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Erster Theil: Physiologie der Absonderungsvorgänge

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{"created":"2022-01-31T16:41:23.839820+00:00","id":"lit37391","links":{},"metadata":{"alternative":"Handbuch der Physiologie. Band 5: Handbuch der Physiologie der Absonderung und Aufsaugung","contributors":[{"name":"Heidenhain, R.","role":"author"},{"name":"B. Luchsinger","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Handbuch der Physiologie. Band 5: Handbuch der Physiologie der Absonderung und Aufsaugung, edited by Ludimar Hermann, 1-446. Leipzig: F.C.W. Vogel ","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"PHYSIOLOGIE\nDER\nABSONDERUNGSVORG\u00c4NGE\nVON\nProf. Dr. R. HEIDENHAIN in Breslau.\nDER ACHTE ABSCHNITT VON\nProf. Dr. B. LUCHSINGER in Bern.\nHandbuch der Physiologie. Bd. Y.\n1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"\n\n\n\n\n\n\n","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"EINLEITUNG.\nMulta in pbysiologicis obscura; obscurius hac ipsa functione nibil.\nHaller, elementa pbysiologiae II. p. 359. Lansannae 1760.\nI. Vorbemerkungen.\nWer in den Lehrb\u00fcchern der Physiologie den Abschnitt von den Absonderungen aufsucht, wird in allen \u00e4lteren, wie in den meisten der neueren der Behandlung des Secretionsprocesses in den einzelnen Dr\u00fcsen einen Abschnitt vorangestellt linden, in welchem der Versuch einer allgemeinen Darstellung und Erkl\u00e4rung des Absonderungsvorganges, der ihm zu Grunde liegenden Processe und Kr\u00e4fte gemacht wird.\nDiesem Beispiele meiner Vorg\u00e4nger zu folgen bin ich nicht gesonnen. Denn ich kann mir recht wohl denken, dass es in Zukunft dereinst m\u00f6glich wird, eine Theorie der animalischen Bewegungserscheinungen zu ersinnen, welche alle Einzelf\u00e4lle derselben umfasst, von den tr\u00e4gen Formwandlungen einer Am\u00f6be oder eines weissen Blutk\u00f6rperchens bis zu den Muskelactionen eines durch die Luft dahinsummenden Maik\u00e4fers oder eines mit Centnern spielenden Athleten. Ich bin aber sicher, dass eine gleich umfassende Theorie der verschiedenen Absonderungsvorg\u00e4nge sich niemals gestalten wird, weil sie der Natur der Sache nach schlechterdings unm\u00f6glich ist. Der sich vorschiebende und wieder einziehende Protoplasmafortsatz und der sich verk\u00fcrzende und wieder verl\u00e4ngernde Muskel bieten sicher mehr als rein \u00e4ussere Analogien. Die Bildung des Hauttalges und die Entstehung des Fl\u00fcssigkeitsstromes, welcher sich durch den Ge-f\u00e4sskn\u00e4uel der Niere ergiesst, haben nicht das Mindeste mit einander\nl*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nHeidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. Einleitung.\ngemein, was sie als verwandte Processe anzuselien berechtigte. Ja, wenn ich selbst einander weit \u00e4hnlichere Absonderungsvorg\u00e4nge, wie etwa den des Speichels und des Harnes nebeneinander stelle, finde ich in ihnen fast noch mehr Unterscheidendes, als Gemeinsames hei-aus. So gewiss die inductive Forschung die Aufgabe hat, von der Summe der Einzelf\u00e4lle aus zu dem Erfassen des allgemeinen Gesetzes sich emporzuarbeiten, so gewiss w\u00e4re es ein ^ erkennen dieser Aufgabe, eine gemeinsame Gesetzlichkeit finden zu wollen und zu finden, wo eine solche nicht vorhanden ist.\nAber freilich, \u2014 um zu dieser Erkenntniss in Bezug auf die in den Dr\u00fcsen sich abspielenden Vorg\u00e4nge zu gelangen, hat es vielseitiger Arbeit bedurft, die noch weit entfernt ist, am Ziele angelangt zu sein. So lange die Anatomie der Absonderungsorgane, die Chemie ihrer Produkte, die Physik der Bewegungsvorg\u00e4nge in ihnen so gut wie unbekannt waren, gen\u00fcgte die Thatsache, dass bei jeder Absonderung Substanzen, die zu irgend einer Zeit Bestandtheile des Blutes gewesen waren, an den innern oder \u00e4ussern Oberfl\u00e4chen des K\u00f6rpers in unver\u00e4nderter oder ver\u00e4nderter Gestalt erschienen, um dieses eine, allen Absonderungsvorg\u00e4ngen gemeinschaftliche rein \u00e4usserliche Moment des Ortswechsels auf eine wesentliche Gemeinschaftlichkeit oder Gleichheit der bewirkenden Ursachen zu beziehen. Je mehr sich unsere Kenntniss vertieft hat, desto klarer und zweifelloser ist es geworden, dass in den verschiedenen Absonderungsorganen die wirksamen Apparate ausserordentliche Verschiedenheiten darbieten, so dass wenigstens vorl\u00e4ufig die gemeinschaftlichen Merkmale viel zu allgemeiner Natur sind, um eine allgemeine Theorie der Absonderungsvorg\u00e4nge zu erm\u00f6glichen.\nWenn es hier auch nicht der Ort ist, eine Geschichte der ge-sammten Vorstellungen zu geben, welche im Laufe der Zeit bez\u00fcglich der Secretionen aufgetaucht sind, so scheint es doch nicht ohne Interesse, die wesentlich leitenden Gedanken zu ckaracterisiren, welche jene Vorstellungen in den verschiedenen Entwicklungsperioden der Physiologie bei unsern Vorg\u00e4ngern beherrschten.\nII. Theorien des achtzehnten Jahrhunderts.\nDurch den Wunsch, eine allgemein g\u00fcltige Secretionstheorie aufzufinden, zieht sich schon in fr\u00fcher Zeit ein Streben nach mechanischer Aufkl\u00e4rung, das in seiner Ausf\u00fchrung von dem jeweiligen Standpunkte des anatomischen, physikalischen und chemischen Wissens und Glaubens abhing.","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Entwicklungsgang cler Absonderungslekre. 18. Jahrhundert.\n5\nSo lange man einen direkten Zusammenhang der Dr\u00fcsenr\u00e4ume mit feinsten, nickt mehr rothe Blutk\u00f6rperchen f\u00fchrenden Ausl\u00e4ufern der arteriellen Gef\u00e4sse annahm, sei es nach Malpighi mit den von ihm \u00fcberall als Endigung der Dr\u00fcseng\u00e4nge vorausgesetzten Acinis, sei es nach dem gewandten Injector Rutsch, der die Dr\u00fcsen im Wesentlichen nur aus Blutgef\u00e4ssen zusammengesetzt sein liess, mit den Ausf\u00fchrungsg\u00e4ngen der Dr\u00fcsen, suchte man die eigentlich absondernden Apparate in den Blutgef\u00e4ssen selbst und den Grund daf\u00fcr, dass in den verschiedenen Absonderungsorganen Fl\u00fcssigkeiten versckiedner Natur zum Vorschein kamen, theils in der anatomischen Anordnung der Blutgef\u00e4sse, theils in der Weite und Gestalt ihrer feinsten Ausl\u00e4ufer, durch welche sie angeblich mit den Dr\u00fcsenr\u00e4umen communicirten. Das Blut enthielt in sich schon alle Bestandtheile aller Secrete pr\u00e4formirt. Die gr\u00f6ssere oder geringere Geschwindigkeit des Blutstromes in den Arterien, abh\u00e4ngig von ihrer Entfernung vom Herzen, ihrer L\u00e4nge und Weite, ihrem Ver\u00e4stlungswinkel, ferner die in den verschiednen Dr\u00fcsen versckiedne Form und verschiedne Weite ihrer Communicationscan\u00e4le mit den Dr\u00fcsenr\u00e4umen, sollte es erkl\u00e4ren, dass hier die einen, dort die andern Blutbestandtkeile, w\u00e4ssrige, \u00f6lige, schleimige u. s. f., abgesondert w\u00fcrden, gleichsam durchgepresst aus dem Blute durch Siebe von versckiedner Feinheit und Form ihrer L\u00f6cher verm\u00f6ge des in den Blutgef\u00e4ssen herrschenden Druckes.\nWer Interesse an der Kenntniss jener grob mechanischen Vorstellungen unsrer Altvordern nimmt, die mit unglaublicher Geduld ins Einzelne ausgekl\u00fcgelt wurden, findet in Haller\u2019s Elementen1 auf nicht weniger als 124 Seiten dieses Quartwerks die Ansichten seiner Zeitgenossen \u00fcber den Secretionsprocess weitl\u00e4ufigst besprochen.\nDie Ausl\u00e4ufer jener anatomischen Vorstellungen und der durch sie bedingten physiologischen Vermuthungen ragen bis tief in unser Jahrhundert mit oft nur unwesentlichen Ab\u00e4nderungen hinein. So verwarf zwar Mascagni die freien und offenen Enden der Arterien und nahm ihren continuirlicken Uebergang in die Venen durch Ca-pillarnetze an; aber er liess doch Poren zu, welche die auf den Wandungen der Dr\u00fcsenr\u00e4ume sich verbreitenden Blutgef\u00e4sse mit dem Innern derselben in offene Communication setzen sollten. Allm\u00e4lig wurden zwar f\u00fcr einzelne Dr\u00fcsen richtigere Anschauungen, als die einander widerstreitenden von Malpighi und Ruysch angebahnt. Allein trotz der Untersuchungen von Ferrein und von Schumlansky,\nl Haller, Elementa physiologiae II. liber VII. p. 359. Lausannae 1760.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nHeidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. Einleitung.\nsp\u00e4ter von Rathke und von Huschke \u00fcber die Nieren, der Angaben von Duvernoy, wie von Mascagni und Cruikshank \u00fcber die Brustdr\u00fcsen, ganz namentlich von E. H. Weber \u00fcber die Speicheldr\u00fcsen und das Pancreas blieben die Vorstellungen \u00fcber den Bau der Absonderungsorgane so unsicher, dass noch J. F. Meckel in seinem Handbuche der Anatomie in dem mehr als halbhundertj\u00e4hrigen Streite zwischen Malpighi\u2019s und Ruysch\u2019s Lehren nicht bestimmt Stellung zu nehmen wusste, sondern sich nur unsicher dahin ausdr\u00fcckte, dass im Ganzen die Ansicht des Ersteren mehr f\u00fcr sich habe als die des Letzteren. Unm\u00f6glich, dass die Physiologie der Absonderungen irgend welche Fortschritte machte, so lange selbst die gr\u00f6bere Morphologie der ihnen dienenden Organe noch so im Argen lag!\nIII. Johannes Miiller\u2019s Dr\u00fcsenwerk.\nIn diesem ziemlich trostlosen Zustande traf Joh. M\u00fcller die Lehre von den Dr\u00fcsen an. Er machte ihm mit einem Schlage ein Ende durch sein Meisterwerk: De glandularum secernentium structura peritiori earumque prima formatione in homine atque animalibus. Lipsiae 1830. Mich \u00fcberkommt oft genug die Empfindung, als treffe unsre heutige Physiologie der Vorwurf undankbaren Vergessens, wenn ich sehe, dass der Name J. M\u00fcller\u2019s fast verschwunden ist aus der modernen physiologischen Literatur, die doch in dem Citiren der kleinsten vorl\u00e4ufigen Mittheilung unsrer drucklustigen mediciniscken Jugend wahrhaften Uebereifer verr\u00e4th. Wer in die rastlose und weitblickende Forscherth\u00e4tigkeit dieses Giganten auf dem Felde der Biologie einen Einblick gewinnen will, mag sein Dr\u00fcsen werk mit den Bruchst\u00fccken des Wissens vergleichen, die vor ihm auf diesem Gebiete vereinzelt und zerstreut umherlagen. Durch eine unglaubliche Zahl anatomischer und embryologischer Einzelbeobachtungen an den verschiedensten Absonderungsorganen bei zahlreichen Vertretern aller Wirbelthier-classen legte er die bleibenden Fundamente f\u00fcr die heutige Morphologie der Dr\u00fcsen, vor deren Ausbau an ein physiologisches Verst\u00e4ndnis ihrer Function nat\u00fcrlich nicht zu denken war. Die anatomische Grundlage, die er sich erschaffen, f\u00fchrte ihn zu bestimmten physiologischen Folgerungen, die er sp\u00e4ter in seinem Lehrbuche weiter entwickelte.\nDie f\u00fcr uns wichtigsten seiner Schlusss\u00e4tze sind die folgenden. Es sind \u2014 im Gegens\u00e4tze zu den Anschauungen, die aus dem vorigen Jahrhunderte bis auf seine Zeit sich fortgepflanzt hatten \u2014 nicht die Blutgef\u00e4sse, welche secerniren, sondern die W\u00e4nde der \u00fcberall ge-","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Entwicklungsgang der Absonderungslelire. Jon. M\u00fcller's Dr\u00fcsenwerk. 7\nschlossenen Dr\u00fcsenr\u00e4ume, anf welchen die Blutgef\u00e4sse ein Netz bilden. Die Dr\u00fcsen stellen in ihrem Innern eine im kleinsten Raume construire grosse Oberfl\u00e4che dar ; die diese bekleidende lebendige Substanz ist es, welche die Secretion einleitet. Von dem morphologischen Baue ist die Absonderung unabh\u00e4ngig, denn secerniren k\u00f6nnen sowohl ebene Oberfl\u00e4chen, als Dr\u00fcsen, welche eine grosse innere secernirende Fl\u00e4che darstellen, als Forts\u00e4tze und zottenartige Bildungen, welche eine nach Aussen gest\u00fclpte absondernde Fl\u00e4che bilden.\nDie Verschiedenheit der Absonderung an verschiednen Orten h\u00e4ngt nicht von mechanischen Ursachen ab, wie verschiedne Geschwindigkeit des Blutstromes in verschiednen Organen, verschiedne Ausmaasse und Theilungswinkel der Gef\u00e4sse, Verschiedenheit ihrer Enden u. s. f. Alle diese mechanischen Erkl\u00e4rungsweisen lassen sich durch die eine Frage widerlegen, wie es geschehe, dass hier Gehirn, dort Muskeln, dort Knochen entstehen, und ob dies auch durch die Verschiedenheit der Vertheilung und der Winkel der Blutgef\u00e4sse bedingt werde? Auch h\u00e4ngt die Verschiedenheit der Absonderung nicht von der Verschiedenheit des Baues der Dr\u00fcsen ab (M. meint hier den gr\u00f6beren morphologischen Bau), sondern sie ist allein bedingt durch die Verschiedenheit der belebten Substanz, von welcher die absondernden Can\u00e4le und Zellen bekleidet sind, und welche bei verschiedner Gestaltung der Can\u00e4le dieselbe bleiben und bei gleicher Gestaltung verschieden sein kann. Demgem\u00e4ss beruht die Verschiedenheit der Absonderung auf denselben Ursachen, auf welche die Verschiedenheit der Ern\u00e4hrung und der Bildung in den verschiednen Organen sich st\u00fctzt.\nSo weit Joh. M\u00fcller in seiner Monographie. Wer den heutigen Stand der Absonderungslehre vorurtheilslos betrachtet und den Ausdruck \u201elebende Substanz\u201c durch \u201eZelle\u201c ersetzt, wird das Treffende der letzteren Gedanken bewundern, die auch heute noch ihre Geltung haben.\nIV. Der Einfluss der Scliwaim\u2019schen Zellenlehre auf die Vorstellungen von den Absonderungsorganen.\nIn der n\u00e4chsten Zeit, etwa zwei Jahrzehnte umfassend, waren es besonders zwei wissenschaftliche Funde, welche auf die Abson-derungslehre einen Einfluss aus\u00fcben mussten: die Begr\u00fcndung der Zellenlehre durch Schwann und die experimentelle Anbahnung der Lehre von der Membrandiffusion durch Dutrochet.","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nHeidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. Einleitung.\nDie ScHWANN\u2019sche Auffassung der Zellenbildung in Cytoblaste-men, welche sich nach dem Erscheinen seines fundamentalen Werkes allgemeinster Geltung erfreute, liess freilich das Vorhandensein von Zellen in den Dr\u00fcsenr\u00e4umen in eigenth\u00fcmlichem Lichte erscheinen. So in Hexle\u2019s, der Art der Behandlung des Stoffes nach un\u00fcbertroffenem, Meisterwerke \u00fcber \u201eallgemeine Anatomie\u201c. Die Wand der Dr\u00fcsen (Tunica propria) liefere das Secret; in ihm bilden sich Zellen, deren Beschaffenheit von der des Cytoblastems abh\u00e4nge, die des letzteren wieder von der der Dr\u00fcsenwand. In manchen Dr\u00fcsen bilden die Zellen ein Epithel, doch fehlt dies grade bei dem Zustande kr\u00e4ftiger Absonderung. \u201eIch m\u00f6chte daher das Epithelium, wo es vorkommt, lieber als eine Art von Feierkleid ansehn, das die Dr\u00fcse anzieht, wenn sie unbesch\u00e4ftigt ist.\u201c M\u00f6glicher Weise tragen die Zellen aber auch zur \u201eBereitung oder Vollendung des Secretes bei, indem sie durch die Dr\u00fcsenwand eine Anziehung auf das Blut \u00e4ussern. Im Plasma der Secrete entstehen die Zellen, sie vergr\u00f6ssern sich, indem sie Stoffe aufnehmen, und geben endlich das, was sie enthielten, an das Plasma zur\u00fcck, indem die reifen Zellen sich l\u00f6sen\u201c.\nOffenbar hatte Henle die Ueberzeugung, dass die Dr\u00fcsenzellen bei dem Secretionsvorgange eine wichtige Polle spielen; dass er \u00fcber die Art ihrer Bedeutung nur zu unhaltbaren Hypothesen kam, hatte seinen nat\u00fcrlichen Grund darin, dass die Zellen f\u00fcr die Physiologie noch zu junge Bekannte waren, \u00fcber deren Wesen und Charakter sich Begr\u00fcndetes nicht aussagen liess.\nGing es doch dem Physiologen J. M\u00fcller nicht viel besser, als jenem Histologen. Seit dem Erscheinen des Dr\u00fcsenwerkes hatte die Chemie des Blutes, wie der Secrete wesentliche Fortschritte gemacht. M\u00fcller konnte unter Benutzung derselben in seinem Lehrbuche bereits betonen, dass der Vorgang der Absonderung zwei wesentlich verschiedne Processe umfasse: die Ausscheidung im Blute bereits pr\u00e4formirter Bestandtheile (excretio) und die Abscheidung specifischer in der Dr\u00fcse gebildeter chemischer Producte (secretio), deren Bildung einen specifisch wirsamen Apparat voraussetze. Die Zellen k\u00f6nnten dabei eine mehrfache Polle spielen: 1) Sie bilden sich im Secrete, wirken ver\u00e4ndernd auf dasselbe ein und l\u00f6sen sich sp\u00e4ter theils schon innerhalb der Dr\u00fcse, theils in dem entleerten Secrete wieder auf. 2) Die Absonderung besteht theils aus Fl\u00fcssigkeit, theils aus abge-stossenen Zellen (Schleimdr\u00fcsen, Magensaftdr\u00fcsen). 3) Von denjenigen Zellen, welche l\u00e4ngere Zeit in Ber\u00fchrung mit den inneren W\u00e4nden der Dr\u00fcsencan\u00e4lchen bleiben, l\u00e4sst sich voraussetzen, dass sie nach den allgemeinen Eigenschaften der Zellen anziehend auf\n/","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Entwicklungsgang der Absonderungslehre. Schwann\u2019s Zellenlehre. Diffusionslehre. 9\ndie Ausscheidung eines fl\u00fcssigen Secretes und dessen Umwandlung wirken.\nEs w\u00fcrde ein Verfehlen meiner Aufgabe sein, wollte ich zahlreiche \u00e4hnliche Aeusserungen andrer Autoren anf\u00fchren, die alle darin \u00dcbereinkommen, von den Dr\u00fcsenzellen, deren Existenz das Microscop nach wies, Aussagen sehr allgemeiner Natur ohne einen principiell neuen Standpunkt zu machen. Die Richtung der Forschung ging in sehr erkl\u00e4rlicher Weise auf dem neu erschlossenen Gebiete der Gewebelehre zun\u00e4chst darauf aus, die Form der histologischen Elementartheile in den einzelnen Organen festzustellen, eine Aufgabe von solcher Ausdehnung, dass sie f\u00fcrs Erste die Kr\u00e4fte vollst\u00e4ndig in Anspruch nahm. Das Microscop war vorl\u00e4ufig anatomisches und nur nebenbei physiologisches Forschungsmittel geworden. Selbst in K\u00f6lliker\u2019s fundamentalem Werke vom Jahre 1850, in welchem das gesammt\u00f6 histologische Wissen der damaligen Zeit zusammengefasst war und \u00fcberall die physiologischen Beziehungen der microscopischen Elemente aufgesucht worden sind, findet sich bei Besprechung der einzelnen Secrete h\u00f6chstens die Frage ventilirt, ob die Epithelzellen der Dr\u00fcsen bei Bildung der Absonderungsproducte zu Grunde gingen oder fortbest\u00e4nden ; \u00fcber sonstige Leistungen derselben sind Vermuthungen nicht aufgestellt.