letzteren \u00fcberall derselbe, so wird die Niveau\u00e4nderung stets der Volums\u00e4nderung genau proportional sein, die Volummessung ist dadurch in eine einfache L\u00e4ngenmessung verwandelt.1\nEs ist aber gar nicht nothwendig, dass der Querschnitt des Gef\u00e4sses \u00fcberall gleich sei ; er braucht dies nur innerhalb desjenigen Theils zu sein, innerhalb dessen die Niveauver\u00e4nderungen vor sich gehen. Sei (j (Fig. 1) ein irgendwie gestaltetes Gef\u00e4ss, r ein damit verbundenes Rohr von \u00fcberall gleichweitem Querschnitt, seien a und b die \u00e4ussersten Grenzen, zwischen denen das Quecksilberniveau bei den ver- Fi&- u schiedenen in Betracht kommenden Temperaturen sich bewegt, dann k\u00f6nnen wir aus dem jedesmaligen Niveaustande des Quecksilbers in der R\u00f6hre das Volum desselben berechnen. Ja diese Einrichtung bietet uns noch den Vortheil, dass geringe Volumsver\u00e4nderungen\nl Genau genommen messen wir dabei nicht die wirkliche, sondern nur die scheinbare Ausdehnung des Quecksilbers. Denn da das Gef\u00e4ss selbst sich gleichfalls ausdehnt, wenngleich weniger als das Quecksilber, so ist das, was wir messen, der Ueberschuss der Volumzunahme des Quecksilbers \u00fcber die Volumzunahme des Gef\u00e4sses. Deshalb sind die Angaben zweier Thermometer nur dann voH-kommen genau vergleichbar, wenn ihre Gef\u00e4sse aus derselben Glassorte gefertigt sind. Doch ist der Fehler, welcher durch Vernachl\u00e4ssigung der Gef\u00e4ssausdeh-nung entstehen kann, zu gering, um von uns weiter in Betracht gezogen zu werden.\n19*","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292\nRosenthal, Die thierische W\u00e4rme.\ndes Quecksilbers schon erhebliche Niveauverschiebungen in der R\u00f6hre bewirken, wenn diese enger ist als das Gef\u00e4ss, ein Umstand, welcher offenbar der Genauigkeit und Empfindlichkeit der Messungen zu Gute kommt. Denken wir uns nun noch das Rohr oben geschlossen, nachdem durch Kochen des Quecksilbers alle Luft ausgetrieben worden, dann ist das Thermometer fertig.\nDie Grenzen a und zwischen denen die Verschiebung des Quecksilberniveaus vor sich geht, sind zun\u00e4chst ganz willk\u00fcrlich gew\u00e4hlt. Um jedoch die Angaben verschiedener Thermometer unter einander vergleichbar zu machen, ist man \u00fcbereingekommen, gewisse feste Temperaturen als Grenzpunkte zu w\u00e4hlen. Als solche sind jetzt fast \u00fcberall anerkannt: als unterer Grenzpunkt die Temperatur, bei welcher reines Eis schmilzt, als oberer Grenzpunkt die Temperatur des aus siedendem Wasser bei einem Atmosph\u00e4rendruck von 760 mm Hcj entstehenden Dampfes. Man bezeichnet daher den unteren Grenzpunkt als Eispunkt, den oberen als Siedepunkt. Den Raum zwischen beiden theilt man in eine Anzahl gleicher Theile, welche Grade genannt werden; bei der in wissenschaftlichen Untersuchungen jetzt fast allgemein gebr\u00e4uchlichen Scala von Celsius sind es deren 100. Bei dieser Scala steht daher bei dem Eispunkt die Zahl 0, bei dem Siedepunkt die Zahl 100.\t50\u00b0 bedeutet daher bei\ndiesem Thermometer eine Temperatur, bei welcher die Quecksilbers\u00e4ule gerade in der Mitte steht zwischen dem Stand, welchen sie bei dem Eispunkt und dem, welchen sie beim Siedepunkt hat. Temperaturen, welche niedriger sind als der angenommene Nullpunkt, werden durch ein vorgesetztes \u2014 Zeichen ausgedr\u00fcckt. Bei dem Thermometer von Reaumur ist der Raum zwischen Eispunkt und Siedepunkt nur in 80 Grade getheilt. 1 Grad der R\u00e9aumuFschen Scala (1\u00b0R.) ist daher gleich 1 lU Grad der Celsius\u2019schen Scala (1\u00b0,25 C.). Ich werde alle Temperaturangaben stets in der letzteren Scala rechnen und da, wo ausnahmsweise andere Scalen gemeint sind, dies ausdr\u00fccklich bemerken. In englischen Schriften findet man noch meist die von Fahrenheit angegebene Scala benutzt. Bei dieser ist der Nullpunkt nicht bei der Temperatur des schmelzenden Eises, sondern bei einer Temperatur angenommen, welche man erh\u00e4lt durch Mischung schmelzenden Eises mit Salmiak oder Kochsalz. Den Raum zwischen diesem seinem Nullpunkt und dem Siedepunkt theilt Fahrenheit in ISO Grade. Bei dem Nullpunkt der beiden andern Scalen steht bei Fahrenheit die Zahl 32 h Um daher Fahrenheitgrade in\n1 Die eigent\u00fcmliche Scala von Fahrenheit wird gew\u00f6hnlich erkl\u00e4rt durch, den Umstand, dass ihr Urheber die Anwendung des \u2014 Zeichens f\u00fcr niedere Tem-","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Grundbegriffe und Messungsmethoden. Thermometer.\n293\nCelsius- und R\u00e9\u00e0umurgrade zu verwandeln, muss man von ersteren 32 abziehen und den Rest mit 5/9 bezw. 4/g multipliciren. Allgemeine Formeln f\u00fcr die Verwandlung der Angaben einer Scala in die einer andern sind:\nto R. = 1,25 to C. = 2,25 t + 32 \u00fc F. t\u00b0 C. = 0,8 t o R. = 1,8 t -f- 32 0 F. t\u00b0 F. = (t\u201432) . 4/9\u00b0 R. = (t\u201432). 5/9\u00b0 C.\nZu gr\u00f6sserer Bequemlichkeit f\u00fcr das Studium \u00e4lterer und namentlich englischer Schriften gebe ich im Anh\u00e4nge eine Reductions-tabelle der drei Scalen:\nDer Erfiiider des Thermometers ist Galilei (zwischen 1592 und 1597). Sein Instrument war ein Luftthermometer, bei welchem \u00fcbrigens auf den Luftdruck keine R\u00fccksicht genommen war, so dass seine Angaben nur einen geringen Grad von Genauigkeit hatten. Seine jetzige Gestalt erhielt das Instrument durch den Grossherzog von Toscana, Ferdinand II. (etwa 1654); es enthielt Alkohol als thermometrisclie Substanz. Der Nullpunkt dieser Thermometer war der auch jetzt noch gebr\u00e4uchliche Eispunkt; als oberen festen Punkt benutzte man die Sonnenw\u00e4rme, die Temperatur des menschlichen K\u00f6rpers u. dgl., was nat\u00fcrlich eine gewisse Unsicherheit der Graduirung mit sich brachte. Newton empfahl zuerst den Siedepunkt zu benutzen (1680), und Halley wies nach, dass derselbe\nFig, 2. Thermoskop des Grossherzogs Ferdinand II. you Toskana.\nwirklich constant sei (1688). Derselbe empfahl auch das Quecksilber als thermometrisclie Substanz. Fahrenheit erwarb sich grosse Verdienste um die Verfertigung guter Instrumente (um 1720). Seine Thermometer wTaren\nperaturen vermeiden wollte. Allerdings hielt F. diese Temperatur, welche im Winter 1709 zu Danzig herrschte, f\u00fcr die niedrigste, welche die Natur hervorbringen k\u00f6nne. Aber f\u00fcr die Wahl derselben als Nullpunkt war doch sehr entscheidend, dass die Temperatur des menschlichen K\u00f6rpers (gemessen in der Mundoder Achselh\u00f6hle) ungef\u00e4hr auf den Theilstrich 100o seiner Scala fiel. Denn diese benutzte er neben der Temperatur der angegebenen K\u00e4ltemischung und der eines Gemisches von Eis und Wasser zur Graduirung seiner Thermometer. Ygl. Poggen-dorf, Gesch. d. Physik. S. 519.","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294\nRosenthal. Die thierische Wanne.\ndie ersten, welche unter einander \u00fcbereinstimmten, also eine wirkliche Messung zuliessen.\nSchon die \u00e4ltesten Thermometer wurden zur Messung der K\u00f6rperw\u00e4rme und ihrer Ver\u00e4nderungen bei Krankeiten benutzt. In eigentlmm-licher Weise geschah dies mit einem von dem genannten Grossherzog Ferdinand II. erfundenen Instrument. In einem nur Alkohol und etwas Luft enthaltenden Glasgef\u00e4ss befinden sich unten mit einer Oeffnung versehene, zum Theil mit Luft gef\u00fcllte Glaskugeln, welche verschiedene Farbe haben und verschieden grosse Luftmengen enthalten. Dieselben sind so abgeglichen, dass die Kugeln bei verschiedenen Temperaturen zu Boden sinken, indem das speciflsche Gewicht des Alkohols durch seine Ausdehnung sich \u00e4ndert. Ein derartiges Instrument, welches in der Londoner Ausstellung wissenschaftlicher Apparate 1876 zu sehen war, ist in Fig. 2 abgebildet. Es stammt aus den Sammlungen der Accademia del cimento, hat die Form eines kleinen Frosehs und wurde am Arm befestigt. Der von einigen Schriftstellern (z. B. Wunderlich1) als Erfinder des Thermometers genannte Arzt Sanctorius hat dasselbe nicht selbst erfunden, sondern von Galilei kennen gelernt und zur Bestimmung der Fieberw\u00e4rme benutzt.\nIII. Beschaffenheit des Thermometers.\nWie wir schon gesehen haben, ist die Verbindung einer engen R\u00f6hre mit einem gr\u00f6sseren Gef\u00e4ss vortheilhaft, weil dadurch gleiche Temperaturdifferenzen gr\u00f6ssere Verschiebungen der Quecksilbers\u00e4ule bewirken, das Thermometer also empfindlicher wird. Um ein recht empfindliches Thermometer zu erhalten, m\u00fcsste man also ein recht grosses Quecksilbergef\u00e4ss und eine recht enge R\u00f6hre w\u00e4hlen. Doch darf die Gr\u00f6sse des Gef\u00e4sses gewisse Grenzen nicht \u00fcberschreiten. Denn I. w\u00fcrde dadurch das Einf\u00fchren desselben in K\u00f6rperh\u00f6hlen, enge G\u00e4nge u. dgl. erschwert werden ; 2. da mit der Gr\u00f6sse des Gef\u00e4sses die Menge des darin enthaltenen Quecksilbers zunimmt, so wird dieses, wenn es vor der Einf\u00fchrung in den zu messenden K\u00f6rper w\u00e4rmer oder k\u00e4lter war als dieser, die Temperatur desselben \u00e4ndern, was freilich nur dann von erheblichem Belang sein kann, wenn die Masse des zu messenden K\u00f6rpers nicht sehr gross ist im Vergleich zu der Masse des Quecksilbers; 3. je gr\u00f6sser die Quecksilbermenge im Gef\u00e4ss ist, desto l\u00e4nger dauert es, bis sie ganz und gar die Temperatur des zu messenden K\u00f6rpers angenommen hat; schwankt diese schnell hin und her, so wird das Thermometer Riesen Schwankungen nicht zu folgen verm\u00f6gen, sondern einen mittleren Stand einnehmen. Ein solches Thermometer nennen wir tr\u00fcge.\n1 Wunderlich, Das Verhalten der Eigenw\u00e4rme in Krankheiten. 2. Aufl. (1870)\nS. 34.","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Grundbegriffe u. Messungsmethoden. Beschaffenheit d. Thermometers. 295\nDie Enge der Thermometern)hre findet eine Grenze nur in der noch hinreichend deutlichen Sichtbarkeit des Quecksilberfadens. Um diese bei verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig engen R\u00f6hren zu erh\u00f6hen, kann man den Querschnitt plattgedr\u00fcckt statt kreisrund machen. Sehr enge R\u00f6hren k\u00f6nnen die sp\u00e4ter zu erw\u00e4hnenden Maximumthermometer haben, da sie die Ablesung unter den g\u00fcnstigsten Beleuchtungsbedingungen gestatten.\nDie Form des Quecksilbergef\u00e4sses ist an und f\u00fcr sich gleich-giltig, doch giebt man demselben meistens cylindrische Gestalt, was auch die Einf\u00fchrung in enge R\u00e4ume wesentlich erleichtert. Sehr zu empfehlen f\u00fcr physiologische oder pathologische Beobachtungen sind die aus einem starkwandigen engen Glasrohr, an welches unten ein d\u00fcnnwandiges cylindrisches Gef\u00e4ss angeblasen wird, gefertigten, welche die Theilung auf dem Glasrohr einge\u00e4tzt haben\u00bb Ist das Rohr an der R\u00fcckseite weiss emaillirt, so erleichtert dies sehr das Ablesen.\nJe enger das Rohr ist im Verh\u00e4ltniss zur Gr\u00f6sse des Gef\u00e4sses, desto empfindlicher ist das Thermometer, wie wir gesehen haben. F\u00fcr physiologische und pathologische Zwecke muss der Raum eines Grades gross genug sein, um noch eine Theilung in Zehntel zuzulassen, und f\u00fcr feinere Versuche sollen die Zehntelstriche so weit von einander stehen, dass die Sch\u00e4tzung der Hundertstel noch m\u00f6glich ist. Je empfindlicher das Thermometer ist, desto l\u00e4nger wird die Scala sein m\u00fcssen. Da wir aber bei einem f\u00fcr physiologische und pathologische Zwecke bestimmten Thermometer nicht die ganze L\u00e4nge der Scala brauchen, da Temperaturen unter 20\u201425\u00b0 und \u00fcber 45\u00b0 mit demselben meistens nicht gemessen werden sollen, so gen\u00fcgt es, das Thermometer so einzurichten, dass nur dieser Theil der Scala vorhanden ist, indem der Verfertiger gerade soviel Quecksilber in das Gef\u00e4ss bringt, dass die S\u00e4ule bei 20\u00b0 nahe dem untern Ende der R\u00f6hre und bei 45\u00b0 nahe dem oberen Ende der R\u00f6hre steht. Damit das Thermometer, wenn es zuf\u00e4llig einer h\u00f6heren Temperatur ausgesetzt wird als 45\u00b0, nicht durch das sich ausdehnende Quecksilber gesprengt werde, ist es gut, am oberen Ende des Rohrs eine kleine Erweiterung anzubringen, welche das \u00fcbersch\u00fcssige Quecksilber aufnehmen kann.\nIV. Pr\u00fcfung des Thermometers.\nBevor man mit einem Thermometer arbeitet, ist es n\u00f6thig, sich von der Richtigkeit seiner Angaben zu \u00fcberzeugen. Auch ein sorgf\u00e4ltig gefertigtes Thermometer ver\u00e4ndert sich im Laufe der Zeit, da","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296\nRosenthal, Die thierische W\u00e4rme.\nes luftleer ist und deshalb der \u00e4ussere Luftdruck das d\u00fcnne Glas-gef\u00e4ss comprimirt. Aus diesem Grunde steigt daher der Nullpunkt allm\u00e4hlich und erreicht erst nach l\u00e4ngerer Zeit einen festen Stand. Der Verfertiger soll daher, nachdem er das Quecksilber ausgekocht, alle Luft ausgetrieben und das Rohr oben zugeschmolzen hat, dasselbe erst sehr lange liegen lassen, ehe er die Eintheilung vornimmt. Dennoch findet man meist, dass die Thermometer sich noch nachtr\u00e4glich etwas \u00e4ndern, so dass man gut thut, sie von Zeit zu Zeit immer wieder zu pr\u00fcfen. Ist das Instrument mit einer Theilung von 0\u2014100\u00b0 versehen, so pr\u00fcft man die Richtigkeit dieser festen Punkte, indem man erst dies Instrument in einem Gef\u00e4ss ganz mit kleinen Eisst\u00fccken oder reinem Schnee umgibt, sodass der Nullpunkt eben hervorragt, und wartet bis das Eis zu schmelzen beginnt, w\u00e4hrend man das Schmelzwasser durch eine, nahe dem Boden des Gef\u00e4sses angebrachte Oeffnung abtropfen l\u00e4sst. Dann stellt man das Thermometer in einem cylindrischen Gef\u00e4ss \u00fcber siedendem Wasser so auf, dass es ganz von dem Wasserdampf umgeben ist. Die erstere Pr\u00fcfung ist die wichtigere und gen\u00fcgt auch f\u00fcr sich schon, wenn das Instrument von einem zuverl\u00e4ssigen Verfertiger herr\u00fchrt, wo es haupts\u00e4chlich darauf ankommt, festzustellen, ob und wieviel das Gef\u00e4ss sich seit der Bestimmung der festen Punkte verkleinert hat. Man bringt also das Thermometergef\u00e4ss und das untere Ende des Rohrs in das Eis und wartet, bis die Quecksilbers\u00e4ule einen festen Stand angenommen hat. Steht sie, wie es h\u00e4ufig der Fall sein wird, etwas h\u00f6her als der Nullpunkt, z. B. bei 0,1, so notirt man diese Abweichung, und hat dann also von allen Angaben des Thermometers stets 1/i o0 als Correction des vorhandenen Fehlers abzuziehen.\nDabei ist vorausgesetzt, dass die Theilung selbst richtig ist, und dass das Thermometerrohr \u00fcberall gleich weit sei, so dass also gleich lange Strecken der R\u00f6hre an ihren verschiedenen Stellen immer stets gleichen Rauminhalt haben. Will man sich davon noch besonders \u00fcberzeugen, so verf\u00e4hrt man folgendermaassen: Man trennt, indem man das Thermometer umkehrt und es gelinde auf den Tisch auf-st\u00f6sst, ein St\u00fcck des Quecksilberfadens von der \u00fcbrigen Quecksilbermasse ab. Man legt das Thermometer horizontal und sieht, zwischen welchen Theilstrichen der Faden steht; angenommen er reiche von 93\u2014100, so ist seine L\u00e4nge = 7 Theilen. Nun bringt man durch Neigen des Thermometers den Faden an andere Stellen der Scala; ist das Rohr genau cylindrisch, dann muss der Faden \u00fcberall dieselbe L\u00e4nge behalten.\nHat man es mit einem Thermometer zu thun, welches nur zwi-","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Grundbegriffe u. Messimgsmethod. Maximumtherm. u. metast. Therm. 297\nsehen 20 und 45\u00b0 etwa getheilt ist7 so kann man weder den Eispunkt noch den Siedepunkt direct controliren. Man pr\u00fcft dann das Thermometer, indem man es mit einem guten, vorher gepr\u00fcften Normalthermometer vergleicht. Zu diesem Zweck befestigt man die beiden Thermometer nahe nebeneinander so, dass die Gef\u00e4sse beider genau in gleicher H\u00f6he stehen innerhalb eines d\u00fcnnwandigen Becherglases, welches von einem weiteren Gef\u00e4ss umgeben ist. Man giesst nun Wasser in das Becherglas, dessen Temperatur man durch Zugiessen warmen Wassers nach und nach alle Temperaturen von 20 bis 45\" durchlaufen l\u00e4sst. Nach jedem Zugiessen r\u00fchrt man sorgf\u00e4ltig mit einem Glasstab um und wartet, bis beide Thermometer einen festen Stand angenommen haben. So notirt man die zusammengeh\u00f6rigen Angaben der beiden Thermometer f\u00fcr m\u00f6glichst viele Temperaturen innerhalb jener Grenzen und erh\u00e4lt, falls das gepr\u00fcfte Thermometer falsch sein sollte, eine Correctionstabelle, mit Hilfe deren man doch mit ihm richtige Messungen ausf\u00fchren kann.\n4 . Maximum thermometer und metastatisches Thermometer.\nDa die zu messende Eigenw\u00e4rme der Tliiere in der Regel h\u00f6her ist als die Temperatur der umgebenden Luft, so kann man sich mit Vorth eil der Maximumthermometer bedienen, welche die erreichte oberste Temperaturgrenze auch sp\u00e4ter noch, nach der Entfernung vom Orte der Messung, abzulesen gestatten. Diese Einrichtung bietet den schon erw\u00e4hnten Vortheil, dass man die Ablesung an einem hellen Orte und in der g\u00fcnstigsten Lage des Instruments zum Auge und zum Licht vornehmen kann. Man kann deshalb die R\u00f6hren dieser Thermometer viel enger machen als sonst m\u00f6glich w\u00e4re, und deshalb bei geringer Gr\u00f6sse des Gef\u00e4sses dennoch eine sehr grosse Empfindlichkeit erzielen. Die in neuester Zeit sehr in Aufnahme gekommene Form des Maximumthermometers f\u00fcr physiologische und klinische Zwecke ist die von Ehrle1 empfohlene. Wie wir schon gesehen haben, ist der Raum der Thermometerr\u00f6hre oberhalb des Quecksilberfadens luftleer gemacht, um jeden Widerstand f\u00fcr die Ausdehnung des Quecksilbers zu beseitigen. Bei diesen Maximumthermometern aber ist bei der Anfertigung ein sehr kleines Luftbl\u00e4schen in der R\u00f6hre eingeschlossen worden, welches einen oberen kurzen Abschnitt des Quecksilberfadens von der \u00fcbrigen Quecksilbermasse trennt. Oberhalb dieses kurzen Quecksilberfadens ist die Luft, wie\n1 Berl. klin. Woch. 1869. Nr. 9.","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298\tRosenthal. Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\ngew\u00f6hnlich, ausgetrieben worden. Wird nun das Thermometer h\u00f6heren Temperaturgraden ausgesetzt, so treibt das sich ausdehnende Quecksilber das Luftbl\u00e4schen und damit den oberen Quecksilberfaden so lange vor sich her, bis der h\u00f6chste Stand erreicht ist. Erkaltet dann das Quecksilber wieder und zieht sich zusammen, so bleibt der obere Faden (\u00ab/>, Fig. 3) wegen der Reibung in der engen R\u00f6hre an seinem Platze stehen und zeigt so das Maximum der erreichten Temperatur an. Will man eine neue Messung vornehmen, so bringt man durch gelindes Aufstossen des Thermometers auf den Tisch den Quecksilberzeiger a b wieder nach unten, so weit, dass er jedenfalls tiefer steht als die neue, zu messende Temperatur ist. Bei der nun vorzunehmenden Messung muss dann der Zeiger wieder steigen und zeigt also wieder die neue Messung richtig an.\nZu den Maximumthermometern m\u00fcssen auch die Ans-flussthermometer gerechnet werden, von denen Kronecker & Meyer1 f\u00fcr physiologische Zwecke Gebrauch gemacht haben. Das Gewichts- oder Ausflussthermometer ist von Dulong & Petit angegeben worden. Ein Glasgef\u00e4ss, welches in eine capill\u00e4re Spitze ausgezogen ist, wird vollkommen mit Quecksilber gef\u00fcllt. Wird es sp\u00e4ter einer h\u00f6heren Temperatur ausgesetzt, so fliesst ein Theil des Quecksilbers aus, und man kann aus dem Gewichtsverlust die Temperatur bestimmen, welche das Thermometer erreicht hatte. Kronecker & Meyer Hessen solche Thermometer von so geringer Gr\u00f6sse anfertigen, dass sie von Thieren verschluckt oder in die Blutgef\u00e4sse gebracht wer-thermometer. (jen Ronnten. Sie bestimmten die erreichte Maximaltemperatur, indem sie nachtr\u00e4glich das Thermometer so weit erw\u00e4rmten, dass das Quecksilber eben die capillare Spitze erreichte.\nEine besondere Einrichtung hat auch Walferdin\u2019s metastatisches Thermometer. Dasselbe sieht aus wie ein gew\u00f6hnliches Thermometer mit kleinem Gef\u00e4ss und sehr engem Rohr. Am oberen Ende ist das Rohr noch besonders verengt (Fig. 4 bei a) und oberhalb dieser Verengerung mit einer bimf\u00f6rmigen Erweiterung (b) versehen. Will man das Thermometer gebrauchen, so erw\u00e4rmt man es erst durch Einsenken in warmes Wasser von \u00fcber 40u derart, dass ein grosser Theil des Quecksilbers in die Erweiterung b \u00dcbertritt. Man\nFig. 8.\n1 Arch. f. Physiol. 1878. S. 546. 1879. S. 567.","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Grundbegriffe u. Messungsmethod. Verfahren b. d. Benutzung, d. Therm. 299\nbringt nun das Thermometer in Wasser von 40\u00b0, dessen Temperatur man genau mittelst eines Normalthermometers auf diesem Grad erh\u00e4lt, und wenn das Thermometer die Temperatur angenommen hat, hebt man es mit einem pl\u00f6tzlichen Ruck aus dem Wasser.\nDer Quecksilberfaden reisst nun an der verengten Stelle a, ein Theil des Quecksilbers bleibt in der Erweiterung b, der Rest bildet mit dem im Gef\u00e4ss befindlichen Quecksilber das zu benutzende Thermometer. Auf der R\u00f6hre ist eine willk\u00fcrliche Theilung, z. B. in Millimeter angebracht. Man bringt nun das Thermometer in Wasser, dessen Temperatur mittelst des Normalthermometers gemessen wird und 38\u00b0 betragen mag; man liest genau den Stand der Quecksilbers\u00e4ule ab; er sei bei dem Theilstrich 30.\nMan k\u00fchlt das Wasser auf 37\u00b0 ab und findet dabei den Quecksilberstand beim Theilstrich 10. Dann entspricht also ein Theilstrich der willk\u00fcrlichen Scala = 0\u00b0,05 und das Thermometer ist im Stande Temperaturen von 37 bis nahe an 40\u00b0 mit grosser Sch\u00e4rfe zu messen, denn da man l/b Millimeter noch gut sch\u00e4tzen kann, ist das Thermometer im Stande, Hundertstel Grade anzugeben. Man sieht leicht, wie man verfahren muss, wenn man Temperaturen \u00fcber 40\u00b0 oder unter 37\u00b0 zu messen hat. Man muss eben stets das Thermometer vorher auf eine Temperatur bringen, welche etwas \u00fcber der zu messenden liegt, und das Thermometer ist trotz seiner Empfindlichkeit und trotz seiner geringen L\u00e4nge f\u00fcr einen sehr grossen Theil der Scala brauchbar. Die Grenzen seiner Brauchbarkeit sind gegeben: nach unten durch die niederste Temperatur, bei Wa\u2122din\u2019s welcher noch ein Theil des Quecksilbers innerhalb der Therraonieter-R\u00f6hre steht; nach oben durch diejenige Temperatur, bei welcher die obere Erweiterung das Quecksilber aufzunehmen vermag. Vorausgesetzt ist, dass die R\u00f6hre wirklich genau cylindrisch ist, dass also gleichen L\u00e4ngen auch wirklich gleiche Volumina entsprechen. Dieses Thermometer ist besonders von Claude Bernard bei seinen Versuchen \u00fcber die Temperaturtopographie benutzt worden. Die Umst\u00e4ndlichkeit des Verfahrens hat jedoch eine gr\u00f6ssere Verbreitung desselben verhindert.\nVI. Verfahren bei der Benutzung des Thermometers.\nJede Thermometerbeobachtung erfordert gewisse Vorsichtsmass-regeln, von deren Befolgung der Grad ihrer Zuverl\u00e4ssigkeit abh\u00e4ngt.","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen Wanne.\nGenau genommen sollte die ganze Quecksilbermasse, also nicht blos der im Gef\u00e4ss, sondern auch der in der R\u00f6hre befindliche Theil derselben, ganz in das Mittel, dessen Temperatur gemessen werden soll, versenkt sein, so dass nur gerade eben die Kuppe der Quecksilbers\u00e4ule, der Ablesung wegen, herausragt. Denn wenn das Quecksilber in der R\u00f6hre eine andere Temperatur hat wie das im Gef\u00e4ss, so ist auch sein Volum ein anderes und bedingt einen Fehler der Bestimmung. Je kleiner der in der R\u00f6hre befindliche Theil des Quecksilbers im Vergleich zu dem im Gefass befindlichen Theil ist, desto kleiner wird dieser Fehler, desto eher kann er also vernachl\u00e4ssigt werden. Die Forderung aber, dass mindestens das Thermo-metergef\u00e4ss ganz von dem zu messenden Mittel umhiillt sei, ist ganz unerl\u00e4sslich. Und dennoch ist sie bei physiologischem Versuch oft schwer oder gar nicht zu erf\u00fcllen. Wir benutzen freilich meistens H\u00f6hlen des K\u00f6rpers, in welche man das Thermometergef\u00e4ss einf\u00fchren kann, den Mastdarm z. B. oder die Scheide, oder wir verwandeln eine zug\u00e4ngliche Stelle durch Anlagerung eines anderen K\u00f6rpertheils in eine solche H\u00f6hle, wie das z. B. mit der Achselh\u00f6hle geschieht, welche durch Anlagerung des Arms an den Brustkorb in einen geschlossenen, das Thermometergef\u00e4ss ganz umh\u00fcllenden Hohlraum verwandelt wird. Wenn jedoch die Temperatur der Haut gemessen werden soll, dann ist die vollst\u00e4ndige Umh\u00fcllung des Ther-mometergef\u00e4sses entweder gar nicht oder doch nur sehr schwer zu erreichen, und die hierdurch herbeigef\u00fchrte Unsicherheit der Messung ist bei der Kritik der gewonnenen Ergebnisse in Betracht zu ziehen.\nZweitens ist zu beachten, dass das Quecksilber des Thermometers die Temperatur des umgebenden Mittels immer erst nach einiger Zeit ganz angenommen haben kann, dass also die Ablesung fehlerhaft ausfallen muss, wenn sie zu fr\u00fch erfolgt. Diese zur Erreichung des richtigen Standes erforderliche Zeit ist um so gr\u00f6sser, je gr\u00f6sser die Quecksilbermasse ist, wie wir schon S. 294 gesehen haben. Man wird daher den Grad der Tr\u00e4gheit des Thermometers kennen lernen und bei den Beobachtungen so lange warten m\u00fcssen, dass man sicher ist, richtige Werthe zu erhalten. Handelt es sich nicht um schnelle Temperaturschwankungen (wobei ja tr\u00e4ge Thermometer \u00fcberhaupt nicht zu gebrauchen sind), so muss das Thermometer nach Verlauf einer gewissen Zeit einen festen Stand annehmen und man kann seinen Stand f\u00fcr den wahren ansehen, wenn er sich w\u00e4hrend einiger Minuten nicht mehr ge\u00e4ndert hat, Ist das Queck-silbergef\u00e4ss klein, wie bei den feinen, zu physiologischen Zwecken","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Grundbegriffe u. Messungsmethod. Thermoelektr. Temperaturmessung. 301\ngefertigten Thermometern jetzt meist der Fall zu sein pflegt, so gen\u00fcgen 2\u20143 Minuten, um diesen festen Stand zu erreichen, bei gr\u00f6sserem Quecksilbergef\u00e4ss aber dauert es oft 10\u201415 Minuten und dar\u00fcber. Man kann diese Zeit erheblich abk\u00fcrzen, wenn man das Thermometer vorher ann\u00e4hernd auf die Temperatur bringt, welche der zu messende K\u00f6rper hat, also bei Messungen am Menschen auf etwa 37\u00b0. Dieses Verfahren ist auch dann anzurathen, wenn der zu messende K\u00f6rper eine so geringe Masse hat, dass durch die Ber\u00fchrung mit dem Thermometer seine Temperatur selbst merklich ge\u00e4ndert werden k\u00f6nnte, ein Fall, der freilich bei Messungen am Menschen nicht vorliegt.\nEndlich ist noch bei den Ablesungen des Thermoterstands die Vermeidung der Parallaxe zu beachten, welche einen um so gr\u00f6sseren Fehler bedingen kann, je entfernter die Quecksilbers\u00e4ule von der dahinter befindlichen Scala ist. Man hat deshalb darauf zu sehen, dass die Augenaxe w\u00e4hrend der Ablesung senkrecht auf das Thermometer gerichtet ist. Bei den oben beschriebenen Maximumthermometern ist das leicht zu erreichen, indem man das Thermometer vertical so hoch h\u00e4lt, dass das obere Ende des Zeigers gerade in der H\u00f6he des Auges sich befindet. Bei den andern Thermometern, welche in ihrer Lage am K\u00f6rper abgelesen werden m\u00fcssen, kann das Ablesen Schwierigkeiten machen; man wird jedoch zum Ziel gelangen, wenn man bei den Thermometern mit durchscheinender Scala auf Milchglas oder auf dem Thermometerrohr selbst einen leuchtenden K\u00f6rper (ein brennendes Streichholz gen\u00fcgt) oder ein Licht re-flectirendes Spiegelchen in passender Lage hinter das Thermometer h\u00e4lt und so abliest.\nVII. Thermoelektrische Temperaturmessung.\nVon der Temperaturmessung durch das Thermometer unterscheidet sich die mit dem Thermomultiplicator wesentlich dadurch, dass man niemals absolute Temperaturen, sondern nur Temperaturdifferenzen misst. Ist dabei die eine der beiden Temperaturen bekannt, so ergibt sich dann die andere gleichfalls.\nIn einem aus zwei oder mehr verschiedenen Metallen gebildeten Kreise entsteht ein elektrischer Strom, sobald eine der Contactstellen eine andere Temperatur hat als die anderen. Beschr\u00e4nkt man sich auf zwei Metalle, so ist die St\u00e4rke des Stroms abh\u00e4ngig von der Natur der Metalle und der Temperaturdifferenz der beiden Ber\u00fchrungsstellen und ist, innerhalb gewisser Grenzen, der Temperatur-","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\ndifferenz direct proportional. Ist in den Kreis ein Multiplicator eingeschaltet, durch welchen die Stromst\u00e4rke gemessen werden kann, so kann daraus die Temperaturdifferenz und, wenn die Temperatur der einen Contactstelle bekannt ist, die der anderen gefunden werden.\nMan kann die Contactstellen an einander l\u00f6then, da durch die Einf\u00fchrung des L\u00f6thmetalls an den Verh\u00e4ltnissen nichts ge\u00e4ndert und die Gleichm\u00e4ssigkeit der Contacte dadurch gesichert wird. Den L\u00f6thstellen gibt man je nach dem Zweck verschiedene Formen: Nadelform, um sie in die Gewebe einstechen zu k\u00f6nnen, oder die Form d\u00fcnner Pl\u00e4ttchen, welche an die Haut angelegt werden u. s. w. Als thermometrische Metalle benutzt man am besten Kupfer und Eisen oder auch Neusilber und Eisen. Denn wenn auch andere Metall-combinationen, z. \u00df. Antimon und Wismuth oder gewisse Legirungen bei gleichen Temperaturdifferenzen st\u00e4rkere Str\u00f6me geben, so haben sie doch andere Nachtheile durch ihre Br\u00fcchigkeit, welche sich der nothwendigen Formgebung widersetzen, und die Empfindlichkeit der ersterw\u00e4hnten Combinationen gen\u00fcgt allen physiologischen Anforderungen. Ja die weniger empfindliche Combination Kupfer-Eisen ist sogar vorzuziehen. Denn da der Multiplicatordraht aus Kupfer besteht, so hat man es in diesem Falle wirklich nur mit einem Kreis aus zwei Metallen zu thun, wodurch eine Reihe von Fehlerquellen fortfallen, die aus den Temperaturdifferenzen an den verschiedenen L\u00f6thstellen erwachsen k\u00f6nnen.\nEin einfacher Thermokreis, wie er zu physiologischen Versuchen\ngebraucht wird, besteht deshalb aus zwei L\u00f6thstellen, in denen Kupfer und Eisen zusammenstos-sen, a und b Fig. 5, und dem zwischen beiden eingeschalteten Multiplicator m. Sollen nur Temperaturen an verschiedenen Stellen verglichen werden, dann bringt man die L\u00f6thstellen an diese Stellen und misst die Stromst\u00e4rke. Sollen absolute Temperaturen beobachtet werden, dann bringt man die eine L\u00f6thstelle an die betreffende Stelle und erh\u00e4lt die andere auf einer bekannten Temperatur, oder man \u00e4ndert die Temperatur dieser anderen Stelle langsam, bis der Strom im Kreise Null wird, wo dann die Temperatur dieser Stelle gleich wird der der anderen. Die Empfindlichkeit dieser\nFig. 5. Einfacher Thermokreis.\n(In den Figuren 5\u20147 bedeuten die stark gezogenen Linien Eisen, die schwach gezogenen Kupfer.)","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Grundbegriffe u. Messungsmethod. Thermoelektr. Temperaturmessung. 303\nMessungsmethode b\u00e4ngt von der des Multiplicators ab und kann mit Leichtigkeit auf 1/io, ja 1/ioo Grad gebracht werden. Man kann sie erheblich steigern, wenn man statt eines einfachen Kreises eine Thermokette von mehreren Gliedern anwendet, wie eine solche von 2 Gliedern schematisch in Fig. 6 dargestellt ist. Die beiden L\u00f6thstellen a werden hier mit den beiden L\u00f6thstellen b verglichen. Rosenthal1 hat nach diesem Princip ein Instrument construirt, welches er Elektro-thermometer nennt.\nEine Anzahl d\u00fcnner Kupfer- und Eisendr\u00e4hte sind in einen Schlauch eingeschlossen und bilden eine d\u00fcnne biegsame Sonde, welche in den Mastdarm oder andere H\u00f6hlen eingef\u00fchrt werden kann. Die\nFig. 6. Thermokette von 2 Gliedern.\n(Die L\u00e4nge der Dr\u00e4hte ist in der Figur, die nur schematisch gehalten ist, verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig viel\nzu kurz gezeichnet.)\nzwei Gruppen von L\u00f6thstellen liegen an den beiden Enden, w\u00e4hrend in der Mitte die beiden Dr\u00e4hte abgehen, welche zur Verbindung mit dem Multiplicator dienen. Ist das eine Ende an den Ort der Messung eingef\u00fchrt, so bringt man das andere Ende in ein Gef\u00e4ss mit\n1 Bericht \u00fcb. d. Ausstellung wissensch. Appar. zu London 1876 ; Katalog S. 989.","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nWasser, dessen Temperatur man \u00e4ndern kann, und bestimmt dadurch die zu messende Temperatur. Fig. 7 stellt das Instrument schematisch dar.\nDie Vortheile der elektrischen Temperaturbestimmung' sind neben der grossen Empfindlichkeit, deren sie f\u00e4hig ist, zu suchen in der M\u00f6glichkeit, die Temperatur an Orten zu messen, an welche man mit gew\u00f6hnlichen Thermometern nicht hingelangen kann. Bei der geringen Masse, welche man den L\u00f6thstellen geben kann, nehmen sie die Temperatur der Umgebung \u00e4usserst schnell an, folgen selbst schnellen Temperaturschwankungen sehr gut, haben also einen sehr geringen Grad von Tr\u00e4gheit. Die Nachtheile bestehen in der Umst\u00e4ndlichkeit des Verfahrens, welches daher immer nur f\u00fcr einzelne Probleme Anwendung gefunden hat, wo das gew\u00f6hnliche Thermometer nicht ausreicht.\nDer zu solchen Messungen gebrauchte Multiplicator darf nur wenige Windungen eines ziemlich dicken Drahtes haben, da die elektromotorischen Kr\u00e4fte, welche durch die Temperaturdifferenz entstehen, nur gering sind und durch gr\u00f6ssere Widerst\u00e4nde zu sehr geschw\u00e4cht werden. Man benutzt entweder Thermonniltiplicatoren mit Nobili\u2019schem astatischem Nadelpaar oder besser Bussolen mit Spiegelablesung, welche den Vortheil bieten, dass die Ablenkungen den Stromst\u00e4rken direct proportional sind. Da nun diese wieder den Temperaturdifferenzen proportional sind, so gen\u00fcgt es, f\u00fcr eine bestimmte Temperaturdifferenz der angewandten Thermokette die Ablenkung ein f\u00fcr alle mal zu bestimmen, um danach alle Temperaturdifferenzen aus den beobachteten Ablenkungen berechnen zu k\u00f6nnen.1 Bei Anwendung des Tkermomultiplicators aber bleibt nichts \u00fcbrig als denselben empirisch zu graduiren, d. h? die f\u00fcr jede Temperaturdifferenz erfolgenden Ausschl\u00e4ge ein f\u00fcr alle mal zu bestimmen, welche dann g\u00fctig bleiben, so lange die Empfindlichkeit 'des Multi-plicators sich nicht \u00e4ndert.\nIn ganz anderer Weise haben neuerdings Christiani und Kron-ecker2 die thermoelektrische Untersuchung f\u00fcr physiologische Zwecke\n1 Auf eine dabei vorkommende Fehlerquelle hat Rosenthal hingewiesen (Sitzgsber. d. phys.-med. Societ\u00e4tzu Erlangen. 1876. 6. Juni; Ann. d. Physik. S. 160. 174). Sie liegt in der Inconstanz der Empfindlichkeit der Bussole in Folge der Schwankungen in der Intensit\u00e4t des Erdmagnetismus. Man kann jedoch stets die unbekannte Temperatur einer L\u00f6thstelle (T) finden durch zwei Ablesungen (al und a2) bei zwei verschiedenen Temperaturen der anderen L\u00f6thstelle (f, und\nt.2) nach der Formel: T = gen zu beachten sind.\nt2 .\t\u2014 tla5\nwobei die Vorzeichen der Ablenkun-\n2 Christiani u. Kronecker, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1878. S. 334.","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Grundbegriffe u. Messungsmethoden. W\u00e4rmemenge und Calorimetrie. 305\nzu verwerten gesucht, n\u00e4mlich zur Bestimmung der von der Haut ausstrahlenden W\u00e4rme. So grosse Erfolge die Anwendung der Thermo-s\u00e4ule zur Untersuchung der W\u00e4rmestrahlung, namentlich durch die Bem\u00fchungen Melloni's, aufzuweisen hat, so ist sie doch zur directen Bestimmung der Temperatur des ausstrahlenden K\u00f6rpers nicht geeignet ; denn die Ausstrahlung h\u00e4ngt nicht allein von dieser, sondern noch von vielen anderen Umst\u00e4nden ab. Die Arbeit der genannten Forscher liegt bis jetzt nur in einer kurzen Mittheilung vor, so dass wir den Werth, welchen die Methode f\u00fcr die L\u00f6sung physiologischer Aufgaben erlangen kann, noch nicht zu \u00fcbersehen verm\u00f6gen. Wir unterlassen daher hier ein n\u00e4heres Eingehen auf dieselbe, indem wir die Ergebnisse der Untersuchung sp\u00e4ter ber\u00fccksichtigen werden.\nVIII. W\u00e4rmemenge und Calorimetrie.\nDie bisher besprochenen Methoden zielen alle darauf ab, an bestimmten Stellen des K\u00f6rpers die dort herrschende Temperatur zu messen. Diese ist aber die Resultante aus 3 Factoren: 1. der pro-ducirten W\u00e4rme, 2. der nach aussen verlorenen und von aussen empfangenen W\u00e4rme, 3. der specihschen W\u00e4rme der Gewebe.\nDie heutige Phvsik betrachtet die W\u00e4rme nicht als einen Stoff, welcher den materiellen K\u00f6rpern zugesellt ist, sondern als einen Zustand dieser K\u00f6rper, als eine Form der Bewegung ihrer Molek\u00fcle. Je h\u00f6her die Temperatur eines K\u00f6rpers ist, desto gr\u00f6sser wird die Geschwindigkeit, mit welcher diese molecularen Bewegungen vor sich gehen, welche wir nicht direct beobachten, sondern nur an ihren Wirkungen erkennen k\u00f6nnen. Da nun aber die Molek\u00fcle verschiedener K\u00f6rper unter einander sehr verschieden sind und sich unter sehr verschiedenen Bedingungen befinden, so ist ein gleicher Tem-'peraturgrad nicht ohne weiteres als der Ausdruck gleichen W\u00e4rmezustandes zu betrachten, sondern die W\u00e4rme kann nur nach ihren Wirkungen bemessen werden.\nObgleich wir die W\u00e4rme nicht als einen Stoff betrachten, so sind doch aus der Zeit, als die Phvsiker diese Ansicht hatten, \u00b0;e-wisse Ausdr\u00fccke, wie W\u00e4rmemenge u. dgl. im Gebrauch geblieben. Wenn wir von W\u00e4rmemenge sprechen, so soll damit, \u00e4hnlich wie bei dem Ausdruck Arbeitsmenge, der Grad der Wirkung bezeichnet werden, deren die betreffende W\u00e4rme f\u00e4hig ist. Diese Wirkung kann in verschiedener Weise zur Beobachtung kommen. Einer der einfachsten F\u00e4lle ist der, dass die W\u00e4rme von einem h\u00f6her temperirten K\u00f6rper auf einen mit jenem in Ber\u00fchrung gebrachten, niederer tem-\nHancUmch der Physiologie. Bd IV a\t20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nperirten K\u00f6rper tibergeht und dessen Temperatur dadurch erh\u00f6ht. Mischen wir z. B. heisses Wasser mit kaltem, so erhalten wir Wasser von einer mittleren Temperatur, also ist ein Theil der W\u00e4rme von den Molek\u00fclen des heissen Wassers auf die Molek\u00fcle des kalten Wassers \u00fcbertragen worden, erstere haben W\u00e4rme verloren, letztere haben W\u00e4rme gewonnen; der Gewinn der letzteren muss aber gleich sein dem Verlust der ersteren, kann also als Maass f\u00fcr die \u00fcbertragene W\u00e4rme gelten.\nMischen wir nun 1 kg Wasser von 20\u00b0 und 1 kg Wasser von 80\u00b0, so werden wir finden, dass das Gemenge genau 50\u00b0 hat; mischen wir aber 2 kg Wasser von 20\u00b0 mit 1 kg Wasser von 80\u00b0, so wird das Gemenge 40\u00b0 haben.1 Im ersteren Falle hat das eine Kilogramm Wasser 30\u00b0 verloren, und diese W\u00e4rme hat ausgereicht ein anderes Kilogramm Wasser um 30\u00b0 zu erw\u00e4rmen; im zweiten Falle hat das eine Kilogramm Wasser 40\u00b0 verloren, und diese W\u00e4rme hat ausgereicht zwei andere Kilogramm Wasser um 20\u00b0 zu erw\u00e4rmen. Ganz dasselbe w\u00fcrden wir finden, wenn wir heisses und kaltes Quecksilber in den gegebenen oder \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen mischen w\u00fcrden, und ebenso bei allen anderen Substanzen.\nWenn wir jedoch 1 kg Wasser von 20\u00b0 mit 1 kg Quecksilber von 80\u00b0 mischen, so erhalten wir ein Gemisch von 2 kg Substanz, aber deren Temperatur wird etwa 21\u00b0,75 sein. Es hat also das Wasser nur gewonnen 1\u00b0,75 und das Quecksilber hat verloren 58\u00b0,25. Umgekehrt, wenn wir 1 kg Quecksilber von 20\u00b0 mischen mit 1 kg Wasser von 80\u00b0, so erhalten wir eine Mischung von der Temperatur 78\u00b0,25; also hat das Wasser verloren 1 \u00b0,75 und das Quecksilber hat gewonnen 58\u00b0,25.\nBetrachten wir also nur die erste Experimentalreihe, so sehen wir, dass der W\u00e4rmeeffect von der Masse der zu erw\u00e4rmenden Substanz abh\u00e4ngt; nehmen wir aber auch auf die zweite Reihe R\u00fccksicht, so zeigt sich, dass auch die Natur der zu erw\u00e4rmenden oder die W\u00e4rme abgebenden Substanz in Betracht kommt. Denn die von 1 kg Quecksilber abgegebenen 58\u00b0,25 konnten 1 kg Wasser nur um 1\u00b0,75 erw\u00e4rmen, w\u00e4hrend 1\u00b0,75 von 1 kg Wasser abgegebene W\u00e4rme umgekehrt 1 kg Quecksilber um 58\u00b0,25 erw\u00e4rmen konnten. Um also die W\u00e4rmemenge genau zu bestimmen, gen\u00fcgt es nicht die Temperatur anzugeben, sondern auch die Masse und die Natur der Sub-\n1 Hierbei ist nat\u00fcrlich vorausgesetzt, dass bei der Mischung keine W\u00e4rme nach aussen verloren gegangen, z. B. nicht an die Gef\u00e4sse abgegeben worden ist. Wollte man z. B. das heisse Wasser einfach zu dem kalten zugiessen, so w\u00fcrde ein Theil der W\u00e4rme auf das kalte Gef\u00e4ss \u00fcbergehen, und man w\u00fcrde eine etwas niedrigere Temperatur erhalten als oben angegeben ist.","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Grundbegriffe und Messungsmethoden. W\u00e4rmemenge und Calorimetrie. 307\nstanz, welcher diese Erw\u00e4rmung zu Theil geworden ist. Demgem\u00e4ss hat man Wasser als diejenige Substanz gew\u00e4hlt, mit welcher man alle anderen vergleichen soll; man nennt daher eine W\u00e4rmeinheit diejenige W\u00e4rmemenge, welche 1 kg Wasser um 1\u00b0 C. zu erw\u00e4rmen vermag. Man nennt eine solche W\u00e4rmeeinheit auch eine Calorie und bezeichnet sie mit Ca. In manchen F\u00e4llen ist es bequemer als Einheit eine kleinere Gr\u00f6sse zu haben ; man w\u00e4hlt dann als Einheit die W\u00e4rmemenge, welche 1 gr Wasser um 1\u00b0 C. erw\u00e4rmt, und bezeichnet sie zum Unterschied mit ca (kleine Calorie). F\u00fcr noch kleinere W\u00e4rmemengen hat Fick1 als Einheit die W\u00e4rmemenge gew\u00e4hlt, welche 1 mgr Wasser um 10 C. erw\u00e4rmt, und hat diese eine Mikro-calorie {mca) genannt. Es ist also\n1 Ca = 1,000 ca = 1,000,000 mca 1 ca =\t1000 mca\nAus dem oben angef\u00fchrten Beispiel geht hervor, dass zur Erw\u00e4rmung einer gewissen Masse Quecksilber um eine gewisse Anzahl Celsiusgrade nur ungef\u00e4hr V33 der W\u00e4rmemenge erforderlich ist wie zur Erw\u00e4rmung einer gleichen Masse Wasser um dieselbe Anzahl Grade. Nennen wir also die W\u00e4rmemenge, welche 1 kg Wasser um 1\u00b0 C. erw\u00e4rmen kann, eine W\u00e4rmeeinheit, so brauchen wir zur Erw\u00e4rmung von 1 kg Quecksilber um 10 C. nur V33 W\u00e4rmeeinheit. Diese Zahl V33, oder genauer 0,033, nennt man die W\u00e4rmeeapacit\u00e4t des Quecksilbers. Ist eine Quecksilbermasse m um /\u00b0 erw\u00e4rmt worden, so sind dazu 1/33 .t.m W\u00e4rmeeinheiten verbraucht worden. Dieselbe W\u00e4rmemenge h\u00e4tte ausgereicht, um V33 m Wasser um \u00a3\u00b0 zu erw\u00e4rmen. Diese Zahl V33 m, d. h. also das Gewicht des Quecksilbers multiplicirt mit der W\u00e4rmeeapacit\u00e4t desselben, nennt man auch wohl den Wasserwerth desselben. Diese Umrechnung in den Wasserwerth erleichtert die Berechnung der Versuche, bei welchen verschiedene Substanzen gleichzeitig erw\u00e4rmt werden. Haben wir Wasser in einem kupfernen Gef\u00e4ss zu erw\u00e4rmen, so berechnen wir den Wasserwerth des Gelasses, indem wir sein Gewicht mit dem Werth der W\u00e4rmeeapacit\u00e4t des Kupfers (0,095) multipliciren und addiren diesen zu dem Gewicht des Wassers. Wir k\u00f6nnen dann so verfahren, als h\u00e4tten wir es nur mit Wasser allein zu thun und die Anzahl der Grade, multiplicirt mit dem so corrigirten Gewicht des Wassers, gibt unmittelbar die verbrauchten W\u00e4rmeeinheiten an.\nDas Verh\u00e4ltniss der W\u00e4rmemenge, welche n\u00f6thig ist, um eine bestimmte Masse eines K\u00f6rpers um einen Grad zu erw\u00e4rmen, zu der-\n1 Fick, Arch. f. d. ges. Physiol. XYI. S. 61.\n20*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\njenigen W\u00e4rmemenge, welche n\u00f6tliig ist, eine gleiche Menge Wasser um einen Grad zu erw\u00e4rmen, nennt man auch die specifische W\u00e4rme des betreffenden K\u00f6rpers. Die specifische W\u00e4rme des Quecksilbers ist also = 58,25 : 1,75 \u2014 0,03. W\u00e4rmecapacit\u00e4t und specifische W\u00e4rme einer Substanz sind also ihrem Zahlenwerth nach gleich. Sie unterscheiden sich nur durch die Art der Betrachtung, durch welche man die Begriffe abgeleitet hat.\nBei der Ableitung dieser Begriffe haben wir vorausgesetzt, dass die specifische W\u00e4rme von der absoluten Temperatur unabh\u00e4ngig sei, d. h. dass die W\u00e4rmemenge, welche 1 kg Wasser von 20\u00b0 auf 21\u00b0 erw\u00e4rmt, gleich ist der W\u00e4rmemenge, welche 1 kg Wasser von 80\u00b0 auf 81\u00b0 erw\u00e4rmt. Diese Voraussetzung trifft aber nur ann\u00e4hernd, nicht ganz genau zu. Die Abweichung ist freilich gering und wir werden sie bei unseren Betrachtungen vernachl\u00e4ssigen k\u00f6nnen. Will man aber genau sein, so muss man die Temperatur, bei welcher der Versuch vor sich ging, in Rechnung ziehen. F\u00fcr die genaue Bestimmung der W\u00e4rmeeinheit aber folgt, dass man dabei eine Normaltemperatur w\u00e4hlen muss. Als solche nimmt man gew\u00f6hnlich die Temperatur der gr\u00f6ssten Dichtigkeit des Wassers (-f-4\u00b0C.). Die genaue Definition einer W\u00e4rmeeinheit oder Calorie ist also die W\u00e4rmemenge, welche 1 kg Wasser von 4\u00b0 auf 5\u00b0 erw\u00e4rmt.\nFig. 8. Calorimeter\nIX. Calorimeter.\nApparate, welche W\u00e4rmemengen messen, nennt man Calorimeter. Taucht man einen erw\u00e4rmten K\u00f6rper in Wasser und wartet, bis die Temperaturen sich ausgeglichen haben, so k\u00f6nnen wir unmittelbar aus der Zunahme der Temperatur des Wassers die von jenem K\u00f6rper","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Grundbegriffe und Messungsmethoden. Calorimeter.\n309\nabgegebene W\u00e4rmemenge berechnen. Ein solcher Apparat ist also ein Calorimeter. Sei AB CD (Fig. 8), das Calorimeter, gef\u00fcllt mit einer bestimmten Menge Wasser m von der Temperatur 20\u00b0. Wir erhitzen einen K\u00f6rper auf 100\u00b0 und bringen ihn in das Wasser. Ein Theil der W\u00e4rme geht von dem K\u00f6rper auf das Wasser \u00fcber, dessen Temperatur steigt, w\u00e4hrend die des K\u00f6rpers f\u00e4llt, bis beide vollkommen gleiche Temperatur haben. Angenommen die Temperatur des Wassers steige auf 23\u00b0, dann hat das Wasser aufgenommen m. 3 W\u00e4rmeeinheiten. Da aber die Substanz des Gef\u00e4sses auch mit erw\u00e4rmt worden ist, m\u00fcssen wir diese W\u00e4rme mit in Rechnung ziehen, was geschieht, indem wir den Wasserwerth des Gef\u00e4sses berechnen und zu dem Gewicht des Wassers hinzuaddiren. Der so corrigirte Werth der Wassermasse sei m', dann ist also die vom Wasser gewonnene W\u00e4rmemenge = 3 m\\ Nun m\u00fcssen wir aber bedenken, dass auch W\u00e4rme von dem Wasser nach aussen verloren wird. Sei die Temperatur des Wassers vor dem Versuch genau gleich der Temperatur der Umgebung gewesen, sofort nach dem Einbringen des heissen K\u00f6rpers, als sie zu steigen begann, begann auch ein Verlust von W\u00e4rme durch Abgabe an die umgebende Luft, durch Leitung und Strahlung an alle ber\u00fchrenden und umgebenden K\u00f6rper. Man kann diesen Verlust durch geeignete Einrichtung des Apparats sehr klein machen, ganz vermeiden kann man ihn nicht. Um ihn in Rechnung zu ziehen, bestimmt man durch Vorversuche, wie gross der Verlust bei der in Frage kommenden Temperatur des Wassers und der beobachteten Temperatur der umgebenden Luft in der zum Versuch ben\u00f6thigten Zeit gewesen sein muss. Diesen Verlust f\u00fcgt man zu der wirklich beobachteten Temperaturerh\u00f6hung des Wassers hinzu. Er sei = 0\u00b0,5; dann hat also das Wasser in Wirklichkeit aufgenommen 3,5. m' W\u00e4rmeeinheiten.\nDer eingetauchte K\u00f6rper hatte urspr\u00fcnglich die Temperatur 100\u00b0, er wurde abgek\u00fchlt auf 23\u00b0, er hat also verloren 77\u00b0. Ist sein Gewicht g, die specifische W\u00e4rme seiner Substanz s, so hat er abgegeben die W\u00e4rmemenge g.s.ll. Wir haben also die Gleichung:\ng . s .77 = 3,5 . m\u2019\n3,5 .m!\noder\ts = --------\nH .g\nDa iri und g bekannt sind, so k\u00f6nnen wir also den Werth s unmittelbar berechnen. In der That ist das beschriebene Verfahren das gebr\u00e4uchliche, um die specifische W\u00e4rme der Substanzen zu bestimmen.","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\tRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nTauchen wir in das Wasser des Calorimeters ein geschlossenes Gef\u00e4ss A (Fig. 9), in welchem durch einen zugeleiteten Sauerstoffstrom die Verbrennung eines (festen, fl\u00fcssigen oder gasf\u00f6rmigen) K\u00f6rpers unterhalten werden kann. Die Verbrennungsproducte ziehen\ndurch das Schlangenrohr S ab und geben dabei die bei der Verbrennung entstandene W\u00e4rme an das Wasser ab. Aus der Erw\u00e4rmung desselben berechnet sich dann die durch den Verbrennungsprocess entstandene W\u00e4rmemenge in Calorien. Bestimmt man das Gewicht der verbrannten Substanz, so kann man daraus die W\u00e4rmemenge berechnen, welche bei der Verbrennung der Gewichtseinheit der Substanz producirt wird. Diesen Werth nennt man die Verbrennungsw\u00e4rme der betreffenden Substanz. Sie ist von grosser Bedeutung f\u00fcr die Theorie der thieri-sehen W\u00e4rme.\nFig. 9. Apparat von Favre & Silbermann\nzur Bestimmung der Verbrennungsw\u00e4rme.\tAuf gailZ den gleichen Pl\u2019inci-\npien beruht der Apparat, welchen Favre und Silbermann benutzten, um die bei der Bildung chemischer Verbindungen auf nassem Wege entstehende W\u00e4rme zu messen.1 Er ist ein Quecksilbercalorimeter, in welchem das Quecksilber die W\u00e4rme aufnimmt und zugleich seine Temperaturerh\u00f6hung durch seine eigene Ausdehnung anzeigt. Das grosse, kugelige Glasgef\u00e4ss A (Fig. 10) hat 3 Oeffnungen. In die eine Oeffnung o ist ein d\u00fcnnwandiges Rohr von Eisen oder Platin eingekittet, in welches wieder ein. d\u00fcnnwandiges Glasgef\u00e4ss (g) eingesetzt wird; der Zwischenraum zwischen beiden ist mit Quecksilber ausgef\u00fcllt, um die innerhalb des Glasrohrs entstehende W\u00e4rme schnell und vollst\u00e4ndig dem Quecksilber im grossen Gef\u00e4ss zuzuf\u00fchren. Die zweite Oeffnung o' geht in ein verticales Rohr \u00fcber, in welches ein rechtwinkelig gebogenes enges Rohr ttr quecksilberdicht eingef\u00fcgt ist. Das horizontale Rohr tt' ist in Millimeter eingetheilt und genau calibrirt. In die dritte Oeffnung o\" ist eine Fassung eingekittet, durch welche eine Schraube hindurchgeht, mit Hilfe deren man das Quecksilber in die R\u00f6hre 11' dr\u00e4ngen und genau auf den Nullpunkt der Theilung einstellen kann. Das\n1 Favre & Silbermann, Ann. d. chim. et d. phys. (3) XXXIY. p. 357.","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Grundbegriffe und Messungsmethoden. Calorimeter.\n311\ngrosse, etwa 1 Liter fassende Gef\u00e4ss liegt, von schlechten W\u00e4rmeleitern umgeben, in einem h\u00f6lzernen Kasten.\nFig. 10. Quecksilbercalorimeter.\nWenn man in die Pipette (Fig. 10a) etwas Wasser einsaugt, dasselbe ins Sieden bringt und durch Umdrehen der Pipette um ihre Langsame das siedende Wasser in das Calorimeter laufen l\u00e4sst, so erw\u00e4rmt sich das Quecksilber und dringt in der R\u00f6hre um n Theil-striche vor. Durch W\u00e4gen der Pipette vor und nach dem Versuch findet man das Gewicht des Wassers in Grammen g, ist 5 die Siedetemperatur, t die Temperatur des Wassers nach dem Erkalten, so ist\nFig. 10a. Pipette zum Quecksilbercalorimeter.\n________ - \u201e. Qmm\ng ( S\u2014t)\nd. h. Cmm ist die durch eine ca bewirkte Verschiebung des Quecksilbers. Man hat also bei sp\u00e4teren Versuchen nur die beobachtete Verschiebung durch den Werth C zu dividiren, um die Anzahl da zu finden, welche dem Apparat zugef\u00fchrt worden sind.\nDas Wassercalorimeter ist von Dulong' f\u00fcr die Bestimmung der von einem lebenden Thier producirten W\u00e4rme benutzt worden. Das Thier wird in einen Beh\u00e4lter gebracht, welcher innerhalb eines gr\u00f6s-\n1 Dulong, Ann. d. chim.etd. phys. (3) I. p. 440 ; Compt. rend. XVIII. p. 327. 1842.","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nseren steht, den er nur an wenigen Punkten ber\u00fchrt. Der Zwischenraum ist mit Wasser gef\u00fcllt. In den inneren Raum m\u00fcndet eine R\u00f6hre B- eine andere f\u00fchrt aus demselben durch ein Rohr in Schlangenwindungen, welches unterhalb des Raumes im Wasser liegt (s. Fig. 11b), zur R\u00f6hre D'. Durch D wird ein Luftstrom durch den inneren Kasten\nFig. 11a.. Calorimeter von Dulong\ngeleitet, welcher dem Thiere zur Respiration dient; die Respirations-producte entweichen durch das Schlangenrohr und geben dabei ihre\nW\u00e4rme an das Wasser des Calorimeters ab. Zwei Thermometer \u2018T und Tf messen die Temperaturzunahme des Wassers, w\u00e4hrend eine R\u00fchrvorrichtung eine vollkommene Mischung der verschieden Fig. h b.\ttemperirten Wassermas-\nsen bewirkt. Die so gefundene Temperaturzunahme multiplient mit dem Gewicht des Wassers (unter Zurechnung des Wasserwerths der \u00fcbrigen Theile des Apparats) gibt die W\u00e4rmeproduction in Calorien, wobei nat\u00fcrlich noch die Correction wegen des W\u00e4rmeverlustes an die Umgebung vorzunehmen ist.","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Grundbegriffe und Messungsmethoden. Calorimeter.\n313\nIn ganz \u00e4hnlicher Weise waren die Calorimeter eingerichtet, mit welchen Despretz 1 und Senator 2 ihre Untersuchungen \u00fcber die \u00e4rmeproduction der Thiere anstellten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden im dritten Capitel mitgetheilt werden.\nAuf einem anderen Princip beruht das Eiscal or im et er yon Lavoisier & Laplace3 (Fig. 12). Die Messung der W\u00e4rme geschieht hier durch die Menge des von der zugef\u00fchrten W\u00e4rme geschmolzenen Eises. Die zu untersuchende Substanz wird in das K\u00f6rbchen A\ngebracht, welches in einem mit Eis gef\u00fcllten und ganz mit Eis um-\ngebenen Beh\u00e4lter steht, Das Schmelzwasser fliesst durch die Bohre/ ab und wird in einem Messgef\u00e4ss aufgefangen und gemessen, oder durch W\u00e4gung bestimmt.\nDer Apparat gibt nur mangelhafte Resul-tate, weil ein Theil des Schmelzwassers an den Eisst\u00fccken haften bleibt und sich der Messung entzieht. Das Eiscal orimeter von Bunsen4 (Fig. 13) vermeidet diesen Fehler, indem es die geschmolzene Eismenge durch die Volumsabnahme bestimmt, welche das aus dem Eis entstandene Wasser erf\u00e4hrt. Das Glasgef\u00e4ss a wird bis zur Linie \u00df mit Quecksilber, im \u00fcbrigen mit Fig. 12. Eiscalorimeter von Lavoisier & Laplace.\nausgekochtem destil-\nlirten Wasser gef\u00fcllt und dieses durch Abk\u00fchlen in einen soliden Eis-cylinder verwandelt. Da Eis einen gr\u00f6sseren Raum einnimmt als Wasser, so wird beim Gefrieren ein Theil des Quecksilbers in die angeschmolzene R\u00f6hre rrf gedr\u00e4ngt. Man bringt nun den Apparat in ein weiteres Gef\u00e4ss A, welches destillirtes Wasser enth\u00e4lt, das\n1\tDespretz, Ann. d. chim. et d. phys. (2) XXVI. p. 337.\n2\tSenator, Arch. f. Anat. 11. Physiol. 1872. S. 1.\n3\tLavoisier & Laplace, M\u00e9moires de l\u2019acad\u00e9mie. Paris 1780. n. 369\n4\tBunsen, Ann. d. Physik. CXLI. S. 1.\t1 2","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\nRosenthal. Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nman vorher in einer K\u00e4ltemischung his zur Dicke von einigen Centi-metern am Boden und an den R\u00e4ndern hat frieren lassen, und dieses wieder in ein weiteres, das mit Eisst\u00fccken, oder besser noch mit reinem Schnee gef\u00fcllt ist.1 Man f\u00fcllt nun das Rohr r r' ganz mit Quecksilber, f\u00fcgt in dasselbe das rechtwinkelig umgebogene enge Rohr ss\u2019 ein, welches in Millimeter getheilt und genau calibrirt ist.\nIn das Gef\u00e4ss a ist oben ein d\u00fcnnwandiges Rohr a eingeschmolzen, welches zum Theil mit destillirtem Wasser gef\u00fcllt und mit einem Kork verstopft ist. Dieses Wasser muss ebenso wie der Eiscylinder die Temperatur 0\u00b0 annehmen. L\u00e4sst man dann einen warmen K\u00f6rper in das Rohr a fallen, so erw\u00e4rmt sich dieses Wasser, wird dadurch, da die Dichtigkeit des Wassers von 0\u20141\u00b0 zunimmt, schwerer, bleibt also auf dem Boden des Rohrs liegen und gibt seine W\u00e4rme an das Eis ab, welches schmilzt. Da nun das entstehende Wasser einen kleineren Raum einnimmt, so zieht es sich zusammen und man misst die Volumsabnahme durch die Verschiebung des Quecksilbers in dem calibrirten Rohr ssr. Aehnlich wie bei dem Quecksilbercalorimeter von Favre & Silbermann bestimmt man die durch eine W\u00e4rmeeinheit bewirkte Verschiebung durch einen Vorversuch und stellt so die Constante des Apparats fest, so dass man dann aus der abgelesenen Verschiebung des Quecksilbers unmittelbar die zugef\u00fchrte W\u00e4rmemenge in Calorien kennen lernt. Rosenthal2 hat das BuNSEN\u2019sche Eiscalorimeter benutzt, um die spe-cifische W\u00e4rme organischer Gewebe zu bestimmen.\nUnmittelbar f\u00fcr physiologische Zwecke bestimmt ist das 1 er-\n1\tVgl. Sch\u00fcller & Wartha. Ber. d. chem. Ges. VIII. S. 1011.\n2\tRosenthal, Monatsber. d. Berl. Acad. 1878. S. 306; Arch. f. Anat. u. Physiol. 1878. S. 215.","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"1. Cap. Grundbegriffe und Messungsmethoden. Calorimeter.\t315\ndampfungscalorimeter von Rosenthal. 1 Ebenso wie zum Schmelzen einer bestimmten Eismenge ist auch zum Verdampfen einer bestimmten Fl\u00fcssigkeitsmenge stets eine ganz bestimmte W\u00e4rmemenge erforderlich. Man kann daher W\u00e4rmemengen messen durch das Volum des entstandenen Dampfes. Der Apparat von Rosenthal besteht aus zwei Cylindern, von denen der \u00e4ussere, gr\u00f6ssere, den inneren von allen Seiten einh\u00fcllt. Beide sind mit derselben Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllt, durch deren Verdampfung die W\u00e4rme gemessen werden soll, und liegen in einem Kessel, der mit Wasser gef\u00fcllt ist und mittelst einer Flamme und eines W\u00e4rmeregulators auf der Siedetemperatur der angewandten Fl\u00fcssigkeit erhalten wird. Jeder der beiden Cylinder steht durch ein Rohr mit einem mit Quecksilber gef\u00fcllten Beh\u00e4lter in .Verbindung, welcher in ein enges, genau calibrates, horizontales Rohr \u00fcbergeht. Wenn es auch nicht m\u00f6glich ist, das Wasser des Kessels ganz genau auf der betreffenden Siedetemperatur zu erhalten, so k\u00f6nnen doch diese Temperaturschwankungen die Fl\u00fcssigkeit in dem inneren Cylinder nicht beeinflussen, weil die Fl\u00fcssigkeit in dem \u00e4usseren Cylinder stets auf der Siedetemperatur bleibt. In den Raum des inneren Cylinders hinein ragt ein von aussen zug\u00e4ngliches d\u00fcnnwandiges Metallrohr. Bringt man in dieses eine W\u00e4rmequelle, so geht die W\u00e4rme auf die Fl\u00fcssigkeit des inneren Cylinders \u00fcber, und da diese schon auf ihrer Siedetemperatur ist, so verdampft ein Theil derselben. Nach aussen kann keine W\u00e4rme verloren gehen, denn die Fl\u00fcssigkeit ist von einem Mantel umgeben, welcher gerade dieselbe Temperatur hat wie sie selbst. Die entstehende Dampfmenge muss also proportional sein der zugef\u00fchrten W\u00e4rmemenge. Ihr Volum wird durch die Verschiebung des Quecksilbers im cali-brirten Rohr bestimmt. Die Constante des Apparats wird gerade so gefunden wie bei den vorhergehenden Apparaten.\nAls Verdampfungsfl\u00fcssigkeiten wendet Rosenthal an entweder Acetylaldehyd (CHs. COOH), welcher bei 21\u00b0 siedet, oder Aethyl-\u00e4ther (C2H5.0. CiHb) mit der Siedetemperatur 34\u00b0,9. Diese Temperaturen sind f\u00fcr gewisse physiologische Versuche g\u00fcnstig gew\u00e4hlt. Bringt man lebende Thiere in den Apparat, so werden die Respi-rationsproducte in \u00e4hnlicher Weise, wie wir dies bei dem Dulong-schen Calorimeter beschrieben haben, durch ein Schlangenrohr geleitet, in welchem sie ihre W\u00e4rme g\u00e4nzlich an das Calorimeter abgeben.\n1 Rosenthal, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1878. S. 349.","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nZWEITES CAPITEL.\nDie Eigenw\u00e4rme.\nI. Begriff der Eigenw\u00e4rme.\nWie wir gesehen haben, behalten manche Thiere (die sogenannten Romoiothermen, zu denen auch der Mensch geh\u00f6rt) selbst bei sehr verschiedenen Temperaturen der Umgebung nahezu eine und dieselbe Temperatur ihres K\u00f6rpers bei. Diese Temperatur nennen wir die Eigenw\u00e4rme des betreffenden Thieres. Bei den poikilothermen Thieren kann man von einer Eigenw\u00e4rme eigentlich nicht reden; dennoch geschieht dies zuweilen und kann geschehen, wenn man nur den richtigen Begriff damit verbindet. Denn da auch die poikilothermen Thiere oder Kaltbl\u00fcter stets W\u00e4rme produciren, so sind sie in der Regel etwas w\u00e4rmer als ihre Umgebung, und diesen Ueber-schuss ihrer Temperatur \u00fcber die ihrer Umgebung hat man als ihre Eigenw\u00e4rme bezeichnet.\nZur Messung der Eigenw\u00e4rme dient in der Regel das Thermometer. Dasselbe muss, wie wir gesehen haben, so in den zu messenden K\u00f6rper eingef\u00fchrt werden, dass sein Gef\u00e4ss von allen Seiten vollkommen von der Substanz des K\u00f6rpers umschlossen wird. Um dies zu erreichen, benutzt man die von aussen zug\u00e4nglichen nat\u00fcrlichen H\u00f6hlen des K\u00f6rpers: Mundh\u00f6hle, Mastdarm, Scheide, Harnblase (beim Weibe), oder solche K\u00f6rperstellen, welche zwar keine vollkommen geschlossenen H\u00f6hlen sind, aber doch leicht in solche verwandelt werden k\u00f6nnen, wie die Achselh\u00f6hle durch Anlagerung des Oberarms an den Rumpf. Bei Thieren und unter besonderen Umst\u00e4nden auch beim Menschen kann man das Thermometer durch Wunden in nat\u00fcrliche oder k\u00fcnstliche H\u00f6hlungen einf\u00fchren, z. B. in die Bauchh\u00f6hle oder durch die Gef\u00e4sse in die Herzh\u00f6hlen. Ebenso wie das Thermometer k\u00f6nnen zu demselben Zwecke auch thermoelektrische Vorrichtungen dienen, welche wegen ihrer geringeren Dicke und ihrer Biegsamkeit h\u00e4ufig noch leichter einzuf\u00fchren sind.\nII. Mittlerer Betrag der Eigenw\u00e4rme.\nDie Messung der Eigenw\u00e4rme w\u00fcrde eine leichte und einfache Aufgabe sein, wenn der Organismus in allen seinen Theilen \u00fcberall dieselbe Temperatur h\u00e4tte. Das ist aber, wie wir sehen werden,","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Mittlerer Betrag der Eigenw\u00e4rme.\n317\ndurchaus nicht der Fall, und die Differenzen, welche je nach der Wahl des Messungsortes innerhalb verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig weiter Grenzen Vorkommen k\u00f6nnen, machen die Vergleichung der von verschiedenen Beobachtern vorgenommenen Messungen sehr schwierig. Indem wir uns Vorbehalten, diesen Punkt noch eingehender zu er\u00f6rtern, wollen wTir zun\u00e4chst die wichtigsten Messungen dieser Art \u00fcbersichtlich zusammenstellen.\nDie h\u00f6chste Eigenw\u00e4rme unter allen Thieren zeigen die V\u00f6gel, deren Temperaturen zwischen 39 \u00b0,44 und 43 \u00b0,90 gefunden worden sind, w\u00e4hrend die Temperaturen der S\u00e4ugethiere zwischen 35\u00b0,5 und 40\u00b0,5 liegen. Eine ausgedehnte Reihe von Beobachtungen verschiedener Forscher, welche Gavarret1 zusammengestellt hat, gebe ich hier wieder:\nBezeichnung des Thiers\tTemperatur\t\tOrt der Beobachtung\tBeobachter . . +\n1. V\u00f6gel. Steinkauz\t\t\t40,00\tRectum\tJ. Davy\nSturmvogel ( Thalassidroma pelagica)\t\t\t40,30\t\t\nCaptaube (Procellaria gla-cialis\t\t\t40.80\t\tM\nPapagei\t\t\t41,10\t\tM\nGans\t\t\t41,70 42.10\t\t\nDohle\t\t\t\t\t\nSperling\t\t\t42.10\t\t\nTaube (in K\u00e4fig) ....\t\t42,10\t\t\nSumpfhuhn (? poule des jungles)\t\t142.00 142,50\t\t5*\t\u00bb\u00bb\nHuhn\t\t\t42,50\t\t\nTruthahn\t\t\t\t42,70\t\u201e\t\nDrossel\t\t\t42,80\t?\u2666\t\nTaube (frei)\t\t1\t43,00 43,30\t\t>\u2022\nHuhn\t Perlhuhn\t\t1 1\t43,30 42,20 43,30 43,90 43,90\t-, ..\t*\nEnte\t\t\t43,90\t\t\nReiher\t\t\t41,00\t\tPr\u00e9vost & Dumas\nHuhn\t\t\t41,50\t..\t\nTaube \t\t\t42^00\t\t\nEnte\t\t\t42,50\t\t\nHuhn\t\tvon 39,44\u201440,00\t\t\tJ. Hunter\nTaube \t\t,. 41,90-42.50\t\t\tDelaroche\nSperling\t\t\t39,08\t\tDespretz\nSteinkauz\t\t\t40,91\t1\t\nKr\u00e4he (jung)\t\t\t41,17\t\u00bb\t: 1\n1 Gavarret, De la chaleur produite par les \u00eatres vivants, p. 92. Paris 1855.","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nBezeichnung des Thiers\tTemperatur\tOrt der Beobachtung\tBeobachter\nEule (erwachsen) ....\t41.47\tRectum\tDespretz\nSperber (erwachsen) .\t.\t.\t41,47\t55\t55\nSperling (jung)\t\t41,67\t55\t\n\u25a0 Sperling (erwachsen) .\t.\t.\t41.69\t..\t\u00bb5\nAmmer (erwachsen) .\t.\t.\t42,88\t55\t\nRabe (erwachsen) ....\t42,91\t\t\nTaube \t\t42,98\t\u201e\t\nVerschiedene kleine V\u00f6gel .\t44,03\t?5\tPallas\nVerschiedene V\u00f6gel .\t.\t.\t39,44\u201442,22\tLeiste\tMartine\n2. S\u00e4ugethiere.\t\t\t\nTiger \t Pferd (Araber)\t\t37,20\tRectum\tJ. Davy\n\t37,50\t55\t\nRatte\t\t38,80\t\t\nHase\t\t37.80\t\t\nSchakal\t\t38,30\t\t\nKatze\t\t38,30\t\t\nEichh\u00f6rnchen \t\t38,80\t\t\nKatze\t\t38,90\t\t\nPanther\t\t38,90\t\t\nHund\t\t139,00 \"(39,60 39,40\t\u00bb\t55\nIchneumon\t\t\t\t\u20225\nElen (Weibchen) ....\t39,40\t\t\nZiegenbock (castrirt) .\t.\t.\t39,50\t55\t..\nAffe (erwachsen) ....\t39,70\t55\t\nHammel\t\t(37,30\u201440,00 < 39,50\u201440,00\t\t\n1 i Ziege\t\t140,00 \u2014 40,50 40,00\t\t\nAffe\t\t35,50\t\tPr\u00e9vost & Dumas\nPferd ....\t.\t.\t36,80\t55\t5?\t7?\nHund ........\t37,40\t\tV\t55\nMeerschweinchen ....\t38,00\t\u201e\t\nKaninchen\t\t38,00\t,,\t\u20225\t,,\nHammel\t\t38,00\t55\t,, \u201e\nKatze\t\t38.50\t,,\t\u201e ..\nZiege \t\t39,20\t,,\t\u201e\t5*\nMeerschweinchen ....\t35,76\t55\tDespretz\nHund (3 Monat alt) .\t.\t.\t39,48\t,,\t\nKatze (erwachsen) ....\t89,78\t\u201e\t\nOchs\t\t37,50\t\u201e\tJ. Hunter\n' Kaninchen\t\t37,50\t55\t\nEsel \u2022\t\t36,95\t\u201e\t\nEselin\t\t37,78\tVagina\t\nMeerschweinchen ....\t38,40-39,00 39,60\u201440,00 f 37,80 135,62\tRectum\tDelaroche\nKaninchen\t\t\t\t\u201e\nT\u00fcmmler (Delphinus phocaena\t\tLeber Halswunde\tBroussonet\nSeekuh (Manati) ....\t38,89\tUnter d. Haut\tMartine\n\t40,00\tIm Bauch\t\u00bb\nGay arret theilt ausserdem eine Versuchsreihe von Martins (von Montpellier) an einer grossen Zahl von Enten und G\u00e4nsen mit, welcher ich gleichfalls einige Zahlen entlehne. Bei Enten fand er","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Eigenw\u00e4rme des Menschen.\n319\nDie Durchschnittstemperatur..............=\t42,118\nDurchschnitt beim m\u00e4nnlichen Geschlecht = 41,962 \u201e\t\u201e weiblichen \u201e\t=\t42,273\nDie Maxima und Minima waren\nbei den m\u00e4nnlichen 42,47 und 40,97 \u201e\t\u201e weiblichen 43,90\t\u201e\t40,90\nDie Durchmusterung dieser Zahlen und vieler anderer, welche besonders an den h\u00e4ufig zu physiologischen Zwecken benutzten Thie-ren, Hunden, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen von den verschiedensten Beobachtern mitgetheilt worden sind, l\u00e4sst kein allgemeines Gesetz erkennen. Auch stimmen die f\u00fcr dasselbe Thier gegebenen Zahlen keineswegs unter einander \u00fcberein. Dies liegt, abgesehen von Verschiedenheiten der Thermometer oder in der Art der Einf\u00fchrung derselben vorzugsweise daran, dass die Eigenw\u00e4rme, besonders kleinerer Thiere, durchaus nicht so constant ist, wie es nach den fr\u00fcher gangbaren Anschauungen vorausgesetzt wurde, sondern erhebliche Schwankungen zeigen kann, worauf wir bei der Lehre von der W\u00e4rmeregulirung zur\u00fcckkommen werden. Nimmt man darauf R\u00fccksicht, so kann man neben dem schon erw\u00e4hnten Satz, dass V\u00f6gel im Allgemeinen eine h\u00f6here Eigenw\u00e4rme haben, noch als eine allgemeine Regel aufstellen, dass kleinere Thiere meistens eine h\u00f6here Eigenw\u00e4rme haben als grosse.\nIII. Eigenw\u00e4rme des Menschen.\nSo zahlreich auch die Temperaturbeobachtungen an Menschen sind, so ist doch eine ganz genaue Angabe der normalen Eigenw\u00e4rme kaum m\u00f6glich. Erstens ist der allergr\u00f6sste Theil der Beobachtungen nicht an gesunden Menschen gemacht worden. Zweitens stimmen die Beobachtungen unter einander nicht gen\u00fcgend \u00fcberein, theils wegen der verschiedenen, zur Messung benutzten Oertlich-keiten, theils wegen kleiner Unterschiede der Thermometer. Endlich aber ist auch f\u00fcr den Menschen eine gewisse, allerdings in ziemlich enge Grenzen eingeschlossene Breite der Schwankungen nicht ausgeschlossen, da die Eigenw\u00e4rme desselben durch allerlei Umst\u00e4nde beeinflusst wird.\nBoerhave\u2019s Angabe, dass die Eigenw\u00e4rme 33\u00b0,3\u201434,4 betrage, muss unbedingt als zu niedrig angesehen werden. Richtiger ist schon die von Martine1, welcher sie zu 36,1 \u2014 36,7 ansetzt. Hunter'2 gibt\n1\tMartine, Essays medical an philosophical 1740. p. 335.\n2\tHunter, Principles of surgery. Works of John Hunter. Ed. by J. F. Palmer. Yol. I. p. 280. Die Principles of surgery sind nicht von Hunter selbst redigirt. sondera nach einem Collegienheft herausgegeben.","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\n37\u00b0,2 als Norm an, was mit der Ziffer des neuesten Beobachters, J\u00fcrgensen1, der als Mittel 37\u00b0,2 findet, sehr genau zusammenstimmt. Sehr ausgedehnte Messungsreihen unter den verschiedensten \u00e4usseren Umst\u00e4nden hat J. Davy2 ver\u00f6ffentlicht und als Mittel 37\u00b0,3 berechnet. Wunderlich3 nimmt f\u00fcr die Achselh\u00f6hle 36\u00b0,25\u201437\u00b0,5 und als Mittel 37\u00b0,0 an und h\u00e4lt alle \u00fcber jene Grenzen hinausgehenden Temperaturen f\u00fcr verd\u00e4chtig, oder will sie doch nur unter ganz besonderen Umst\u00e4nden oder Einwirkungen noch f\u00fcr normal gelten lassen.\nIY. Ort der Messung.\nDie meisten Messungen der Eigenw\u00e4rme des Menschen sind in der Achselh\u00f6hle vorgenommen worden, welche ja den Anforderungen hinreichend entspricht, die wir als unerl\u00e4sslich f\u00fcr eine richtige Messung hingestellt haben, vollst\u00e4ndige Umschliessung der Thermometerkugel durch die K\u00f6rpertheile. Ausser dieser Stelle sind noch benutzt worden: die Mundh\u00f6hle, indem man die Thermometerkugel unter die Zunge legt, das Rectum, beim \"Weibe die Scheide, der Uterus, die Harnblase ; doch wird auch heute noch die Achselh\u00f6hle wegen ihrer Bequemlichkeit bevorzugt, wenngleich die Messung im Rectum, namentlich seit der Einf\u00fchrung der Maximumthermometer, welche Ablesung nach der Entfernung vom Beobachtungsorte gestatten, immer mehr in Aufnahme kommt.\nNun ist aber die an verschiedenen Stellen des K\u00f6rpers gefundene Temperatur nicht immer dieselbe, insbesondere ist die Temperatur der Achselh\u00f6hle stets um einen halben bis zu einem ganzen Grad niedriger als die im Rectum gemessene, ja selbst diese letztere schwankt je nach der Tiefe, bis zu welcher das Thermometer eingef\u00fchrt wird, um einige Zehntel. Wenn also die einzelnen Theile des K\u00f6rpers ungleich warm sind, so k\u00f6nnte man von einer Eigenw\u00e4rme eigentlich nur sprechen in dem Sinne, dass man darunter die mittlere W\u00e4rme des gesammten K\u00f6rpers versteht. Weil aber die w\u00e4rmeren Theile weitaus den gr\u00f6ssten Theil des K\u00f6rpers ausmachen, so wird man den kleinsten Fehler begehen, wenn man die Temperatur dieser Theile als die richtige ansieht. Und diese Temperatur misst man am genauesten bei hinl\u00e4nglich tiefer Einf\u00fchrung des Thermometers (bis zu 5 cm mindestens) ins Rectum. Die Eigenw\u00e4rme\n1\tJ\u00fcrgensen. Die K\u00f6rperw\u00e4rme des gesunden Menschen. Leipzig 1873.\n2\tJohn Davy, Philos. Transact. 1844. p. 61; Researches, anatomical and physiological. I. p. 162.\n3\tWunderlich. Eigenw\u00e4rme. 2. Aufl. S. 92.","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Ort der Messung.\n321\ndes gesunden Menschen kann danach mit J\u00fcrgensen auf 37\u00b0,2 oder vielleicht etwas h\u00f6her auf 37\u00b0,5 fixirt werden, mit Schwankungen von 37\u00b0,0\u201438\u00b0, welche noch als innerhalb der normalen Grenzen fallend angesehen werden k\u00f6nnen.\nIn wie weit die neuerdings wieder von Oertmann1 und von Mosso2 empfohlene Messung der Temperatur des frisch entleerten Harns geeignet ist, brauchbare Zahlen f\u00fcr den Mittelwerth der Eigenw\u00e4rme zu geben, wage ich nicht zu entscheiden. Wenn der Harn in der Blase verweilt, muss er ja nat\u00fcrlich die Temperatur annehmen, welche der Lage der Blase an einem vor Abk\u00fchlung gesch\u00fctzten Ort entspricht. Wird er entleert, so kann eine geringe Abk\u00fchlung beim Durchgang durch die Harnr\u00f6hre und dann durch Abgabe an das Ge-f\u00e4ss, in welchem er aufgefangen wird, und an die Luft, endlich durch Strahlung und Verdunstung schwer vermieden werden. Man kann freilich den Einfluss des Gef\u00e4sses sehr gering machen, indem man ein recht d\u00fcnnwandiges w\u00e4hlt und es schon im voraus auf eine der K\u00f6rperw\u00e4rme sehr nahe Temperatur bringt. Oder man kann auch das Gef\u00e4ss ganz entbehren und das Thermometer direct in den Harnstrahl halten, wobei aber wieder der Einfluss der Verdunstung recht erheblich sein wird. Alles in allem genommen, sehe ich keinen rechten Vortheil in dieser neuen Messungsmethode.\nDie angef\u00fchrten Mittelzahlen sind aus den Messungen an sehr vielen Individuen abgeleitet. Aber selbst bei einem einzelnen Individuum kommen Schwankungen, freilich innerhalb enger Grenzen vor, welche noch innerhalb der normalen physiologischen Erscheinungen fallen, w\u00e4hrend in Krankheiten selbst erhebliche Abweichungen beobachtet werden. Die wichtigsten dieser physiologischen Schwankungen sind folgende:\nV. Einfluss des Alters und Geschlechts.\nDas noch nicht geborene Kind ist um ein geringes w\u00e4rmer als die \\ agina und der Uterus der Mutter, was offenbar von der freilich geringen selbst\u00e4ndigen W\u00e4rmeproduction des Kindes beim Mangel erheblicher W\u00e4rmeverluste herr\u00fchrt. Auch unmittelbar nach der Geburt ist die Temperatur des Neugeborenen etwas h\u00f6her als die der Mutter.'3 Bald aber beginnt ein schnelles Sinken, welchem nur durch\n1\tOertmann, Arch. f. d. ges. Physiol. XYI. S. 101.\n2\tMosso, Academia dei Lincei. 3. s\u00e9ria. Vol. 1.\n3\tv. B\u00e4rensprung, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1851. S. 138. \u2014 Schr\u00f6der, Arch, t. path. Anat. XXXY. S. 261. 1866; Lehrb. d. Geburtshilfe. 4. Aufl. S. 50. \u2014 Sch\u00e4fer, Greifsw, Diss. 1863. \u2014 Wurster, Berliner klin. Wochenschr. 1869. Kr. 37 ; Z\u00fcricher Diss. 1870. \u2014 Andral, Gaz. hebd. d. Paris. Juli 1870; Compt. rend. LXX.\u2019p 825 \u2014 Lpine, Gaz. m\u00e9d. d. Paris. 1870. No. 21\nHandbuch der Physiologie. Bd. IVa.\n21","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nsorgf\u00e4ltige Vermeidung gr\u00f6sserer W\u00e4rme Verluste Einhalt gethan werden kann, da das neugeborene Kind nur wenig Resistenz gegen \u00e4ussere Abk\u00fchlung besitzt.\nUnmittelbar nach der Geburt ist die Temperatur im Rectum 37,5 \u2014 37,8; nach dem ersten Bade f\u00e4llt sie auf 37,0 und darunter, in den folgenden zehn Tagen schwankt sie meistens zwischen 37,25 und 37,6 (v. B\u00e4rensprung), steigt jedoch beim Schreien erheblich \u00fcber diese Werthe und zeigt auch sonst grosse Schwankungen, bis zu 2 \u00b0. Die sp\u00e4ter zu erw\u00e4hnenden Tagesschwankungen sind bei Neugeborenen sehr viel erheblicher als bei Erwachsenen, aber weniger regelm\u00e4ssig.\nVom fr\u00fchen Kindesalter bis zur Pubert\u00e4t f\u00e4llt die Eigenw\u00e4rme um etwa 0,2, von da bis zum 50. Lebensjahre wieder um etwa ebensoviel. Nach dem 60. Jahre beginnt sie wieder zu steigen, so dass sie im 80. Jahre etwa dieselbe H\u00f6he hat wie bei Neugeborenen. Da dies nicht von h\u00f6herer W\u00e4rmeproduction herr\u00fchren kann, so ist vielleicht geringerer W\u00e4rmeverlust wegen verminderter Circulation und An\u00e4mie der Hautdecken daran schuld. Bemerkenswerth ist die Angabe Charcot\u2019s, dass bei Greisen zuweilen die Achselh\u00f6hle bis zu 3\u00b0 k\u00e4lter sein kann als das Rectum.1 Uebrigens haben Greise ein gr\u00f6sseres W\u00e4rmebed\u00fcrfniss, fr\u00f6steln leicht und suchen durch w\u00e4rmere Kleidung und Aufenthalt in w\u00e4rmeren R\u00e4umen W\u00e4rmeverluste m\u00f6glichst zu vermeiden.\nDas Geschlecht hat keinen nachweisbaren Einfluss auf die Eigenw\u00e4rme.\nVI. Tagesscliwankuiigen.\nWie die Puls- und Respirationsfrequenz, die COi-Ausscheidung und andere Grundph\u00e4nomene des thierischen Haushalts zeigt auch die Eigenw\u00e4rme periodische Schwankungen im Verlauf des Tages, \u00fcber welche zahlreiche Untersuchungen, namentlich von Davy, Hallmann, Gierse, y. B\u00e4rensprung, Lichtenfels und Fr\u00f6hlich, Dam-rosch, Ogle, Liebermeister, J\u00fcrgensen u. A.2 vorliegen. Als Ergebnis aller dieser kann angenommen werden, dass die Eigenw\u00e4rme von 6 Uhr Morgens bis 10 oder 11 Uhr Vormittags rasch, dann mit kleinen Schwankungen und langsamer noch etwas ansteigt und zwi-\n1\tCharcot, Gaz. hebd. d. Paris. 1S69. No. 21.\n2\tJ. Davy, a. a. O. \u2014 Hallmann, Ueb. eine zweckm\u00e4ssige Behandl. d. Typhus. Berlin 1844. \u2014 Gierse. Diss. Berlin 1842. \u2014 v. B\u00e4rensprung, a. a. O. \u2014 Lichtenfels u. Fr\u00f6hlich, Wiener acad. Denkschrift. III. \u2014 Damrosch, Deutsche Klinik. 1S53. S. 317. \u2014 Ogle, St. George\u2019s hospital reports. I. p. 221. 1866. \u2014 Hooper, Med. Times. 1866. 3. Nov. \u2022-\u2014 Liebermeister, Handb. d. Path. u. Ther. des Fiebers. 8. 77. \u2014 J\u00fcrgensen, a. a. O. S. 9 ff.","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Tagesschwankimgen.\n323\nsehen 5 und 7 Uhr Abends ihr Maximum erreicht, sodann absinkt und zwischen 5 und 6 Uhr Morgens (nach Liebermeister etwas fr\u00fcher) ihr Minimum hat. Die Differenz zwischen Maximum und Minimum betr\u00e4gt etwa 1 \u00b0. Davy, welcher nur dreimal t\u00e4glich mass, fand in England das Minimum Abends 12 Uhr, in den Tropen Morgens zwischen 6 und 7 Uhr. In \u00e4hnlicher Weise sahen auch Ringer u. Stuart1 das Maximum Morgens zwischen 9 und 10 Uhr, das Minimum Nachts zwischen 12 und 1 Uhr oder etwas sp\u00e4ter; die t\u00e4gliche Schwankung betrug etwa 2\u00b0,2 F.\nMan kann mit J\u00fcrgensen Tagestemperaturen und Nachttemperaturen unterscheiden. Letztere beginnen etwa um 8 Uhr Abends mit 37\u00b0,3\u201437\u00b0,4 und fallen bis 36\u00b0,3 oder 36\u00b0,2 (5 Uhr oder 6 Uhr Morgens), erstere umfassen die Steigung von 5 Uhr Morgens bis 8 Uhr Abends von jenem Minimum bis zum Maximum. Die Tagestemperatur erstreckt sich \u00fcber einen l\u00e4ngeren Zeitraum als die Nachttemperatur; das Verh\u00e4ltniss der Dauer ist = 136:100. Das Mittel der Nachttemperatur betr\u00e4gt 36\u00b0,9, das Mittel der Tagestemperatur 37\u00b0,3; das Gesammtmittel, wie schon fr\u00fcher angegeben, etwa 37\u00b0,2. Innerhalb dieser Grundz\u00fcge kommen aber allerlei kleine Schwankungen vor, von denen die wichtigsten in den folgenden Abschnitten besprochen werden.\nAnhaltende n\u00e4chtliche Arbeit kehrt nach Debczynski 2 das Verh\u00e4ltniss der Tagesschwankungen um, so dass der h\u00f6chste Thermometerstand (37\u00b0,8) Morgens und der niedrigste (35\u00b0,3) Abends eintritt.\nHelmholtz 3 hat die Beobachtungen verschiedener Autoren in einer Tabelle zusammengestellt und Landois 4 hat dieselbe noch durch die Zahlenangaben von B\u00e4rensprung und J\u00fcrgensen vervollst\u00e4ndigt; ich theile daher die Tabelle des letzteren hier mit.\nStunde\tB\u00e4ren- sprung\tJ. Davy\tHallmann\tGierse\tJ\u00fcrgensen\t\nMorgens 5\t\t\t\t\t36,7\t36.6\n6\t36,68\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t36,7\t36,4\n7\t\u2014\t36,94*\t36,63\t36,98\t36,7*\t36,5*\n8\t37,16*\t\t36,80\t37,08*\t36,8\t36,7\n9\t\u2014\t36,89\t\u2014\t\u2014\t36,9\t36,8\n10\t37,26\t\u2014\t(101/2)37,36\t37,23\t37,0\t37,0\n11\t\u2014\t36,89\t\u2014\t\u2014-\t37.2\t37,2\nMittags 12\t36,87\t\t\t\u2014\t37,3*\t37,3*\n1\tRinger u. Stuart, Proceed. Roy. Soc. 1877. No. 180.\n2\tDebczynskt, Referirtin Virchow u. Hirsch, Jahresber. 1875.1. S. 248.\n3\tHelmholtz, Encyclop\u00e4d. W\u00f6rterb. d. med. Wiss. XXXV. S. 525.\n4\tLandois, Lehrb. d. Physiol. 2. Aufl. S. 406.\n21*","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen Warme.\nStunde\tB\u00e4ren- sprung\tJ. Davy\tHallmann\tGierse\tJ\u00fcrgensen\t\nMittags 1\t36,83\t\t\t37,13\t37.3\t37,3\n2\t\u2014\t37.05\t37,21\t37,50*\t37,4\t37,4\n3\t37,15*\t\u2014\t\u2014\t37,43\t37,4*\t37,3*\n4\t\u2014\t37,17\t\u2014\t\u2014\t37,4\t37,5\n5\t37,48\t37,05*\t(572)37,31\t37,43\t37,5\t37,5\n6\t\u2014\t(6 V2) 36,83\t\t37,29\t37.5*\t37,6\n7\t37,43\t(7\u2018/a) 36,50\t37,31*\t\u2014\t37,5\t37,6\n8\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t37,4\t37,7\n9\t37,02*\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t37,4\t37,5\n10\t\t\t\t37,29\t37,3\t37,4\n11\t36,85\t36,72\t36,70\t36,81\t37,2\t37,1\nMitternacht 12\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t37,1\t37,4\n1\t36,85\t36,44\t\u2014\t\u2014\t37,0\t36,9\n2\t\u2014\t\u2014\t\t\t\u2014\t36,9\t36,7\n3\t\t\t\t\u2014\t\u2014\t36,8\t36.7\n4\t36,31\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t36,7\t36,7\n\tDas Zeichen * bedeutet Nahrungsaufnahme.\t\t\t\t\t\nYII. Einfluss der Nahrung.\nDa in der Zufuhr verbrennlicher Substanzen durch die Nahrung die eigentliche Quelle der W\u00e4rmebildung gegeben ist, so muss offenbar die W\u00e4rmeproduction zur Ern\u00e4hrung in Beziehung stehen. Andererseits findet aber beim Hungerzustand noch immer Oxydation der K\u00f6rperbestandtheile statt, so dass die Abnahme der W\u00e4rmeproduction bei Nahrungsentziehung nur gering ist und erst in sp\u00e4teren Stadien der Inanition ein erheblicher Abfall der Eigenw\u00e4rme eintreten kann. Daneben kann der Act der Nahrungsaufnahme als solcher und die Verdauung der Nahrungsmittel einen freilich geringeren Einfluss auf die Eigenw\u00e4rme haben und kleine Schwankungen derselben bedingen.\nDurch Zufuhr sehr heisser Getr\u00e4nke kann die Eigenw\u00e4rme vor\u00fcbergehend gesteigert werden; doch ist dieser Einfluss sehr gering, da die absolute Menge der auf diese Weise zugef\u00fchrten W\u00e4rme nicht sehr erheblich sein kann. Nehmen wir z. B. an, dass ein Mensch von 60 Kilo Gewicht ein Kilo Wasser von 50\u00b0 trinke, und setzen wir der Einfachheit wegen die specifische W\u00e4rme des K\u00f6rpers = 1, so w\u00fcrde die W\u00e4rme des Gesammtk\u00f6rpers nach v\u00f6lliger Ausgleichung um 0\u00b0, 17 zunehmen. Da aber solche heisse Getr\u00e4nke die Blutcirculation erheblich beschleunigen, so wird dadurch auch zugleich die W\u00e4rmeabgabe sehr vermehrt, und der an sich schon geringe Effect wird auch bald wieder ausgeglichen. Wird statt heissen Wassers ein Getr\u00e4nk genossen, welches specifisch wirksame Sub-","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Einfluss der Nahrung.\n325\nstanzen enth\u00e4lt, z. B. Punsch, Kaffee, Thee, so kann der Effect gr\u00f6sser sein. Punsch von 50\u00b0 z. B. bewirkt schon in kleineren Mengen eine Temperaturzunahme von 0\u00b0, 1\u20140\u00b0,3 f\u00fcr die Zeitdauer einer halben bis ganzen Stunde. Starker Kaffee steigert gleichfalls die Temperatur, welche ungef\u00e4hr nach einer Stunde mit 0\u00b0,2\u20140\u00b0,4 ihr Maximum erreicht, um dann wieder zu fallen. Thee wirkt \u00e4hnlich aber schw\u00e4cher.\nIn umgekehrter Weise kann nat\u00fcrlich auch durch Aufnahme kalter Speisen und Getr\u00e4nke, insbesondere durch Eis, die K\u00f6rpertemperatur herabgesetzt werden. Versuche \u00fcber das Maass der so zu erzielenden Abk\u00fchlung sind von Lichtenfels und Fr\u00f6hlich1, Winternitz u. A. angestellt worden. Lichtenfels und Fr\u00f6hlich fanden 6 Minuten nach dem Genuss von 1 Seidel Wasser von 18\u00b0 eine Abnahme der Eigenw\u00e4rme um ungef\u00e4hr 0\u00b0,1, bei einem Seidel von 16\u00b03, um 0\u00b0,4. Winternitz2 sah nach dem Genuss von 6 Seidel kalten Wassers von 4\u00b0,6, welche in Pausen von 10 zu 10 Minuten getrunken wurden und Brechneigung und Aufstossen verursachten, die Eigenw\u00e4rme im Laufe von 70 Minuten um 1\u00b0,4 sinken. In einem anderen Versuch bewirkten 4 Seidel Wasser von 6\u00b0,7, in Zwischenr\u00e4umen von 15 und 20 Minuten genommen, innerhalb lA/i Stunde ein Sinken der Eigenw\u00e4rme um 0\u00b0,8.\nNach meiner Erfahrung kann der Genuss einer geringen Portion Speiseeis kurz nach einer kalten Douche die abk\u00fchlende Wirkung der letzteren sehr erheblich steigern und merklich in die L\u00e4nge ziehen. Bier, in Mengen von V2\u20141 Liter genossen, setzt nach Lichtenfels und Fr\u00f6hlich die K\u00f6rperw\u00e4rme um 0\u00b0,5 herab; die Wirkung beginnt schon nach 15 Minuten und dauert l\u00e4nger als IV2 Stunde an. Neben der Abk\u00fchlung durch die niedere Temperatur des Getr\u00e4nks kommt hier allerdings wieder der Alkoholgehalt (3\u20144%) in Betracht, wahrscheinlich aber auch die vermehrte Schweisssecretion und dadurch bedingte st\u00e4rkere Wasserverdunstung.\nAlkohol als solcher wirkt \u00fcbrigens schon in m\u00e4ssigen Dosen temperaturherabsetzend, wahrscheinlich durch vermehrten W\u00e4rmeverlust in Folge ver\u00e4nderter Blutcirculation.3 In den Tropen bewirkt Wein nach Davy4 Erniedrigung der Eigenw\u00e4rme mit nach-\n1\tLichtenfels u. Fr\u00f6hlich, a. a. O.\n2\tWinternitz, Oesterr. Ztschr. f. pract. He\u00fck. 1865. S. 130.\n3\tBouvier, Arch. f. d. ges. Physiol. 1869 S. 370 ; Ueber die Wirkung des Alkohols auf die K\u00f6rpertemperatur. 1869. \u2014 Godfrin, De Palcohol, son action physiologique, ses applications th\u00e9rapeutiques. 1869. - PtosENTHAL, Bier und Branntwein und ihre Bedeutung f\u00fcr die Volksgesundheit. S. 24. 1881.\n4\tDavy, Philos. Transact. 1850. p. 444.","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022326\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nfolgender Steigerung. Temperaturerniedrigend wirken auch alle Stoffe, die eine Erweiterung der Hautgef\u00e4sse hervorrufen, z. B. Nicotin, bei welchem ich sie stets beobachtete, wenn ich daraufhin untersuchte.1 2\nInsofern feste Nahrung, insbesondere Eiweissk\u00f6rper und alle sonst l\u00f6slichen Substanzen, in den Magen eingef\u00fchrt, dort aufgel\u00f6st wird, kann man a priori annehmen, dass zu dieser L\u00f6sung W\u00e4rme verbraucht oder latent gemacht werde. In der That fanden auch v. Vintschgau u. Dietl 2 an einem Hunde mit Magenfistel, dass die Temperatur der mit wenig von der K\u00f6rpertemperatur abweichender W\u00e4rme eingef\u00fchrten Nahrung erst sank und sp\u00e4ter stieg. Das Minimum, welche^ etwa 0\u00b0,5 unter der Anfangstemperatur lag, trat 2 bis 3 Stunden nach der Nahrungsaufnahme ein, dann stieg die Temperatur wieder und zwar bis 0\u00b0,2\u20140n,5 \u00fcber die Anfangstemperatur. Ganz \u00e4hnlich verhielt sich auch die Temperatur des Gesammtk\u00f6rpers, gemessen im Rectum bei einem Magenfistelhunde und einem zweiten ohne Fistel, v. Vintschgau und Dietl meinen, dass sich ein \u00e4hnliches Verhalten auch aus den Zahlen von Lichtenfels und Fr\u00f6hlich ableiten lasse, wenn man die Temperaturen nach dem Essen mit den unmittelbar vor der Nahrungsaufnahme gemessenen vergleicht. Sie glauben, dass die erste Temperaturerniedrigung von der W\u00e4rmebindung bei Umwandlung der festen Nahrung in gel\u00f6ste herr\u00fchre, doch gelang es ihnen nicht bei der k\u00fcnstlichen Eiweissverdauung eine Temperaturabnahme mit Sicherheit nachzuweisen. Die sp\u00e4tere Temperatursteigerung , welche schon alle fr\u00fcheren Untersuchungen ergeben haben, f\u00e4llt in die Zeit der bereits vollendeten Resorption und ist wahrscheinlich von den vermehrten Oxydationsprocessen abzuleiten. In einem Versuche, wo sie S Stunden nach der ersten Nahrungsaufnahme, als die K\u00f6rperw\u00e4rme bereits gestiegen war, eine zweite Mahlzeit folgen Hessen, sank die K\u00f6rpertemperatur von Neuem, und zwar auf denselben Grad und in derselben Zeit, wie nach der ersten Mahlzeit. Auf das normale Sinken der Temperatur des in der R\u00fcckenlage festgehaltenen Thieres wurde R\u00fccksicht genommen.\nVIII. Einfluss der Nahrungsaufnahme auf die Tagessehwankungen.\nSolche durch die Mahlzeiten bewirkte Temperaturschwankungen m\u00fcssen nat\u00fcrlich den Verlauf der von uns fr\u00fcher besprochenen Tagesschwankungen beinflussen. Doch ist dieser Einfluss immer nur ein\n1\tVgl. Tscheschichin im Arch. f. Anat. u. Physiol. 1866. S. 157.\n2\tv. Vintschgau u. Dietl, Sitzungsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. CI. 2. Abth. LX. S. 697. 1870.","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Einfluss der Nahrungsaufnahme.\n327\ngeringer. Nach v. B\u00e4rensprung steigt die Temperatur nach dem Mittagessen zwischen 2 und 6 Uhr um durchschnittlich 0\u00b0,6; allein eine Steigerung zeigt sich auch ohnedies in jener Zeit. Das Abendessen hat in den Versuchen der deutschen Forscher keine Steigerung, sondern h\u00f6chstens eine geringe Verz\u00f6gerung in dem diese Tageszeit charakterisirenden Abfall zur Folge. Aber selbst bei Ogle\u2019s Versuchen1 2, wo die Hauptmahlzeit Abends eingenommen wurde, wurde auch nur eine Verz\u00f6gerung des Abfalls, keine\" wirkliche Steigerung beobachtet. Nach dem sehr reichlichen ersten Fr\u00fchst\u00fcck beobachtete er ein starkes, nach dem zweiten Fr\u00fchst\u00fcck ein geringeres Ansteigen, doch entsprechen auch diese Steigerungen den normalen Tagesschwankungen, wie sie, wenn auch in etwas geringerem Grade, zu denselben Zeiten eintreten, wenn die betreffende Mahlzeit \u00fcbergangen wird.\nUm den Einfluss der Nahrung zu bestimmen, haben Lichten-fels und Fr\u00f6hlich, J\u00fcrgensen u. A. die Tagesschwankungen w\u00e4hrend k\u00fcrzerer oder l\u00e4ngerer Hungerperioden mit denen bei gew\u00f6hnlicher Ern\u00e4hrungsweise verglichen. Erstere kommen zu dem Schluss, dass die mittlere Temperatur an einem Hungertag um 0\u00b0,57 niedriger sei als einem normal verlebten. Auch J\u00fcrgensen fand eine Abnahme der K\u00f6rpertemperatur beim Hungern, bei l\u00e4ngerer Dauer desselben aber beginnt noch w\u00e4hrend des Hungerns eine Compensation sich geltend zu machen, sodass dann das Gesammtmittel doch wieder dem normalen nahekommt. Eine reichliche Mahlzeit nach einer solchen l\u00e4ngern (30\u201460 st\u00e4ndigen) Hungerperiode vermehrt die W\u00e4rmebildung; der Grad der zur Beobachtung kommenden Temperatursteigerung f\u00e4llt aber verschieden aus, weil immer wieder der Organismus nach einer Ausgleichung oder Compensation strebt, welche das Tagesmittel nahezu auf gleiche H\u00f6he bringt.\nL\u00e4ngeres Hungern, d. h. Inanition, wie sie Chossat, C. Schmidt u. A. an Thieren untersucht haben, bewirkt kein gleichm\u00e4ssiges Absinken der Temperatur, sondern diese h\u00e4lt sich, nachdem sie am ersten Tage etwas gesunken, lange Zeit unter geringen Schwankungen auf gleicher H\u00f6he, um dann bei Eintritt des Hungertodes sehr schnell zu sinken. So fanden Bidder u. Schmidt 2 bei einer Katze bis zum 15. Hungertage im Mittel 38\u00b0,6, am 16. Tage 38\u00b0,3, am 17. 37\u00b0,64, am 18. 35\u00b0,8, am 19., wo der Tod eintrat, 33\u00b0,0. Nach Chossat3 nimmt die Eigenw\u00e4rme in den 3 ersten Vierteln der Hungerperiode im Durchschnitt\n1\tOgle, a. a. O.\n2\tBidder u. Schmidt, Verdauungss\u00e4fte und Stoffwechsel. S. 322.\n3\tChossat, Recherches exp\u00e9rimentales sur l\u2019inanition. Paris 1843.","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328\nRosenthal,. Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nt\u00e4glich um 0\u00b0,2 ab und sinkt dann im letzten Viertel sehr schnell. Ist sie auf 23\u201424\u00b0 gefallen, so tritt der Tod ein.\nIX. Einfluss der Muskelbewegung.\nDass in den Muskeln bei ihrer Zusammenziehung' grosse W\u00e4rmemengen frei werden, ist Bd. I, 1. Cap. 7 ausf\u00fchrlich auseinanderge-setzt; auch ist dort (S. 158) schon erw\u00e4hnt, dass der ganze Organismus durch Muskelanstrengung w\u00e4rmer wird, auch ein Theil der einschl\u00e4gigen Literatur angef\u00fchrt. Doch ist die Steigerung der Eigenw\u00e4rme viel geringer, als sie nach den betr\u00e4chtlichen, in den Muskeln producirten W\u00e4rmemengen erwartet werden k\u00f6nnte, ein Beweis, dass ein grosser Theil des W\u00e4rme\u00fcberschusses durch compensatorische Einrichtungen sehr schnell nach aussen abgegeben wird. Hirn1 fand in seinen allerdings wohl nicht sehr genauen calorimetrischen Versuchen, dass er in der Ruhe in einer Stunde 155, bei Arbeit in der Tretm\u00fchle 251 Calorien producirte. Der Ueberschuss von 96 Calo-rien h\u00e4tte seinen K\u00f6rper also dauernd um etwa 1 \u00b0,5 erw\u00e4rmen m\u00fcssen. Solche Temperatursteigerungen kommen allerdings durch starke Muskelanstrengungen vor, aber nach dem Aufh\u00f6ren der Muskelbewegung kehrt der K\u00f6rper sehr schnell zu seiner normalen Temperatur zur\u00fcck.\nJ. Davy2 fand bei Muskelanstrengungen verschiedenen Grades die Temperatur unter der Zunge = 37\u00b0-37\u00b0,5, w\u00e4hrend sie beim Fahren im Wagen 36\u00b0\u201436\u00b0,5 betrug. Speck3 sah nur geringes Steigen und sehr schnelles Wiedersinken der Temperatur ; Obernier4 bei M\u00e4rschen von 30\u201435 Minuten Dauer Steigerungen bis zu 0\u00b0,5, bei einem Geschwindmarsch von 1 V2 Stunden Steigerung bis zu 1 \u00b0,2 ; J\u00fcrgensen5 * bei f\u00fcnfst\u00fcndiger Arbeit (Holzs\u00e4gen) bis zu 1\u00b0,2 und nachheriges schnelles Sinken. Hierher geh\u00f6rt auch v. B\u00e4rensprung\u2019s3 Beobachtung, dass die Temperatur Neugeborener schnell steigt, sobald sie schreien.\nEndlich ist noch zu erw\u00e4hnen, dass nach Kernig7 bei ruhigem Liegen die Temperatur in der Achselh\u00f6hle um einige Zehntel niedriger sein soll als beim Sitzen oder Stehen.\nViel erheblichere Temperatursteigerungen sind beim Tetanus be-\n1\tHirn, Exposition analytique et exp\u00e9rimentale de la th\u00e9orie m\u00e9canique de la chaleur. 3. \u00e9d. I. p. 35 ff.\n2\tJ. Davy, Philos. Transact. 1S45. p. 322.\n3\tSpeck, Arch. d. Ver. f. wiss. Heilk. 1863.\n4\tObernier, Der Hitzschlag. S. 80.\t5 J\u00fcrgensen, Eigenw\u00e4rme. S. 46.\n6\tv. BIrensprung, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1851. S. 142.\n7\tKernig, Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Kenntniss der W\u00e4rmeregulirung beim\nMenschen. S. 41. 1864.","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Einfluss der Muskelbewegung.\n329\nobachtet worden, wo zuerst Wunderlich1 2, sp\u00e4ter auch andere Beobachter Temperaturen bis zu 44\u00b0,75 und dar\u00fcber sahen. Da es zweifelhaft ist, ob diese abnorm hohen Temperaturen nur von einer vermehrten W\u00e4rmeproduction in den Muskeln oder auch noch von anderen, mit der Krankheit zusammenh\u00e4ngenden St\u00f6rungen des W\u00e4rmehaushalts herr\u00fchren, so unternahm Leyden 2 Versuche an Kaninchen und Hunden mit k\u00fcnstlicher elektrischer Tetanisirung. An ersteren konnte bei Tetanisirung vom R\u00fcckenmark aus mittels unter die R\u00fcckenhaut geschobener Elektroden eine Temperaturerh\u00f6hung von 1\u00b0 C. bewirkt werden. Beim Hunde stieg die Temperatur im Rectum um 5\u00b0,2, n\u00e4mlich von 39\u00b0,6 bis 44\u00b0,8. Ganz \u00fcbereinstimmende Beobachtungen hat Richet3 ver\u00f6ffentlicht.\nEs ist theoretisch als selbstverst\u00e4ndlich anzusehen, dass die W\u00e4rmebildung in den Muskeln in diesen F\u00e4llen, wo alle Muskeln des K\u00f6rpers l\u00e4ngere Zeit in stetiger Th\u00e4tigkeit sich befinden, w\u00e4hrend nach aussen hin gar keine Arbeit von ihnen abgegeben wird, einen noch h\u00f6heren Betrag erreichen muss als in den Versuchen mit Arbeitsleistung. Doch ist es nicht zul\u00e4ssig, die abnorme Temperatursteigerung, welche z. B. Leyden am Hunde sah, nur auf diese Weise zu erkl\u00e4ren. Wir m\u00fcssen annehmen, dass in seinem Versuch auch eine sehr starke Verengerung der Gef\u00e4sse durch Reizung der vaso-constrictorischen Nerven stattgefunden habe, und diese muss dann, wie wir sp\u00e4ter noch zeigen werden, eine Verminderung des W\u00e4rmeverlustes im Vergleich zur Norm, also eine Zunahme der Eigenw\u00e4rme auch unabh\u00e4ngig von der vermehrten W\u00e4rmeproduction (\u201eW\u00e4rmestauung\u201c) veranlasst haben. Wenn es m\u00f6glich w\u00e4re (und es ist dies wohl nicht unausf\u00fchrbar) eine ebenso starke Tetanisirung der Muskeln ohne Mitbetheiligung der Gef\u00e4ssnerven zu bewirken, so w\u00fcrde die Temperatursteigerung wahrscheinlich geringer ausgefallen sein. Und auf der anderen Seite m\u00fcsste die von Leyden bewirkte, aber nicht beabsichtigte Einwirkung auf die Gef\u00e4sse an sich allein auch schon eine Temperatursteigerung veranlassen. Mit anderen Worten, der von Leyden beobachtete Effect ist als die Summe zweier verschiedener Einfl\u00fcsse anzusehen, von denen die Muskelarbeit nur der eine ist.\nDieses selbe Verh\u00e4ltnis findet wahrscheinlich auch beim pathologischen Tetanus des Menschen statt, unabh\u00e4ngig von der Ursache, welche den Tetanus hervorruft. Da dieser Tetanus wahrscheinlich\n1\tWunderlich, Eigenw\u00e4rme. 2. Aufl. S. 400.\n2\tLeyden, Arch. f. pathol. Anat. XXYI. S. 538. 1863.\n3\tRichet, Bull, del\u2019acad. de m\u00e9d. 1881. No. 34.","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"Rosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nQO A\nooU\ndoch immer reflectorischer Natur ist, und die Gef\u00e4ssnerven reflec-torisch sehr leicht erregt werden, so ist wohl anzunehmen, dass die Gelasse w\u00e4hrend des Tetanus sehr verengt sind. Ob ausserdem noch andere direct auf die W\u00e4rmebildung oder auf die W\u00e4rmeabgabe einwirkende Einfl\u00fcsse des Nervensytems dabei ins Spiel kommen, ist noch schwieriger zu entscheiden.\nDie durch Strychnin erzeugten Kr\u00e4mpfe bewirken, ihrer geringeren Dauer und Intensit\u00e4t entsprechend, nur m\u00e4ssige Temperatursteigerungen.\nVon der gerade beim Tetanus des Menschen am h\u00e4ufigsten beobachteten sogenannten postmortalen Temperatur st eig er ung wird sp\u00e4ter die Rede sein.\nX. Einfluss geistiger Anstrengung.\nDa nach Schiff auch in den Nerven und im Gehirn bei ihrer Th\u00e4tigkeit W\u00e4rme producirt wirdund im Gehirn ein ziemlich lebhafter Stoffwechsel stattfindet, so ist eine Einwirkung der Hirnth\u00e4tig-keit auf die Eigenw\u00e4rme des Gesammtk\u00f6rpers nicht als unm\u00f6glich zu betrachten, obgleich sie gewiss nur minimal sein kann. Nach J. Davy1 2 steigt in den Tropen die Eigenw\u00e4rme nach geistiger Anstrengung (Halten einer Vorlesung, was allerdings doch eine Muskel-th\u00e4tigkeit einschliesst) um mehr als 2\u00b0 F., w\u00e4hrend in England Lesen eines die Aufmerksamkeit spannenden Werks eine Steigerung von 0\u00b0,5 F. \u00fcber das Mittel bewirkte.3 Lombard4 hat am Kopf \u00f6rtliche Temperatursteigerungen bis zu 0\u00b0,5 beobachtet als Folge angestrengter geistiger Th\u00e4tigkeit; aber jeder die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmende Eindruck auf das Gehirn soll sich schon durch freilich geringe Temperatursteigerung aussen an der Sch\u00e4deldecke bemerk-lich machen.\nXI. Einfluss der Umgebungstemperatur.\nWie weit kann der menschliche K\u00f6rper den wechselnden Temperaturen der ihn umgebenden Luft gegen\u00fcber seine Eigenw\u00e4rme unver\u00e4ndert erhalten? Diese besonders f\u00fcr die Auffassung der W\u00e4rmeregulirung wichtige Frage ist namentlich von J. Davy zum Gegenstand vielfacher Messungen gemacht worden. Davy verglich erstens\n1\tVgl. hier\u00fcber Bd. II. S. 143.\n2\tJ. Davy, a. a. O. S. 443.\n3\tDerselbe, Ebenda. S. 324.\n4\tLombard, Arch, de physiol. I. p. 670.","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Einfluss der Umgebungstemperatur.\nDO 1\nOO I\ndie Messungen an seinem eigenen K\u00f6rper unter den verschiedensten Umst\u00e4nden einerseits in England, andererseits in Tropen, endlich w\u00e4hrend der R\u00fcckreise von den Tropen nach England. Zweitens hat er sowohl in England als auch in den Tropen zahlreiche Messungen zu verschiedenen Jahreszeiten und an denselben Tagen an verschiedenen Orten bei sehr verschiedenen Aussentemperaturen angestellt. Die Messung geschah stets unter der Zunge. Er kam zu folgenden Ergebnissen1:\n1.\tDie mittlere Temperatur des Menschen ist in den Tropen um etwa 1\u00b0 F. h\u00f6her als in England.\n2.\tDie Temperatur schwankt sowohl in den Tropen als in England innerhalb gewisser Grenzen; die Ursachen der Schwankungen h\u00e4ngen zum Theil von nachweisbaren \u00e4usseren Ursachen ab, zum Th eil sind sie unbekannt.\n3.\tDas Minimum der Temperatur tritt in den Tropen fr\u00fch Morgens ein, w\u00e4hrend in England der K\u00f6rper Abends vor dem Schlafengehen am k\u00e4ltesten ist. Davy erkl\u00e4rt dies durch die st\u00e4rkere Abk\u00fchlung beim Schlafen unter leichter Bedeckung und bei offenem Fenster in den Tropen.\n4.\tDie Temperatur steigt in den Tropen in Folge k\u00f6rperlicher Anstrengungen sehr erheblich, w\u00e4hrend sie bei Ruhe, z. B. I ahren im Wagen, sinkt.\n5.\tDichte Kleidung sowie geschlossene, schlecht ventilirte R\u00e4ume bewirken in den Tropen viel erheblichere Temperatursteigerungen als in England.\n6.\tBei eintretender Ruhe nach k\u00f6rperlichen Anstrengungen kehrt der K\u00f6rper in den Tropen sehr schnell zu seiner niederen Temperatur zur\u00fcck.\n7.\tSelbst leichte Erkrankungen bewirken in den Tropen eine verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig grosse Steigerung der Temperatur.\n8.\tIn den Tropen ist der Unterschied zwischen der Temperatur an der Oberfl\u00e4che des K\u00f6rpers und tieferen Theilen geringer als in England ; die Schweisssecretion ist in den Tropen lebhafter und die Nieren secerniren weniger.\n9.\tDer Aufenthalt auf der See (wenn keine Seekrankheit vorhanden, welche im Allgemeinen temperaturerh\u00f6hend wirkt) hat zur Folge, dass die Schwankungen der Eigenw\u00e4rme innerhalb engerer Grenzen verlaufen. Doch ist auch auf See der Einfluss der Lufttemperatur auf die Eigenw\u00e4rme vorhanden, indem bei Ann\u00e4herung\n1 J. Davy, Philos. Transact. 1850. p. 437.","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nan die Tropen die Mitteltemperatur steigt, bei der R\u00fcckkehr in gem\u00e4ssigte Klimate f\u00e4llt. Aehnliche, wenngleich weniger zahlreiche Beobachtung hat Brown-Sequard1 2 angestellt bei Gelegenheit einer Reise von Frankreich nach Isle de France. Als Mittel an 8 Personen angestellter Beobachtungen fand er:\nBei der\tAbreise, Lufttemp. 8\u00b0,0 K\u00f6rperw\u00e4rme 36\u00b0,625\n8\tTage\tsp\u00e4ter\t\u201e\t25\u00b0,0\t\u201e\t37\u00b0,428\n9\t\u201e\t\u201e\t290,5\t\u201e\t37 0,9\n6\tWochen sp\u00e4ter\t\u201e\tt6\u00b0,0\t\u201e\t3 7\u00b0,23\nEydoux und Souleyet 2 fanden etwas geringere Differenzen aber in demselben Sinne. Boileau3 dagegen ist durch seine Messungen zu der Ueberzeugung gekommen, dass die Temperatur ge-sunder Menschen in den Tropenl\u00e4ndern nicht h\u00f6her sei als die derselben Menschen in gem\u00e4ssigten Klimaten und glaubt, dass eine Temperaturschwankung von l\u00fc F., wie sie J. Davy an sich selbst beobachtete, schon das Zeichen einer geringen krankhaften St\u00f6rung sei, wie sie bei nicht sehr kr\u00e4ftigen Individuen allerdings leicht durch den Wechsel des Klimas entstehen k\u00f6nne.\nZu dem gleichen Ergebniss, dass die Eigenw\u00e4rme des K\u00f6rpers mit der Aussentemperatur, wenn auch nur in geringem Grade, steige und sinke, kam Davy auch durch seine Messungen der Eigenw\u00e4rme in verschiedenen Jahreszeiten und an verschieden warmen Orten, ungeheizte Kirchen oder freie Luft im Gegensatz zu geheizten R\u00e4umen.\nWenn es nun auch keinem Zweifel unterliegen kann, dass die K\u00f6rperw\u00e4rme innerhalb enger Grenzen schwankt, wenn die Temperatur der umgebenden Luft sich \u00e4ndert, so ist doch eine genaue Bestimmung des Einflusses dieses Factors auf die Eigenw\u00e4rme mit sehr grossen Schwierigkeiten verbunden. Neben der Lufttemperatur kommen auch noch andere Factoren ins, Spiel, die schwerer zu vergleichen sind. Beschr\u00e4nken wir uns auf den h\u00e4ufigsten 'Fall, dass die Luft eine niederere Temperatur hat als der menschliche K\u00f6rper, so wird die von ihr dem K\u00f6rper entzogene W\u00e4rmemenge nicht nur von der Temperaturdifferenz zwischen K\u00f6rper und Luft, sondern auch von dem Umstand, ob die Luft ruhig oder bewegt ist, und im letzteren Falle von der Geschwindigkeit der Lufbewegung, ferner vom Grade ihrer Trockenheit und vielen anderen Umst\u00e4nden abh\u00e4ngeu. Wir m\u00fcssen uns also mit dieser oberfl\u00e4chlichen Erkenntniss, dass\n1\tBrown-S\u00e9quard, Journ. de physiol. II. p. 551.\n2\tSouleyet, Compt. rend. YI. p. 456.1838.\n3\tBoileau, Lancet 1878. p. 413.","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Starke Abk\u00fchlung.\n333\ndie Eigenw\u00e4rme den Schwankungen der Lufttemperatur gegen\u00fcber nicht absolut constant ist, begn\u00fcgen.\nXII. Starke Abk\u00fchlung'.\nEs ist ferner nicht zu \u00fcbersehen, dass bei allen oben angef\u00fchrten Beobachtungen noch andere, wenn wir so sagen d\u00fcrfen, ausserphysio-logische Umst\u00e4nde mitwirkten, ver\u00e4nderte Lebensweise, andere Nahrung, andere Kleidung u. s. w. Fallen diese fort, so sind die Schwankungen der Eigenw\u00e4rme schon bei verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringen Aende-rungen der Aussentemperatur wohl zu constatiren, wie besonders aus den Versuchen von Senator, Winternitz u. A. deutlich hervorgeht. Wir werden auf diese Versuche bei der Lehre von der W\u00e4rmeregulirung zur\u00fcckkommen. Nach Senator liegen f\u00fcr den nackten Menschen die Grenzen der Lufttemperatur, innerhalb deren seine Eigenw\u00e4rme sich nicht merklich \u00e4ndert, zwischen 27 0 und 37 \u00b0.1\nDass jedoch bei gr\u00f6sseren Differenzen zwischen K\u00f6rperw\u00e4rme und Luft die Abk\u00fchlung eine bedeutendere wird, geht aus dem dann eintretenden Erfrierungstode hervor. Nach meinen Erfahrungen sterben Thiere, wenn man sie bis auf 26\u00b0 oder h\u00f6chstens 24\u00b0 abkiihlt. Der Tod tritt um so leichter ein, je schneller die W\u00e4rmeentziehung erfolgt. Interessant ist ein von Peter2 mitgetheilter Fall. Eine Frau, welche im trunkenen Zustand eine Nacht in einem mit Eis bedeckten Graben zugebracht hatte, zeigte bei der Aufnahme ins Hospital 26\u00b0 in der Vagina; innerhalb 6 Stunden stieg die Temperatur auf 36\u00b0,3, und die Frau genas. Einen \u00e4hnlichen Fall, der aber t\u00f6dtlich endete, erz\u00e4hlt Bourneville.3 Die Temperatur war hier auf 27\u00b0,4 gefallen und betrug 5 Minuten nach dem Tode 36\u00b0,2. Auch Reinke4 5 und Nicolaysen 5 fanden bei Betrunkenen, welche lange kalter Luft oder kaltem Wasser ausgesetzt waren, sehr niedere Temperaturen, einmal selbst 24\u00b0. Bei gen\u00fcgendem Schutz gegen die Abk\u00fchlung durch Kleidung k\u00f6nnen aber sehr niedrige Temperaturgrade ertragen werden, wie die Erfahrungen der Polarexpeditionen beweisen. Und auch die Thiere in den Polargegenden sind durch ihre Haare oder Federn hinreichend gesch\u00fctzt, um nicht nur die K\u00e4lte zu ertragen, sondern auch dabei nahezu dieselbe Eigenw\u00e4rme zu behaupten, wie sie in den gem\u00e4ssigten Zonen beobachtet wird. So\n1\tSenator, Arch. f. pathol. Anat. XLY. S. 355.