\nV. Der Einfluss der Diffusions-Lehre.\nDie Physiologie aber wurde indessen durch die Fortschritte der Physik auf eine ganz andre Bahn gewiesen. Nachdem Dutrochet zuerst die Membrandiffusion zum Gegenst\u00e4nde experimenteller Forschung gemacht und Jolly dieser Lehre eine strenger physikalische Gestalt gegeben hatte, waren es in Deutschland wesentlich Physiologen, welche jenen Vorgang, wie die verwandten der Imbibition, der Quellung, der Filtration weiterer Analyse unterwarfen. Die nahe genug liegende Hoffnung, auf diesem Wege zu einem besseren Verst\u00e4ndnisse des Absonderungsvorganges zu gelangen, wirkte in solchem Maasse als treibende Kraft, dass eine grosse Zahl von Forschern an der Arbeit sich betheiligte. Es war jene Zeit, in welcher die Einf\u00fchrung physikalischer Methoden so ausserordentliche Erfolge sich errang, in welcher durch die Arbeiten von du Bois-Reymond, Helmholtz, Ed. Weber die Muskel- und Nervenphysiologie, von Ludwig, Volkmann, E. H. Weber die Lehre vom Kreisl\u00e4ufe eine neue Gestalt annahm. Unter dem Eindr\u00fccke der auf diesen Gebieten geernteten Fr\u00fcchte hoffte man auch von dem Studium der Diffusion das Beste","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nHeide\u00eeshain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. Einleitung.\nf\u00fcr die gesammte Lehre von der StofFwanderung im Thierk\u00f6rper; denn alle Massenbewegung in demselben, die nicht auf Muskel- und Flimmerbewegung beruhte, schien auf den physikalischen Process der Diffusion als Grundursache hinzuweisen. Deshalb widmeten den hierher geh\u00f6rigen Vorg\u00e4ngen M\u00e4nner wie Liebig, Br\u00fccke, Lldwig, Eckhard, Fick, Buchiieim und so viele Andre ihre Kr\u00e4fte und ihre Zeit; fast durfte man glauben, den Vorgang der Absonderung auf die einfachen mechanischen Vorstellungen zur\u00fcckf\u00fchren zu k\u00f6nnen, welche der Filtrirapparat und das Endosmometer an die Hand gaben.\nAm consequentesten hat die streng mechanische Auffassung Ludwig mit gewohntem Scharfsinne in seinem Lehrbuche ausgebildet.1 Da die H\u00e4ute, welche Fl\u00fcssigkeiten hindurchtreten lassen, Oeffnungen besitzen m\u00fcssen, lassen sich die Umst\u00e4nde, durch welche die H\u00e4ute von Einfluss auf die Absonderungen werden, zur\u00fcckf\u00fchren auf die Eigenschaften ihrer Poren, n\u00e4mlich auf die Dimensionen derselben, ihre Zahl in der Fl\u00e4cheneinheit und die chemische Besonderheit der inneren Porenwand. Die Kr\u00e4fte, welche die Fl\u00fcssigkeiten und Gase durch die Poren treiben, bestehen in Unterschieden der Spannung (Filtration) und der chemischen Zusammensetzung (Diffusion) der Fl\u00fcssigkeiten auf beiden Seiten der Membranen und endlich in eigent\u00fcmlichen Einwirkungen der erregten Nerven auf den Gef\u00e4ssinhalt. Diese bis auf die Nebenwirkungen physikalisch fassbaren Momente, welche Ludwig in ihren Einzelheiten ausf\u00fchrlicher bespricht, schienen um so mehr f\u00fcr ein dereinstiges volles mechanisches Verst\u00e4ndnis der Absonderungsvorg\u00e4nge zu gen\u00fcgen, als Ludwig an einem andern Orte bereits eine Theorie der Harnabsonderung entwickelt hatte, welche sich fast ungeteilten Beifalls erfreute und mit keinen andern als den obigen Factoren rechnete.\nVI. Neuere Entwicklung und augenblicklicher Standpunct.\nAllein es hat sich herausgestellt, um so zweifelloser, je weiter unsre empirische Kenntniss der Absonderungsvorg\u00e4nge vorgeschritten ist, dass der Versuch rein physikalischer Behandlung derselben auf vorl\u00e4ufig noch un\u00fcberwundene Schwierigkeiten st\u00f6sst. Der Sprung von dem, was jener Periode physikalischer Erstarkung in der Physiologie vorausging, zu dem, was pl\u00f6tzlich die Physik leisten sollte, war ein zu schneller und zu grosser. Der Entwicklungsgang der physiologischen Lehren kann immer nur der sein, dass die Forschung\n1 C. Ludwig. Lehrbuch der Physiologie, f. Aufl. IL S. 142. 1S56.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Entwicklungsgang der Absonderungslehre. Neuere Entwicklung.\n11\nzun\u00e4chst die Abh\u00e4ngigkeit der Vorg\u00e4nge in den Organen des K\u00f6rpers von den einzelnen dabei innerhalb des lebenden Organismus zusammenwirkenden Bedingungen feststellt, um so die speciellen Causal-gesetze der organischen Verrichtungen zu ermitteln. Erst wenn diese n\u00e4chste Aufgabe gel\u00f6st ist, kann an die Inangriffnahme der umfassenderen und deshalb lockenderen gedacht werden, die speciellen Cau-salgesetze zu erkl\u00e4ren, d. h. sie zurtickzuf\u00fchren auf die allgemeinen Causalgesetze der Natur, welche den Inhalt der Mechanik, der Physik und der Chemie bilden. Im Allgemeinen stehen wir in der Physiologie noch \u00fcberall bei der Bew\u00e4ltigung jener ersten Aufgabe, und das heutige Studium der Absonderungsprocesse widmet sich derselben fast ausschliesslich. Ueber sie hinaus zu der zweiten werden wir, wie in allen Theilen unsrer Wissenschaft, so auch in der Absonderungslehre erst dann gelangen k\u00f6nnen, wenn wir besser Bescheid wissen mit dem Wesen der lebenden Zelle, die \u00fcberall in urspr\u00fcnglich einfacher oder differenzirter Gestalt die Vermittlerin und Tr\u00e4gerin des Geschehens ist.\nWenn ich hier auf die Vorg\u00e4nge in der \u201elebenden Zelle\u201c verweise, so brauche ich mich gegen den Verdacht eines R\u00fcckfalles in den gl\u00fccklich \u00fcberwundenen Vitalismus wohl nicht zu vertheidigen. Dass es sich auch hier um Nichts, als chemische und physikalische Vorg\u00e4nge und Kr\u00e4fte handelt, ist ja eine Voraussetzung, von welcher heutzutage jede physiologische Untersuchung als zweifelloser Grundlage ausgeht. Aber freilich ist die Physik der Zelle ein noch so gut wie unerschlossenes Gebiet, zu dessen Eroberung die an unorganischen oder todten organischen Substraten gewonnenen physikalischen Kenntnisse bisher herzlich ' wenig beigetragen haben. Vorl\u00e4ufig k\u00f6nnen wir den Begriff oder das Wort \u201e Zellenth\u00e4tigkeit\u201c ebenso wenig entbehren, wie den Begriff oder das Wort \u201eLeben\u201c, wennschon wir uns ja dar\u00fcber v\u00f6llig klar sind, dass die Kr\u00e4fte der Zellen Nichts sind als besondre Zusammenstellungen physikalischer und chemischer Kr\u00e4fte, welche von den die Zelle zusammensetzenden Molek\u00fclen ge-\u00e4ussert werden. So wenig wir auch im Ganzen von den Eigenschaften der die secernirenden Membranen zusammensetzenden Zellen wissen, so wissen wir doch so viel, dass die Vorg\u00e4nge der Imbibition, der Diffusion, der Filtration an ihnen vollst\u00e4ndig anders verlaufen, so lange sie Theile des lebenden Organismus und deshalb selbst lebend sind, als nach ihrem Absterben, und \u00fcber die Ursachen dieses ver-schiednen Verhaltens wird uns schwerlich der physikalische, sondern allein der physiologische, an dem lebenden K\u00f6rper angestellte Versuch aufzukl\u00e4ren im Stande sein. Wenn wir von der heutigen allgemeinen","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nHeidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. Einleitung.\nZellenlehre noch kaum irgendwelche Winke \u00fcber die Natur der absondernden Dr\u00fcsenzellen erhalten haben, so glaube ich vielmehr umgekehrt, dass von dem eingehenden Studium der letzteren die weitgehendsten Aufschl\u00fcsse \u00fcber die Natur der Zelle im Allgemeinen zu erwarten sind.\nDer Standpunkt, welchen ich hier vertrete, ist das Resultat der neueren Entwicklung der Absonderungslehre, welche sich auf den Versuch am lebenden Thiere st\u00fctzt. Ich glaube nicht fehlzugreifen, wenn ich ausser den grossen Fortschritten, welche die chemische Kennt-niss der Secrete gemacht hat, die ersten und wesentlichsten Antriebe zu der fruchtbaren Bahn, auf welcher wir uns heute befinden, den weittragenden Arbeiten C. Ludwig\u2019s zuschreibe, deren Ergebnisse, je reicher sie geworden, desto mehr dazu beigetragen haben, zu zeigen, dass eine einfach physikalische Theorie jener Processe zu ihrem Verst\u00e4ndnisse nicht ausreiche. Es w\u00fcrde an dieser Stelle, welche nur eine kurze Darlegung der Forschungsgrundlagen der Absonderungslehre bezweckt, nicht angemessen sein, die zahlreichen Einzelheiten anzuf\u00fchren, durch welche jener Forscher unsre Kenntnisse bereichert hat ; ich kann nur die wichtigsten neuen Gesichtspunkte hervorheben, welche durch ihn f\u00fcr die Untersuchung gewonnen worden sind, und von denen aus noch heute die Arbeit weiter fortschreitet.\nDahin geh\u00f6rt zun\u00e4chst die von ihm eingef\u00fchrte Methode, \u00fcber den Werth der absondernden Kr\u00e4fte durch Messung des Absonderungsdruckes mittelst des Manometers eine Vorstellung zu gewinnen. Dahin rechnet ferner seine Entdeckung des Einflusses der Nerven-th\u00e4tigkeit auf die Absonderung der Unterkieferdr\u00fcse ; der Fund spe-cifischer secretorischer Nerven darf in seiner Bedeutung als mit der Entdeckung Bell\u2019s besondrer sensibler und motorischer Nerven gleich-werthig gelten. Zu diesen beiden fundamentalen Fortschritten tritt als dritter der Nachweis lebhafter W\u00e4rme bildender Vorg\u00e4nge in der th\u00e4tigen Unterkieferdr\u00fcse, welche auf energische chemische Umsetzungen, die mit der Absonderung verbunden sind, hinweisen. Alle diese Erfolge Ludwig\u2019s haben wahrhaft fermentativ gewirkt und sind jetzt von ihm selbst und seinen Nachfolgern auf diesem Gebiete f\u00fcr die grosse Mehrzahl der Dr\u00fcsen in fruchtbarster Weise verwerthet worden. N\u00e4chst ihm geb\u00fchrt Cl. Bernard das Verdienst, durch \u00fcberraschende Beobachtungen \u00fcber den Blutlauf in den Dr\u00fcsen w\u00e4hrend der Ruhe und der Th\u00e4tigkeit eine neues, ohne Zweifel principiell wichtiges Moment aufgedeckt zu haben.\nW\u00e4hrend so theils die Quellen der absondernden Kr\u00e4fte, theils","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Entwicklungsgang der Absondcrungslehre. Neuere Entwicklung.\t13\ndie Bedingungen, welche diese erwecken und unterhalten, n\u00e4herer Untersuchung unterzogen wurden, waren die eigentlichen Tr\u00e4ger der bei der Absonderung ins Spiel tretenden Processe vernachl\u00e4ssigt worden, die Zellen n\u00e4mlich, welche die Dr\u00fcsenr\u00e4ume auskleiden. Diese L\u00fccke auszuf\u00fcllen ist das Streben einer Reihe meiner eigenen Untersuchungen gewesen, welche die active Rolle der Zellen bei der Absonderung durch den Nachweis auff\u00e4lliger morphologischer Unterschiede derselben im ruhenden und im th\u00e4tigen Zustande ausser Frage stellen. Nach meinen Ergebnissen wird es unm\u00f6glich, an der Auffassung, zu welcher man fr\u00fcherhin neigte, festzuhalten, als sei die mit einer Epithellage bekleidete Dr\u00fcsenmembran nur ein passiv wirksames Filter von verwickeltem Baue, allein dazu bestimmt, die verm\u00f6ge irgend welcher mechanischen Kr\u00e4fte (mechanische Filtration, electrische Diffusion u. s. f.) in Bewegung gesetzte Blutfl\u00fcssigkeit mit gewissen ihrer Bestandtheile filtriren zu lassen und allenfalls andre Bestandtheile aus seiner eignen Substanz hinzuzuf\u00fcgen.\nWenn so die Neuzeit wohl einige Grundlagen f\u00fcr eine derein-stige Theorie der Absonderungsprocesse geschaffen hat, so ist es doch bisher an keiner einzigen Stelle m\u00f6glich gewesen, auf jenen Fundamenten ein festes Geb\u00e4ude zu errichten. Deshalb kann sich die folgende Darstellung nur das bescheidene und wenig befriedigende Ziel stecken, was f\u00fcr die einzelnen Dr\u00fcsenapparate bisher errungen worden, zusammen zu fassen, zu sichten und auf die Gesichtspuncte aufmerksam zu machen, welche f\u00fcr die fernere Untersuchung fruchtbar zu werden versprechen.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"ERSTER ABSCHNITT.\nDIE SPEICHELDR\u00dcSEN UND DIE VERWANDTEN DR\u00dcSEN DER SCHLEIMH\u00c4UTE.\nERSTES CAPITEL.\nDer secretorisclie Apparat im Ruhezust\u00e4nde.\nI. Allgemeines \u00fcber die hierher geh\u00f6rigen Dr\u00fcsen.\nIn dem vorliegenden Abschnitte fasse ich die Absonderungsvorg\u00e4nge in einer Reihe von acin\u00f6sen Dr\u00fcsen zusammen, die, fr\u00fcherhin ihrem Baue nach unterschiedslos durcheinander geworfen, zwei ver-schiednen Typen angeh\u00f6ren, verschieden in Bezug auf die chemische Zusammensetzung ihres Secretes, wie in Bezug auf den microscopi-schen Bau der zelligen Elemente, welche jenes bilden.\nDie Dr\u00fcsen des einen Typus liefern ein d\u00fcnnfl\u00fcssiges Secret, welches nur Albuminate, Salze und in gewissen F\u00e4llen diastatisches Ferment enth\u00e4lt. Dahin geh\u00f6rt die Ohrspeicheldr\u00fcse des Menschen, wie aller S\u00e4ugethiere, die Unterkieferdr\u00fcse des Kaninchens, ein Theil der Dr\u00fcsen der Nasen- und Zungenschleimhaut, die Thr\u00e4nendr\u00fcse. Ich habe diese Dr\u00fcsen fr\u00fcherhin als \u201eser\u00f6se\u201c Dr\u00fcsen bezeichnet.1 Seit ich aber gesehen 2, dass ihr Secret unter Umst\u00e4nden Mengen von Albuminaten enth\u00e4lt, welche es in der Siedhitze vollkommen fest erstarren machen, scheint mir jene Benennung nicht mehr passend und die Bezeichnung derselben als \u201e Eiweissdr\u00fcsen \u201c vorzuziehen, weil in der Natur der organischen Secretbestandtheile wie der secer-nirenden Zellen gerechtfertigt.\n1\tIn der Dissertation racines Bruders Anton Heidenhain: \u201eDie acin\u00f6sen Dr\u00fcsen der Schleimh\u00e4ute, insbesondre der Nasenschleimhaut\u201c. Breslau 1870.\n2\tB. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 37. 1S7S.","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Eiweiss- und Schleimdr\u00fcsen im Allgemeinen.\n15\nDie Dr\u00fcsen des zweiten Typus sondern eine mehr oder weniger stark fadenziehende Fl\u00fcssigkeit ab, welche neben Salzen und geringen Albuminatmengen als charakteristischen Hauptbestandtheil Mucin enth\u00e4lt. Die Bezeichnung \u201eSchleimdr\u00fcsen\u201c entspricht altem Herkommen. Die Gruppe umfasst die Gld. submaxillaris (mit wenigen Ausnahmen), die Gld. sublingualis1, orbitalis (Hund), sowie einen Theil der Dr\u00fcsen der Mundh\u00f6hle, die Dr\u00fcsen des Schlundes, der Kehlkopfs-, Luftr\u00f6hren- und Speiser\u00f6hrenschleimhaut.'2\nZwischen beiden Klassen kommen hier und da Mischformen vor, in denen ein Theil der Acini dem einen, ein andrer Theil dem andern Typus folgt (Submaxillaris des Menschen, des Meerschweinchens u. s.f.).\nWenn ich die Eiweiss- und die Schleimdr\u00fcsen trotz aller erheblichen Unterschiede ihres Secretes, wie ihres anatomischen Verhaltens gemeinschaftlich behandle, so liegt der Grund f\u00fcr mich wesentlich darin, dass der Absonderungsvorgang in den beiderlei Dr\u00fcsen ausserordentlich viel Uebereinstimmendes zeigt, wie die sp\u00e4tere Darstellung lehren wird.\nCl. Bernard, welcher zuerst mit der schon vor ihm bekannten Beschaffenheit des Parotiden-Secretes die Natur des reinen, aus den Ausf\u00fchrungsg\u00e4ngen aufgefangenen Submaxillar- und Sublingualspeichels verglich und in den w\u00e4ssrigen Infusen der drei grossen Speicheldr\u00fcsen \u00e4hnliche Charaktere wiederfand, wie in ihren Absonderungsproducten 3, war doch nicht im Stande, histologische Unterschiede in jenen Dr\u00fcsen aufzufinden. (\u201eEn effet, s\u2019adresse-t-on \u00e0 l\u2019anatomie et s\u2019appuie-t-on exclusivement sur la structure intime des glandes, on arrive \u00e0 la negation absolue de tout caract\u00e8re distinctif.\u201c Le\u00e7ons II. 33.) Auch in Deutschland wurden die hierher geh\u00f6rigen Dr\u00fcsen so wenig eingehend behandelt, dass keines unsrer trefflichen Lehrb\u00fccher der Histologie, \u00fcber den Standpunct Cl. Bernard\u2019s hinausgehend, zu einer Unterscheidung der beiden Formen gelangte. Noch Pfl\u00fcger in seiner Monographie \u00fcber die Nerven der Speicheldr\u00fcsen 4 entging der charakteristische Lnterschied der Eiweissund der Schleimdr\u00fcsen. Seit ich in meiner ersten grossem Arbeit \u00fcber die Speichelabsonderung 5 an der Submaxillaris des Hundes, Kaninchens und Schaafes nachwies, dass den Unterschieden der Secrete ganz constante Unterschiede der secernirenden Zellen entsprechen, und zwei Jahre sp\u00e4ter in meinem Institute \u00e4hnliche Unterschiede des Baues und der Absonderung, wie ich sie an den grossen Speicheldr\u00fcsen nachgewiesen, auch an\n1\tLetztere verh\u00e4lt sieh in gewissen Beziehungen abweichend von den \u00fcbrigen Schleimdr\u00fcsen; s. sp\u00e4ter.\n2\tOh an den letztgenannten Orten nicht auch Dr\u00fcsen der ersten Art Vorkommen, bedarf noch der Untersuchung.\n3\tCl. Bernard. Arch. g\u00e9n. de m\u00e9d. NUI. p. 9. 1847; Compt. rend. XXXIV. p. 236. 1852; Le\u00e7ons de physiologie IL p. 103. 1852.\n4\tE. Pfl\u00fcger, Die Endigungen der Absonderungsnerven in den Speicheldr\u00fcsen. Bonn 1S66.\n5\tPv. Heidenhain, Studien des physiol. Instituts zu Breslau IV. S. 1. 1868.","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16 Heidexhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Ahschn. Speicheldr\u00fcsen.\nden acin\u00f6sen Dr\u00fcsen der Schleimh\u00e4ute gefunden wurden 1, die man bis dahin alle f\u00fcr Schleimdr\u00fcsen gehalten hatte, ist die Notwendigkeit, die besprochenen zwei Haupttypen der Dr\u00fcsen histologisch zu unterscheiden, allgemein anerkannt worden. Eine umfangreiche Literatur schloss sich an jene Arbeiten an. Namentlich bez\u00fcglich der topographischen A er-breitung der beiden Dr\u00fcsenformen ist das Detail unsrer Kenntnisse durch werthvolle Monographien bereichert worden.2 Nach Podwisotzki \u00fcberwiegen in der Zunge die Eiweissdr\u00fcsen sehr bedeutend beim Scliaafe, dem Iltis, der Ziege, weniger beim Schwein, Pferd, Kaninchen, Meerschweinchen, Eichh\u00f6rnchen, Fuchs, Hund, Igel. Die Schleimdr\u00fcsen dagegen \u00fcberwiegen sehr erheblich bei der Fledermaus, weniger beim G\u00fcrtelthier, dem Maulwurf, der Katze. In gleichem Verh\u00e4ltniss sind beide Dr\u00fcsenarten vertreten beim Menschen, Affen, der Maus und der Ratte.