\n2\tPeter, Gaz. hebd. d. Paris. 1872. No. 31 u. 32.\n3\tBourneville, Le mouvement med. 1872. No. 9.\n4\tBeinke, Arch. f. klin. M\u00e9d. XVI. S. 12.\n5\tNicolaysee, Referirt in Virchow u. Hirsch, Jahresber. 1875.1. S. 283.","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nsah Parry bei einem Fuchs eine K\u00f6rpertemperatur, welche die der umgebenden Luft um 76\u00b0,7 \u00fcbertraf, und Black bei einem Schneehuhn eine um 79\u00b0,1 h\u00f6here.\nIch entlehne aus Gavarret1 2 eine die Beobachtungen dieser beiden Reisenden zusammenfassende Tabelle:\nBeobachtungen von Parry.'2\nThier\tTemp. d. Thiers\tTemp. d. Luft\tUnterschied\nPolarfuchs\t\t41.5\t\u2014 25,6\t67,1\n\u201e \t\t38,5\t\u2014 20,6\t59,1\n,, .....\t37.8\t\u2014 19.4\t57.2\n\t38,5\t\u2014 29.4\t67,9\n\u201e .....\t37,6\t\u2014 26.2\t63,8\n.....\t36,6\t\u2014 23,3\t59,9\n.....\t37,6\t-23,3\t60,9\n\u201e \t\t40,3\t\u2014 20,3\t70,7\nPolarhase\t\t38,3\t-29,4\t67,7\nFuchs\t\t37,8\t\u2014 26,2\t64,0\nv\t\t\tD,1\t\u2014 35,6\t76,7\n\t39,4\t\u2014 32.8\t72.2\n.......\t38,9\t\u2014 31.7\t70,6\n.......\t38,3\t\u2014 35,6\t73,9\nWolf\t\t40,5\t-32,8\t73,3\nBeobachtungen von Black.3\t\t\t\nPr\u00e4riehuhn (m\u00e4nnl.) (Cu-\tJ 43,2\t\u2014 12,7\t56.0\npidonia americana ?)\t|43.0\t\u2014 15,0\t58; 0\nPr\u00e4riehuhn (weibl.) .\t.\t42,8\t- 8,3\t51.1\n,, . .\t42,3\t\u2014 8,0\t50,3\n\u20229\tV\t*\t42,8\t- U\t43,9\nMoor-Schneehuhn (Lago-\t(42,4\t\u2014 19,7\t62,2\npus alp inus oder Tetrao\t\\ 43,3\t-32,8\t76,1\nalbus)\t143.3\t\u2014 35,8\t79.1\nMan k\u00f6nnte geneigt sein aus diesen Zahlen abzuleiten, dass die Temperatur der Thiere h\u00f6her wird, wenn die Lufttemperatur sinkt. Doch w\u00e4re das bei der geringen Zahl von Beobachtungen etwas zu viel gewagt,\nIn wirksamerer Weise als Luft entzieht kaltes Wasser dem K\u00f6rper W\u00e4rme wegen seines besseren Leitungsverm\u00f6gens und seiner h\u00f6heren W\u00e4rmecapacit\u00e4t. Es ist deshalb ganz sicher, dass durch kalte B\u00e4der die Eigenw\u00e4rme herabgesetzt werden kann, und selbst die Beobachtung von Liebermeister4, dass ein Thermometer in der Achselh\u00f6hle\n1\tGavarret, Chaleur animale, p. 101. 2. s\u00e9rie XXVIII. p. 223.\n2\tParry, Ann. d. chim. et d. phys. (2) XXVIII. p. 223.\n3\tBlack, Compt. rend. II. p. 621.\n4\tLiebermeister, Arch. f. Anat. u. Physiol. I860. S. 523.","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Einfluss h\u00f6herer Temperaturen.\n335\nsteigt, wenn man in ein kaltes Bad geht, kann an dieser feststehenden Thatsache, von welcher ja auch bei der jetzt so verbreiteten Kaltwasserbehandlung bei Typhus und anderen fieberhaften Krankheiten Gebrauch gemacht wird, nichts \u00e4ndern. Die Bedeutung der LiEBERMEiSTER\u2019schen Beobachtung werden wir gleichfalls sp\u00e4ter zu besprechen haben.\nKleinere Thiere zeigen noch betr\u00e4chtlichere Schwankungen ihrer Eigenw\u00e4rme, besonders wenn sie, wie bei Vivisectionen, gefesselt sind. K\u00f6nnen sie sich frei bewegen, so sind die Schwankungen geringer. So bleibt nach meinen Beobachtungen die Eigenw\u00e4rme freier Kaninchen unver\u00e4ndert zwischen 11\u00b0 und 32\u00fc, w\u00e4hrend gefesselte schon bei Temperaturen von 20\" merkbar abk\u00fchlen.\nXIII. Einfluss h\u00f6herer Temperaturen.\nSteigt die Lufttemperatur \u00fcber 37\u00b0, so ist eine Zunahme der Eigenw\u00e4rme in der Kegel vorhanden und nur dann nicht, oder doch nur in geringem Grade vorhanden, wenn der K\u00f6rper durch starke Schweissabsonderung und Verdunstung derselben sich noch hinreichend abk\u00fchlen kann. Ja f\u00fcr k\u00fcrzere Zeit kann der Mensch sogar in Luft von ausserordentlich hoher Temperatur aushalten (vor-' ausgesetzt dass diese trocken ist), ohne dass seine Eigenw\u00e4rme merklich steigt.\nBoerhave war der Ansicht, dass kein mit Lungen athmendes Thier in einer Umgebung, die h\u00f6her temperirt ist als sein eigener K\u00f6rper, leben k\u00f6nne. Dies wurde auch durch Versuche best\u00e4tigt, welche Provoost und Fahrenheit auf Boerhave\u2019s Veranlassung unternahmen; sie sahen einen Hund, eine Katze, einen Sperling in einem Ofen von ungef\u00e4hr 63\" binnen wenigen Minuten sterben.1 2 Gegen die Richtigkeit dieses Satzes sprachen aber die Beobachtung verschiedener Reisender (Lining, Adanson, Martin, Barker, Mungo Park, Ouselay) an verschiedenen sehr heissen Orten in S\u00fcd-Caro-lina, am Senegal u. s. w. Haller- bek\u00e4mpfte daher die Lehre Boerhave\u2019s und stellte den Satz auf, das Leben k\u00f6nne bestehen in Temperaturen, welche die Blutw\u00e4rme um 17\u00b0 und mehr \u00fcbersteigen. Im Jahre 1758 machte G. Ellis3 die wichtige Beobachtung, dass bei einer Temperatur von 105\u00b0 F. im Schatten (in S\u00fcd-Carolina) das Thermometer auf 97\u00b0 F. sank, wenn er es an seinen K\u00f6rper an-\n1\tBoerhave, Praelect. anat. p. 211 ; Eiern, chemiae. I. p. 148.\n2\tHaller, Elementa physiol. II. p. 37.\n3\tEllis, Philos. Transact. L. p. 755.","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"836\nRosenthal. Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nlegte. Auch Franklin1 constatirte an einem heissen Sommertage, dass sein K\u00f6rper niedriger temperirt war als die umgebende Luft und erkl\u00e4rte dies aus der Abk\u00fchlung durch die lebhafte Verdunstung des Schweisses. Tillet2 sah drei junge M\u00e4dchen 5 bis 10 Minuten in einem Backofen aushalten, dessen Temperatur \u00fcber 130\u00b0 war. Er stellte Versuche an, in welchen ein Kaninchen, eine Ammer und ein Huhn bis zu einer halben Stunde in Temperaturen von 70\u201480\u00b0 aushielten. Endlich haben Blagden, Fordyce, Solander, Banks und Dobson3 an sich selbst und an Anderen Versuche gleicher Art angestellt, in welchen sie es bis zu Temperaturen von 127\u00b0 brachten.\nIn einem Zimmer, welches durch Ofenr\u00f6hren und kochendes Wasser geheizt wurde, konnte Fordyce nach einander ertragen: 10 Minuten lang eine W\u00e4rme von 43\u00b0,33, \u2014 20 Minuten 48\u00b0,88, \u2014 15 Minuten eine allm\u00e4hlich steigende W\u00e4rme von 48\u00b0,33 bis 54\u00b0,44. In allen diesen Versuchen stieg ein Thermometer unter der Zunge nicht \u00fcber 37\u00b0,78.\nIn trockener Luft konnten Banks, Blagden und Fordyce ertragen 10 Minuten lang eine Temperatur von 92\u00b0,22 und Banks allein 7 Minuten lang eine Temperatur von 99\u00b0,44. Dabei stieg das Thermometer in Banks\u2019 Munde nicht \u00fcber 36\u00b0,67.\nEndlich hielt es Blagden in einem Ofen bei trockener Luft und 127\u00b0,77 8 Minuten lang und bei 110\u00b0 12 Minuten lang aus. Er f\u00fchlte dabei ein starkes Unbehagen, welches aber nach dem Ausbruch reichlichen Schweisses schnell verschwand.\nIn den Versuchen von Dobson verweilte eine Person 20 Minuten lang in trockener Luft von 9I\u00b044; eine andere 20 Minuten bei 98\u00b0,88; ein junger Mann 10 Minuten bei 106\u00b0,44. Der erste zeigte unter der Zunge 37\u00b0,5, der zweite 38\u00b0,6l, der dritte 38\u00b0,89.\nBlagden macht mit Recht auf die Wirksamkeit der Verdunstung von der K\u00f6rperoberfl\u00e4che aufmerksam und erl\u00e4utert dieselbe durch einen sch\u00f6nen Versuch. Er brachte in den Ofen von 113\u00b0,33 zwei Oef\u00e4sse mit Wasser; in dem einen war das Wasser mit einer Oel-schicht bedeckt. Dieses gerieth ins Kochen, w\u00e4hrend das Wasser im anderen Gef\u00e4ss nur auf 60\u00b0 stieg. Dennoch h\u00e4lt er die Verdunstung nicht f\u00fcr die einzige Ursache der Erhaltung der normalen Temperatur, sondern nimmt noch eine Regulirung durch verminderte W\u00e4rmeproduction, wie wir heute sagen w\u00fcrden, an; eine Ansicht, welche auch von vielen seiner Zeitgenossen, insbesondere von Craw-\n1\tFranklin, Oeuvres de B. F. Trad, de Barbeu-Dubourg. II. p. 191.\n2\tTillet, M\u00e9m. del\u2019acad. des sciences 1764. p. 186.\n3\tBlagden, Philos. Transact. LXY.p. 11 1.484. 1875. \u2014 Dobson, Ebenda, p. 463.","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Einfluss h\u00f6herer Temperaturen.\n337\nford1 vertreten wurde, der \u00fcberdies den lebenden Wesen geradezu die F\u00e4higkeit zuschrieb, unter gewissen Umst\u00e4nden K\u00e4lte zu erzeugen, w\u00e4hrend andererseits Changeux2 neben der Verdunstung auch noch die Athmung als Abk\u00fchlungsmittel ansah.\nAehnliche Versuche wurden von Neuem angestellt von Dela-eoche und Berger.3 In trockener Luft konnte Berger 7 Minuten bei 109\u00b0,48 verweilen. In der mit Wasserdampf ges\u00e4ttigten Luft eines Dampfbads konnte Delaroche nur IOV2 Minute aushalten, als die Temperatur nach und nach von 37\u00b0,5 auf 51\u00b0,25 stieg; Berger nur 12 Minuten, als die Temperatur von 41\u00b0,25 auf 53\u00b0,75 stieg. Bei einem Aufenthalt von wenigen Minuten in trockener Luft von 80\u00b0 stieg die Temperatur im Munde um 5\u00b0. In einem Dampf bade von 37\u00b0,50\u201448\u00b0,75 stieg die Temperatur im Munde um 3\u00b0,12; in einem Dampfbade von 40\u00b0\u201441\u00b0,25 stieg sie um 1\u00b0,87 in 15 Minuten. Bei einem Meerschweinchen stieg die Temperatur von 38\u00b0 auf 44\u00b0, worauf es zu Grunde ging. Eine Steigerung der Eigenw\u00e4rme um 6 bis 7\u00b0 war f\u00fcr alle Thiere t\u00f6dtlich.\nMit diesen letzteren Angaben sind die Ergebnisse neuerer Versuche z. B. die von Krishaber4 5 6 in vollkommener Uebereinstimmung. Auch an Thieren fand ich das Gleiche, w\u00e4hrend Hoppe 5 nur geringere Temperaturzunahmen sah. Ich muss daher die Angaben von Blagdex und seinen Mitarbeitern \u00fcber das Constantbleiben ihrer Eigenw\u00e4rme stark in Zweifel ziehen.\nBrachte ich0 Kaninchen in einen Kasten, der auf 32\u00b0 bis 36\u00b0 geheizt war, so stieg ihre Eigenw\u00e4rme schnell auf 41\u00b0\u201442\u00b0. Auf dieser H\u00f6he stellt sich dann die Eigenw\u00e4rme constant ein, und die Thiere k\u00f6nnen dieselbe Tage lang ertragen, nur verlieren sie bedeutend an Gewicht. Heizt man aber den Kasten auf 36 \u00b0\u201440\u00b0, dann steigt die Eigenw\u00e4rme schnell auf 44\u00b0\u201445\u00b0 und der Tod tritt sehr schnell ein, kann aber vermieden werden, wenn man das Thier noch rechtzeitig in gem\u00e4ssigte W\u00e4rme bringt. In gleicher Weise stieg bei Delaroche die Mastdarmtemperatur eines Kaninchens binnen 100 Minuten von 39\u00b0,75 auf 43\u00b0,75, als es in einen Raum von 40\u00b0 gebracht worden war.\n1 Crawford, Experiments and observations on animal heat. 2. edit. 1788.\np. 186. Dtsch. Ausgabe. S. 296.\t2 Changeux, Journ. de physique. VII. p. 57. 1776.\n3\tDelaroche, Exp\u00e9riences sur les effets qu\u2019une forte chaleur produit dans l\u2019\u00e9conomie animale. Th\u00e8se. Paris 1806; Journ. de physique. LXXI. p.289; Reil\u2019sArch. XII. p. 370.\n4\tKrishaber, Gaz. m\u00e9d. de Paris. 1877. No. 46.\n5\tHoppe, Arch. f. pathol. Anat. XL S. 453.\n6\tRosenthal, Zur Kenntniss der W\u00e4rmeregulirung bei den warmbl\u00fctigen Thieren. S. 15. Erlangen 1872.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IV a.\n22","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nDelarobhe und Berger tkeilen auch einen sch\u00f6nen Versuch \u00fcber die Rolle der Wasserverdunstung mit. In einen Ofen, dessen Temperatur zwischen 60\u00b0,5 und 87\u00b0,5 schwankte, wurde ein Kaninchen und eine mit Wasser gef\u00fcllte por\u00f6se Flasche (Alcarazza) gebracht, beide von gleicher Temperatur. Als das Thier gestorben war, hatten Thier und Alcarazza ungef\u00e4hr gleich viel an Gewicht durch Wasserverdunstung verloren. Das Thier war jetzt um 2\u00b0,5 w\u00e4rmer als die Alcarazza, welcher Ueberschuss (abgesehen vom Unterschied der specifischen W\u00e4rmen) seiner W\u00e4rmeproduction zuzuschreiben ist.\nKleine Thiere k\u00f6nnen \u00fcbrigens hohe Temperaturen weniger gut vertragen als grosse, wahrscheinlich weil ihre Temperatur schneller steigt. In den Versuchen von Provoost und Fahrenheit starb ein Sperling binnen 8 Minuten in einem Ofen, in welchem ein Hund und eine Katze 28 Minuten lebten. \u2014 Bei Delaroche und Berger starb eine Maus in einem Raum, dessen Temperatur von 57\u00b0,5\u201463\u00b0,7 stieg, in 32 Minuten, ein Meerschweinchen lebte zwischen 62\u00b0 und 80\u00b0 eine Stunde und 25 Minuten ; ein junger Esel war in einem Raum, dessen Temperatur von 60\u00b0 bis 75\u00b0 stieg, nach 2 Stunden 50 Minuten zwar sehr schwach, starb aber nicht.\nAehnliche Erfahrungen macht man in den heissen Luft- (r\u00f6mischirische oder t\u00fcrkische B\u00e4der) und in den Dampfb\u00e4dern (russische B\u00e4der). Gleich hohe Temperaturen werden in ersteren besser vertragen, weil die Luft in ihnen trocken ist. Noch eingreifender sind nat\u00fcrlich heisse Wasserb\u00e4der. Lemonier1 konnte ein Bad von 37\u00b0,78 eine halbe Stunde ohne Beschwerden ertragen; in einem Bade von 44\u00b0,44 konnte er es nur 8 Minuten auskalten. Der Schweiss rann ihm in Str\u00f6men vom Gesicht, sein ganzer K\u00f6rper war roth und die Haut gedunsen, sein Puls war ungemein beschleunigt und alle Arterien klopften; zuletzt zwangen ihn heftige Schwindelanf\u00e4lle das Bad zu verlassen.\nHoppe2 brachte einen Hund zweimal in heisse, mit Wasserdampf ges\u00e4ttigte Luft und einmal in Wasser von 48\u00b0. In den beiden ersten F\u00e4llen stieg die Temperatur im Rectum um 1\u00b0\u20142\u00b0 innerhalb 35 bis 40 Minuten, im letzten Versuch um 2\u00b0,7 binnen 3 Minuten.\nAuf welche Weise auch die Eigenw\u00e4rme gesteigert sein mag, Temperaturen von 44\u00b0 sind immer lebensgef\u00e4hrlich und bei 45\u00b0 tritt stets der Tod innerhalb sehr kurzer Zeit ein.\nDie Steigerung der Eigenw\u00e4rme in Folge hoher Umgebungstemperaturen ist um so bedeutender, wenn noch andere Umst\u00e4nde\n1\tLemonier, M\u00e9moires de l\u2019acad. des sciences. 1747. p. 259.\n2\tHoppe, Arch. f. pathol. Anat. XV..","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Einfluss einiger anderer Umst\u00e4nde.\n339\nmitwirken, welche die Eigenw\u00e4rme in gleichem Sinne beeinflussen, insbesondere starke Muskelanstrengung. Auf diesem Zusammenwirken beruhen die enormen Temperatursteigerungen, welche beim sogenannten Hilzschlag eintreten bei Arbeitern auf freiem Feld, Soldaten auf dem Marsch und anderen in \u00e4hnlichen Verh\u00e4ltnissen.1 2\nXIV. Einfluss einiger anderer Umst\u00e4nde.\nZahlreiche Messungen an Menschen der verschiedensten St\u00e4nde, Racen und Wohnst\u00e4tten haben keine erheblichen Unterschiede der Eigenw\u00e4rme ergeben. Immerhin aber ist bemerkenswert!), dass nach Livingstone 2 die Eingeborenen in Afrika um 2\u00b0 F. niederer tempe-rirt waren.als er selbst, w\u00e4hrend nach Thomson3 4 die Eigenw\u00e4rme der Isl\u00e4nder im Mittel etwas h\u00f6her sein soll als die der Bewohner gem\u00e4ssigter Zonen. Wenn wir auch bei der ersterw\u00e4hnten Angabe etwas auf die Verschiedenheit in der Kleidung zu schieben haben, so kann doch vielleicht auch die bessere Anpassung an das heisse Klima dabei eine Rolle spielen.\nDie normale Menstruation hat keinen Einfluss auf die Eigenw\u00e4rme, so lange keine febrilen St\u00f6rungen auftreten, ebensowenig die Schwangerschaft. Der schwangere Uterus ist nach Schroeder 4 um 0\u00b0,3 w\u00e4rmer als die Achselh\u00f6hle und um 0\u00b0,15 w\u00e4rmer als die Vagina, was zum Theil auf die W\u00e4rmeproduction des F\u00f6tus zu schieben ist, zum Theil auf die h\u00f6here W\u00e4rme des Uterus selbst als eines muscu-l\u00f6sen Organs. Beim Geburisact tritt w\u00e4hrend jeder Wehe eine Steigerung um \u00f6\u00b0,2\u20140\u00b0,25 ein, die w\u00e4hrend der Wehenpause wieder zur\u00fcckgeht. Nach der Entbindung steigt die Temperatur in den ersten 12 Stunden und f\u00e4llt dann wieder. Indem sich dieses mit den normalen Tagesschwankungen combinirt, ist der Gang der Temperatur ein wechselnder. Die Steigerung ist daher am betr\u00e4chtlichsten, wenn die Geburt in den Morgenstunden erfolgt ist. Unmittelbar nach der Entbindung ist die Temperatur h\u00e4ufig sehr niedrig, was wohl haupts\u00e4chlich von der unvermeidlichen Entbl\u00f6ssung abh\u00e4ngt. W\u00e4hrend des ganzen Wochenbetts ist sie im Mittel immer etwas \u00fcber der Norm, auch wenn keine krankhaften St\u00f6rungen eintreten, von denen wir nat\u00fcrlich hier ganz absehen.\nDie gew\u00f6hnlichen Schwankungen des atmosph\u00e4rischen Drucks\n1\tObernier, Der Hitzschlag. S. 89 ff. Bonn 1867.\n2\tLivingstone, Travels in South Africa, p. 509.\n3\tThomson, Citirt bei Wunderlich. S. 104.\n4\tSchroeder, Arch. f. pathol. Anat XXXV. S. 253; Geburtshilfe. S. 205.\n22*","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nsind ohne Einfluss auf die Eigenw\u00e4rme, v. Vivenot1 beobachtete im pneumatischen Kabinet, dass die Temperatur in der Achselh\u00f6hle w\u00e4hrend der Drucksteigerung um 0\u00b0,4 zunahm, dann allm\u00e4hlich wieder sank, aber doch \u00fcber der H\u00f6he blieb, welche sie bei normalem Luftdruck eingenommen haben w\u00fcrde. Als Ursache dieser Ver\u00e4nderungen ist wahrscheinlich die Aenderung der Circulation anzusehen, welche nach desselben Verf. Untersuchungen haupts\u00e4chlich in einer Compression der oberfl\u00e4chlichen Gef\u00e4sse besteht.2 Bei einer Ziege, welche im Mastdarm gemessen wurde, sank die Temperatur anfangs und stieg erst, nachdem das Druckmaximum schon erreicht war. Da die Lufttemperatur auch zunahm, so ist schwer zu sagen, wie viel von der Aenderung der Eigenw\u00e4rme wirklich auf die Steigerung des Luftdrucks zu rechnen ist.\nBei Besteigung des Montblanc fand Lobtet3, dass mit zunehmender H\u00f6he die Eigenw\u00e4rme fiel. Auf dem Gipfel war sie in der Ruhe 36\u00b0,3, beim Umhergehen 32\u00b0,0. Die auffallende Abnahme der Temperatur durch die Bewegung ist unmittelbar nach dem Essen nicht wahrzunehmen, aber schon eine Stunde sp\u00e4ter tritt sie wieder auf. Lobtet glaubt, dass der K\u00f6rper nicht genug W\u00e4rme produ-ciren k\u00f6nne, um die durch die Arbeit verbrauchte W\u00e4rme zu ersetzen, was offenbar den Verh\u00e4ltnissen der W\u00e4rmeproduction bei der Muskelth\u00e4tigkeit gar nicht entspricht. Mabcet4 fand im Zustande der Ruhe wenig Unterschied bei verschiedenen H\u00f6hen, beim Ansteigen aber sank die Temperatur, am st\u00e4rksten bei leerem Magen und starker Perspiration; sie stieg sofort beim Ausruhen oder langsameren Steigen. Calbebla 5 konnte diese merkw\u00fcrdigen Beobachtungen bei Besteigung des Monte Rosa und des Matterhorn5 auch nicht best\u00e4tigen. Er mass in Rectum und Achselh\u00f6hle ; Lobtet und Mabcet in der Mundh\u00f6hle. Bei Calbebla und seinen Begleitern war die Temperatur w\u00e4hrend des Steigens h\u00f6her als beim Ausruhen.\nStarke Blutentziehungen bewirken einen Temperaturabfall um einige Grade, dem nach einigen Stunden eine Steigerung folgt, die meist die normale Temperatur etwas \u00fcbersteigt (Fbese 6 7). v. Baeben-speung 7 sah nach ergiebigen Aderl\u00e4ssen eine Steigerung um einige Zehntel, welche in den n\u00e4chsten Tagen allm\u00e4hlich wieder zur Norm oder auch etwas unter dieselbe zur\u00fcckging. Nach einer irgend er-\n1\tv. Vivenot, Wiener Med. Jahrb. XI. S. 113.\n2\tDerselbe, Arch. f. pathol. Anat. XXXIV. S. 515.\n3\tLobtet, Compt. rend. LXIX. p. 707.\n4\tMarcet, Arch. d. sc. phys. (2) XXXVI. p. 247.\n5\tCalberla, Arch. d. Heilk. 1875. S. 276.\n6\tFrese, Arch. f. pathol. Anat. XL. S. 303.\n7\tv. B\u00e4rensprung, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1851. S. 168 ff.","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"2. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Einfluss einiger anderer Umst\u00e4nde.\n341\nlieblichen Transfusion steigt die Temperatur bis zu betr\u00e4chtlicher H\u00f6he ; die Steigerung beginnt eine halbe Stunde nach der Operation und verliert sich im Laufe einiger Stunden. Der Erfolg tritt auch ein, wenn man das Blut einer Arterie direct in die nebenliegende Vene \u00fcberleitet (Albert und Stricker1 2 3). Auch Injectionen reinen Wassers wirken \u00e4hnlich.\nSeekrankheit leichten Grades bewirkt nach J. Davy 2 eine geringe Steigerung der Eigenw\u00e4rme und vermindert die Tagesschwankungen, welche aber auf See an sich schon gering sind.\nInjectionen von Gasen in die Bauchh\u00f6hle haben nach v. Recklinghausen und Simons 3 bedeutende Temperaturerniedrigung, bis zu 10\u00b0 unter der Norm, zur Folge, auch wenn das Gas vorher auf K\u00f6rpertemperatur erw\u00e4rmt war. Die Abk\u00fchlung beginnt bald nach der Injection, erreicht in 2 bis 60 Stunden ihr Maximum und weicht allm\u00e4hlich in derselben Zeit. Bei Meerschweinchen erfolgt bei der Injection stets ein Sch\u00fcttelfrost, bei anderen Thieren nicht so regelm\u00e4ssig. Zugleich mit der Temperatur sinken auch Puls- und Respirationsfrequenz, aber nicht so auffallend. Simons erkl\u00e4rt die Temperaturver\u00e4nderungen durch Aenderungen im Verhalten der Gef\u00e4sse und benutzt diese Erscheinung zur Erkl\u00e4rung des Temperaturabfalls bei Meteorismus. Auch unter die Haut oder in den Darm injicirtes Gas wirkt abk\u00fchlend.\n1\tAlbert u. Stricker, Wiener med. Jahrb. 1871. S. 49.\n2\tJ. Davy, Philos. Transact. 1850. p. 445.\n3\tSimons, Vorl\u00e4ufige Mittheilung \u00fcber eine neue Genese der Temperaturerniedrigung. Dissert. Bonn 1881.\nANHANG ZUM ZWEITEN CAPITEL.\nVergleichung der Tliermometer-Scalen.\na. Zur Verwandlung Celsius\u2019scher W\u00e4rmegrade in Fahrenheit\u2019sehe.\n(4- 100\u00b0 C. = 4-212\u00b0 E.)\n204.8\n165.2\n147.2","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\n\u00b0c.\t\u2014\t1\t2\t3\t4\t5\t6\t7\t8\t9\n\u2014|\u201420\t68\t69,8\t71,6\t73,4\t75,2\t77\t78,8\t80,6\t82.4\t84,2\n+10\t50\t51,8\t53,6\t55,4\t57,2\t59\t60,8\t62,6\t64,4\t66,2\n+-\t32\t33,8\t35,6\t37,4\t39,2\t41\t42,8\t44,6\t46,4\t48,2\n\t+32\t+30,2\t+28,4\t+26,6\t+24,8\t4-23\t+21,2\t+19,4\t+17,6\t+15,8\n\u2014 10\t+14\t+12 2\t+10,4\t+8,6\t+6,8\t+5\t+ 3,2\t+1,4\t0,4\t2,2\n\u201420\t4\t5,8\t7,6\t9,4\t11,2\t13\t14,8\t16,6\t18,4\t20,2\n\u201430\t22\t23,8\t25,6\t27,4\t29,2\t31\t32 8\t34,6\t36,4\t38,2\n\t\t\tZur Correctur: Zehntel-Grade.\t\t\t\t\t\t\t\n\t~ |\t0,18\t0,36\t0,54\t0,72\t0,9\t1,08\t1,26\t1,44\t1,62\nb. Zur Verwandlung R\u00e9aumur\u2019scher W\u00e4rmegrade in Fahrenheit\u2019sehe.\n(+ 80\u00b0 R = + 212\u00b0 F.)\n\u00b0R.\t\u2014\t1\t2\t3\t4\ti 5\t6\t7\t8\t9\n+70\t189,5\t191,75\t194\t196,75\t198,5\t200,75\t203\t205,25\t207,5\t209,75\n+60\t167\t169,25\t171,5\t173,75\t176\t178,25\t180,5\t182,75\t185\t187,25\n4-50\t144,5\t146,75\t149\t151,25\t153,5\t155,75\t158\t160,25\t162,5\t164,75\n+40\t122\t124,25\t126,5\t128,75\t131\t133.25\t135,5\t137,75\t140\t142,25\n+30\t99,5\t101,75\t104\t106,25\t108,5\t110,75\t113\t115,25\t117,5\t119,75\n+20\t77\t79,25\t81,5\t83,75\t86\t88,25\t90,5\t92,75\t95\t97,25\n+10\t54,5\t56,75\t69\t61,25\t63,5\t65,75\t68\t70,25\t72,5\t74.75\n4\u2014\t32\t34,25\t36,5\t38,75\t41\t43,25\t45,5\t47,75\t50\t52,25\n\t+32\t+29,75\t+27,5\t+25,25\t+23\t\u2014|\u201420,15\t+18,5\t+16,25\t+ 14\t+11,75\n-10\t+9,5\t+7,25\t+5\t+2,75\t+0,5\t1,7 5\t4\t6.25\t8,5\t10,75\n\u201420\t13\t15,25\t1 1 ,D\t19,75\t22\t24,25\t26,5\t28,75\t31\t33,25\n-30\t35,5\t37,75\t40\t42,25\t44,5\t46,75\t49\t51,25\t53,5\t55,75\n\t\t\tZur Correctur: Zehntel-Grade.\t\t\t\t\t\t\t\n\u2014\t\u2014\t0,225\t0,45 j 0,675\t\t0,9\t1,125\t1,35\t1,575\t1,8\t2,025\nc. Zur\t\tVerwandlung\t\tCelsius\u2019 scher\t\tW\u00e4rmegrade\t\tin R\u00e9aumur\u2019sehe.\t\t\n\t\t\t\t(100\t0 c. =\t80\u00b0 R.)\t\t\t\t\n\u00b0C.\t\u2014\t1\t2\t3\t4\t5\t6\t7\t8\t9\n90\t72\t72,8\t73,6\t74,4\t75,2\t76\t76,8\t77,6\t78,4\t79,2\n80\t64\t64,8\t65,6\t66,4\t67,2\t68\t68,8\t69,6\t70,4\t71,2\n1 70\t56\t56,8\t57,6\t58,4\t59,2\t60\t60,8\t61,6\t62,4\t63,2\n60\t48\t48,8\t49,6\t50,4\t51,2\t52\t52,8\t53,6\t54,4\t55,2\n50\t40\t40,8\t41,6\t42,4\t43,2\t44\t44,8\t45,6\t46.4\t41,2\n40\t32\t32,8\t33,6\t34,4\t35,2\t36\t36,8\t37,6\t38,4\t39,2\n30\t24\t24,8\t25,6\t26 4\t27,2\t28\t28,8\t29,6\t30,4\t31,2\n20\t16\t16,8\t17,6\t18,4\t19,2\t20\t20,8\t21,6\t22,4\t23,2\n10\t8\t8,8\t9,6\t10.4\t11,2\t12\t12,8\t13,6\t14,4\t15,2\n\u2014\t\u2014\t0,8\t1,6\t2,4\t3,2\t4\t4,8\t5,6\t6,4\t7,2\n\t\t\tZur Correctur: Zehntel-Grade.\t\t\t\t\t\t\t\n\u2014\t~ |\t0,08\t0,16\t0,24\t0,32\t0,4\t0,48\t0,56\t0,64\t0,72\nAnmerkungen. Diejenigen Tabellenwerthe, welche kein Vorzeichen haben, stimmen in demselben mit den Werthen der Eingangsspalte \u00fcber-","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduction.\n343\nein. Die Tabellen k\u00f6nnen auch zu den umgekehrten Reductionen verwandt werden, indem man die zu verwandelnden W\u00e4rmegrade im Tabellentext, das Resultat in Eingangsspalte und Kopf sucht.\nZ. B. 640 f. = ?0 R.\nNach Tabelle b sind 63\u00b0,5 F. = 14\u00b0 R.\nDifferenz 0\u00b0,5 F.\n0,045 F. =\t00,2 R.\nSa. 140,2 R.\nMan k\u00f6nnte in der Genauigkeit noch weiter gehen und den ferneren Rest von 0,05 0 F. in Reaumur\u2019schen Graden ausdr\u00fccken, indem man das Decimalzeichen der Werthe f\u00fcr Zehntel-Grade entsprechend vorriickt. Durch Fortsetzung dieser Operation w\u00fcrde man erhalten 64 0 F. = 140,22222 R.\nOder 1000 F. = ?o C.\nNach Tabelle a sind 100\u00b0,4 F. = 3S\u00b0,0 C.\nDifferenz \u2014\t0\u00b0,4 F.\n0\u00b0,36 F. ==\t0\u00b0,2 C.\nalso 100\u00b0 F. = 370,8 C.\noder genauer = 3 7 \u00b0,7 7 7 . . . . 8 C.\nDRITTES CAPITEL.\nDie W\u00e4rmeproduction.\nI. Theorien \u00fcber die Ursache der thierisclien W\u00e4rme.\nSeitdem Lavoisier die Theorie der Verbrennung aufgestellt und den Respirationsvorgang als eine langsame Verbrennung gedeutet hat, kann \u00fcber die eigentliche Quelle der W\u00e4rmeproduction im thie-rischen Organismus kein Zweifel herrschen. Alle \u00e4lteren Angaben k\u00f6nnen deshalb nur ein geringes historisches Interesse erwecken, weshalb ich nur einige wenige hier anf\u00fchre.\nSo erkl\u00e4rt Haller1 2 das Blut als Quelle und seine Bewegung als Ursache seiner W\u00e4rme. Van Helmont 2 sah den \u201eArch\u00e4us\u201c oder \u201eSpiritus vitalis\u201c, Descartes3 eine \u201eG\u00e4hrung\u201c des Blutes innerhalb der Herzh\u00f6hlen als Ursache der thierisclien W\u00e4rme an; Sylvius4\n1\tHaller, Elementa II. p. 27 ff. und 286 ff. Bei ihm ist die \u00e4ltere Literatur sehr vollst\u00e4ndig zusammengestellt.\n2\tVan Helmont, Opera omnia. Ed. Mich. Bernh. Valentin:. Ex Bibliopolio Hafniensi. Anno 1707. p. 174 u. 734.\n3\tDescartes, Oeuvres, \u00e9d. de Cousin. IV. p. 437.\n4\tSylvius, Disput, med. Cap. VII.","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nsuchte sie in dem Aufeinanderwirken des Chylus und der Lymphe und Stevenson1 in den Ver\u00e4nderungen, welche die K\u00f6rpers\u00e4fte und die Nahrungsmittel fortw\u00e4hrend im K\u00f6rper erfahren. Hamberger'2 verglich die thierische W\u00e4rme mit derjenigen, welche in Misthaufen entsteht. Endlich kam Mayow3 4 der sp\u00e4teren Lehre von Lavoisier sehr nahe, indem er die W\u00e4rme aus einer Vereinigung der \u201eParti-culae nitro-a\u00ebreae \u201c (d. h. des Sauerstoffs) der Luft mit dem Blut in den Lungen erkl\u00e4rte und die thierische W\u00e4rme mit der bei gew\u00f6hnlichen Verbrennungen entstehenden verglich.\nAber auch nach dem Erscheinen der grundlegenden Arbeiten Lavoisier\u2019s drangen seine Ansichten nicht sogleich in die Kreise der Gelehrten, sondern diese fuhren fort, Theorien \u00fcber die Ursachen der thierischen W\u00e4rme zu ersinnen. Unter ihnen ist vor allem die Theorie von Crawford 4 hervorzuheben, welcher auf Grund seiner Arbeiten \u00fcber specifische W\u00e4rme zu der Ueberzeugung gekommen wTar, dass einerseits die dephlogistisirle Luft (d. h. Sauerstoff) eine bedeutend h\u00f6here specifische W\u00e4rme habe als atmosph\u00e4rische Luft und als phlogistisirte Luft (d. h. Kohlens\u00e4ure), und dass andererseits arterielles Blut eine h\u00f6here specifische W\u00e4rme habe als ven\u00f6ses Blut. Danach stellt er sich nun die Entstehung der thierischen W\u00e4rme auf folgende Art vor5: Die reine Luft (d. h. Sauerstoff) wird mit einer grossen Menge Elementarfeuer6 in den Lungen aufgenommen ; das Blut kommt aus den K\u00f6rpercapillaren, mit dem brennbaren Grundstoff (d. h. Kohlenstoff) verbunden, zur\u00fcck. Die Verwandtschaft der reinen Luft zu diesem Stoffe ist gr\u00f6sser als die Anziehung des Blutes. Dieser Grundstoff wird daher das Blut verlassen, um sich mit der Luft zu verbinden. Durch diese Verbindung muss die Luft einen Theil ihres Elementarfeuers absetzen. Da aber die W\u00e4rmecapacit\u00e4t des Blutes in demselben Augenblicke erh\u00f6ht wird, so wird es sogleich diese W\u00e4rme einschlucken. Beim Durchg\u00e4nge durch die Capillaren wird die W\u00e4rmecapacit\u00e4t des Blutes wie-\n1\tStevenson, Bdinb. Medical Essays. V. (2) p. 806.\n2\tHamberger, Physiologia med. p. 24. 1751.\n3\tMayow, Tractatus etc. Vgl. Wurtz, Gesch. d. chem. Theorien. Uebers. v. Oppenheim. S. 6.\n4\tCrawford, Versuche und Beobachtungen \u00fcber die W\u00e4rme der Thiere und die Entz\u00fcndung der verbrennlichen K\u00f6rper. 2. Ausg. Uebers. v. Crell. Leipzig 1789. \u2014 Aus einigen Anmerkungen dieser deutschen Ausgabe geht hervor, dass Crell nicht selbst die Uebersetzung besorgt hat ; auf dem von mir benutzten Exemplar der Erlanger Universit\u00e4tsbibliothek nennt sich in einer handschriftlichen Widmung an Hofrath Schreber ein gewisser W. Borges als Uebersetzer.\n5\tA. a. O. S. 279.\n6\tAn andern Stellen des Werkes ist daf\u00fcr mehr im Sinne unserer heutigen Sprechweise ..absolute W\u00e4rme\u201c gesagt.","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduction. Lavoisier\u2019s Theorie.\n345\nder geringer; es wird daher die W\u00e4rme, die es in den Lungen erhalten hat, stufenweise wieder absetzen und \u00fcber das ganze System verbreiten. \u201eSo erhellt es also, dass das Blut beim Athemholen ununterbrochen den brennbaren Grundstoff absetzt und W\u00e4rme einschluckt und beim Kreisl\u00e4ufe hingegen ununterbrochen diesen Grundstoff wieder aufnimmt und W\u00e4rme absetzt.\u201c1\nIndem ich auf die Arbeiten Lavoisier\u2019s \u00fcbergehe, muss ich vorausschicken, dass es diesem vorzugsweise auf die Erkl\u00e4rung des Athmungsprocesses als eines Oxydationsvorgangs ankam, und dass die Erkl\u00e4rung der thierischen W\u00e4rme gleichsam nur als ein Nebengewinn aus seinen Arbeiten hervorging. Da aber Lavoisier die grosse wissenschaftliche Bedeutung dieser Frage sofort erkannte, so widmet er ihr eine eingehende Betrachtung, kam mehrmals auf dieselbe wieder zur\u00fcck und begann dann eine Reihe von Specialuntersuchungen \u00fcber dieselbe, welche aber leider unvollendet geblieben sind.\nII. Lavoisier\u2019s Theorie.\nIn seiner Abhandlung: \u201eSur la nature du principe qui se combine avec les m\u00e9taux pendant leur calcination et qui en augmente le poids\u201c2 stellt Lavoisier fest, dass das Gas, welches man durch Zersetzung des Quecksilberoxyds mittelst Erhitzung erh\u00e4lt, in hohem Grade geeignet ist, die Verbrennung der K\u00f6rper zu unterhalten, und zugleich ebensogut, ja noch besser als die atmosph\u00e4rische Luft das Leben der Thiere zu unterhalten vermag, w\u00e4hrend das Gas, welches man erh\u00e4lt, wenn man Quecksilberoxyd mittelst Kohle reducirt, f\u00fcr beide Zwecke unbrauchbar ist. Zwei Jahre sp\u00e4ter zeigt er sodann3, dass die Thiere bei der Athmung Sauerstoff aus der Luft aufnehmen und Kohlens\u00e4ure an dieselbe abgeben. Er fasst seine Ergebnisse in folgende S\u00e4tze zusammen: \u201eJe me trouve conduit \u00e0 deux cons\u00e9quences \u00e9galement probables et entre lesquelles l\u2019exp\u00e9rience ne m\u2019a pas mis encore en \u00e9tat de prononcer. Il arrive de deux choses l\u2019une par l\u2019effet de la respiration: ou la portion d\u2019air \u00e9minemment respirable (d. h. der Sauerstoff), contenue dans l\u2019air de l\u2019atmosph\u00e8re, est convertie en acide crayeux a\u00e9riforme (d. h. Kohlens\u00e4ure) en passant\n1\tDie erste Arbeit Crawford\u2019s \u00fcber thierische W\u00e4rme erschien 1779; die zweite, sehr vermehrte Ausgabe (Experiments and observations on animal heat) deren Uebersetzung ich benutzt habe, erschien 17S8. Offenbar haben die durch Lavoisier\u2019s Arbeiten angeregten Ideen hier schon einen Einfluss ausge\u00fcbt ohne dass jedoch die Grundlage der Crawford\u2019sehen Theorie durch sie ge\u00e4ndert worden ist.\n2\tM\u00e9m. de l\u2019acad. des sciences. 1775. p. 520.\n3\tEbenda. 1777. p. 183.","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\npar le poumon; ou bien il se fait un \u00e9change dans ce visc\u00e8re: d'une part, Pair \u00e9minemment respirable est absorb\u00e9, et, d\u2019autre part, le poumon restitue \u00e0 la place une partie d\u2019acide crayeux a\u00e9riforme presque \u00e9gale en volume\u201c. Noch in demselben Jahre folgte dann sein \u201eM\u00e9moire sur la combustion en g\u00e9n\u00e9ral\u201c1, in welchem er feststellt, dass die Athmung ein Verbrennungsprocess sei, und dass also in der Lunge geradeso wie bei der Verbrennung von Kohle W\u00e4rme frei werde, welche sich mit dem Blute durch den ganzen K\u00f6rper verbreite und dort eine constante Temperatur von ungef\u00e4hr 32 V20 R. unterhalte.\nAuf die sp\u00e4teren Arbeiten von Lavoisier, in welchen er die producirte W\u00e4rme calorimetrisch zu bestimmen und mit der ausge-athmeten Kohlens\u00e4ure zu vergleichen versuchte, werden wir noch zur\u00fcckkommen.\nAn dieser Stelle interessirt uns nur die klare Feststellung der Quelle der thierischen W\u00e4rme. Dass die Athmung mit Sauerstoffverbrauch und Kohlens\u00e4urebildung einhergehe, dass sie also ein Verbrennungsprocess sei, und dass hierbei W\u00e4rme frei werde, das ist durch Lavoisier\u2019s Arbeiten als ein nicht wieder anfechtbarer Elementarsatz in die Wissenschaft eingef\u00fchrt worden. Zweifelhaft kann nur sein, ob ausser dieser Hauptquelle noch andere Nebenquellen der W\u00e4rmeproduction im Organismus existiren.\nWeniger Klarheit aber erlangte Lavoisier \u00fcber den Ort, wo diese W\u00e4rmebildung zu suchen sei. W\u00e4hrend er in der oben w\u00f6rtlich angef\u00fchrten Stelle in wahrhaft wissenschaftlicher Weise die Entscheidung hier\u00fcber offen liess, gew\u00f6hnten sich seine Nachfolger, veranlasst durch die Art, wie sich Lavoisier selbst in seinen sp\u00e4teren Arbeiten ausdr\u00fcckte, die Aufnahme des Sauerstoffs in der Lunge ohne Weiteres mit Oxydation und Kohlens\u00e4urebildung f\u00fcr gleichbedeutend anzusehen und demgem\u00e4ss die Lunge als den Ort der ganzen W\u00e4rmeproduction zu erachten. Dies war offenbar ein R\u00fcckschritt gegen Lavoisier\u2019s Nebenbuhler auf diesem Gebiete, Crawford, welcher, wie wir gesehen haben, die K\u00f6rpercapillaren als den Sitz der Erw\u00e4rmung betrachtete. Freilich w\u00fcrde, wenn man Crawford\u2019s Anschauungen in die Sprache unserer Zeit \u00fcbertragen wollte, auch nach ihm die eigentliche W\u00e4rmebildung in der Lunge stattfinden. Aber die dort gebildete W\u00e4rme w\u00fcrde nach ihm, wegen des Wechsels in der specifischen W\u00e4rme des Blutes, sofort latent, und erst in den K\u00f6rpercapillaren, wegen des dort stattfindenden entgegengesetzten Wechsels in den physikalischen Eigenschaften des Blutes,\nl M\u00e9m. de l\u2019acad. des sciences. 1777. p. 592.","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduction. Lavoisier\u2019s Theorie.\n347\nwieder frei werden. Wir k\u00f6nnen diese mehr physikalische Auffassung\u2019 Crawford\u2019s als das letzte Lebenszeichen der iatromechanischen Richtung in der Medicin ansehen, von welcher wir S. 343 einige Beispiele angef\u00fchrt haben. Crawford\u2019s Auffassung musste aber in sich selbst zusammenfallen, als die auf Grund verdienstlicher, aber unvollkommener und mit unzureichenden Mitteln unternommener Bestimmungen der speeifisehen W\u00e4rmen angenommenen Grundlagen seiner Theorie ersch\u00fcttert wurden, insbesondere als John Davy1 zeigte, dass kein merklicher Unterschied in der speeifisehen W\u00e4rme des arteriellen und ven\u00f6sen Blutes nachweisbar sei. Und damit kam dann Lavoisier\u2019s Lehre zur allgemeinen Geltung, die wir ihrerseits wieder als den Ausdruck der erneuten iatrockemischen Anschauungen ansehen k\u00f6nnen, welche in ihrer nunmehrigen, tiefer begr\u00fcndeten Form unsere Wissenschaft bis auf den heutigen Tag beherrschen und auch durch die ephemere Bl\u00fcthe der vitalistischen wie der neuro-pathologischen Schule nicht aus ihrer Herrschaft verdr\u00e4ngt werden konnten.\nWas aber die Frage anlangt, ob die Kohlens\u00e4urebildung und damit die W\u00e4rmeproduction schon in der Lunge stattfinde oder nicht, so konnte ihre Discussion erst von neuem aufgenommen werden, nachdem durch Magnus2 die Absorption der Gase durch das Blut Gegenstand der experimentellen Untersuchung geworden war.\nIII. W\u00e4rmebildimg bei Pflanzen.\nIndem wir nach dieser Einleitung zu der Frage \u00fcbergehen, wie sich die W\u00e4rmebildung in den einzelnen Thierklassen gestalte, st\u00f6sst uns die Vorfrage auf, ob auch bei den Lebensprocessen der Pflanzen W\u00e4rmebildung stattfinde.\nDer allgemeine Gegensatz zwischen dem pflanzlichen und thie-rischen Stoffwechsel, wonach der erstere vorwiegend mit Zerlegung von Kohlens\u00e4ure, der letztere mit Bildung derselben einhergeht, erleidet bekanntlich allerlei Ausnahmen, indem auch bei den Pflanzen (besonders bei mangelnder Einwirkung des Lichts und in allen F\u00e4llen, wo das Chlorophyll fehlt) Sauerstoff gebunden und Kohlens\u00e4ure gebildet werden kann. In allen diesen F\u00e4llen findet auch W\u00e4rmeproduction statt. Vorzugsweise leicht ist dieselbe nachzuweisen beim Keimungsprocess und bei den Bliithen. Da die W\u00e4rmebildung meist gering, die W\u00e4rmeverluste sehr gross sind, so ist es vorteilhaft f\u00fcr\n1\tDavy. Bibi. Brit. LX. p. 105. 1815.\n2\tMagnus, Ann. d. Physik. XXXVI. S. 685, LVI. S. 177.","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nden Nachweis, gr\u00f6ssere Mengen von keimenden Samen oder sich entwickelnder Bl\u00fcthen zusammenzuh\u00e4ufen und die Verdunstung zu beschr\u00e4nken. Die betr\u00e4chtliche Erw\u00e4rmung gr\u00f6sserer Haufen von keimender Gerste bei der Malzbereitung ist bekannt. Die Temperatur solcher Haufen, bei einer Dicke derselben von etwa einem Fuss, steigt um 6\u201410\u00b0 \u00fcber die der Umgebung, trotzdem dabei eine erhebliche Wasserverdunstung stattfindet; denn die Gerste verliert beim Keimen ungef\u00e4hr 2 Proc. an Gewicht, welcher Verlust nur zum Theil von der gebildeten Kohlens\u00e4ure herr\u00fchrt. Auch bei dem dann folgenden schnellen Trocknen des Gr\u00fcnmalzes, wobei die Verdunstung eine sehr erhebliche ist, findet immer noch W\u00e4rmebildung statt, so dass man gen\u00f6thigt ist, die nur 3 \u2014 5 cm dicken Schichten 6\u20147 mal t\u00e4glich zur Verhinderung der Erhitzung umzur\u00fchren.1 2 Um die W\u00e4rmebildung im Kleinen nachzuweisen, bringt Sachs 2 Erbsen oder Bl\u00fcthen auf einen Trichter, der in einer mit Kali- oder Natronlauge theil-weise gef\u00fcllten Flasche steckt, bedeckt das Ganze mit einer tubu-lirten Glocke und f\u00fchrt ein Thermometer durch den Tubulus ein, so dass die Kugel innerhalb der Pflanzentheile steckt. 100\u2014200 keimende Erbsen zeigten auf diese Weise eine Erw\u00e4rmung bis zu 1\u00b0,5, zahlreiche Bl\u00fcthenknospen von Anthemis chrysoleuca eine Erw\u00e4rmung von 1\u00b0,6. Aber selbst einzelne Bl\u00fcthen und Staubf\u00e4den gaben Erw\u00e4rmungen von 0\u00b0,6\u20140\u00b0,8.\nHunter3 4 hatte Versuche \u00fcber W\u00e4rmebildung bei Pflanzen angestellt, indem er zu verschiedenen Jahreszeiten Thermometer in die St\u00e4mme lebender und todter B\u00e4ume einf\u00fchrte und dieselben bald w\u00e4rmer bald k\u00e4lter als die umgebende Luft fand. Aus seinen Versuchen l\u00e4sst sich aber wenig entnehmen, da die gefundenen Differenzen weniger von dem Lebensprocess der Pflanzen als von zuf\u00e4lligen Umst\u00e4nden (Unterschiede der Ausstrahlung u. s. w.) abzuh\u00e4ngen scheinen. Auch seine Versuche \u00fcber das Erfrieren von Pflanzen und Pflanzentheilen, sowie \u00fcber das Gefrieren von Pflanzens\u00e4ften sind f\u00fcr die uns hier besch\u00e4ftigenden Fragen ohne Belang.\nAusf\u00fchrlichere Untersuchungen hat Dutrochet 4 angestellt. Er bediente sich zur Temperaturmessung der Thermonadeln. An den Bl\u00fcthen von Arum maculatum fand er vom 2. Tage vor der Oeff-nung des Kelchs an nachweisbare Unterschiede zwischen der Temperatur der Pflanze und der Umgebung, welche anf\u00e4nglich gering\n1\tVgl. Wagner, Handb. d. chem. Technol. 10. Aufl. S. 599.\n2\tSachs, Grundz\u00fcge der Pflanzenphysiologie S. 59 (Lehrb. d.Botanik. 3.Aufl. S. 631). \u2014 Vgl. auch: Pfeffer,Pflanzenphysiologie. II. S. 401 ff.\n3\tHunter, Works IV. S. 157.\n4\tDutrochet, Ann. des sciences naturelles. (2) XIII. p. 5. 65.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduction. W\u00e4rmebildung bei Pflanzen.\t349\nwaren, aber am Tage der Er\u00f6ffnung sich bis auf 10\u00b0 und dar\u00fcber steigerten. Die m\u00e4nnlichen Bllithen zeigen erheblichere Temperatursteigerungen als die weiblichen. Die Steigerungen sind nicht gleich-massig, sondern schwanken auf und nieder und sind am Tage betr\u00e4chtlicher als in der Nacht; doch ist dies unabh\u00e4ngig von der Einwirkung des Lichts. Noch viel gr\u00f6ssere Temperatursteigerungen hat Hubert an den Bl\u00fcthen von Arum cardifolium und Brogniart an denen von Colocasia odora gefunden (22\u201425\u00b0).\nAn Zweigen fand Dutrochet eine freilich geringe W\u00e4rmentwicklung in den Theilen unmittelbar unterhalb der Endknospe. Weiter unten wird sie geringer und h\u00f6rt ganz auf da, wo die Markzellen mit Luft gef\u00fcllt sind und die Holzstructur fertig ausgebildet ist. Die gr\u00f6sste Differenz zwischen Pflanze und Luft findet man in der Regel Mittags ; Nachts ist sie meist gleich Null. Der gr\u00f6sste von Dutrochet beobachtete Werth war 0\u00b0,34 bei einer Euphorbia.\nAn Bl\u00e4ttern fand Dutrochet gleichfalls eine geringe Eigenw\u00e4rme von 0\u00b0,03; van Beck1 beobachtete einmal an einem Blatt von Sedum cotyledon 0\u00b0,25. Aehnliches zeigten Fr\u00fcchte, die noch in der Entwicklung begriffen waren, nicht aber abgepfl\u00fcckte Fr\u00fcchte. Wurzeln zeigen keine Eigenw\u00e4rme. Pilze verhielten sich wie Zweige; die h\u00f6chste beobachtete Eigenw\u00e4rme zeigte ein Boletus a\u00ebreus mit 0\u00b0,45.\nBei allen diesen Versuchen ist es unbedingt nothwendig, die Verdunstung durch Bedecken der untersuchten Pflanzen mit Glasglocken oder dergleichen auszuschliessen, da sonst leicht die Pflanze k\u00e4lter sein kann als die umgebende Luft.\nEs erscheint theoretisch annehmbar, dass der Vorgang der CO-i-Zerlegung in der Pflanze mit Bindung von W\u00e4rme verbunden sein m\u00fcsse. Doch wird es sehr schwer sein das nachzuweisen, umsomehr als die zu lebhafter Sauerstoffentwicklung nothwendige Belichtung mit W\u00e4rmezufuhr verbunden ist. Wenn also trotzdem auch in gr\u00fcnen Pflanzentheilen W\u00e4rme frei wird, so muss dies der Ueberschuss der gebildeten \u00fcber die gleichzeitig gebundene W\u00e4rme sein. In der That wissen wir, dass die Bindung von Sauerstoff in den Pflanzen immer neben der Entwicklung dieses Gases einhergeht.'2\nAuch die sehr erhebliche W\u00e4rmeentwicklung, welche bei der alkoholischen G\u00e4hrung stattfindet, muss zum Theil als Folge des mit Sauerstoffaufnahme verbundenen Lebensprocesses der pflanzlichen\n1\tBeck, Coinpt. rend. IX. p. 36.\n2\tVgl. hier\u00fcber den Artikel von Kunkel im Biolog. Centralbl. 1881. No. 13.","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nOrganismen, der Hefepilze, angesehen werden.1 Aber nur zum Theil. Denn die durch die Atomumlagerung bewirkte Zerlegung des Zuckermolek\u00fcls in Alkohol, Kohlens\u00e4ure und andere Nebenproducte muss allerdings auch mit W\u00e4rmeentwicklung verbunden sein. Letztere wird von Berthelot '2 f\u00fcr das \u00c4quivalent COi auf 35 Calorien gesch\u00e4tzt. Um \u00fcber alle diese Fragen Aufschluss zu erhalten, sind eigens darauf gerichtete Untersuchungen nothwendig, welche aber, wie es scheint, noch fehlen.\nIV. W\u00e4rmeentwicklung bei niederen Thieren.\nNoch weniger zweifelhaft als f\u00fcr die Pflanzen ist nat\u00fcrlich f\u00fcr alle Thiere ohne Ausnahme der Satz, dass in ihnen fortw\u00e4hrend W\u00e4rme producirt wird. Wie weit dadurch die Temperatur des Thierleibs \u00fcber die der Umgebung erhoben wird, h\u00e4ngt dann von der Menge der gebildeten W\u00e4rme und von den W\u00e4rmeverlusten ab. Bei der geringen Intensit\u00e4t des Stoffwechsels in den meisten niederen Thieren im Vergleich zu dem in V\u00f6geln und S\u00e4ugern kann der erstere Factor in der Regel nur gering sein. Der zweite Factor aber ist bei der Kleinheit der meisten dieser Thiere, bei dem Leben in dem gut leitenden Wasser oder bei der starken Verdunstung von der feuchten Oberfl\u00e4che (bei Fr\u00f6schen z. B.) zuweilen so gross, dass es selbst Vorkommen kann, dass die Thiere k\u00e4lter sind als die umgebende Luft, obgleich sie fortw\u00e4hrend W\u00e4rme produciren.\nBei kleineren Thieren ist es oft vortheilhaft, um die W\u00e4rmebildung nachzuweisen, eine gr\u00f6ssere Anzahl derselben zusammen zu untersuchen. Dadurch wird die Menge der producirten W\u00e4rme im geraden Verh\u00e4ltniss der Anzahl der Thiere gr\u00f6sser, die W\u00e4rmeverluste aber werden bedeutend geringer. In anderen F\u00e4llen ist es zweckm\u00e4ssig, durch besondere Vorsichtsmaassregeln die Wasser Verdunstung auszuschliessen. Endlich ist es h\u00e4ufig gerathen, statt des Thermometers Thermonadeln oder (wie Nobili und Melloni gethan haben), die Thermos\u00e4ule zur Temperaturmessung anzuwenden.\nWenn wir, wie schon im zweiten Capitel angegeben wurde, mit dem Namen Eigenw\u00e4rme bei den Poikilothennen den Ueberschuss der Temperatur des Thierk\u00f6rpers \u00fcber die der Umgebung bezeichnen, so kann diese Eigenw\u00e4rme, wo die Differenz eine positive ist, als ein ungef\u00e4hrer Maassstab f\u00fcr die W\u00e4rmeproduction in den be-\n1\tVgl. hier\u00fcber: Sch\u00fctzenberge, Die G\u00e4hrungserscheinungen (Bd. XIII der Internat, wissensch. Bibi.). S. 96 ff. Leipzig 1876.\n2\tBerthelot, Journ. d. l\u2019anat. et d. physiol. 1865. p. 662.","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduction. W\u00e4rmeentwicklung bei niederen Thieren. 351\ntreffenden Thieren gelten. Ich stelle nun eine Anzahl von Beobachtungen \u00fcber solche Eigenw\u00e4rmen zusammen.\nValentin1 hat eine gr\u00f6ssere Anzahl von Beobachtungen an niederen Thieren angestellt. Er fasste seine Resultate, die wir nicht im Einzelnen anf\u00fchren wollen, selbst in folgender Tabelle zusammen:\nPolypen .\t.\t0\u00b0,21 w\u00e4rmer als das Wasser\nMedusen .\t0\u00b0,27\tft\tft\tft\tft\nEchinodermen\t00,40\tft\tft\tft\tft\nMollusken.\t00,46\tft\tft\tft\tft\nCephalopoden\to o u\u00bb \u2014i\tft\tft\t\tft\nCrustaceen\t00,60\tft\tft\tft\tft\nAuch Martins2 fand\tdie Temperatur von\t\tSeesternen merklich\t\nh\u00f6her als die des Wassers\t, in welchem sie lebten\t\t\t(Eismeer).\nAus 'Hunter\u2019s Beobachtungen3\t\tentlehne ich folgende Zahlen:\t\t\n\t\tLufttemp.\t\tTemp. d. Thiere\nEinige Regenw\u00fcrmer in\teinem Glase\t56\u00b0\t\tF.\t58 V2 0 F.\nn\tft\tft\tft\tft\t\u201e\t55\u00b0\tF.\t57\u00b0 F.\n4 schwarze Nacktschnecken .\t\t.\t.\t54\u00b0\tF.\t55 74\u00b0 F.\n3 Blutegel in einem kleinen Glase .\t56\u00b0\t\t\tF.\t57\u00b0 F.\n3\tft\tft\t.\t54\u00b0\tF.\t5 5 4/2 0 F.\nUeber die W\u00e4rmeproduction der Insecten gibt es eine gr\u00f6ssere Zahl von Beobachtungen. Bienen bed\u00fcrfen einer betr\u00e4chtlichen W\u00e4rme und produciren dieselbe selbst bei strenger K\u00e4lte, wenn sie in gr\u00f6sserer Anzahl beisammen sind. Hunter4 fand in einem Bienenstock:\nim Juli: Lufttemperatur 54\u00b0 F. im Stock 82\u00b0 F. am folgenden Morgen 5 Uhr \u201e \u201e 7 9\u00b0 F.\n9\t83\u00b0 F\nft\tn\tn\t\u00b0\tft\tn\tn\tuo\tx \u2022\n\u00bb\tn\tMittag\t1\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t84\u00b0\tF.\n\u00bb\t\u201e\tAbend\t9\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t78\u00b0\tF.\nim December: Lufttemp. 35\u00b0 F. \u201e\t\u201e\t73\u00b0 F.\nDasselbe hatte \u00fcbrigens schon Swammerdam , allerdings ohne Zahlenangaben, mitgetheilt; auch Huber, Reaumur, Newport u. A. haben die hohe Eigenw\u00e4rme der Bienen beobachtet. Nach Newport ist die Temperatur in Bienenk\u00f6rben im Mai und Juni am h\u00f6chsten.\nNobili und Melloni5 benutzten die Thermos\u00e4ule zum Nachweis\n1\tValentin\u2019s Repertorium. IV. S. 359. 1839.\n2\tMartins, Ann. d\u2019hist. nat. (3) Zoologie. V. p. 187. 1846.\n3\tHunter, Works. IV. p. 147.\n4\tHunter, Works. IV. p. 428. Hunter\u2019s Abhandlung \u201eOn bees\u201c ist voll interessanter Beobachtungen. Auch finden sich darin Beobachtungen eines Herrn Schirach, in welchen die Entwickelung unbefruchteter Eier angedeutet ist.\n5\tNobili u. Melloni, Ann. d. chim. et phys. (2) XLVIII. p. 207.","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nder W\u00e4rmeentwicklung durch Insecten. Sie schlossen das Geh\u00e4use, in welchem die Thermos\u00e4ule eingeschlossen war, durch polirte sph\u00e4rische Kupferspiegel, und wenn die Temperaturen der beiden Endfl\u00e4chen der S\u00e4ule sich vollkommen ausgeglichen hatten, brachten sie in den Brennpunkt des einen Spiegels ein Insect, so dass alle von diesem ausgehende strahlende W\u00e4rme auf die eine Endfl\u00e4che fiel. Bei 40 verschiedenen Arten und in den verschiedenen Entwicklungsstadien fanden sie stets W\u00e4rmeproduction durch das Thier. Doch geben sie keine Zahlenwerthe an, welche \u00fcbrigens auch bei der Anordnung ihrer Versuche keinen directen Schluss auf die Eigenw\u00e4rme gestatten w\u00fcrden.\nBecquerel1 und Dutrochet2 wandten Thermonadeln an. Das Verfahren des letzteren war folgendes. Unter einer Glasglocke (um die Verdunstung abzuhalten) waren zwei Thiere derselben Art und von gleicher Gr\u00f6sse auf die endst\u00e4ndigen L\u00f6tlistellen eines Thermoelements aufgespiesst. Das eine war lebend, das andere durch Eintauchen in Wasser von 50\u00b0 get\u00f6dtet und dann wieder auf die Temperatur der Umgebung abgek\u00fchlt. Das lebende Thier erwies sich stets als w\u00e4rmer; die Unterschiede bewegen sich zwischen 0\u00b0, 12 und 0\u00b0,58.\nAn Fischen hat Hunter3 eine beachtenswerthe Beobachtung Uber W\u00e4rmebildung gemacht. Um zu erfahren, ob es wahr sei, dass gefrorene und wieder aufgethaute Fische am Leben blieben, brachte er zwei Karpfen in einem Glasgef\u00e4sse mit reinem Flusswasser in eine K\u00e4ltemischung. Da ihm das Wasser nicht schnell genug gefror, stopfte er Schnee hinein, bis es ganz dick war. Aber der Schnee schmolz immer schnell in der Umgebung der Fische, obgleich immer wieder neuer zugef\u00fcgt wurde, und erst nach l\u00e4ngerer Zeit gelang es, das Wasser und die Fische zum Gefrieren zu bringen, welche sich dann beim Aufthauen als todt erwiesen. Ein anderes. Mal fand Hunter4 die Temperatur im Magen eines Karpfen 3V2\u00b0 F. h\u00f6her als die des Wassers, welche 65 V20 betrug. Bei einer Makrele fand J. Davy5 eine Eigenw\u00e4rme von 99\u00b0 F. (37\u00b0,2 C.) bei einer Wasserw\u00e4rme von 80\u00b0,5 F., und bei einer Pelamys (Bonite) aus dem Marmarameer fand er bei einer Wasserw\u00e4rme von 16\u00b0,6 in der Bauchh\u00f6hle eine Eigenw\u00e4rme von 6\u00b0,1 und zwischen den Muskeln von 7\u00b0,2. Die \u00fcbrigen Bestimmungen von Davy u. A. ergaben geringere Werthe\n1\tBecquerel, Trait\u00e9 de physique. IV. p. 51.\n2\tDutrochet, Ann. d\u2019hist. natur. (2) Zool. XIII. p. 5.\n3\tHunter, Works. IV. p. 132.\n4\tDerselbe, Ebenda p. 147.\n5\tDavy, Philos. Transact. 1835.","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduction. W\u00e4rmeentwicklung bei niederen Thieren. 353\nf\u00fcr die Eigenw\u00e4rme, zwischen \u00f6\u00b0,2 bei einem fliegenden Fisch und 3\u00b0,9 bei einem Hecht schwankend.\nVerschiedene Beobachtungen an Amphibien und Reptilien hat Gay arret1 in einer Tabelle zusammengestellt, welche ich hier wiedergebe:\nBezeichnung des Thiers\nUeberschuss der Thierw\u00e4rme \u00fcber die Temperatur der Umgebung\tName des Beobachters\n2,65\u20145,67\t\n1,56\u20143,54 1,00 0,21-6,35 0,32-3,74\t> CZERMAK d. A.\n1,25-8,12 4,00-7,34 0,32-2,44\t\n0,50\u20140,75\tV\n0,50 \u2014 0,75 0,75\u20141,25 0,87 \u2014 1,00\t>\tBecquerel\n0,75 \u2014 1,35 3,10 2,50\t\n1,22\tWalbaum\n0,50\tBerthold\n0,75\t\n2,25\tKudolphi\n1,25\t\n5,56\tJ. Hunter\n2,80\t\u00bb\n2,80\t5?\n0,21\tDutrochet\n0,12\t\n0,04\t,,\n2,8S\tTiedemann\n1,50\tPr\u00e9vost & Dumas\n2,90\t\n0,90 3,90 1,22\tJ. Davy\n3,90 1,10 3,90\t>\n4,44\tCarlisle\n2,78\tMartine\n2,70\t\u00bb\nProteus anguineus\t.\t.\t.\t.\nEmys europaea..............\nChersine graeca............\nNatrix laevis..............\n\u201e torquatus\t.\t.\t.\t.\nAnguis fragilis............\nLacerta viridis............\nFrosch.....................\nFrosch.....................\nKr\u00f6te......................\nEidechse ..................\nBlindschleiche.............\nNatter.....................\nColuber Aesculapii\t.\t.\t.\t.\nBoa........................\nSchildkr\u00f6te................\nAnguis fragilis............\nLacerta agilis.............\n\u201e maculata\t.\t.\t.\t.\nProteus anguineus\t.\t.\t.\t.\nViper......................\nFrosch.......................