\nEs bedarf noch einer Rechtfertigung, wenn ich die in diesem Abschnitte zu besprechenden Dr\u00fcsen kurzweg als acinose bezeichne. In strengem Sinne sind sie es nicht alle, worauf Puky Akos3 bez\u00fcglich der Schleimdr\u00fcsen der Mundh\u00f6hle hingewiesen. Aber zwischen der rein tu-bul\u00f6sen Form, bei welcher der das Secret ableitende Ausf\u00fchrungsgang in ein gleich weites secernirendes Endst\u00fcck \u00fcbergeht und Gang wie Endst\u00fcck mit gleichem Epithel bekleidet sind, und der acin\u00f6sen Form, bei welcher der ableitende Ausf\u00fchrungsgang mit einem viel weiteren, mehr oder weniger kugelf\u00f6rmigen Endst\u00fcck in Verbindung steht und beide verschiednes Epithel tragen, giebt es vielerlei Ueberg\u00e4nge. Wenn die R\u00f6hren sich mehrfach theilen, gewunden verlaufen und mit Ausbuchtungen versehen sind, n\u00e4hert sich der Habitus der Dr\u00fcse dem acin\u00f6sen. Hat die Morphologie ein Interesse an diesen Verschiedenheiten, so ist ja Nichts dagegen einzuwenden; eine feste Grenze zwischen der einen und der andern Form giebt es nicht und f\u00fcr die physiologische Function sind die Unterschiede der morphologischen Gestaltung gleichg\u00fcltig.\nII. Bau der Acini.\n1. Tunica propria.\nNach verbreiteter Annahme besitzen die Dr\u00fcsen-Acini eine Tunica propria, bestehend aus einem Geflecht platter, kernhaltiger, ver-\u00e4stigter Zellen, dessen Maschen durch eine sehr d\u00fcnne, continuirlich in die Zellen und ihre Aeste \u00fcbergehende Membran geschlossen sind.\nDas allgemeine Vorkommen einer geschlossenen Membrana propria ist oft, unter Andern von mir selbst f\u00fcr die Gld. submaxillaris des Ka-\n1\tAnton Heidenhain, Die acin\u00f6sen Dr\u00fcsen der Schleimh\u00e4ute, insbesondere der Nasenschleimhaut. Breslau 1870.\n2\tVictor von Ebner, Die acin\u00f6sen Dr\u00fcsen der Zunge. Graz 1873; V. Podwisotzki, Anatomische Untersuchungen der Zungendr\u00fcsen des Menschen und der S\u00e4ugethiere. Dorpat 1878.\n3\tPuky Akos, Sitzungsber. d. Wiener Acad., mathem.-naturwiss. Classe. L. Sitzung vom 3. Juni 1869.","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Eiweiss- und Schleimdr\u00fcsen. Acini. Membrana propria.\n17\nnincliens, mit Unrecht bezweifelt worden. Dass dieselbe als wesentliche Elemente sternf\u00f6rmige Zellen enth\u00e4lt, wie sie aus der Parotis der Ivatze Krause1 isolirt und K\u00f6lliker2 als der Umh\u00fcllung der Acini angeh\u00f6rig\ny\nFig. 1. Isolirte Korbzellen der Membr. propria. Dr\u00fcsen der Gaumenschleim-haut des Kaninchens. (Nach Lavdovsky.)\n2-\nFig. 2. Aus Korbzellen zusammengesetzte Membr. propria. Orbitalis eines neugebornen Hundes. (Nach Lavdovsky.)\nbeschrieben und abgebildet hat, ist von mir3 f\u00fcr die Submaxillaris von Hund und Katze angegeben worden. Wenig sp\u00e4ter hat Boll diese Zellen aus der Submaxillaris des Kaninchens4 5 6 7 und des Hundes0 theils isolirt, tlieils in ihrem Zusammenh\u00e4nge dargestellt, darauf Ebner 6 von den Schleimdr\u00fcsen der Zunge und Lavdovsky 7 von der Orbitaldr\u00fcse des Hundes und den Gaumendr\u00fcsen. Dass also jene Zellen Constituentien der Acinuswand und nicht, wie fr\u00fcherhin Pfl\u00fcger annahm, multipolare Ganglienzellen sind, ist nach allgemeiner Uebereinstimmung aller neueren Untersucher zweifellos. Uneinig sind jene Beobachter nur dar\u00fcber, ob dieselben eine durchbrochene H\u00fclle (Boll, Lavdovsky) darstellen, oder ob die Maschen durch eine Membran geschlossen sind, in welcher die Zellk\u00f6rper nebst ihren Forts\u00e4tzen wie die Zehen in der Schwimmhaut liegen (Boll in einer sp\u00e4tem Arbeit8, Ebner) oder ob endlich die Zellen an der Innenseite der geschlossenen Membran befindlich sind (Krause, Afannasiew 9 10), zwischen ihr und den secernirenden Zellen der Acini. So schwierig der letztere Punct zu entscheiden ist, so leicht die Frage, ob die Acinuswand eine continuirliche oder durchbrochene. Dar\u00fcber geben, wie Pfl\u00fcger 10 mit vollem Piecht bemerkt, microscopische Diftu-\n1\tW. Krause. Ztschr. f. rat. Med. XXIII. 3. S. 51. Taf. VI. Fig. VIII. 1865.\n2\tK\u00f6lliker. Gewebelehre. 5. Auf! S. 357. Fig. 240. Leipzig 1S67.\n3\tPi. Heidenhain, Studien des physiol. Instituts zu Breslau IV. S. 22. 186S.\n4\tBoll. Arch. f. microscop. Anat. IV. 1868. Taf. XI. Fig. 11.\n5\tEbendaselbst Y. S. 334. 1869. Taf. XX. Fig. 3.\n6\tv. Ebner, Ueber die acin\u00f6sen Dr\u00fcsen der Zunge S. 23 u. 24. Taf. I. Fig. 15. Graz 1873.\n7\tLavdovsky, Arch. f. microscop. Anat. XIII. 1877. Taf. XXIII. Fig. 5, A u. B, Fig. 6.\n8\tBoll, Beitr\u00e4ge zur microscopischen Anatomie der Dr\u00fcsen S. 14. Berlin 1869.\n9\tW. Krause, Arch. f. Anat. u. Physiol. S. 9 u. f. 1S70. \u2014B. Afannasiew, Arch, f. microscop. Anat. XV. S. 200 u. f. 1878.\n10 E. Pfl\u00fcger, Die Endigungen der Absonderungsnerven in den Speicheldr\u00fcsen S. 14. Bonn 1869.\nHandbuch der Thysiologie. Bd. V.\t-","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nsions-Versuche b\u00fcndigsten Aufschluss. Denn wenn man frische Durchschnitte z. B. der Gld. submaxillaris mit destillirtem Wasser oder noch besser zuerst mit S\u00e4uren und dann mit Wasser behandelt, diffundirt die Fl\u00fcssigkeit oft in die Alveolen in solcher Menge hinein, dass die Membrana propria von dem Epithel als grosse gedehnte Blase abgehoben wird. Eine zur Herbeif\u00fchrung dieser Erscheinung ausreichende Spannung w\u00fcrde die Fl\u00fcssigkeit im Innern des Acinus nicht erreichen k\u00f6nnen, wenn die Membrana propria von grossen Oeffnungen durchbohrt w\u00e4re.\n2. Secemrrende Zellen.\nDer Innenfl\u00e4che der Membrana propria sitzen die secernirenden Zellen auf, welche in den verschiedenen Arten der hierher geh\u00f6rigen Dr\u00fcsen von specifisch verschiedenem Charakter sind. Bei ihrer Beschreibung denke ich zun\u00e4chst an den Ruhezustand der Absonderungsorgane, wie man ihn l\u00e4ngere Zeit nach der letzten Nahrungsaufnahme findet.\nA) Eiweissdr\u00fcsen.\nIm frischen Zustande ohne allen Zusatz oder in humor aqueus untersucht, erscheinen ihre Zellen so sehr von dunkeln K\u00f6rnchen und bl\u00e4schenartigen Bildungen durchsetzt, dass ihre Grenzen nicht wahrgenommen werden k\u00f6nnen. Sie treten erst hervor, wenn bei Zusatz von Wasser, sehr verd\u00fcnnter Chroms\u00e4ure oder Essigs\u00e4ure, verd\u00fcnnter L\u00f6sung von doppelt chromsaurem Kali u. s. f. der gr\u00f6sste Theil der K\u00f6rnchen gel\u00f6st ist; in den heller gewordenen Zellen erscheint ein rundlicher oder ovaler Kern. Deutlichere Bilder gew\u00e4hrt Alcohol-erh\u00e4rtung und nachfolgende Pieroearminf\u00e4rbung. An solchen in Glycerin aufgehellten Pr\u00e4paraten setzen sich die Zellen mit zarten (Parotis) oder dunkleren (Submaxillaris des Kaninchens) Grenzen gegen einander ab. Sie besitzen rundliche oder polygonale Form, lassen in einer hellen ungef\u00e4rbten Grundsubstanz eine m\u00e4ssige Menge dunkler K\u00f6rnchen und einen unregelm\u00e4ssig zackigen (Parotis des Kaninchens) oder rundlich-eckigen (Parotis des Hundes), rothgef\u00e4rbten Kern sehen. Bei starken Vergr\u00f6sserungen gewinnt man an mit H\u00e4-matoxvlin gef\u00e4rbten Pr\u00e4paraten den Eindruck, als l\u00e4gen die K\u00f6rnchen in einem die helle Grundsubstanz durchsetzenden feinen Fadennetze, wie es Klein l neuerdings f\u00fcr zahlreiche Dr\u00fcsenzellen allerdings sehr schematisch abgebildet hat. Isolationspr\u00e4parate der Zellen aus Kali bichromieum oder neutralem chromsaurem Ammoniak lassen\n1 Klein. Quarterly journal of microscopical science. New. Ser. XIX. p. 126 u. f.\n1879.","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Secernirende Zellen. Eiweissdr\u00fcsen. Schleim bereitende Dr\u00fcsen.\n19\neine besondere Membran an ihnen vermissen. Mikrochemische Re-actionen weisen einen sehr hohen Albuminatgehalt nach. Behandelt man die frischen, durch wenig Wasser aufgehellten Zellen mit sehr\nverd\u00fcnnten (0,02 0 o) anorganischen S\u00e4uren, so tritt starke Tr\u00fcbung ein, noch st\u00e4rkere bei Zusatz concentrirter Minerals\u00e4uren, w\u00e4hrend concentrirte Essigs\u00e4ure betr\u00e4chtliche Quellung und Aufhellung des Zellk\u00f6rpers hervorruft.\nB) Schleim bereitende Dr\u00fcsen.\nDie Zellen ihrer Alveolen sind nicht \u00fcberall gleich. Zur genaueren Erforschung bedarf es auch hier neben der Untersuchung der frischen Dr\u00fcsen, welche des dunkelk\u00f6rnigen Inhaltes der Zel-\no\nFig. 3. Parotis des Kaninchens. Die Zellen der Acini im Kuheznstande.\nlen wegen nur wenig Aufschluss giebt, der Alcoholerh\u00e4rtung und Car-minf\u00e4rbung.\nIm einfachsten Falle (Boll [, Unterkieferdr\u00fcse des Meerschweinchens in ihrem Schleim bereitenden Theile; Ebner 1 2, Schleimdr\u00fcsen der Zunge ; Lavdovsky 3, Gaumendr\u00fcsen des Kaninchens ; Dr\u00fcsen des Oesophagus) liegen der Membrana propria \u00fcberall grosse, helle, nur sehr sp\u00e4rlich von matten k\u00f6rnigen Bildungon durchsetzte Zellen an, welche an ihrer jener Membran zugekehrten Seite einen abgeplatteten, rothtingirten Kern tragen. Die platte Gestalt des letzteren ist durch die Alcohol-behandlung erzeugt; in den frischen, durch eine Spur Wasser aufgehellten Zellen erscheint er rundlich oder oval.\nOb alle microscopischen Schleimdr\u00fcsen der Schleimh\u00e4ute so einfach gebaut sind, muss dahingestellt bleiben ; wenigstens habe ich an den\n7 \u2022 \u2022i-\nFig. 4. Zwei Acini einer einfachen Schleimdr\u00fcse aus der Speiser\u00f6hre.\n1\tBoll, Arch. f. microscop. Anat. Y. S. 347. 1869.\n2\tv. Ebxek, Acinose Dr\u00fcsen der Zunge S. 36. Graz 1873.\n3\tLavdosky,v Arch. f. microscop. Anat. XIII. S. 335. 1877.","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nLippendriisen Bildungen angetroffen, welche den gleich zu beschreibenden \u201eHalbmonden\u201c entsprechen; ebenso Bermann1 an Schleimdr\u00fcsen der Zunge des Menschen, Hebold2 an den Zungendr\u00fcsen des Kaninchens im gereizten Zustande. Ich komme hierauf sp\u00e4ter zur\u00fcck.\nIn andern F\u00e4llen wird der Bau der Acini dadurch verwickelter, dass sich neben Zellen der eben beschriebenen Art noch zellige Gebilde von v\u00f6llig verschiedenem Typus vorfinden, welche sich vor\njenen ersteren durch\nstark k\u00f6rniges Aussehen, die runde Form ihres Kernes, ihre leichte F\u00e4rbbarkeit und hohen Albuminatgehalt aus zeichnen. Ihre Zahl wechselt in verschiedenen Dr\u00fcsen innerhalb weiter Grenzen. Am geringsten ist sie\nin der Gld. submaxil-laris und Gld. orbitalis des Hundes. Sie bilden hier Gruppen von an-n \u00e4 h e r n d h a 1 b m o n d f\u00f6 r -miger Gestalt (Halbmonde, Lunulae Giannuzzi), zwischen der Mbr. propria und den\nden Zellen der ersteren Art gelegen, welche den centralen Tlieil des Acinus einnehmen. In andern Dr\u00fcsen (Sub-maxillaris der Katze) entwickeln sich jene Randzellencomplexe st\u00e4rker, so dass sie nicht selten den grossem Theil\ndes Acinus umgreifen (z. B. Submaxil-laris der Katze). Endlich giebt es auch Dr\u00fcsen, in denen diese protoplasmareichen Zellen vor den hellen Schleimzellen in einer grossen Zahl der Alveolen\nFig. 5.\n\u00ae\u00bb T~ \u25a0 T\nOrbitaldr\u00fcse des Hundes. Acini mit Randzellen (Lunulae Giannuzzi). Nach Lavdovskv.\nFig. 6 S\u00fcbmaxillaris der Katze. Randzellen st\u00e4rker ausyebiidet, mitunter den gr\u00f6ssten Theil des Acinus ausf\u00fcllend.\nvorwiegen, ja selbst einzelne allein aus-\n1\tJ. Bermann, lieber die Zusammensetzung der Gld. submaxillaris aus verschiedenen Dr\u00fcsenformen. W\u00fcrzburg 1S78.\n2\tHebold , Ein Beitrag von der Secretion und Regeneration der Schleimzellen S. 16. Bonn 1879.","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Schleimdr\u00fcsen. Zellen der Acini.\n21\nf\u00fcllen (Grid, sublingualis). Beiderlei Zellen erfordern ihres eigent\u00fcmlichen physiologischen Verhaltens wegen eine eingehende Schilderung.\nFig. 7. Grid, sublingualis. Hund.\ntrichterf\u00f6rmige Ge-\nDie hellen Zellen (Schleimzellen), durch verd\u00fcnnte Chroms\u00e4ure, dop-peltchromsaures Kali, neutrales chromsaures Ammoniak, Jodserum u. s. f. isolirt, haben eine unregelm\u00e4ssig birn-, keulen- oder stalt. Sie besitzen zweifellos eine selbstst\u00e4ndige Membran und einen stark lichtbrechenden, in Carmin f\u00e4rbbaren Fortsatz, meist in der Gegend des Kernes aus der Zelle entspringend. Innerhalb des Acinus liegen die Zellen der Art, dass die Ausl\u00e4ufer sich der L\u00e4nge nach an die Mbr. propria anschmiegen. Kommen die Forts\u00e4tze benachbarter Zellen dabei nahe an einander zu liegen, so entstehen dicht unter der Mbr. propria breite, ins Auge fallende rothe Streifen, welche bei fl\u00fcch-\ntiger Betrachtung\nzu Verwechslungen mil\nRandzellencomplexen Veranlassung geben k\u00f6nnen. Der Kern ist von einer Spur Protoplasmas umgeben, das sich (Lav-dovsky) durch die Zelle in Gestalt eines \u00e4usserst feinen, spinnwebenartigen Fadennetzes mit grossen Maschen fortzusetzen scheint, eine von Klein1 neuerdings besondersbetonte Structur. Der letztere Forscher beschreibt in der inneren H\u00e4lfte jeder Zelle\nlongitudinale Fibrillen, welche in der \u00e4usseren in ein gleichf\u00f6rmiges Netzwerk \u00fcbergehen sollen. In so scharfer Auspr\u00e4gung habe ich auch bei den besten Vergr\u00f6sserungen (Hartn. XV. Oc. 3; Zeiss F oder J mit A\u00dfBE\u2019schem Condensor) das Fasernetz nicht sehen k\u00f6nnen. Die Zwischenr\u00e4ume der zarten F\u00e4den sind vollst\u00e4ndig von einer hellen Masse ausgef\u00fcllt, in welcher matte\n\nFig. S. Isolirte Schleimzellen (chromsanres Ammoniak) aus der Orbitaldr\u00fcse. Nach Lavdovsky.\n1 Klein. Quarterly journal microscop, science. N. S. XIX. p. 141. 1879.","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22 Heidexhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nK\u00f6rnchen zerstreut liegen. Microchemische Reactionen ergeben, dass diese helle Masse, welche den bei Weitem gr\u00f6ssten Theil der Zelle einnimmt, sich wie Mucin verh\u00e4lt : die charakteristischen Kennzeichen sind F\u00e4llbarkeit durch Essigs\u00e4ure in jeder Concentration, durch Minerals\u00e4uren dagegen nur in sehr verd\u00fcnntem, nicht in concentrirtem Zustande, Leichtl\u00f6slichkeit in Alkalien selbst bei hoher Verd\u00fcnnung. F\u00fcr die Beimengung nur sein-geringer Albuminatmengen spricht das fast v\u00f6llige Hellbleiben der Zellen bei Einwirkung von concentrirten Minerals\u00e4uren und von salpetersaurem Silberoxyd. Die chemische Constitution dieser Zellen ist also durchaus verschieden von dem chemischen Bau der Zellen der Eiweissdr\u00fcsen.\nDie fr\u00fcherhin ganz \u00fcbersehenen Rand zellen erregten zuerst die Aufmerksamkeit Giannuzzi\u2019s j, welcher in der Gld. submaxillaris des Hundes die meist halbmondf\u00f6rmigen Aggregate derselben als eine k\u00f6rnige, hier und da Kerne enthaltende Masse beschrieb, deren Zusammensetzung aus Zellen ihm jedoch entging. Sp\u00e4ter wies ich1 2 diese Zusammensetzung des Halbmondes aus kleinen, albuminatreichen Zellen nach, deren Substanz nach Klein aus einem sehr dichten, f\u00fcr mich unsichtbaren Netzwerke bestehen soll, und zeigte, dass die Randzellencomplexe in manchen andern Dr\u00fcsen viel entwickelter sind, als in der Unterkieferdr\u00fcse des Hundes. Zu ihrer Sichtbarmachung dient F\u00e4rbung feiner Alcoholschnitte durch Carmin, H\u00e4matoxylin, Goldchlorid und Schwefelammonium (Lavdovsky), Bismarkbraun, Eosin. Der hohe Eiweissgehalt jener Zellen wird ausserdem durch ihre starke Tr\u00fcbung beim Kochen, bei Behandlung mit concentrirten Minerals\u00e4uren, durch ihre starke Schw\u00e4rzung bei Behandlung mit salpeter-saurem Silberoxyd nachgewiesen. Zur Isolation dient Jodserum, Holzessig, neutrales chromsaures Ammoniak u. s. f. In denjenigen Dr\u00fcsen, in welchen die besprochenen Zellen nur halbmondf\u00f6rmige Rand-complexe bilden, ist schon im Ruhezust\u00e4nde ein sehr verschiedner Entwicklungsgrad der Halbmonde zu bemerken. Bald besitzen sie (in der Orbitalis und Submaxillaris des Hundes) geringen Umfang und nur einen Kern (Keim-Lunula Lavdovsky), bald deren zwei bis drei, ohne dass sich jedoch mit Entschiedenheit die Zusammensetzung aus mehreren einzelnen Zellen nachweisen Hesse, endlich treten mit den mehrfachen Kernen deutlich unterscheidbare Zellgrenzen auf, was in den st\u00e4rker entwickelten Halbmonden der Katzen-Submaxillaris die Regel bildet. \u2014 Nicht selten entsendet der Randzellen-Complex kegelf\u00f6rmige protoplasmatische Verl\u00e4ngerungen in das Innere des Acinus zwischen die Schleimzellen, von welchen feine fadenartige, mitunter sich verzweigende Forts\u00e4tze ausgehen. Wo, was nicht selten der Fall, zwei Halbmonde in demselben Acinus sich befinden, k\u00f6nnen die von ihnen ausgehenden Protoplasmaf\u00e4den anastomosiren und ein weitmaschiges Netz bilden.\nFig. 9. Isolirte Eandzellencomplexe. Nach Lavdovsky.\n1\tGiannuzzi, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Sitzung vom 27. Nov. 1867.\n2\tR. Heidenhain, Studien des physiol. Instituts zu Breslau IV. S. 17. 1S6S.","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Bau der Acini. Intraalveolares Netz. Speichelcapillaren.\n23\nDie obige Beschreibung bezieht sich auf den Ruhezustand der Dr\u00fcsen, d. h. auf denjenigen Zustand, in welchem sie sicli befinden, wenn keine besondern Secretionsreize auf dieselben eingewirkt haben. Im strengen Sinne wird wohl kaum je eine Speicheldr\u00fcse sicli l\u00e4ngere Zeit hindurch ganz unth\u00e4tig verhalten; wird doch die Mundh\u00f6hle durch Dr\u00fcsensecrete fortw\u00e4hrend befeuchtet. In dieser freilich nur sehr geringgradigen, spontanen Th\u00e4tigkeit liegt wohl der Grund, dass das Bild vereinzelter Acini von der eben gegebenen Schilderung mehr oder weniger abweicht und sich dem ganz ver\u00e4nderten ann\u00e4hert, welches die Dr\u00fcse bei anhaltender Th\u00e4tigkeit in der Mehrzahl ihrer Alveolen zeigt (s. unten).\n3. Intraalveolares Netz. Secretionscapillarm.