\nKr\u00f6te......................\nLacerta agilis..........\nGeburtshelferkr\u00f6te .\t.\t.\nFrosch .................\nSchildkr\u00f6te.............\nFrosch..................\nSchildkr\u00f6te von Ascension \u201e (\u201eg\u00e9om\u00e9trique\u201c ?)\n\u00bb ..................\nIguan ..................\nGr\u00fcne Natter (?).\t.\t.\t.\nBraune Schlange (?)\t.\t.\nVerschiedene Nattern .\t.\nFrosch .................\nSchildkr\u00f6te.............\nFrosch..................\nEine Anzahl \u00e4lterer, eigener und fremder Versuche an niederen Thieren haben auch Haller'2, Rudolphi3 und Joh. M\u00fcller4 zu-\n1\tGavarret, De la chaleur produite par les \u00eatres vivants, p. 123\n2\tHaller, Elementa. II. p. 28.\t3 Kudolphi, Grundriss d. Physiol. I. S. 151 ff.\n4 Joh. M\u00fcller, Handb. d. Physiol. I. S. 61 ff.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IYa.\n23","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354:\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nsammengestellt, aus denen eine gewisse Eigenw\u00e4rme der sogenannten Kaltbl\u00fcter hervorgekt. (Vgl. auch die Zusammenstellung bei Milne Edwards, Le\u00e7ons sur la physiol. VIII. p. 7. Note 2.) Daneben exi-stiren aber auch zahlreiche Beobachtungen, in denen die Temperatur der Tkiere gleich oder sogar geringer war als die der Umgebung.1 Aber schon Berthold'2 3 hat die Bedingungen, unter welchen dies eintritt, richtig er\u00f6rtert. Bringt man ein solches Thier aus einem k\u00e4lteren Raum, in dem es lange verweilt hat, in einen w\u00e4rmeren, so dauert es lange, bis es sich mit diesem ins Gleichgewicht gesetzt hat. Kommt dazu noch der Einfluss einer starken Verdunstung von der K\u00f6rperoberfl\u00e4che, dann kann die Temperatur des Tkieres dauernd niedriger bleiben als die der Umgebung. Deshalb findet man diesen Fall am h\u00e4ufigsten bei der Untersuchung von Wassertkieren in der Luft, oder bei Tkieren mit feuchter Haut z. B. Fr\u00f6schen.\nV. Calorimetrisclie Versuche von Lavoisier und Crawford.\nIn den vorhergehenden Untersuchungen ist auf die W\u00e4rmebildung geschlossen worden aus dem Unterschied der Temperatur des Tkieres und der der Umgebung. Von einer genaueren Sch\u00e4tzung der gebildeten W\u00e4rme oder gar von einer Messung derselben war dabei keine Rede. Aber schon Lavoisier unternahm es, solche Messungen anzustellen, um nicht nur im Allgemeinen die Ursache der thierischen W\u00e4rme in dem Respirationsprocess nachzuweisen, sondern auch numerisch darzuthun,. dass dieser Process vollkommen ausreichend sei, die ganze producirte W\u00e4rmemenge zu liefern.\nIn Gemeinschaft mit Laplace legte Lavoisier 3 1780 der Academie die Untersuchungen \u00fcber die W\u00e4rme vor, in welchen mit Hilfe des Eiscalorimeters (s. S. 313) einerseits die von einem Thier producirte W\u00e4rmemenge gemessen, andererseits die von*demselben Thier ausgeathmete Kohlens\u00e4ure bestimmt wurde.\nEin Meerschweinchen wurde in das innere, mit L\u00f6chern versehene Gef\u00e4ss des Calorimeters (Fig. 12, S. 313) gebracht. Die Seitenwand und der Deckel wurden von R\u00f6hren durchsetzt, welche einen stetigen Luftstrom um das Thier herum zu unterhalten gestatteten. Das Thier blieb 10 Stunden in dem Apparat und brachte in dieser Zeit 402,27 grm Eis zum Schmelzen. Lavoisier bemerkt jedoch,\n1\tEine Zusammenstellung s. bei Gay arret a. a. O. p. 136 ff.\n2\tBerthold, Neue Versuche \u00fcber die Temperatur der kaltbl\u00fctigen Thiere. G\u00f6ttingen 1835.\n3\tLavoisier, M\u00e9moires de Tacad. des sciences. 1780. p. 355.","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduction. Calorimetr.Versuche v. Lavoisier u. Crawford. 355\ndass diese Zahl nothwendiger Weise zu gross ausgefallen sein muss. Denn 1. beh\u00e4lt ein Meerschweinchen in seiner Umgebung von 0\u00b0 nicht seine Temperatur, mit der es in den Apparat hineingebracht wurde. Es erkaltet, und die von ihm abgegebene, aber nicht w\u00e4hrend der Versuchsdauer produeirte W\u00e4rme hat gleichfalls eine gewisse Menge Eis geschmolzen; 2. ist aller vom Thier ausgeathmete Wasserdampf condensirt und auf 0\u00b0 abgek\u00fchlt worden. Die so freigewordene W\u00e4rme hat gleichfalls zur Schmelzung eines Antheils von Eis gedient. Endlich hat sich 3. das condensirte Wasser dem Schmelzwasser beigemischt. Lavoisier berechnet die so entstandenen Fehler auf 61,19 grm Eis und erh\u00e4lt also als Ausdruck der Eismenge, welche wirklich von der W\u00e4rmeproduction des Thieres geschmolzen wurde, 341,08 grm.\nDasselbe Thier wurde ferner unter eine, mit Quecksilber abgesperrte Glocke gebracht, durch welche ein stetiger Luftstrom strich. Die austretende Luft ging nach Entfernung des mitgef\u00fchrten Wasserdampfes durch Kalilauge und gab an diese ihre Kohlens\u00e4ure ab. Aus mehreren Versuchen berechnet, ergab sich, dass in 10 Stunden das Meerschweinchen 3,333 grm Kohlenstoff in Gestalt von Kohlens\u00e4ure ausschied. Nach den fr\u00fcheren Versuchen von Lavoisier und Laplace waren 3,333 grm verbrannter Kohle im Stande, 326,75 grm Eis zu schmelzen. Es ergab sich also das Verh\u00e4ltniss der aus der ausgeathmeten Kohlens\u00e4ure berechneten W\u00e4rmemenge zu der im Calorimeter gefundenen\n326.7\t5\n341.08\n= 0,96.\nWenn man nun bedenkt, dass die Bestimmung der CO-i-Ausgabe bei Zimmerw\u00e4rme (zwischen 14 und 15\u00b0), die der W\u00e4rmeproduction aber bei 0\u00b0 erfolgte, so ist die Uebereinstimmung eine mehr als zuf\u00e4llige. Lavoisier hielt es f\u00fcr unzweifelhaft, dass bei 0\u00b0 noch mehr CO-2 ausgeathmet worden w\u00e4re, eine Frage, welche wir sp\u00e4ter ausf\u00fchrlich er\u00f6rtern werden. Unter dieser Annahme ist der Werth von 96 % der producirten W\u00e4rme um so bedeutsamer. Lavoisier hielt sich daher f\u00fcr berechtigt, aus seinen Versuchen zu schliessen, dass im normalen und ruhenden Zustande eines Thiers die von ihm pro-ducirte W\u00e4rme, wenigstens zum allergr\u00f6ssten The il von der Verbindung des eingeathmeten Sauerstoffs mit dem Kohlenstoff des Blutes\nherr\u00fchre.1 2\nSp\u00e4ter wies Lavoisier 2 nach, dass nicht aller eingeathmete\n1\tLavoisier, a. a. O. p. 407.\n2\tDerselbe, Hist, de la soc. royale de m\u00e9d. 1782. p. 569.\n23*","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nSauerstoff in Form von Kohlens\u00e4ure wieder ausgeathmet wird, dass vielmehr das Verh\u00e4ltniss der ausgeathmeten CO2 zum eingeathmeten 0 meist kleiner sei als 1 ; und dass aus dem O-Defieit wahrscheinlich Wasser gebildet sei. Daraus w\u00fcrde sich eine Correction der aus dem Athmungsprocess gebildeten W\u00e4rmeberechnung ergeben, welche die berechnete W\u00e4rme der im Calorimeter gefundenen noch mehr ann\u00e4hern und Lavoisier\u2019s Auffassung derselben noch mehr begr\u00fcnden w\u00fcrde.\nLavoisier\u2019s Nebenbuhler im Gebiet der thierischen W\u00e4rme, Crawford, wandte zuerst ein Wassercalorimeter zur Messung der von Thie-ren producirten W\u00e4rme an.1 Sein Apparat besteht, wie die sp\u00e4ter von Dulong, Despretz u. A. benutzten, aus einem von Wasser umgebenen Raum, in welchem sich das Thier befindet. Das Wasser-gef\u00e4ss ist, um die W\u00e4rmeabgabe nach aussen zu vermindern, mit Flaumfedern umh\u00fcllt. Die Luft in dem Raum, in welchem das Thier athmet, wird nicht, wie bei Lavoisier und den sp\u00e4teren Experimentatoren, fortw\u00e4hrend erneuert, sondern vermindert sich w\u00e4hrend des Versuchs durch die 0-Absorption und wird erst nach Beendigung des Versuchs in ein Eudiometer \u00fcbergef\u00fchrt und dort untersucht.\nCrawford pr\u00fcfte zuerst seinen Apparat, indem er eine Wachskerze in demselben brennen liess ; auch machte er Versuche mit Verbrennung von Holzkohle. Sodann brachte er ein Meerschweinchen in den Apparat und fand in zwei Stunden eine Temperaturerh\u00f6hung des umgebenden Wassers von 1\u00b0 F. Die Athmung desselben Thiers wurde unter einer abgesperrten Glasglocke untersucht. Auch er gibt an, dass neben Kohlens\u00e4ure auch Wasser von dem Thier gebildet wird. Er fand, dass durch das Athmen des Thiers, auf gleiche Mengen ver\u00e4nderter Luft berechnet, weniger W\u00e4rme pro-ducirt wird als durch Verbrennen von Kohle und durch dieses weniger als durch Verbrennen von Wachs. Bei der Ungenauigkeit seiner chemischen Bestimmungen lassen sich irgend welche Schl\u00fcsse aus seinen Versuchen nicht ziehen. Jedoch l\u00e4sst sich gegen seine ziemlich vage Schlussfolgerung, \u201edass die W\u00e4rme in diesen Processen, wo nicht ganz, doch haupts\u00e4chlich von der Verwandlung der reinen Luft in feste (d. h. von 0 in CO2) oder Wasser entsteht\u201c, kaum etwas einwenden.\nVI. Versuche von Dulong und Despretz.\nIm Jahre 1822 stellte die Pariser Academie der Wissenschaften eine Preisaufgabe \u00fcber die Quellen der thierischen W\u00e4rme. Zwei\n1 Crawford, a. a. O. p. 245.","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Versuche von Dulong und Despretz.\n357\nBewerber traten auf. Von diesen erhielt Despretz den Preis, und seine Arbeit erschien im Jahre 1824.1 Dulong liess seine Arbeit ungedruckt und sie wurde erst nach seinem Tode im Jahre 1843 ver\u00f6ffentlicht.1 2\nDas Calorimeter, dessen sich Dulong bediente, ist Fig. 11, S. 312 abgebildet. Die zweckm\u00e4ssige Einrichtung der fortw\u00e4hrenden Zuf\u00fchrung frischer Luft w\u00e4hrend des calorimetrischen Versuchs, wie sie schon Lavoisier getroffen hatte, ist hier beibehalten. Aber die durchstr\u00f6mende Luft wurde gleichzeitig zur Bestimmung der Respi-rationsproducte verwandt. Sie wurde n\u00e4mlich aus einem Gasometer durch den Apparat in ein anderes Gasometer \u00fcbergef\u00fchrt und dann analysirt. So erhielt Dulong folgende Daten:\n1.\t'Menge der zugef\u00fchrten Luft;\n2.\tMenge der \u00fcbriggebliebenen Luft;\n3.\tZusammensetzung der letzteren, verglichen mit der urspr\u00fcnglichen atmosph\u00e4rischen;\n4.\tProducirte W\u00e4rme.\nAus der Vergleichung von 1., 2, und 3. ergibt sich das Verh\u00e4ltnis der exspirirten CO2 zum aufgenommenen 0. Die Differenz wurde als zur Wasserbildung verwandter 0 berechnet. Indem nun Dulong, ebenso wie Lavoisier annahm, dass bei der Bildung von CO2 und HiO im Organismus gerade soviel W\u00e4rme frei werde wie bei der gew\u00f6hnlichen Verbrennung von C und //, und indem er die Zahlen von Lavoisier und Laplace f\u00fcr die Verbrennungsw\u00e4rmen dieser Stoffe benutzte, berechnete er so die W\u00e4rmemenge, welche aus dem Respirationsprocess sich ergeben w\u00fcrde und verglich diese mit der gefundenen W\u00e4rmemenge.\nDer Apparat und das Verfahren von Despretz sind dem Apparat und Verfahren von Dulong so \u00e4hnlich, dass die Besprechung ihrer Ergebnisse zusammengefasst werden kann. Diese lassen sich kurz dahin ausdr\u00fccken, dass beide eine gr\u00f6ssere W\u00e4rmeproduction fanden, als aus den Respirationsproducten berechnet werden konnte. Es ergaben n\u00e4mlich bei Berechnung der W\u00e4rme aus den Respirationsproducten, in Procenten der calorimetrisch gefundenen:\nDie Versuche von Dulong im Minimum 68,8, im Maximum 83,3 \u00b0/o ;\ndie Versuche von Despretz im Minimum 74,0, im Maximum 90,4 \u00b0/o,\n1\tDepretz, Ann. d. chim. et d. phys. (2) XXVI. p. 337. 1824.\n2\tDulong, Ebenda. I. p. 440.1843; Compt. rend. XVIII. p. 327.","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nalso stets ein erhebliches Deficit, viel gr\u00f6sser als das von Lavoisier gefundene.\nYII. Discussion der Versuche von Dulong und Despretz.\nBei der Beurtheilung dieser Versuche von Dulong und von Despretz sind eine Reihe von Versuchs- und von Rechnungsfehlern zu ber\u00fccksichtigen, welche den Versuchen und Berechnungen beider Forscher gemeinsam sind und einen grossen Einfluss auf das Endergebnis haben mussten. Erstens musste die vom Thier ausgeath-mete CO-i zu klein gefunden werden, weil die Ausathmungsluft \u00fcber Wasser aufgefangen und mit demselben im Gasometer ziemlich lange in Ber\u00fchrung gelassen wurde, so dass eine merkliche Menge von CO-i absorbirt werden konnte. Despretz hat diesen Fehler auch selbst eingesehen und beabsichtigte deshalb die Versuche mit einem Quecksilbergasometer zu wiederholen, hat aber diese Absicht niemals zur Ausf\u00fchrung gebracht, Zweitens haben beide Forscher bei der Berechnung derW\u00e4rmeproduction aus den Respirationsproducten die entschieden zu kleine Zahlen f\u00fcr die Verbrennungsw\u00e4rmen des Kohlenstoffs und Wasserstoffs zu Grunde gelegt. Dulong benutzte, wie gesagt, hierzu die Zahlen von Lavoisier und Laplace. In Lavoisier\u2019s Versuch am Meerschweinchen (s. o. S.354) konnte dieser Fehler nicht von so erheblichem Einfluss sein, weil auch die W\u00e4rmeproduction des Meerschweins im Eiscalorimeter bestimmt wurde, also mit denselben Fehlern behaftet war, wie die Bestimmung der Verbrennungsw\u00e4rme, w\u00e4hrend Dulong die Werthe von Lavoisier und Laplace, die auf andere Weise gefunden waren, ohne Weiteres mit den Versuchsergebnissen am Wassercalorimeter verglich. Despretz dagegen verwandte zu seinen Berechnungen, wie es scheint wenigstens theil-weise, Zahlenwerthe, welche er mit denselben oder doch mit ganz \u00e4hnlichen Apparaten erhalten hatte, wie die bei den Thieren benutzten. Aber seine Werthe sind gleichfalls viel kleiner als die sp\u00e4teren genaueren Bestimmungen von Favre und Silbermann. Drittens ist die Annahme, von welcher Dulong und Despretz ebenso wie Lavoisier und Laplace ausgingen, dass die Verbrennungsw\u00e4rmen der organischen Substanzen im Thierk\u00f6rper ohne Weiteres gleich gesetzt werden k\u00f6nnten denen, welche bei Verbrennung der betreffenden Mengen freien Kohlenstoffs und freien Wasserstoffs, nicht stichhaltig. Viertens ist die Berechnung der im Organismus gebildeten Wassermenge eine sehr unsichere; bei der grossen Differenz der Verbrennungsw\u00e4rme von Wasserstoff und Kohlenstoff muss aber die","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduction. Discussion d. Versuche v. Dulong u. Despretz. 359\nBerechnung f\u00fcr gleiche Mengen aufgenommenen Sauerstoffs sehr verschiedene Werthe ergeben, je nachdem man einen gr\u00f6sseren Theil desselben als zur Bildung von CO2 oder zur Bildung von H-iO verwandt in Rechnung setzt. F\u00fcnftens endlich hat jede Rechnung \u00fcber W\u00e4rmebildung nur dann einen Sinn, wenn der dem Versuch unterworfene K\u00f6rper am Ende des Versuchs sich genau in demselben Zustand befindet wie bei Beginn desselben, oder wenn der Unterschied ermittelt und in Rechnung gezogen werden kann. Dies ist aber bei den Versuchen von Dulong und Despretz in zweierlei Richtung nicht sicher festzustellen : a) die Temperatur des Thiers kann sich ge\u00e4ndert haben; in diesem Falle ist die an das Calorimeter abgegebene W\u00e4rme nicht gleich der in der Versuchszeit producirten, sondern gr\u00f6sser oder geringer, je nachdem die Temperatur des Thiers abgenommen oder zugenommen hat; b) die Menge der im Thier enthaltenen Gase (einschliesslich des Wassers) kann sich ge\u00e4ndert haben, so dass aus der Menge der ausgeschiedenen Gase nicht unbedingt auf die in der Versuchszeit gebildeten Verbrennungsproducte geschlossen werden kann. In der That wissen wir nicht, ob ein Thier, welches w\u00e4hrend einer Stunde eine gewisse Menge 0 aufgenommen und eine gewisse Menge CO2 und hhO abgegeben hat, am Ende der Stunde genau soviel 0 und CO2 in seinem Blut und seinen Gewebss\u00e4ften absorbirt enth\u00e4lt als zu Beginn. F\u00fcr l\u00e4ngere Zeitr\u00e4ume freilich (Perioden von 24 Stunden) k\u00f6nnen wir aus der Constanz des Verh\u00e4ltnisses zwischen aufgenommenem 0 und abgegebener CO2 schliessen, dass keine erhebliche Aufspeicherung von 0 oder von CO2 im Thierk\u00f6rper vorkommt. In k\u00fcrzeren Zeitr\u00e4umen kommen aber nachweislich so erhebliche Differenzen vor, dass nicht unbedingt aus den respiratorischen Ausgaben auf die in der gleichen Zeit stattgefundenen Oxydationen geschlossen werden darf.\nVIII. Versuche zur Correction der Ergebnisse von Dulong\nund von Despretz.\nNun haben verschiedene Gelehrte versucht, die Zahlenwerthe der Versuche von Dulong und Despretz einer verbesserten Berechnung zu unterziehen, indem sie einen Theil der angef\u00fchrten Fehlerquellen ber\u00fccksichtigten, und sind auch in der That zu einer besseren Uebereinstimmung zwischen den aus den Respirationsproducten berechneten und den calorimetrisch gefundenen W\u00e4rmemengen gelangt. Solche Umrechnungen sind u. A. von Liebig1, Helmholtz2,\n1 Liebig, Thiercbemie. S. 28 ff. 2 Helmholtz, Artikel : W\u00e4rme im Ency-\nclop. W\u00f6rterb. d. med. Wiss. XXXV. S. 523 ff. Berlin 1846.","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nvon Gavarret1, Ludwig2, Milne Edwards3 4 5, Liebermeister4 vorgenommen worden. Aber jene Correctionen beruhen zum Theil auch wieder auf willk\u00fcrlichen und ungenauen Annahmen, so dass doch nur ein der Wahrheit mehr oder weniger angen\u00e4hertes, kein genaues Resultat herauskommen konnte. Wir wollen die von uns aufgez\u00e4hlten Punkte, welche das Resultat der Rechnung beeinflussen, der Reihe nach durchgehen.\n1. Fehler in der Bestimmung der ausgeschiedenen CO2.\nIch habe schon darauf hingewiesen, dass die ausgeschiedene CO2-Menge bei Dulong sowohl wie bei Despretz zu niedrig bestimmt worden ist. Der Fehler scheint bei letzterem viel gr\u00f6sser ausgefallen zu sein als bei ersterem ; denn der Quotient CO2 : 0 ist bei ihm im Durchschnitt bedeutend geringer als bei jenem. Da nun das CfVDeficit zur Berechnung des gebildeten II2 0 benutzt wurde, so mussten die Werthe f\u00fcr das letztere zu gross ausfallen, was auf die Berechnung der W\u00e4rmeproduction nat\u00fcrlich gleichfalls von Einfluss ist. Besonders die Versuche von Despretz sind in dieser Beziehung mit grossen Fehlern behaftet, wie unter anderem daraus hervorgeht, dass er aus denselben enorme Stickstoffausscheidungen durch die Thiere herausrechnet, so grosse, dass, wie Liebig bemerkt, daraus eine Stickstoffausgabe durch die Lungen (ganz abgesehen von den \u00fcbrigen Excretionen) sich ergeben w\u00fcrde, welche in wenigen Tagen mehr N aus dem K\u00f6rper fortf\u00fchren w\u00fcrde, als das Thier im ganzen K\u00f6rper enth\u00e4lt. Auch war in seinen Versuchen die Ventilation des Raums, in welchem die Thiere sich befanden, entschieden nicht ausreichend genug, da der O-Gehalt der durchgeleiteten Luft zuweilen auf 2/z\u2014V2 des normalen fiel. Ob nun daraus, wie Helmholtz 5 auf Grund von Beobachtungen Legallois\u20196 schliesst, eine verminderte W\u00e4rmeproduction folgt, verm\u00f6gen wir nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Aus Legallois\u2019 Beobachtungen folgt allerdings, dass die Temperatur von Hunden, welche in geschlossenen Gelassen athmen, sinkt.\n2. Berechnung der producirten Wanne aus den gefundenen\nRespiraiionsproducten.\nLavoisier hatte sich vorgestellt, dass in den Lungen eine Kohlenwasserstoffverbindung verbrenne. Dulong und Despretz legten\n1\tGay arr\u00eat, De la chaleur produite parles \u00eatres vivants, p. 219. 1855.\n2\tLudwig, Lehrb. d. Physiol. 2. Aufl. II. S. 739. 1861.\n3\tEdwards, Le\u00e7ons sur la physiol. VIII. p. 23 ff. 1863.\n4\tLiebermeister, Pathologie u. Therapie des Fiebers. S. 135. 1875.\n5\tHelmholtz a. a. O. S. 551.\t6 Legallois, Meckel\u2019s Arch. III. S. 436.","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduct. Correction d. Ergebnisse v. Dulong u. v. Despeetz. 361\nihren Berechnungen die Voraussetzung zu Grunde, dass die organischen Verbindungen bei ihrer Verbrennung im K\u00f6rper soviel W\u00e4rme lieferten, als ob ihr Kohlenstoff und ihr Wasserstoff im freien Zustande verbrenne, abz\u00fcglich desjenigen Antheils Wasserstoff, welcher schon mit dem in den Substanzen enthaltenen Sauerstoff verbunden sei. Diese Voraussetzungen sind, wie wir sehen werden, falsch. Ausserdem aber haben beide Forscher, wie wir schon gesehen haben, falsche Zahlen f\u00fcr die Verbrennungsw\u00e4rmen zu Grunde gelegt, n\u00e4mlich Dulong die Zahlen von Lavoisier und Laplace, d. h. f\u00fcr den Kohlenstoff 7226, f\u00fcr den Wasserstoff 23400, Despretz 7914,7 bezw. 23951. Indem nun Gavarret1 daf\u00fcr die genaueren Bestimmungen der Verbrennungsw\u00e4rmen von Favre und Silbermann2 einsetzte, n\u00e4mlich .\nf\u00fcr den Kohlenstoff 8080\nf\u00fcr den Wasserstoff 34462\nhat er die Zahlenwerthe von Dulong und Despretz, d. h. die berechnete W\u00e4rmemenge in Procenten der gefundenen, unter Festhaltung der \u00fcbrigen Voraussetzungen umgerechnet und in den folgenden Tabellen zusammengestellt :\nVersuche von Dulong:\nBezeichnung des Thiers\t\tBerechnet von Dulong\tBerechnet v. Gavarret\n1)\tKatze, 2 Monat alt\t\t72,9\t90,9\n2)\t9 55\t\u2014\t55\t55\t\t\t68,8\t85,5\n3)\t9 55\t\u00b0\t\u00bb\t55\t\t\t71,5\t87,0\n4)\t\u00bb\t4\t\u00bb\t\t\t75,8\t93,6\n5)\t\u00bb\to\t\u00ab\t\u00bb\t\t\t73,6\t90,8\n6)\tHund, 45 Tage alt\t\t72,8\t89,8\nD\t\u00bb J0 <\u2022 \u201e \t\t80,2\t99,4\n8)\t\u00ab 60 \u201e \u201e \t\t79,2\t97,8\n11)\tMeerschweinchen, alt\t\t69,4\t79,2\n12)\t55\t55\t\t\t74,9\t85,3\n13)\t\u00bb\t\u00bb\tjung \t\t80,0\t95,0\n14)\tKaninchen, 4 Monat alt\t\t75,5\t86,2\n15)\t9 55\t\u2014\t55\t55\t\t\t83,3\t96,4\n9)\tThurmfalke\t\t71,5\t89,5\n10)\t55\t\t\t78,9\t98,8\n16)\tTaube \t\t74,5\t86,0\n\tMittel :\t75,2\t90,6\n1\tGavarret, a. a. 0. p. 221.\n2\tFavre u. Silbermann, Ann. d. chim. et d. phys. (3) XXXIV. p. 357.","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nVersuche von Despretz.\nBezeichnung des Thiers\tBerechnung v. Despretz\tBerechnung v. Gavarret\n1) Weibliches Kaninchen, mehrere Jahre alt .\t90,4\t101,8\n2) Dasselbe Thier\t\t85,8\t96,8\n3) 6 Kaninchen. 15 Tage alt\t\t82,1\t94,1\n4) M\u00e4nnliches Kaninchen\t\t86,7\t96,5\n5) 3 m\u00e4nnliche erwachsene Meerschweinchen\t88,8\t99,2\n6) 3 weibliche\t\u201e\t88,9\t99,2\n7) H\u00fcndin. 5 Jahre alt\t\t80.8\t93,8\n8)\t..\t7 \u2014 8 Monate alt\t\t74,1\t86,3\n9) 2 Hunde von 4\u20145 Wochen\t\t74,5\t87,4\n10) Kater, \u00fcber 2 Jahre alt\t\t80,6\t92.3\n11) 3 erwachsene Tauber\t\t78,8\t88,5\n12) Erwachsene Ente\t\t79,2\t90,0\n13) Erwachsener Hahn\t\t79,7\t89,8\n14) Ohreule aus Virginien\t\t77.0\t91.5\n15) 4 Eulen\t\t74,6\t84,2\n16) 4 Elstern, mit Fleisch gef\u00fcttert\t\t/ o^4\t84,7\nMittel : |\t81,1\t92,3\n3. W\u00e4rme\u00e4quivalent der producirlen CO-i und des Ih 0.\nAuch diese verbesserte Berechnung von G-avarret geht von der nachweislich falschen Voraussetzung aus, dass die Warmeproduction im Organismus dieselbe sei, als ob die entsprechenden Mengen von freiem C und freiem H verbrannt werden. Um eine genauere Berechnung durchzuf\u00fchren, m\u00fcssten wir aber genau wissen, welche chemische Verbindungen zur Bildung der COi und des HiO gedient h\u00e4tten, und von jeder dieser Verbindungen die Verbrennungsw\u00e4rme genau kennen. Eine solche Berechnung f\u00fcr die Versuche von Dulong und Despretz nachtr\u00e4glich durchzuf\u00fchren, ist nicht m\u00f6glich, da die zu derselben n\u00f6thigen Daten nicht vollst\u00e4ndig bekannt sind. Ueber \u00e4hnliche Berechnungen f\u00fcr die W\u00e4rmeproduction des Menschen wird sp\u00e4ter berichtet werden.\n4. Berechnung des gebildeten Ih 0.\nUeber die Unsicherheit dieses Werthes ist schon gesprochen worden. Anhaltspunkte zur Elimination des dadurch bedingten Fehlers sind nicht in gen\u00fcgender Weise vorhanden.\n\u00f6. Aenderungen im Zustande des Thiers.\nA) Abk\u00fchlung des Thiers.\nIn den Versuchen von Dulong hatte das Calorimeterwasser immer eine der Zimmerluft sehr nahe Temperatur; bei Despretz war","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduct. Correction d. Ergebnisse v. Dulong u. v. Despretz. 363\ndasselbe k\u00e4lter, 7\u201412\u00b0. Es ist ganz unzweifelhaft, dass dabei die Thiere sich merklich abgek\u00fchlt haben. Auch das Weidengeflecht, welches die Thiere vor der unmittelbaren Ber\u00fchrung mit der Kupferwand des Calorimeters sch\u00fctzte, konnte die Abk\u00fchlung nicht verhindern. Es ist daher anzunehmen, dass alle Zahlen von Dulong und Despretz nicht genau die in der Versuchszeit gebildete W\u00e4rmemenge'angeben, sondern einen etwas gr\u00f6sseren Werth, n\u00e4mlich die gebildete W\u00e4rmemenge + der vom Thier verlorenen. Die Gr\u00f6sse des hierdurch bedingten Fehlers l\u00e4sst sich nicht berechnen. Nur soviel l\u00e4sst sich sagen, dass der Fehler bei den gr\u00f6sseren und \u00e4lteren Thieren verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleiner gewesen sein wird als bei den kleineren und jungen. Wenn trotzdem die Zahlen ein solches Ver-h\u00e4ltniss nicht erkennen lassen, so w\u00fcrde dies beweisen, dass die \u00fcbrigen Fehlerquellen den hier besprochenen Factor verdecken.\nB) Aenderung im Gasgehalt der Thiere.\nDass eine solche in den Versuchen von Despretz stattgefunden habe, ist fast als gewiss anzuzehen; bei den Versuchen von Dulong ist sie gewiss nur in engen Grenzen vorhanden gewesen, oder hat vielleicht ganz gefehlt. Es l\u00e4sst sich dar\u00fcber nichts Bestimmtes aus-sagen, weil wir eben nur wissen, dass innerhalb kurzer Zeitr\u00e4ume (die Versuchsdauer bei Dulong bewegte sich zwischen 1 und 2 Stunden ungef\u00e4hr) die 0-Aufnahme und CCb-Abgabe nicht immer parallel geht. Es kann daher CO2 ausgegeben worden sein, welche schon vor Beginn des Versuchs fertig im Organismus gebildet war oder es konnte w\u00e4hrend der Versuchsdauer gebildete CO2 im Organismus aufgespeichert werden und alles dies musste Schwankungen in dem Verh\u00e4ltniss der respiratorischen Ausgaben und der aus ihnen berechneten W\u00e4rmemengen zu den im Calorimeter gemessenen hervorbringen, welche sich jeder Contr\u00f4le entziehen. Bei Despretz hat h\u00f6chstwahrscheinlich wegen der schon erw\u00e4hnten unzureichenden Ventilation eine Anreicherung des Thiers mit CO2 stattgefunden, indem bei der Zunahme der dWSpannung in der umgebenden Luft ein Theil der gebildeten CO2 nicht zur Ausscheidung gelangte, w\u00e4hrend die Abnahme der O-Spannung bekanntlich weniger Einfluss auf 0-Aufnahme hat. Das so k\u00fcnstlich herbeigef\u00fchrte CO-2-Deficit zog dann eine zu hohe Berechnung der LGO-Bildung nach sich, und diese beiden Fehler compensirten sich theilweise aber nat\u00fcrlich nicht vollkommen, da der Verbrennungswerth des II der gr\u00f6ssere ist.\nFasst man alles zusammen, so ergibt sich also, dass die Versuche von Dulong und von Despretz (ebenso wie die von Lavoi-","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nSier) nur den Schluss gestatten, dass jedenfalls der gr\u00f6sste Theil der im Huer gebildeten W\u00e4rme auf den in den respiratorischen Ausscheidungen ausgedr\u00fcckten Oxydationen beruht, dass aber eine genaue numerische Berechnung derselben aus jenen Versuchen unm\u00f6glich ist.\nIX. Andere calorimetrische Versuche an Thieren.\nNeuere calorimetrische Versuche an Thieren haben Senator L, Klebs und Sapalski'2 angestellt. Die Versuche der letzteren beziehen sich auf fiebernde Thiere und wurden mit einem Luftcalori-meter angestellt, welches zuverl\u00e4ssige Werthe nicht zu liefern vermochte. Senator benutzte ein Wassercalorimeter, das im Wesentlichen dem DuLONG\u2019schen gleich war. Aber er f\u00fcllte dasselbe, um die Abk\u00fchlung der Thiere zu vermeiden, mit erw\u00e4rmtem Wasser (26,5\u201429\u00b0), mit Ausnahme einer Versuchsreihe, in welcher die Wirkung der Abk\u00fchlung untersucht werden sollte. (Auf diese kommen wir sp\u00e4ter zur\u00fcck). Die Ventilation des Raums, in welchem sich das Thier befand, wurde durch Aspiration bewirkt; die eintretende Luft wurde durch Kalilauge ihrer CO-i beraubt, in der durchgesogenen, im Aspirator aufgefangenen Luft nach Pettenkofer\u2019s Methode der CCb-Gehalt bestimmt. Bei Berechnung der producirten W\u00e4rme wurde neben der Erw\u00e4rmung des Calorimeters noch die Erw\u00e4rmung der durchgesogenen Luft gleichfalls ber\u00fccksichtigt ; ebenso der durch Vorversuche bestimmte W\u00e4rmeverlust des Calorimeters.\nIch gebe zun\u00e4chst eine Zusammenstellung aller von Senator mitgetheilten Versuche:\n1. Beobachtungen an n\u00fcchternen Hunden.\nDie Hunde wurden nur einmal t\u00e4glich mit einer f\u00fcr jedes Thier stets gleichbleibenden Nahrung gef\u00fcttert und der Versuch in der 20. bis 26. Stunde nach der F\u00fctterung angestellt.\nBezeichnung des Thiers\tIn 1 Stunde pro-ducirte W\u00e4rme\tIn 1 Stunde aus-geathmete CO2\nH\u00fcndin A\t\t13,95 Ca\t3,209 grm\nW\t95\t\t\t12,28 \u201e\t3,512\t\u201e\n55\t5?\t\t12,08 \u201e\t3,731\t\u201e\n\u00bb\t59\t\t11,52 \u201e\t3,31\t\u201e\n\u00bb \t\t\t13,32 \u201e\t3,614 \u201e\nHund B\t\t15,67 \u201e\t4,03\t\u201e\n95\t95\t\t\t17,32 \u201e\t4,78\t\u201e\n\u201e c\t\t16,36 \u201e\t3.04\t\u201e\n55\t55\t\t\t15,14 \u201e\t3,16\t\u201e 3,263\t\u201e\n59\t59\t\t\t19,14 \u201e\t\n1 Senator, Centralbl. f. d. med.Wiss. 1871. Ko. 47 u. 48; Arch. f. Anat. u. Phys. 1872. S. 1 u. 1874. S. 18.\t2 Sapalski, W\u00fcrzburger Verhandl. III. S. 142. 1872.","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduct. Correction d. Ergebnisse y. Dulong u. y. Despretz. 365\n2. Beobachtungen an hungernden Hunden.\nUngef\u00e4hr 44\u201450 Stunden nach der letzten F\u00fctterung.\nBezeichnung des Thiers\tIn 1 Stunde pro-ducirte W\u00e4rme\tln 1 Stunde aus-geathmete COi\nH\u00fcndin A\t\t10,307 Ca\t6,075 grm\n\u00bb \t\t\t11,49\t..\t3,352\t\u201e\nHund C\t\t15,287 \u201e\t3,01\n3. Beobachtungen w\u00e4hrend der Y erdauung.\nDie F\u00fctterung erfolgte etwa 1 Stunde cor Beginn des Versuchs.\nBezeichnung des Thiers\tIn 1 Stunde pro-ducirte W\u00e4rme\tIn 1 Stunde aus-geathmete CO2\nH\u00fcndin A\t\t20,79 Ca\t5,174 grm\nHund B\t\t16,9e1 ,.\t4,851\t\u201e\n\t19,39\t4,837\nHund C\t\t21,96\t3,846\t\u201e\nZusammenstellung der Mittelzahlen.\nBezeichnung des Thiers\tIn 1 Stunde producer te W\u00e4rme\tln 1 Stunde aus-geathmete CO2\nH\u00fcndin A., n\u00fcchtern\t \u201e\t\u201e hungernd\t \u201e\t\u201e in Verdauung .... Hund B.,\tn\u00fcchtern\t \u201e\t\u201e\thungernd\t \u201e\tverdauend\t \u201e\tC.,\tn\u00fcchtern\t \u201e\t\u201e\thungernd\t \u201e\t\u201e verdauend \t\t12,63 Ca 10,9 18,8752 \u201e 16,5\t\u201e 19,39\t\u201d 16,88 \u201e 15,287 \u201e 21,96\t\u201e\t3,455 grm 3,183\t\u201e 5,013\t\u201e 4,405\t\u201e 4,837\t\u201e 3,154\t\u201e 3,01 3,846\t\u201e\nAus diesen Versuchen ergibt sich: 1. Dass kein constantes Ver-h\u00e4ltniss zwischen CCk-Ausscheidung und W\u00e4rmeproduction besteht ; 2. dass im Hungerzustand weniger W\u00e4rme producirt und weniger CO-i ausgeathmet wird; 3. dass in der Verdauung W\u00e4rmeproduction und CO2-Abgabe zunehmen, erstere in st\u00e4rkerem Verk\u00e4ltniss als letztere.\nIn einer anderen Versuchsreihe mit n\u00fcchternen Hunden und 2 bis 4st\u00fcndiger Dauer des Versuchs fand Senator:\n1\tDas Thier hatte sich hei diesem Versuch um 0\u00b0,5 erw\u00e4rmt, was noch etwa\n2 Ca entspricht.\n2\tBei Ber\u00fccksichtigung der Erw\u00e4rmung des Thiers ergibt sich als Mittel fast 21 Ca.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen Wanne.\nBezeichnung des Thiers\tIn der 1. Stunde producirte W\u00e4rme\tIn der 2. Stunde producirte W\u00e4rme\tIn der 3. Stunde producirte W\u00e4rme\tIn der 4. Stunde producirte W\u00e4rme\nHund D. . .\t.\t11,94\t11,03 Ca\t\t\n\u00bb \u201e\t11,29\t12,19 \u201e\t\u2014\t\u2014\nv\t99\t12,63\t12,26 \u201e\t11,54\t11,92\n11\t11\t13,06\t12,07 \u201e\t\u2014\t\u2014\n11 11\t13,12\t11,34 \u201e\t\u2014\t\u2014\n\u00ab \u201e . . .\t11,44\t10,62 \u201e\t\u2014\t\u2014\n9\t11\t13,76\t12,83 ,.\t\u2014\t\u2014\n11\t13,37\t12,85 ..\t\u2014\t\u2014\n\u201e E. . . .\t19.90\t23,08 \u201e\t24.241\t\u2014\n11 *\t23,16\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n\u201e F. . . .\t16,70\t16,89 ,.\t16,98\t\u2014\n11\t91\t16,71\t16,27 ..\t15,19\t\u2014\nDie CO2-Production ist nur bei einem Theil der Versuche angegeben. Ausserdem hat Senator noch an einem anderen Orte2 Versuche an normalen hungernden Hunden mitgetheilt.\nEine Zusammenstellung aller dieser Versuche ergibt: Es producirte\n1.\tH\u00fcndin A., Gewicht 5350 \u2014 5450 gnn, in 5 Versuchen zwischen 11,52 und 13,95 Ca per Stunde,\nauf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht\n2.\tHund B., Gewicht 6080\u20146100 grm, in 2 Versuchen 15,67 und 17,32 Ca per Stunde, auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht\n3.\tHund C., Gewicht 7 500\u20147 550 grm, in 3 Versuchen 15,14 bis 19,14 Ca per Stunde, auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht\n4.\tHund D., Gewicht 4160\u20144325 grm, in 9 Versuchen 10,62 bis 13,76 Ca per Stunde, auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht\n5.\tHund E., Gewicht 10460\u20141 1140 grm, in 3 Versuchen 19,90 bis 26,68 Ca per Stunde, auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht\n6.\tHund F., Gewicht 5579 \u2014 57 90 grm, in 4 Versuchen 14,88 bis 17,27 Ca per Stunde, auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht\n2,34\tCa.\n2,71\tCa.\n2,24\tCa.\n2,88\tCa.\n2,18\tCa.\n2,85\tCa.\nDas Mittel aus allen diesen Versuchen ergibt also f\u00fcr 1 Kilo K\u00f6rpergewicht des erwachsenen n\u00fcchternen Hundes in der Stunde eine W\u00e4rmeproduction von 2,53 Ca. Dabei ist zu bemerken, dass die Versuche alle in der w\u00e4rmeren Jahreszeit und am Tage angestellt wurden. Eine Multiplication mit 24, um die Tagesproduction zu berechnen, w\u00fcrde nicht ohne Weiteres statthaft sein, weil keine Gew\u00e4hr f\u00fcr Constanz der Production vorhanden ist. Dass die Verdauung die Production vermehrt, ist schon angegeben worden. In\n1\tDie Bestimmung wurde nur f\u00fcr die 5. halbe Stunde gemacht; ich habe die Zahl verdoppelt, was jedenfalls keinen erheblichen Fehler ausmacht.\n2\tSenator, Untersuchungen \u00fcber den fieberhaften Process und seine Behandlung. S. 30 ff. Berlin 1873.","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduction. Calorimetrische Versuche an Menschen. 367\neinem Versuch fand z. B. Senator in der 6. Stunde der Verdauung eine Zunahme von 23,28 Ca (im n\u00fcchternen Zustand) auf 35,43 Ca.\nAus den Zahlenangaben Dulong\u2019s hat Helmholtz 1 die W\u00e4rmeproduction f\u00fcr 1 Stunde und die Gewichtseinheit berechnet. Ich greife aus diesen Zahlen die f\u00fcr die Hunde heraus, um sie mit denen von Senator zu vergleichen. Es producirten\nein Hund\tvon\t45\tTagen,\tGewicht\t1040\tgrm,\tpro\tKilo\t7,31\tCa\n\u201e\tn\tn\t56\t\u201e\t\u201e\t1150\u201e\t\u201e\t\u201e\t6,11\u201e\nn\tn\t\u00ab60\t\u201e\tn\t1 3 0 2\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t5,90\t\u201e\nAlso\tim\tMittel\tbeim\tMittelgewicht\t1164\tgrm,\tpro\tKilo\t6,44\tCa\nDagegen die erwachsenen Hunde von Senator\nim Mittel bei einem Mittelgewicht von 6650 grm 2,53 Ca\nNun .sind, wie wir gesehen haben, die Zahlen von Dulong wahrscheinlich zu gross, weil die Thiere sich stark abk\u00fchlten. Aber selbst wenn wir daf\u00fcr einen erheblichen Abzug machen, bleibt noch eine sehr bedeutende Differenz, welche auf den Altersunterschied und Gr\u00f6ssenunterschied zur\u00fcckzuf\u00fchren ist. Kleine und junge Thiere produciren relativ mehr W\u00e4rme als grosse und ausgewachsene.\nWas die Jahreszeit anlangt, so fand Senator im October bei gleicher K\u00f6rperw\u00e4rme des Thiers und ungef\u00e4hr gleicher Temperatur des Calorimeters eine bedeutend geringere W\u00e4rmeproduction als im August.\nX. Calorimetrische Versuche an Menschen.\nDirecte Bestimmungen der W\u00e4rmeproduction beim Menschen haben Scharling1 2, Vogel3 und Hirn4 nach fast ganz derselben Methode unternommen. Diese Methode ist zwar, wie Liebermeister meint, von \u201ewahrhaft genialer Einfachheit\u201c, sie gibt aber leider sehr ungenaue Resultate, so dass die mit ihr gewonnenen Ergebnisse nur sehr geringen Werth beanspruchen k\u00f6nnen. Sie besteht darin, dass der Mensch in einem engen Kasten, welcher in einem auf m\u00f6glichst constanter Temperatur gehaltenen Zimmer steht, verweilt, und dass aus der Differenz der Zimmertemperatur und der Temperatur im Kasten auf die W\u00e4rmeproduction geschlossen wird.\nSei t die Temperatur des Zimmers und zugleich die Anfangs-\n1\tHelmholtz, a. a. O. S. 553.\n2\tScharling, Journ. f. pract. Chemie. XLVIII. S. 435. 1849.\n3\tVogel, Arch. d. Ver. f. wiss. Heilk. 1864. S. 442.\n4\tHirn, Recherches sur l\u2019\u00e9quivalent m\u00e9canique de la chaleur. Colmar 1858; Exposition analytique et exp\u00e9rimentale de la th\u00e9orie m\u00e9canique de la chaleur. 3. \u00e9d. I. p. 27 sq. Paris 1875.","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\ntemperatur des Kastens. Bringt man eine W\u00e4rmequelle in den Kasten, welche in der Stunde nCa producirt, so w\u00fcrde, wenn der Kasten aus absolut w\u00e4rmedichten W\u00e4nden best\u00e4nde, die Temperatur der Luft im Kasten am Ende der Stunde sein\nworin m das Gewicht der im Kasten enthaltenen Luft und s ihre specifische W\u00e4rme bedeutet. Da aber der Kasten in der That von dem Moment an, wo die Temperatur steigt, W\u00e4rme nach aussen verliert, so wird seine Temperatur geringer bleiben; sie steige beispielsweise auf V und bleibe constant auf derselben. Dann ist, da man den W\u00e4rmeverlust nach dem sogenannten NEWTON\u2019schen Gesetz als proportional der Temperaturdifferenz setzen kann\na \u25a0 (tn \u2014 t) = tw,\nworin a den Abk\u00fchlungsco\u00ebfficienten des Kastens f\u00fcr die Temperaturdifferenz tn\u2014t und 77i die w\u00e4hrend der beobachteten Zeit pro-ducirte W\u00e4rmemenge bedeutet. Den Abk\u00fchlungsco\u00ebfficienten muss man empirisch bestimmen. Scharling und Vogel thaten dies, indem sie ein geschlossenes, mit warmem Wasser gef\u00fclltes Metall-gef\u00e4ss in den Kasten brachten und dessen W\u00e4rmeverlust mit der Temperaturzunahme des Kastens verglichen ; Hirn Hess zu demselben Zwecke Wasserstoff in dem Kasten verbrennen und fand, dass wirklich die erreichte constante Temperaturdifferenz den aus der Verbrennung berechneten W\u00e4rmemengen ann\u00e4hernd proportional war. Die Zeit der beginnenden Temperatursteigerung muss bei dieser Art der Beobachtung ausser Rechnung bleiben.\nAbgesehen von anderen Ungenauigkeiten des Verfahrens ist bei demselben noch vorausgesetzt, dass der Mensch selbst w\u00e4hrend der ganzen Versuchsdauer sich nicht ge\u00e4ndert habe. Nehmen wir aber an, dass die Temperatur desselben steigt, was in einem so engen Raum, wenn die Luft im Kasten sich erh\u00f6ht, nicht unwahrscheinlich ist, so w\u00fcrden f\u00fcr jeden Zehntelgrad Steigerung der Eigenw\u00e4rme ungef\u00e4hr 6 Ca unberechnet bleiben. Dazu kommt dann noch die Wasserverdunstung auf der K\u00f6rperoberfl\u00e4che, der Verlust durch Luftstr\u00f6mungen, welcher bei nicht absolut luftdichtem Verschluss des Kastens unvermeidlich ist, und andere Versuchsfehler. Aus allem dem geht hervor, dass diese Versuche nur sehr approximative Werthe liefern k\u00f6nnen.\nScharling berechnet die W\u00e4rmeproduction eines erwachsenen Mannes zu 132 Ca in 1 Stunde. Er suchte auch zu bestimmen,","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduction. Calorimetrische Versuche an Menschen. 3G9\nwelcher Antheil der W\u00e4rmeproduction auf die Lungenausd\u00fcnstung allein komme, indem ein Mann in dem Kasten sitzend, durch eine Oeffnung nach aussen athmete, oder, aussen sitzend, in denselben hinein athmete. Nach diesen Versuchen kamen 14\u201420% der Ge-sammtproduction auf die Lungenathmung. Vogel berechnet die W\u00e4rmeproduction eines Menschen von 70 Kilogramm Gewicht auf 100 Ca pro Stunde.\nHirn stellte seine Versuche zu dem Zwecke an, um zu beweisen, dass ein Mensch, welcher Arbeit leistet, um eine der geleisteten Arbeit entsprechende Menge weniger W\u00e4rme producirt, als derselbe Mensch bei gleichem Sauerstoff verbrauch in der Ruhe liefern w\u00fcrde. Zu diesem Zwecke bestimmte er zun\u00e4chst, wie viel W\u00e4rme ein ruhender Mensch auf jedes Gramm von ihm absorbirten Sauerstoffs producirte. Er fand so das \u201eW\u00e4rme\u00e4quivalent des Sauerstoffs\u201c f\u00fcr den ruhenden Menschen = 5,22 Ca. Liess er Ren Menschen w\u00e4hrend des calorimetrischen Versuchs arbeiten, so fand er, dass die abgegebene W\u00e4rmemenge Qo kleiner war als der aus der absorbirten Sauerstoffmenge 7t berechnete Werth vr-5,22. Umgekehrt war Qo > 5,22 7t, wenn der Mensch eine negative Arbeit leistete, d. h. wenn er auf dem Tretrad1 abw\u00e4rts ging. Clausius2 und Ludwig3 haben die mannigfachen Fehlerquellen der HiRN\u2019schen Versuche ausf\u00fchrlich er\u00f6rtert.\nUngef\u00e4hre Berechnungen der W\u00e4rmeproduction durch die Erw\u00e4rmung des Wassers bei einem Bade k\u00f6nnen nat\u00fcrlich, obgleich der Vorgang die meiste Aehnlichkeit hat mit der eigentlichen Calori-metrie, wie sie bei anorganischen Processen angewandt werden, nur ungenaue Werthe geben, wegen der grossen, gar nicht zu vermeidenden Fehlerquellen. Dasselbe gilt auch von der partiellen Calori-metrie, welche Leyden4 in die experimentelle Technik eingef\u00fchrt hat. Ein Unterschenkel wird in einen weiten Kupfercylinder eingef\u00fchrt, welcher durch einen Kautschukring luftdicht abgeschlossen wird. Er liegt im Innern des Cylinders auf Gurten, so dass er die Wand des Cylinders nicht ber\u00fchrt. Der Cylinder ist von einem weiteren Cylinder umgeben und der Zwischenraum mit Wasser gef\u00fcllt. Aus der Erw\u00e4rmung des letzteren wird die W\u00e4rmeabgabe des\n1\tDie Arbeit bestand darin, dass der Mensch auf einem mit constanter Geschwindigkeit bewegten Tretrad laufen musste ; die Arbeit wurde durch die Hebung des K\u00f6rpergewichts bei jedem Schritt berechnet.\n2\tClausius, Fortschr. d. Physik, dargestellt v. d. physik. Gesellsch. zu Berlin 1855. S. 25. (Bericht \u00fcber die von Hirn zur Preisbewerbung eingereichte Arbeit.)\n3\tLudwig, Lehrb. d. Physiol. 2. Aufl. IL S. 741.\n4\tLeyden, Deutsch. Arch. f. klin. Med. V. S. 273. 1869.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IVa.\n24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nUnterschenkels wie bei jedem Calorimeter berechnet und durch eine weitere Rechnung kann man auf die Gesammtproduction des ganzen K\u00f6rpers schliessen. Die Rechnung enth\u00e4lt allerdings mehrere nicht genau zu ermittelnde Factoren. Aber wenn es nur auf Vergleichung gewisser Zust\u00e4nde ankommt (z. B. des Fiebers mit fieberfreien Zeiten) ist diese Methode immerhin mit Vorth eil zu benutzen. Die von Leyden f\u00fcr den ganzen K\u00f6rper und f\u00fcr 24 Stunden berechnete W\u00e4rmeproduction des gesunden Menschen betr\u00e4gt 2376000 ca, was mit der von Helmholtz aus ganz anderen Elementen berechneten Zahl von 2732472 ca leidlich genug stimmt.\nXI. Berechnung der W\u00e4rmeproduction.\nBei dem Mangel experimenteller Bestimmungen hat man versucht, die W\u00e4rmeproduction auf Grund anderer besser gekannter Daten zu berechnen. Helmholtz1 hat eine solche Rechnung ausgef\u00fchrt. Nach den Angaben von Scharling scheidet ein Mann von 82 Kilogramm K\u00f6rpergewicht in 24 Stunden aus 878,9 grm UO2, welche enthalten 239,7 grm C\\ also in 1 Stunde 36,6 COi und 9,98 C. Diese geben nach Lavoisier 72115 Ca. Rechnet man dazu nach Valentin auf je 1 Theil CO2 noch 0,1243 Theile O, die zur Wasserbildung verbraucht werden und sich mit 0,0155 Theilen Wasserstoff verbinden, so gibt dies 0,5673 II, welche 13275 ca liefern. Die Gesammtproduction w\u00fcrde also == 85390 ca sein. Doch setzt Helmholtz, entsprechend den Erfahrungen von Dulong, die wirklich pro-ducirte W\u00e4rme um 1/3 h\u00f6her an. Dies gibt f\u00fcr 82000 grm und 1 Stunde 113853 ca, also f\u00fcr 1 Kilo 1,4 Ca, d. h. der Mensch pro-ducirt in jeder Stunde so viel W\u00e4rme, um sein gleiches Gewicht Wasser um 1 \u00b0,4 zu erw\u00e4rmen.\nUm zu berechnen, wie hoch die Erw\u00e4rmung des K\u00f6rpers selbst sein w\u00fcrde, m\u00fcsste man die Zahl 1,4 durch den Werth f\u00fcr die spe-cifische W\u00e4rme des K\u00f6rpers dividiren. Da alle Gewebe des K\u00f6rpers sehr reich an Wasser sind, so muss dieser Werth nahezu gleich 1 sein. Experimentelle Bestimmungen \u00fcber die specifischen W\u00e4rmen thierischer Gewebe existiren von Crawford u. A., neuere von J. Rosenthal-. Letzterer fand f\u00fcr\ncompacten Knochen .\t...\t0,3\nspongi\u00f6sen Knochen .\t...\t0,71\nFettgewebe\t\t.\t.\t.\t0,712\nquergestreiften Muskel .\t.\t.\t.\t0,825\ndefibrinirtes Blut .\t.\t.\t.\t.\t.\t0,927\n1\tHelmholtz, a. a. O. S. 355.\n2\tJ. Rosenthal, Arch. f. Physiol. 1878. S. 215.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die W\u00e4rmeproduction. Berechnung der W\u00e4rmeproduction. 3 /1\nAls mittleren Werth f\u00fcr den Gesammtk\u00f6rper nimmt Lieb\u00e9r-meister 1 0,83 an, was auch gewiss ann\u00e4hernd richtig sein wird.\nAehnliche Berechnungen sind seitdem noch mehrfach und zum Theil mit Zugrundelegung genauerer Zahlen, als sie Helmholtz damals (1846) zur Verf\u00fcgung standen, ausgef\u00fchrt worden. Setzt man, wie dies z. B. Ludwig2 mit den Berechnungen von Barral gethan hat, statt der Zahlen von Lavoisier die h\u00f6heren von Favre und Silbermann f\u00fcr die Verbrennungsw\u00e4rmen des Kohlenstoffs und Wasserstoffs ein, so erh\u00e4lt man nat\u00fcrlich ein h\u00f6heres Schlussergebniss. Aber, wie wir schon gesehen haben, ist die Grundlage aller dieser Berechnungen, welche nur den Kohlenstoff und den sogenannten \u201ew\u00e4rmenden\u201c Wasserstoff (d. h. den Ueberschuss des Wasserstoffs der Ingesta \u00fcber ihren Sauerstoffgehalt) in Kechnung zieht und sie als freien C oder freien H behandelt, anfechtbar. Um eine vollst\u00e4ndige Rechnung durchzuf\u00fchren, m\u00fcsste man den wahren W\u00e4rmeeffect kennen, den jeder in dem K\u00f6rper verbrannte Atomencomplex (sei er nun als Nahrungsmittel eingef\u00fchrt oder Gewebsbestandtheil) bei der Umsetzung, welche er im Organismus erf\u00e4hrt, hervorzubringen im Stande ist. Wenn z. B. eine gewisse Menge CO-2 aus-geathmet ist, so kann es nicht gleich sein, ob diese durch Oxydation von Fett oder Eiweiss oder Zucker u. s. w. entstanden ist. Und die Ber\u00fccksichtigung des gleichzeitig absorbirten 0 und Berechnung des gebildeten Wassers kann diesen Fehler nicht beseitigen.\nAusserdem ist auch hier darauf hinzuweisen, dass kurzdauernde Respirationsversuche (von 1 Stunde oder noch geringerer Dauer) mit so vielen ganz zuf\u00e4lligen Schwankungen behaftet sind, dass die aus ihnen berechneten Werthe f\u00fcr die W\u00e4rmeproduction, wegen der enormen Vermehrung der bei der Multiplication unterlaufenden Fehler, ganz unsicher werden. Anders steht es mit den auf l\u00e4ngere Zeitr\u00e4ume sich erstreckenden Versuchen mit dem PETTENKOFER\u2019schen Respirationsapparat. Versuchsreihen wie die von Joh. Ranke z. B., wo Athmung und Ern\u00e4hrung f\u00fcr die Dauer von Tagen genau beobachtet sind, geben sichere Unterlagen f\u00fcr die Berechnung, deren zweckm\u00e4ssige Verwerthung im Stande ist, wirklich brauchbare Resultate zu liefern.\nXII. Verbrennungsw\u00e4rine der N\u00e4hrstoffe.\nDie zuverl\u00e4ssigsten Angaben \u00fcber die Verbrennungsw\u00e4rmen organischer Substanzen sind diejenigen von Favre und Silber-\n1 Liebermeister, a. a. O. S. 147.\t2 Ludwig, Lehrbuch. IL S. 745.\n3 Arch. f. Anat. u. Physiol. 1862. S. 311.","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nmann.1 Leider finden sich darunter nur wenige \u00fcber solche Stoffe, wie sie im Organismus verbrennen, weshalb ich hier nur einige Beispiele anf\u00fchre:\nVerbrennungsw\u00e4rmen nach Favre und Silbermann.\n1\tKilogramm\tWasserstoff .\t. gibt 34462 Ca\n1\tn\tKohlenstoff .\tn\t8080\t\u201e\n1\tn\tKohlenoxyd .\t.\t\u201e\t2403 \u201e\n1\t\tGrubengas .\t\u201e\t13063 \u201e\n1\tn\tAethylalkohol .\t.\t\u201e\t7183,6 \u201e\n1\tn\tWachs\t.\t\u201e\t10496 \u201e\n1\tn\tEssigs\u00e4ure .\t.\t\u201e\t3505 \u201e\n1\tr>\tButters\u00e4ure .\t\u201e\t5647\t\u201e\n1\tr>\tStearins\u00e4ure\t9717 \u201e\nDiese Zahlen haben besondere Bedeutung dadurch, dass sie die von Lavoisier, Dulong, Despretz u. A. ihren Berechnungen zu Grunde gelegte Hypothese widerlegen. F\u00fcr den Alkohol w\u00fcrde sich z. B. ergeben, wenn man die Verbrennungsw\u00e4rme nach jener Hypothese berechnet, dass nur der Kohlenstoff in Betracht kommt. Nach der procentischen Zusammensetzung enth\u00e4lt Alkohol 52,18% Kohlenstoff. Dieser m\u00fcsste also geben rund 17250 W\u00e4rmeeinheiten. Von den 13,04% Wasserstoff des Alkohols sind % also 8,7% \u201everbrennbar\u201c; diese w\u00fcrden geben 299S W\u00e4rmeinheiten. Also zusammen rund 20250 W\u00e4rmeeinheiten, w\u00e4hrend der Versuch nur etwas \u00fcber 7000 ergibt.\nDie L\u00fccke, welche die Bestimmungen von Favre und Silbermann lassen, hat Hermann2 durch eine theoretische Untersuchung \u00fcber die Berechnung der Verbrennungsw\u00e4rmen organischer Verbindungen auszuf\u00fcllen versucht. Unter gewissen einfachen Voraussetzungen leitet er Formeln ab, welche gestatten, die Verbrennungsw\u00e4rmen aus den Constitutionsformeln der Verbindungen abzuleiten. Von Stoffen, welche im Thierk\u00f6rper Vorkommen und darin unter Umst\u00e4nden oxydirt werden k\u00f6nnen, f\u00fchre ich einige nebst den von Hermann berechneten Verbrennungsw\u00e4rmen3 an:\nGlycols\u00e4ure........2211\tHarnstoff\t.\t.\t.\t.\t2200\nFleischmilchs\u00e4ure\t.\t3500\tGlycocoll\t.\t.\t.\t.\t2887\nGew. Milchs\u00e4ure . .\t3413\tSarcosin........ 4487\nPalmitin........... 8883\tLeucin..........6141\nStearin............ 9036\tKreatin.........4118\nOlein . ........... 8958\n1\tFavre u. Silbermann, Ann. d. chim. et d. phys. (3) XXXIV. p. 357.\n2\tHermann, Ber. d. Deutsch, chem. Ges. 1868. S. 18 u. 84.\n3\tDie Zahlen von Hermann geben nicht die totale, sondern nur intramole-culare Verbrennungsw\u00e4rme.","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap. Die Eigenw\u00e4rme. Verbrennungsw\u00e4rme der N\u00e4hrstoffe.\n373\nDirecte Bestimmungen der Verbrennungsw\u00e4rmen solcher Stoffe, wie sie genossen werden, hat Frankl\u00e4nd 1 ausgef\u00fchrt. Er fand bei Verbrennung in 0:\nRindfleisch, mit Aether entfettet\t\t\u2022 .\t5103\tCa\nAlbumin (bei 100\u00b0\tgetrocknet)\t\t4998\tn\nRinderfett \u201e\t\u201e\tV)\t\t9069\tn\nHippurs\u00e4ure \u201e\tn\t\t5383\tT)\nHarns\u00e4ure \u201e\t\u201e\tr>\t\t2615\tV)\nHarnstoff \u201e\t\u201e\tn\t\t2206\tT)\nButter ....\t. natiirl. Zustand\t\t7264\t\u00ab\nArrowroot .\t\u2022\tn\tn\t3912\tn\nKartoffeln .\t\u2022\tn\tn\t1013\tn\nWeizenmehl .\t\u2022\tT)\tr>\t3936\tV)\nReis\t\t*\tn\t3813\tn\nHartgesottenes Ei\t\u2022\tn\t\t2383\t\u00ab\nMilch ....\t\u2022 \u00bb\tn\t662\t??\nRohrzucker\t\u2022\tn\t\t3348\t\nK\u00e4ufl. Traubenzucker\t\u201e\t\tn\t3277\tn\nBier (Ale) .\t\u2022\tV)\t775\tn\nUm die W\u00e4rmewirkung der Nahrungsstoffe im Organismus zu ermitteln, nimmt Frankland an, dass die W\u00e4rmewirkung, deren die Endproducte noch f\u00e4hig w\u00e4ren, in Abzug zu bringen sei. Fiir Ei-weiss ergibt sich danach, da rund Vs seines Gewichts als Harnstoff auftritt :\n1 grm Eiweiss gibt .\t.\t4998 Ca\ndavon ab [k Harnstoff .\t7 35 \u201e\nbleibt wirklicher Effect 4263 Ca\nBerechnet man danach die Normaldi\u00e4t eines Menschen nach Ranke, so ergibt sich als W\u00e4rmewirkung aller umgesetzten Nahrung f\u00fcr 24 Stunden:\n100\tgrm\tEiweiss .\t.\t.\t426,300\tCa\n100\t\u201e\tFett ....\t906,900\t\u201e\n240\t\u201e\tSt\u00e4rke .\t.\t.\t938,880\t\u201e\nSumme 2272,080 Ca\noder in runder Zahl 2272 Calorien, welche ungef\u00e4hr einer Arbeitsleistung von rund 1 Million Kilogrammmeter entsprechen.\nDieser Werth ist aber so zu sagen nur der Bruttowerth der W\u00e4rme-production. Ein grosser Theil der Nahrung wird in den K\u00f6rper mit niederer Temperatur eingef\u00fchrt, ebenso alle inspirirte Luft; dagegen verl\u00e4sst alles, was aus dem K\u00f6rper kommt, diesen mit der Temperatur von 38\u00b0 etwa. Zu dieser Erw\u00e4rmung und zu der fortw\u00e4hrend auf Haut- und Lungenoberfl\u00e4che stattfindenden Verdunstung\n3 Frankland, Philos. Mag. XXXII. p. 182.1866.","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nwird fortw\u00e4hrend W\u00e4rme verbraucht. Leistet der K\u00f6rper \u00e4ussere Arbeit, so geht auch darin ein Theil der producirten W\u00e4rme fort, w\u00e4hrend alle innere Arbeit, Blutbewegung u. s. w., wieder in W\u00e4rme zur\u00fcckverwandelt wird. Was nun an producirter W\u00e4rme nicht auf diese Weise latent wird, muss den K\u00f6rper erw\u00e4rmen oder, wenn seine Temperatur constant bleibt, in Form von Strahlung oder Leitung den K\u00f6rper verlassen. Nur dieser Theil w\u00fcrde calorimetrisch nachweisbar sein.\nIn einfacherer Weise aber kann man, wo es nur auf Vergleichungen ankommt, die CO2-Ausscheidung oder die Sauerstoffaufnahme als ungef\u00e4hres Maass der W\u00e4rmeproduction benutzen. Liebermeister1 hat als W\u00e4rme\u00e4quivalent der ersteren 3,2, als W\u00e4rme\u00e4quivalent des letzteren 3,53 berechnet. Die von Hirn f\u00fcr den letzteren Werth gefundene Zahl von 5,22 ist jedenfalls falsch. Um die f\u00fcr CO-i von Liebermeister berechnete Zahl zu pr\u00fcfen, habe ich die Mittelzahlen von Senator\u2019s erster Versuchsreihe nach ihr berechnet. In runden Zahlen ergibt sich:\nBezeichnung des Thiers\tbeobachtete j berechnete W \u00e4rmeproduction\t\nH\u00fcndin A., n\u00fcchtern\t12,6\t11,2\n,, hungernd\t10,9\t10,24\n,.\t,. in Verdauung\t18,9\t16,0\nHund B., n\u00fcchtern . . .\t16,5\t14,1\n\u201e in Verdauung.\t19,4\t15,4\n\u201e\tC-, n\u00fcchtern. . . .\t16,9\t10,24\n,.\t,. hungernd . . .\t15,3\t9,6\n,,\t,. in Verdauung.