\nEinige Beobachter haben die Beschreibung der Acini noch durch gewisse Zuthaten erg\u00e4nzt, welche nicht unbesprochen bleiben d\u00fcrfen.\nZuerst war es Boll1, der da angab, dass von den Korbzellen der Membrana propria Ausl\u00e4ufer und B\u00e4lkchen in das Innere der Alveolen eindringen, sich dort ver\u00e4steln, unter einander anastomosiren und in ihren Maschen die Zellen einschliessen, \u2014 Angaben, welche er selbst in einer sp\u00e4tem Arbeit2 wesentlich beschr\u00e4nkte. Eine sehr weite Ausdehnung f\u00fcr jenes Netz nimmt dagegen Ebner in Anspruch3: die Fasern desselben sollen nur rippenartige Verdickungen in membran\u00f6sen Scheidew\u00e4nden darstellen, welche die einzelnen, seiner Ansicht nach membranlosen Zellen von einander trennen. Die in der Kerngegend von den Schleimzellen abgehenden Forts\u00e4tze seien nur Fasern des intraalveolaren Netzes, welche einerseits den Zellen \u00e4usserlieh anhaften, andrerseits in Verbindung mit den \u00e4stigen Zellen der Membrana propria stehen.\nAlle diese Angaben beruhen auf unrichtigen Deutungen. Schon Asp vermisste das intraalveolare Netz.4 5 Lavdovsky zeigte, dass in den Schleimzellen ausser dem weitmaschigen Netze der von den Halbmonden ausgehenden Protoplasmaforts\u00e4tze nur eine geringe Menge gerinnbarer Zwischensubstanz vorkomme. Aeknlich erkl\u00e4rte Bermann 5 das intraalveolare Netz f\u00fcr ein Gerinnungsproduct, \u2014 Auffassungen, denen ich mich durchaus anschliessen muss. Die T\u00e4uschung ist namentlich da leicht m\u00f6glich, wo, wie in der Submaxillaris des Kaninchens, die Zwischensubstanz zwischen den einzelnen Zellen breitere Streifen bildet.\nFig. 10. Randzellenconrplexe mit Proto-plasmaforts\u00e4tzeii. Bei b scheinbarer Zusammenhang derselben mit einer Korbzelle. Nach Lavdovsky.\n1\tBoll, Arch. f. microscop. Anat. V. S. 334. 1869.\n2\tBoll, Beitr\u00e4ge zur microscopischen Anatomie der Dr\u00fcsen. Diss. Berlin 1869.\n3\tEbner. Arch. f. microscop. Anat. VIII. S. 49S. 1872 ; Die acin\u00f6sen Dr\u00fcsen der Zunge S. 27. Graz 1873.\n4\tAsr. Bidrag tili spottk\u00f6rtlarness microscopica anatomia. Schwalbe\u2019s Jahresbericht f\u00fcr 1873. S. 198.\n5\tJ. Hermann. Feber die Zusammensetzung der Submaxillaris S. 32. W\u00fcrzburg\n1S78.","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24 Heidexhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nEbenso muss ich mich gegen die Existenz besondrer \u201e Speichelcapil-laren\u201c zwischen den Dr\u00fcsenzellen erkl\u00e4ren, d. h. feiner pr\u00e4formirter R\u00f6hrchen, welche, ein die secernirenden Zellen umspinnendes Netz bildend, die ersten Wege des Secretes darstellen sollen, die Fl\u00fcssigkeit in das Lumen der Acini abf\u00fchrend. Solche Secretionsr\u00f6hrclien wurden zuerst von Pfl\u00fcger1 nach Untersuchungen Eward\u2019s erw\u00e4hnt und von dem Letzteren 2 * 4 genauer beschrieben. Trotz der Inschutznahme der R\u00f6hrchen durch Boll:3 sind dieselben nur k\u00fcnstlich durch den Injectionsdruck gebahnte Wege. Schon Ewald bemerkt, dass das Bild der langgestreckt zwischen den Zellen sich hinziehenden Injectionsmasse bei den verschiedensten Schnittrichtungen dasselbe bleibt, woraus folgt, dass es sich nicht um Can\u00e4le handeln kann, die bei bestimmten Schnittrichtungen doch ein dreh-\nrundes Lumen\nzeigen m\u00fcssten.\nBoll will allerdings hier und\ndies gefunden haben; Ebner 4 sah bald spaltf\u00f6rmige, bald\nda ein soleanalartige\nR\u00e4ume von der Injectionsmasse erf\u00fcllt. Den Beweis, dass es sich hier nur um k\u00fcnstliche Bahnen handelt, geben Versuche, die ich so anstellte, dass ich Dr\u00fcsen bei zugebundenem liess, bis sie durch das Secret stark\nA usfiih run gsgan ge\nfi.\nv'A\u00c2\u00c0\u00ab?7 /.t\u00f4t -'///' -\nb\n\n: A : \u25a0\n\u00c7 -0 1 '\ni \u2022=, - ' ' ihp:.\\ y:\nFij\u00e7. II. S\u00fcbmaxillaris des Menschen. Gemischte Dr\u00fcsenform.\nso lange secermren ausgedehnt und aufgeschwollen waren. Nat\u00fcrliche Secretionswege zwischen den Zellen m\u00fcssten unter so hohem Drucke stark erweitert sein und sich leichter durch Injection f\u00fcllen lassen. Erweitert findet man aber nur sehr stark das Lumen der Acini, die Zellen mehr oder weniger stark an die Wand gepresst; die k\u00fcnstliche Injection mit Berlinerblau ist nicht leichter als im Normalzust\u00e4nde und giebt nur dieselben wechselvollen\nTrugbilder.\noben\nim\ngemischten Dr\u00fcsen-\nEs ist schon Texte der formen gedacht worden, in denen Alveolen von dem Charakter der Eiweiss- und solche von dem Charakter der [Submaxillaris des Menschen,\nSchleimdr\u00fcsen neben einander Vorkommen des Meerschweinchens (Boll), der Maus (Bermann)]. Im physiologischen Interesse will ich nicht unerw\u00e4hnt lassen, dass das Parotidensecret des\n1\tE. Pfl\u00fcger. Arch. f. microscop. Anat. V. S. 203. 1869.\n2\tA. Ewald. Beitr\u00e4ge zur Histologie und Physiologie der Speicheldr\u00fcse des Hundes. Hiss. Berlin 1870.\n\u00e4 Boll, Beitr\u00e4ge zur microscop. Anat. der acin\u00f6sen Dr\u00fcsen S. 25. Berlin 1879.\n4 Ebner, Arch. f. microscop. Anat. VIII. S. 49S. 1872,","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Schleimdr\u00fcsen. Gemischte Form. Gld. sublingualis. Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge.\n25\nHundes ab und zu mucinhaltig gefunden wird. Cl. Bernard hat darauf aufmerksam gemacht, dass mitunter in den vordem Theilen des Paroti-denganges kleine Schleimdriischen einm\u00fcnden. Ich habe aber in solchen F\u00e4llen auch mitten in der Parotis Alveolen mit Schleimzellen gefunden. H\u00e4ufig scheint dies Vorkommen nicht zu sein und meistens ist das Secret der Ohrspeicheldr\u00fcse auch vollkommen schleimfrei.\nAn der Submaxillaris der Fleischfresser (Hund, Fuchs, Katze) will Bermann 1 in der Gegend ihres obern innern Randes einen besondern Dr\u00fcsentheil gefunden haben, der, von ihm als schlauchf\u00f6rmig zusammengesetzte Dr\u00fcse bezeichnet, von dem Typus des grossem Tlieils der Dr\u00fcse durchaus abweiche. Was Bermann beschreibt, ist Nichts als \u2014 die Gld. sublingualis!1 2 Die Injection der G\u00e4nge der Submaxillaris und Sublingualis sowie die Vergleichung der Bilder, welche Bermann von seinem \u201ezusammengesetzt schlauchf\u00f6rmigen Theile\u201c der Unterkieferdr\u00fcse liefert, mit Pr\u00e4paraten der Gld. sublingualis lassen hier\u00fcber nicht den mindesten Zweifel. Pr\u00e4parate, welche Bermann mir zuzusenden die Freundlichkeit hatte, stimmen vollst\u00e4ndig mit denen \u00fcberein, die Hr. Beyer in meinem Institute anfertigte. Merkw\u00fcrdiger Weise hat Bermann an seinen eignen Schnitten die auch in der ruhenden Sublingualis vorkommenden Schleimzellen \u00fcbersehen ; seine Fig. 11 entspricht nicht ganz seinen Pr\u00e4paraten. N\u00e4heres s. in der unten citirten Dissertation von Beyer.\nSchliesslich sei der Vollst\u00e4ndigkeit wegen noch bemerkt, dass es Schleimdr\u00fcsen giebt (Submaxillaris des Schaafes), deren Zellen viel tr\u00fcber an Alcohol - Pr\u00e4paraten aussehen, als es der obigen Schilderung entspricht. Die st\u00e4rkere Tr\u00fcbung r\u00fchrt von Eiweiss - Einlagerungen her. Dem entsprechend ist das Secret dieser Dr\u00fcsen auch stark eiweisshaltig.3 Durch st\u00e4rkere Tr\u00fcbung (Albuminatreichtkum) zeichnen sich auch die Zellen der Submaxillaris bei neugebornen Hunden aus.\nIII. Die Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge.\nDer Bau der das Secret ableitenden Wege ist in den verschiedenen Dr\u00fcsen ver\u00e4nderlich, ohne dass sich eine durchgreifende Regel auffinden Hesse.\nDie Acini stehen zun\u00e4chst in Zusammenhang mit G\u00e4ngen feinsten Calibers (Schaltst\u00fccke), deren Epithel zwei Hauptformen zeigt. In den einen Dr\u00fcsen (Parotis) besteht dasselbe aus langgestreckten spindelf\u00f6rmigen Zellen, welche sich so weit in den Acinus vorschieben, dass sie bis in das Lumen desselben hineinragen, von den secer-nirenden Zellen wie der Stiel vom Apfel (Boll, Ebner) umfasst; \u2014-in andern aus kleinen kubischen Zellen, die an der Grenze des\n1\tJ. Bermann, Ueber die Zusammensetzung der Gld. submaxillaris aus ver-schiednen Dr\u00fcsenformen. W\u00fcrzburg 1S7S.\n2\tGotthard Beyer, Die Glandula sublingualis. Diss. Breslau 1879.\n3\tR. Heidenhain, Studien des physiol. Instituts zu Breslau IV. S. 20 u. 27.","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nAcinus pl\u00f6tzlich durch die viel gr\u00f6sseren Elemente des letzteren ersetzt werden (Submaxillaris Hund, Kaninchen).[\n1?\nJL Ci >\n\u25a0 ( i ?\nFig. 12. SchaltstiicLe. (Nach Ebner.\nDie Schaltst\u00fccke entspringen aus weiteren G\u00e4ngen (Speichelr\u00f6hren, Pfl\u00fcger), deren Epithel wiederum keine constante Bildung zeigt. Sehr h\u00e4ufig, wie Henle- und Pfl\u00fcger1 2 3 bemerkt, zeigen die Zellen di eses Epithels an ihrem hintern, der Wandung des Ganges zugekehrten Ende eine feine, bis ungef\u00e4hr in die Gegend des Kernes reichende Streifung, die Pfl\u00fcger von dem Eintritte zahlloser Nervenfasern in die Epithelzellen ableitet. Sp\u00e4ter habe ich in meinen Untersuchungen \u00fcber den Bau der Nieren die weite Verbreitung der artiger Epithelien nachgewiesen und gezeigt, dass in jeder Zelle um\n13.\n\n:? \u2014L\n-\t'\t-\tim if ' h A\n. (VW. \u00fc ^ WrW\n-\t1 g ' \u2018-i,\nFig. 13. G\u00e4nge mit St\u00e4hchenepithel.\nden Kern herum ein Th eil des urspr\u00fcnglichen Zellprotoplasmas unver\u00e4ndert bleibt, dagegen in dem dem Lumen abgewandten Theile der Zelle eine Differenzirung der Art stattfindet, dass in ihm schmale, isolirbare, st\u00e4bchenartige Gebilde entstehen, welche durch eine ge-\n1\tEbner, Arch. f. microscop. Anat. VIII. S. 49S. 1872.\n2\tHenle, Eingeveidelehre. 2. Aufi. S. 30. Braunschweig 1873.\n3\tPfl\u00fcger , Die Endigungen der Absonderungsnerven in den Speicheldr\u00fcsen S. 35. Bonn 1866.","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Schleimdr\u00fcsen. Gemischte Form. Gld. sublingualis. Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge. 27\nringe Menge Zwischensubstanz (unver\u00e4ndertes Protoplasma) mit einander verbunden sind. Die Zwischensubstanz geht ohne bestimmte Grenze in den den Kern umgebenden Protoplasmatheil \u00fcber. Der dem Lumen des Ganges zugewandte Theil der Zelle ist homogen und gegen die Lichtung scharf abgesetzt. Nach Klein 1 sollen die St\u00e4bchen nur die longitudinalen Fasern eines sehr feinen Netzwerkes sein, das in Zusammenhang mit einem intranucle\u00e4ren Netze stehe.\nDiese St\u00e4bchenepithelien nun finden sich in vielen, aber nicht in allen der besprochenen Dr\u00fcsen als Bekleidung der G\u00e4nge mittleren Calibers. In der Submaxillardr\u00fcse \u00fcberall, in der Parotis meistens stark, beim Kaninchen aber z. B. sehr schwach entwickelt, fehlen sie in der Sublingualis bald ganz (Katze), bald sind sie nur schwach angedeutet (Hund). In den acin\u00f6sen Dr\u00fcsen der Schleimh\u00e4ute sind sie noch nirgends aufgefunden worden. Der Uebergang in die Schaltst\u00fccke ist ein ziemlich pl\u00f6tzlicher und gestaltet sich der Art, dass an Stelle des hohen St\u00e4bchenepithels unter starker Verschm\u00e4lerung des Lumens spindelf\u00f6rmiges oder kubisches Epithel tritt.\nDie gr\u00f6ssten Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge sind mit einfachem Cvlinder-epithel bekleidet.\nIn den acin\u00f6sen Dr\u00fcsen der Schleimh\u00e4ute gestalten sich die Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge einfacher. In die Anf\u00e4nge derselben st\u00fclpt sich zun\u00e4chst das Epithel der Schleimhaut, welcher die betreffenden Dr\u00fcsen angeh\u00f6ren, auf der Zunge also z. B. das geschichtete Pflasterepithel. Nach der Tiefe nimmt die Zahl der Schichten schnell ab, so dass bald nur eine einfache Lage cylindrischer Zellen \u00fcbrig bleibt, an deren Stelle in den secernirenden B\u00e4umen pl\u00f6tzlich das specifische Dr\u00fcsenepithel tritt.\nAn dem Uebergange der feinsten Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge (Ebxer\u2019s Schalt -stiicke) in die Alveolen beschreibt Nussbaum in der Submaxillaris 1 2 des Kaninchens besondre Zellen, die sich nach Osmiums\u00e4ure-Behandlung tiefer schw\u00e4rzen, als die Zellen der Alveolen und der Schaltst\u00fccke selbst. Am besten tritt die Reaction bei n\u00fcchternen Thieren ein, die kurze Zeit bei k\u00fcnstlicher Reizung secernirt haben. Nussbaum legt dieser Reaction eine besondre physiologische Bedeutung bei, indem er dieselbe auf einen Gehalt jener Zellen an diastatischem Ferment bezieht; denn er hat gefunden, dass Fermentl\u00f6sungen durch Osmiums\u00e4ure schwarz werden. Nach Behandlung der Dr\u00fcsen mit Wasser oder Glycerin oder nach l\u00e4ngerer Absonderung fehle das Ferment und mit ihm die Schw\u00e4rzung. \u2014 In diesen Angaben sind mehrere Irrth\u00fcmer enthalten. Das rein aufgefangene Secret der Submaxillaris, welches Nussbaum niemals untersucht hat, enth\u00e4lt\n1\tE. Klein. Quarterly journal of microscop, science XIX. p. 143. X. S. 1ST9.\n2\tMoritz Nussbaum, Die Fermentbildung in den Dr\u00fcsen. Habilitationsschrift. Bonn 1S7S.","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28 Heidenhain, Physiologie der Absoiiderungsvorg\u00e4nge. 1. Ah sehn. Speicheldi\u00fcsen.\nkein diastatisches Ferment, ebensowenig1 2 3 die Substanz der Dr\u00fcse.1 Die Uebergangszellen der G\u00e4nge in die Alveolen f\u00e4rben sich durch Osmium-saure zwar schw\u00e4rzer als die Zellen der letzteren, aber nicht schw\u00e4rzer als die Zellen der G\u00e4nge selbst (Langley). Die Submaxillaris des Igels zeigt sehr sch\u00f6ne sich schw\u00e4rzende Uebergangszellen, ohne eine Spur von Ferment zu enthalten. Die Acinus-Zellen der Kaninchenparotis werden in Osmiums\u00e4ure Dicht schw\u00e4rzer als die der Submaxillaris, obschon jene \u00fcberaus fermentreich, diese vollst\u00e4ndig fermentfrei sind. Die Dr\u00fcsenzellen der Pylorusdr\u00fcsen des Magens erfahren keine Schw\u00e4rzung, obschon sie sowohl selbst wie ihr Secret Pepsin und Labferment enthalten. Es besteht also zwischen der Reaction zelliger Gebilde auf Ueberosmiums\u00e4ure und ihrem Fermentgehalte kein constanter Zusammenhang.\nWenn Nussbaum diastatisches Ferment findet, wo andere Forscher dasselbe vermissen, so beruht diese Differenz auf einer fehlerhaften Methode des Nachweises des Fermentes. Alle eiweisshaltigen Gewmbe des K\u00f6rpers bilden bei stunden - oder gar tagelanger Digestion mit St\u00e4rkekleister Zucker -, weil in der W\u00e4rme durch Zersetzungsprocesse der Ge-websbestandtheile Ferment entsteht. Die specifische Function, diastatisches Ferment zu erzeugen, darf man einer Dr\u00fcse nur dann zuschreiben, wrnnn ihr Secret oder ihr Gew\u2019ebe innerhalb weniger Minuten Zucker produeirt. So thut es das Secret resp. Gewebe der Parotis des Kaninchens, nicht aber das der Submaxillaris.\nDen St\u00e4bchenzellen der Speichelr\u00f6hren schreibt Pfl\u00fcger 3 eine be-sondre Bedeutung f\u00fcr die Bildung neuer Alveolen zu. Die St\u00e4bchen erscheinen nach ihm f\u00fcr gew\u00f6hnlich als unmessbar feine, mit Kn\u00f6tchen besetzte Fibrillen. Man findet aber Ueberg\u00e4nge bis zu 0,001 Mm. dicken Fasern, deren Ende sich h\u00e4ufig mehrfach spaltet. An diesen Fasern erweitert sich ihr freies Ende knopfartig, in ihm entwickelt sich ein Kern. Die Kernbildung schreitet von dem freien Ende der Faser nach der Zelle hin fort, so dass oft eine gr\u00f6ssere Anzahl von Kernen hinter einander in der Faser entsteht. Indem die Kerne sich allm\u00e4lig mit mehr Protoplasma umgeben, entstehen Speichelzellen, wmlche unter der Mbr. propria des Speichelrohrs wuchern, w\u00e4hrend diese sich verdickt und mehrfach ausst\u00fclpt. Gleichzeitig st\u00fclpt sicli das Bindegewebe in die dicke Masse der Wand ein, um alveolenartige Zellenhaufen gleichsam auszustechen. So sprossen aus den Speichelr\u00f6hren junge Alveolen hervor. Da nun Pfl\u00fcger (s. sp\u00e4ter) die St\u00e4bchen der Epithelien f\u00fcr Fortsetzungen der Axencylinder-Fibrillen doppelt contourirter Nervenfasern erkl\u00e4rt, stellen die Dr\u00fcsenzellen knospenartige Verdickungen von Axencylindern vor.\nDie grossem, mit Cylinderepithel bekleideten Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge stehen nach J. Bermann4 in manchen Dr\u00fcsen mit eigent\u00fcmlichen, von breiten\n1\tP. Gr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. XVI. S. 105. 1878. \u2014 Langley, Unters, aus dem physiol. Institut zu Heidelberg I. S. 471. 1878. \u2014 Schultze-Baldenius, Untersuchungen \u00fcber die Verbreitungen des diastatischen Fermentes in den Speicheldr\u00fcsen. Diss. Breslau 1877.\n2\tSeegen & Kratschmer, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 593. 1877.\n3\tPfl\u00fcger, Arch. f. microscop. Anat. V. S. 193. 1869 ; Strieker\u2019s Handbuch der Lehre von den Geweben S. 322. Leipzig 1871.\n4\tJ. Bermann, Ueber die Zusammensetzung der Gld. submaxillaris aus ver-schiednen Dr\u00fcsenformen. W\u00fcrzburg 1878.\nO","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Eiweiss- und Schleimdr\u00fcsen. Bindegewebe, Blutgef\u00e4sse, Lymphwege. 29\nund niedrigen Epithelien ausgekleideten R\u00f6hren in Zusammenhang, deren Complex er als besondre tubul\u00f6se Dr\u00fcse beschreibt. Am st\u00e4rksten entwickelt sind diese Bildungen in der Submaxillaris des Kaninchens; bei erwachsenen Thieren liegen sie mitten in der Dr\u00fcse, bei neugebornen aussen im Hilus. Umgeben ist das Convolut der G\u00e4nge von einer dicken Bindegewebskapsel. In ihrem Innern fand er an Alcoholpr\u00e4paraten solide l\u00e4ngsstreifige Cylinder, das geronnene Secret. Aehnliche Convolute von R\u00f6hren fand Beemann am \u00e4ussern Rande der Unterkieferdr\u00fcse der Fledermaus, bei Maus und Ratte fehlten sie, bei Hund, Katze und Fuchs sind sie viel weniger entwickelt als beim Kaninchen. Auch bei dem letzteren nimmt das Convolut der G\u00e4nge, wie ich sehe, nur einen ganz unverh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleinen Theil der ganzen Dr\u00fcse ein. Eine secreto-risclie Bedeutung d\u00fcrften sie kaum besitzen. Der geronnene Inhalt kann sehr wohl aus dem Ausf\u00fchrungsgange der Dr\u00fcse zur\u00fcckgestautes und eingedicktes Secret sein, ln jedem Falle ist Beemann auf falschem Wege, wenn er in den G\u00e4ngen Schleim bildende Organe sieht ; denn das Secret der Kaninclien-Submaxillaris enth\u00e4lt keine Spur von Mucin. Wahrscheinlich handelt es sich um Vasa aberrantia des Ausf\u00fchrungsganges, d. h. um Ausst\u00fclpungen, urspr\u00fcnglich zur Bildung von Alveolen bestimmt, die aber in ihrer Entwicklung zur\u00fcckgeblieben sind. Doch wird hier\u00fcber nur embryologische Untersuchung entscheiden k\u00f6nnen.