\t22,0\t12,2\nDie Differenzen sind, wie man sieht, besonders bei den verdauenden Hunden sehr gross. Es best\u00e4tigt dies nur unseren Satz, dass \u00fcberhaupt auf Grund kurzdauernder Beobachtungen \u00fcber den Stoffwechsel sichere Rechnungen nicht angestellt werden k\u00f6nnen.\nFassen wir alles zusammen, so ergibt sich, dass ein ganz unzweifelhafter zahlenm\u00e4ssiger Beweis f\u00fcr die Uebereinstimmung zwischen Stoffwechsel und W\u00e4rmeproduction bis jetzt nicht erbracht worden ist. Dies liegt zum Theil an der Unsicherheit der calorimetrischen Bestimmungen \u00fcberhaupt, besonders aber an den Schwankungen in der Einnahme und Ausgabe der Respirationsproducte, welche nicht gestatten aus den in kurzen Zeitr\u00e4umen gemessenen Wertken zu schliessen, dass diese auch gerade in derselben Zeit gebildet wor-\n1 Liebermeister, a. a. O. S. 163 11. S. 168.","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"3. Cap.. Die W\u00e4rmeproduction. Yerbrennungsw\u00e4rme der N\u00e4hrstoffe.\t375\nden sein. Doch ist trotzdem die Uebereinstimmung immerhin bedeutend genug, um die Behauptung zu rechtfertigen, dass jedenfalls der aller gr\u00f6sste Theil der im Organismus producirlen W\u00e4rme aus der Oxydation seiner Bestandtheile bezw. der Bohrung stammt.\nAndere Quellen der W\u00e4rmezufuhr f\u00fcr den warmbl\u00fctigen Organismus aber sind nicht nachweisbar, oder wirken doch nur in geringem Grade. Die Aufnahme warmer Speisen und Getr\u00e4nke kann unter Umst\u00e4nden geringe W\u00e4rmemengen zuf\u00fchren. Aus der vom K\u00f6rper geleisteten Arbeit wird zwar immer ein grosser Theil in W\u00e4rme umgesetzt, aber da diese indirect auch aus dem Stoffwechsel stammt, so kann sie den Ueberschuss der gefundenen W\u00e4rmeabgabe \u00fcber die aus letzterem berechnete nicht erkl\u00e4ren. Der von Hirn untersuchte Fall negativer Arbeitsleistung kommt oft genug vor, z. B. beim Hinabsteigen von einer Anh\u00f6he. In diesem Falle muss ein entsprechender Antheil W\u00e4rme frei werden, ebenso wie bei positiver Arbeit ein entsprechender Antheil W\u00e4rme fehlen m\u00fcsste. Es bleibt nur \u00fcbrig anzunehmen dass der Organismus zu gewissen Zeiten weniger CO2 abgibt, als zu anderen, so dass der Durchschnitt geringer ist als der berechnete. Dies ist nachweislich w\u00e4hrend des Schlafes der Fall. K\u00f6nnte man die W\u00e4rmeproduction w\u00e4hrend eines Zeitraumes von 24 Stunden ununterbrochen genau messen, so w\u00fcrde wohl eine genauere Uebereinstimmung zu erzielen sein.\nVIERTES CAPITEL.\nW\u00e4rmeabgabe und Temperaturtopographie.\nI. W\u00e4rme Verluste.\nDer im vorigen Capitel betrachteten W\u00e4rmeproduction stehen die W\u00e4rmeverluste an die Umgebung gegen\u00fcber. Nur wenn beide stets einander gleich sind, kann die Eigenw\u00e4rme constant bleiben. Wir haben daher zu untersuchen, auf welchen Wegen die W\u00e4rmeabgabe an die Umgebung stattfindet und wie gross diese W\u00e4rmeverluste sind.\nW\u00e4rmeverlust, d. h. Abk\u00fchlung des Thierk\u00f6rpers muss nat\u00fcrlich stattfinden, indem ein grosser Theil der in den K\u00f6rper aufgenommenen Stoffe, der Athmungsluft und der Speisen, in der Regel niedriger temperirt sind als der K\u00f6rper, w\u00e4hrend alle Egesta mit","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376\nRosenthal. Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nK\u00f6rperw\u00e4rme denselben verlassen. Zweitens muss Abk\u00fchlung\u2019 stattfinden durch die Verdunstung von Wasser an der Oberfl\u00e4che der Lunge und der Haut. Drittens endlich durch Abgabe von W\u00e4rme an der Hautoberfl\u00e4che durch Leitung und Strahlung, so lange der Thierk\u00f6rper w\u00e4rmer ist als seine Umgebung.\nDas letztere ist beim Warmbl\u00fcter in der Regel der Fall. Denn wenn man ihn in sehr warme Umgebung bringt, so steigt, wie wir gesehen haben, seine Temperatur auch und erhebt sich \u00fcber die der Umgebung. Nur wenn die Verdunstung eine sehr betr\u00e4chtliche ist, kann der Unterschied zwischen Thierw\u00e4rme und Umgebungsw\u00e4rme negativ werden. Dieser Fall tritt etwas h\u00e4ufiger auf bei solchen kaltbl\u00fctigen Thieren, welche von ihrer feuchten Oberfl\u00e4che eine lebhafte Verdunstung unterhalten k\u00f6nnen. Wo die Verdunstung gar nicht mitwirken kann, beim Aufenthalt der Thiere in Wasser, steigt die K\u00f6rperw\u00e4rme unter sonst gleichen Umst\u00e4nden h\u00f6her und erreicht leicht eine H\u00f6he, welche das Leben gef\u00e4hrdet.\nUeber diesen Punkt hat W. Edwards1 eine grosse Anzahl von Versuchen an Fr\u00f6schen, Kr\u00f6ten und Fischen angestellt. Fr\u00f6sche leben unter Wasser um so l\u00e4nger, je niedriger die Temperatur ist. Zwar enth\u00e4lt das kalte Wasser etwas mehr Sauerstoff, aber dieser geringe Unterschied erkl\u00e4rt das Resultat nicht. Dies r\u00fchrt vielmehr davon her, dass der Stoffwechsel um so energischer ist, je h\u00f6her die Temperatur und darum der vorr\u00e4thige Sauerstoff schneller verzehrt wird. Im Herbst und Winter leben Fr\u00f6sche bei gleicher Temperatur des Wassers l\u00e4nger als im Sommer, weil ihr Stoffwechsel geringer ist. Kr\u00f6ten verhalten sich gerade so wie Fr\u00f6sche. Fische sterben in luftleerem Wasser und in lufthaltigem, aber von der Luft abgeschlossenem, ebenfalls um so schneller, je h\u00f6her die Temperatur ist. In lufthaltigem Wasser leben sie um so l\u00e4nger, je gr\u00f6sser die Wassermasse ist. Alle diese Unterschiede verschwinden aber, sobald die Temperatur des Wassers 40\u00b0 betr\u00e4gt. Denn hier wirkt, da Verdunstung ausgeschlossen ist, die Erw\u00e4rmung als solche schnell t\u00f6dtlich.\nVon den drei Factoren der Abk\u00fchlung sind der zweite und der dritte f\u00fcr die in der Luft lebenden Thiere die wirksamsten und diejenigen, welche den betr\u00e4chtlichsten Schwankungen unterliegen. Um \u00fcber die Wirkung des ersten Factors eine ungef\u00e4hre Vorstellung zu gewinnen, wollen wir annehmen, ein erwachsener Mensch von 60 Kilo Gewicht nehme in 24 Stunden auf 1500 grm Wasser und 1500 grm\n1) W. F. Edwards, De l\u2019influence des agens physiques sur la vie. p. 25 ff. Paris\n1642.","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"4. Cap. W\u00e4rmeabgabe und Temperaturtopographie. W\u00e4rmeverluste. 377\nfeste Nahrung von einer mittleren Temperatur von 15\u00b0 und athme ein 16000 grm Luft von derselben Temperatur, w\u00e4hrend alle Ausgaben eine Temperatur von 38\u00b0 haben. Es m\u00fcssen also erw\u00e4rmt werden :\n1500 grm Wasser. .\t.\t. um 23\u00b0, wozu noting sind 35500 ca\n1500\t\u201e feste Nahrung1 \u201e\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t28400 \u201e\n16000\t\u201e Luft\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t98000 \u201e\nSumma 161900 ca\nDies ist ziemlich genau 6 % der gesammten, von einem Menschen in 24 Stunden producirten W\u00e4rmemenge, so dass also 94 \u00b0/o derselben durch die beiden anderen Factoren abgegeben werden m\u00fcssen.\nWas die Wasserverdunstung anlangt, so l\u00e4sst sich die an der Lungenoberfl\u00e4che ziemlich genau berechnen. Zu diesem Behuf wollen wir annehmen, die eingeathmete Luft enthalte im Durchschnitt die H\u00e4lfte des zu ihrer S\u00e4ttigung n\u00f6thigen Wasserdampfs und komme ganz ges\u00e4ttigt heraus. Es w\u00fcrden dann rund 400 grm Wasser t\u00e4glich von der Oberfl\u00e4che der Lunge verdunsten. Dazu w\u00fcrden n\u00f6thig sein rund 225000 ca oder nicht ganz 9% der 24st\u00fcndigen W\u00e4rme-production.\nRechnet man den W\u00e4rmeverlust durch die Wasserverdunstung von der Lunge und den durch Erw\u00e4rmung der Ingesta zusammen, so w\u00fcrden auf diesen beiden Wiegen also 15% der W\u00e4rmeproduetion verloren gehen, und es blieben f\u00fcr die Wasserverdunstung von der Haut und f\u00fcr Leitung und Strahlung von der Haut noch 85%.\nDiese Rechnung weicht etwas ab von einer \u00e4hnlichen von Helmholtz2 angestellten, welcher folgende Zahlenwerthe angibt:\nf\u00fcr Erw\u00e4rmung der Speisen .\t.\t. weniger als 2,6 %\n\u00bb\t\u00ab\t\u00bb Athmungsluft\t\u201e\t\u201e\t5,2 \u201e\n\u201e Lungenverdunstung\t\u201e\t\u201e 14,7 \u201e\nSumma weniger als 22,5 %\nalso f\u00fcr Hautverdunstung, Leitung und Strahlung zusammen mehr als 77,5%; doch sind die Abweichungen, welche ich angebracht habe, nur geringf\u00fcgig. Sie beruhen darauf, dass ich die speciflsche W\u00e4rme der festen Speisen nur zu 0,8 angesetzt und die Wasserverdunstung von der Lungenoberfl\u00e4che geringer angesetzt habe als Helmholtz. Die Gesammtw\u00e4rmeproduction habe ich, in Uebereinstim-mung mit Helmholtz, zu 2700 Ca angenommen. Nimmt man statt dieser Zahl die von uns aus Ranke\u2019s Ern\u00e4hrung berechnete gerin-\n1\tDie specifische W\u00e4rme der festen Nahrung mit rund 75% Wassergehalt habe ich zu 0,8 angesetzt.\n2\tHelmholtz, a. a. O. S. 562.","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378\nRosenthal. Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\ngere Zahl yon rund 2300 Ca, so w\u00fcrden wir bezw. 17 und 83% f\u00fcr die betreffenden W\u00e4rmeverluste anzusetzen haben.\nAuch die Berechnung von Vierordt1 hat im Wesentlichen zu einem gleichen Resultat gef\u00fchrt. Er setzt die Gesammtw\u00e4rmepro-duction zu 2500 Ca an und berechnet:\nf\u00fcr die Erw\u00e4rmung der festen und\nfl\u00fcssigen Ausscheidungen .\t.\t.\t47,5\tCa\t1,8 %\nf\u00fcr Erw\u00e4rmung der Athmungsluft.\t84,5\t\u201e\t3,5 \u201e\nf\u00fcr Wasserverdunstung in der Lunge\t192,06\t\u201e\t7,2 \u201e\nSumma 324,06 Ca 12,5%\nDagegen kann ich die Berechnungen von Barral2 nicht als zutreffend anerkennen. Um nur eins anzuf\u00fchren, berechnet Barral getrennt den W\u00e4rmeverlust durch Erw\u00e4rmung der Nahrungsmittel und durch Entleerung der Excremente. Durch letztere wird aber dem K\u00f6rper keine W\u00e4rme entzogen. Wenn ich von einer Menge warmen Wassers einen Theil fortgiesse, wird der Rest nicht k\u00e4lter. Wenn ich aber zu warmem Wasser kaltes zufliessen lasse und nur soviel abfliesst, dass die Menge stets dieselbe bleibt, so bedarf ich, um die Temperatur constant zu erhalten, stets soviel W\u00e4rmezufuhr als zur Erw\u00e4rmung des zugef\u00fcgten n\u00f6thig ist. Der W\u00e4rmeverlust durch die Entleerung von Harn und Koth ist also nur ein Theil des schon bei der Aufnahme der betreffenden Stoffe in Gestalt von Nahrungsmitteln in Rechnung gezogenen, aber es fehlt an jedem Anhalt zur Berechnung, wieviel von diesem W\u00e4rmeverlust auf den in den Excrementen entleerten Gewichtstheil kommt. Und da er die Wasserverdunstung von der Haut und die von der Lunge zusammenfasst, so ist eine Vergleichung erschwert.\nII. W\u00e4rme Verlust durch die Haut.\nDer haupts\u00e4chlichste Factor des W\u00e4rmeverlustes, der durch die Haut, welcher nach unserer Rechnung etwa 85 % des Gesammtver-lustes betr\u00e4gt, entzieht sich einer Zergliederung in seine beiden Unterabtheilungen \u2014 Verdunstung und Strahlung und Leitung, weil das Verh\u00e4ltniss beider zu einander und der nummerische Werth jeder dieser Abtheilungen ausserordentlich wechselt. Was die Ausdunstung anlangt, so kann man wohl einen Mittelwerth f\u00fcr dieselbe angeben und danach den W\u00e4rmeverlust ausrechnen. So z. B. nimmt Vier-\n1\tVieroedt , Physiologie des Athmens. S. 226 ff. ; Grundriss der Physiologie. 2. Aufl. S. 213.\n2\tBarral, Statique chimique des animaux, p. 245 sq. Paris 1850.","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"4. Cap. W\u00e4rmeabgabe u. Temperaturtopographie. W\u00e4rmeverlust durch d. Haut. 379\nordt 660 grm f\u00fcr die Hautverdunstung an und berechnet daraus einen W\u00e4rmeverlust von 384,120 Ca oder 14,5 % des Gesammtver-lustes. Aber die Wasser Verdunstung von der Haut wechselt ungemein, je nach der Temperatur und dem Feuchtigkeitsgehalt der Atmosph\u00e4re und der Geschwindigkeit ihrer Bewegung, sowie nach dem Feuchtigkeitszustand der Haut. Dieselben Einfl\u00fcsse \u00e4ndern aber auch die W\u00e4rmeabgabe durch Leitung und Strahlung von der Haut. Es erscheint daher unthunlich, nummerisch zwischen beiden zu trennen. Ich begn\u00fcge mich vielmehr, nur im allgemeinen die Bedingungen zu er\u00f6rtern, welche von Einfluss auf die W\u00e4rmeverluste durch die Haut sind.\nDa bei den Warmbl\u00fctern die Eigenw\u00e4rme nur sehr wenig schwankt,, so muss der W\u00e4rmeverlust durch Verdunstung, wenn die Haut nass, d. h. ganz mit Wasser bedeckt ist, abh\u00e4ngen von der Temperatur der Haut, der Temperatur der Luft und dem Feuchtigkeitsgehalt der Atmosph\u00e4re. Dieser Zustand ganz nasser Haut kommt aber nur ausnahmsweise vor. Da die Epidermis hygroskopisch ist, so wird die der Haut anliegende Luftschicht nur so lange Wasserdampf aufnehmen k\u00f6nnen, bis die Spannung der Wasserd\u00e4mpfe in der Luft gleich ist der Spannung der ges\u00e4ttigten Luft f\u00fcr die gegebene Temperatur minus der Anziehung der Epidermis f\u00fcr die Wasserd\u00e4mpfe. Befindet sich der Organimus in einem abgegrenzten Luftraum, so wird die Verdunstung so lange fortdauern, bis die ge-sammte Luft die diesem Zustand entsprechende Menge von Wasserdampf aufgenommen hat. Im Freien kann dieser Zustand niemals vollkommen eintreten, ausser wenn die Luft ganz bis zu dem be-zeichneten Grade mit Wasserdampf ges\u00e4ttigt ist. Wenn aber die Luft bewegt ist, dann werden die mit der Haut in Ber\u00fchrung stehenden Luftschichten, welche Wasserdampf von der Haut aufgenommen haben, fortw\u00e4hrend entfernt und durch andere ersetzt, welche weiter von der S\u00e4ttigung entfernt sind, und die Verdunstung muss eine bedeutend lebhaftere sein.\nBei den mit Pelz oder Federn bedeckten Thieren ist die in unmittelbarer Ber\u00fchrung mit der Haut stehende Luftschicht immer als fast vollkommen ruhend anzusehen und die Verdunstung daher eine auffallend geringe. Denselben Einfluss haben beim Menschen die Kleider, welche eine Luftschicht zwischen sich und der Haut abgrenzen, um so vollkommener, je dichter sie sind. Vollkommen wasserdichte Bedeckung durch Guttapercha, Kautschuk und \u00e4hnliche Stoffe kann daher die Wasserverdunstung ganz aufheben und damit eine der Hauptquellen der Abk\u00fchlung. Die nasse Haut der nackten","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen -W\u00e4rme.\nAmphibien hingegen wird der Verdunstung den weitesten Raum gestatten, und diese wird um so st\u00e4rker werden, je w\u00e4rmer die Luft ist und je schneller sie bewegt wird. So kann es also nicht auffallen, dass diese Thiere unter den benannten Umst\u00e4nden sehr bedeutende Mengen von Wasser durch Verdunstung verlieren und sich betr\u00e4chtlich unter die Temperatur der umgebenden Luft abk\u00fchlen k\u00f6nnen.1\nDie Abk\u00fchlung durch Strahlung von der Haut muss im Allgemeinen der Temperaturdifferenz zwischen der Haut und der Umgebung proportional sein. Da die Temperatur der Umgebung zwischen sehr weiten Grenzen wechseln kann und die Temperatur der Haut, wie wir sehen werden, auch wechselt, so ist eine einfache Beziehung zwischen Aussentemperatur und W\u00e4rmeverlust nicht vorhanden. Dasselbe gilt denn auch in gleicher Weise f\u00fcr den W\u00e4rmeverlust durch Leitung. Aber hier kommt noch die Beschaffenheit des leitenden Mediums in Betracht. Ist dieses Luft, deren Leitungsf\u00e4higkeit eine geringe und deren specifische W\u00e4rme gleichfalls gering ist, so wird die unmittelbar der Haut anliegende Luftschicht bald soweit erw\u00e4rmt werden, dass die W\u00e4rmeverluste auf ein Minimum heruntersinken. Aber die erw\u00e4rmte Luft wird leichter, und wenn sie nicht durch Kleider, Pelz, Federn u. dgl. in ihrer Beweglichkeit beschr\u00e4nkt ist, dann steigt sie in die H\u00f6he, wird durch andere ersetzt und der W\u00e4rmeverlust beginnt von neuem. Ist aber die Luft bewegt, dann ist die W\u00e4rmeentziehung durch Leitung proportional dem Temperaturunterschied zwischen ihr und der Haut und der Geschwindigkeit ihrer Bewegung. Bei ruhender Luft verlieren wir daher selbst bei sehr niederen Temperaturen weniger W\u00e4rme als bei m\u00e4ssiger K\u00e4lte aber starkem Wind, oder bei schneller passiver Bewegung in der Luft, wie wir aus eigener Erfahrung wissen, und wie die Erfahrungen der Nordpolfahrer beweisen. Anders beim Aufenthalt im Wasser. Dieses leitet besser und hat eine fast viermal gr\u00f6ssere specifische W\u00e4rme. Bei gleicher Temperatur entzieht es daher dem Organismus viel mehr W\u00e4rme. Darum finden wir unbekleidet den Aufenthalt in ruhender Luft behaglich, wenn dieselbe etwa 20\u201425\u00b0 hat (im bekleideten Zustand bei 16\u201420\u00b0), in ruhendem Wasser aber verlangen wir etwa 30\u00b0 und in bewegtem Wasser noch etwas mehr, um nicht das Gef\u00fchl der vermehrten Abk\u00fchlung zu haben.\n1 Ueber die Wasserverdunstung der nackten Amphibien hat W. F. Edwards Versuche angestellt: De l\u2019influence des agens physicpies sur la vie. S. 84 ff.","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"4. Cap. W\u00e4rmeabgabe u. Temperaturtopographie. Temperaturunterschiede. 381\nIII. Temperaturunterschiede an verschiedenen K\u00f6rperstellen.\nWenn nun aus alle dem hervorgellt, dass der allergr\u00f6sste Tlieil des W\u00e4rme Verlustes an der Hautoberfl\u00e4che stattfindet, w\u00e4hrend doch die W\u00e4rmebildung im Inneren des Organismus vor sich geht, so folgt daraus, dass nicht an allen Stellen des K\u00f6rpers gleiche Temperatur herrschen kann, und dies wird gleichfalls durch die Erfahrung best\u00e4tigt. Zun\u00e4chst ist selbstverst\u00e4ndlich, dass in der Hegel die Oberfl\u00e4che die niederste Temperatur haben muss, und dass es nur wenige Ausnahmen von dieser Regel geben kann. W\u00e4re das Thier eine Kugel von gleichf\u00f6rmiger Beschaffenheit, und w\u00e4re die W\u00e4rmepro-duction auf einen einzigen Ort, im Mittelpunkte der Kugel, beschr\u00e4nkt, so m\u00fcsste dieser Mittelpunkt die h\u00f6chste Temperatur im K\u00f6rper haben, und diese m\u00fcsste, gleichen W\u00e4rmeverlust auf allen Seiten vorausgesetzt, vom Mittelpunkte aus nach allen Seiten gleichm\u00e4ssig abnehmen, so dass die geometrischen Orte gleicher Temperaturen con-centrische Kugelschalen w\u00e4ren. Ein in der Richtung eines Radius sich verschiebendes Thermometer w\u00fcrde von der Oberfl\u00e4che nach der Mitte zu immer h\u00f6here Temperaturen zeigen, und um die mittlere Temperatur der Kugel zu bestimmen, m\u00fcssten wir das Thermometer in einer gewissen Tiefe unter der Oberfl\u00e4che anbringen. Jede Aende-rung der Gesammtw\u00e4rme, sei sie Folge ver\u00e4nderter Production oder ver\u00e4nderter Abgabe, k\u00f6nnte, nach wiederhergestelltem Gleichgewichtszustand, durch eine einzige Messung an diesem Punkte bestimmt werden.\nVon diesem einfachsten Schema weicht der Thierk\u00f6rper zun\u00e4chst in drei Richtungen ab. Erstlich ist seine Gestalt und das Leitungsverm\u00f6gen der Gewebe unregelm\u00e4ssig, so dass die Abk\u00fchlung nicht nach allen Richtungen gleichm\u00e4ssig sein kann. Zweitens ist in ihm die W\u00e4rmeerzeugung nicht auf einen Punkt beschr\u00e4nkt, sondern geschieht an den verschiedensten Orten und wahrscheinlich mit verschiedener und wechselnder Intensit\u00e4t. Drittens endlich wird durch die Circulation des Blutes eine theilweise Ausgleichung der verschiedenen Temperaturen verschiedener K\u00f6rperstellen bewirkt, so dass diese nicht blos durch Leitung erfolgt. Durch diese Umst\u00e4nde wird bewirkt, dass der Einfluss der Abk\u00fchlung von der Oberfl\u00e4che her sich nur in eine verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringe Tiefe erstreckt, n\u00e4mlich so weit, als die durch die W\u00e4rmeabgabe bedingte Abk\u00fchlung st\u00e4rker ist, als die ausgleichende Wirkung der Blutcirculation. Zweitens muss in Folge dessen ein innerer Kern von verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig grosser Ausdehnung ziemlich gleichm\u00e4ssige Temperatur haben, abgesehen von geringen Schwankungen, welche bedingt sind von der ungleichen","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382\tRosenthal. Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nW\u00e4rmeerzeugung an verschiedenen Orten, welche die Circulation nicht vollkommen auszugleichen vermag, da die Unterschiede hier immer wieder von neuem erzeugt werden, so z. B. die h\u00f6here W\u00e4rme des Blutes in der V. cava inferior u. dgl. Endlich drittens muss sich zwischen diesem inneren, gleichm\u00e4ssig warmen Kern und der \u00e4usseren kalten Rindenschicht eine Zwischenzone befinden, in welcher die allm\u00e4hlichen Ueberg\u00e4nge von der h\u00f6heren Temperatur des Kernes zu der niederen Temperatur der Rinde zu finden sind. F\u00fchrt man daher ein Thermometer von Aussen nach Innen in radialer Richtung, so muss dasselbe allm\u00e4hlich immer h\u00f6here Temperaturen zeigen, bis es in den inneren Kern gelangt, wo dann seine Tempe-turangaben constant werden. Diesen Versuch k\u00f6nnen wir ausf\u00fchren am Rectum, welches einen radial ins Innere des K\u00f6rpers f\u00fchrenden Kanal vorstellt. (Von der Kr\u00fcmmung des S romanum sehen wir ab, da sich dieses bei vorsichtiger Einf\u00fchrung des Thermometers gerade streckt und ein sehr tiefes Einf\u00fchren desselben erm\u00f6glicht). Alle anderen zur Messung beim Menschen benutzten K\u00f6rperstellen, Mundh\u00f6hle, Scheide, Achselh\u00f6hle, liegen der K\u00f6rperoberfl\u00e4che n\u00e4her; sie geh\u00f6ren zu der Zwischenschicht und geben eine Temperatur an, welche geringer ist als die des Kernes. Am oberfl\u00e4chlichsten von ihnen liegt die Achselh\u00f6hle. Sie ist besonders nach vorn und hinten hin dem Einfl\u00fcsse der Oberfl\u00e4chenabk\u00fchlung sehr stark ausgesetzt. Ihre Temperatur ist deshalb nicht nur die niedrigste von allen gew\u00f6hnlich zur Messung benutzten Orten, sondern sie ist auch mehr als die anderen allerlei Schwankungen ausgesetzt.\nVon den geringen Unterschieden der Temperaturen an diesen beim Menschen meistbenutzten Applicationsstellen war schon (S. 320) die Rede. Messungen an anderen Stellen wurden meistens zu besonderen Zwecken ausgef\u00fchrt: im \u00e4usseren Geh\u00f6rgang, in der Schenkelbeuge, in der Harnr\u00f6hre, an verschiedenen Stellen der- Haut, im Oesophagus, Magen, im Unterhautbindegewebe, in den Muskeln, zwischen den Fusszehen, in der Hohlhand, in verschiedenen Gef\u00e4ssen, in Wunden u. s. w. Einige dieser Stellen sind nur bei Vivisectionen an Thieren oder nur unter ganz besonderen Umst\u00e4nden am Menschen zug\u00e4nglich.\nIV. Temperaturen an peripheren K\u00f6rpertheilen.\nDer \u00e4ussere Geh\u00f6rgang ist bei Menschen und Thieren f\u00fcr feine Thermometer zug\u00e4nglich. Die nothwendige Voraussetzung der vollst\u00e4ndigen Umh\u00fcllung des Thermometergef\u00e4sses ist nur ann\u00e4hernd","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"4. Cap. W\u00e4rmeabgabe u. Temperaturtopographie. Temp, periph. K\u00f6rpertbeile. 383\nzu erreichen. Bei Kaninchen wird sie verbessert dadurch, dass man die Ohrl\u00f6ffel um den hervorragenden Theil des Thermometers wickelt. Wegen der oberfl\u00e4chlichen Lage des Geh\u00f6rgangs ist seine Temperatur erheblich niedriger als die der tiefgelegenen Theile und bedeutenden Schwankungen unterworfen. Von Bedeutung ist sie nur f\u00fcr die Vergleichung der beiden Ohren, um \u00fcber den Einfluss von Ver\u00e4nderungen des Kreislaufs auf die Temperatur peripherer Theile Aufschluss zu erhalten. Von manchen Irren\u00e4rzten wird auf die Temperaturmessung im Geh\u00f6rgang ein besonderer Werth gelegt.\nDie Schenkelbeuge l\u00e4sst sich beim Menschen nur unvollkommen in eine geschlossene H\u00f6hle verwandeln; leichter geht dies bei fe\u00e4uge-thieren; einen besonderen \"Werth besitzt die Messung, welche im Grossen und Ganzen der in der Achselh\u00f6hle analog ist, nicht.\nDie Harnr\u00f6hre des Weibes liegt hinl\u00e4nglich tief, um zu den inneren Th eilen gerechnet zu werden. Messungen in ihr geben daher dieselben Werthe wie Scheide, Mastdarm u. s. w. Die Harnr\u00f6hre des Mannes dagegen ist in dem gr\u00f6ssten Theil ihrer L\u00e4nge von so d\u00fcnnen Gewebslagen bedeckt, dass die Abk\u00fchlung sehr betr\u00e4chtlich hervortritt. Hunter1 fand die Temperatur in ihr in einer Tiefe von 1 Zoll = 92\u00b0 F.; bei 2 Zoll Tiefe = 93; bei 4 Zoll Tiefe = 94 und erst als das Thermometer bis zum Bulbus urethrae vorgeschoben wurde, stieg es auf 97\u00b0 F., w\u00e4hrend es im Rectum 98V2\u00dc zeigte. Wurde der Penis eine Minute lang in Wasser von 65\u00b0 getaucht, so stieg das Thermometer in einer Tiefe von D/2 Zoll auf 79\u00b0; in heisses Wasser von 113\u00b0 F. eingetaucht, nahm der Penis eine Temperatur von 100 bis h\u00f6chstens 100\u00b0,5 und in Wasser von 118\u00b0 eine Temperatur von 102 V40 an. In Wasser von 50\u00b0 fiel seine Temperatur auf 58\u00b0. Ein todter Penis, welcher unter gleichen Umst\u00e4nden beobachtet wurde, zeigte in heissem Wasser h\u00f6here, in kaltem niederere Temperaturen als der lebende.\nDiese Versuche k\u00f6nnen als Beispiele dienen, in wie weit d\u00fcnne K\u00f6rpertheile durch \u00e4ussere Einfl\u00fcsse in ihrer Temperatur schwanken k\u00f6nnen. Dass st\u00e4rkere W\u00e4rmeentziehungen an solchen Theilen, z. B. Fingern, Zehen, Ohren, Nase, noch st\u00e4rkere Abk\u00fchlung bis zum Erfrieren bewirken k\u00f6nnen, ist bekannt. Als Beispiel f\u00fchre ich gleichfalls einen Versuch von Hunter2 an. Das eine Ohr eines Kaninchens wurde in eine K\u00e4ltemischung gebracht, deren Temperatur wenig-unter 0 war ; es fror und wurde ganz steif. Herausgenommen thaute es auf und wurde etwa nach einer Stunde wieder warm, schwoll\n1\tHunter, Works IV. p. 139,1. p. 291.\n2\tDerselbe, Ebenda. IV. p. 152.","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\ndann an und entz\u00fcndete sich. Aehnliche Wirkungen kann man an enthaarten Kaninchenohren durch Best\u00e4uben mit Aether erzeugen.\nMessungen im Oesophagus und Mayen kann man an lebenden Menschen mit Hilfe biegsamer Elektrothermometer (vgl. S. 303) machen. Die Temperaturen sind hier nahezu dieselben wie im Rectum. Bei Thieren kann man durch eine Oeffnung im Oesophagus auch gew\u00f6hnliche Thermometer leicht in den Magen einf\u00fchren. Mit Hilfe ihrer kleinen Maximumthermometer massen Kronecker und Meyer1 bei Hunden im mittleren F\u00fctterungszustande, w\u00e4hrend der Verdauung und im Hungerzustande die Temperaturen im Magen und Rectum. Bei einer Maximaltemperatur von etwa 40\u00b0, war der Magen um 0\u00b0,5 niederer temperirt. Seine Temperatur sank am ersten Hungertage um 1\u00b0\u20141 \u00b0,5, stieg dann wieder und blieb lange constant, sank dann wieder vom 14. Hungertage ab auf 38\u00b0,5. F\u00fctterung steigerte die Magentemperatur um 0\u00b0,3\u20140\u00b0,8; ebenso wirkte kohlensaures Natron, 1 grm in Pastillenform verschluckt, und starkes Lufteinblasen in den Magen, ja selbst blosses Vorhalten von Speck bei dem hungrigen Hunde.\nDie Messung zwischen den Fusszehen wird bei Thieren zu demselben Zweck wie die in den Geh\u00f6rg\u00e4ngen angewandt, um gleichnamige peripherische Theile mit einander zu vergleichen und die Einwirkungen gewisser Umst\u00e4nde, wie Nervendurcksclmeidungen u. dgl. zu studiren. Wenn man Thermometer mit sehr kleinen Gef\u00e4ssen anwendet, so kann man dieselben leidlich gut ganz von den Zehen einh\u00fcllen lassen und gut vergleichbare Wertke erhalten.\nIn der Hohlhand sind \u00f6fter Messungen gemacht worden, welche aber, da die Umh\u00fcllung des Thermometers durch d\u00fcnne, in ihrer Temperatur sehr von der Umgebung abh\u00e4ngige Theile geschieht, nur schwankende Resultate geben. In neuester Zeit hat Roemer2 unter Liebermeister\u2019s Leitung eine Reihe solcher Beobachtungen gemacht. Bei m\u00f6glichst gleickm\u00e4ssiger Aussentemperatur (Schwankungen zwischen 13\u00b0 und 16\u00b0, nur einmal 11\u00b0) fand er Schwankungen von 5\u20146\u00b0; das Minimum war 30\u00b0,71, das Maximum 36\u00b0,81, w\u00e4hrend die Rectumtemperatur um h\u00f6chstens 1 \u00b0,21 schwankte. Doch konnte aus den Mittelzahlen eine Tagescurve abgeleitet werden, deren gr\u00f6sste Differenzen (circa 3\u00b0) freilich nur halb so gross sind als die \u00fcberhaupt beobachteten Schwankungen. Danach sinkt die Temperatur der Hohlhand nach einem relativ hohen Stande w\u00e4hrend der Nacht\n1\tKronecker u. Meter, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1879. S. 569.\n2\tRoemer, Beitrag zur Kenntniss der peripheren Temperatur des gesunden Menschen. Diss. T\u00fcbingen 1881.","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"4. Cap. W\u00e4rmeabgabe u. Temperaturtopographie. Temp, periph. K\u00f6rpertheile. 385\n(Hand bedeckt?) von Morgens 6 Uhr ab ziemlich rasch, erreicht zwischen 9 und 10 Uhr ein Minimum, steigt dann langsam, erreicht kurz nach dem (um 121/*2 Uhr eingenommenen) Mittagessen ein Maximum ; zwischen 1 und 3 Uhr sinkt sie wieder schnell und erreicht nach 2 bis 3 Stunden ein zweites Minimum; dann steigt sie wieder von 6\t8 Uhr Abends rasch und ausgiebig und f\u00e4llt langsam bis\nzum Morgen. Das Mittel der Hohlhandtemperatur war 34\u00b0,5 bei 37\u00b0, 1 Rectummittel.\nVon Morgens 6 Uhr bis Abends 6 Uhr ist, mit Ausnahme der Zeit um l Uhr Mittags, die Temperatur der Hohlhand stets unter, in der Nacht stets \u00fcber ihrem Mittel. Im Gegensatz dazu ist die Rectumtemperatur von Morgens 8 Uhr bis Abends 9 Uhr \u00fcber, Nachts unter ihrem Mittel.\nUeber die Einfl\u00fcsse, welche auf die Temperatur der Hohlhand ein wirken, theile ich aus den Untersuchungen R\u00f6mer\u2019s u. A. Folgendes mit. Erheben des Armes hat, wie schon J. Wolff1 gefunden hat, ein Sinken der Temperatur zur Folge. Wolff sah Differenzen bis zu 7\u00b0; R\u00f6mer bei seinen zur Ausschaltung der Tagesschwankungen stets Nachts zwischen 11 und 1 Uhr angestellten Versuchen nur Schwankungen bis zu 0\u00b0,38.\nDurch Compression der Blutgef\u00e4sse mittelst einer Aderlassbinde sah Zimmermann2 Temperaturabfall von 0\u00b0,2, Liebermeister3 von 2\u00b0, Ad AE4 bis zu 2\u00b0,5; Wolff sagt, dass die EsMARCH\u2019sche Constriction einen etwas gr\u00f6sseren Abfall erzeuge als die Elevation, dass aber jene stets eine rapide Steigerung im Gefolge habe.\nDurch Luft von 12\u201415\u00b0 oder durch Wasser von 15\u201420\u00b0 C. wird nach Wolff die Temperatur der Hand f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit auf einen sehr geringen Grad (26\u00b0) herabgedr\u00fcckt. Wasserb\u00e4der von 0 bis 5\u00b0 dagegen bringen eine nachfolgende Erw\u00e4rmung bis auf 37\u00b0 hervor. Aus den Beobachtungen von Couty5 geht hervor, dass im Winter die Schwankungen viel gr\u00f6sser sind als im Sommer bei gleichzeitig geringerem Mittelwerth.\nK\u00f6rperanstrengungen haben nach Liebermeister und Adae Abnahme der Temperatur der Hohlhand zur Folge. Die gleiche Wirkung hat nach Adae Fahren auf der Eisenbahn, Schaukeln (d. h. also passive Bewegung, durch welche der W\u00e4rmeverlust an die Luft ver-gr\u00f6ssert wird) und der Genuss von Wein und Bier.\n1\tJ. Wolff, Arch. f. Physiol. 1879. S. 161.\n2\tZimmermann. Arch. f. Pathol, u. Therapie. I. S. 13. 1851.\n3\tLiebermeister, a. a. O. S. 61.\n4\tAdae, Unters, \u00fcb. d Temp, periph. K\u00f6rpertheile. Diss. T\u00fcbingen 1876.\n5\tCouty, Arch, de physiol, norm, et pathol. 1880.\nHandbuch der Physiologie. Bd IVa.\n25","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nIm Fieber ist nach Couty1 die Temperatur der Hohlhand h\u00f6her und der der Achselh\u00f6hle nahezu gleich.\nBei hohen Aussentemperaturen (37\u00b0) und g\u00e4nzlich unbewegter Luft, also unter Umst\u00e4nden, wo der W\u00e4rme Verlust auf ein Minimum reducirt war, fand Moty2 die Temperatur der Hohlhand nahezu gleich oder selbst um ein geringes h\u00f6her als die der Achselh\u00f6hle.\nDas Unlerhautbindegewebe und die Muskeln haben Becquerel und Breschet3 auf thermoelektrischem Wege gemessen und unter einander, sowie mit anderen Stellen verglichen. Die Temperatur der ruhenden Muskeln fanden sie nahezu gleich der unter der Zunge, die des Unterhautbindegewebes um 1\u20142\u00b0 geringer. Bei der Contraction erw\u00e4rmten sich die Muskeln um 0\u00b0,5\u20141\u00b0,0. Bei einem frischgeschlachteten Hammel brachte J. Davy das Thermometer unter die Haut an verschiedenen Stellen und in verschiedenen H\u00f6hlen und mass folgende Temperaturen:\nUeber den Tarsalknochen\t.\t32^,22\n,,\t\u201e Metatarsalknochen .\t.\t36\u00b0,11\nAn dem Kniegelenk ....\t.\t38\u00b0,89\nAm Oberschenkel\t\t.\t39\u00b0,44\nAn der Schenkelbeuge .\t.\t.\t.\t400,00\nInmitten des Gehirns ....\t.\t40\u00b0,00\nIm Rectum\t\t.\t400,56\nBlut der V. jugularis ....\t.\t400,84\nAn der unteren Leberfl\u00e4che .\t.\t410,11\nIm rechten Herzventrikel.\t.\t410,11\nIm Leberparenchym ....\t.\t41\u00b0,39\nBlut der Carotis\t\t.\t410,67\nIm linken Herzventrikel .\t.\t410,67\nY. Temperatur der Haut.\nMit besonderen Schwierigkeiten ist die Bestimmung der Hauttemperatur verbunden. Wenn man ein irgend wie gestaltetes Ther-mometergef\u00e4ss an die Haut anlegt, so nimmt es, da es nicht allseitig von der Haut umschlossen ist, eine mittlere Stellung zwischen der Temperatur der Haut und der der Umgebung an. Um nun die wahre Hauttemperatur zu finden, haben die meisten Forscher, z. B. Davy, Gierse u. A. das Thermometer mit schlechten W\u00e4rmeleitern bedeckt, wodurch nat\u00fcrlich die Ausstrahlung der Haut vermindert und ihre\n1\tCouty, Gazette m\u00e9dicale de Paris. 1876. No. 43. 44.\n2\tMoty, Ebenda. 1878. No. 23.\n3\tBecquerel u. Breschet, Ann. d. chim. et de phys. (2) LIX. p. 113; Ann. des sciences natur. zool. (2) III. p. 257, IY. p. 243.","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"4. Cap. W\u00e4rmeabgabe u. Temperaturtopographie. Temperatur der Haut. 387\nTemperatur selbst erh\u00f6ht werden musste. Je nach der Dauer der Anlagerung musste daher die gemessene Temperatur selbst verschieden hoch ausfallen. So fand Davy 32\u00b0\u201435\u00b0 an verschiedenen Theilen . des nackten K\u00f6rpers bei einer Zimmerw\u00e4rme von 21 \u00b0, w\u00e4hrend Gierse1 w\u00e4hrend halbst\u00fcndiger Anlagerung des Thermometers am Unterschenkel fortdauerndes Steigen desselben bis zu 38\u00b0,75 sah. Besser erscheint noch das von Senator2 benutzte Verfahren, das Thermometer in einer Hautfalte durch Heftpflaster zu befestigen. Danach ist den Angaben \u00fcber Hauttemperaturen nur ein bedingter Werth beizulegen. Und doch w\u00e4re eine genaue Kenntniss derselben von besonderer Wichtigkeit, da von ihnen der W\u00e4rmeverlust an die Umgebung in erster Linie abh\u00e4ngt.\nEs ist ganz selbstverst\u00e4ndlich, dass die Hauttemperatur je nach der Temperatur der Umgebung, Blutgehalt der Haut und anderen Umst\u00e4nden wechseln muss. In Ermangelung genauerer Bestimmungen f\u00fchre ich hier folgende Zahlen J. Davy\u2019s3 als Beispiele an:\nFusssohle...........................................3 2\u00b0, 2\nZwischen Malleolus int. u. Achillessehne auf der Arterie 33\u00b0,89\nMitte der\tTibia....................................3 3\u00b0,06\n\u00ab\t\u00bb\tWade.....................................33\u00b0,89\nKniekehle, \u00fcber der Arterie ........................3 5\u00b0,00\nMitte des Oberschenkels, auf der A. femor. . . . 34\u00b0,44\n\u201e\t\u201e\tM. rectus................................3 2\u00b0,7 8\nAuf den grossen Gef\u00e4ssen der Schenkelbeuge . . . 35\u00b0,84\nfh Zoll unterhalb des Nabels........................35\u00b0,00\nSechste linke Rippe, am Herzen......................34\u00b0,44\nSechste rechte Rippe................................33\u00b0,89\nAchselh\u00f6hle (Thermometer ganz eingeschl.). . . . 36\u00b0,67\nDass die Temperatur der Haut auch durch die darunter gelegenen Gewebe beeinflusst werde, geht aus einer Beobachtung von Gierse4 hervor, welcher bei einem Hunde fand, dass die Haut \u00fcber den contrahirten Muskeln eines Oberschenkels w\u00e4rmer wurde als die Haut des anderen Schenkels. Dasselbe sah auch v. Ziemssen5, wenn er ein empfindliches Thermometer an die Haut des Vorderarmes anlegte und die Muskeln durch Faradisirung zur Contraction brachte. Das in die Furche zwischen M. extensor digit, comm, und M. ext. carpi radialis eingelegte Thermometer nahm z. B. unbedeckt nach 20 Minuten einen Stand von 34\u00b0,7 an und stieg bei der Muskel-\n1\tGierse, Quaenam sit ratio caloris. Diss. Berl. 1842.\n2\tSenator, Arch. f. pathol. Anat. XLY. S. 359.\n3\tJ. Davy, Philos. Transact. CIV. p. 590. 1814.\n4\tGierse, a. a. O.\n5\tv. Ziemssen, Die Electricit\u00e4t in der Medicin. 4. Aufl. S. 88. 1872.\n25*","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nreizung bis zu 35\u00b0,95; im Beginn der Muskelreizung trat gew\u00f6hnlich erst ein Sinken um 0\u00b0,1\u20140\u00b0,5 ein, dem dann von der dritten Minute an die Steigung folgte. Die gr\u00f6sste beobachtete Steigerung betrug 4\u00b0, 4.\nDurch Ver\u00e4nderungen in der Zahl und Tiefe der Respirationen oder g\u00e4nzliche Unterbrechung derselben konnte Lombard1 \u00fcber der A. radialis am Vorderarm Temperaturherabsetzungen bis zu 1\u00b0,1 beobachten. Er leitet dieselben von einem verminderten Blutzufluss zu den Arterien ab. Der gleichzeitig verminderte Abfluss aus den Venen bedingt an anderen Stellen der Haut, die nicht \u00fcber der Arterie liegen, eine geringe Zunahme der Temperatur. Athmet man mit Wasserdampf ges\u00e4ttigte Luft von 40\u00b0, so hat dies keinen Einfluss auf die Temperatur \u00fcber der A. radialis, woraus Lombard sckliesst, dass die Wasserverdunstung und Erw\u00e4rmung der Athmungs-luft keine Abk\u00fchlung des Blutes bei seinem Durchgang durch die Lungen zur Folge habe, eine Frage, auf welche wir noch besonders eingehen werden.\nBei Krankheiten innerer Organe sind auch Temperaturdifferenzen an symmetrischen Steilen beobachtet worden, so z. B. von L\u00e9pine2 bei Pneumonie, wobei stets die kranke Seite die w\u00e4rmere war, doch fand Blanke3 auch bei Gesunden Unterschiede. Von manchen Irren\u00e4rzten wird auch Werth gelegt auf Temperaturmessungen am Sch\u00e4del. Lombard glaubte Temperaturerh\u00f6hung am Sch\u00e4del in Folge von geistiger Th\u00e4tigkeit nachweisen zu k\u00f6nnen. Dass bei Entz\u00fcndungen die Temperatur locale Steigerungen zeigt, ist bekannt.\nVI. Temperaturunterschied im rechten und linken Ventrikel.\nGleichsam als Stichentscheid zwischen Lavoisier\u2019s und CRAyv-ford\u2019s Auffassung von dem Ort der W\u00e4rmebildung ist die Frage, ob das Blut bei seinem Durchgang durch die Lungen k\u00e4lter oder w\u00e4rmer wird, Gegenstand sehr zahlreicher Untersuchungen gewesen und bald im einen, bald im anderen Sinne beantwortet worden. Im Jahre 1832 f\u00fchrte Malgaigne4 unter Collard de Martigny\u2019s Leitung die erste Untersuchung \u00fcber den Gegenstand aus, indem er Thermometer durch die V. jugularis in das rechte und durch die Carotis in das linke Herz einf\u00fchrte und die Temperatur im ersteren\n1\tLombard, Arch. d. physiol, norm, etpathol. I. p. 479. 1868, II. p. 5. 1869.\n2\tL\u00e9pine, Gaz. m\u00e9d. de Paris. 1868. No. 36.\n3\tBlanke, Med. Times and Gazette. 1870; 18. Juni.\n4\tCollard de Martigny, Joum. compl. du Dictionn. des sciences m\u00e9d. XL III. p. 386.","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"4. Cap. W\u00e4rmeabgabe u. Temperaturtopograpbie. Temperaturunterschied etc. 389\nh\u00f6her fand. Auch Berger1 fand das gleiche (41\u00b0,4 im rechten und 40\u00b0,9 im linken Herzen) bei einem Hammel, doch gibt er sein Verfahren nicht n\u00e4her an. 1844 machten Magendie und Bernard \u00e4hnliche Versuche an Pferden mit dem gleichen Erfolg, und Bernard'2 wiederholte die Versuche sp\u00e4ter vielfach und mit sehr feinen Thermometern, besonders mit dem metastatischen Thermometer von Walf-ferdin (s. S. 298). Auch Hering kam an einem Kalbe mit Ectopie des Herzens zu demselben Ergebniss, ebenso G. v. Liebig3, A. Fick4 u. A. Dagegen hatten de Saissy5, J. Davy6, Nasse7 an frisch get\u00f6dteten Thieren und blossgelegten Herzen das Gegentheil gefunden. Den Grund dieser abweichenden Ergebnisse kl\u00e4rte G. v. Liebig auf, indem er auf die schnellere Abk\u00fchlung des d\u00fcnnwandigen rechten Ventrikels -hinwies und dieselbe durch einen Versuch erl\u00e4uterte. Ein Herz wurde in einem Wasserbade auf vollkommen gleichm\u00e4ssige Temperatur aller seiner Theile gebracht, dann der k\u00e4lteren Luft ausgesetzt; es erkaltete der Inhalt des linken Ventrikels langsamer als der des rechten.\nDie Sache ist aber trotzdem nicht so einfach, als sie nach diesen Versuchen zu sein schien. Dass die Erw\u00e4rmung der Athmungsluft und ihre S\u00e4ttigung mit Wasserdampf W\u00e4rme latent macht, kann man vollkommen zugeben. Aber ebenso sicher ist, dass diese Aufnahme von W\u00e4rme schon zum allergr\u00f6ssten Theil in den luftzuf\u00fchrenden Wegen erfolgt und dass daher die Luft schon vorgew\u00e4rmt und mit WTasserdampf nahezu ges\u00e4ttigt in die Alveolen gelangt, wie Lombard in der oben citirten Arbeit richtig angemerkt hat. Es kann daher eine betr\u00e4chtliche Abk\u00fchlung des in der Lunge circulirenden Blutes auf diesem Wege nicht zu Stande kommen. Auf der anderen Seite kann die M\u00f6glichkeit einer, wenn auch geringen, W\u00e4rmeentwicklung durch die Bildung des Oxyh\u00e4moglobin in der Lunge nicht ganz geleugnet werden, ja Gamgee8 glaubte dieselbe direct nach-weisen zu k\u00f6nnen.\nWenn wir nun auch die den Angaben von Liebig und Bernard entgegenstehenden \u00e4lteren Angaben am blossgelegten Herzen f\u00fcr nicht\n1\tBerger, M\u00e9m. de Ja soc. de phys. de Gen\u00e8ve. VI. p. 353. 1833.\n2\tCl. Bernard, Compt. rend. XLIII. p. 565. 1856; Le\u00e7ons sur les propri\u00e9t\u00e9s physiologiques des liquides de l\u2019organisme I. p. 57 ff. 1859; Le\u00e7ons sur la chaleur animale. p. 32 ff. 1876.\n3\tG. v. Liebig, Ueber die Temperaturunterschiede des ven\u00f6sen und arteriellen Blutes. Diss. Giessen 1853.\n4\tA. Fick, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1853. S. 408.\n5\tde Saissy, Recherches sur la physique des animaux hibernants, p. 69.\n6\tJ. Davy, Philos. Transact. 1814.\n7\tNasse, \u00c4rt. Thierw\u00e4rme in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. IV. S. 47.\n8\tGamgee, M\u00fcndliche Mittheilung an den Verfasser. 1871.","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390\tRosenthal. Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nbeweiskr\u00e4ftig anselien k\u00f6nnen, so gilt dies dock nicht von den Versuchen Colin\u2019s1, welcher ebenso wie Bernard die Thermometer durch die Gef\u00e4sse einf\u00fchrte und dabei die Temperatur 21 mal in beiden Ventrikeln gleich, 31 mal im rechten Ventrikel h\u00f6her und 50 mal im linken Ventrikel h\u00f6her fand. Auch Jacobson2, der in Gemeinschaft mit Bernhardt Versuche mit Thermonadeln anstellte, welche sie durch die Intercostalr\u00e4ume direct in die Ventrikel einf\u00fchrten, fand die Temperatur in 17 fehlerfreien Experimenten 2 mal gleich und 15 mal im linken Ventrikel um 0\u00b0, 1\u20140\u00b0,4 h\u00f6her.\nK\u00f6rner und Heidenhain3 4 fanden nun zwar wiederum fast immer die Temperatur des linken Ventrikels niedriger. Die Differenz lag meist zwischen 0\u00b0, 1 und 0\u00b0,3 und war zuweilen 0\u00b0,5\u20140\u00b0,6; nur in einem Falle war sie negativ. Die Athmung war aber ohne allen Einfluss auf die Differenz, denn sie blieb dieselbe, wenn k\u00fcnstliche Athmung mit gew\u00f6hnlicher oder auch mit warmer und mit Wasserdampf ges\u00e4ttigter Luft eingeleitet wurde. Wurde bei curarisirten Thieren die k\u00fcnstliche Athmung ausgesetzt, dann sank die Temperatur rapide in beiden Herzh\u00e4lften, und die Unterschiede zwischen beiden wurden geringer. Auch ist das Lungengewebe nicht k\u00e4lter als das arterielle Blut, was doch der Fall sein m\u00fcsste, wenn das Blut bei seinem schnellen Durchstr\u00f6men um mehrere Zehntel Grade abgek\u00fchlt sein sollte. Vielmehr ist der ganze untere Theil der Lunge w\u00e4rmer, nur der oberste Theil um etwas (0\u00b0,1\u20140\u00b0,2) k\u00e4lter und die mittleren Partien gleich warm wie das Blut im linken Herzen.\nAus alle dem folgt, dass die abk\u00fchlende Wirkung der Lunge leicht \u00fcbersch\u00e4tzt wird, und dass die geringere W\u00e4rme des Blutes im linken Ventrikel noch einen anderen Grund haben muss. Und diesen Grund findet Heidenhain in der W\u00e4rme der Ventrikel wand und der benachbarten Organe der Bauchh\u00f6hle, besonders der Leber, welche dem rechten Ventrikel W\u00e4rme zuf\u00fchren, w\u00e4hrend der linke Ventrikel rings von Lungengewebe umgeben und mehr der Abk\u00fchlung ausgesetzt ist.\nZweifellos entwickelt auch der Herzmuskel bei seiner fortw\u00e4hrenden Th\u00e4tigkeit W\u00e4rme und zwar der linke Ventrikel wegen seiner gr\u00f6sseren Wanddicke mehr als der rechte. Wenn die Wandw\u00e4rme bei Einf\u00fchrung von Thermonadeln durch die Brust- und Herzwand, wie sie in Jacobson\u2019s Versuchen stattfand, sich in den gut leitenden\n2\tColin, Ann. d. scienc. natur. zool. (5) VII. p. 83. 1867.\n3\tJacobson, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1868. S. 643; Arch. f. pathol. Anat. LI. S.275.\n4\tK\u00f6rner, Beitr\u00e4ge zur Temperaturtopographie des S\u00e4ugethierk\u00f6rpers. Diss. Breslau 1871. \u2014 Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 558.","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"4. Cap. W\u00e4rmeabgabe u. Temperaturtopograpbie. Temperaturunterschied. 391\nNadeln bis zu ihren L\u00f6thstellen fortpflanzte, so k\u00f6nnte dies die h\u00f6here Temperatur im linken Ventrikel, welche Jacobson fand, erkl\u00e4ren, auch wenn die L\u00f6thstelle frei in der Herzh\u00f6hle lag.\nEinen solchen Einfluss der Herzwand konnten auch Albert und Stricker1 nachweisen, indem ein von einer Falte der Ventrikelwand umh\u00fclltes Thermometer stets h\u00f6here Temperaturen zeigte, als ein frei im Blut der Herzh\u00f6hle befindliches, die Herzwand nicht ber\u00fchrendes. Bei Ber\u00fchrung des Thermometers macht sich nat\u00fcrlich dieser Einfluss in geringerem Grade bemerkbar, kann aber immerhin die Schwankungen in den Befunden erkl\u00e4ren.\nVII* Unterschied der Temperaturen an anderen K\u00f6rperstellen.\nVon dieser Frage nach dem Unterschied des Blutes im rechten und linken Ventrikel wenden wir uns zu der Untersuchung, ob das Blut bei seinem Durchgang durch die K\u00f6rpercapillaren w\u00e4rmer wird. Da nach unserer Auffassung vom thierischen Stoffwechsel innerhalb der Gewebe die eigentliche W\u00e4rmebildung stattfindet, so muss das Blut in allen Gewebscapillaren erw\u00e4rmt werden. Es ist aber auch von selbst einleuchtend, dass diese Erw\u00e4rmung nur dann wirklich zur Erscheinung kommen kann, wenn sie nicht durch einen gleichen oder gar gr\u00f6sseren W\u00e4rmeverlust verdeckt wird. Ein solcher W\u00e4rmeverlust muss nat\u00fcrlich in allen oberfl\u00e4chlichen Schichten stark genug sein, um eine wirklich nachweisbare Abk\u00fchlung des durchfliessen-den Blutes zu bewirken. Wir k\u00f6nnen daher erwarten, dass das Blut der Hautvenen k\u00e4lter sei als das der Arterien, welche das Blut der Haut zuf\u00fchren. Bei inneren Organen aber, wo die Abk\u00fchlung eine geringere ist, kann die Erw\u00e4rmung \u00fcberwiegen und das Venenblut kann um so mehr das Arterienblut an W\u00e4rme \u00fcbertreffen, je energischer der Stoffwechsel in dem betreffenden Organe ist.\nNun haben wir allen Grund anzunehmen, dass die Muskeln bei ihrer erheblichen Masse den allergr\u00f6ssten Theil der \u00fcberhaupt vom K\u00f6rper producirten W\u00e4rme liefern. Man hat denselben auf etwa 4/5 der gesammten W\u00e4rmeproduction berechnet. Es wird daher das Muskelvenenblut w\u00e4rmer sein m\u00fcssen als das Muskelarterienblut. N\u00e4chst den Muskeln scheinen die Dr\u00fcsen erhebliche W\u00e4rmeproduction zu besitzen. Ludwig und Spiess'2 fanden den aus der Speicheldr\u00fcse nach Nervenreizung ausfliessenden Speichel bis zu 1 \u00b0,5 w\u00e4rmer als das Blut der anderseitigen Carotis. Und fast alle Beobachter\n1\tAlbert u. Stricker, Wien. med. Jahrb. 1873. S. 29.\n2\tC. Ludwig, Lehrb. d. Physiol. 2. Aufl.II. S. 341.","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nstimmen darin \u00fcberein, die gr\u00f6sste Dr\u00fcse des K\u00f6rpers, die Leber, auch f\u00fcr das w\u00e4rmste Organ zu erkl\u00e4ren. Auch das Blut der Nierenvene ist meist w\u00e4rmer als das der Nierenarterie.\nDa nun aber das aus solchen warmen Organen und das aus der Haut kommende abgek\u00fchlte Blut sich durch Vereinigung der Venen vielfach mischen, so wird das Blut in den gr\u00f6sseren Venenst\u00e4mmen bald w\u00e4rmer, bald k\u00e4lter sein k\u00f6nnen als das in den entsprechenden Arterien. Und beim Zusammenfluss alles Venenblutes im rechten Ventrikel wird eine mittlere Temperatur resultiren m\u00fcssen, welche sich, wie wir gesehen haben, beim Uebergang in den linken Ventrikel jedenfalls nicht wesentlich \u00e4ndert. Mit dieser Temperatur nun str\u00f6mt das arterielle Blut wieder allen Organen zu und hier wird es einen verschiedenen Einfluss haben m\u00fcssen, je nachdem es w\u00e4rmer ist als die Organe oder k\u00e4lter. Im letzteren Falle wird es die Organe abk\u00fchlen, im ersteren erw\u00e4rmen.\nNun wird das Blut offenbar nur sehr wenig differiren von der Temperatur der inneren Organe, welche unter einander selbst auch nur geringe Unterschiede zeigen, und diese Unterschiede werden durch das Blut noch theilweise ausgeglichen, so dass nur ganz geringe Differenzen \u00fcbrig bleiben. Dieselben werden vor\u00fcbergehend etwas gr\u00f6sser werden, wenn an einer Stelle eine besonders starke W\u00e4rmeproduction erfolgt, z. B. durch Muskelcontraction oder Dr\u00fcsen-secretion. Aenderungen in der Temperatur dieser Theile werden (von abnormen F\u00e4llen abgesehen) nur innerhalb sehr enger Grenzen stattfinden. Die Temperatur der peripheren Theile dagegen wird grossen Schwankungen unterliegen, je nach der wechselnden W\u00e4rmeabgabe und je nach der Blutzufuhr, indem vermehrte Blutzufuhr im Allgemeinen ihre Temperatur erh\u00f6ht, verminderte Blutzufuhr sie herabsetzt, wie wir dies schon zum Theil auf Grund der Messungen gesehen haben.\nVIII. Genauere Temperaturtopographie der inneren Theile.\nSehr sorgf\u00e4ltige Messungen der Temperaturen an verschiedenen Stellen sind von Cl. Bernard, G. v. Liebig, Heidenhain, Jacobson und vielen Anderen angestellt worden. Besonders hat sich Bernard zu verschiedenen Malen mit dem Gegenst\u00e4nde eingehend besch\u00e4ftigt, welcher einen grossen Theil seiner schon citirten \u201eLe\u00e7ons sur la chaleur animale\u201c einnimmt. Die Messungen wurden theils mit feinen Quecksilberthermometern, theils auf thermoelektrischem Wege vorgenommen. Ich wiederhole hier zun\u00e4chst eine tabellarische Zusam-","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"4. Cap. W\u00e4rmeabgabe u. Temperaturtopogr. Genauere Temperaturtopogi\u2019, etc. 393\nmenstellung einiger dieser Messungen, welche Ludwig1 mittheilt, und erg\u00e4nze sie durch einige neuere Angaben.\nThier\t\tOrt\tW arme\tBemerkungen\tBeobachter\nHund\t1\t1 Y. cava sup. . . . ) Atr. dextr\t\t35,98 36,37\t\t>G. v. Liebig\n\t\t\t\t\t\n\t2\tj Y. cruralis ....\t37,20\t\t\n55\t\t) Y. cava inf. . . .\t38,11\t\t\n\t\tj Aorta\t\t38.7\tEnde der Verdauung\t\n55\t3\t\\ Y. portarum . . .\t39,2\t\t\n5?\t4\t1 Y. portarum . . . | Y. hepatica . . .\t39,9 39,5\tAnfang der Verdauung\t\n\t\tJ Y. portarum . . .\t39,7\tVerdamme?\t\n55\t\t) Y. hepatica . . .\t41,3\t\t\n55\t6\tJ Y. portarum . . . | Y. hepatica . . .\t37,8 38,4\tSeit 4 Tagen n\u00fcchtern\tClaude\n55\t7\tf V. portarum . . . | Y. hepatica . . .\t39.6 39.7\tVerdauung\tBernard\n\t\tj Aorta\t\t38.4 39.4\t\t\n55\t8\t| Y. hepatica . . .\t\t\t\n\t9\tj Rechtes Herz . . 1 Linkes \u201e\t. .\t38,8 38.6\tN\u00fcchtern\t\n55\t\tj Rechtes \u201e\t. . 1 Linkes\t\u201e\t. .\t39,2 39,1\tVerdauung\t\n\t10\t1 Rechtes \u201e\t. .\t36,37\t\t\n55\t\t) Linkes \u201e\t. .\t36,82\t\t\n\t11\t1 Rechtes\t. .\t39,21\t\t> G. v. Liebig\n55\t\t( Linkes \u201e\t. .\t39,02\t\t\n\t\t[ Y. hepatica . . .\t40,37\t\t\n\t12\t1 V. cava inf. . . .\t38,35\u2014 39,58\t\u00ab\tHeidenhain\n55\t\t1 Rechtes Herz . .\t37,7\t\t\n\t13\t( Rectum\t\t37,7 \u201438,1\t\t\\\n55\t\t\\ Leber\t\t37,8 \u201438,6\t\t\n\t14\t1 Rectum\t\t39,0\t\t\n55\t\t1 Leber\t\t38,7 \u201438,9\t\t\n\t15\tf Rectum\t\t-69,2 \u201439,4\t\t\n55\t\t\\ Leber\t\t40,0 \u201439,9\t\tJacobson\n55\t16\tj Rectum\t \\ Leber ... ...\t38.2 38.3\t\u201438,7\t\t>\tund Leyden\n\t17\t1 Rectum\t\t39,6\t\t\n55\t\t\\ Leber\t\t39,7 -39,9\t\t\n,,\t18\tf Rectum\t 1 Leber\t\t39,2 39,4\t\t\n\t\t\t\t\t\nIn seiner letzten Publication stellt Bernard2 die Schlussfolgerungen aus seinen Untersuchungen in folgenden S\u00e4tzen zusammen:\nt Ludwig, Lebrb. d. Physiol. 2. Aufl. II. S. 722.\n2 Bernard, Le\u00e7ons de physiol, op\u00e9ratoire. (Nach des Yerf. Tode herausgegeben yon M. Duval) p. 481. Paris 1879.","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\n1.\tDas arterielle Blut bewahrt bei seinem Lauf durch die gr\u00f6sseren Arterien \u00fcberall nahezu dieselbe Temperatur.\n2.\tDas Venenblut wird an der Peripherie abgek\u00fchlt und ist (dort) k\u00e4lter als das arterielle.\n3.\tDas an der Peripherie abgek\u00fchlte Venenblut mischt sich mit dem w\u00e4rmeren Venenblut, welches aus den Baucheingeweiden kommt, und nimmt dadurch eine h\u00f6here Temperatur an, als das Arterienblut hat.\n4.\tBeim Durchgang durch die Lunge k\u00fchlt sich das Blut wieder um ein geringes ab.