\nIV. Bindegewebe, Blutgef\u00e4sse, Lymphwege, Nerven.\nDas interacin\u00f6se und interlobul\u00e4re Bindegewebe bietet in den uns besch\u00e4ftigenden Dr\u00fcsen ebenso wenig Besonderheiten, wie die Blutgef\u00e4sse, welche mit zierlichem Capillarnetze die Acini umspinnen. Physiologisch wichtig ist das r\u00e4umliche Verh\u00e4ltniss der Capillaren zur Alveolenwandung. Sie sind derselben nicht unmittelbar angelagert. Die Acini werden zun\u00e4chst von Lymphr\u00e4umen umgeben (GiANNUzzi1), deren F\u00fcllungsgrad den Grad der Entfernung oder Ann\u00e4herung der Capillaren von oder zu der Acinuswaud bestimmt. Bei Dr\u00fcsen\u00f6dem, welches unter sp\u00e4ter zu besprechenden Bedingungen sehr leicht entsteht, f\u00fcllen sich alle Lymphspalten prall mit Fl\u00fcssigkeit an. Die interacin\u00f6sen Lymphspalten m\u00fcnden in gr\u00f6ssere Spaltr\u00e4ume zwischen den Dr\u00fcsenl\u00e4ppchen, welche mit circumvascul\u00e4ren Lymphwegen, die gr\u00f6sseren Arterien und Venen umgebend, in Verbindung stehen, die schliesslich in die Lymphgef\u00e4sse des Hilus \u00fcberf\u00fchren. In dem Bindegewebe zwischen den Acinis findet man, in den einen Dr\u00fcsen sparsam, in den andern (z. B. meist, doch nicht ausnahmslos, in der Sublingualis des Hundes) sehr reichlich zellige Gebilde, die theils Lymph-\n1 Giannuzzi, Ber. cl. sacks. Ges. d. Wiss.. mathem.-physik. Classe. Sitzung vom 27. Kov. 1865.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30 Heidexhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Ab sehn. Speicheldr\u00fcsen.\nk\u00f6rpercken sind, tlieils wohl den Waldeyer\u2019scIigh Plasmazellen angeh\u00f6ren.\nDie Nerven der Speiekeldr\u00fcsen wurden naek der Entdeckung ikres Einflusses auf den Absonderungsvorgang Gegenstand eifriger Untersuckung. Nachdem der unmittelbare Zusammenhang der motorischen Nervenfasern mit den Muskelprimitivb\u00fcndeln erkannt worden war, trat als leitender Gedanke an die Spitze der Verfolgung der intraglandul\u00e4ren Nerven die Vermutkuug eines directen Ueber-ganges der Nervenprimitivfasern in die Acini oder vielmehr die Epi-tkelien derselben.1 2 Mehrere Forscher, in erster Reihe Pfl\u00fcger, glauben diesen Zusammenhang mit Sicherheit beobachtet zu haben. So lange aber eine wissenschaftliche Angabe noch von der ganz \u00fcberwiegenden Mehrzahl der Fachm\u00e4nner trotz der eifrigsten Bem\u00fchungen zu ihrer Best\u00e4tigung angezweifelt wird, darf die Untersuchung noch nicht als abgeschlossen und ihr Resultat nicht als endg\u00fcltig festgestellt angesehen werden.\nDie erste Frucht eingehender Durchforschung der Speicheldriisen-nerven war die Entdeckung zahlreicher intraglandul\u00e4rer Ganglien gleichzeitig durch W. Krause 2 und durch meine Sch\u00fcler B. Reich und H. Schl\u00fcter.3 Nach den genauen Beschreibungen von Krause und von Reich treten in den Hilus der Dr\u00fcsen mit dem Ausf\u00fchrungsgange Nervenst\u00e4mm-ehen, welche sich ganz vorwiegend aus markhaltigen Fasern zusammensetzen. Sie bilden um den Hauptgang und seine ersten Aeste zwischen den grossen Dr\u00fcsenl\u00e4ppchen ein Geflecht mit grossen Ganglienhaufen, aus welchem zwischen die kleineren L\u00e4ppchen schmalere, aber noch markhaltige Fasern eindringen, um ein zweites ganglienhaltiges Geflecht von geringeren Dimensionen zu constituiren. Die aus diesem hervorgehenden Fasern theilen sich wiederholt und gehen schliesslich fr\u00fcher oder sp\u00e4ter s\u00e4mmtlicli in marklose Fasern \u00fcber. Soweit stimmen jene drei Beobachter \u00fcberein ; alle drei sahen ferner die blassen Fasern an die Acini herantreten, ohne \u00fcber ihr definitives Schicksal Sicherheit zu erlangen. Schl\u00fcter glaubt, kleine multipolare Ganglienzellen in Verbindung mit den Ausl\u00e4ufern der Speichelzellen gesehen zu haben. Reich vermutliet einen Zusammenhang der blassen Fasern mit den Ausl\u00e4ufern der Speichelzellen, mit dem Bemerken, ihn direct nicht beobachtet zu haben. Dagegen sah er einen unmittelbaren Uebergang der Nervenfasern in Epithelzellen der Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge. Krause verfolgte blasse Fasern bis an die Wand der Acini ; kurz vor derselben bemerkte er diekotomische Theilungen. Ausserdem entdeckte Krause in manchen Dr\u00fcsen die Endigung doppelt-contourirter Nervenfasern in Endkapseln, welche grosse\n1\tB. Reich, Disquisitiones microscopicae de finibus nervorum in glandulis sa-livalibus p. 21. Biss. Vratislaviae 1864. \u2014 E. Pfl\u00fcger, Die Endigung der Absonderungsnerven in den Speicheldr\u00fcsen S. 2. Bonn 1866.\n2\tKrause, Ztschr. f. rat. Med. (3) XXL S. 90. 1864, XXIII. S. 46. 1865.\n3\tB. Reich in der oben citirten Dissertation. \u2014 H. Schl\u00fcter, Disquisitiones microscopicae et physiologicae de glandulis salivalibus. Diss. Breslau 1865.","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Eiweiss- und Schleimdr\u00fcsen. Nerven.\n31\nAehnlichkeit mit Vater-Pacini\u2019schen K\u00f6rperchen haben, \u2014 eine Endigungs-weise, welche nat\u00fcrlich nicht auf absondernde, sondern auf sensible Nervenfasern zu beziehen ist.\nGegen\u00fcber der D\u00fcrftigkeit und Unsicherheit der Ergebnisse obiger Untersuchungen trat Pfl\u00fcger mit neuen Forschungen hervor, welche der Ungewissheit bez\u00fcglich der letzten Endigungen mit einem Schlag ein Ende zu machen schienen. Bei der Darstellung seiner Resultate halte ich mich an seine letzte Arbeit, welche einige Angaben der fr\u00fcheren Publicationen fallen l\u00e4sst.L Pfl\u00fcger unterscheidet folgende Endigungsweisen von Fasern:\n1.\tAn die Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge mit St\u00e4bchenepithelien treten markhaltige Fasern. Nach Durchbohrung der Membr. propria ver\u00e4steln sich ihre Axencylinder in unendlich varicose F\u00e4serchen und gehen in die gleichbeschaffenen F\u00e4serchen am Aussenende der Epithe-lien \u00fcber.\n2.\tAn die Alveolen treten markhaltige Fasern, durchbohren die Membr. propria, verlieren dann ihr Mark, l\u00f6sen sich in unendlich feine Fibrillen auf und sondern sich mit diesen in das Protoplasma.\n3.\tAn den Alveolen giebt es noch eine zweite Endigungsweise. Kleine multipolare Zellen stehen einerseits mit Nervenfasern, andrerseits mit Speichelzellen durch ihre Forts\u00e4tze in Verbindung.\nFig. 14. Endigungen der Nerven in den Speicheldr\u00fcsen nach Pfl\u00fcger, a. Endigung in den Speichel' r\u00f6hren, b. Uehergang der Nervenfasern in die Secretionszellen der Acini, c. Durch Ganglienzellen\nvermittelte Nervenendigung.\n1 Pfl\u00fcger, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1865. No. 57, 1866. Nr. 10, 13, 14; Die Endigung der Absonderungsnerven in den Speicheldr\u00fcsen. Bonn 1866; Arch. f. mi-croscop. An at. Y. S. 193. 1869; Strieker\u2019s Gewebelehre S. 306. Leipzig 1871.","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32 Heidenhain. Physiologie der Absonderlingsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nKeiner der zahlreichen Nachfolger Pfl\u00fcger\u2019s \u2014 und es giebt wohl kaum einen Histologen, der nicht seine wichtigen Angaben zu best\u00e4tigen das Verlangen gehabt h\u00e4tte, \u2014 ist im Stande gewesen, dessen Bilder wieder zu finden. Meine eigenen Bem\u00fchungen, zu den verschiedensten Zeiten immer wieder aufgenommen, sind durchaus fruchtlos geblieben. Nur \u00fcber zwei Puncte glaube ich ein sicheres Urtheil gewonnen zu haben: erstens k\u00f6nnen die F\u00e4serchen am Aussenende der Epithelien der Speichelr\u00f6hren nicht feinste Nervenfasern sein, nach Ausweis ihrer ausserordentlichen Resistenz gegen Reagentien aller Art, welche feinste marklose Nervenfasern unfehlbar zerst\u00f6ren; zweitens sind die angeblichen multipolaren Ganglienzellen Nichts als die ver\u00e4stelten Zellen der Mbr. propria.\nTrotz des Misslingens seiner Bestrebungen an den Speicheldr\u00fcsen h\u00f6herer Thiere hat Kupffer 1 an denen der Blatta orientalis den Eintritt von Nervenfasern in die Dr\u00fcsenzellen mit Sicherheit feststellen k\u00f6nnen.\nFig. 15. Nervenendigung in den Speicheldr\u00fcsen von Blatta orientalis nach Kupffer.\nDie Membrana propria der Acini wird von den hinzutretenden Nerven-st\u00e4mmchen durchbrochen, indem die H\u00fclle der letzteren sich unmittelbar in jene fortsetzt. Feinste Nervenfasern, aus den St\u00e4mmchen hervorgehend, lassen sich in die peripherischen Zellen des Acinus verfolgen. Die letzteren zeigen in einer hellen Grundsubstanz (Paraplasma) ein eigenth\u00fcm-liclies Protoplasma-Netz, welches einerseits mit den Nervenf\u00e4dchen, andrerseits sowohl mit dem zackigen Zellkerne, als einer eigenth\u00fcmlichen Secretionskapsel in Verbindung steht, die sich in einen feinen, mit dem einer benachbarten Zelle zusammenfliessenden Ausf\u00fchrungsgang (Chitinr\u00f6hrchen) fortsetzt. Sehr bemerkenswerth ist ferner der Umstand, dass die Dr\u00fcsen, \u00e4hnlich wie bei den S\u00e4ugern, ihre Nervenfasern aus zwei Quellen beziehen, aus dem Ganglion supraoesophageum und dem Eingeweidenervensystem einerseits, aus der Bauchganglienkette andrerseits. Unterschiede der Endigung der beiden Faserarten Hessen sich nicht nachweisen.\n1 Kupffer, Beitr\u00e4ge zur Anatomie und Physiologie, als Festgabe Carl Ludwig zum 15. Oct. 1874 gewidmet von seinen Sch\u00fclern. S. LXIV Leipzig 1875; vgl. Arch, f. microscop. Anat. IX. S. 387. 1873; Schriften des naturwiss. Vereins f\u00fcr Schleswig-Holstein III. S. 240.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"33\nZWEITES CAPITEL.\nAllgemeine Bedingungen der Absonderung.\nI. Die Absonderungsnerven. Allgemeines \u00fcber Speichel-\nyersuche.\nWahrnehmungen an einem Patienten mit einer Fistel des Ductus Stenonianus f\u00fchrten Mitscherlich 1 zu der Annahme, dass Speichelabsonderung nur unter dem Einfluss von Nervenerregung stattfinde. \u201eDie Absonderung stockte, wenn der Patient vollkommene Ruhe beobachtete, den Unterkiefer weder durch Kauen noch durch Sprechen bewegte, keinem Nervenreiz ausgesetzt war, sei es durch Gem\u00fcths-bewegung, Ekel oder Verlangen nach dem Gen\u00fcsse einer Speise oder Trankes.\u201c Beim Sprechen, Husten war schon geringe Absonderung merklich, st\u00e4rkere, wenn der Patient willk\u00fcrlich im Munde aus den andern Dr\u00fcsen Speichel zusammenzog, die reichlichste beim Essen.\nZwei Jahrzehnte blieben diese Angaben als Fingerzeige f\u00fcr eingehendere Untersuchung unbenutzt. Erst im Jahre 1351 wies C. Ludwig - nach, dass durch die Einwirkung gewisser zu den Speicheldr\u00fcsen tretender Nerven in diesen Organen besondere, von den mechanischen Verh\u00e4ltnissen des Blutdruckes unabh\u00e4ngige Kr\u00e4fte ausgel\u00f6st werden, welche die Absonderung herbeif\u00fchren. Damit war eine neue Art von Nervenleistungen entdeckt und der Lehre von der Absonderung ein neuer Gesichtspunct er\u00f6ffnet, mit dessen Verwer-thung und Durcharbeitung die Physiologie noch bis heute reichlichst besch\u00e4ftigt ist.\nWenn ich im Folgenden die Lehre von der Speichelabsonderung mit einer vielleicht hier lind da breit erscheinenden Ausf\u00fchrlichkeit behandle, so mag der Leser den Grund darin suchen, dass gerade bez\u00fcglich dieses Absonderungsprocesses die Analyse tiefer eingedrungen und die Fragstellung wreiter gediehen ist, als bez\u00fcglich irgend eines andern. Viele hier gr\u00fcndlicher er\u00f6rterte Fragen werden bei den sp\u00e4teren Dr\u00fcsen nur kurzer Andeutung bed\u00fcrfen.\nDie Speicheldr\u00fcsen haben im Allgemeinen eine doppelte Quelle f\u00fcr ihre Absonderungsnerven: gewisse Hirnnerven einerseits, Fasern des Halssympathicus andrerseits.\n1\tMitscherlich. Paist\u2019s Mag. f. d. ges. Heilk. XXXVIII. S. 491 u. f. Berlin 1832.\n2\tC. Ludwig, Ztschr. f. rat. Med. X. F. I. S. 259. 1851. (Aus den Mittheil. d. Z\u00fcricher naturf. Ges. Xr. 50 abgedruckt.)\nHandbuch der Physiologie. Bd. V.\n3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\n1. Die Nerven der Gld. submaxillaris und sublingualis.\nDie cerebralen Fasern dieser Dr\u00fcsen stammen aus den Wurzeln des Nv. facialis. Sie l\u00f6sen sich von seinem Stamme innerhalb des Fallopi\u2019schen Canales ab, folgen der Bahn der Chorda tympani durch die Paukenh\u00f6hle und treten mit ihr jenseits der Glaserspalte f\u00fcr eine kurze Strecke Weges in den Ramus lingualis Trigemini, um ihn bald wieder zu verlassen und in einem feinen St\u00e4mmchen, l\u00e4ngs der Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge der Dr\u00fcsen sich r\u00fcckw\u00e4rts wendend, an ihren Bestimmungsort zu gelangen.\nDie sympathischen Fasern treten oberhalb des ersten Halsgandions mit den Hilusgef\u00e4ssen in die Dr\u00fcsen ein.\nPr\u00e4paration der Absonderungs nerven. Bei allen Speichel-driisen-Versuchen ist es, wenn ang\u00e4nglicli, gerathen, dem Absonderungsorgane selbst m\u00f6glichst fern zu bleiben, um St\u00f6rungen seiner normalen Verh\u00e4ltnisse zu vermeiden. Deshalb ist es zweckm\u00e4ssig, die sympathischen Absonderungsfasern nicht andern Orte blos zu legen, wo sie sich oberhalb des ersten Ganglions vom Halsstamme abl\u00f6sen, sondern den Grenzstrang selbst weiter unten am Halse in bekannter Weise zu pr\u00e4-pariren.\nDie cerebralen Secretionsfasern k\u00f6nnen an drei Orten zug\u00e4nglich gemacht werden :\na. Pr\u00e4paration des Ram. lingualis trigemini und des von ihm abgehenden Dr\u00fcsenzweiges. Hund. Ein Hautschnitt in der Mitte zwischen dem Unterkiefer und der Medianebene parallel zur letzteren gef\u00fchrt, beginnend ungef\u00e4hr an der Verbindungslinie beider Kieferwinkel, endigend 2 Cm. vor der Kiefersymphyse, legt die den Muse, mylohyoideus bedeckende Fascie blos. Nach ihrer Entfernung werden die quer verlaufenden B\u00fcndel jenes Muskels von vorn nach hinten getrennt, bis man auf den ihnen ungef\u00e4hr parallel ziehenden Ram. lingualis trigemini st\u00f6sst, der als einziger in dieser Gegend quer verlaufender gr\u00f6sserer Nervenstamm nicht zu verkennen ist. Man dr\u00fcckt ihn mittelst des Zeigefingers der rechten Hand massig abw\u00e4rts und l\u00f6st die ganze Aussenh\u00e4lf'te des Muse, mylohyoideus in einem Zuge von seiner Unterlage ab. Auf diese Weise sichert man sich davor, dass der Nerv und die unter demselben verlaufenden und ihn nahezu rechtwinklig kreuzenden G\u00e4nge der Gld. submaxillaris und sublingualis an der untern Fl\u00e4che des Muskels haften bleiben, ein f\u00fcr die weitere Pr\u00e4paration unbequemes Ereigniss. Darauf Verfolgung des Nerven m\u00f6glichst weit centralw\u00e4rts, Umschlingung desselben hoch oben mittelst einer Ligatur, Trennung oberhalb derselben, Pr\u00e4paration des peripherischen Endes bis zu der Stelle, wo er die G\u00e4nge trifft. Nicht weit vor dieser Stelle geht aus dem hintern Rande des Stammes der Dr\u00fcsenzweig hervor, oft aus mehreren feinen Wurzeln sich zusammensetzend. Nach einem mit blossen Augen sichtbaren Ganglion submaxillare sucht man vergeblich ; doch sind stets microscopische Gan-glienzellen-Anh\u00e4ufungen l\u00e4ngs des St\u00e4mmchens vorhanden. Die ganz unblutige Operation ist in wenigen Minuten vollendet.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Absonclerungsnerven. Pr\u00e4paration der Nerven der Submaxillaris.\n35\nVon den beiden, den Zungenast kreuzenden G\u00e4ngen geh\u00f6rt der gr\u00f6ssere innere der Gld. submaxillaris, der d\u00fcnnere \u00e4ussere der Gld. sublingualis an, beide dicht benachbart. Nach sorgf\u00e4ltiger Entfernung alles bedeckenden Bindegewebes gelingt durch einen kleinen L\u00e4ngsschlitz in der Wand die Einf\u00fchrung passend zugeschr\u00e4gter Glascan\u00fclen leicht.\nBeim Schaafe geschieht die Pr\u00e4paration in derselben Weise; der Dr\u00fcsenast entspringt hier aus dem Stamme stets mit mehreren Wurzeln. \u2014 Viel schwieriger ist die Operation beim Kaninchen. Die Abgangsstelle des Dr\u00fcsenastes liegt hier unter einem dichten Paquet kleiner Driischen (Sublingualis?), welches auch den Ausf\u00fchrungsgang einh\u00fcllt und dessen Entfernung nur unvollst\u00e4ndig und nie unblutig gelingt. Nachdem der Nerv den Ausf\u00fchrungsgang erreicht hat, verl\u00e4uft er auf dessen Wand, ein Umstand, der f\u00fcr den Versuch insofern g\u00fcnstig ist, als man, wenn der Nerv bei der Pr\u00e4paration gerissen ist, zwei feine, einander sehr gen\u00e4herte Drathelectroden unmittelbar auf den Gang mit gutem Erfolge aufsetzen kann. Als Caniile ist nur eine Capillare anwendbar. Misslingt die Einf\u00fchrung an dem vordem Ende des Ganges, so kann sie an dem hintern geschehen, welches sich bei leichtem Anziehn der Dr\u00fcse nach Trennung des Muse, digastricus so anspannt, dass das Aufschlitzen ohne Schwierigkeit m\u00f6glich wird.\nb.\tBlosslegungderChorda tympani vor ihrem Eintritte in den Ramus lingual is trigemini. Diese m\u00fchsame Operation ist nur ausgef\u00fchrt worden, um den Nachweis der Dr\u00fcsenfasern innerhalb der Chorda selbst zu f\u00fchren. Der von mir zur Erreichung des Nerven eingeschlagene Gang war folgender: Abl\u00f6sung des Muse, mylohyoideus vom Unterkiefer, Unterbindung der Art. maxillaris inferior, Abl\u00f6sung des Digastricus seiner ganzen L\u00e4nge nach, Verfolgung des Ram. lingualis aufw\u00e4rts, bis man die Eintrittsstelle der Chorda erreicht. Die ganze Versuchsweise hat jetzt kaum noch ein Interesse.\nc.\tDie Chorda innerhalb der Paukenh\u00f6hle kann leicht getrennt werden, wenn man das Trommelfell mit einem scharfen Haken durclist\u00f6sst, dann diesen nach oben wendet und alle nach innen und oben vom obern Umfange des Trommelfelles gelegenen Theile zerst\u00f6rt.1 \u2014 Es lassen sich aber auch Reizversuche an der Chorda innerhalb der Paukenh\u00f6hle anstellen, wie bei Gelegenheit der Parotis ausf\u00fchrlicher besprochen werden wird.\nDass die cerebralen Absonderungsnerven der Unterkieferdr\u00fcse durch die Chorda tympani treten, hat zuerst Schiff2 angedeutet, sp\u00e4ter Cl. Bernard bestimmt angegeben3 4 5 und Eckhard 4 best\u00e4tigt. F\u00fcr den Menschen denselben Verlauf festzustellen hat Carl 5 an sich selbst Gelegenheit gehabt; an einer Perforation des Trommelfelles leidend, konnte er durch mechanische Reizung der Chorda die Submaxillaris zur Absonderung anregen.\n1\tCl. Bernard, Le\u00e7ons sur la physiologie et la pathologie du syst\u00e8me nerveux II. p. 147. 1858.\n2\tSchiff, Arch. f. physiol. Heilk. 1851. S. 581.\n3\tCl. Bernard, Gaz. m\u00e9d. d. Paris 31. Oct. 1857. p. 696.\n4\tEckhard, Beitr. z. Anat. u. Physiol. II. S. 214. 1860.\n5\tCarl, Arch. f. Ohrenheilk. 1875. S. 27.\n3 *","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. x'Vbschn. Speicheldr\u00fcsen.\n2. Die Nerven der Parotis.\nDie cerebralen Absonderungsfasern stammen aus dem Nv. glosso-pharyngeus, treten mit dem als Nv. Jacobsonii bezeichneten Paukenh\u00f6hlenzweige desselben in das Cavum tympani, um durch die Decke der H\u00f6hle den Ny. petrosus superficialis minor zu erreichen und aut seiner Bahn zum Ganglion oticum zu ziehen, you wo aus dieselben durch einen feinen Zweig des Ny. auriculo-temporalis zur Ohrspeicheldr\u00fcse gelangen.\nAuch vom Halssympathieus erh\u00e4lt die Parotis Fasern, welche zu ihrer Absonderung in zum Theil verwickelten Beziehungen stehen.\na.\tPr\u00e4paration des Ramus auriculo-temporalis Qninth Man verf\u00e4hrt bei Hunden und Katzen nach Nawrocki1 2 in folgender Weise : Durchschneidung des M. digastricus nahe dem Unterkieferwinkel zwischen zwei Ligaturen, Vordringen durch das Bindegewebe bis zum Gelenkkopfe des Unterkiefers, schichtweise Trennung des M. pterygoideus internus unter Schliessung aller blutenden Gef\u00e4sse, bis man den Ramus lingualis V erreicht. Man findet den Auriculo-temporalis fast rechtwinklig zu jenem verlaufend, in der Regel von einer kleinen Vene bedeckt. \u2014 Beim Kaninchen ist wegen der versteckten Lage des Nerven die Trennung des Unterkiefers in der Mittellinie und eine leichte Luxation desselben nicht zu umgehen. Ob auch bei diesem Thiere die Parotidenfasern aus dem Glossopharyngeus oder nach C. Rahn 2 aus den Wurzeln des Facialis und Trigeminus stammen, ist durch neue Untersuchungen festzustellen.\nb.\tPr\u00e4paration des N v. Jacob so ni i. Die Er\u00f6ffnung der Paukenh\u00f6hle ist beim Hunde ohne Schwierigkeit ausf\u00fchrbar, wenn man nach Trennung der Haut an der Innenseite des hintern Endes des Muse, biventer, aussen vom Zungenbeine, in die Tiefe geht. Man kann an dieser Stelle ohne Weiteres, mit dem Finger die Weichtheile eindr\u00fcckend, die Bulla ossea der Pauke heraustasten. Man trennt das zwischen dem Biventer und seinen innern Nachbarn liegende Bindegewebe, l\u00e4sst mittelst zweier starker und breiter Haken jenen nach Aussen, diese nach Innen auseinander ziehn und gelangt so, langsam mittelst zweier Pincetten das Bindegewebe auseinander reissend, ohne einen Blutstropfen zur Bulla. Nach Entfernung des Periostes wird die nach vorne und aussen sehende breite Fl\u00e4che derselben mittelst eines kleinen Trepans angebohrt und die Oeffnung mit der Knochenzange erweitert, bis man das Promontorium und den locker demselben auf liegenden Nerven zu Gesicht bekommt. Behufs Reizung desselben setze ich die abgerundeten und einander nahe stehenden Endkn\u00f6pfchen zweier in Hartgummi eingelassener steifer Elec-trodendr\u00e4the neben den Nerven auf den Knochen und fixire sie mittelst eines Halters; der Nerv wird auf diese Weise nur von Stromschleifen getroffen. F\u00fcllt man die Paukenh\u00f6hle mit einer indifferenten Fl\u00fcssigkeit, z. B. Blut an, so gelingt es leicht, den Electroden eine Stellung zu geben,\n1\tNawrocki, Studien des physiol. Instituts zu Breslau IV. S. 135. 1868.\n2\tC. Rahn. Ztschr. f. rat. Med. N. F. I. S. 285. 1851.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Absonderungsnerven. Versuche an der Parotis.\n37\nhei welcher nicht bloss der Jacobson\u2019sclie Nerv, sondern auch die Chorda von Stromschleifen hinreichender Dichte getroffen werden, um alle drei Speicheldr\u00fcsen gleichzeitig in Th\u00e4tigkeit zu versetzen.\nDie Auffindung des Parotiden-Ganges hat weder beim Hunde, noch beim Kaninchen Schwierigkeit, wenn man die Haut vom Jochbogen nach dem Mundwinkel hin trennt, das oberfl\u00e4chliche Bindegewebe entfernt und den Gang mit Secret f\u00fcllt (Bepinselung der Mundschleimhaut mit Essig). Die Wand des Ganges, welcher von den starken zur Lippenmuskulatur ziehenden Facialis-Zweigen bedeckt wird, ist beim Hunde ziemlich dick, beim Kaninchen sehr d\u00fcnn. Die Einf\u00fchrung feiner Glascan\u00fclen hat keine Schwierigkeit, wenn man den Gang ein St\u00fcckchen seiner L\u00e4nge nach aufschlitzt. \u2014 Cl. Bernard1 giebt die Regel, man solle beim Hunde am untern Rande des Jochbogens von seinem hintern nach dem vordem Ende mit dem Finger hingleiten, um eine kleine Vertiefung zu entdecken, welche der Einm\u00fcndungsstelle des Ganges in die Mundh\u00f6hle entspricht. Ein Querschnitt an dieser Stelle f\u00fchre nach der Beseitigung des Nv. facialis und der begleitenden Gef\u00e4sse zu dem Gange.\nHistorisches. Beim Hunde stellte Cl. Bernard 2 fest, dass der extracranielle Theil des Facialis unterhalb des Foramen stylomastoideum und die Chorda tympani ohne Beziehung zur Parotiden-Absonderung seien. Dagegen h\u00f6rte die Absonderung auf, wenn er durch die Innenwand der Paukenh\u00f6hle gewaltsam bis zum Meatus auditorius internus vordrang und innerhalb desselben den Nv. facialis zerst\u00f6rte. Der von Cl. Bernard aus diesen Beobachtungen gezogene Schluss, dass die Wurzeln des Facialis die Absonderungsfasern enthalten m\u00fcssten, ist aber deshalb nicht sicher, weil bei jener rohen Operation alle Nerven des Plexus tympanicus zerst\u00f6rt werden mussten. Da Cl. Bernard weiterhin zwar nicht durch Exstirpation des Ggl. sphenopalatinum, wohl aber durch Ausrottung des Ggl. oticum die Absonderung aufheben konnte, was Schiff best\u00e4tigte3, da letzterer ferner nach Durchschneidung der Nv. petrosi wie des auri-culo-temporalis L\u00e4hmung der Parotis beobachtete, w\u00e4hrend Reizung des letzteren Nerven lebhafte Absonderung hervorrief (Cl. Bernard, Schiff, Nawrocki4), schien der Weg der Absonderungsfasern festgestellt: dritter Quintusast, Ganglion oticum, petrosus superficialis minor, Ggl. geniculi, facialis. Den vom Auriculo-temporalis entspringenden Dr\u00fcsenzweig beschreibt Cl. Bernard in seinem oben citirten Opus posthumum als ein sehr d\u00fcnnes St\u00e4mmchen, welches eine Strecke weit genau dem Laufe der Art. maxillaris interna in einer dem Blutstrome entgegengesetzten Richtung folgt. \u2014 Allein in der obigen Verfolgung der Absonderungsfasern blieb eine L\u00fccke; ihr Weg war auf sichere Weise nur bis in den Petrosus superficialis minor controlirt; dass sie von hier aus in den Facialis \u00fcbergingen, blieb Vermuthung, welche Eckhard und Loeb nicht best\u00e4tigt fanden. 5\nL Cl. Bernard, Le\u00e7ons de physiologie op\u00e9ratoire p. 507. Paris 1879.\n2\tDerselbe, Gaz. m\u00e9d. d. Paris 31. Oct. 1857. p. 696; Le\u00e7ons sur la physiologie et la pathologie du syst\u00e8me nerveux II. p. 153 ff. Paris 1858; Le\u00e7ons de phvsiologie op\u00e9ratoire p. 517 fl. Paris 1879.\n3\tSchiff, Lehrbuch der Muskel- und Nervenphysiologie. Lahr 1858\u20141859.\n4\tNawrocki, Studien des physiol. Instituts zu Breslau IV. S. 125. 1868.\n5\tEckhard\u2019s Beitr. z. Anat. u. Physiol. III. S. 49. 1863, V. S. 1. 1869.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"3\tS Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nSie trennten den Facialis vor seinem Eintritte in den Meatus auditorius internus, ohne dass die Absonderung der Parotis aufgehoben wurde. Nach intracranieller Durchschneidung des Glossopharyngeus oder Trennung seines Paukenh\u00f6hlenzweiges dagegen war die Absondeiung ei loschen, Beobachtungen, welche ich best\u00e4tigen und dahin erweitern konnte, dass electrische oder chemische (Glycerin-) Reizung des Nv. Jacobsonii lebhafte Absonderung erzeugt,1 2 3 4 5\nf\u00fcr das Kaninchen ist die Frage nach dem AA urzeluispi unge dei Parotidenfasern mit R\u00fccksicht auf die neueren Erfahrungen am Hunde zu revidiren. C. Rahn 2 erhielt Absonderung bei Reizung des Trigeminus an seiner Durchtrittsstelle durch das Tentorium und bei (electrischer wie chemischer) Reizung des intracraniellen Facialis-Theiles, Czermak 3 bei Reizung des Facialis im Meatus auditorius internus am abgeschnittenen Kaninchenkopfe.\n3. Ne?t de?' Orbitaldr\u00fcse.\nDa diese zuerst von Kehrer 4 bez\u00fcglich ihrer Absonderung untersuchte Schleimdr\u00fcse Gegenstand umfangreicherer Beobachtungen von Lav-dovsky 5 geworden ist, sei die Pr\u00e4paration ihres aus dem Nv. buccinato-rius hervorgehenden Nerven kurz erw\u00e4hnt. Ein 3\u20144 Cm. langer Hautschnitt am vorderen Rande des Masseter legt nach Abl\u00f6sung der Fascie einen Ast der Facialvene bloss, welcher doppelt unterbunden und durchschnitten wird. Nachdem das Bindegewebe in der Furche zwischen Masseter und Buccinator zerrissen ist, trifft man auf den Nv. buccinatorius. Behufs dessen centraler Verfolgung wird der Masseter zwischen zwei Ligaturen durchschnitten, das Maul des Thieres durch ein zwischen die Zahnreihen gestecktes Holzst\u00fcck m\u00f6glichst weit aufgesperrt und der dadurch zug\u00e4nglich gemachte Proc. coronoideus mittelst der Knochenzange abgebrochen. Auf diese AVeise gelingt es, den Nv. buccinatorius bis \u00fcber den Ursprung seiner nach vorne zur Orbitaldr\u00fcse ziehenden Zweige bloss zu legen, centralw\u00e4rts vom Urspr\u00fcnge derselben anzuschlingen und zu durchschneiden. -- Die M\u00fcndung des Dr\u00fcsenganges befindet sich in der Backenschleimhaut gegen\u00fcber dem dritten obern Backzahne.\n4. Einige Bemerkungen zur Teclmik der Speichelversuche.\nKommt es darauf an, die Absonderung einer Dr\u00fcse m\u00f6glichst lange zu unterhalten, so darf man den betreffenden Nerven nicht continuirlich tetanisiren, weil dann verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig schnelle Ersch\u00f6pfung eintritt. Rhythmisches Tetanisiren, behufs dessen in den prim\u00e4ren Kreis des Mag-netelectromotors ein M\u00c4LZEL\u2019sches Metronom eingeschaltet wird, kann viele Stunden hindurch mit ununterbrochenem Secretions - Erfolge angewandt\n1\tR. Heidenhain. Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 15. 1878.\n2\tC. Rahn, Ztschr. f. rat. Med. N. F. I. S. 286. 1851.\n3\tJ. Czermak. Sitzungsber. d. Wiener Acad. XXXIX. S. 526. I860.\n4\tKehrer, Ztschr. f. rat. Med. (3) 1867. S. 88.\n5\tLavdovsky, Arch. f. microscop. Anat. XIII. S. 281. 1876.","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Absonderiings\u00fcerven. Allgemeine Erscheinungen der Absonderung.\n39\nwerden, wenn man mit den schw\u00e4chsten wirksamen Str\u00f6men beginnt und nur sehr allm\u00e4lige Steigerung derselben eintreten l\u00e4sst.\nVon mehreren Seiten ist die Anwendung der Morphium- oder Curare-Narcose bei Speichelversuchen verworfen worden, namentlich dann, wenn es auf die Untersuchung der morphologischen Aenderungen der Dr\u00fcsen bei der Absonderung ankommt, weil jene Gifte schon an sich die Dr\u00fcsen-structur \u00e4ndern sollen. Diesen Einwendungen liegt ein Missverst\u00e4ndnis zu Grunde. Selbstverst\u00e4ndlich wirken jene Substanzen auf die Dr\u00fcsen-structur, wenn sie Absonderung herbeif\u00fchren, was nur bei bestimmten Dosen der Fall ist. Es ist mir niemals eingefallen, was manche meiner Kritiker ohne allen Anlass zu vermuthen scheinen, eine absondernde Dr\u00fcse als ruhende anzusehen. Die unth\u00e4tige Dr\u00fcse des narcotisirten Thieres hat aber genau dieselbe Beschaffenheit, wie die unth\u00e4tige Dr\u00fcse des un-vergifteten. Will man den Einfluss der Nervenreizung auf eine bestimmte Dr\u00fcse untersuchen und die andersseitige als Vergleichsdr\u00fcse benutzen, so versteht es sich ganz von selbst, dass diese nicht secerniren darf, was sie nach Durchschneidung ihrer Nerven nicht timt. Sehr oft habe ich die Vergleichsdr\u00fcse schon vor Beginn des Reizversuches exstirpirt, um sie jeder unerw\u00fcnschten Einwirkung zu entziehen. Ganz un\u00fcberlegt ist die Behauptung *, dass man bei Reizung der Nerven eines curarisirten Thieres nicht wissen k\u00f6nne, was von den Ver\u00e4nderungen der gereizten Dr\u00fcse auf Rechnung des Giftes, was auf Kosten der Reizung zu setzen sei. Denn dem Gifte ist ja die andersseitige Vergleichsdr\u00fcse auch ausgesetzt gewesen; wenn die gereizte sich anders verh\u00e4lt als diese, so kann nat\u00fcrlich nicht das Gift, welches auf beide Dr\u00fcsen gewirkt hat, sondern nur die Nervenreizung Ursache der Ver\u00e4nderung sein.\nII. Allgemeine Erscheinungen der Absonderung.\nNach Durchschneidung der Speicheldr\u00fcsennerven ist die Absonderung zun\u00e4chst vollst\u00e4ndig aufgehoben. Jeder Zweifel an der absoluten Ruhe der Dr\u00fcse wird beseitigt, wenn man die im Ausf\u00fchrungsgange befindliche Can\u00fcle mit einer graduirten und mit Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllten R\u00f6hre in Verbindung setzt; der Stand der Fl\u00fcssigkeitss\u00e4ule bleibt stundenlang unverr\u00fcckt. f\nWird nun das peripherische Ende der cerebralen Dr\u00fcsennerven gereizt, so beginnt fast augenblicklich schnelle (nur bei der Gld. sublingualis langsame) Absonderung, welche bei zweckm\u00e4ssiger Leitung der Reizung stundenlang anh\u00e4lt.\nAnders bei Reizung des Sympathicus: Das Secret tritt langsam zu Tage, nach Entleerung eines oder einiger Tropfen scheint fernere Reizung den Dienst zu versagen. Wenn man sich aber bei intermittiren-der Reizung durch die anf\u00e4ngliche Secretionspause nicht st\u00f6ren l\u00e4sst,\n\\ J. Bermans, Ueber die Zusammensetzung der Gld. submaxillaris u. s. f. W\u00fcrzburg 1S7S.","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nkann man die Absonderung wieder beginnen und in langsamem Tempo einige Stunden dauern sehen.1\nDie durch die Heizung des cerebralen und des sympathischen Nerven gebildeten Absonderungsproducte unterscheiden sich aber nicht bloss bez\u00fcglich der Geschwindigkeit ihres Entstehens und ihrer Ergiebigkeit, sondern auch bez\u00fcglich ihrer chemischen Zusammensetzung, am auff\u00e4lligsten, so lange die Dr\u00fcsen noch unerm\u00fcdet sind.\nSchon dem blossen Auge sichtbar sind solche Unterschiede an dem Submaxillarspeichel des Hundes. Der cerebrale Speichel ist eine fadenziehende Fl\u00fcssigkeit von \u2014 mit Ausnahme der ersten entleerten Tropfen, die immer leicht getr\u00fcbt sind \u2014 wasserhellem Aussehn. Der Sympathicusspeichel stellt eine viel z\u00e4here, klumpige, weissliche Masse dar. Jener zeigt in der Regel beim Beginne der Absonderung keine besonderen mikroskopischen Elemente; nur in den ersten nach einer l\u00e4ngeren Pause entleerten Tropfen finden sich unmessbar feine K\u00f6rnchen, welche zum gr\u00f6ssten Theile nachweislich aus kohlensaurem Kalke bestehen. Der Sympathicusspeichel dagegen zeigt stets blasse gallertige Ballen von verschiedener Form und Gr\u00f6sse, oft von hellen Blasen durchsetzt, welche Ballen ich f\u00fcr schleimig metamorphosirte und bis zur Unkenntlichkeit gequollene Acinuszellen halte; ferner vereinzelte, in ihrer Form besser erhaltene derartige Zellen, vereinzelte Speichelk\u00f6rperchen, endlich Niederschl\u00e4ge von kohlensaurem Kalk, theils amorph, theils unter der Form rechteckiger Platten, die, auf der Fl\u00e4che liegend hellen B\u00e4ndern, auf der Kante stehend dunklen St\u00e4bchen gleichen.\nDem verschiedenen Aussehn und der verschiedenen Consistenz entspricht ein verschiedener Gehalt beider Speichelarten an festen Bestandtheilen. Der cerebrale Speichel, durch schwache Reizung einer noch unerm\u00fcdeten Dr\u00fcse gewonnen, enth\u00e4lt 1\u20142 %, der Sympathicusspeichel bis zu 6 0 o Trockensubstanz.\nDer cerebrale und der sympathische Parotidenspeichel (des Kaninchens) zeigt f\u00fcr das blosse Auge keine erkennbaren Unterschiede. Beide Fl\u00fcssigkeiten sind w\u00e4ssrig, leicht tropfend, nicht fadenziehend. Der erstere aber gerinnt im Wasserbade nur unter Flockenbildung, der letztere gesteht zu einer compacten festen Masse. Ersterer enth\u00e4lt 1\u20142 \u00b0/\u00f6 trockenen R\u00fcckstand, letzterer 3,7\u20148,3 ko. Dieser Mehrgehalt beruht nur auf einem Ueberschusse an Albuminaten; der Salzgehalt ist sogar geringer als im cerebralen Speichel.\nI Die Parotis des Hundes secernirt unter dem Einfl\u00fcsse des Sympathicus nicht. Dass derselbe auf die Dr\u00fcse dennoch einen m\u00e4chtigen Einfluss aus\u00fcbt, wird weiter unten besprochen werden.","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Allg. Erscheinungen der Absonderung. Cerebraler und sympathischer Speichel. 