\nEr stellt dieses gesammte Verhalten durch eine schematische Zeichnung vor, in welcher die Temperatur des Aortenblutes als Abs-cissenaxe dient. Ueber dieselbe erhebt sich das Blut der Niere (um 0,05), der Leber (um 0,17), unter dieselbe sinkt das Venenblut der oberfl\u00e4chlichen Venen (im Minimum um 0,15).\nKronecker und Meyer1 brachten ihre kleinen Maximumthermometer in die Blutgef\u00e4sse und bestimmten so die Temperaturen an den Stellen, wo dieselben stecken blieben. Sie erhielten einmal die niederste Temperatur von 37\u00b0,7 in der V. azygos, w\u00e4hrend im rechten Ventrikel 38\u00b0,3, im mittleren Lappen der rechten Lunge 38\u00b0,4, in der linken V. renalis 38\u00b0,2 gefunden wurde. In einem anderen Falle war die niederste Temperatur im unteren Lappen der linken Lunge = 37\u00b0,8, in der V. azygos 38\u00b0,0, im oberen Lappen der linken Lunge 38\u00b0,6, in der V. subclavia 38\u00b0,5, im rechten Vorhof 39\u00b0,0, in der rechten Herzkammer 39\u00b0,2, in der Klappentasche der A. pulmonalis 39\u00b0,5. In einem dritten Fall war die Temperatur in der V. azygos 39(\u20190, im rechten Ventrikel 39\u00b0,2, in der A. femoralis (Abgang der Profunda) 39\u00b0,6, im unteren Lappen der linken Lunge 40\u00b0,2, im mittleren Lappen der rechten Lunge 41\u00b0,0.\nF\u00dcNFTES CAPITEL.\nDie Regulirung der Eigenw\u00e4rme.\nI. Mittel der W\u00e4rmeregulirimg.\nNachdem wir die W\u00e4rmeproduction und die W\u00e4rmeverluste kennen gelernt haben, wenden wir uns zur Er\u00f6rterung der Frage : Durch welche Einrichtung vermag der Organismus der Warmbl\u00fcter selbst\n1 Kronecker u. Meyer, Arch. f. Anat u. Physiol. 1879. S. 569.","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung der Eigenw\u00e4rme. Mittel der W\u00e4rmeregulirung. 395\nunter sein* erheblichen Schwankungen der Umgebungstemperatur seine Eigenw\u00e4rme nahezu constant zu erhalten? Ich sage nahezu. Denn ganz constant bleibt die Eigenw\u00e4rme nicht, wie wir schon im zweiten Capitel gesehen haben und wie durch weitere Beispiele noch belegt werden wird. Das Regulirungsverm\u00f6gen hat seine Grenzen nach oben wie nach unten. Ist die W\u00e4rmeabgabe sehr stark, so sinkt die Eigenw\u00e4rme, und Abk\u00fchlung bis zum Tode durch Erfrieren ist die Folge. Ist die W\u00e4rmeabgabe sehr vermindert, so steigt die Eigenw\u00e4rme und schon eine verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringe Steigerung kann erhebliche St\u00f6rungen, ja den Tod zur Folge haben. Das Regulirungsverm\u00f6gen kann auch St\u00f6rungen erleiden, so dass bei Umgebungstemperaturen, welche sonst keine Aenderung der Eigenw\u00e4rme bewirken, dieselbe sinkt oder steigt.\nEin solches Gleichbleiben der Eigenw\u00e4rme bei wechselnden Aussentemperaturen kann nur zu Stande kommen durch Einrichtungen, welche bewirken, dass W\u00e4rmeproduction und W\u00e4rmeverlust einander stets nahezu gleich bleiben. Wenn einer dieser Factoren sich \u00e4ndert ohne den anderen, dann muss die Eigenw\u00e4rme sich gleichfalls \u00e4ndern. Nun kommen solche Aenderungen der Eigenw\u00e4rme vor. Wenn wir von abnormen F\u00e4llen absehen, so haben wir die normalen Schwankungen der Tagestemperaturen, die Erh\u00f6hung der Eigenw\u00e4rme durch Muskelanstrengung. In diesem letzteren Falle ist es klar, dass die W\u00e4rmeproduction zugenommen und dass die W\u00e4rmeabgabe sich gar nicht oder nicht in gen\u00fcgendem Maasse ge\u00e4ndert hat, um jene zu compensiren. Was aber die Tagesschwankungen anlangt, so nehmen manche Forscher ohne Weiteres an, dass sie auf periodischen Aenderungen der W\u00e4rmeproduction beruhen, was erst bewiesen werden m\u00fcsste.\nWenn die Eigenw\u00e4rme unge\u00e4ndert bleibt, w\u00e4hrend die Umgebungstemperatur sich \u00e4ndert, so kann dies auf einer Anpassung der W\u00e4rmeproduction beruhen, welche in demselben Maasse steigt oder sinkt, als die W\u00e4rmeverluste zu- oder abnehmen, oder auf einer Aenderung der die W\u00e4rmeabgabe bedingenden Einrichtungen, welche machen, dass die W\u00e4rmeabgabe constant bleibt, trotz der ge\u00e4nderten Differenz zwischen Eigenw\u00e4rme und Umgebungstemperatur. Dass Einrichtungen der letzteren Art bestehen, ist unzweifelhaft. Es wird sich also darum handeln nachzuweisen, ob dieselben allein gen\u00fcgen, die W\u00e4rmeregulirung zu bewirken, oder ob daneben noch eine Regulirung durch Aenderungen der W\u00e4rmeproduction angenommen werden muss und wie weit solche nachgewiesen werden k\u00f6nnen.\nWohl \u00fcber keinen Gegenstand der Physiologie ist so viel ge-","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nstritten worden, wie \u00fcber diesen. Der Streit ist aber durchaus noch nicht geschlichtet. Die Methoden der Messung der W\u00e4rmeproduction und der W\u00e4rm Verluste sind an und f\u00fcr sich sehr unvollkommen und ihre Anwendung in den besonderen F\u00e4llen, um welche es sich hier handelt, mit sehr grossen Schwierigkeiten verbunden. Man hat deshalb vielfach versucht, die directe Messung durch indirecte Bestimmungsmethoden zu ersetzen, welche aber auch nicht immer unzweifelhafte Schlussfolgerungen zulassen. Ich werde deshalb die Ergebnisse der Forschungen und die zum Theil sich schroff gegen\u00fcberstehenden Meinungen \u00fcbersichtlich zusammenstellen. Aus dieser Zusammenstellung wird sich ergeben, dass es bisjetzt unm\u00f6glich ist, die Frage vollst\u00e4ndig zu entscheiden.\nII. Regulirung durch Aufnahme von Speisen und durch\ndie At Innung.\nIm vorigen Capitel haben wir gesehen, dass weitaus der gr\u00f6sste Theil der W\u00e4rmeverluste (etwa 85 %) durch die Haut und zwar durch Strahlung und Leitung sowie durch Wasserverdunstung stattfindet. Nur zu einem kleinen Theile ist die W\u00e4rmeabgabe von der Lunge (durch Verdunstung und Erw\u00e4rmung der Athemluft) und zu noch einem kleineren Theil die Erw\u00e4rmung der Nahrungsmittel an der gesammten W\u00e4rmeabgabe betheiligt. Die letztere k\u00f6nnen wir nun mit wenigen Worten abmachen. Es ist unzweifelhaft, dass wir uns kalter Speisen und Getr\u00e4nke bedienen, um unseren K\u00f6rper bei abnormer Hitze (wo der W\u00e4rmeverlust sehr gering und darum unsere Eigenw\u00e4rme gesteigert ist) abzuk\u00fchlen. Und ebenso benutzen wir unter entgegengesetzten Umst\u00e4nden heisse Getr\u00e4nke, um uns zu erw\u00e4rmen. Aber ebenso unzweifelhaft ist es, dass diese Mittel nur eine geringe Rolle in dem W\u00e4rmehaushalt spielen, dass sie-nur dazu dienen k\u00f6nnen, vor\u00fcbergehend eine schnelle Wirkung auszu\u00fcben und andere Mittel zu unterst\u00fctzen, dass sie aber f\u00fcr sich allein nicht im Stande sind, eine irgendwie erhebliche Aenderung in der Eigenw\u00e4rme oder eine anhaltende Regulirung derselben zu bewirken.\nUebrigens wirken diese heissen oder kalten Getr\u00e4nke nicht blos durch Zufuhr von W\u00e4rme bezw. durch Abk\u00fchlung, sondern auch durch die Aenderungen in der Circulation, welche sie veranlassen; und diese ihre Wirkung ist nicht blos von ihrer Temperatur, sondern auch von ihrem Gehalt an specifisch wirksamen Bestandteilen bedingt. N\u00e4heres dar\u00fcber ist schon im zweiten Capitel S. 324 gesagt. Diese Wirkungen auf die W\u00e4rme Verluste sind h\u00e4ufig die ent-","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. DieRegulirung d. Eigenw\u00e4rme. Regulir. durch Aufnahme v. Speisen etc. 397\ngegengesetzten von denen, welche sie zu haben scheinen, indem eine reichlichere Zufuhr von Blut zur Haut subjectives W\u00e4rmegef\u00fchl erzeugen, aber zu vermehrter W\u00e4rmeabgabe und darum zu Abk\u00fchlung Veranlassung geben kann.\nDie Rolle der Athmung bei der W\u00e4rmeregulirung ist wiederholt betont worden, so schon von Changeux1 1776; neuerdings besonders von Ackermann.'2 Erw\u00e4rmt man Thiere \u00fcber ihre Normaltemperatur, so steigert sich die Zahl der Athembewegungen enorm ; sie kann z. B. bei Hunden bis zu 150 in der Minute steigen, und diese abnorme Athmung kann auch durch vermehrte Luftzufuhr nicht vermindert werden. Ueber die Bedeutung dieser sogenannten \u201e W\u00e4rmedyspnoe u ist schon in dem Abschnitt \u00fcber Athembewegungen, S. 273, gehandelt worden. Diese stark vermehrte Leistung des Athmungs-apparats betrachtet nun Ackermann als eine Regulirungsvorrichtung, indem er annimmt, dass durch sie ein st\u00e4rkerer W\u00e4rmeverlust in der Lunge stattfindet. Daf\u00fcr spricht auch, dass die Einathmung warmer Luft von K\u00f6rpertemperatur die Eigenw\u00e4rme steigert, auch wenn der K\u00f6rper sich in gew\u00f6hnlicher Umgebungsw\u00e4rme befindet, w\u00e4hrend umgekehrt reichlichere Zufuhr von nicht erw\u00e4rmter Luft, wie sie bei der gew\u00f6hnlichen k\u00fcnstlichen Athmung stattfindet, die Eigenw\u00e4rme merklich herabsetzt. Auch Riegel3 hat die abk\u00fchlende Wirkung der k\u00fcnstlichen Athmung bei curarisirten und durch hohe Umgebungsw\u00e4rme k\u00fcnstlich erw\u00e4rmten Thieren dargethan. Die Eigenw\u00e4rme stieg, wenn wenig, und sank, wenn viel Luft von Zimmertemperatur eingeblasen wurde. Lombard\u2019s Versuche sind schon im vorigen Capitel erw\u00e4hnt worden.\nEs fragt sich aber, ob dieses Regulirungsverm\u00f6gen der Lunge eine erhebliche Wirkung auszu\u00fcben vermag, da, wie wir gesehen haben, die W\u00e4rmeverluste in der Lunge doch nur einen geringen Bruchtheil der gesummten W\u00e4rmeverluste ausmachen, und da that-s\u00e4chlich diese vermehrte Athmung das Steigen der K\u00f6rperw\u00e4rme nicht zu verhindern, auch nicht wesentlich zu verringern vermag, wie daraus hervorgeht, dass die K\u00f6rperw\u00e4rme auch dann noch sehr bedeutend steigt, wenn der K\u00f6rper sich in warmer Luft befindet, die eingeathmete Luft aber kalt ist. Ohne daher diese regulirende Wirkung ganz leugnen zu wollen, glaube ich doch, dass die teleologische Bedeutung der W\u00e4rmedyspnoe f\u00fcr die Lebenserscheinungen wesentlich nach einer anderen Seite hin zu suchen ist. Mit der Zu-\n1\tChangeux. Journ. de physique. VII. p. 57.\n2\tAckermann, Dtsch. Arch. f. klin. Med. VI. S. 359. 186t\u00bb.\n3\tRiegel, Arch. f. pathol. Anat. LXI.","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nn\u00e4hme der K\u00f6rperw\u00e4rme findet eine sehr erhebliche Steigerung der Sauerstoffzehrung im Organismus statt, und die gesteigerte Athmung sorgt f\u00fcr reichlichen Ersatz des in h\u00f6herem Maasse verbrauchten, zur Erhaltung des Lebens nothwendigen Stoffs.\nIII. W\u00e4rineregulirimg durch die Haut.\nDa die K\u00f6rperoberfl\u00e4che den gr\u00f6ssten Theil des W\u00e4rmeverlustes besorgt, so m\u00fcssen Schwankungen im Zustande der Haut, welche ihre W\u00e4rmeabgabe ver\u00e4ndern, haupts\u00e4chlich die Gesammtmenge der verlorenen W\u00e4rme bedingen. Diese Verluste m\u00fcssen aber abh\u00e4ngen 1. von der Differenz der Hauttemperatur und der Temperatur der Umgebung und 2. von der Verdunstung des Wassers auf der Haut.\nOb das Strahlungsverm\u00f6gen der Haut constant ist oder Aende-rungen erleidet, wissen wir nicht. Das letztere ist wohl wahrscheinlich, da die Gl\u00e4tte der Haut, ihr Feuchtigkeitsgehalt u. s. w. nicht ganz ohne Einfluss auf ihr Strahlungsverm\u00f6gen sein k\u00f6nnen. Doch m\u00fcssen wir von diesem Factor bei unseren ferneren Betrachtungen absehen. \"W\u00e4re die Temperatur der Haut constant, so k\u00f6nnten wir deshalb den W\u00e4rmeverlust durch Strahlung und Leitung ohne grossen Fehler als geradezu proportional der Differenz der Hautw\u00e4rme und der Umgebungsw\u00e4rme setzen. Eine solche Constanz der Hauttemperatur existirt aber nicht. Bei sinkender Aussentemperatur sinkt und bei steigender Aussentemperatur steigt auch die Temperatur der Haut. Und damit ist also ein Umstand gegeben, welcher die Differenzen zwischen der Hauttemperatur und der Aussentemperatur in dem Sinne beeinflusst, dass dadurch eine Regulirung der W\u00e4rmeverluste zu Stande kommt, und dieselben innerhalb engerer Grenzen einschliesst, als den bedeutenden Schwankungen der Aussentemperatur sonst zukommen w\u00fcrde.\nDas Mittel, welches diesen Wechsel der Hauttemperatur haupts\u00e4chlich besorgt, ist die ausserordentlich wechselnde Weite der Haut-gef\u00e4sse. Sobald die Haut mit kalter Luft in Ber\u00fchrung kommt, ziehen sich die Hautgef\u00e4sse zusammen, die Haut wird blass und kalt; die Differenz zwischen ihr und der Umgebung wird geringer und somit auch der W\u00e4rmeverlust. Umgekehrt, wenn die Haut mit warmer Luft in Ber\u00fchrung kommt, so erweitern sich die Hautgef\u00e4sse, die Haut wird roth und warm, die Differenz zwischen ihr und der Umgebung wird um ein entsprechendes gr\u00f6sser und somit auch der W\u00e4rmeverlust. Es liesse sich auf diese Weise eine solche Ausgleichung der Verluste denken, dass der Organismus immer gleich-","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung d. Eigenw\u00e4rme.- W\u00e4rmeregulirung durch die Haut. 399\nviel W\u00e4rme verliert, ob nun die Differenz zwischen K\u00f6rperw\u00e4rme gross oder gering sein mag.\nAuf diese Rolle der Haut hat schon Bergmann1 in klarer Weise aufmerksam gemacht und mit Recht hervorgehoben, dass die Einschiebung einer schlecht w\u00e4rmeleitenden Schicht zwischen der Haut und dem Inneren des K\u00f6rpers die Wechselwirkung zwischen beiden vorzugsweise auf das circulirende Blut beschr\u00e4nkt und dadurch die Regulirung wirksamer macht. Als solche isolirende Schicht betrachtet Bergmann den Panniculus adiposus. Wenn aber Adamkiewicz2 diese Rolle der Muskelschicht zuschieben will, so steht dies nicht nur mit den anatomischen Verh\u00e4ltnissen in Widerspruch, sondern beruht auch auf unrichtigen Voraussetzungen \u00fcber die physikalischen Eigenschaften der Muskeln. Nach Adamkiewicz soll n\u00e4mlich das Leitungsverm\u00f6gen der Muskelsubstanz auffallend gering, ihre W\u00e4rmecapacit\u00e4t aber auffallend gross, gr\u00f6sser als die des Wassers sein; die Versuche sind aber nicht genau genug, um diese Schl\u00fcsse zu gestatten, besonders die zweite Behauptung ist sicher unrichtig.\nDas W\u00e4rmeleitungsverm\u00f6gen der Haut hat Klug3 untersucht. Eine 0,2 cm dicke Haut Hess bei einer Temperaturdifferenz von 18\u00b0,2 auf ihren beiden Seiten 0,00248 W\u00e4rmeeinheiten in der Minute durch; dieselbe Haut, versehen mit einer 0,2 cm dicken Fettschicht nur 0,00123 W\u00e4rmeeinheiten. Bei geringeren Temperaturdifferenzen ist aber der Einfluss des Fettpolsters viel betr\u00e4chtlicher. Bei der Differenz von 9\u00b0 h\u00e4lt die Fettschicht nahezu 8/io der W\u00e4rme zur\u00fcck, welche die Haut allein durchlassen w\u00fcrde. Und da der bekleidete K\u00f6rper sich nach Pettenkofer ungef\u00e4hr in einer Luftschicht von 24\u00b0\u201430\u00b0 befindet, so sind in Wirklichkeit die Temperaturdifferenzen zu beiden Seiten der Haut nur gering. Die Epidermis ist trotz ihrer geringen Dicke ein sehr schlechter Leiter, aber ihr Leitungsverm\u00f6gen ist unabh\u00e4ngig von der Temperaturdifferenz.\nDiese Art der W\u00e4rmregulirung muss aber eine nat\u00fcrliche Grenze finden, sobald die Differenz zwischen Hautw\u00e4rme und Umgebungsw\u00e4rme Null wird. In diesem Falle k\u00f6nnte gar kein W\u00e4rmeverlust durch Leitung und Strahlung mehr stattfinden, und da im Inneren des K\u00f6rpers immerfort neue W\u00e4rme producirt und der Haut zugef\u00fchrt wird, so m\u00fcsste diese bald dieselbe Temperatur haben wie das Innere, der ganze K\u00f6rper m\u00fcsste in allen seinen Schichten nahezu gleich\n1\tBergmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1845. S. 300.\n2\tAdamkiewicz, Berl. klin. Wocli. 1874. S. 277, 1876. No. 39; Arch. f. Anat. u. Physiol. 1875. S. 78, 1876. S. 248; Centralbl. f. d. med. Wiss. 1874. Nr. 22.\n3\tKlug. Ztschr. f. Biol. X. S. 73.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nwarm sein. So lange nun diese Temperatur h\u00f6her ist als die der Umgebung, kann immer noch W\u00e4rmeverlust stattfinden und es kann daher noch die eigentliche K\u00f6rperw\u00e4rme constant bleiben. Wenn aber die Umgebungstemperatur noch h\u00f6her steigt und die Differenz zwischen ihr und der K\u00f6rperw\u00e4rme Null oder gar negativ wird, dann ist eine Regulirung auf diesem Wege nicht mehr m\u00f6glich, die Eigenw\u00e4rme muss \u00fcber die Norm steigen.\nIn diesem Falle kann nun aber der andere Factor der Abk\u00fchlung, die Verdunstung von der Haut, noch in Wirksamkeit sein, und es w\u00e4re m\u00f6glich, dass durch ihn eine so betr\u00e4chtliche W\u00e4rmebindung stattf\u00e4nde, dass die Eigenw\u00e4rme unge\u00e4ndert bliebe, selbst wenn die Differenz zwischen K\u00f6rpertemperatur und Umgebungstemperatur negativ ist.\nDie Erfahrungen, deren Ergebnisse wir zum Theil schon im zweiten Capitel mitgetheilt haben, lehren nun in der That, dass sich die Dinge ungef\u00e4hr so verhalten, wie wir sie hier dargestellt haben. Die W\u00e4rmeregulirung durch die Verdunstung kann aber, wie es scheint, bei so hohen Temperaturen, bei denen die W\u00e4rmeabgabe durch Strahlung und Leitung nicht mehr ausreicht, auch nur in beschr\u00e4nkter Weise und auf k\u00fcrzere Zeit gen\u00fcgen, eine Steigerung der W\u00e4rme zu verhindern. Die Verdunstung wird nat\u00fcrlich um so weniger wirken k\u00f6nnen, je mehr die Luft schon mit Wasserdampf ges\u00e4ttigt ist; bei Aufenthalt in heissen, mit Wasserdampf ges\u00e4ttigten R\u00e4umen oder gar in heissem Wasser f\u00e4llt sie ganz fort.\nMeine Beobachtungen1 \u00fcber das Verhalten von Thieren in R\u00e4umen von hoher Temperatur haben gezeigt, dass in Luft von +11\u201432\u00b0 C. die Eigenw\u00e4rme unge\u00e4ndert bleibt; dass bei Temperaturen von 32\u00b0\u201436\u00b0, d. h. also bei solchen, die etwas \u00fcber der durchschnittlichen Hautw\u00e4rme der Thiere liegen, ein geringes Steigen der Eigenw\u00e4rme (auf 41\u00b0\u201442\u00b0) eintritt, dann aber sich ein Gleichgewichtszustand herstellt, indem dann wieder gerade soviel W\u00e4rme abgegeben als producirt wird. Steigt dagegen die Aussentemperatur \u00fcber 36 so reicht die W\u00e4rmeregulirung nicht mehr aus. Die Temperatur der Thiere steigt auf 44\u00b0\u201445\u00b0 und bei so hohen Temperaturen tritt sehr schnell der Tod ein. Dabei ist, wie schon Ackermann angegeben hat, die Respiration ausserordentlich beschleunigt. Aber trotz der entschieden vermehrten Leistung des Respirationsapparats ist die Sauerstoffzufuhr nicht ausreichend, die enorm gesteigerte Sauerstoffzehrung auszugleichen. Denn nach dem durch Hitze bewirkten Tode\n1 Rosenthal, Zur Kenntniss der W\u00e4rmeregulirung b. d. warmbl\u00fctigen Thieren. S. 15 ff. Erlangen 1872.","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung d. Eigenw\u00e4rme. Verh\u00e4ltnisse beim Menschen. 401\nfindet man das Blut stets auffallend dunkel. Ob in diesem so entstandenen Sauerstoffmangel die Ursache des Todes gefunden werden kann, halte ich f\u00fcr sehr unwahrscheinlich, da reichliche k\u00fcnstliche Athmung das Leben nicht zu verl\u00e4ngern vermag. Wir m\u00fcssen vielmehr annehmen, dass die Nervenzellen der Centralorgane bei diesen hohen Temperaturen ihre Leistungsf\u00e4higkeit einb\u00fcssen.\nIV. Verh\u00e4ltnisse beim Menschen.\nAuch die Erfahrungen am Menschen sind mit diesen Vorstellungen vollkommen im Einklang, doch m\u00fcssen wir auf den Einfluss der Bekleidung R\u00fccksicht nehmen. Der an Bekleidung gew\u00f6hnte Mensch ist im nackten Zustande gegen \u00e4ussere K\u00e4lte viel empfindlicher als die durch ihren Pelz gesch\u00fctzten Thiere, und zeigt daher schon bei massiger K\u00e4lteeinwirkung Schwankungen seiner Eigenw\u00e4rme, wie besonders deutlich aus den Versuchen von Senator1, Winternitz2 und vielen anderen hervorgeht. Der bekleidete Mensch ist weniger empfindlich, weil die in unmittelbarer Ber\u00fchrung mit seiner Haut stehende Luftschicht hier dieselbe Rolle spielt wie die bei Thieren im Pelz oder den Federn eingeschlossene Luft. Sie erw\u00e4rmt sich bis nahezu auf die Temperatur der Haut und sch\u00fctzt wegen ihres geringen Leitungsverm\u00f6gens und ihrer relativen Unbeweglichkeit die Haut vor gr\u00f6sseren W\u00e4rme Verlusten. Der Mensch besitzt ausserdem in der Wahl der Bekleidung ein Mittel, sich den wechselnden Temperaturen entsprechend mehr oder weniger vor W\u00e4rmeverlusten zu sch\u00fctzen. Dadurch kann er, ebenso wie die Thiere mit dichtem Winterpelz selbst den starken K\u00e4ltegraden der arktischen Regionen mit Erfolg trotzen. Bei abnorm hohen Temperaturen aber verh\u00e4lt er sich auch gerade so, wie es die Versuche an Thieren gezeigt haben.\nIn dieser Beziehung sind die Erfahrungen sehr interessant, welche der Ingenieur der Gotthardbahn Stapf3 beim Bau des Gotthardtunnels gesammelt hat. Es ergibt sich aus denselben, dass mit der Zunahme der Luftw\u00e4rme bei fast vollkommen mit Wasserdampf ges\u00e4ttigter Luft auch die Eigenw\u00e4rme ziemlich regelm\u00e4ssig steigt und dass sie bei etwa 30\u00b0 Lufttemperatur nahezu auf 40\u00b0 kommt, der \u00e4ussersten Grenze, bei welcher noch ein nahezu normales Verhalten bestehen kann. Dass bei trocknerer Luft eine h\u00f6here Temperatur\n1\tSenator, Arch. f. pathol. Anat. XLV. S. 353, L. S. 354, LUI. S. 111.\n2\tWinternitz, Wiener raed. Jahrb. 1871. S.180, 1875. S. 1 : Arch. f\u2019. natholoo-\nAnat. LVI. S. 181.\tp\n3\tStapf, Arch. f. Anat. n. Physiol. 1879. Erg\u00e4nzungsband. S. 72.\nHandbuch der Physiologie, \u00dfd. IVa.\t26","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nderselben noch gut ertr\u00e4glich sein w\u00fcrde, ist als h\u00f6chst wahrscheinlich anzusehen.\nWas den Einfluss massiger W\u00e4rmeentziehungen beim Menschen anlangt, so haben die Beobachtungen von Senator und Winternitz \u00fcbereinstimmend ergeben, dass schon das blosse Verweilen des nackten K\u00f6rpers in Luft von 12\u00b0\u201415\u00b0 oder Abwaschungen mit Wasser von 90\u201410\u00ae ein Sinken der Hauttemperatur, sowie der Temperatur der Achselh\u00f6hle und des Rectums veranlasste. Dem Sinken geht in der Achselh\u00f6hle \u2014 nicht aber im Rectum \u2014 meistens ein geringes, aber nur kurzdauerndes Steigen voraus. Auf dieses Ansteigen hat zuerst Liebermeister 1 die Aufmerksamkeit gelenkt und darauf weittragende Folgerungen begr\u00fcndet, \u00fcber welche wir uns sp\u00e4ter ausf\u00fchrlich aussprechen werden. H\u00f6rt man mit der W\u00e4rmeentziehung auf, so sinkt die Temperatur in Achselh\u00f6hle und Rectum noch einige Zeit weiter und steigt dann erst wieder zur Norm, nachdem schon vorher die Hauttemperatur zugenommen hat. St\u00e4rkere W\u00e4rmeentziehungen z. B. durch kalte B\u00e4der, haben auch st\u00e4rkere W\u00e4rmeabnahme im Rectum und in der Achselh\u00f6hle zur Folge. Aber immer bleiben diese, wenn die Abk\u00fchlung bis zu beginnendem Fr\u00f6steln fortgesetzt wird, doch nur innerhalb enger Grenzen. Und es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Haut, indem sie zuerst und unter starker Verengerung ihrer Gef\u00e4sse abgek\u00fchlt wird, das Innere des K\u00f6rpers vor weiterer Abk\u00fchlung sch\u00fctzt, also in dem von uns er\u00f6rterten Sinne regu-lirend wirkt. H\u00f6rt die Einwirkung der \u00e4usseren K\u00e4lte auf, so muss sich erst die Haut auf Kosten des K\u00f6rperinneren wieder erw\u00e4rmen, daher die Nachdauer der Abk\u00fchlung an den tieferen Stellen.\nAuf sehr \u00fcberzeugende Weise hat Murri1 2 diese regulirende Rolle der Haut durch folgenden Versuch erl\u00e4utert. Einem Manne werden drei Thermometer angelegt: eins in den Meatus auditorius externus, eins unter das Pr\u00e4putium, das dritte ins Rectum. Nachdem der Stand der drei Thermometer abgelesen ist, l\u00e4sst man den Mann in ein k\u00fchles Bad (25\u00b0) steigen. Das Thermometer unter der Vorhaut nimmt sehr bald die Temperatur des Wassers an; das Thermometer im \u00e4usseren Geh\u00f6rgang sinkt gleichfalls, das im Rectum weniger und langsamer. Nun l\u00e4sst man die Versuchsperson schnell in ein daneben stehendes warmes Bad von 38\u00b0\u201440\u00b0 \u00fcbersteigen. Indem dadurch eine pl\u00f6tzliche starke Erweiterung der Hautgef\u00e4sse eintritt, folgt nun, w\u00e4hrend das Thermometer unter der Pr\u00e4putialhaut schnell\n1\tLiebermeister, Arch. f. Anat. 11. Physiol. 1860. S. 520.\n2\tMurri, Del potere regolatore della Temperatura animale. Lo Spenmentale. XXV. 1873.","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung cl. Eigenw\u00e4rme. Wirkungen d. ver\u00e4nd. Blutcirculation. 403\nbis fast auf die Temperatur des Bades steigt, ein weiteres und noch schnelleres Sinken der Temperatur im Geh\u00f6rorgan und im Rectum und es dauert sehr lange bis letztere wieder steigt, w\u00e4hrend die im Geh\u00f6rgang schon fr\u00fcher wieder zu steigen beginnt.\nIn sehr treffender Weise hat schon Virchow1 in Ankn\u00fcpfung an \u00e4ltere Versuche von ihm \u00fcber die Wirkung kalter B\u00e4der auseinandergesetzt, warum die Abk\u00fchlung nach dem Bade erst recht hervortreten muss. W\u00e4hrend des Bades ist die Haut blutarm und die W\u00e4rmeentziehung deswegen beschr\u00e4nkt. Nach dem Bade dringt das Blut reichlich in die abgek\u00fchlte Haut ein und dadurch verlieren die inneren Th eile um so mehr W\u00e4rme an sie und an die Umgebung.\nY. Wirkungen der ver\u00e4nderten Blutcirculation.\nAus alle dem geht hervor, wie wichtig f\u00fcr die regulatorische Wirkung der Haut die Blutcirculation in derselben ist. In der That sind die verwickelten Erscheinungen der W\u00e4rme\u00f6conomie nur zu verstehen, wenn man fortw\u00e4hrend ber\u00fccksichtigt, dass jede Temperatur\u00e4nderung der Haut nicht nur die Gef\u00e4sse derselben \u00e4ndert, sondern damit zugleich auf die Circulation in allen anderen Theilen und auf die W\u00e4rmevertheilung im ganzen K\u00f6rper ein wirkt. Deshalb sind auch alle Messungen in der von uns fr\u00fcher erw\u00e4hnten Zwischenschicht (und zu dieser geh\u00f6rt vor allem auch die Achselh\u00f6hle) nicht unmittelbar als Ausdruck der Temperaturverh\u00e4ltnisse des Gesammtk\u00f6rpers zu verwerthen. Die Temperatur kann in der Achselh\u00f6hle steigen, w\u00e4hrend die Gesammtk\u00f6rperw\u00e4rme sinkt, und umgekehrt. Ob eine Messung in der Zwischenschicht oder in dem inneren Kerne geschehen ist, l\u00e4sst sich nur entscheiden durch Verschieben des Thermometers in radialer Richtung, indem solche Verschiebung keinen Einfluss auf den Stand des Thermometers haben darf, wenn dasselbe in dem inneren Kerne gelegen ist; wogegen eine Ann\u00e4herung an das Centrum ein Steigen, eine Entfernung vom Mittelpunkte ein Fallen des Thermometers zur Folge haben muss, so lange das Thermometer sich in der Zwischenschicht bewegt. Dieser Versuch ist nat\u00fcrlich nur am Rectum ausf\u00fchrbar, doch halte ich es f\u00fcr zweifelhaft, ob in allen Messungen am Rectum des Menschen das Thermometer auch hinreichend tief eingef\u00fchrt worden sei, um wirklich den inneren Kern zu erreichen. Alle \u00e4lteren Temperaturangaben, insbesondere aber die in der Mund- oder Achselh\u00f6hle ge-\n1 Virchow, Arch. f. pathol. Anat. XY. S. 70, LII. S. 133.\n26*","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404\nRosenthal, Lie Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nwonnenen, sind daher nur als Ann\u00e4herungen zu betrachten, welche nicht die wahre K\u00f6rperw\u00e4rme angeben, sondern nur eine Grenzbestimmung von mehr oder weniger grosser Genauigkeit.\nDie \u00e4ussere Grenzschicht, welche unmittelbar durch W\u00e4rmeabgabe abgek\u00fchlt wird, muss im Allgemeinen der K\u00f6rperoberfl\u00e4che nahezu parallel sein. Verwickelter aber ist die Gestalt der mittleren Zwischenschicht, und ihre Dicke kann an verschiedenen K\u00f6rperstellen erhebliche Abweichungen zeigen. Im Grossen und Ganzen kann soviel im Voraus festgestellt werden, dass diese Zwischenschicht um so dicker werden, das heisst um so tiefer nach innen sich erstrecken muss,-je st\u00e4rker die Abk\u00fchlung an der Oberfl\u00e4che ist, dass sie also an hervorragenden, d\u00fcnnen K\u00f6rpertheilen, wie den Extremit\u00e4ten, dicker sein muss als am Rumpfe, dass ferner bei verst\u00e4rkter allgemeiner W\u00e4rmeabgabe die Dicke der Zwischenschicht wachsen muss. Gleichbleibende W\u00e4rmeerzeugung vorausgesetzt, w\u00fcrde in diesem Falle, d. h. wenn durch vermehrte W\u00e4rmeentziehung die Oberfl\u00e4che abgek\u00fchlt wird, ein in der Zwischenschicht liegendes Thermometer um so fr\u00fcher und um so st\u00e4rker sinken, je oberfl\u00e4chlicher es liegt; ein im inneren Kern liegendes Thermometer k\u00f6nnte entweder gleichfalls sinken oder auch unver\u00e4ndert bleiben. Letzteres w\u00fcrde dann der Fall sein, wenn die Abk\u00fchlung nicht stark genug w\u00e4re, den ganzen Kern merklich abzuk\u00fchlen. Nichtsdestoweniger h\u00e4tte die Gesammtw\u00e4rme des Thieres in diesem Falle dennoch abgenommen, da ein Theil desselben seine W\u00e4rme unver\u00e4ndert behalten, ein anderer aber k\u00e4lter geworden ist. Man sieht aber, dass um die Abnahme der Gesammtw\u00e4rme in diesem Falle festzustellen, die Messung nicht in zu grossem Abstande von der Oberfl\u00e4che geschehen darf, n\u00e4mlich h\u00f6chstens in der Tiefe, welche f\u00fcr gew\u00f6hnlich schon zum inneren Kerne geh\u00f6rig, bei der vermehrten W\u00e4rmeabgabe aber in den Bereich der ver\u00e4nderlichen Zwischenschicht gezogen wird. Aehn-liches tritt auf bei verminderter W\u00e4rmeabgabe. Die Zwischenschicht wird hier d\u00fcnner, w\u00e4hrend der Kern zunimmt, und ein an der Grenze beider liegendes Thermometer w\u00fcrde steigen, w\u00e4hrend ein tiefer liegendes m\u00f6glicherweise unver\u00e4ndert bliebe, trotzdem die Gesammtw\u00e4rme des Thieres sicher zugenommen hat.\nDiese Verh\u00e4ltnisse werden aber noch, verwickelter, wenn wir darauf R\u00fccksicht nehmen, dass die Ver\u00e4nderungen der Circulation nicht nur den Grad der Abk\u00fchlung im Allgemeinen bestimmen, sondern auch die Vertheilung der W\u00e4rme innerhalb des K\u00f6rpers erheblich \u00e4ndern kann. Wir wollen, um diesen Einfluss kennen zu lernen, annehmen, die Gef\u00e4sse des ganzen K\u00f6rpers w\u00fcrden pl\u00f6tzlich","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung d. Eigenw\u00e4rme. Wirkungen d. ver\u00e4nd. Blutcirculation. 405\nweiter. Das Blut, welches aus dem Herzen in die Arterien einstr\u00f6mt, kommt aus dem inneren Kern und hat im Allgemeinen dessen hohe Temperatur. Indem es in die Oberfl\u00e4chenschicht einstr\u00f6mt, erw\u00e4rmt es diese. Letztere wird daher um so w\u00e4rmer sein m\u00fcssen, je mehr Blut sie empf\u00e4ngt. Indem die Oberfl\u00e4che aber w\u00e4rmer wird, gibt sie bei gleichbleibender W\u00e4rme der Umgebung mehr W\u00e4rme an dieselbe ab, und dieser W\u00e4rmeverlust wird um so mehr gesteigert, als ja jetzt viel gr\u00f6ssere Blutmengen durch die Oberfl\u00e4che fliessen und mit der k\u00e4lteren Umgebung in Wechselwirkung treten. Das ganze Thier k\u00fchlt so allm\u00e4hlich ab, w\u00e4hrend die Unterschiede in den Temperaturen des Kernes, der Zwischenschicht und der Oberfl\u00e4che geringer werden. Dieser Fall tritt ein bei L\u00e4hmung s\u00e4rnrnt-licher vasomotorischer Nerven, wie sie nach R\u00fcckenmarksdurchschnei-dung erfolgt, und so erkl\u00e4rt sich die betr\u00e4chtliche Abk\u00fchlung der Thiere nach dieser Operation, wie dies in einer auf meine Veranlassung unternommenen Untersuchung von Tscheschichin1 dargelegt ist. Die Gesammttemperatur des Thieres sinkt hier, w\u00e4hrend die Unterschiede zwischen der Temperatur des Kernes und der Oberfl\u00e4che geringer werden, ja ganz verschwinden k\u00f6nnen, wenn man das Thier in Baumwolle einwickelt und so die Oberfl\u00e4che etwas vor der Abk\u00fchlung sch\u00fctzt, wodurch das Sinken der Gesammtw\u00e4rme aufgehalten, aber nicht verhindert werden kann. Bei vermehrter Abk\u00fchlung dagegen, wie beim Eintauchen des Thieres in kaltes Wasser, sinkt die K\u00f6rperw\u00e4rme viel schneller, und ein solches Thier gibt in gleicher Zeit viel mehr W\u00e4rme an das Wasser ab, als ein normales Thier unter sonst gleichen Umst\u00e4nden, indem bei letzterem die W\u00e4rmeabgabe durch die engeren Gef\u00e4sse der Oberfl\u00e4che eine geringere ist. Aehnlich wie R\u00fcckenmarksdurchschneidung wirken nach diesen Versuchen auch andere Einfl\u00fcsse, welche die vasomotorischen Nerven l\u00e4hmen, wie Nicotin und Curare. Von dem ersteren habe ich nachgewiesen, dass es die Gef\u00e4ssnerven l\u00e4hmt'2, von dem anderen fand Claude Bernard dasselbe. Obgleich nun nicht geleugnet werden kann, dass die R\u00fcckenmarksdurchschneidung vielleicht auch einen Einfluss auf die W\u00e4rmeproduction aus\u00fcbt, so ist jedenfalls zur Erkl\u00e4rung der W\u00e4rmeabnahme die vermehrte xkbgabe in Folge der Ge-f\u00e4ssl\u00e4hnmng vollkommen ausreichend. Ja, wenn es sich best\u00e4tigen sollte, was Einige behaupten, dass die W\u00e4rmeproduction nach dieser Operation erh\u00f6ht sei, so w\u00e4re der Einfluss der Gef\u00e4ssl\u00e4hmung um so mehr dadurch bewiesen. Wir wollen diese Frage nach den\n1\tTscheschichin, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1866. S. 151.\n2\tRosenthal, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1863. S. 737.","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\netwaigen Ver\u00e4nderungen der W\u00e4rmeproduction nach R\u00fcckenmarks-durchschneidung jedoch hier nicht weiter untersuchen, da wir noch an einer anderen Stelle auf sie zur\u00fcckkommen m\u00fcssen.\nIn diesem Falle sind alle, oder doch fast alle Gef\u00e4ssnerven gel\u00e4hmt. Anders gestalten sich die Verh\u00e4ltnisse, wenn nur ein Theil derselben gel\u00e4hmt wird, z. B. wenn das R\u00fcckenmark an einer tieferen Stelle, oder wenn einzelne vasomotorische Nerven, z. B. ein Sympathicus durchschnitten wird. Je kleiner der dadurch gel\u00e4hmte Gef\u00e4ssbezirk ist, desto geringer wird der Einfluss dieser L\u00e4hmung auf den Gesammtblutdruck sein. Wenn z. B. nur ein Sympathicus am Halse durchschnitten und dadurch die Gef\u00e4sse der einen Kopfh\u00e4lfte gel\u00e4hmt sind, so hat dies keinen merklichen Einfluss auf den Gesammtblutdruck. In die erweiterten Gef\u00e4sse der betreffenden Kopfh\u00e4lfte str\u00f6mt daher desto mehr Blut, und da diese Theile k\u00e4lter sind, als das aus dem inneren Kerne kommende Blut, so werden sie jetzt erheblich w\u00e4rmer. Sie geben nun nat\u00fcrlich gleichfalls mehr W\u00e4rme an die Umgebung ab als gew\u00f6hnlich; bei der Kleinheit der in Frage kommenden Oberfl\u00e4che hat dies aber nur einen geringen Einfluss auf die Gesammtw\u00e4rme des Thieres, welche allerdings ein Weniges abnimmt, so aber, dass sich bald wieder ein Gleichgewichtszustand herstellt zwischen der W\u00e4rmeproduction und der um ein Geringes gesteigerten W\u00e4rmeabgabe und bei dieser neuen Gleichgewichtslage bleibt der betreffende Theil dauernd w\u00e4rmer. Je gr\u00f6sser aber dieser Theil ist, desto erheblicher ist auch sein Einfluss auf die Gesammttemperatur, und wenn die W\u00e4rmeabgabe gr\u00f6sser wird, als die W\u00e4rmeproduction, so tritt ein allm\u00e4hliches Sinken der K\u00f6rperw\u00e4rme ein.\nDiese Folge ist aber dann besonders stark, wenn zwar nur ein Theil des Gef\u00e4sssystems gel\u00e4hmt ist, wenn dieser Theil aber gerade die oberfl\u00e4chlichen Gef\u00e4sse umfasst, an denen die Abk\u00fchlung erfolgt. Diese Gef\u00e4sse erhalten dann noch mehr Blut, als wenn das ganze Gef\u00e4sssystem gel\u00e4hmt w\u00e4re, und sie geben daher noch mehr W\u00e4rme an die Umgebung ab, als in jenem Falle. Die Folge davon muss also ein schnelles Sinken der gesammten K\u00f6rperw\u00e4rme sein. Von diesen Betrachtungen ausgehend versuchte ich das Sinken der K\u00f6rperw\u00e4rme bei gewissen Eingriffen auf die Haut zu erkl\u00e4ren, und diese Anschauungen haben sich auch in zwei auf meine Veranlassung ausgef\u00fchrten Untersuchungen \u00fcber die Ursachen der Temperaturabnahme bei Firnissung der Haut und bei ausgedehnten Verbrennungen bew\u00e4hrt. In der ersteren dieser Untersuchungen fand Laschkewitsch ',\n1 Laschkewitsch, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1868. S. 61.","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung cl. Eigenw\u00e4rme. Wirkungen cl. ver\u00e4ncl. Blutcirculation. 407\ndass bei theilweiser Firnissung der Hautoberfl\u00e4che die Temperatur an den gefirnissten Stellen unter der Haut stieg, und dass diese Stellen in kalter Umgebung mehr W\u00e4rme abgaben als die entsprechenden ungefirnissten K\u00f6rpertheile. Die Gef\u00e4sse unterhalb der gefirnissten Stellen waren stark erweitert. Calorimetrische Versuche lehrten, dass gefirnisste Thiere mehr W\u00e4rme abgaben als gleich grosse ungefirnisste in gleicher Zeit. Wurde die W\u00e4rmeabgabe durch Einh\u00fcllung in schlechte W\u00e4rmeleiter verhindert, so sank die K\u00f6rpertemperatur nicht und die Thiere blieben am Leben. Durch diese Versuche ist also bewiesen, dass die K\u00f6rperw\u00e4rme bei der Haut-firnissung nur in Folge vermehrter W\u00e4rmeabgabe sinkt, und dass diese auf Rechnung der Gef\u00e4ssl\u00e4hmung zu setzen ist. Auf diese Weise erkl\u00e4rt sich auch die Beobachtung von Valentin, dass gefirnisste Thiere in einer Temperatur von 20\u201425\u00b0 C. keine abnormen Erscheinungen zeigen.1\nW\u00e4hrend wir aber \u00fcber die Ursache der Gef\u00e4ssenveiterung bei Firnissung der Haut im Unklaren sind, ist diese Erweiterung bei Verbrennungen ganz selbstverst\u00e4ndlich. Und so stellte sich denn auch in den von Falk hier\u00fcber angestellten Versuchen2 heraus, dass die verbrannten Hautstellen w\u00e4rmer werden, und dass verbrannte Thiere unter sonst gleichen Umst\u00e4nden mehr W\u00e4rme abgeben, so dass die Abnahme der K\u00f6rperw\u00e4rme bei umfangreichen Hautverbrennungen unbedingt als Folge dieser vermehrten W\u00e4rmeabgabe anzusehen ist. Die Gef\u00e4ssenveiterung durch Verbrennungen ist viel bedeutender als die durch Nervendurchschneidung erzeugte, wahrscheinlich weil die Gef\u00e4ssmusculatur auch nach L\u00e4hmung ihrer Nerven noch einen gewissen Grad von Contractilit\u00e4t beh\u00e4lt, w\u00e4hrend sie nach Verbrennungen vollkommen gel\u00e4hmt wird. Demgem\u00e4ss sinkt auch der Blutdruck in den grossen Arterien um so betr\u00e4chtlicher, je umfangreicher die Verbrennung ist, und die dadurch herbeigef\u00fchrten St\u00f6rungen in der Circulation erkl\u00e4ren, wie die Temperaturabnahme, so auch die \u00fcbrigen sch\u00e4dlichen Einwirkungen der Verbrennung, ohne dass man die Retention sch\u00e4dlicher Stoffe wegen unterdr\u00fcckter Hautathmung anzunehmen braucht, welche hier ebensowenig nachgewiesen ist, wie nach der Firnissung.\nVI. Einfluss der Verdunstung.\nIn den vorhergehenden Betrachtungen ist die W\u00e4rmeabgabe der Haut als Ganzes behandelt worden, ohne R\u00fccksicht darauf, wie viel\n1\tValentin, Arch. f. physiol. Heilk. XI. S. 433.\n2\tFalk, Arch. f. pathol. Anat. LUI. S. 27.","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"408\tRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nauf Rechnung- der Strahlung und Leitung, wie viel auf Rechnung der Verdunstung zu setzen ist. Der letztere Factor spielt aber bei den Thieren offenbar eine viel kleinere Rolle als beim Menschen, haupts\u00e4chlich weil wegen der Behaarung eine schnelle und starke Verdunstung ergossenen Schweisses auch bei trockener Luft nicht statttinden kann. Und wirklich ist eine lebhafte Schweisssecretion bei Thieren auch nur an unbehaarten Stellen (Zehenballen u. s. w.) nachgewiesen.1 In Uebereinstimmung damit zeigten meine Versuche an Thieren in warmer Luft fast gar keinen Unterschied des Verhaltens, gleichg\u00fcltig ob die Luft trocken oder ob sie mit Wasserdampf ges\u00e4ttigt war, w\u00e4hrend dieser Umstand beim Menschen von sehr erheblicher Bedeutung ist. Es ist aber ausserordentlich schwer, den Antheil der Abk\u00fchlung durch Verdunstung zu bestimmen, da er nicht nur von der Temperatur und dem Feuchtigkeitsgehalt der umgebenden Luft, sondern auch von ihrer Bewegung abh\u00e4ngt, welche die Menge der mit der K\u00f6rperoberfl\u00e4che in der Zeiteinheit in Ber\u00fchrung kommenden Luft bedingt. Um den Einfluss der Verdunstung ungef\u00e4hr zu bestimmen, hat Helmholtz2 eine Tabelle berechnet, in welcher die W\u00e4rmeeinheiten angegeben sind, die ein Luftvolum, entsprechend dem von 1 grm bei 760 mm Druck und 0\u00b0 aufnehmen muss, um bis 37\u00b0 erw\u00e4rmt zu werden, mit Verdunstung bis zur S\u00e4ttigung (A) und ohne dieselbe (B). Die Dunstmenge, welche in der Atmosph\u00e4re schon vorhanden ist, ist angegeben in Procenten der zur S\u00e4ttigung nothwendigen.\nTemperatur der Atmosph\u00e4re\tA bei einem Feuchtigkeitsgehalt von 50\t!\t70\t|\t90\t|\t100\t\t\t\tB Ohne V erdunstung\n35\t11,6\t8,0\t4,3\t2.4\t0,5\n30\t15,0\t12,1\t93\t7,9\t1.7.\n25\t17,9\t15.8\t13,6\t12,5\t2,9\n20\t20.5\t18,9\t17,3\t16,5\t4,2\n15\t22.9\t21,7\t20,5\t19,9\t5.6\n10\t25,1\t24,2\t23,3\t22,9\t6,9\n5\t27,2\t26,5\t25,9\t25,5\t7,4\n0\t29.1\t28,6\t28,2\t28,0\t9,9\nEs geht aus der Tabelle hervor, dass namentlich bei h\u00f6heren Temperaturen die Abk\u00fchlung durch Verdunstung die durch Erw\u00e4rmung der Luft bedeutend \u00fcberwiegt. Bei einer Umgebungsw\u00e4rme\n1\tVgl. hier\u00fcber den Abschnitt Schweisssecretion. V. 1. S. 421 ff.\n2\tHelmholtz, a. a. O. S. 566.","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung der Eigenw\u00e4rme. Einfluss der K\u00f6rpergr\u00f6sse. 409\nvon 35\u00b0 z. B. w\u00fcrde durch Erw\u00e4rmung- der Luft allein nur etwa V:20 der W\u00e4rme verbraucht werden, welche durch die S\u00e4ttigung der Luft gebunden w\u00fcrde, wenn diese urspr\u00fcnglich 50% Feuchtigkeit enthalten h\u00e4tte. In diesem Verh\u00e4ltnis wird auch nichts wesentliches ge\u00e4ndert, wenn man die der Berechnung zu Grunde gelegten Daten etwas \u00e4nderte. In der That ist ja die Annahme, dass die Luft in Ber\u00fchrung mit unsrer Haut auf 37\u00b0 erw\u00e4rmt und f\u00fcr diese Temperatur mit Wasserdampf ges\u00e4ttigt w\u00fcrde, zu hoch gegriffen; sie trifft nur f\u00fcr die Athmungsluft zu. Aber wenn wir auch danach die absoluten Werthe der Tabelle reduciren m\u00fcssen, der wesentliche Inhalt bleibt derselbe. Daraus folgt nun die grosse Bedeutung, welche der wechselnde Blutgehalt oder Haut auch f\u00fcr die W\u00e4rmeregulirung dadurch gewinnt, dass er die Ergibigkeit der Schweiss-secretion bestimmt.\nVII. Einfluss der K\u00f6rpergr\u00f6sse.\nWir k\u00f6nnen diesen Gegenstand nicht verlassen, ohne schliesslich noch eines Umstands zu gedenken, auf welchen Bergmann1 zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt hat, n\u00e4mlich den Einfluss, welchen die relative Gr\u00f6sse der K\u00f6rperoberfl\u00e4che zum K\u00f6rpervolum auf die W\u00e4rmeregulirung hat. Je gr\u00f6sser ein Thier ist, desto gr\u00f6sser ist das Verh\u00e4ltniss seines Volums oder Gewichts zu seiner Oberfl\u00e4che. Da nun die W\u00e4rmeproduction der Masse des Thiers nahezu proportional sein muss, die gesummten W\u00e4rmeverluste aber ungef\u00e4hr proportional der K\u00f6rperoberfl\u00e4che, so folgt daraus, dass von zwei sonst gleichen Thieren das gr\u00f6ssere relativ viel weniger W\u00e4rme verliert. Also muss, wenn beide gleiche Temperatur bewahren sollen, entweder die W\u00e4rmeproduction in dem kleineren viel lebhafter sein, oder es muss besondere Schutzvorrichtungen besitzen, welche dem gr\u00f6sseren fehlen. Auch muss bei Schwankungen der Aussentempe-raturen die Eigenw\u00e4rme des gr\u00f6sseren viel geringere Schwankungen zeigen als das kleinere.\nAlle diese I olgerungen sind mit der Erfahrung in vollkommnem Einklang. Um zun\u00e4chst von den Schwankungen der Eigenw\u00e4rme zu sprechen, so sind diese bei kleineren Thieren viel erheblicher als bei grossen, wie schon im zweiten Capitel angef\u00fchrt wurde. Kaninchen z. B. wechseln ihre Temperatur mehr als Hunde, junge Thiere mehr als erwachsene.2\n1\tBergmann, Gotting. Studien. Abth. I. S. 595. 1847. \u2014 Bergmann u Leuckart Anat.-physiol. Uebersicht des Thierreichs. Neue Ausg. S. 270 ff. Stuttgart 1855.\n2\tYgl. hier\u00fcber W. Edwards a. a. O. S. 132 ff.","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nDa Wasser dem K\u00f6rper mehr W\u00e4rme entzieht als Luft von gleicher Temperatur, so ist es, wie Bergmann1 bemerkt, sehr interessant, dass die im Wasser lebenden Homoiothermen meist von sehr bedeutender K\u00f6rpergr\u00f6sse sind. Wir finden ferner, dass die kleinsten Homoiothermen unter den Tropen leben und dass von einander \u00e4hnlichen aber verschieden grossen Thieren die gr\u00f6sseren Arten immer in den k\u00e4lteren Klimaten leben. Mittel, welche die W\u00e4rmeableitung beschr\u00e4nken, wie Fettpolster, Pelz und Federn, k\u00f6nnen hierin Unterschiede hervorbringen; wo der Pelz wenig oder gar nicht n\u00fctzen w\u00fcrde, wie bei den im Wasser lebenden S\u00e4ugern, tritt das Unterhautfettgewebe in um so reichlicherer Entwicklung auf.\nIn gleicher Weise kann aber auch bei einem und demselben Thier das Verh\u00e4ltniss der K\u00f6rpermasse zur K\u00f6rperoberfl\u00e4che innerhalb gewisser Grenzen wechseln. Bei grosser K\u00e4lte kauern sich die Thiere zusammen und verkleinern dadurch ihre Oberfl\u00e4che, w\u00e4hrend sie bei abnorm hohen Aussentemperaturen der Umgebung durch Ausstrecken der Extremit\u00e4ten eine m\u00f6glichst grosse Oberfl\u00e4che darbieten und dadurch die W\u00e4rmeabgabe vermehren. Werden Thiere aber bei mittlerer Umgebungsw\u00e4rme in eine derartige Lage gebracht, wie es z. B. beim Auf binden auf das Vivisectionsbrett zu geschehen pflegt, so verm\u00f6gen sie ihre Eigenw\u00e4rme nicht zu behaupten. Diese sinkt vielmehr, um so schneller, je niederer die Umgebungsw\u00e4rme ist, und stellt sich auf einen niedreren Punkt ein, wo W\u00e4rmebildung und W\u00e4rmeverlust sich das Gleichgewicht halten.\nAdamkiewicz2 u. A. nehmen allerdings an, dass in diesem Falle durch Ausschaltung der Muskelth\u00e4tigkeit auch die W\u00e4rmeproduction geringer werde. Adamkiewicz beruft sich u. A. auf Versuche von Erler3, nach welchem bei gefesselten Thieren auch die C(h-Production geringer ausf\u00e4llt. Da aber nach vollkommner L\u00e4hmung der Musculatur (R\u00fcckenmarksdurchschneidung) mit der gr\u00f6sseren Temperaturabnahme auch die C6b-Ausgabe in viel h\u00f6herem Grade sank als bei der Fesselung, so w\u00fcrde daraus zu folgern sein, dass auch bei gefesseltem Thier noch erhebliche Muskelspannung vorhanden sei. Und damit wird die Auffassung von Adamkiewicz unhaltbar. Meines Erachtens ist der Wechsel in der CCh-Production als Folge und nicht als Ursache des Temperaturabfalls anzusehen. Dass absolute Ruhe des Thiers in seiner gew\u00f6hnlichen kauernden Haltung bei\n1\tBergnann, a, a. 0.\n2\tAdamkiewicz, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1875. S. 82 ff., 1876. S. 254 ff.\n3\tErler, Ueber das Verh\u00e4ltniss der Kohlens\u00e4ureabgabe zum Wechsel der K\u00f6rperw\u00e4rmen. Inaug.-Diss. K\u00f6nigsberg 1875.","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung d. Eigenw\u00e4rme. Anpassung d. W\u00e4rmeproduction. 411\nKaninchen keinen Temperaturabfall bewirkt, haben Fleischer1 2, Manassein- und viele Andere wiederholt constatirt. Man kann freilich annehmen, dass bei dieser Haltung die K\u00f6rpermusculatur immer noch gespannt sei und daher mehr W\u00e4rme producire als bei der Fesselung. Die Thatsache, dass mit der Vergr\u00f6sserung der K\u00f6rperoberfl\u00e4che die W\u00e4rmeverluste auch gr\u00f6sser werden, wird jedoch durch alle diese Ueberlegungen nicht entkr\u00e4ftet.\nA III. Regulirung durch Anpassung der W\u00e4rmeproduction.\nDie vorstehenden Er\u00f6rterungen haben soviel ergeben, dass die Haut als ein wesentlicher Factor der W\u00e4rmeregulirung anzusehen ist. Es kann aber daneben auch noch eine W\u00e4rmeregulirung anderer Art bestehen, indem sich die TI hrmeproduclion den W\u00e4rme Verlusten anpasst, so dass bei gr\u00f6sseren Verlusten mehr W\u00e4rme producirt wird als bei kleineren.\nBei der Discussion dieser Frage m\u00fcssen zwei F\u00e4lle streng von einander geschieden werden. Handelt es sich um lange Zeitr\u00e4ume, so scheint es ganz unzweifelhaft, dass eine solche Beziehung zwischen W\u00e4rmeproduction und W\u00e4rmeverlusten besteht. Die Bewohner kalter Regionen n\u00e4hren sich aut ganz andre Weise als die Bewohner warmer Gegenden. Sie essen nicht nur quantitativ viel mehr, sondern sie bevorzugen auch in ihrer Nahrung solche Stoffe, welche besonders geeignet sind, viel W\u00e4rme zu erzeugen, besonders Fette. Auch in unsern Gegenden findet ein Unterschied in der Wahl der Nahrungsmittel im Sommer und Winter statt. Grosse Thiere verzehren im Verh\u00e4ltnis zu ihrem K\u00f6rpergewicht weniger Nahrung als kleine und geben entsprechend geringere Mengen von Producten des Stoffwechsels aus. Kurz alles spricht daf\u00fcr, dass, wenn wir l\u00e4ngere Zeitr\u00e4ume mit einander vergleichen, im Organismus um so mehr W\u00e4rme producirt wird, je gr\u00f6sser die W\u00e4rme Verluste sind, so dass auf diesem Wege Gleichgewicht zwischen Production und Verlust und somit eine Regulirung der Eigenw\u00e4rme zu Stande kommen kann.\nDem widersprechen nun freilich die Ergebnisse der directen Messung an Hunden in den Untersuchungen von Senator.3 Denn dieser fand, dass Hunde bei F\u00fcllung des Calorimeters mit k\u00e4lterem Wasser, wobei sie merklich abgek\u00fchlt wurden, jedenfalls nicht mehr, vielmehr, wenn man den W\u00e4rmeverlust des K\u00f6rpers ber\u00fccksichtigt\u2019\n1\tFleischer, Arch. f. cl. ges. Physiol. IL S. 437.\n2\tManassein, Ebenda. IV. S. 287.\n3\tSenator, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1872. S. 1 ff., 1874. S. 18 ff.","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nganz entschieden weniger W\u00e4rme producirten als bei den fr\u00fcher mit-getheilten Versuchen in w\u00e4rmerer Umgebung. Bei l\u00e4ngerer Fortsetzung des Versuchs sank die W\u00e4rmeabgabe des Thiers mit seiner fortschreitenden Abk\u00fchlung erst schnell und dann allm\u00e4hlich langsamer. Aber seine Versuche ergeben ausserdem, dass die Temperatur der Umgebung von geringerem Einfluss auf die W\u00e4rmepro-duction ist als andre Umst\u00e4nde. Denn obgleich bei einem Theil der Versuche, welcher in k\u00e4lterer Jahreszeit angestellt wurde, die Temperatur des Calorimeterwassers, um Abk\u00fchlung der Thiere zu verh\u00fcten, ein wenig h\u00f6her genommen werden musste, aber immer noch in den Grenzen, welche keine Steigerung der Eigenw\u00e4rme bewirkt (28\u00b0\u201429\u00b0), so producirten die Thiere doch in dieser k\u00e4lteren Jahreszeit bei gleicher F\u00fctterung und Gleichheit aller sonstigen Bedingungen weniger W\u00e4rme als im warmen Sommer, wie aus folgenden Zahlen hervorgeht:\nEs producirte pro Tagesstunde auf 1 Kilo K\u00f6rpergewicht bei einem Temperaturunterschied der Luft von etwa 10\u00b0:\nH\u00fcndin A im August 2,34 Ca, im October 1,84 Ca Hund C \u201e\t\u201e\t2,24 \u201e\t1\nn\t\u00bb\t-\u20181^* n n\tn\ti,vo \u201e\nIn gleicher Weise war auch die ausgeathmete CCk im October geringer als im August.\nEs ist jedoch eine L\u00f6sung des Widerspruchs m\u00f6glich, wenn man annimmt, dass diese Art der Regulirung erst bei gr\u00f6sseren Temperaturdifferenzen der Umgebung in Wirksamkeit tritt, als sie Senator untersuchte. Auch ist nicht zu \u00fcbersehen, dass diese Calori-meterversuche immer nur kurze Zeitr\u00e4ume umfassen. Senator selbst sucht den Widerspruch zwischen der geringeren W\u00e4rmeproduction und der gleichen vollkommen verdauten Nahrung durch die Ver-muthung aufzul\u00f6sen, dass in der Verdauungsperiode mehr W\u00e4rme producirt werde, so dass also doch die ganze in 24 Stunden producirte W\u00e4rmemenge im Winter dieselbe sein w\u00fcrde wie im Sommer. Leider hat er calorimetrische Messungen in der Verdauungsperiode w\u00e4hrend der kalten Jahreszeit nicht angestellt, um seine Vermuthung zu pr\u00fcfen.\nNoch aut einen Umstand mag hier kurz hingewiesen werden, welcher die Verwerthung der bisherigen calorimetrischen Bestimmungen erschwert. Der Raum, in welchem sich die Thiere befinden, ist aus \u00e4usseren Gr\u00fcnden immer sehr eng und die Thiere sind daher in ihrer freien Bewegung sehr behindert. Nach den sp\u00e4ter mitzu-theilenden Stoffwechselbestimmungen k\u00f6nnte man vermuthen, dass","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung d. Eigenw\u00e4rme. Anpassung d. W\u00e4rmeproduction. 413\nvielleicht unter diesen Umst\u00e4nden die W\u00e4rmeregulirung durch die W\u00e4rmeproduction nicht in ihrer vollen Wirksamkeit auftreten k\u00f6nne.\nZur endg\u00fcltigen L\u00f6sung der Frage w\u00fcrde es n\u00f6thig sein, \u00fcber l\u00e4ngere Zeitr\u00e4ume sich erstreckende calorimetrische und Stoffwechselbestimmungen bei m\u00f6glichst weit voneinander abstehenden Temperaturen zu vergleichen. Erstere fehlen bis jetzt ganz, sind auch mit den zu Gebote stehenden Mitteln nicht zu beschaffen. Letztere sind auch nur in ungen\u00fcgender Weise vorhanden und ihrer Ver-werthung stellen sich noch grosse Hindernisse entgegen.\nVon diesen F\u00e4llen sind aber wohl zu unterscheiden die etwaigen Aenderungen der W\u00e4rmeproduction, welche innerhalb kurzer Zeitr\u00e4ume eintreten sollen, um pl\u00f6tzliche Schwankungen der Aussen-temperatnr in ihrer Einwirkung auf den Organismus auszugleichen oder gar zu \u00fcbercompensiren.\nEine solche directe W\u00e4rmeregulirung durch Anpassung der Production wird von einigen Forschern ebenso bestimmt behauptet, wie sie von andern geleugnet wird.