41\nEckhard 1 geb\u00fchrt das Verdienst, die Unterschiede des cerebralen und des sympathischen Speichels f\u00fcr die Submaxillardr\u00fcse des Hundes zuerst nachgewiesen zu haben. Derselbe Forscher- bemerkte auch Unterschiede des Aussehens des cerebralen und sympathischen Parotiden-secretes beim Pferde, welche aber von Schiff 3 bestritten wurden. Die im Texte ber\u00fchrten chemischen Unterschiede des Parotidenspeichels sind von mir aufgefunden.1 2 3 4 Die Ivenntniss der enormen Differenz beider Speichelarten ist schon ausreichend, um eine neuerdings aufgetauchte Annahme 5 6 7 8 9 zu widerlegen, nach welcher der Sympathicus nicht in unmittelbarer, sondern nur in mittelbarer Beziehung zur Parotidenabsonderung stehe: er bewirke durch seine vasomotorischen Fasern An\u00e4mie im Bereiche der centralen Urspr\u00fcnge des cerebralen Absonderungsnerven und dadurch Reizung desselben. Der sympathische Parotidenspeichel w\u00fcrde also nur auf Umwegen erschlichener cerebraler Speichel sein. Die Verschiedenheit der chemischen Zusammensetzung beider Fl\u00fcssigkeiten thut das Unhaltbare dieser Annahme dar. Um auch einen directen Gegenbeweis zu liefern, habe ich das verl\u00e4ngerte Mark bei mehreren Kaninchen vollst\u00e4ndig zermalmt, zur Vermeidung zu grosser Blutverluste die Sch\u00e4del-hohle mit Schw\u00e4mmen tamponirt und dann den Sympathicus gereizt. Fs liess sich zwei Stunden hindurch Secret erhalten.\nAn der Submaxillaris der Katze gestalten sich nach Langley 6 die Innervationsverh\u00e4ltnisse insofern verschieden, als hier der Chorda-Speichel der concentrirtere ist.\nDie Gld. sublingualis habe ich bei Sympathicus-Reizung nur in einem einzigen Falle absondern sehn.\nDie Parotis des Schaafes secernirt nach Eckhard 7 auch nach Trennung ihrer s\u00e4mmtlichen Nerven. Der Zweifel dieses Forschers, ob die Absonderung unter dem Einfl\u00fcsse des Sympathicus sich beschleunige, ist durch Wittich s beseitigt worden.\nIII. Circiilations\u00e4iideriiiigen in der Dr\u00fcse w\u00e4hrend der Reizung der Ahsonderungsnerven.\nDem erfindungsreichen Scharfblicke Cl. Bernard\u2019s 9 war es Vorbehalten, an den Speicheldr\u00fcsen w\u00e4hrend ihrer durch die Nerven-reizung angeregten Th\u00e4tigkeit Ver\u00e4nderungen des Blutstromes wahrzunehmen, die damals in ihrem wesentlichen Theile ausser Analogie\n1\tEckhard, Beitr. z. Anat. u. Physiol. II. S. 81 u. 207. 1860.\n2\tDerselbe, Ztschr. f. rat. Med. (3) XXVIII. S. 120. 1866.\n3\tSchiff, Le\u00e7ons sur la physiologie de la digestion I. p. 293. 1867.\n4\tR. Heidenhain, Arch. f. cl. ges. Physiol. XVII. S. 37. 1878.\n5\tAdolph J\u00e4nicke, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII S. 183. 1878.\n6\tLangley, Unters, a. d. physiol. Institut zu Heidelberg I. S. 476. 1878.\n7\tEckhard, Ztschr. t. rat. Med. (3) XXIX. S. 74. 1867.\n8\tv. AVittich, Arch. f. pathol. Anat. XXXIX. S. 184. 1S67.\n9\tCl. Bernard, Compt.rend. 28. Jan. 1858.p. 159; Gaz. m\u00e9d. d.Paris 3. Juli 1858. p. 428 ; Compt. rend. 9. Aug. 1858, 6. Septbr. 1858 : Le\u00e7ons sur les propri\u00e9t\u00e9s physiologiques et les alt\u00e9rations pathologiques des liquides de l\u2019organisme II. Appendice 1859.","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Absclin. Speicheldi\u00fcsen.\nmit allen bis dahin bekannten localen Kreislaufs\u00e4ndei ungen standen. Seine Beobachtungen bezogen sich zun\u00e4chst auf die Unterkieferdr\u00fcse des Hundes; \u00e4hnliche Erscheinungen kehren an der Ohrspeicheldr\u00fcse wieder.\nIm Ruhezust\u00e4nde der Dr\u00fcse iiiesst das Blut aus ihrer er\u00f6ffneten Vene in langsamem Strome und mit gew\u00f6hnlicher dunkler Farbe. Bei Reizung des cerebralen Absonderungsnerven erweitern sich die Verzweigungen der Dr\u00fcsenarterien hochgradig, der gesammte Strom-\no o\t#\nwiderstand in dem Organe sinkt in solchem Maasse, dass die Aus-flussgeschwindigkeit aus der Vene um ein Vielfaches steigt und das Blut meist mit arteriellem Pulse und arterieller Farbe in hohem Strahle der Vene entstr\u00f6mt.\nBei Reizung des Sympathies dagegen tritt Verengerung der zuf\u00fchrenden Arterien, ja vollst\u00e4ndiger Verschluss derselben ein: das Venenblut sickert in einzelnen Tropfen aus dem Gef\u00e4sse oder versiegt auch wohl ganz.\nDen enormen Wechsel der Blutf\u00fclle des Organs bei Reizung der beiderlei Nerven kann man unmittelbar an der blossgelegten Sub-maxillaris des Kaninchens wahrnehmen. Bei Reizung des Sympathicus wird sie wachsbleich, bei Erregung des cerebralen Absonderungsnerven flammend roth.\nHand in Hand mit den Farbenver\u00e4nderungen des Venenblutes gehen entsprechende Aenderungen seines Sauerstoffgehalts (Bernard).\nDie Venen der Submaxillaris des Hundes, an welchen jene interessanten Erscheinungen sich am Besten eonstatiren lassen, zeigen grosse Verschiedenheiten ihres Verlaufes; allgemeine Regeln der Pr\u00e4paration lassen sich deshalb nicht geben, doch werden folgende Winke n\u00fctzlich sein. Die frei gelegte Dr\u00fcse wird an ihrem \u00e4ussern und innern Rande von zwei grossem Venen eingefasst, welche nahe dem hintern Ende der Dr\u00fcse sich zu gemeinschaftlichem Stamme vereinigen. Man spalte die derbe Dr\u00fcsenkapsel mitten auf der Dr\u00fcse ihrer L\u00e4nge nach durch einen Schnitt, welcher nach dem Vereinigungswinkel jener Venen hinzieht. Im gl\u00fccklichen, aber nicht h\u00e4ufigen Falle l\u00e4uft die Hauptvene der Dr\u00fcse von dem hintern Ende derselben grade zu jenem Vereinigungswinkel. Sucht man hier vergeblich, so pr\u00e4parire man mit \u00e4usserster Vorsicht die Aussenh\u00e4lfte der Kapsel ab, denn oft tritt eine gr\u00f6ssere Vene an dem Aussenrande des Organes aus diesem zu Tage und m\u00fcndet in die Aussen-vene. Ist eine solche auch in dieser Gegend nicht aufzutreiben, so schreite man zur Abl\u00f6sung der Innenh\u00e4lfte der Kapsel, denn mitunter geht eine st\u00e4rkere Vene von der Innenseite der Dr\u00fcse zu einem Zweige der begleitenden Innenvene. Mir sind aber auch F\u00e4lle vorgekommen, wo fast die ganze Dr\u00fcse aus ihrer Kapsel gesch\u00e4lt werden musste, bevor eine gr\u00f6ssere Vene entdeckt werden konnte. Ist nun eine solche gefunden, so wird sie nicht selbst angeschnitten, sondern der gr\u00f6ssere Zweig, in","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Circulation und Secretion.\n43\nwelchen sie sich ergiesst, ober- und unterhalb der Einm\u00fcndungsstelle unterbunden und zwischen den Ligaturen so er\u00f6ffnet, dass die M\u00fcndung klaffend frei liegt. \u2014 Bez\u00fcglich der Dr\u00fcsenarterien sei bemerkt, dass eine derselben in den Hilus des Organes, mindestens noch eine zweite in die obere Fl\u00e4che oder den \u00e4ussern Rand eindringt.\nDie Theorie der Gef\u00e4sserweiterungsnerven muss in den Abschnitt \u00fcber Gef\u00e4ssinnervation verwiesen werden.\nIV. Verli\u00e4ltniss der Cireulations\u00e4iiderimgen zu den Absonderuiigsersclieinuiigen.\nBei genauerer Ueberlegung der bisher mitgetheilten Thatsacken scheint es zun\u00e4chst in hohem Maasse einladend, zwischen den gleichzeitig neben einander in der Dr\u00fcse bestehenden Erscheinungen des Blutstromes und der Absonderung einen causalen Zusammenhang anzunehmen. Denn es f\u00e4llt zeitlich zusammen:\nBei Reizung des cerebralen Absonderungsnerven Beschleunigung des Blutstromes und Steigerung des Capillardruckes mit grosser Absonderungsgeschwindigkeit und geringem Gehalte des Secretes an festen Bestandteilen ;\nbei Reizung des Sympathicus Verlangsamung des Blutstromes und Sinken des Capillardruckes mit geringer Absonderungsgeschwindigkeit und hohem Procentgehalte des Secretes.\nEingehendere Er\u00f6rterung f\u00fchrt zu folgenden Ergebnissen:\n1. Reizung der cerebralen Absonderungsnerven. \u2022\nWenn bei Reizung der cerebralen Absonderungsnerven gleichzeitig mit der erheblichen Drucksteigerung in den Capillaren der Dr\u00fcse reichliche Absonderung beginnt, so dr\u00e4ngt sich der Gedanke auf, in der letzteren Nichts als den Ausdruck mechanischer Fl\u00fcssig-keitstiltration in Folge der Drucksteigerung zu sehen. Der Zur\u00fcckf\u00fchrung des Absonderungsvorganges auf so einfache Verh\u00e4ltnisse stehen aber Thatsacken entgegen, welche dazu zwingen, jene Vorstellung fallen zu lassen.\n1. Der Druck, welchen der Speichel bei Reizung der Chorda tympani in der Submaxillardr\u00fcse erreicht, ist h\u00f6her als der gleichzeitige Blutdruck in der A. carotis.1 Der Unterschied kann 100 Mm. Quecksilber und mehr betragen.\nWenn man in den Ductus Whartonianus ein enges Quecksilbermanometer einsetzt, steigt bei Reizung der Chorda tympani das Quecksilber\n1 C. Ludwig. Ztsckr. f. rat. Med. N. F. I. S. 271. 1851.","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nanfangs schnell, sp\u00e4ter langsamer bis zu einem maximalen Drucke von 200 Mm. und mehr, um dann bei Fortdauer der Reizung langsam, bei Unterbrechung derselben schneller wieder abzusinken. W\u00e4hrend des Versuches tritt in der Dr\u00fcse ein mehr oder weniger ausgepr\u00e4gtes Oedem ein, indem die interlobul\u00e4ren und interacin\u00f6sen Lymphspalten sich mit Fl\u00fcssigkeit f\u00fcllen. Theils hieraus, tlieils aus dem langsameren oder schnelleren Absinken des Druckes w\u00e4hrend resp. nach der Reizung folgt, dass aus den Dr\u00fcsenr\u00e4umen Fl\u00fcssigkeit nach aussen filtriren muss. So lange der Druck im Manometer steigt, \u00fcberwiegt die abgesonderte Fl\u00fcssigkeitsmenge die nach Aussen filtrirende, w\u00e4hrend des Sinkens des Manometers wird die Filtration \u00fcber die Absonderung \u00fcberwiegend. Der maximale Gleich-gewichtsstand des Manometers bezeichnet denjenigen Druckwerth, bei welchem Absonderung und Filtration einander compensiren. Jener Druck giebt also keineswegs ein Maass f\u00fcr die bei der Absonderung wirksamen Triebkr\u00e4fte, sondern nur eine untere Grenze f\u00fcr dieselben, die vielleicht in Wirklichkeit weit \u00fcberschritten wird. Der Ort der Absonderung und der Ort der Filtration sind nicht die gleichen. Jene findet in den Acinis, diese in den ableitenden G\u00e4ngen statt. \u2014 Wenn im Verfolg dieser Abhandlung bei sp\u00e4ter zu behandelnden Dr\u00fcsen von dem Secretionsdrucke die Rede ist, so wird darunter nie ein die wirklichen Secretionskr\u00e4fte messender Druck, sondern lediglich jener Gleichgewichtsdruck verstanden.\nIn der Parotis betr\u00e4gt der Gleichgewichtsdruck 106\u20141 18 Mm. Quecksilber. Dass er niedriger als in der Submaxillaris ausf\u00e4llt, ist theils in der geringeren Ergiebigkeit der Absonderung, theils in der leichteren Filtrationsf\u00e4higkeit des d\u00fcnnfl\u00fcssigen Secretes begr\u00fcndet.\nAus dem Ueberwiegen des Speicheldruckes \u00fcber den Blutdruck w\u00fcrde sich schon mit Sicherheit die Folgerung ergeben, dass die Triebkr\u00e4fte f\u00fcr den Fl\u00fcssigkeitsstrom in der Dr\u00fcse eine andere Quelle als den Blutdruck haben m\u00fcssen, wenn nicht folgender Einwand zu widerlegen w\u00e4re. Man k\u00f6nnte sich der Annahme zuneigen, dass der Blutdruck in den Dr\u00fcsencapillaren durch irgend welche accessori-schen Kr\u00e4fte, z. B. durch rhythmische Zusammenziehungen der kleinsten Dr\u00fcsenarterien einen Zuwachs der Art erhielte, dass er weit \u00fcber den Carotiden-, wie \u00fcber den Speicheldruck hinausgehe.\n2.\tDiese Rettung des Blutdruckes als Kraftquelle der Absonderung wird unm\u00f6glich gegen\u00fcber der Thatsache, dass nach Erfahrungen von Bidder j der Druck in den Speichelvenen bei Reizung der Chorda h\u00f6chstens auf 37 Mm. Quecksilber steigt, also nur einen geringen Bruchtheil des Speicheldruckes erreicht.\n3.\tEine weitere Widerlegung liegt in der M\u00f6glichkeit, Speichelabsonderung durch Reizung der cerebralen Dr\u00fcsennerven noch nach dem Erl\u00f6schen der Circulation zu erhalten (Ludwig, Czermak).\nSehr gut l\u00e4sst sich die Absonderung bei verschwindend geringem Blutdrucke an curarisirten Kaninchen demonstriren, deren s\u00e4mmtliche\n1 Bidder, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1866. S. 339.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Circulation unci Secretion.\n45\nKopfschlagadern geschlossen sind. Unmittelbar nach Schliessung der letzten Arterie l\u00e4sst sich noch eine Zeit lang Absonderung der Parotis durch Reizung des verl\u00e4ngerten Markes erzielen. Allm\u00e4lig erstickt die Dr\u00fcse ; vor\u00fcbergehende Zuleitung arteriellen Blutes macht sie wieder se-cretionsf\u00e4hig.\n4.\tDass die Blutdrucksteigerung bei Reizung der Chorda nicht die ausreichende Ursache der Absonderung sei, folgt ferner aus Beobachtungen an atropinisirten Thieren. Nachdem Keuchel 1 gefunden, dass durch jenes Alcaloid die seeretorische Einwirkung der\n- Chorda auf die Gland, submaxillaris aufgehoben werde, ergab sich bei Verfolgung des Gegenstandes die interessante Thatsache, dass trotz des v\u00f6lligen Stockens der Absonderung im Gefolge der Chordareizung gleiche Strombeschleunigung des Blutes und Capillardruck-steigerung in die Dr\u00fcse eintritt, wie beim unvergifteten Thiere.2 Daraus folgt in b\u00fcndigster Weise, dass die durch die Chorda herbeigef\u00fchrte Circulations\u00e4nderung zur Herstellung der Absonderung nicht ausreicht.\n5.\tZu demselben Schl\u00fcsse f\u00fchrt folgender Versuch: Zu 10 Ccm. Chordaspeichel setzte ich 2 Ccm. einer ges\u00e4ttigten L\u00f6sung von salzsaurem Chinin, verd\u00fcnnte die Mischung auf 20 Ccm. und spritzte von dieser neutral reagirenden L\u00f6sung einige Ccm. in den Ausf\u00fchrungsgang der Submaxillaris bei einem sehr grossen Hunde. Es trat eine derartige f\u00fcnf Minuten andauernde Beschleunigung des Blutstromes ein, dass das Blut bei jedem Herzpulse in hohem Strahle aufspritzte, aber keine Spur von Absonderung, welche sich durch Reizung der Chorda in lebhaftester Weise erzielen liess. Diese Beobachtung unterscheidet sich von dem Atropinversuche dadurch, dass die Absonderungsfasern vollkommen erregbar blieben und trotzdem bei Beschleunigung des Blutstromes die Absonderung fehlte. \u2014 Wenn nach dem A oraufgehenden 1) der maximale Speicheldruck den Caro-tidendruck bei weitem \u00fcbertrifft; 2) Speichelabsonderung noch bei verschwindend geringem Blutdrucke m\u00f6glich ist; 3) Drucksteigerung in den Capillaren im normalen Umfange stattfinden kann, ohne dass Absonderung eintritt, so ist \u00fcber allen Zweifel sicher gestellt, dass die bei Reizung des cerebralen Nerven stattfindende Circulations\u00e4nderung nicht die Ursache der gleichzeitigen Absonderung ist.\n2. Reizung des Sy mp at hi eus.\nBei Reizung des Sympathicus wird der Blutdruck in den Driisen-capillaren auf ein Minimum herabgesetzt und gleichzeitig Speichel\n1\tKeuchel, Das Atropin und die Hemmungsnerven S. 32. Dorpat 1S6S.\n2\tR. Heidenhain. Arch. f. d. ges. Physiol. Y. S. 309. 1872.","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46 Heidenhain, Physiologie cler Absonderungsvorg\u00e4nge. I. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nvon hohem Procentgehalte mit verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig \u00e4usserst geringer Geschwindigkeit entleert.\nEs liegt der Gedanke nahe, die Ursache der Verschiedenheit des Sympathicussecretes von dem cerebralen Speichel in der Verschiedenheit der Circulationsbedingungen zu suchen, welche durch die Reizung der beiderlei Nerven hergestellt werden. W\u00e4re diese Ver-muthung richtig, so m\u00fcsste bei Reizung des cerebralen Absonderungsnerven, wenn man gleichzeitig auf mechanischem Wege den Blutstrom in der Dr\u00fcse verlangsamt, die Absonderung Erscheinungen zeigen wie sie unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden bei Reizung des Sym-pathicus eintreten, d. h. ihre Geschwindigkeit m\u00fcsste erheblich sinken und das Absonderungsprodukt an Wasser verarmen, an festen Be-standtheilen reicher werden. Die Ausf\u00fchrung dieses Versuches er-giebt, dass man bei erheblicher Verengerung oder Verschliessung der die Dr\u00fcse speisenden arteriellen Bahnen allerdings die Absonderungsgeschwindigkeit des cerebralen Speichels erheblich herabsetzen kann1, dass aber die chemische Zusammensetzung des Secretes dadurch nicht ver\u00e4ndert wird.2 3\nDie Ursache der Verlangsamung der Absonderung bei hochgradiger Gefassverengerung oder Gef\u00e4ssverschluss liegt nicht in dem Sinken des Capillardruckes, sondern in der mit der k\u00fcnstlichen An\u00e4mie der Dr\u00fcse verbundenen Verlangsamung des Blutstromes, bei welcher sich das Secretionsmaterial und namentlich der Sauerstoff f\u00fcr die Dr\u00fcsenzellen allm\u00e4lig ersch\u00f6pft, so dass der secretorische Apparat erstickt. Ist bei einer w\u00e4hrend des Gef\u00e4ssverschlusses erfolgten Reizung des cerebralen Absonderungsnerven die Absonderung auf Null gesunken, was nach nicht langer Zeit geschieht, so stellt sie sich bei Wiederer\u00f6ffnung der Blutbahnen keineswegs sofort, sondern erst langsam nach einiger Zeit wieder her, obschon der capil-lare Druck nat\u00fcrlich unmittelbar zur gewohnten H\u00f6he wieder ansteigt. Die Z\u00f6gerung beruht darauf, dass die im secernirenden Parenchym verbrauchten Materialien, namentlich der Sauerstoff, erst mit der Zeit aus dem Blutstrome wieder ersetzt werden.\nAuf diesem Einfl\u00fcsse der Sauerstoffverarmung bei Verschluss der Blutbaimen beruht die zuerst von Czermak beobachtete Thatsache, dass Reizung des Sympathicus, wenn sie die Erregung der Chorda begleitet, die Wirksamkeit der letzteren herabsetzt. Czermak glaubte deshalb in dem Sympathicus einen Hemmungsnerven f\u00fcr die Th\u00e4tigkeit der Chorda\n1\tPi. Heidenhain, Studien des physiol. Instituts zu Breslau IV. S. 88. 1868.\n2\tDerselbe, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 23 u. 42. 1878.\n3\tJ. Czermak. Sitzungsber. d. Wiener Acad., mathem.-naturwiss. Classe XXV. S. 3. 1857.","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Circulation und Secretion. Einfluss der Absonderungsdauer.\n47\nin \u00e4hnlichem Sinne vor sich zu sehen, wie es der Vagus f\u00fcr die Th\u00e4tig-keit der motorischen Herznerven ist. Eckhard1 dagegen suchte die Ursache f\u00fcr die Verlangsamung der cerebralen Absonderung bei Sympathi-cus-Reizung in der Beimengung des z\u00e4hfl\u00fcssigen Sympathicus-Secretes zu dem leichter fliessenden Chorda-Secrete, wodurch die Widerst\u00e4nde f\u00fcr die Fl\u00fcssigkeitsbewegung in den Dr\u00fcseng\u00e4ngen w\u00fcchsen. Allein Angesichts des hohen Werthes f\u00fcr die Triebkr\u00e4fte des Speichels d\u00fcrfte jene Deutung auf Schwierigkeiten stossen. Sie ist \u00fcberdies unn\u00f6thig, weil in der ge-f\u00e4ssverengenden Wirkung des Sympathicus eine viel n\u00e4her liegende und zureichende Erkl\u00e4rung gegeben ist. So erkl\u00e4rt es sich denn auch, dass nach Langley\u2019s2 3 Beobachtung an Katzen die Reizung des Sympathicus nur dann der Chorda - Reizung entgegenwirkt, wenn sie mit erheblichen Stromst\u00e4rken geschieht, w\u00e4hrend minimale Sympathicus-Reizung den Effect minimaler Chorda-Reizung verst\u00e4rkt. In dem letzteren Falle wirken die secretorischen Fasern der beiderlei Absonderungsnerven zusammen, ohne dass die Gef\u00e4ssfasern des Sympathicus durch Beschr\u00e4nkung des Blutstromes hemmend in den Absonderungsvorgang eingreifen.