\nVorzugsweise ist es Liebermeister 1, welcher auf Grund der Erfahrung, dass ein Thermometer in der Achselh\u00f6hle etwas steigt, sobald eine pl\u00f6tzliche W\u00e4rmeentziehung auf die Haut einwirkt, diese Art der W\u00e4rmeregulirung behauptet und sie gegen die Einw\u00e4nde seiner Gegner zu vertheidigen gesucht hat. Ihm schlossen sich Pfl\u00fcger1 2 und eine grosse Zahl seiner Sch\u00fcler mit einer Reihe von Untersuchungen an, welche besonders den Umstand betonen, dass W\u00e4rmeentziehung die Aufnahme von Sauerstoff und die Ausgabe von Kohlens\u00e4ure steigert.\nDer Beobachtung von Liebermeister ist schon fr\u00fcher gedacht worden. Ich habe dort gezeigt, dass aus diesem Ansteigen des Thermometers in der Achselh\u00f6hle nicht auf eine Temperaturzunahme des Gesammtk\u00f6rpers geschlossen werden darf, sondern dass es sich zun\u00e4chst nur um eine ver\u00e4nderte Vertheilung der W\u00e4rme handelt, in Folge deren gewisse Theile desselben (die von mir sogenannte Zwischenschicht) w\u00e4rmer werden, weil sie reichlicheren Blutzufluss aus den innern w\u00e4rmeren Theilen erhalten, dass aber bei gen\u00fcgend langer Fortsetzung des Versuchs die Temperatur sowohl der Zwischenschicht als des innern Kerns, somit also des ganzen K\u00f6rpers f\u00e4llt.\n1\tLiebermeister, Deutsche Klinik. 1859. Ko. 40 ; Arch. f. Anat.u. Physiol. 1860. S. 520 u. S. 589,1861. S. 28, 1862. S. 661 ; Dtsch. Arch. f. klin. Med. Y. S. 217, X. S. 89. 420 ; Aus der medicinischen Klinik zu Basel. S. 81 ff. Leipzig 1868 ; Handb. d. Path, u. Ther. d. Fiebers. S. 197 ff.\n2\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 282 u. 333 und an anderen, sp\u00e4ter zu citirenden Stellen.","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nDies gilt in gleicher Weise von allen den Liebermeister\u2019s dien analogen Versuchsresultaten; vor Liebeemeister hatte schon Currie1 in einem Falle die geringe Temperatursteigerung (in der Mundh\u00f6hle) beobachtet, legte aber auf sie weiter keinen Werth. Vielmehr ist gerade Currie der Begr\u00fcnder der Kaltwasserbehandlung bei fieberhaften Krankheiten, welche heute von allen Klinikern als bestes Mittel anerkannt wird, dem K\u00f6rper W\u00e4rme zu entziehen.\nTrotzdem hatten schon Currie und viele Andere sich zu der Ansicht bekannt, dass unter dem Einfluss der W\u00e4rmeentziehung eine vermehrte W\u00e4rmeproduction stattfinde, und Liebermeister glaubte dies durch Berechnung der an das Badewasser bei einem kalten Bade abgegebenen W\u00e4rmemengen auch beweisen zu k\u00f6nnen. Er kam zu dem Schluss, dass in einem Bade von 20\u00b0\u201423\u00b0 das Dreifache bis Vierfache und in einem Bade von 30\u00b0 das Doppelte von der W\u00e4rme producirt werde, welche Helmholtz als die mittlere W\u00e4rmeproduction eines Menschen unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden berechnet hatte. Dagegen berechnet Lirbermeister , dass im warmen Bade eine etwas gr\u00f6ssere W\u00e4rmeproduction als unter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen stattfinde. Wenn er trotzdem wegen der Kleinheit der Differenz die Meinung ausspricht, dass durch sie die M\u00f6glichkeit nicht ausgeschlossen sei, dass doch die W\u00e4rmeproduction eigentlich kleiner gewesen sei, so l\u00e4sst sich dagegen um so weniger sagen, als seine ganze Berechnung auf sehr unsichern Grundlagen beruht. Er bringt n\u00e4mlich den K\u00f6rper in m\u00f6glichst grosser Ausdehnung in ein Bad, dessen Temperatur m\u00f6glichst nahe der der Achselh\u00f6hle gehalten wird und berechnet die W\u00e4rmeproduction aus der dann stattfindenden Steigerung der Temperatur der Achselh\u00f6hle unter der Voraussetzung, dass die Temperatur im ganzen K\u00f6rper dieselbe gewesen sei wie in der Achselh\u00f6hle. Diese Daten sind, zumal da eigentlich nur ein Versuch vorliegt, allerdings nicht ausreichend, um aus ihnen einen beweiskr\u00e4ftigen Schluss zu ziehen. Ebensowenig brauchen wir uns mit den Angaben anderer Autoren zu befassen, welche ohne Weiteres jede Zunahme der Eigenw\u00e4rme als einen Beweis gesteigerter W\u00e4rmeproduction auffassen.\nIX. Indirecte Beweisf\u00fchrung durch den Stoffwechsel.\nAuf der andern Seite k\u00f6nnen die indirecten Berechnungen der W\u00e4rmeproduction aus der Menge der ausgeschiedenen COi oder des\n1 Vgl. J. Currie , Ueber die Wirkungen des kalten und warmen Wassers als eines Heilmittels im Fieber. Uebers. v. Michaelis. Leipzig 1801.","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung cl. Eigenw\u00e4rme. Beweisf\u00fchrung durch d. Stoffwechsel. 415\naufgenommenen 0 wegen der schon fr\u00fcher hervorgehobenen Unsicherheit dieser Berechnungen auch nicht gen\u00fcgen, um den Satz, dass W\u00e4rmeentziehung unmittelbar zu vermehrter W\u00e4rmeproduction f\u00fchre, als vollkommen bewiesen gelten zu lassen. Es gilt ja als allgemein feststehend, dass alle Warmbl\u00fcter in der K\u00e4lte mehr 0 aufnehmen und mehr CO 2 ausgeben als in der W\u00e4rme. Nur Senator hat bei seinen calorimetrischen Versuchen auch zugleich eine geringere CO2-Ausscheidung w\u00e4hrend der kalten Jahreszeit gefunden. Es sind aber speciell mit R\u00fccksicht auf die uns hier interessirende Frage zahlreiche Versuche \u00fcber diesen Punkt angestellt worden; welche zeigen, dass bei Warmbl\u00fctern unter gewissen Umst\u00e4nden allerdings die Coproduction und der 0 -Verbrauch mit der Temperatur steigen und fallen (ein Verhalten, welches bei Kaltbl\u00fctern ausnahmslos stattfindet), dass aber in der Regel das Gegentheil stattfindet.\nSchon Lavoisier hatte, wie oben berichtet wurde, es f\u00fcr ganz selbstverst\u00e4ndlich angesehen, dass Thiere in der K\u00e4lte mehr CO2 produciren, und Crawford1 war in seinen Versuchen zu demselben Schluss gekommen. Derselbe'2 beobachtete auch, dass bei sehr hohen Temperaturen das Venenblut auffallend hell blieb, eine Thatsache, welche sp\u00e4ter auch J. K. Mayer3 in Batavia fand und dadurch zu seinen Forschungen \u00fcber den Zusammenhang von W\u00e4rme und Arbeit veranlasst wurde. Mayer erkl\u00e4rt direct den Farbenunterschied zwischen ven\u00f6sem und arteriellem Blut als den \u201eAusdruck f\u00fcr die Gr\u00f6sse des Sauerstoffverbrauchs, oder f\u00fcr die St\u00e4rke des Verbrennungspro-cesses im Organismus.\u201c Wir wissen aber, dass die Farbe des ven\u00f6sen Bluts haupts\u00e4chlich von der Geschwindigkeit der Str\u00f6mung des Bluts durch die Capillaren und diese wiederum von der Weite der Gef\u00e4sse abh\u00e4ngt. Bei hoher Umgebungstemperatur sind besonders die Hautgef\u00e4sse stark erweitert; aus der Helligkeit ihres Venenbluts darf aber nicht einmal geschlossen werden, dass in der Haut weniger W\u00e4rme gebildet worden, geschweige denn ein Schluss auf die W\u00e4rmebildung im ganzen K\u00f6rper gezogen werden. Sehen wir doch, dass bei Reizung des N. laryngeus das Blut hellroth aus den Venen der Speicheldr\u00fcse str\u00f6mt, trotzdem in derselben eine sehr betr\u00e4chtliche W\u00e4rmeproduction stattfindet. Bei der schnellen Str\u00f6mung hat das Blut nicht Zeit genug, um viel von seinem Sauerstoff an die Gewebe abzugeben und viel Kohlens\u00e4ure aus denselben aufzunehmen ; aber es w\u00fcrde ganz unrichtig sein, wollte man aus den Ver\u00e4nde-\n1\tCrawford, a. a. O. S. 242 ff.\n2\tDerselbe, Ebenda. S. 239.\n3\tMayer, Die organische Bewegung in ihrem Zusammenhang mit dem Stoffwechsel. 1845 ; abgedruckt in : Die Mechanik der W\u00e4rme. S. 95. Stuttgart 1874.","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nrangen im Gasgehalt des Bluts auf die in derselben Zeit in den Geweben stattgehabten Umsetzungen schliessen.\nUm so weniger ist ein solcher Schluss gerechtfertigt aus den Ergebnissen des Gaswechsels in den Lungen, da hier der Zusammenhang mit den Stoffumsetzungen in den Geweben noch indirecter ist und noch durch einen neuen Factor modificirt wird, n\u00e4mlich die Tiefe und Frequenz der Athembewegungen. Nur bei sehr langen Beobachtungszeiten kann einigermassen sicher darauf gerechnet werden, dass die Menge der ausgeschiedenen CO2 der Menge der gebildeten entspricht; und das gleiche gilt von dem aufgenommenen 0. Mit diesem Vorbehalt \u00fcber die Tragweite der betreffenden Versuche will ich die Ergebnisse derselben zusammenstellen.\nDelaroche1 fand im Mittel aus seinen Versuchen, wenn man den Sauerstoffverbrauch und die Kohlens\u00e4ureausgabe bei niederer Temperatur = 1 setzt, bei hoher Temperatur:\nbei\tKaninchen\tSauerstoff 0,888, K\u00f6hlens. 0,933,\tTemp.\t12\u00b0,07\tu. 29\u00b0,90\n\u201e\tMeerschweinchen\t\u201e\t0,814\t\u201e\t0,987\t\u201e\t10\u00b0,07\t\u201e\t34\u00b0,50\n\u201e\tKatzen\t\u201e\t0,760\t\u201e\t0,900\t\u201e\t10\u00b0,85\t\u201e\t31\u00b0,35\n\u00bb\tTauben\t\u201e\t0,863\t\u201e\t0,909\t\u201e\t8\u00b0,17\t\u201e\t29\u00b0,80\nLetellier'2 fand folgende Zahlen f\u00fcr die CO2-Ausgabe f\u00fcr 1 kg und 1 Stunde :\nKleine V\u00f6gel bei 0\u00b0 18,980, bei 14\u00b0\u201422\u00b0 13,034, bei 30\u00b0\u201442\u00b0 8,980 Grosse \u201e\t\u201e\t\u201e\t7,152\t\u201e\t\u201e\t4,451\t\u201e\t\u201e\t2,688\nMeerschweinchen\t\u201e\t\u201e\t3,540\t\u201e\t\u201e\t2,526\t\u201e\t\u201e\t2,097\nM\u00e4use\t\u201e\t\u201e\t17,852\t\u201e\t\u201e\t16,711\t\u201e\t\u201e\t8,993\nNach Sanders-Ezn3 macht es einen Unterschied, ob die Eigenw\u00e4rme des Thieres durch die Einwirkung der Umgebungsw\u00e4rme ge\u00e4ndert wird oder constant bleibt, Im ersteren Falle steigt und f\u00e4llt die Sauerstoffaufnahme und Kohlens\u00e4ureabgabe mit der Eigenw\u00e4rme, im anderen Falle ist sie kleiner bei h\u00f6herer, gr\u00f6sser bei niederer Umgebungstemperatur.\nR\u00f6hrig und Zuntz 4 fassen die Ergebnisse ihrer unter Pfl\u00fc-ger's Leitung angestellten Versuche in folgende S\u00e4tze zusammen:\n1.\tBei Abk\u00fchlung der \u00e4usseren Haut wird sowohl die Kohlen-s\u00e4ureproduction (Gildemeister) als auch die Sauerstofifconsumtion gesteigert.\n2.\tDiese Steigerung wird vermittelt durch Reflex von gewissen\n1\tDelakoche, Journ. d. pliys. LXXVII. p. 5; Zusammenstellung bei Gavarret a. a. O. S. 417.\n2\tLetellier, Ann. d. chim. et d. pbys. (3) XIII. p. 47S. \u2014 Gav arret, p. 413.\n3\tSanders-Ezn, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-phys. Cl. 1867. S. 53.\n4\tR\u00f6hrig u. Zuntz, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 57. 1871.","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung d. Eigenw\u00e4rme. Beweisf\u00fchrung durch d. Stoffwechsel. 417\ncentripetalleitenden Nerven der Haut, welche von den Temperatur-Schwankungen erregt werden.\n3.\tDieselben Nerven k\u00f6nnen auch durch andere Hautreize, wozu die Sool- und Seeb\u00e4der geh\u00f6ren, erregt werden.\n4.\tDie Wirkung dieser B\u00e4der beruht zum Theil auf eben jener auf reflectorischem Wege bewirkten Steigerung des Stoffwechsels.\n5.\tDie Muskeln sind die Organe des K\u00f6rpers, in denen der gr\u00f6sste Theil des Stoffumsatzes vor sich geht, und sie werden auch von der Aenderung desselben durch Temperaturwechsel am meisten betroffen.\n6.\tDer-gr\u00f6sste Theil der Oxydationsprocesse in den Muskeln wird nur durch die Innervation derselben angeregt und daher durch die Vergiftung mit Curare aufgehoben.\n7.\tAuch die W\u00e4rmeregulation wird durch die Curarevergiftung auf ein Minimum reducirt.\n8.\tDemnach ist die W\u00e4rmeregulation wahrscheinlich in erster Linie bedingt durch best\u00e4ndige schwache reflectorische Erregung der motorischen Nerven, welche mit der Temperaturdifferenz zwischen Thierk\u00f6rper und Umgebung w\u00e4chst.\nPfl\u00fcger1 selbst ver\u00f6ffentlichte dann die Ergebnisse seiner Versuche zun\u00e4chst in kurzen S\u00e4tzen, deren Inhalt ich mit unwesentlichen Auslassungen wiedergebe:\nI.\tBei Thieren, deren Centralnervensystem ohne wesentliche Gef\u00e4hrdung des Kreislaufs ausgeschieden ist, steigt und f\u00e4llt die Energie des Stoffwechsels, gemessen durch die Sauerstoffmengen, welche aufgenommen, und die Kohlens\u00e4uremengen, welche ausgeschieden werden, mit der Temperatur des Thieres, gemessen im Rectum.\nII.\tBei Thieren mit unversehrtem Nervensystem addirt sich zu dieser Wirkung der Eigenw\u00e4rme ein entgegengesetzter Einfluss, welcher den Stoffwechsel um so energischer steigert, je st\u00e4rkerer Abk\u00fchlung das Thier ausgesetzt ist. Bei sehr hohen und bei sehr niederen Graden der Eigenw\u00e4rme (39\u00b0,8\u201442\u00b0 und 30\u00b0\u201420\u00b0) \u00fcber-wiegt der unter I angef\u00fchrte Einfluss.\nIII.\tDurchschneidung des R\u00fcckenmarks zwischen 6. und 7. Halswirbel bewirkt eine starke Abnahme des Stoffwechsels. Die von Einigen unter diesen Umst\u00e4nden beobachtete Temperatursteigerung ist bedingt durch die verringerte Energie der Athmung, die starke Verlangsamung des Kreislaufs und die dadurch behinderte Abgabe der W\u00e4rme durch Haut und Lunge.\n1 Pfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S..282 u. 333. 1876.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IVa.\n27","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nIV. Durchscheidung der Pedimculi cerebri hinter den Corpora quadrigemina hat keinen Einfluss auf den Stoffwechsel.\nDen Satz II erl\u00e4utert Pfl\u00fcger in der zweiten Mittheilung noch durch folgende Bemerkungen. Steigert man die Temperatur des Thieres erst \u00fcber die Norm und k\u00fchlt es dann langsam ab, so sinkt der Stoffwechsel mit der Abk\u00fchlung. K\u00fchlt man dagegen das Thier langsam ab, ohne vorher seine Temperatur gesteigert zu haben, so steigt der Stoffwechsel und sinkt erst wieder, wenn die Eigenw\u00e4rme ungef\u00e4hr auf 30\u00b0 gekommen ist.\nDiese Versuche sind weiter fortgesetzt worden von Pfl\u00fcger\u2019s Sch\u00fcler Colasanti1 und haben zu einer lebhaften Discussion zwischen Senator'2 und Pfl\u00fcger3 Veranlassung gegeben. Colasanti fand bei niederen Temperaturen stets gr\u00f6sseren Sauerstoffverbrauch und gr\u00f6ssere CUb-Ausgabe, und zwar f\u00fcr 1 kg Gewicht und 1 Stunde f\u00fcr jeden Grad Celsius eine Zunahme des ersteren um 37,32 ccm, der zweiten um 33,66 ccm. Das Verh\u00e4ltnis des Sauerstoffs zur Kohlens\u00e4ure ist bei verschiedenen Umgebungstemperaturen nahezu constant. Daraus k\u00f6nne man schliessen, dass auch alle intermedi\u00e4ren Stoffwechselprocesse in gleichem Sinne sich \u00e4ndern, und dass die W\u00e4rmebildung wirklich dem Sauerstoff verbrauch und der Kohlens\u00e4ureproduction proportional verlaufen. Die Steigerung des Stoffwechsels bei Abk\u00fchlung w\u00e4chst zuweilen im Laufe von Stunden so bedeutend, dass die K\u00f6rperw\u00e4rme betr\u00e4chtlich zunimmt. Bei gr\u00f6sseren Thieren als den von ihm untersuchten Meerschweinchen und bei \u201everweichlichten Stubenmenschen\u201c kann, wie Colasanti meint, diese W\u00e4rmeregulirung durch die Production geringer ausfallen.\nDie gleichen Resultate ergaben auch die Versuche von Finkler4. Bei einer Temperaturabnahme von 24\u00b0 stieg der Stoffwechsel zuweilen auf das Doppelte. Finkler fand den Stoffwechsel im Allgemeinen h\u00f6her als Colasanti, und da er im Winter arbeitete, so nimmt er an, dass in diesem dauernd der Stoffwechsel auf einen h\u00f6heren Grad eingestellt ist. Er f\u00fchrt als Analogie daf\u00fcr an, dass nach W. Edwards5 im Winter die Thiere im abgeschlossenen Luftraum schneller sterben als im Sommer und bei einer Umgebungsw\u00e4rme von 0\u00b0 im Winter weniger schnell erkalten als im Sommer. Ersteres deutet auf einen gr\u00f6sseren Sauerstoffverbrauch, letzteres erkl\u00e4rt er durch gr\u00f6ssere W\u00e4rmeproduction.\n1\tColasanti, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 92.\n2\tSenator, Ebenda. S. 448. 492.\n3\tPfl\u00fcger, Ebenda. S. 450, XV. S. 104.\n4\tFinkler, Arch. f. d.ges. Physiol. XV. S. 603. 1877.\n5\tW. Edwards, Influence des agents physiques, p. 200 u. p. 163.","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung d. Eigenw\u00e4rme. Beweisf\u00fchrung durch d. Stoffwechsel. 419\nIn einer gr\u00f6sseren Arbeit \u201eUeber W\u00e4rme und Oxydation der lebendigen Materie\u201c bat sodann Pfl\u00fcger1 den Gegenstand auf Grund seiner eigenen und seiner Sch\u00fcler Arbeiten einer ausf\u00fchrlichen Er\u00f6rterung unterzogen. Zun\u00e4chst wurde in Uebereinstimmung mit den fr\u00fcheren Angaben von Zuntz2 festgestellt, dass durch Curare Vergiftung (unabh\u00e4ngig von etwaigen Aenderungen der Athembewegungen, indem vor und w\u00e4hrend der Vergiftung in gleicher Weise k\u00fcnstliche Respiration unterhalten wurde) und bei Erhaltung der Normaltemperatur des Thieres \u00d6-Aufnahme und \u00d6\u00d62-Abgabe betr\u00e4chtlich sinken und zwar beide in ungef\u00e4hr gleichem Verh\u00e4ltnis (0 um 35,2 %, CO2 um 37,4 % im Mittel; Berechnung durch Vergleich mit den von Finkler und Oertmann3 f\u00fcr Normalthiere ermittelten Zahlen). Wird die Temperatur des Thieres erh\u00f6ht von der Norm (39\u00b0,2) bis auf 41\u00b0, so steigt der Sauerstoffverbrauch und die CCk-Abgabe, letztere aber in h\u00f6herem Grade, n\u00e4mlich auf 1 Kilo Thier, 1 Stunde und 1\u00b0C. berechnet um 22,9%, w\u00e4hrend der 0-Verbrauch nur um 10% zunimmt. Infolge dessen wird auch der respiratorische Quotient CO2 : \u00f6, welcher bei unvergifteten Thieren 0,84, bei curarisirten aber normal temperirten 0,82 ist, bei den \u00fcberwarmen curarisirten Thieren nahezu = 1. Bei Thieren, deren Temperatur unter der Norm liegt (bis zu 22\u00b0,2 bis Mittel 33\u00b0) sinkt der \u00d6-Verbrauch pro Kilo, Stunde und Grad um 5,2%, die Kohlens\u00e4ureabgabe nur um 1,9 %. Die Abnahme ist also bei Temperaturen unterhalb der normalen eine relativ geringere und besonders bei der C\u00d62 eine sehr viel geringere.\nNach Pfl\u00fcger\u2019s Auffassung wirkt das Curare in dieser Weise durch Ausschaltung des Nerveneinflusses auf das Muskelsystem, indem hierdurch der haupts\u00e4chlichste Factor der W\u00e4rmeregulirung fortf\u00e4llt. Um diese Auffassung zu st\u00fctzen, wurde eine zweite Versuchsreihe mit Durchschneidung des R\u00fcckenmarks zwischen Cervical- und Dorsaltheil unternommen. Es ergab sich, dass nach dieser Operation bei Erhaltung der Normaltemperatur der O-Verbrauch um 37,1%, die GO2-Ausgabe um 29,92% unter dem Normalwerth war. Bei Erw\u00e4rmung von Thieren mit durchschnittenem R\u00fcckenmark findet Steigerung des Stoffwechsels statt und zwar w\u00e4chst f\u00fcr jeden Grad \u00fcber der Norm der \u00d6-Verbrauch um 6,1%, die \u00d6\u00d62-Abgabe um 8,3 %. Durchschneidung der Pedunculi cerebri hat keine Herabsetzung des Stoffwechsels zur Folge, doch zeigte derselbe schnelle\n1\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 247. 1878.\n2\tZuntz, Ebenda. XII. S. 522.\n3\tFinkler 11. Oertmann, Ebenda. XIV. S. 62.","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nund starke Schwankungen, ohne dass die Temperatur des Thieres sich erheblich \u00e4nderte.\nDie dritte Versuchsreihe wurde an normalen, bis auf die zur k\u00fcnstlichen Respiration erforderliche Tracheotomie unversehrten Thie-ren angestellt. Die Thiere wurden in ein Bad gebracht, welches ihrer eigenen Temperatur beinahe gleich warm war, so dass die W\u00e4rmeabgabe auf ein Minimum herabgesetzt war, die Temperatur des Thieres aber unge\u00e4ndert blieb. Unter diesen Umst\u00e4nden verbrauchten die Thiere mit normaler Temperatur pro Kilo und Stunde 676,90 ccm Sauerstoff und gaben aus 641,3 ccm CO-i. Finkler und Oertmann hatten f\u00fcr die gleichen Verh\u00e4ltnisse gefunden 673,21 ccm 0 und 570,41 ccm CO2. Die fast vollkommene Uebereinstimmung der Werthe f\u00fcr den 0-Verbrauch ist auffallend genug. Wurde nun die Temperatur des Bades und damit die K\u00f6rperw\u00e4rme gesteigert, dann stieg die Energie des Stoffwechsels, und zwar nahm f\u00fcr 10 C. der Sauerstoffverbrauch zu um 5,7%, die Kohlens\u00e4ureabgabe um 6,8%. Wurde dagegen die Temperatur des Thieres durch Abk\u00fchlen des Bades verringert, so stieg die Energie des Stoffwechsels, sobald die Eigenw\u00e4rme unter 38\u00b0 ungef\u00e4hr gefallen war, ganz betr\u00e4chtlich und sank erst wieder, wenn die Eigenw\u00e4rme unter 26\u00b0 ungef\u00e4hr gefallen war. Es sind also hier zwei entgegengesetzte Einfl\u00fcsse wirksam : die mit der Temperatur der Gewebe fallende und steigende Energie der Oxydationen wird innelkalb gewisser Grenzen compensirt durch eine vom Nervensystem angeregte entgegengesetzt gehende Einwirkung. Dass bei dieser letztem die Muskeln eine wichtige Rolle spielen, sieht man an dem bei der Abk\u00fchlung auftretenden Muskelzittern. Die K\u00e4lte wirkt also hier wie ein Reiz, welcher eine Steigerung der Oxydationen zur Folge hat.\nEine Fortsetzung erfuhren diese Versuche unter Pfl\u00fcger\u2019s Leitung durch Velten1, welcher den Einfluss st\u00e4rkerer Abk\u00fchlungen an curarisirten Thieren weiter verfolgte. Die Abnahme f\u00fcr 1 Kilo Thier, 1 Stunde und 1\u00b0 C. betrug in Procenten der Normalwerthe\nf\u00fcr die Temperaturgrenzen\tbeim Sauer-stoffverbrauch\tbei der Kohlens\u00e4ureabgabe\n38,33\u201437,41\t4,5\t\t\n38,29-37,41\t\t5,8\n37,41\u201431,37\t5,1\t4,8\n31,37\u201426,17\t8,3\t9,1\n26,17\u201423,07\t5,5\t3,7\nund die Zunahme bei Wiedererw\u00e4rmung\n1 Velten, Arch. f. d. ges. Physiol. XXI. S. 361.1880.","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung d. Eigenw\u00e4rme. Beweisf\u00fchrung durch d. Stoffwechsel. 421\nf\u00fcr die\tbeim Sauer-\tbei der Kohlen-\nTemperaturgrenzen\tstoffverbrauch\ts\u00e4ureabgabe\n23,07-30,44\t2,2\t1,4\n30,44-36,37\t19,5\t\n30,44\u201436,36\t\u2014\t20,8\nAuch die Versuche von Finkler1 2 \u00fcber die Respiration in der Inanition m\u00fcssen hier erw\u00e4hnt werden. In Uebereinstimmung mit Chossat, Bidder und Schmidt u. A. fand er in den ersten Hungertagen keine erhebliche Abnahme der Eigenw\u00e4rme. Der Sauerstoffverbrauch sinkt unerheblich, schneller die Kohlens\u00e4ureabgabe, so dass der respiratorische Quotient kleiner wird. Die IT \u00e4rmeregulation leidet nicht. Bei Abnahme der Aussentemperatur w\u00e4chst der Stoffwechsel nahezu in demselben Verh\u00e4ltnis wie bei gut ern\u00e4hrten Thieren. Es war die Steigerung f\u00fcr je 1\u00b0 C.\nbei Hungerzeit\tSauerstoff-\tKohlens\u00e4ure-\nin Minuten\tverbrauch\tabgabe\n334\t32,7\t16,5\n1712\t29,5\t15,0\n3233\t29,7\t21,3\nErg\u00e4nzend ist es wichtig anzumerken, dass nach den Untersuchungen von Pfl\u00fcger 2 und von Finkler und Oertmann3 die Athemmechanik als solche keinen nennenswerthen Einfluss auf den Stoffwechsel hat.\nVon Untersuchungen anderer Forscher haben wir hier zu erw\u00e4hnen zun\u00e4chst die von Erler4, welcher an Kaninchen, deren Temperatur durch die blosse Fesselung im Durchschnitt von 39\u00b0,3 auf 37\u00b0,3 sank, die in 10 Minuten ausgeschiedene CO-i f\u00fcr je 100 g K\u00f6rpergewicht von 0,0051 auf 0,0034 g sinken sah. Nach Durchschneidung des R\u00fcckenmarks unterhalb des siebenten Halswirbels fiel die K\u00f6rperw\u00e4rme, ohne vorher zu steigen, bis zum Tode; die CCb-Aus-scheidung fiel unmittelbar nach der Operation pl\u00f6tzlich und sank dann noch weiter unter erheblichen Schwankungen. Bei Abnahme der Umgebungstemperatur sank die K\u00f6rperw\u00e4rme des gefesselten\nt Finkler, Ebenda. XIII. S. 175. 1880.\n2\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 1. 1876.\n3\tFinkler u. Oertmann, Ebenda. S. 38.\n4\tErler, Ueber das Verh\u00e4ltnis der Kohlens\u00e4ure-Abgaben zum Wechsel der K\u00f6rperw\u00e4rme. Diss. K\u00f6nigsberg 1875.","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\nRosenthal. Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nThieres und mit ihr die CO2-Ausscheidung, doch entsprach die niederere K\u00f6rpertemperatur nicht immer regelm\u00e4ssig der geringeren CO2 - Ausscheidung. Bei erh\u00f6hter Umgebungstemperatur stieg die C02-Ausscheidung regelm\u00e4ssig, wenn die Eigenw\u00e4rme stieg, zuweilen aber auch, trotzdem die Eigenw\u00e4rme des gefesselten Thieres erniedrigt blieb. Wenn jedoch die Umgebungsw\u00e4rme eine Zeit lang auf ungef\u00e4hr 36\u00b0 gehalten wurde und die Eigenw\u00e4rme \u00fcber 39\u00b0,4 stieg, so trat eine verringerte CO2-Ausscheidung ein. Bei Firnissung der Haut nahm mit der Eigenw\u00e4rme auch die CO2-Ausscheidung ab.\nLitten4 fand bei Meerschweinchen 6\u20148 Stunden, nachdem sie in einen W\u00e4rmkasten von 36\u00b0\u201437\u00b0 gesetzt waren, eine betr\u00e4chtliche Abnahme der CCb-Ausscheidung. Die Thiere lebten in dieser hohen Umgebungsw\u00e4rme bis 6 Tage.\nHerzog Carl Theodor in Bayerns hat eine Versuchsreihe an einer Katze angestellt, welche f\u00fcr uns besondere Wichtigkeit hat; sie ist n\u00e4mlich die einzige, in der die Bestimmungen des respiratorischen Stoffwechsels \u00fcber einen etwas l\u00e4ngeren Zeitraum ausgedehnt wurden, w\u00e4hrend jeder Versuch 5 \u2014 6 Stunden dauerte. Vom 31. December 1874 bis 14. Juni 1875 erhielt die Katze t\u00e4glich die gleiche Nahrung von 120 g Fleisch und 15 g Schmalz. Sie hielt sich dabei mit geringen Schwankungen (Minimum 2557, Maximum 2650) auf demselben K\u00f6rpergewicht bis zum 30. M\u00e4rz. Von da an nahm ihr Gewicht allm\u00e4hlich zu bis 3047 g. Es erhellt daraus, dass im Sommer eine geringere Nahrungsmenge ausreicht, das K\u00f6rpergewicht zu erhalten als im Winter. W\u00e4hrend dieser 6 Monate wurde ihr Stoffwechsel bei den verschiedensten Temperaturen (mittels des kleinen Respirationsapparats von Voit) bestimmt, indem der Kasten im Freien, im ungeheizten oder im geheizten Zimmer stand. Im Ganzen wurden 22 solche Versuche ausgef\u00fchrt, welche stets 17 Stunden nach der F\u00fctterung begannen. Sauerstoffaufnahme und Kohlens\u00e4ureabgabe waren in der K\u00e4lte gr\u00f6sser als in der W\u00e4rme; die einzelnen Abweichungen in der S. 423 folgenden, auf 6 Stunden berechneten Tabelle erkl\u00e4ren sich durch Bewegungen des Thiers.\nPage1 2 3 brachte eine H\u00fcndin von 4 kg Gewicht in einen Blechkasten in Wasser von 25\u00b0, 30\u00b0, 20\u00b0, 15\u00b0, 35\u00b0. Verglich er die in 10 Minuten bei 25\u00b0 ausgeschiedene Kohlens\u00e4ure mit den bei anderen Temperaturen ausgeschiedenen, so war sie stets gesteigert und zwar beim Wechsel\n1\tLitten, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1878. S. 587.\n2\tHerzog Carl Theodor in Bayern, Ztschr. f. Biol. XIV. 8. 51. 1878.\n3\tPage, Journ. of physiol. IL p. 228.","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"5. Cap. Die Regulirung d. Eigenw\u00e4rme. Beweisf\u00fchrung durch d. Stoffwechsel. 423\nTemperatur\tAusgabe von Wasser | Kohlens\u00e4ure\t\tAufnahme j von Sauerstoff\n\u2014 5,5\t10,05\t19,83\t17.48\n\u2014 4,7\t10,85\t21,31\t20,54\n\u2014 3,2\t14,12\t22,03\t21,39\n\u2014 3,0\t10,25\t18,42\t18,26\n+ 0.2\t12,51\t18.24\t19,95\n+ i>3\t10,87\t18,92\t17,73\n+ 2,0\t10,54\t17,87\t15,79\n+ 2,4\t11,64\t19,21\t18,13\n+ 3,1\t12,92\t21,97\t20,61\n\u00c0\" 3,0\t9,82\t17,90\t14,82\n+ 12,3\t14,00\t17,63\t17,71\n+14,1\t18.16\t16,94\t16,75\n+13,0\t18,24\t17,36\t15,80\n+16,3\t13,59\t15,73\t14,74\n+13,0\t10,60\t13,93\t12,30\n+19,8\t\u2014\t15,88\t\u2014\n+20,1\t11,83\t14,34\t12,78\n+20,3\t13,28\t14,96\t14,00\n+2 i,8\t\u2014\t13, IS\t10,87\n+ 29,0\t19,48\t13,12\t13,91\n+29,7\t16,92\t12,81\t\u2014\n+30,8\t\tJ 2,03\t\nvon\t25\u00b0\tZU\t20\u00b0\tVermehrung\tum\t7\u2014\t9%,\tMittel\t7,5\u00bb\nn\tn\tn\t300\tn\tn\t3\u2014\t12 o;0\tr>\t9%\nn\tn\tn\t15\u00b0\t\t\u00bb\tIS\u2014\t41 \u00b0/o\tn\t31\u00b0/o\nn\tn\tn\t35\u00b0\t\tn\t49\u2014\t55%\tr>\t51 o/o\nVersuche von l\u00e4ngerer Dauer (bis 7 Stunden) ergaben dasselbe. Die Eigenw\u00e4rme soll nicht erheblich geschwankt haben; nur in einem Falle stieg sie betr\u00e4chtlich, auf 43\u00b0,5 nach einem Aufenthalt in 40\u00b0 bis 42\u00b0 nach 1 + Stunde.\nAuch f\u00fcr den Menschen stimmen im Allgemeinen die Angaben dahin \u00fcberein, dass mit abnehmender Umgebungstemperatur der respiratorische Stoffwechsel gr\u00f6sser wird. Da aber hierbei selten auch der Ern\u00e4hrungszustand gen\u00fcgend vergleichbar ist, so sehe ich von einer Angabe der einzelnen Untersuchungen ab, welche \u00fcberdies in dem Abschnitt \u00fcber Athmung Ber\u00fccksichtigung finden, und begn\u00fcge mich mit der Anf\u00fchrung einer Versuchsreihe von Voit2, bei welcher die Nahrung 16 Stunden vor jedem Versuche stets die gleiche war, und jeder Versuch 6 Stunden dauerte. Es wurden aus-geschieden bei absoluter Muskelruhe:\n2 Voit, Ztschr. f. Biol. XIY. S. 57. 1S78.","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nTemperatur\tCOz in grm\tN im Harn\n4,4\t210,7\t4,23\n6,5\t206,0\t4,05\n9,0\t192,0\t4,20\n14,3\t155,1\t3,81\n16,2\t158,3\t4,00\n23,7\t164,8\t3,40\n24,2\t166,5\t3,34\n26,7\t160,0\t3,97\n30,0\t170,6\t\u2014\nWie man sieht, nimmt die CTC-Ausscheidung bis 14\u00b0,3 regelm\u00e4ssig ab, dann aber wieder langsam zu.\nSECHSTES CAPITEL.\nEinfluss des Nervensystems und andere besondere Verh\u00e4ltnisse.\nI. Temperatur\u00e4nderungen nacli Sympatliicusdurclisclmeiduiig.\nDie grosse Rolle, welche der Circulation bei der W\u00e4rmeregulation zukommt, l\u00e4sst es als selbstverst\u00e4ndlich erscheinen, dass auch das Nervensystem, da es auf die Gef\u00e4sse wirkt, nicht ohne Einfluss auf die W\u00e4rmeregulation sein wird. Es kann aber daneben auch die Frage aufgeworfen werden, ob demselben noch eine unmittelbarere Einwirkung auf die Temperaturverh\u00e4ltnisse zukommt. Die wichtigen Fragen, welche wir in diesem Schlusscapitel zu besprechen haben, und an welche wir noch einige andere anreihen, zu deren Besprechung sich in den vorhergehenden Capiteln keine passende Gelegenheit geboten hatte, sind freilich ebenso unvollkommen erforscht wie die meisten anderen Punkte in diesem Gebiet, so dass wir fast \u00fcberall unvermittelt einander gegen\u00fcberstehenden verschiedenen Meinungen begegnen, zwischen denen eine Entscheidung zu treffen auf Grund der vorhandenen Kenntnisse unm\u00f6glich ist. So werden wir uns damit begn\u00fcgen m\u00fcssen, die Thatsachen zu regi-striren, die Meinungen einer m\u00f6glichst objectiven Kritik zu unter-","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss d. Nervensystems. Temperatur\u00e4nderungen u. s. w.\n425\nziehen und den Versuch zu machen, hier und da einen Schluss zu Gunsten der einen oder der anderen zu ziehen.\nWir gehen von den Erscheinungen aus, welche am Ohr nach Sympathicusdurchschneidung auftreten, nicht nur weil sie die zuerst entdeckten Thatsaehen auf diesem Gebiet sind, sondern auch weil sich an sie schon alle die Discussionen ankn\u00fcpfen, welche den Gegenstand dieses Capitels \u00fcberhaupt bilden.\nNachdem Pourfour du petit im Jahre 1727 die Verengerung der Pupille nach Durchschneidung des Halssympathieus kennen gelehrt hatte, fand Claude Bernard1 bei Wiederholung dieses Versuchs die dabei auftretende Erweiterung der Gef\u00e4sse und Temperaturzunahme am Ohr. Seit dieser Zeit datiren die zahlreichen Untersuchungen \u00fcber die Innervation der Gef\u00e4sse, welche Bd. IV. 1. S. 399 ff. ihre eingehende Darstellung gefunden haben, weshalb wir an dieser Stelle sie nur mit ganz besonderer R\u00fccksicht auf die dabei auftretenden calorischen Erscheinungen zu besprechen haben. Bernard hat seine Untersuchungen an verschiedenen Orten dargestellt, am ausf\u00fchrlichsten in seinen 1786 erschienenen Le\u00e7ons sur la chaleur animale2, welche ich, soweit es sich um Bernard\u2019s Ansichten und Forschungen handelt, der folgenden Darstellung zu Grunde lege.\nDie Erweiterung der Ohrgef\u00e4sse hat ein schnelleres Str\u00f6men des Bluts durch dieselben zur Folge. Mit diesem zugleich zeigt sich eine betr\u00e4chtliche Erh\u00f6hung der Temperatur des Ohres auf der Seite der Durchschneidung. Der Unterschied in der Temperatur beider Ohren ist um so gr\u00f6sser, je k\u00e4lter die umgebende Luft ist; bei hohen Temperaturen derselben erweitern sich auch die Gef\u00e4sse des anderen Ohres, und seine Temperatur steigt, so dass die Differenz unmerklich werden kann. In gleichem Sinn wirken starke Bewegungen des Thieres. Es liegt nahe, die Temperaturerh\u00f6hung nur von der vermehrten Blutzufuhr abzuleiten. Das Ohr geh\u00f6rt zu den der Abk\u00fchlung am meisten ausgesetzten Organen ; das Blut, welches in dasselbe einstr\u00f6mt, ist bedeutend w\u00e4rmer als das Organ; je mehr Blut zustr\u00f6mt, desto mehr muss sich die Temperatur des Ohres der des Blutes ann\u00e4hern. Auf der anderen Seite aber ist klar, dass im Ohr, wie in allen Organen, auch locale W\u00e4rmebildung stattfindet, und diese kann ihrerseits selbst von der Geschwindigkeit der Durchstr\u00f6mung abh\u00e4ngig sein. Aber Bernard begn\u00fcgt sich nicht mit dieser, wenn wir so sogen d\u00fcrfen, mechanischen Auffassung des Ph\u00e4nomens.\n1\tClaude Bernard, Compt. rend. d. 1. soc. d. biologie. 1851. p. 163; Compt. rend. XXXlY.p. 472. 1852.\n2\tDerselbe, a. a. 0. p. 194 ff.","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"126\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nEr bem\u00fcht sich darzuthun, dass eine directe Einwirkung des Nervensystems auf die locale W\u00e4rmebildung stattfindet,\nZu diesem Zweck bezieht sich Bernard auf Versuche von Knock1 und eigene Erfahrungen. Er unterbindet die Venen des Ohres, so dass Stase in den Gef\u00e4ssen entsteht und die Temperatur f\u00e4llt. Trotzdem steigt diese, sobald man den Sympathicus durchschneidet. Er klemmt die Arterien des Ohres zu und \u00f6ffnet sie wieder nach 24 Stunden, wo, wie er glaubt, die Musculatur ihre Contractilit\u00e4t verloren hat. Der Kreislauf stellt sich wieder her, aber schwach und langsam, ohne Erweiterung der Arterien; es bilden sich Eechymosen. So gelangt er dazu, den Satz umzukehren: die vermehrte W\u00e4rme ist nicht die Folge der Circulationsbeschleu-nigung sondern ihre Ursache; die Nerveneinfl\u00fcsse k\u00f6nnen direct W\u00e4rmeproduction veranlassen ohne Mitwirkung des Blutes, so bei Muskeln und Dr\u00fcsen nach Unterbindung der Arterien, so bei der sogenannten postmortalen Temperatursteigerung nach Aufh\u00f6ren der Circulation. Beim Pferd wird nach Durchschneidung des Sympathicus das Venenblut der operirten Seite heller, gerinnt schneller und ist w\u00e4rmer. Wenn man den Kopf dicht in Watte einh\u00fcllt, kann sogar das Venenblut w\u00e4rmer sein als das der Carotis, in Folge der st\u00e4rkeren W\u00e4rmeentwicklung in den Geweben, trotzdem das Blut weniger Sauerstoff\u201c verloren und weniger CO2 aufgenommen hat. Die Function des Sympathicus besteht also darin, die Stoffumsetzungen und damit die W\u00e4rmebildung in den Geweben zu z\u00fcgeln, in Schranken zu halten; er ist nicht nur ein vasoconstrictorischer Nerv, sondern auch ein \u201enerf frigorifique,\u201c\nReizung sensibler Nerven (N. auricularis, plexus eervicalis) bewirkt Temperaturabnahme in dem Ohr, dessen Sympathicus unversehrt ist, steigert dagegen die Temperatur des Ohres, dessen Sympathicus durchschnitten ist. Der Temperaturabnahme geht im ersteren Falle eine kurzdauernde Steigerung vorher; diese h\u00e4ngt von einer Reflexl\u00e4hmung der vasodilatatorischen Nerven ab und man beobachtet sie nicht, wenn die vasodilatatorischen Nerven durch Curarevergif-tung im Erregungszustand sind, weil dann nur die Wirkung auf die vasoconstrictorischen Nerven hervortreten kann.\nIn \u00e4hnlicher Weise wie am Ohr zeigen sich die gleichen Verh\u00e4ltnisse an der Submaxillardr\u00fcse. Auch diese besitzt ein doppeltes Nervensystem: einen vasoconstrictorischen und die W\u00e4rmeerzeugung beschr\u00e4nkenden Nerven in einem Ast des Sympathicus und einen\n1 Enoch, De nervi sympathie! vi ad corporis temperiem adjectis de al\u00fcs actionibus nec non de origine observationibus. Diss. inaug. Dorpati Livon. 1S55.","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss des Nervensystems etc. Einfluss sensibler Nerven.\n427\nvasodilatatorischen lind die W\u00e4rmeproduction vermehrenden Nerven im N. tympanico-lingualis, w\u00e4hrend f\u00fcr das Ohr, wenn ich anders Bernard richtig verstanden habe, beide Nervenarten im Sympathies verlaufen.\nSchon bald nach den ersten Mittheilungen Bernard\u2019s wurde seine Ansicht von der unmittelbaren Einwirkung der Nerven auf die W\u00e4rmebildung bek\u00e4mpft und die Ver\u00e4nderung der Circulation als ausreichend zur Erkl\u00e4rung der Erscheinungen behauptet, so von Kussmaul und Tenner1, von van der Becke-Callenfels2, und von Jacobson und Landre3 u. A. Letztere sehen die Ohren mit ihrer wechselnden Blutf\u00fcllung als ein wichtiges temperaturregulirendes Organ der Thiere (Kaninchen) an. Wird der Sympathicus einseitig durchschnitten, so sinkt die Temperatur des anderen Ohres und, wenn beide Sympathici durchschnitten sind, wegen des vermehrten W\u00e4rmeverlustes an den Ohren auch die Gesammttemperatur des Thieres, welche auch gr\u00f6sseren Schwankungen unterworfen ist, als sie unter gleichen Umst\u00e4nden sonst Vorkommen. Auch Schiff4 kommt zu dem Schluss, dass im Sympathicus gef\u00e4ssverengernde und gef\u00e4sserweiternde Nerven verlaufen ; ihm gen\u00fcgt aber diese Annahme vollkommen, die Erscheinungen am Ohr und an den Extremit\u00e4ten zu erkl\u00e4ren, ohne dass er eine directe Einwirkung der Nerven auf die locale W\u00e4rmebildung zu H\u00fclfe nimmt. Schiff5 wies auch die Temperatursteigerung an anderen K\u00f6rpertheilen (untere Extremit\u00e4ten) nach, welche der Durchschneidung der betreffenden Gef\u00e4ssnerven beziehungsweise der Zerst\u00f6rung der Centraltheile, aus denen sie entspringen, folgt.\nII. Einfluss sensibler Nerven.\nDen Einfluss der sensiblen Nerven untersuchte Mantegazza6. Indern wir von seinen Angaben \u00fcber das Verhalten des Pulses ab-sehen, bemerken wir nur, dass schmerzhafte Eindr\u00fccke eine Herabsetzung der Temperatur im Rectum bei Kaninchen um mehr als einen Grad, in einem Falle sogar um fast 2V*2 Grad bewirkten, welche 20 Minuten nach der Reizung ihr Maximum zeigte, im ganzen aber \u00fcber eine Stunde anhielt. Eine \u00e4hnliche Wirkung hatte heftiger\n1\tKussmaul u. Tenner, Molesch. Unters. I. S. 92. 1855.\n2\tvan der Becke-Callenfels, Ztschr. f. rat. Med. VII. S. 157. 1855.\n3\tJacobson u. Landre, Nederl. Archief voor Genees en Natuurk. II. Heft 3.\n4\tSchiff, Wiener allg. med. Ztschr. 1859. No. 41.42.\n5\tDerselbe, Gaz. hebdom. 1854. p. 421.\n6\tMantegazza, Gaz. med. Lombard. 1866. No. 26\u201429.","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\nRosenthal. Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nSchrecken. Auch an sich selbst sah Mantegazza eine geringf\u00fcgige Abnahme der Temperatur unter der Zunge als Folge heftigen Schmerzes.\nDagegen fanden Brown-S\u00e9quard und Lombard l, dass die Temperatur der Haut am Arm in Folge von Hautreizen durch Kneipen auf der gereizten Seite stieg, auf der entgegengesetzten Seite fiel. Die Aenderung betrug nur ,/i oo Grad und wird durch Reflex auf die Gef\u00e4sse erkl\u00e4rt. Und Naumann2 gibt an, dass die K\u00f6rpertemperatur nach Hautreizen erst vor\u00fcbergehend steigt, um dann f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit zu sinken.\nIn ausf\u00fchrlicher und gr\u00fcndlicher Weise hat Heidenhain3 den Gegenstand in einer Reihe von Arbeiten behandelt. Seine Er\u00b0;eb-nisse sind folgende : Bei elektrischer Reizung blossgelegter sensibler Nerven mittels Inductionsstr\u00f6men oder ihrer Endigungen in der Haut mittels des elektrischen Pinsels, ebenso bei mechanischer Reizung der Nerven oder ihrer Hautausbreitungen tritt ausnahmslos ein geringes Sinken der Temperatur im Innern des K\u00f6rpers ein. (Die Temperatur wurde in der Aorta, V. cava inf. oder ihren Haupt\u00e4sten, im linken oder rechten Herzen mit H\u00fclfe sehr feiner schlanker Thermometer gemessen). Trennt man das verl\u00e4ngerte Mark vom R\u00fcckenmark ab, so h\u00f6rt die Wirkung der sensiblen Nerven auf die K\u00f6rpertemperatur auf. Reizung des verl\u00e4ngerten Markes selbst durch elektrische Str\u00f6me oder durch Athmungssuspension hat eine \u00e4hnliche Wirkung wie die der sensiblen Nerven. Die Athmungssuspension hat ein viel st\u00e4rkeres Sinken zur Folge als die Reizung der sensiblen Nerven, aber nur, wenn das R\u00fcckenmark nicht von der Med. oblongata abgetrennt ist; im anderen Falle fehlt sie meist ganz. Dieses erhebliche Sinken r\u00fchrt von der Circulationst\u00f6rung her und muss von der Wirkung der sensiblen Nerven wohl unterschieden werden. Letztere geht Hand in Hand mit einer Steigerung des arteriellen Blutdruckes; wo letztere fehlt (Abtrennung der Med. oblongata), fehlt auch die erstere. Um nun zu einer Erkl\u00e4rung des Zusammenhanges dieser beiden Erscheinungen zu gelangen, weist Heidenhain nach, dass jede Verlangsamung des Blutstromes nicht eine Abnahme, sondern eine Steigerung der Temperatur in den inne-\n1\tBrown-S\u00e9quard u. Lombard. Arch. d. physiol. I. p. 688. 1869.\n2\tNaumann, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 196. 1872; Prager Yrtljschr. I. 1667.\n3\tHeidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 504. 1870, Y. S. 20. 1872. \u2014 Leber die Einwendungen, welche Riegel gegen Heidenhain\u2019s Versuche gemacht hat, berichte ich nicht im Einzelnen, da sie f\u00fcr die hier vorliegende Frage nichts Entscheidendes beibringen. S. Arch. f. d. ges. Physiol. IY. S. 383, Y. S. 401.","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss des Nervensystems etc. Einfluss sensibler Nerven.\n429\nren Theilen bewirkt. Es kommt dies offenbar daher, dass die Ableitung der W\u00e4rme aus den Organen in h\u00f6herem Grade abnimmt als die Production. Auf diesen Punkt, welcher f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der sogenannten postmortalen Temperatursteigerung in Betracht zu ziehen ist, gehen wir an einer anderen Stelle ein, ebenso auf die Thatsache, dass bei fiebernden Thieren zwar die Steigerung des arteriellen Druckes durch Reizung der sensiblen Nerven, nicht aber die Temperaturabnahme zu Stande kommt. Indem nun aber Heidenhain weiter nachweist, dass unter der Einwirkung der Reizung sensibler Nerven der Blutstrom nicht verlangsamt, sondern beschleunigt wird, gelangt er zu dem Schluss, dass die Abnahme der Temperatur an den inneren Theilen herr\u00fchrt von dem vermehrten W\u00e4rmeverlust an der K\u00f6rperoberfl\u00e4che. Dieser Schluss wird best\u00e4rkt durch folgende Thatsachen: K\u00fchlt man das Thier durch Eintauchen in Wasser von 14\u00b0\u201418\u00b0 ab, so wird das Sinken der K\u00f6rpertemperatur im Inneren bei jeder Nervenreizung erheblich beschleunigt; befindet sich das Thier in einem Bade, welches nur wenig unter der K\u00f6rpertemperatur ist, so sinkt diese auch bei der Nervenreizung, aber nur sehr wenig; ist endlich das Bad w\u00e4rmer als die K\u00f6rpertemperatur, so steigt diese und die Steigerung wird durch die Nervenreizung noch beschleunigt.\nDie durch irgend welchen Einfluss bewirkte Beschleunigung der gesammten Circulation kann nat\u00fcrlich auch von einer Steigerung der W\u00e4rmebildung begleitet sein. Dass dies in manchen Organen (Dr\u00fcsen und Muskeln) der Fall ist, wissen wir; von anderen Organen ist es ungewiss. Wenn trotzdem bei der Reizung sensibler Nerven an inneren Organen ein Sinken der Temperatur stattfindet, so muss dies daher kommen, dass die er\u00f6rterten abk\u00fchlenden Wirkungen die gesteigerte W\u00e4rmeproduction \u00fcberwiegen. Die Temperaturabnahme ist deshalb auch am st\u00e4rksten ausgesprochen in der V. cava inferior unterhalb der Lebervenen, weil diese dort vorzugsweise Blut aus oberfl\u00e4chlichen, st\u00e4rkerer Abk\u00fchlung ausgesetzten K\u00f6rpertheilen f\u00fchrt.\nW\u00e4hrend die Innentemperatur sinkt, steigt bei der Reizung sensibler Nerven oder directer Erregung der vasomotorischen Nerven durch Athmungssuspension die Temperatur der peripherischen Theile, z. B. der Interdigitalmembran der Zehen und zwar ebensowohl an der gereizten als an der entgegengesetzten Seite. Bei starker elektrischer Reizung der Med. oblongata aber kann auch in den Haut-gef\u00e4ssen die Blutdurchstr\u00f6mung abnehmen, und dann sinkt die Temperatur der Haut und die Abnahme der Innentemperatur kommt gar nicht oder nur in sehr geringem Grade zu Stande.","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen Warne.\nIII. Weitere Erfahrungen \u00fcber vasomotorische Nerven.\nNeben diesen reflectorischen Einwirkungen sind dann durch den Nachweis dilatatorischer Nerven noch F\u00e4lle bekannt geworden, wo durch Nervendurchschneidung oder Nervenreizung unmittelbare Einwirkung auf die Temperatur peripherer K\u00f6rpertheile stattfindet.1\nIn ausf\u00fchrlicher Weise hat neuerdings Edgren2 unter Loven\u2019s Leitung die Temperatur peripherer K\u00f6rpertheile an den hinteren Extremit\u00e4ten von Kaninchen bei sensoriellen und sensiblen Reizen sowie nach Durchschneidung und Reizung des N. ischiadicus und N. saphenus untersucht. Er bestimmte thermoelektrisch die Hauttemperatur, indem er die eine L\u00f6tstelle eines einfachen Thermoelements aus Kupfer und Eisen unter die Haut schob, die andere in einem \u201eThermostat\u201c auf einer sehr nahen Temperatur constant erhielt und die Differenz mass. Sensorielle Eindr\u00fccke, wie Ger\u00e4usch, leichte Ber\u00fchrung, schmerzhafter Eindruck auf den anderen Fuss, elektrische Reizung des centralen Endes des N. dorsalis des anderen Fusses bewirken ein schnelles Absinken der Temperatur (0\u00b0,5\u20141\u00b0,3); Reizung des N. dorsalis derselben Seite eine sehr bedeutende Temperaturzunahme (\u00fcber 3\u00b0). Diese Wirkungen bleiben unge\u00e4ndert nach Durchschneidung des N. saphenus, aber sie fehlen nach Durchschneidung des N. ischiadicus. Elektrische Reizung des peripheren Endes des N. saphenus hat eine geringe Abk\u00fchlung zur Folge; ist vorher der N. ischiadicus durchschnitten worden, so bewirkt sie eine Abk\u00fchlung der Sohle und eine gleichzeitige Erw\u00e4rmung des Fuss-r\u00fcckens, in Folge der Contraction der A. saphena und collateraler Fluxion zur A. tibialis anterior. Durchschneidung des N. saphenus hat keinen Einfluss auf die Temperatur des Fusses, wogegen Durchschneidung des N. ischiadicus eine geringe Temperaturabnahme von kurzer Dauer und dann eine sehr bedeutende Temperaturzunahme bewirkt, die in den folgenden Tagen sich nach und nach wieder verliert. Reizung dieses Nerven bewirkt Temperaturabnahme. Am wirksamsten sind Inductionsstr\u00f6me, welche 4\u201410 mal in der Secunde auf einander folgen. Am 2. bis 5. Tage nach der Durchschneidung bewirkt dieselbe Reizung eine Temperaturzunahme3, sp\u00e4ter ist sie ganz unwirksam. Die Temperatur, welche bei Beginn der Reizung im Fuss herrscht, ist ohne Einfluss auf diesen Erfolg.\n1\tLiteratur s. Bd. IV. 1. S. 420.\n2\tEdgren , Bidrag tili l\u00e4ran om temperaturf\u00f6rh dlandena i periferiska organ. Nord. Med. Ark. Stockholm 1580.\n;6 Ueber die analogen Beobachtungen von Goltz u. A. s. Bd. IV. t. S. 420 ff.","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss d. Nervensystem etc. Weitere Erfahrungen \u00fcb. vasomot. Nerven. 431\nAlle diese Erscheinungen bieten der Erkl\u00e4rung wenig Schwierigkeiten. Es handelt sich immer um Kreislaufs Ver\u00e4nderungen und dadurch bedingte Aenderungen in der Yertheilung der W\u00e4rme. Selbst dann, wenn wir annehmen, dass Aenderungen in der Circulation auch mit Aenderungen in der W\u00e4rmeproduction verbunden seien, wird letztere immer nur als Folge der ersteren aufgefasst werden k\u00f6nnen ; der vermehrte oder verminderte Zufluss von Blut und des in ihm enthaltenen Sauerstoffs kann Veranlassung zu gr\u00f6sserer oder geringerer Oxydation und W\u00e4rmebildung geben. Aber, wie wir gesehen haben, fasst Bernard die Sache noch anders auf; er glaubt an einen directen Einfluss der Nerven auf den Stoffumsatz in den Ge-weben.\nEin .solcher Einfluss besteht ja unzweifelhaft f\u00fcr die Muskeln und die Dr\u00fcsen. In diesen wird bei Reizung ihrer Nerven W\u00e4rme gebildet, auch wenn sie gar nicht von Blut durchstr\u00f6mt sind. Auch kann die Temperatur in ihnen h\u00f6her steigen als die des zugef\u00fchrten Arterienbluts ist. Die M\u00f6glichkeit, dass Nerven auch auf andere Gewebe in \u00e4hnlicher Weise wirken, kann also a priori nicht geleugnet werden. Wenn in diesen Geweben nicht \u00e4usserlich sichtbare Arbeit auftritt wie bei den Muskeln und Dr\u00fcsen, so w\u00fcrde, wTenn jener Einfluss wirklich best\u00e4nde, nur um so gr\u00f6ssere W\u00e4rmebildung unter dem Einfluss der Nervenreizung zu erwarten sein.\nAber um von der Anerkennung dieser M\u00f6glichkeit zu der Zulassung der Behauptung zu gelangen, m\u00fcssten wir doch strengere Beweise haben. Wir m\u00fcssten nachweisen k\u00f6nnen, entweder dass bei der Nervenreizung der betreffende Theil w\u00e4rmer wird, auch wenn gar kein Blut durch denselben str\u00f6mt, oder dass er w\u00e4rmer wird als das zugef\u00fchrte Arterienblut.\nIn beiden Beziehungen lassen die Versuche Bernard\u2019s viel zu w\u00fcnschen \u00fcbrig. Nach Unterbindung der Venen des Ohrs soll Sym-pathicusdurchschneidung noch Temperaturzunahme im Ohr bewirken. Aber dabei ist ein Zustr\u00f6men w\u00e4rmeren Bluts zum Ohr, wenngleich in geringem Grade, doch nicht ausgeschlossen. Bei Einh\u00fcllung des Pferdekopfs mit Watte soll das Blut der V. jugularis nach Sympa-thicusdurchschneidung w\u00e4rmer sein k\u00f6nnen als das der Carotis. Aber das Blut der Jugularis stammt nicht blos aus dem Ohr und anderen oberfl\u00e4chlichen Theilen, sondern auch aus dem Gehirn, welches nach Heidenhain \u00fcberhaupt zu den w\u00e4rmsten Theilen des K\u00f6rpers geh\u00f6rt und stets w\u00e4rmer ist als das Blut der Carotis.1 Wenn also die Ab-\n1 Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 505.1870.","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432\nRosenthal, Lie Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nk\u00fchlung an den peripheren Theilen verringert ist, dann kann leicht das Blut der Jugularis eine h\u00f6here W\u00e4rme annehmen.\nEs fehlt also an den directen Beweisen. Und da ausserdem durch eine vielleicht zuf\u00e4llige Eigent\u00fcmlichkeit des Nervensystems die hypothetischen \u201ecalorischen\u201c Nerven immer mit den Gef\u00e4ssner-ven zusammen verlaufen, und es noch Niemandem gelungen ist, durch irgend einen Versuch mit Nervenreizung oder Durchschneidung eine Aenderung in den W\u00e4rmeverh\u00e4ltnissen hervorzubringen, ohne zugleich Aenderungen der Circulation zu bewirken (den Fall der Muskeln und Dr\u00fcsen immer ausgenommen), so werden wir also die Existenz dieser \u201ecalorischen\u201c Nerven so lange als unerwiesen ansehen m\u00fcssen, bis neue Beweise f\u00fcr dieselben erbracht sein werden.\nWas aber die Muskeln und Dr\u00fcsen anlangt, so liegt bei ihnen der Fall insofern anders, als hier die W\u00e4rmeproduetion als Begleiterscheinung ihrer Th\u00e4tigkeit auftritt. In dieser Hinsicht kann ihnen als drittes Gewebe noch das Nervengewebe zur Seite gestellt werden, und in diesem scheint ja gleichfalls W\u00e4rmeproduetion bei der Th\u00e4tigkeit stattzufinden. Was wir uns aber unter einer Th\u00e4tigkeit anderer Gewebe, z. B. des Knorpels, zu denken haben sollen, und in welcher Weise diese etwa vom Nervensystem abh\u00e4ngen soll, darauf hat bis jetzt noch Niemand eine klare Antwort gegeben.\nAuch die von vielen Pathologen angenommene \u00f6rtlich vermehrte W\u00e4rmeproduetion in Entz\u00fcndungsherden hat man auf \u00e4hnliche Weise deuten wollen. Aber schon Hunter fand, dass die W\u00e4rme entz\u00fcndeter Tlieile niemals h\u00f6her sei als die in den inneren Theilen des K\u00f6rpers, und gegen\u00fcber den abweichenden Angaben Anderer haben Jacobson und Bernhardt1, sowie unter des ersteren Leitung Laudien'2 nachgewiesen, dass bei Entz\u00fcndung tiefliegender Theile deren Temperatur stets etwas niederer bleibt als die des linken Herzens, und bei Entz\u00fcndung peripherer Theile diese stets eine, niederere Temperatur haben als die tieferliegenden Theile und als das zu ihnen zustr\u00f6mende Arterienblut, dass diese dagegen meist h\u00f6her ist als die der symmetrischen gesunden Theile. Auch hier also kann die Temperatursteigerung durch den vermehrten Zufluss w\u00e4rmeren Bluts erkl\u00e4rt werden, ohne dass man eine \u00f6rtlich vermehrte W\u00e4rmeproduc-tion anzunehmen braucht.\nDer pr\u00e4sumirte Einfluss sogenannter calorischer Nerven steht in inniger Beziehung zu dem gleichfalls vollkommen hypothetischen\n1\tJacobson u. Bernhardt, Central!)], f. d. med. Wiss. 1869. No. 19.\n2\tLaudien. Ebenda.","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss des Nervensystems etc. Einfluss d. Centralnervensystems. 433\nEinfluss der sogenannten trophischen Nerven. Und ebenso wie wir im Stande sind, die Thatsachen, welche man als Beweis trophischer Nerven angef\u00fchrt hat, auch ohne diese Annahme zu erkl\u00e4ren, so werden wir auch von der Annahme calorischer Nerven vor der Hand absehen k\u00f6nnen.1\nIV. Einfluss des Centralnervensystems.\nDieselbe Unsicherheit besteht auch hinsichtlich der von einigen Forschern angenommenen \u201ecalorischen Centren\u201c d. h. Stellen in den Centralorganen des Nervensystems, von denen ein Einfluss auf die W\u00e4rmebildung ausge\u00fcbt werden soll. Nach den Einen soll die W\u00e4rmebildung durch die Erregung, welche von diesen Centren ausgeht, verst\u00e4rkt werden, w\u00e4hrend Andere \u201eregulatorische\u201c oder \u201emoderirende\u201c Centrenannehmen, welche die W\u00e4rmebildung vermindern. Man f\u00fchrt die Lehre von dieser Einwirkung des Nervensystems in der Kegel auf Brodie zur\u00fcck, der die Ansicht aufgestellt hat, dass das Gehirn zur W\u00e4rmebildung noth wendig sei, und bezieht sich ausserdem auf die Aenderungen in der localen oder allgemeinen Temperatur, welche nach Verletzungen der Centralorgane oder peripherischer Nerven sowie an gel\u00e4hmten Gliedern auftreten. Ein Tlieil dieser Erscheinungen kann nach unseren heutigen Kenntnissen ungezwungen auf die ver\u00e4nderte Circulation in Folge vasomotorischer Nerveneinfl\u00fcsse bezogen werden, ein anderer Theil ist noch unklar und gestattet keinen bindenden Schluss.\nBrodie2 fand, dass nach Abschneiden des Kopfes oder Durchschneidung des R\u00fcckenmarks im oberen Halstheil die Herzth\u00e4tigkeit fortdauert und dass durch k\u00fcnstliche Athmung der Kreislauf in Gang gehalten werden kann. Dabei sank aber die K\u00f6rpertemperatur und zwar schneller als bei einem zum Vergleich dienenden Thier, dem der Kopf abgeschnitten wurde, ohne dass k\u00fcnstliche Athmung eingeleitet wurde. Brodie erkl\u00e4rt dies ganz richtig durch die gr\u00f6ssere W\u00e4rmeabgabe bei Erhaltung des Kreislaufs, st\u00fctzt diesen Schluss auch durch einen Versuch, bei welchem die Abk\u00fchlung ungef\u00e4hr ebenso langsam als ohne Lufteinblasung erfolgte, wenn zwar k\u00fcnstliche Athmung unterhalten, der Kreislauf aber durch Umlegen eines Bandes um das Herz unterbrochen wurde. Dennoch h\u00e4lt er diese Erkl\u00e4rung nicht f\u00fcr ausreichend, sondern schliesst, dass der Athemprocess nicht\n1\tN\u00e4heres s. Bd. II. 1. S. 201 ff.\n2\tBrodie, PMlos.Trans. 1811. S 36, 1812. S. 378; \u00fcbersetzt von Nasse in Reil\u2019s u. Autenrieth\u2019s Arch. XII. 137 u. 199. 1815.\nHandbuch der Physiologie. Bd. IYa.\t28","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\ndie Ursache der W\u00e4rmeproduction sein k\u00f6nne, und dass die W\u00e4rmebildung nach Abtragung des Gehirns auf h\u00f6re. Und in dieser Ansicht wird er best\u00e4rkt, weil die Thiere auch bei Vergiftung mit narkotischen Giften (Opium, Woorara), durch welche er die Gehirnth\u00e4tigkeit ausgeschaltet zu haben glaubt, schneller erkalten, weil sie, wie er annimmt, dann keine W\u00e4rme mehr bilden.\nWenn man bedenkt, dass die Abtragung des Gehirns mitsammt der Medulla oblongata zu einer bedeutenden Ueberf\u00fcllung der \u00e4usseren K\u00f6rpertheile mit Blut und dadurch, trotz der verlangsamten Blutstr\u00f6mung, zu einer vermehrten W\u00e4rmeabgabe f\u00fchrt, so erkl\u00e4ren sich die BRODiE\u2019schen Versuche wohl hinl\u00e4nglich. In dieser Weise wird auch von neueren Schriftstellern die Abnahme der Temperatur nach R\u00fcckenmarksdurchschneidung allgemein aufgefasst. Man pflegt diese Durchschneidung, um die Athmung nicht aufzuheben, unterhalb des 6. Halswirbels vorzunehmen. In dieser Form haben wir den Versuch schon im Capitel IV als Beweis f\u00fcr die Bedeutung der Hautcirculation f\u00fcr die W\u00e4rmeregulirung aufgef\u00fchrt. Aber wir haben zugleich darauf hingewiesen, dass die dadurch bewirkte L\u00e4hmung eines grossen Muskelgebiets m\u00f6glicherweise doch eine Verminderung der W\u00e4rmeproduction veranlassen kann. Ob dies in dem Sinne von Pfl\u00fcger so aufzufassen ist, dass die Muskeln auch bei scheinbarer Ruhe fortw\u00e4hrend W\u00e4rme produciren, so lange sie unter dem Einfluss des Gehirns stehen, oder ob dies nur gelegentlich sichtbarer Muskelbewegungen geschieht, l\u00e4sst sich nach den vorliegenden That-sachen nicht entscheiden.\nDie Versuche Brodie\u2019s wurden vielfach wiederholt und ihrem thats\u00e4chlichen Inhalt nach wohl theilweise best\u00e4tigt, so von Chossat1, Hale'2, Legallois3, Wilson Philipp4, Williams5. Doch schwanken die Angaben \u00fcber den Einfluss der k\u00fcnstlichen Athmung, indem die Abk\u00fchlung der Thiere je nach der St\u00e4rke der k\u00fcnstlichen Athmung verschieden ausfiel. So sah Hale langsamere Abk\u00fchlung nach R\u00fcckenmarksdurchschneidung, wenn k\u00fcnstliche Athmung unterhalten wurde. Und Williams konnte sogar bei gek\u00f6pften Thieren, die schon zu erkalten angefangen hatten, einige Male die Temperatur durch die k\u00fcnstliche Athmung wieder heben. Auch diese Erfolge k\u00f6nnen wir jetzt nach den Erfahrungen, welche Heidenhain mit der Athmungs-\n1\tChossat, Meckel\u2019s Arch. VIL S. 282.\n2\tHale, London med. and phys. Journ. XXII. \u2014 Meckel\u2019s Arch. III. S. 429.\n3\tLegallois, Ann. d. chim. et d. phys. IY. 1817 ; Meckel\u2019s Arch. III. S. 436.\n4\tPhilipp, Untersuchungen \u00fcber die Gesetze d. Functionen d. Lebens. Uebers. v. Sonthelmer. Stuttgart 1822.\n5\tWilliams, Froriep's Notizen. 1836. S. 4.","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss des Nervensystems etc. Einfluss des Centralnervensystems. 435\nsuspension bei curarisirten Thieren gemacht hat, gut verstehen. Wenn die k\u00fcnstliche Athmung ausreicht, die Circulation in gutem Gang zu erhalten, so wird eine Verst\u00e4rkung derselben h\u00f6chstens eine noch um ein geringes vermehrte Abk\u00fchlung bewirken wegen des etwas gr\u00f6sseren W\u00e4rme Verlustes in der Lunge. Wenn aber die k\u00fcnstliche Athmung unzureichend ist, dann \u00e4ndert sich der Kreislauf. Diese Aenderung ist eine sehr erhebliche, wenn die Medulla oblongata erhalten ist, wegen des Einflusses des vasomotorischen Centrums; sie muss nach Abtrennung des R\u00fcckenmarks ganz anders ausfallen. Und welchen Einfl\u00fcsse Aenderungen der Circulation auf die Tempe-r^turverh\u00e4ltnisse haben, das ist durch die schon fr\u00fcher besprochenen Versuche Heidenhain\u2019s dargelegt worden.\nSehr-klar, wie immer, sind die Angaben von Legallois. Er widerspricht der Erkl\u00e4rung von Brodie auf das Bestimmteste auf Grund von Versuchen, welche Folgendes ergaben: 1. Enthauptete Thiere mit k\u00fcnstlicher Athmung erkalten betr\u00e4chtlich, behalten aber immer eine um 1\u00b0\u20143\u00b0 h\u00f6here Temperatur als todte. 2. Um bis auf denselben Grad zu erkalten als todte, verlieren die ersteren viel mehr W\u00e4rme, also bilden sie W\u00e4rme. 3. K\u00fcnstliche Athmung allein, ohne jede Verletzung, wirkt abk\u00fchlend, kann sogar unter Umst\u00e4nden zum Tode durch Abk\u00fchlung f\u00fchren. 4. Athmungshindernisse (wozu Legallois auch die Befestigung auf dem Vivisectionsbrett in der R\u00fcckenlage rechnet) wirken abk\u00fchlend und k\u00f6nnen zum Tode f\u00fchren. 5. Abgesehen von St\u00f6rungen erkalten die Thiere um so mehr, je weniger 0 sie verbrauchen ; bei Asphyxie tritt Erkalten ein, und zur Wiederbelebung ist W\u00e4rmezufuhr n\u00f6thig. Es ist zu bemerken, dass Le Gallois mit kleinen und meistens jungen Thieren experimentirt hat, bei denen die Erkaltung sehr betr\u00e4chtlich ausf\u00e4llt.\nGanz auf Seite Brodie\u2019s stellte sich dagegen Earle1, welcher Beobachtungen an Menschen bei Gehirnverletzungen im Sinne Brodie\u2019s deutet. In einem Falle sah er nach Unterbindung der Hauptarterie in einem Gliede die Temperatur steigen. Diese Beobachtung findet ihr Analogon in den Versuchen, welche Heidenhain2 \u00fcber die Compression der Aorta anstellte, wonach er Temperaturzunahme in der V. cava inferior, in der V. hepatica und im Rectum sah und nachwies, dass unter diesen Umst\u00e4nden ein freilich geringer Blutwechsel in den Geweben noch stattfinden kann. Die allgemeine Thatsache, dass bei l\u00e4ngerer Dauer des Verschlusses, wenn sich kein\n1\tEarle, Med.-chirurg. Trans. VII. S. 173 ; Meckel\u2019s Arch. III. S. 418.\n2\tHeidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 522 u. 554.\n28*","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436\nRosexthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nCollateralkreislauf herstellt, die Temperatur abnimmt, wird durch diese Beobachtungen nicht widerlegt.\nV. Erw\u00e4rmung nach R\u00fcckemnarksveiTetzungeii.\nGanz in Gegensatz zu seinen \u00e4lteren Versuchen stellte sich Brodle1 sp\u00e4ter auf Grund von Beobachtungen an Menschen mit Verletzung des R\u00fcckenmarks. Er sah bei diesen stets eine betr\u00e4chtliche Temperatursteigerung, insbesondere in einem Falle von Zerreissung des unteren Cervicalmarks, wo der Tod nach 22 Stunden eintrat und ein Thermometer zwischen Scrotum und Schenkel auf 43\u00b0,9 stieg. Aehnliche F\u00e4lle beobachteten Billroth2, Weber3, Fischer4, Quincke5 und Nieden6 7. Doch ist das Verhalten nicht immer dasselbe, denn Fischer sah in einem Falle totaler Zerst\u00f6rung des R\u00fcckenmarks im Halstheil Temperatursteigerung bis 42\u00b0,9, in 2 anderen F\u00e4llen theil-weiser Verletzung mit mehr oder weniger vollst\u00e4ndiger Schonung der Vorderstr\u00e4nge stetiges Sinken bis auf 34\u00b0 und 30\u00b0,2. Bei Hunden und Kaninchen fand er nach vollst\u00e4ndiger Durchschneidung des R\u00fcckenmarks im Halstheil unmittelbare Steigerung der Temperatur (im Rectum?) um 0\u00b0,5 \u20141\u00b0,7, bei Verletzungen mit Erhaltung der Vorderstr\u00e4nge unmittelbaren Abfall um 0\u00b0,5\u20143\u00b0. Durchschneidungen im Brust- und Lendentheil hatten niemals Temperatursteigerungen zur Folge. Die Thiere wurden in Watte gewickelt und die Operation erst vorgenommen, wenn die Temperatur ganz constant geworden war. Fischer schliesst daraus, dass \u201e 1. im Halsteile des R\u00fcckenmarks ein Temperatur-Hemmungs- (resp. Regulirungs ^Centrum sich befindet, dessen Reizung einen Temperaturabfall, dessen L\u00e4hmung eine Temperatursteigerung bewirkt, und dass 2. dies Centrum in den vorderen Str\u00e4ngen des Halstheiles im R\u00fcckenmark gesucht werden muss\u201c.\nAuch Quincke wurde durch seine Beobachtungen zu Versuchen angeregt, welche er in Gemeinschaft mit Naunyn' unternahm. Hunde, welche nach Zerquetschung des R\u00fcckenmarks in einen erw\u00e4rmten Raum von 26\u00b0\u201430\u00b0 gebracht wurden, erfuhren eine Temperaturstei-\n1\tBrodie, Med.-chir. Transact. XX. p. 146. 1837.\n2\tBillroth. Langenbeck\u2019s Arch. 1862.\n3\tWeber, Trans, of the clin. soc. 1868. p. 1.\n4\tFischer, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1869. Ko. 17.\n5\tQuincke, Berliner klin. Woch. 1869. No. 29.\n6\tNieden, Berliner klin. Woch. 1879. No. 50.\n7\tNaunyn u. Quincke, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1869. S. 174 u. 521.","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss d. Nervensystems etc. Erw\u00e4rmung nach R\u00fcckenmarksverletz. 437\ngening bis 44\u00b0 und dar\u00fcber. Die Steigerung war um so geringer, je tiefer die R\u00fcckenmarksverletzung angebracht war, und fehlte ganz, wenn die Thiere ganz in gleicher Weise operirt, das R\u00fcckenmark aber unverletzt geblieben war. Blosse Einh\u00fcllung in schlechte W\u00e4rmeleiter reichte nicht aus, um die sonst nach der R\u00fcckenmarkstrennung eintretende Abk\u00fchlung in die hier beobachtete W\u00e4rmesteigerung umzuwandeln. Naunyn und Quincke nehmen ebenso wie Fischer an, dass im R\u00fcckenmark Nervenfasern verlaufen, welche die W\u00e4rmeproduction vermindern, versetzen aber deren Ursprung ins Gehirn. Nach Riickenmarksdurchschneidung sei daher die W\u00e4rmeproduction vermehrt, und wenn die gleichzeitig vermehrte W\u00e4rmeabgabe (wegen L\u00e4hmung der vasomotorischen Nerven) durch die warme Umgebung vermindert werde, so k\u00f6nne der andere Einfluss \u00fcberwiegen und die Temperatur steigen. Auch gelang es, bei g\u00fcnstigen Verh\u00e4ltnissen (warme Jahreszeit, dicht behaarte, sehr grosse Hunde) ohne k\u00fcnstliche Erw\u00e4rmung die Temperatursteigerung zu beobachten. Ergotin hatte keinen Einfluss, nach grossen Chinindosen dagegen blieb die Temperatursteigerung auch im erw\u00e4rmten Raum \u00f6fter aus.\nDagegen kommt Riegel4 zu dem Schluss, dass die W\u00e4rmeproduction nach Riickenmarksdurchschneidung nicht vermehrt sondern vermindert sei, und findet den Grund der Temperatursteigerung bei Aufenthalt in warmer Luft darin, dass die von Ackermann in ihrer Bedeutung hervorgehobene Regulirung durch die Athmung nach der Riickenmarksdurchschneidung nicht mehr wirksam sei.\nv. Schroff 2 sah die Temperatursteigerung bei Hunden im W\u00e4rmekasten sowie nach Einh\u00fcllen in Wolldecken auch dann ein-treten, wenn er den Wirbelkanal er\u00f6ffnet, aber das R\u00fcckenmark nicht verletzt hatte. Er ist daher geneigt, sie nur f\u00fcr eine Folge der schweren Verletzung zu halten.\nAuch ich1 2 3 habe die Versuche von Naunyn und Quincke \u00f6fters wiederholt, konnte jedoch niemals zu der Ueberzeugung einer erh\u00f6hten W\u00e4rmeproduction gelangen. Immer waren die Ergebnisse der Art, dass aus ihnen nur ein vermehrter W\u00e4rmeverlust im Vergleich zu normalen Thieren gefolgert werden konnte, niemals eine vermehrte W\u00e4rmeproduction.\nBei hoher Durchtrennung des R\u00fcckenmarkes, d. h. zwischen\n1\tRiegel, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 629.\n2\tv. Schroff, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. CI. (3) LXXIII. S. 141.\n3\tRosenthal, ZurKenntniss d. W\u00e4rmeregulirung bei den warmbl\u00fctigen Thieren. S. 35.","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nRosenthal. Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\n6. und 7. Halswirbel, sinkt die Temperatur der Thiere bis zu einer Umgebungstemperatur von 32\u00b0 stetig, um so langsamer, je h\u00f6her die Umgebungstemperatur ist. Bei 32\u00b0 C. waren die Thiere mit hoher R\u00fcckenmarksdurchschneidung in dem von mir angewandten Apparate ungef\u00e4hr im Gleichgewicht, d. h. sie behielten ungef\u00e4hr die Temperatur, mit welcher sie in den Apparat kamen, und die stets unter der normalen war. Ueber 32\u00b0 erw\u00e4rmten sie sich, aber diese Erw\u00e4rmung blieb, so lange die Temperatur des Raum\u00e8s niedriger war als die des Thieres, immer m\u00e4ssig, jedenfalls nicht st\u00e4rker als die eines normalen Thieres. Bei tiefer R\u00fcckenmarksdurchschneidun\u00b0'\n\u00f6 J\nd. h. zwischen 6. und 7. Brustwirbel, hingegen tritt schon bei 30\u00b0 C. eine geringe Erw\u00e4rmung ein und diese w\u00e4chst noch bei h\u00f6herer Temperatur der Umgebung. Diese Ergebnisse erhielt man aber nur an frisch operirten Thieren. Wurden diese jedoch durch den Aufenthalt im Wr\u00e4rmekasten am Leben erhalten, so wurde an den folgenden Tagen h\u00e4ufig eine W\u00e4rmezunahme gefunden bei Temperaturen, welche anf\u00e4nglich keine solche ergeben hatten. Diese habe ich f\u00fcr Folge des Wundfiebers gehalten, und da auch in den Versuchen von Naunyn und Quincke die Erw\u00e4rmung h\u00e4ufig erst sehr sp\u00e4t auftritt, so glaubte ich, dass auch bei diesen die Fieberhitze, zum Theil wenigstens, an dem Erfolge schuld war.\nEs fr\u00e4gt sich nun, warum bei Thieren mit tiefer R\u00fcckenmarksdurchschneidung der Gleichgewichtszustand bei einer etwas tieferen Temperatur eintritt, als bei solchen mit hoher R\u00fcckenmarksdurch-trennung. Wenn normale Thiere bei Temperaturen von 30\u00b0\u201432\u00b0 C. sich noch im ungef\u00e4hren Gleichgewichte befinden, und wenn Thiere mit hoher R\u00fcckenmarksdurchschneidung bei eben diesen Temperaturen abk\u00fchlen, weil sie in Folge der Gef\u00e4ssl\u00e4hmung mehr W\u00e4rme verlieren, so m\u00fcssten Thiere mit tieferer R\u00fcckenmarksdurchschneidung, bei welchen doch auch ein Theil des Gef\u00e4ssbezirkes gel\u00e4hmt ist, wenigstens etwas mehr W\u00e4rme verlieren als normale. In der That sehen wir ja auch, dass solche Thiere bei mittlerer Zimmertemperatur abk\u00fchlen, wenn gleich nur unbedeutend, da bald ein Gleichgewichtszustand eintritt, wo sie ebensoviel W\u00e4rme produciren als sie verlieren. Man kann dies so erkl\u00e4ren, dass mit der R\u00fcckenmarksdurchschneidung zugleich die haupts\u00e4chlichste Quelle der W\u00e4r-meproduction, n\u00e4mlich die Muskelbewegung, abgeschnitten ist. Bei tiefer R\u00fcckenmarksdurchschneidung aber ist ein grosser Theil der Muskeln erhalten, und die Thiere strengen diese Muskeln an, sie bewegen sich viel, offenbar um sich aus ihrer hilflosen Lage mit gel\u00e4hmten hinteren Extremit\u00e4ten zu befreien, w\u00e4hrend die normalen","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss cl. Nervensystems etc. Erw\u00e4rmung nach R\u00fcckenmarksverletz. 439\nThiere in h\u00f6herer Temperatur auffallend still liegen. Die Thiere mit tiefer R\u00fcekenmarksdurchschneidung produciren also unter diesen Umst\u00e4nden mehr W\u00e4rme als normale und als solche mit hoher Rticken-marksdurchschneidung. Hierzu kommt aber noch ein zweiter Umstand. Bei Thieren mit R\u00fcekenmarksdurchschneidung sieht man, dass die Ohren auffallend blass sind und es auch bei hohen Umgebungstemperaturen bleiben. Da nun die noch mit dem vasomotorischen Centrum in Verbindung stehenden Gef\u00e4sse der Ohren bei hohen Temperaturen doch offenbar auch gel\u00e4hmt werden, so kann ihre Bl\u00e4sse offenbar nur davon herr\u00fchren, dass die \u00fcbrigen Gef\u00e4sse nach der R\u00fcekenmarksdurchschneidung so stark erweitert werden, dass den Ohrgef\u00e4ssen in Folge dessen nur wenig Blut zufliesst, und sie deshalb sich nicht merklich erweitern. Diese \u201e collaterale An\u00e4mie \u201c der Ohrgef\u00e4sse kommt aber haupts\u00e4chlich durch die Erweiterung der Gef\u00e4sse der Baucheingeweide zu Stande, welche verm\u00f6ge ihrer Einlagerung in sehr lockere Gewebe einer enormen Erweiterung f\u00e4hig sind. Man kann sich hiervon \u00fcberzeugen, wenn man die Splanchnici durchschneidet oder die Pfortader unterbindet. Besonders im letzteren Falle tritt eine so betr\u00e4chtliche Erweiterung der Bauchgef\u00e4sse ein, dass schliesslich fast alles Blut des ganzen K\u00f6rpers in jenen Ge-f\u00e4ssen sich anh\u00e4uft und dadurch die Thiere, wie ich gefunden habe, an allm\u00e4hlich sich ausbildender Hirnan\u00e4mie zu Grunde gehen. Etwas \u00e4hnliches muss nat\u00fcrlich auch bei tiefer R\u00fcckenmarksdurchschnei-dung erfolgen, wofern nur die Durchschneidung, wie in unseren Versuchen, oberhalb des Abganges der Splanchnici stattgefunden hat. Dann wird also ein sehr grosser Theil der Hautgef\u00e4sse unerweitert bleiben, das Blut wird in dem gr\u00f6ssten Theile der Hautgef\u00e4sse nur langsam circuliren und die Abk\u00fchlung wird im Vergleich zu normalen Thieren bei der Einwirkung h\u00f6herer Temperaturen geringer ausfallen.\nAndererseits macht es nach Israel 1 einen sehr erheblichen Unterschied, ob die Durchschneidung zwischen 5. und 6. oder zwischen 6. und 7. Halswirbel geschieht. Im letzteren Falle erfolgt die Abk\u00fchlung viel langsamer ; im ersteren sinken Puls und Athmung bald nach der Operation sehr erheblich und Israel erkl\u00e4rt den betr\u00e4chtlichen Temperaturabfall durch die vollkommene Bewegungslosigkeit in Verbindung mit der wegen der herabgesetzten Athmung unzureichenden Oxydation der K\u00f6rperbestandtheile.\n1 Israel, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1877. S. 435.","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nVI. Sogenannte calorische Centren im Gehirn.\nAuch Tscheschichin 1 konnte nach R\u00fcckenmarksdurchschnei-dung die Temperatursteigerung niemals beobachten, selbst wenn er die vermehrte W\u00e4rmeabgabe durch Einwickeln in schlechte W\u00e4rmeleiter m\u00f6glichst verminderte. Er nimmt vielmehr gleichfalls an, dass die W\u00e4rmebildung wegen der allgemeinen Muskell\u00e4hmung vermindert sei. Dagegen bewirken nach ihm Durchschneidungen des Gehirns zwischen Pons und Medulla betr\u00e4chtliche Temperatursteigerungen. Er vermuthet, dass im Gehirn moderirende Centra f\u00fcr die Th\u00e4tigkeit des R\u00fcckenmarkes sich befinden, deren Fortfall bei der letztgenannten Operation also die Temperatursteigerung veranlassen w\u00fcrde.\nLewitzky1 2 konnte Tscheschichin\u2019s Angabe \u00fcber die Temperatursteigerung nach Hirnverletzung nicht best\u00e4tigen, und Bruck und G\u00fcnter3, welche unter Heidenhain\u2019s Leitung arbeiteten, fanden die Temperatursteigerung nur bei einem Theil ihrer Versuche, w\u00e4hrend sie in anderen fehlte. Die Steigerung wurde h\u00e4ufiger beobachtet bei blossen Verletzungen zwischen Pons und Medulla oblongata als bei vollkommenen Durchschneidungen; Verletzungen des vorderen Randes des Pons schienen unwirksam zu sein. Da die Temperatur nicht nur im Rectum sondern auch unter der Haut stieg, so w\u00e4re nicht auf verminderte W\u00e4rmeabgabe, sondern auf vermehrte W\u00e4rmepro-duction zu schliessen. Die Annahme moderirender Centra, welche Tscheschichin machte, vertr\u00e4gt sich aber nicht damit, dass Stich wirksamer war als vollkommene Trennung. Dem entsprechend war auch elektrische Reizung der Gegend zwischen Pons und Medulla wirksam. Die Sicherheit der Beobachtung wird aber gest\u00f6rt durch die dabei auftretenden klonischen Kr\u00e4mpfe.\nSchreiber4 endlich findet nach Verletzung des Pons in allen seinen Theilen, der Pedunculi cerebri, des Gross- und Kleinhirns Steigerung der K\u00f6rpertemperatur, wenn die Thiere vor W\u00e4rmeverlusten durch k\u00fcnstliche Mittel (Einwicklung in Watte oder Flanell, hohe Umgebungstemperatur) gesch\u00fctzt werden ; dieselbe trat dagegen bedingungslos und constant ein bei Verletzungen an der Grenze von Pons und Medulla oblongata. Es ist jedoch zu bemerken, dass auch\n1\tTscheschichin, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1866. S. 151.\n2\tLewitzky, Arch. f. pathol. Anat. XLVII. S. 357.\n3\tBkuck u. G\u00fcnther, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 578.\n4\tSchreiber, Arch. f. d. ges. Physiol. VIII. S. 576.","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss d. Nervensystems etc. Calorische Centrai im Gehirn. 441\ndiese Versuche bei sehr hoher Zimmertemperatur (niederste 23\u00b0,8, h\u00f6chste 26\u00b0,2) angestellt wurden, dass die Temperatursteigerungen meistens sehr gering sind (0\u00b0,6 bei 23\u00b0,8 niederste und nur einmal 4\u00b0,3 bei 26\u00b0,2 Zimmertemperatur) und dass die Operation von Kr\u00e4mpfen, Respirations- und Circulations\u00e4nderungen gefolgt war.\nIn sehr ausf\u00fchrlicher Weise hat neuerdings Wood1 die ganze Frage behandelt und, was besonders wichtig ist, nicht nur die Aende-rungen der Eigenw\u00e4rme beobachtet, sondern die W\u00e4rmeproduction calorimetrisch gemessen. Durchschneidungen des R\u00fcckenmarks oberhalb des Ursprungs der Nn. splanchnici haben vermehrte W\u00e4rmeabgabe und verringerte W\u00e4rmeproduction zur Folge. Durchschneidungen oberhalb der Medulla oblongata aber, an der Grenze des Pons, haben vermehrte W\u00e4rmeabgabe und vermehrte W\u00e4rmeproduction zur Folge. Diese ist jedoch nicht die Folge einer Reizung jener Hirntheile, 'sondern wie Wood mit Tscheschichin annimmt, die Folge des Wegfalls eines moderirenden Centrums, welches in oder \u00fcber dem Pons liegt, zumal die Annahme, dass es sich dabei um ein vasomotorisches Centrum handle, sich nicht best\u00e4tigte.\nDie Auffindung motorischer und sensibler Rindenfelder des Grosshirns hat Eulenburg und Landois2 veranlasst auch auf das Vorkommen vasomotorischer und dadurch die Temperatur ver\u00e4ndernder Centra in der Hirnrinde zu untersuchen. Sie fanden bei Hunden nach Zerst\u00f6rung eines Rindentheils, der vorn durch den Sulcus cru-ciatus begrenzt wird und den hinteren und seitlichen Theil der Windungen, welche der vorderen Centralwindung des Menschen- und Affengehirns entsprechen, betr\u00e4chtliche Temperatursteigerung in beiden Extremit\u00e4ten der entgegengesetzten Seite, bald mehr ausgesprochen im Vorderbein, bald mehr im Hinterbein. Der Bezirk f\u00fcr das Vorderbein liegt etwas mehr nach vorn und aussen, unmittelbar dem lateralen Ende des Sulcus cruciatus benachbart. Die Temperaturzunahme erh\u00e4lt sich oft mit Schwankungen wochenlang nach der Operation, meist aber verliert sie sich nach einigen Tagen. Reizung der betreffenden Rindenstelle mit schwachen Inductionsstr\u00f6men bewirkt eine geringe Abk\u00fchlung der Pfoten. Zerst\u00f6rung oder Reizung des Lendenmarks wirkt, wenn sie l\u00e4ngere Zeit nach Abtragung des erw\u00e4hnten Rindenbezirks vorgenommen wird, in der gew\u00f6hnlichen Weise. Eulenburg und Landois deuten diese Versuche dahin, dass\n1\tH. C. Wood, Fever, a study in morbid and normal physiology. Washington City 1880 (Published by the Smithsonian Institution).\n2\tEulenburg u. Landois, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876. No. 15; Arch. f. path. An at. LX VIII.","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\njene Rindenfelder die centralen Endigungen der in den Pedunculi cerebri gelegenen vasomotorischen Nerven seien.\nDiese Angaben wurden im Wesentlichen best\u00e4tigt von Hitzig1; und von Wood; an Kaninchen fand jedoch K\u00fcssner2 rein negative Resultate, ebenso H. Rosenthal3.\nNach Durchschneidung des Thalamus opticus sah Peyrani4 Temperatursteigerung auf der operirten Seite.\nAus allen diesen Beobachtungen geht mit Sicherheit der Einfluss des Hirns auf die locale und Gesammttemperatur hervor, insofern derselbe durch vasomotorische Einfl\u00fcsse bedingt ist. Eine directe Einwirkung auf die W\u00e4rmeproduction aber l\u00e4sst sich aus denselben trotz der positiven Angaben von Wood bis jetzt mit Sicherheit nicht ableiten. Denn einerseits herrscht noch keine vollkommene Ueber-einstimmung \u00fcber die Tkatsacken, andererseits ist die Deutung derselben zu unbestimmt. Denn selbst die von Wood beobachtete vermehrte W \u00e4rmeproduction l\u00e4sst sich, falls sie sich best\u00e4tigt, als eine Folge der ge\u00e4nderten Circulation deuten.\n^ II. Postmortale Temperatursteigerung.\nZu wiederholten Malen haben wir Gelegenheit gehabt, die eigen-th\u00fcmliche Erscheinung der sogenannten postmortalen Temperatursteigerung zu erw\u00e4hnen. Wir haben ihre Besprechung bis auf diese Stelle verschoben, weil sie mit einem Theil der in den ersten Paragraphen dieses Capitels besprochenen Verh\u00e4ltnisse in Beziehung steht. In den verschiedensten Krankheiten, vorzugsweise aber bei solchen, welche schon an sich mit bedeutenden Temperatursteigerungen einherzugehen pflegen, namentlich bei Tetanus, Hirn- und R\u00fcckenmarkskrankheiten, Rheumatismus acutus, aber auch bei Typhus abdominalis, Cholera, Variola, ist von verschiedenen Beobachtern unmittelbar vor und bald nach dem Tode ein schnelles Ansteigen der Temperatur beobachtet worden, welche dabei die h\u00f6chsten \u00fcberhaupt beim Menschen vorgekommenen Werthe (bis zu 44\u00b0,75) erreicht.5 Die Kliniker unterscheiden danach eine pr\u00e4agonale und die eigentliche postmortale Temperatursteigerung.\n1\tHitzig, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876. No. IS.\n2\tK\u00fcssner, Ebenda. 1877. No. 45.\n3\tH. Rosenthal, Experimentelle Untersuchungen \u00fcber den Einfluss des Gross-hirns auf die K\u00f6rperw\u00e4rme. Inaug.-Diss. Berlin 1877.\n4\tPeyrani, Biolog. Centralbl. I. S. 380.\n5\tEine Zusammenstellung der bis 1869 bekannt gewordenen F\u00e4lle s. bei: A. Valentin, Arch. f. klin. Med. VI. S. 200. Auch als Berner Inaug.-Diss. besonders erschienen.","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss d. Nervensystems,etc. Postmortale Temperatursteigerung. 443\nZur Erkl\u00e4rung der letzteren hat man geglaubt, besondere Umst\u00e4nde annekmen zu m\u00fcssen. So hatten Fick und Dybkowsky 1 auf die von ihnen nachgewiesene, auch von Schiffer'1 2 best\u00e4tigte W\u00e4rmeentwicklung hingewiesen, welche mit der Todtenstarre der Muskeln verbunden ist. Da in manchen F\u00e4llen, wo die postmortale Temperatursteigerung sehr ausgesprochen zu sein pflegt, wie beim Tetanus und \u00fcberhaupt bei allen den Zust\u00e4nden, wo auch schon w\u00e4hrend des Lebens eine abnorm hohe Temperatur herrscht, die Todtenstarre sehr schnell einzutreten pflegt, so lag es allerdings nahe, dieselbe zur Erkl\u00e4rung heranzuziehen, obgleich wohl in den meisten F\u00e4llen die postmortale Temperatursteigerung schon vor dem Eintritt der Todtenstarre zur Erscheinung kommt. Dasselbe gilt jedenfalls auch von der von Schiffer gefundenen W\u00e4rmebildung beim Gerinnen des Bluts, welche auch Huppert3 neben der Todtenstarre zur Erkl\u00e4rung der Erscheinung heranzog. Huppert f\u00fchrt zum Beweis Versuche an, welche zeigen, dass die Abk\u00fchlung eines eben gestorbenen Thiers langsamer erfolgt als die eines nach L\u00f6sung der Todtenstarre k\u00fcnstlich auf denselben Grad erw\u00e4rmten. Unmittelbar nach der T\u00f6dtung eines Kaninchens durch Einspritzung von Glycerin in die Jugularis sank die Temperatur um 4\u00b0,25 in 139 Minuten. Am folgenden Tage, als die Starre noch bestand, sank sie um denselben Werth in 71,5 Minuten; am dritten Tage, nach voller L\u00f6sung der Starre, in 64,75 Minuten. Wenn aus der langsamen Abk\u00fchlung des eben get\u00f6dteten Thieres geschlossen werden darf, dass in ihm noch W\u00e4rmeproduction stattfand, was wohl unzweifelhaft ist, so kann daraus doch kein bindender Schluss auf die Betheiligung der Todtenstarre an derselben gezogen werden, da auch am zweiten und dritten Tage noch ein freilich geringer Unterschied gefunden wurde; man m\u00fcsste denn annehmen, dass die W\u00e4rmebildung w\u00e4hrend der ganzen Dauer der Starre, wenn auch mit abnehmender Energie, fortdauert. Auch Huppert\u2019s Gegenversuch an einem mit Rhodankalium vergifteten Kaninchen, bei dem die Abk\u00fchlung ebenso schnell erfolgte, als bei dem nach dem Tode k\u00fcnstlich erw\u00e4rmten, kann nicht als vollgiltiger Beweis angesehen werden, da wir nicht wissen, ob dieses Gift ausser der Verhinderung der Todtenstarre noch in anderer Weise auf die w\u00e4rmebildenden Processe einzuwirken vermag.\nAehnliche Versuche wie Huppert hat auch A. Valentin4 an-\n1\tFick u. Dybkowsky, Yrtljschr. d. naturf. Ges. zu Z\u00fcrich. 1867.\n2\tSchiffer, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1867. No. 54.\n3\tHuppert, Arch. d. Heilk. 1867. S. 321.\n4\tA4 alentin, a. a. O. S. 32 ff. des Sonderabdrucks.","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\ngestellt und ausserdem die von eben get\u00f6dteten und von sp\u00e4ter k\u00fcnstlich erw\u00e4rmten Thieren bei gleichen Abk\u00fchlungen angegebenen W\u00e4rmemengen bestimmt. Er erhielt so Werthe f\u00fcr die \u201escheinbare specifische W\u00e4rmea des Thiers, und da diese bei den frisch get\u00f6dteten Thieren stets h\u00f6here Werthe ergab als bei den todten, k\u00fcnstlich erw\u00e4rmten, so kann daraus auf eine Fortdauer der W\u00e4rmebildung noch w\u00e4hrend einer gewissen Zeit nach dem Tode geschlossen werden.\nTill. Unabh\u00e4ngigkeit der W\u00e4rmebildung von der Circulation.\nWir m\u00fcssen also annehmen, dass die W\u00e4rmebildung im Organismus nicht unmittelbar mit dem Tode, d. h. mit dem Aufh\u00f6ren der willk\u00fcrlichen Bewegungen, der Athembewegungen und des Herzschlags aufh\u00f6ren. Aber wir brauchen dazu nicht auf neue Produc-tionsquellen, welche w\u00e4hrend des Lebens nicht existiren, wie die Todtenstarre und die Blutgerinnung, zur\u00fcckzugreifen. Die Gewebe sterben ja nicht unmittelbar und alle gleichzeitig in dem Momente, wo der Pulsschlag auf h\u00f6rt; sie \u00fcberleben k\u00fcrzere oder l\u00e4ngere Zeit. Und mit diesem Ueberleben ist auch noch W\u00e4rmeproduction verbunden, auf Kosten des Vorraths von Sauerstoff, welcher noch in den Geweben aufgespeichert ist und welcher noch den Stoffwechsel unterhalten kann, wenn auch die Athmung keinen neuen Sauerstoff mehr herbeischafft. Auch h\u00f6rt ja die Circulation nicht unmittelbar mit dem letzten Herzschlag auf, sondern h\u00e4lt wenigstens noch so lange, freilich mit abnehmender Geschwindigkeit an, als noch ein Unterschied im Druck zwischen Arterien und Venen besteht.\nAber mit der abnehmenden und allm\u00e4hlich aufh\u00f6renden Circulation ist zugleich eine der wichtigsten Quellen der Abk\u00fchlung des Organismus betr\u00e4chtlich verringert. Der todte K\u00f6rper muss bedeutend weniger W\u00e4rme verlieren als der lebende, in welchem die Circulation in flottem Gange ist. Auch der W\u00e4rmeverlust an die Luft in den Lungen und durch Wasserverdunstung h\u00f6rt auf, in den Lungen ganz, an der Haut zum grossen Theil. So kann also der Organismus nur langsam abk\u00fchlen, ja er kann sogar zuerst noch an W\u00e4rme zunehmen, wenn die Production die W\u00e4rmeabgabe \u00fcbertrifft.\nWir w\u00fcrden demnach zu schliessen haben, dass die postmortale Temperatursteigerung nicht ein besonderes Ph\u00e4nomen ist, das nur bei gewissen Krankheitserscheinungen auftritt, sondern dass sie in diesen F\u00e4llen nur deshalb hervortritt, weil eben die W\u00e4rmeproduction besonders gesteigert war, so dass sie sich nicht blos als eine","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss cl. Nervensystems etc. Unabh\u00e4ngigk. d. W\u00e4rmebild. v. d. Circul. 445\nVerz\u00f6gerung\u2019 der Abk\u00fchlung, sondern selbst als Steigerung bemerk-lich machen konnte. Deshalb geh\u00f6rt das Ph\u00e4nomen auch nicht einer bestimmten Krankheitsform an, sondern kann bei den verschiedensten Krankheiten Vorkommen, wenn dieselben mit vermehrter W\u00e4rme-production oder mit vermindeter W\u00e4rmeabgabe verbunden sind. Deshalb kommt es auch bei dem durch Insolation oder Aufenthalt in heisser Luft bewirkten Tode vor, wo schon w\u00e4hrend des Lebens die W\u00e4rmeproduction die W\u00e4rmeabgabe \u00fcberwog.1\nDiese Auffassung wird wesentlich best\u00e4rkt durch die schon oben erw\u00e4hnten Beobachtungen Heidenhain\u2019s \u00fcber die Temperatursteigerung in Folge einer Verlangsamung oder vollkommene Unterbrechung (Compression der Aorta) der Circulation. Heidenhain'2 hat auch nicht verfehlt, die Consequenz aus seinen Beobachtungen f\u00fcr die Lehre von der postmortalen Temperatursteigerung zu ziehen. Wenn, sagt er, die Circulation erheblich verlangsamt oder ganz unterbrochen wird, so werden die w\u00e4rmebildenden Processe in den inneren K\u00f6r-pertheilen wenigstens f\u00fcr die erste Zeit nicht sehr erheblich verringert werden. Dagegen muss der W\u00e4rme Verlust durch die Haut und die ihr zun\u00e4chst liegenden Schichten sehr erheblich abnehmen, und folglich muss die Temperatur im Innern steigen. Heidenhain fand denn auch die postmortale Temperatursteigerung sehr h\u00e4ufig bei Hunden, selbst nach Durchschneidung des R\u00fcckenmarks, w\u00e4hrend sie bei kleineren Thieren wegen der relativ g\u00fcnstigeren Abk\u00fchlungsbedingungen meist fehlt. Und ebenso steigt die Temperatur im Inneren des K\u00f6rpers auch w\u00e4hrend des Lebens, wenn man die Circulation durch Vagusreizung unterbricht, gleichgiltig ob dieselbe elektrisch bewirkt wird oder reflectorisck durch Athmungssuspension.\nAuf keinen Fall also l\u00e4sst sich aus der postmortalen Temperatursteigerung irgend etwas f\u00fcr einen besonderen Einfluss des Nervensystems auf die W\u00e4rmebildung ableiten. Dieselbe bildet vielmehr einen neuen Ring in der Kette der Erscheinungen, welche den wichtigen Einfluss der Circulation auf die W\u00e4rme\u00f6conomie darthun. Sie bietet aber noch ein besonderes Interesse durch den Nachweis der grossen Unabh\u00e4ngigkeit der W\u00e4rmebildung von der Sauerstoffaufnahme und Kohlens\u00e4ureabgabe in den Lungen. Wenn noch erhebliche W\u00e4rmemengen gebildet werden k\u00f6nnen, w\u00e4hrend gar kein Gaswechsel in den Lungen stattfindet, wie kann man aus dem einen\n1\tWalther, Bull. d. Petersburger Acad. XL S. 17. \u2014 Obernier, Der Hitzschlao-.\nS. 71.\n2\tHeidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 525. 1870.","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nauf das andere sckliessen wollen, was dock einen vollkommenen Parallelismus beider Erscheinungen voraussetzt?\nMan kann auck gegen dieses Bedenken nickt einwenden, dass der Parallelismus nur in diesem Falle nickt besteke, eben weil die Circulation aufgekoben sei. Denn derselbe muss auck sckon dann gest\u00f6rt werden, wenn nur erkeblicke Aenderungen in der Circulation eintreten. Und gerade solcke treten fast ausnakmslos ein, wo man aus Ver\u00e4nderungen der Atkmung auf Aenderungen der W\u00e4rmepro-duction kat sckliessen wollen.\nIX. St\u00f6rungen der W\u00e4rmeregulirung.\nDie besprockenen Einfl\u00fcsse der vermekrten W\u00e4rme auf die Circulation und das Verkalten der vasomotoriscken Nerven erkl\u00e4ren auck, weskalb die Regulirung der W\u00e4rme innerkalb so grosser Breiten eine fast vollkommene ist und erst bei sekr betr\u00e4chtlichen Abweichungen von der Mitteltemperatur unzureichend werden. Steigerung der K\u00f6rperw\u00e4rme tritt, wie wir gesehen haben, erst dann ein, wenn die Umgebungsw\u00e4rme ungef\u00e4hr 32\u00b0 \u00fcbersteigt, und auck dann zun\u00e4chst nur in geringem Grade. Erst bei Temperaturen, welche der normalen K\u00f6rperw\u00e4rme sekr nahe sind oder dieselbe sogar \u00fcbertreffen, wird die Steigerung eine so erkeblicke, dass sie durch ihren Einfluss auf die Centralorgane des Nervensystems das Leben gef\u00e4hrden kann.\nSolcke Steigerungen kommen aber bekanntlich auck aus inneren Gr\u00fcnden vor und bilden insbesondere das Hauptsymptom des sogenannten Fiebers. Seit jeher kat man diese Temperatursteigerung als einen Beweis gesteigerter W\u00e4rmeproduction angesehen, w\u00e4hrend nach der Meinung Anderer eine verminderte W\u00e4rmeabgabe in Folge abnormer Tk\u00e4tigkeit der vasomotoriscken Nerven zu vermehrter W\u00e4rmeretention f\u00fchren soll. Es ist hier nickt der Ort, die Theorie des Fiebers ausf\u00fchrlich zu er\u00f6rtern. Ick verweise deshalb auf die sckon citirten Werke von Liebermeister, Senator und Wood und will nur erw\u00e4hnen, dass eine vermehrte W\u00e4rmeproduction durch die vorliegenden Versuche allerdings als erwiesen anzusehen ist, w\u00e4hrend das vasomotorische Nervensystem in seiner Th\u00e4tigkeit auff\u00e4llige Schwankungen zeigt und so bald zu vermehrter, bald zu verminderter W\u00e4rmeabgabe f\u00fchrt.\nAbnorm erh\u00f6hte W\u00e4rme kann aber ihrerseits selbst zu St\u00f6rungen in der W\u00e4rmeregulation f\u00fchren, wie aus meinen Erfahrungen1 \u00fcber\n1 Rosenthal, Zur Kenntniss d. W\u00e4rmeregulirung u. s. w. S. 16.","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss des Nervensystems etc. Winterschlaf.\t447\nabnorme Abk\u00fchlung solcher Thiere, die lange Zeit hoher W\u00e4rme ausgesetzt waren, hervorgeht. Aehnliches hatte vor mir schon Hoppe1 beobachtet. Ich habe diese nachtr\u00e4gliche Abk\u00fchlung als Folge einer durch die W\u00e4rme bedingten L\u00e4hmung der Gef\u00e4ssnerven angesehen und zur Erkl\u00e4rung wenigstens eines Theils der Vorg\u00e4nge, welche man als \u201eErk\u00e4ltung\u201c bezeichnet, zu benutzen versucht. Ein Thier, welches l\u00e4ngere Zeit h\u00f6herer Temperatur ausgesetzt gewesen ist, kommt in Luft von gew\u00f6hnlicher Zimmertemperatur nicht zu seiner normalen Eigenw\u00e4rme zur\u00fcck, sondern diese sinkt erheblich unter die Norm (bis auf 36\u00b0 und darunter) und steigt erst ganz allm\u00e4hlich im Verlauf mehrerer Tage wieder auf die normale H\u00f6he. Setzt man aber ein solches Thier von Neuem einer gr\u00f6sseren Umgebungsw\u00e4rme aus, so -wirkt diese viel schw\u00e4cher auf dasselbe ein als auf ein normales Thier; seine Temperatur steigt weniger und damit sind auch alle Symptome der Temperatursteigerung, Beschleunigung der Ath-mung und des Herzschlags, Schlaffheit der Muskeln u. s. w., viel weniger ausgepr\u00e4gt. Diese \u201eGew\u00f6hnung\u201c an hohe Temperaturen bemerkt man ja auch bei Menschen, welche wiederholt solchen ausgesetzt sind, z. B. Arbeitern in Glash\u00fctten u. dergl., und sie spielt gewiss auch eine Rolle bei der Acclimatisirung von Einwanderern in heissen Gegenden, kann auch zur Erkl\u00e4rung der Erscheinung dienen, dass Eingeborene in solchen L\u00e4ndern etwas niederer tem-perirt sind als frisch eingewanderte Europ\u00e4er. Ob eine entsprechende Erscheinung in entgegengesetztem Sinne nach der Einwirkung sehr niederer Temperaturen eintritt, ist nicht bekannt.\nAlle diese Erscheinungen zwingen uns, dem vasomotorischen Nervensystem bei der W\u00e4rmeregulirung eine hervorragende Rolle zuzuschreiben. Da die betr\u00e4chtliche Erweiterung der Hautgef\u00e4sse unter der Einwirkung h\u00f6herer Temperaturen nachweislich eintritt, und da sie zur Erkl\u00e4rung aller Erscheinungen vollkommen ausreicht, so erscheint es \u00fcberfl\u00fcssig, noch Aenderungen der W\u00e4rmeproduction anzunehmen, so lange diese nicht wirklich nachgewiesen ist. Die bis jetzt vorliegenden calorimetrischen Versuche haben aber einen solchen Nachweis noch nicht geliefert, sind auch wegen der Unsicherheit der Messungen nur wenig zu beweisen im Stande.\nX. Winterschlaf.\nWir m\u00fcssen zum Schluss noch eine Erscheinung besprechen, welche eine gen\u00fcgende Erkl\u00e4rung bisher auch noch nicht gefunden\n1 Hoppe, Arch. f. pathol. Anat. XI. S. 453.","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nhat. Wr\u00e4hrend wir den Unterschied zwischen homoiothermen und poikilothermen Thieren theils auf den Umstand zur\u00fcckf\u00fchren konnten, dass erstere absolut mehr W\u00e4rme produciren und ausserdem durch besondere Regulirungsvorrichtungen gegen\u00fcber Schwankungen der Aussentemperatur ihre Eigenw\u00e4rme innerhalb gewisser Grenzen constant zu erhalten verm\u00f6gen, zeigen manche Thiere das Besondere, dass sie zeitweise sich wie homoiotherme und zu anderen Zeiten wie poikilotherme Thiere verhalten und dass sie innerhalb kurzer Zeit aus dem einen Zustand in den anderen \u00fcberzugehen im Stande sind.\nUnter den poikilothermen Thieren zeigen viele bei abnehmender Temperatur eine Abnahme aller Functionen; der Herzschlag und die Athmung werden seltener und schw\u00e4cher, und zuletzt verfallen sie in eine Art von Erstarrung, aus der sie wieder erwachen, wenn ihre Temperatur durch Zuf\u00fchrung \u00e4usserer W\u00e4rme steigt. Bei den Homoiothermen ist dieses in geringerem Grade auch der Fall, wie die Erscheinungen, welche dem Erfrieren vorausgehen, zeigen. Den eigentlichen Winterschlaf zeigen aber nur einige wenige S\u00e4ugethiere : Siebenschl\u00e4fer, Haselmaus, Igel, Murmelthier, Hamster, Ziesel, Dachs, B\u00e4r, Fledermaus. Von den V\u00f6geln ist kein Fall von Winterschlaf sicher constatirt; es wird zwar behauptet, dass eine Art von Schwalben den Winter bei uns in Winterschlaf verbringen, doch ist dies durchaus nicht sicher constatirt.\nIm wachen Zustand unterscheiden sich die Winterschl\u00e4fer nicht wesentlich von anderen \u00e4hnlichen Thieren, doch ist ihre Eigenw\u00e4rme gr\u00f6sseren Schwankungen ausgesetzt. Sinkt die Temperatur der Umgebung auf ungef\u00e4hr +5\u00b0\u20148\u00b0, so tritt der Schlaf ein; auch in ihm ist die Eigenw\u00e4rme immer etwas h\u00f6her als die Temperatur der Umgebung, seltener dieser gleich und nur ausnahmsweise unter derselben, wenn bei schnellem Temperaturwechsel das Thier demselben nicht eben so schnell folgen konnte. Allzu grosse K\u00e4lte erweckt die Thiere, ebenso Reize aller Art. Nach Einigen sollen die eigentlichen Winterschl\u00e4fer w\u00e4hrend der kalten Jahreszeit auch dann in Schlaf verfallen, wenn man sie im warmen Zimmer h\u00e4lt; doch ist dies nicht hinl\u00e4nglich sicher festgestellt.\nWir besitzen eine grosse Zahl von Beobachtungen und Versuchen \u00fcber den Winterschlaf von Gessner, Buffon, Spallanzani, Hunter, Mangili, de Saissy, Prunelle, W. Edwards, R\u00e9gnault u. A., aus neuerer Zeit von Valentin, Walther, Horvath, Quincke1.\n1 Aus der reichen Literatur \u00fcber den Winterschlaf stelle ich hier einige der wichtigeren Arbeiten zusammen: Iyonr. v. Gessner, Historia animalium. Z\u00fcrich","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss des Nervensystems etc. Winterschlaf.\n449\nOhne auf alle Einzelnheiten des Winterschlafs einzugehen, will ich hier nur auf eine Erscheinung aufmerksam machen, welche f\u00fcr die Lehre von der thierischen W\u00e4rme von besonderem Interesse ist. In dem Maasse, als der Schlaf an Tiefe zunimmt und die Temperatur des Thieres sinkt, nimmt auch der Stoffwechsel ab ; die Thiere verbrauchen sehr geringe Mengen Sauerstoff und produciren sehr wenig Kohlens\u00e4ure, und da sie dem entsprechend sehr wenig W\u00e4rme produciren, so ist ihre Eigenw\u00e4rme sehr wechselnd je nach der Umgebungstemperatur. Dem entsprechend sind sie auch, ganz wie Kaltbl\u00fcter, sehr wenig empfindlich gegen Sauerstoffmangel und bleiben auffallend lange am Leben bei Entziehung allen Sauerstoffs. Sobald man sie aber aus ihrem Schlaf erweckt, so steigt ihre Eigenw\u00e4rme auffallend' schnell zu einer H\u00f6he, welche der bei gew\u00f6hnlichen Warmbl\u00fctern vorkommenden nahe ist. So sah z. B. Saissy bei einem Murmelthier w\u00e4hrend des Schlafs eine Eigenw\u00e4rme von 5\u00b0; in ein Zimmer von 24\u00b0 gebracht, erwachte es nach 5 Stunden und hatte jetzt 16\u00b0 und nach 9 Stunden 35\u00b0, wie vor dem Erkalten. Igel erreichten das Maximum in 5\u20146, Flederm\u00e4use in 3\u20144, Haselm\u00e4use in 2 Stunden. Wird das Erwecken durch \u00e4ussere Reize ohne Temperaturerh\u00f6hung der Umgebung bewirkt, so steigt ihre W\u00e4rme auch bis zum Maximum, sinkt aber bald wieder und nach 18\u201420 Stunden schlafen sie wieder fest; wenn mau sie jedoch nach dem Erwecken in h\u00f6here Temperatur gebracht hat, so brauchen sie, in die K\u00e4lte zur\u00fcckgebracht, l\u00e4ngere Zeit zum Wiedereinschlafen.\nNach den Beobachtungen von Horvath1 ist die Erw\u00e4rmung beim Ziesel in der ersten Stunde nach dem Erwachen nur eine geringe\n1550\u20141587. \u2014 Buffon, Histoire naturelle. 1749. \u2014 Spallanzani, Opuscoli de fisica animale e vegetabile. Modena 1780; M\u00e9moires sur la respiration, traduits par Sene-bier. Gen\u00e8ve an XI. 1803. \u2014 J. Hunter, Works IY. p. 131. \u2014 Mangili, Annales du Mus\u00e9um. IX. p. 106, X. p. 434; Reil\u2019s Arch. VIII. S. 427. \u2014 Saissy, Recherches experimentales sur la physique des animaux hybernans. Paris etLyon 1808; M\u00e9moires de Turin 1810\u20141812; Auszug in Reil\u2019s Arch. XII. S. 293; Meckel\u2019s Arch. III. S. 131.\n\u2014\tPrunelle, Annales du Mus\u00e9um. XVIII. p. 20 u. 302; Gilbert\u2019s Annalen. XL. u. XLI. \u2014 W. F. Edwards, De l\u2019influence des agens physiques sur la vie. Paris 1824.\n\u2014\tSuckow, Heusinger\u2019s Ztschr. f. organ. Physik. I. S. 600. \u2014 Barkow, Der Winterschlaf nach seinen Erscheinungen im Thierreich. Berlin 1S76. \u2014 R\u00e9gnault et Reiset, Ann. d. chim. et d. phys. (3) XXVI. p. 299. \u2014 Valentin, Molesch. Unters. I. S. 206, II. S. 1. 222. 285, III. S. 195, IV. S. 58, V. S. 11, VII. S. 39, VIII. S. 121, IX. S. 129. 227. 632, XI. S. 149. 169. 392. 450. 602, XII. S. 31. 239. 466. \u2014 Walther, Arch. f. pathol. Anat. XXV. S. 414 ; Arch. f. Anat. u. Physiol. 1865. S. 25 ; Centralbl. f. d. med. Wiss. 1864. No. 51, 1866. No. 17. \u2014 Horvath, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1872. No. 45\u201447, 55; W\u00fcrzburger Verh. XII. S. 139, XIII. S. 60. \u2014 Quincke, Arch. f. experim. Pathol XV. S. 1.\n1 Horvath, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1872. No. 45\u201447; W\u00fcrzburger Verh XII. S. 139, XIII. S. 60.\nHandbuch der Physiologie. Bd.IVa.\t29","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\tRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\n(etwa 2\u00b0), in der zweiten Stunde betr\u00e4gt sie /etwa 5\u00b0, in der darauf folgenden halben Stunde aber 15\u00b0. Der neueste Beobachter dagegen. Quincke1, gibt ebenso wie alle fr\u00fcheren f\u00fcr das Murmelthier etwa 5 \u2014 6 Stunden als Zeit der Erw\u00e4rmung an. Diese Erw\u00e4rmung geht schneller vor sich in dem vorderen Theil des Thieres (Messung im Schlund) als im hinteren (Messung im Rectum). Quincke glaubt hieraus auf die Existenz eines \u201ecalorischen Centrums\u201c im Gehirn schliessen zu d\u00fcrfen, durch \u201edessen Einwirkung auf die Organe des K\u00f6rpers Stoffwechsel und W\u00e4rmeproduction beeinflusst und so der Zustand des Wachens resp. des Winterschlafs herbeigef\u00fchrt wird \u2014 unter gleichzeitiger aber doch nur nebenhergehender Aenderung der Respiration und Circulation\". Horvath dagegen gibt keine bindende Erkl\u00e4rung, ist jedoch geneigt anzunehmen, dass w\u00e4hrend des Erwachens anf\u00e4nglich die Circulation in den hinteren K\u00f6rpertheilen fast ganz unterbrochen sei. Sollte diese Erkl\u00e4rung sich nicht best\u00e4tigen, so m\u00fcsste man, meint er, ausser den bisher bekannten noch neue Quellen der W\u00e4rmeproduction im Thier annehmen.\nDa nach den Angaben aller Beobachter trotz des ausserordentlich verlangsamten Herzschlags und der seltenen, oft Minuten lang aussetzenden Athembewegungen das Blut w\u00e4hrend des Winterschlafs nicht dunkel, sondern hell ist wie arterielles Blut, da aber im Winter-schlaf auffallend wenig CO-i ausgegeben wird, w\u00e4hrend die CZVAusgabe nach dem Erwachen sehr gesteigert wird, so m\u00fcssen wir annehmen, dass der im wachen Zustande aufgenommene Sauerstoff w\u00e4hrend des Schlafs nur in sehr geringem Grade verbraucht wird, weil die Sauerstoffzehrung auf ein Minimum reducirt ist, so dass die geringe Sauerstoffzufuhr durch die seltenen Athembewegungen doch ausreicht, den Verbrauch zu decken. Wenn man nun bedenkt, dass dem Erwachen immer eine Beschleunigung des Athmens und des Herzschlages vorausgeht, so erscheint es nicht so ganz unm\u00f6glich, dass die.W\u00e4rmeproduction in den ersten Stunden des Erwachens ausreiche, die beobachtete Erw\u00e4rmung zu erkl\u00e4ren. Man kann auch wohl annehmen, dass die W\u00e4rmeverluste in dieser Zeit noch sehr gering sind, weil die Haut noch lange ihre niedere Temperatur bewahrt. Jedenfalls ist die Annahme eines besonderen calorischen Centrums, wenn anders dasselbe nicht auf eine r\u00e4thselhafte Weise wirken soll, sondern nur durch Anregung von Oxydationen, auch nicht geeignet die Sache klarer zu machen.\nQuincke\u2019s Versuche mit R\u00fcckenmarksdurchtrennung und nach-\n1 Quincke, Arch. f. experim. Pathol. XV. S. 1.","page":450},{"file":"p0451.txt","language":"de","ocr_de":"6. Cap. Einfluss des Nervensystems etc. \"Winterschlaf.\t451\nfolgender elektrischer Reizung der Fusssoklen scheinen mir nur zu beweisen, dass dann ein eigentliches Wachwerden nicht eintritt, also auch keine erhebliche Erw\u00e4rmung zu Stande kommt. Am wachen Thier bewirkt die Rtickenmarksdurchschneidung gerade so wie bei anderen S\u00e4ugethieren schnelle Abk\u00fchlung.\nDie Erscheinungen des Winterschlafs finden eine unvollkommene Analogie in denen, welche an anderen S\u00e4ugethieren durch starke W\u00e4rmeentziehungen eintreten, sei diese nun durch Eintauchen in kaltes Wasser oder durch R\u00fcckenmarksdurcksckneidungen oder durch Firnissung der Haut bewirkt. Freilich sterben diese Tkiere meist bei einer Erniedrigung der Temperatur auf etwa 20\u00b0, w\u00e4hrend die Winterschl\u00e4fer bis auf nahezu 0\u00b0 abk\u00fchlen k\u00f6nnen. Aber bei jener geringf\u00fcgigen Abk\u00fchlung zeigt sich doch schon neben der ausserordentlich starken Herabsetzung der Athem- und Pulsfrequenz und einer schlaf\u00e4hnlichen Einstellung der Hirnfunctionen auch die gr\u00f6ssere Dauer des Ueberlebens der Gewebe, wie sie die Winterschl\u00e4fer w\u00e4hrend des Schlafs und die Kaltbl\u00fcter w\u00e4hrend der ganzen Dauer ihres Lebens zeigen. Und so scheint es mir nicht unberechtigt, alle diese Unterschiede nur als graduelle anzusehen und den Winterschl\u00e4fern nur eine gr\u00f6ssere Anpassung an Schwankungen der K\u00f6rperw\u00e4rme zuzuschreiben, als sie die anderen Homoiotkermen besitzen.\nNun ist es gewiss nicht uninteressant, dass nach Horvath die charakteristischen Erscheinungen des Winterschlafs eintreten, wenn die Eigenw\u00e4rme des Tkieres unter 20\u00b0 sinkt, w\u00e4hrend gew\u00f6hnliche Homoiotkermen nach den Untersuchungen desselben Forschers bei Abk\u00fchlung bis auf diese Temperaturgrenze sterben. Wir m\u00fcssen also annehmen, dass die Nervencentra der Winterschl\u00e4fer weniger empfindlich sind gegen Erkaltung, dass sie daher fortfahren in dem geringen Grade, wie es zur Erhaltung des Lebens nothwendig ist, zu functioniren. Von einem gew\u00f6hnlichen Kaltbl\u00fcter unterscheidet sich der Winterschl\u00e4fer dann dadurch, dass bei so niederen Temperaturen die Nervencentra des ersteren noch st\u00e4rker functioniren, so dass er erst bei noch st\u00e4rkerer Abk\u00fchlung in Schlaf (oder Starre) verf\u00e4llt; er theilt aber mit diesem den geringen Stoffwechsel und die dadurch bedingte geringe W\u00e4rmeproduction macht ihn poikilo-therm. Bei Minderung der W\u00e4rme Verluste und dadurch vermehrter K\u00f6rpertemperatur aber steigt die Energie des Stoffwechsels beim Winterschl\u00e4fer in st\u00e4rkerem Verh\u00e4ltnis als beim Kaltbl\u00fcter; deshalb erwacht er nicht nur, sondern da er nun auch mehr W\u00e4rme produ-ducirt, so steigt seine Eigenw\u00e4rme erheblich und er wird in beschr\u00e4nktem Sinne homoiotherm.\n29*","page":451},{"file":"p0452.txt","language":"de","ocr_de":"452\nRosenthal, Die Physiologie der thierischen W\u00e4rme.\nLeider besitzen wir noch gar keine calorimetrischen Bestimmungen an Winterschl\u00e4fern. Die Schwierigkeiten, welche sich bei der L\u00f6sung so vieler Fragen wegen ungen\u00fcgender calorimetrischer Messungen gezeigt haben, w\u00fcrden auch f\u00fcr die hier vorliegenden Fragen geringer sein, wenn jene L\u00fccke ausgef\u00fcllt werden k\u00f6nnte.","page":452}],"identifier":"lit37385","issued":"1882","language":"de","pages":"287-452","startpages":"287","title":"Zweiter Theil: Thierische W\u00e4rme","type":"Book Section","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:43:23.202931+00:00"}

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