\nDie genauere Er\u00f6rterung der bei Reizung der beiderlei Nerven neben einander bestehenden Erscheinungen der Absonderung und des Dr\u00fcsenblutstromes f\u00fchrt nach den mitgetheilten Thatsachen zu dem Ergebniss, dass weder f\u00fcr den Vorgang der Absonderung im Allgemeinen, noch f\u00fcr die besondere Beschaffenheit der beiderlei Secrete die ihre Bildung begleitenden Circulations\u00e4nderungen in der Dr\u00fcse verantwortlich gemacht werden k\u00f6nnen.\nDRITTES CAPITEL.\nEinfluss yerscliiedner Umst\u00e4nde auf die Beschaffenheit des Secretes.\nI. Einfluss der Absonderungsdauer auf die chemische Zusammensetzung des Secretes.\nUnter \u00fcbrigens gleichen Umst\u00e4nden sinkt mit der Dauer der Absonderung der Gehalt des Secretes an festen, und zwar vorzugsweise an organischen Bestandtheilen.\t*\nDiesen Satz haben zuerst mit Bezug auf den Chorda - Speichel der Unterkieferdr\u00fcse des Hundes Becher und Ludwig 3 ausgesprochen. Das\n1\tEckhard. Beitr. z. Anat. u. Physiol. IL S. 95. i860.\n2\tLangley, Unters, a. d. physiol. Institut zu Heidelberg I. S. 479. 1878.\n3\tBecher und Ludwig, Ztschr. f. rat. Med. N. F. I. S. 278. 1851.","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Absclin. Speicheldr\u00fcsen.\nSinken der organischen Procente ist sehr erheblich. So ergaben jenen Forschern z. B. bei ihrem zweiten Hunde die Procentgehalte der einzelnen aufeinander folgenden Portionen folgende Werthe:\nAr. der Portion.\tSpeichel- menge.\tOrganische Procente.\tAschen- procente.\n1.\t5,188\t1,12\t0,61\n2-\t13,812\t1,07\t0,61\n3.\t11,744\t0,93\t0,67\n4.\t17,812\t0,58\t0,64\nDasselbe gilt, wie ich sp\u00e4ter gezeigt habe, f\u00fcr den Sympathicus-Speichel.1 Bei langer Reizung \u00e4ndert das sympathische Secret sein Aussehen; es verliert die weisslich tr\u00fcbe, gallertige Beschaffenheit, wird hell durchsichtig, weniger fadenziehend und sein Gehalt an festen Bestand-theilen sinkt auf Werthe, welche innerhalb der f\u00fcr den Chorda-Speichel beobachteten Grenzen liegen. So enthielt z. B. bei einer von 10h 55 bis 4h 33 w\u00e4hrenden Sympathicus - Reizung die erste Portion 3,734 \u00b0/o, die letzte l,4S8\u00b0o an R\u00fcckstand. Werthe von der letzteren 4Iohe kommen beim Chorda-Speichel oft genug vor. Sympathicus- und Chorda-Speichel sind also nicht spec iff isch verschieden; der Unterschied ist ein rein gradueller.\nIch habe ferner gefunden, dass wenn die Dr\u00fcse l\u00e4ngere Zeit unter dem Einfl\u00fcsse des einen Nerven absondert, das durch den andern erzielbare Secret eine \u00e4hnliche Verarmung an festen Theilen zeigt, wie wenn dieser letztere allein anhaltend gereizt worden w\u00e4re. Z. B. :\nI.\t1. Reizung des Sympathicus von 1011 5S' bis 12h55b Procent-\ngehalt 5,92.\n2.\tReizung der Chorda von 12h57' bis 3h 6; 45;b Der Gehalt des Chorda-Speichels sinkt von 2,o2 auf 0,82 \u00b0o.\n3.\tReizung des Sympathicus bis 5h45b Procentgehalt 2,38.\nL\u00e4ngere Chorda-Reizung hat also den Gehalt des sympathischen Secretes von nahezu 6\u00b0 o auf nahezu 21/2 \u00b0/o herabgedr\u00fcckt.\nII.\t1. Reizung der Chorda von 9h IS' bis 20'. Procentgehalt 2,39.\n2.\tReizung des Sympathicus bis 311 28b\n3.\tReizung der Chorda von 3h 30'bis 32b Procentgehalt 1,01.\nReizung des Sympathicus hat also den Procentgehalt auf mehr als\ndie H\u00e4lfte verringert.\nDiese letzteren Beobachtungen sind deshalb von Wichtigkeit, weil sie zeigen, dass der Chorda- und der Sympathicus - Speichel ihre festen Bestandteile, d. h. ihr Mucin, aus denselben Driisen-Elementen beziehen. Denn wirkten beide Nerven auf verschiedne, von einander unabh\u00e4ngige Apparate, so w\u00e4re eine Beeinflussung des einen Secretes durch die Absonderung, welche der andre Nerv hervorruft, nat\u00fcrlich unm\u00f6glich.\n1 R. Heidenhain. Studien des physiol. Instituts zu Breslau IV. S. 65. 186s.","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der St\u00e4rke der Nervenreizung auf die Zusammensetzung des Secretes. 49\nDass auch das Parotidensecret mit der Dauer der Absonderung an organischen Bestandteilen verarmt, habe ich in einer sp\u00e4tem Arbeit nachgewiesen.1 2\nII, Einfluss der St\u00e4rke der Nervenreizung auf die chemische Zusammensetzung' des Secretes.-\n1. Verst\u00e4rkung der Reibung.\nWird der cerebrale Absonderlingsnerv der Unterkiefer- oder der Ohrspeicheldr\u00fcse zuerst mit schw\u00e4cheren, darauf mit st\u00e4rkeren Str\u00f6men gereizt, so steigt, falls die Str\u00f6me nicht so stark genommen werden, dass der Nerv unmittelbar erm\u00fcdet, die Absonderungsgeschwindigkeit des Secretes mehr oder weniger erheblich an.\nMit derselben \u00e4ndert sich die Zusammensetzung des Speichels in \u00fcberraschender Weise.\nW\u00e4hrend bei steigender Reizst\u00e4rke die Secretionsgeschwindigkeit w\u00e4chst, nimmt unter allen Umst\u00e4nden der Salzgehalt der Fl\u00fcssigkeit zu, und zwar bis zu einer maximalen Grenze, welche f\u00fcr die verschieden Speicheldr\u00fcsen nicht ganz gleich ist. Sie liegt f\u00fcr die Submaxillaris des Hundes zwischen 0,5\u20140,6 \u00b0/o, f\u00fcr die Parotis desselben Thieres zwischen 0,4\u20140,5 \u00b0/o. Dieser Gang der Erscheinungen tritt ausnahmslos ein, gleichviel ob die Dr\u00fcse im Beginn ihrer Th\u00e4tig-keit sich befindet oder schon stundenlang abgesondert hat.\nDas Verhalten der organischen Bestandtheile des Secretes ist verwickelter; denn dasselbe \u00e4ndert sich mit dem, wie sp\u00e4ter zu zeigen, histologisch definirbaren Zustande der Dr\u00fcse, welcher w\u00e4hrend der Dauer ihrer Th\u00e4tigkeit merw\u00fcrdigen Wandlungen unterliegt.\nBefindet sich die Dr\u00fcse noch im Beginne der Absonderung, so nimmt bei jeder durch Reizverst\u00e4rkung herbeigef\u00fchrten Secretions-beschleunigung der Gehalt an organischen Substanzen zu. Bei der Unterkieferdr\u00fcse zeigt sich die Bereicherung an Mucin augenf\u00e4llig schon an der grossem Coh\u00e4sion der Fl\u00fcssigkeit; der Parotidenspeichel pflegt sich bei der st\u00e4rkeren Reizung zu tr\u00fcben, w\u00e4hrend er vorher wasserklar aussah. Doch ist letzteres nicht ausnahmslos der Fall. Directe quantitative Bestimmung best\u00e4tigt die durch den blossen Anblick erweckte Vermutkung einer Zunahme der organischen Substanzen (Mucin bei der Submaxillaris, Albuminate bei der Parotis) ohne Ausnahme.\n1\tR. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 23. 1878.\n2\tR. Heidenhain , Studien des physiol. Instituts zu Breslau IV. S. 30. 1868. Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 3 u. 23. 1878.\nHandbuch der Physiologie. Bd. V.\n4","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"50 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nAnders, wenn die Dr\u00fcse bereits l\u00e4ngere Zeit in der Absonderung begriffen gewesen ist. Reiz Verst\u00e4rkung vergr\u00f6ssert jetzt mit der Ab-sonderungsgescbwindigkeit zwar noch ausnahmslos den Salzgehalt, aber nicht mehr den Gehalt an organischen Bestandtheilen, welcher vielmehr sinkt. Nur wenn die Dr\u00fcse noch nicht allzulange th\u00e4tig gewesen, l\u00e4sst sich durch einen sehr erheblichen Sprung in den Reizst\u00e4rken mitunter noch die Summe der organischen Secretbestand-theile in die H\u00f6he treiben; nach zu bedeutender Anstrengung des Organes versagt auch dieses Mittel.\nAus den obigen Thatsachen folgt zun\u00e4chst ohne Zweifel, dass die Absonderung des Wassers und der Salze von andern Bedingungen abh\u00e4ngig ist, als die Absonderung der organischen Bestandtheile. Denn der Salzgehalt steigt, unabh\u00e4ngig von dem Zustande der Dr\u00fcse, stets mit der Absonderungsgeschwindigkeit, das Verhalten der organischen Substanzen \u00e4ndert sich nicht bloss mit der letzteren, sondern auch mit dem Zustande der Dr\u00fcse. So lange \u2014 um die Summe aller durch die Th\u00e4tigkeit hervorgerufenen innern Ver\u00e4nderungen des Organes vorl\u00e4ufig als Erm\u00fcdung zu bezeichnen \u2014 dieses sich noch im unerm\u00fcdeten Zustande befindet, w\u00e4chst mit der Reizverst\u00e4rkung die Absonderungsgeschwindigkeit der organischen Substanzen schneller als die des Wassers: daher die Steigerung des Procentgehaltes. Ist die Dr\u00fcse dagegen bereits in hohem Grade erm\u00fcdet, so nimmt bei Verst\u00e4rkung des Reizes die Absonderungsgeschwindigkeit der organischen Substanzen langsamer, als die des Wassers zu: daher das Sinken des Procentgehaltes.\nAn dieses Verhalten der organischen Bestandtheile kn\u00fcpfen sich einige Erw\u00e4gungen, die schon hier zweckm\u00e4ssig ihren Platz finden.\nNach einer Vorstellung, welche sich lange Zeit stillschweigende Geltung errungen, dachte man sich den Vorgang bei der Bildung der Secrete in der Weise, dass die specifischen Bestandtheile derselben in den Absonderungsorganen fort und fort gebildet und w\u00e4hrend der Periode der Absonderung selbst durch ein pl\u00f6tzlich ergossenes w\u00e4ssriges Blutfiltrat aus den Dr\u00fcsenelementen ausgeschwemmt w\u00fcrden. Die Richtigkeit dieser Vorstellung vorausgesetzt, m\u00fcsste der Gehalt an specifischen Bestandtheilen um so gr\u00f6sser ausfallen, je geringer die Absonderungsgeschwindigkeit. Denn je langsamer die L\u00f6sungsfl\u00fcssigkeit die Dr\u00fcsenelemente durchsetzt, je l\u00e4nger sie auf die in den Zellen vorausgesetzten l\u00f6slichen Bestandtheile einwirkt, desto mehr muss sie sich, so scheint es, mit denselben beladen. Mit einem Worte, langsam secernirter Speichel m\u00fcsste reicher, schnell secernirter \u00e4rmer an den specifischen organischen Bestandtheilen sein.","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der St\u00e4rke der Nervenreizung auf die Zusammensetzung des Secretes. 51\nDie Erfahrung lehrt das Unzutreffende jener einfachen Voraussetzungen; die Vorg\u00e4nge bei der Bildung des Speichels m\u00fcssen weit verwickelter sein.\nEs liegt der Gedanke nahe, dass bei Verst\u00e4rkung der Nerven-reizung die transsudirende Fl\u00fcssigkeit ihre Zusammensetzung in einem f\u00fcr die L\u00f6sung g\u00fcnstigen Sinne \u00e4ndere. Da es sich bei der Unterkieferdr\u00fcse um die L\u00f6sung von Mucin handelt, war zun\u00e4chst der Alcaligehalt der Fl\u00fcssigkeit in Betracht zu ziehen. Allein es ergab sich, dass der Chorda-Speichel bei starker Reizung trotz vermehrten Salzgehaltes nicht alcalireicher ist, als bei schwacher Reizung. Der Salz\u00fcberschuss ist auf Neutralsalze zu beziehen.\nBei eing\u00e4ngigerer Erw\u00e4gung der mitgetheilten Thatsachen scheint die Annahme kaum zu umgehen, dass diejenigen Processe, durch welche die organischen Secretbestandtheile in den Dr\u00fcsenzellen l\u00f6slich gemacht und in das Secret \u00fcbergef\u00fchrt werden, unter directem Einfl\u00fcsse des Nervensystems stehen. Wir h\u00e4tten, die Erweisbarkeit dieser Hypothese vorausgesetzt, in der Dr\u00fcse, abgesehn von den die Th\u00e4tigkeit begleitenden Circulations\u00e4nderungen, zwei Reihen von Vorg\u00e4ngen neben einander anzunehmen, welche f\u00fcr die Bildung des Secretes in einander greifen, erstens diejenigen Vorg\u00e4nge, welche den Uebertritt von Wasser aus dem Blute in die die secernirenden Apparate umgebenden Lymphr\u00e4ume und weiterhin aus diesen in die Dr\u00fcsenr\u00e4ume veranlassen, also die eigentliche Fl\u00fcssigkeitsabsonderung; zweitens diejenigen Processe, welche, in den Dr\u00fcsenzellen ablaufend, die Bildung und Absonderung der organischen Secretbestandtheile veranlassen. Diesen beiden Reihen von Processen aber m\u00fcssten zwei verschiedne in den Dr\u00fcsennerven verlaufende Classen von Nervenfasern entsprechen, die ich als secretorische und trophische Fasern zu bezeichnen vorgeschlagen habe.\nUnsre Erkl\u00e4rungen der physiologischen Vorg\u00e4nge haben fast \u00fcberall nur den Werth von Hypothesen. Die Bedeutung derselben ist oft nur eine vor\u00fcbergehende; sie gelten, so lange sie die Gesammtheit der Thatsachen, auf welche sie sich beziehen, verst\u00e4ndlich machen. Von ihnen aus aber empf\u00e4ngt die Wissenschaft Anregung zum Betreten neuer \\ er-suchswege; in dieser fermentativen Wirkung liegt ihre eigentliche Berechtigung. Die Aufstellung jener beiden Faserclassen rechne ich zu dieser Reihe von Hypothesen. Als ich ihrer zuerst erw\u00e4hnte, verkannte ich nicht das \u00fcberaus Gewagte der Annahme. Mit der Zeit haben sich, die Folge wird es lehren, mehr und mehr Thatsachen ergeben, welche der Annahme besondrer trophischer Dr\u00fcsenfasern g\u00fcnstig sind.\nAls die Untersuchung von J. Bermann \u00fcber die Zusammensetzung der Gld. submaxillaris aus verschiednen Dr\u00fcsenformen erschien, gab ich mich bei der Lect\u00fcre derselben der Hoffnung hin, wir w\u00fcrden auf einfachere\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nWeise zur Deutung der verwickelten Verh\u00e4ltnisse der Speichelabsonderung gelangen. In der That, h\u00e4tten wir statt zweier Nerv enfaserclassen, wie B er mann es wollte, zwei verschiedne Formen absondernder Elemente, so Hessen sich die Verschiedenheiten des Submaxillar-Speichels unter ver-scliiednen Bedingungen vielleicht dadurch erkl\u00e4ren, dass das Gesammt-secret sich aus unter verschiednen Umst\u00e4nden wechselnden Mengen difte-renter Partialsecrete zusammensetzte. Allein diese Aussicht musste ich bald aufgeben. Die r\u00f6hrenf\u00f6rmigen Anh\u00e4nge, welche an einem der grossem G\u00e4nge der Submaxillaris sich befinden (Bermaxx s tubul\u00f6se Dr\u00fcse), sind beim Hunde, an welchem die Mehrzahl unsrer Erfahrungen \u00fcber die Speichelabsonderung gesammelt ist, von verschwindendem Umfange gegen die Masse der Dr\u00fcse, \u00fcberdies ihre Bedeutung als secernirende Tlieile mehr als zweifelhaft, und Bermaxx\u2019s zusammengesetzt schlauchf\u00f6rmiger Tlieil der Submaxillaris ist Nichts als die Gld. sublingualis.\nZur Veranschaulichung der im Texte mitgetheilten Gesetze halte ich einige Zahlenbeispiele f\u00fcr n\u00f6tliig, da erfahrungsm\u00e4ssig Thatsachen eindringlicher sprechen, als die aus ihnen abgeleiteten abstracten Schl\u00fcsse.\nA) Reizung der Chorda beim Hunde mit schwachen und mittelstarken\nStr\u00f6men.1\nNr. der Reizung.\tDauer derselben.\tSchlittenstau d.\tSpeickel- menge.\tSecernirt in 1 Min.\tProcent- gehalt.\n1.\t10h 30'\u201445'\t360\t1,8412 Grm.\t0,1227\t1,1622\n2.\t53'\u201456'\t240\u2014220\t2.8618 ,,\t0,9536\t1.7122\n3.\t11h 33'\u201448'\t380\u2014860\t2.2083 \u201e\t0,1472\t0,9102\n4.\t50'\u201453'\t220\t3,0995 \u201e\t1,0335\t2,4229\n5.\t12h 33'\u201448'\t370\t2,4322\t\u201e\t0,1621\t0,7811\n6.\t50'\u201453'\t220\u2014200\t3,5680\t,.\t1.1891\t2,2001\nDie Dr\u00fcse wurde hier wenig ersch\u00f6pft, weil nur schwache und mittelstarke Str\u00f6me benutzt sind und nach jeder Reizverst\u00e4rung ein l\u00e4ngere Pause eintrat. Der Procentgehalt steigt bei jeder Reizverst\u00e4rkung erheblich.\nB) Der gleiche Versuch, Bestimmung des Gehaltes an Salzen und\norganischen Substanzen.2\nNr. der Reizung.\tDauer derselben.\tSchlitten- stand.\tSpeichel- menge.\tSecernirt in 1 Min.\tGehalt an trocknem R\u00fcckst.\tGehalt an Salzen.\tGehalt an organ. Substanz.\n1.\t9h 17'\u201438'\t325\u2014265\t3,6 Ccm.\t0,18\t1,45\t0,29\t1,15\n2.\t41'\u201443'\t220\u2014210\t4,4 \u201e\t2,2\t2,28\t0,44\t1,84\n3.\t56'\u201410M6'\t315\u2014295\t4,4 \u201e\t0,22\t1,91\t0.32\t1,59\n4.\t18'\u201420'\t100\u2014 80\t4.0 \u201e\t2,0\t2,67\t0,58\t2,09\n5.\t30'\u201453'\t320\u2014290\t3.6 ,,\t0,15\t2,22\t0,34\t1,85\n6.\tUh p_ 27p\t200-180\t4.0 \u201e\t3,2\t1,88\t0,58\t1,29\n7.\t12'\u201430'\t315\u2014295\t3,5 \u201e\t0.19\t1,23\t0,25\t0,98\n8.\t32'\u201435'\t240- 200\t5,0\t\u201e\t1,6\t1,24\t0,37\t0,86\n9.\t37'\u201439'\t100\u2014 50\t5,0\t\u201e\t2,5\t1,88\t0,57\t1,30\n1 R. Heidenhain, Studien des physiol. Instituts zu Breslau IV. S. 34. 186S. Versuch II. 2 Derselbe, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 7. 1878.","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der St\u00e4rke der Nervenreizung auf die Zusammensetzung des Secretes. 53\nDer Salzgehalt steigt jedes Mal mit der Absonderungsgeschwindigkeit, der Gehalt an organischen Substanzen bei den ersten vier Reizungen; dagegen sinkt er bei der 5. und 6. resp. 7. und 8. trotz der Stromverst\u00e4rkung. Erst bei der 9. Reizung brachte sehr erhebliche Steigerung der Stromst\u00e4rken nochmals Steigerung der organischen Procente zu Stande.\n2. Schw\u00e4chung der Reizung.\nW\u00e4hrend die Verst\u00e4rkung der Reizung die geschilderten Ver\u00e4nderungen des Secretes im Gefolge hat, zeigt eine Abschw\u00e4chung derselben nicht minder interessante Erscheinungen. Wird n\u00e4mlich zwischen zwei schwache Reizungen eine recht starke eingeschoben,, so sinkt bei der zweiten schwachen die Absonderungsgeschwindigkeit und der Salzgehalt ganz oder doch nahezu auf die urspr\u00fcngliche Gr\u00f6sse, w\u00e4hrend der Gehalt an organischen Bestandtheilen zwar ebenfalls abnimmt, aber doch die Anfangsgr\u00f6sse bei Weitem nicht erreicht, \u2014 ein neuer Beweis daf\u00fcr, dass die Absonderung der organischen und die der anorganischen Substanzen von Bedingungen verschiedner Art abh\u00e4ngt. Im Sinne der oben aufgestellten Hypothese w\u00fcrde diese Erscheinung so zu deuten sein, dass die starke Reizung der trophischen Nerven eine gr\u00f6ssere Summe organischer Substanzen in der Dr\u00fcse l\u00f6slich gemacht hat, als das Secret w\u00e4hrend dieser Reizung aufzunehmen vermochte. Der Ueberschuss kommt dem Secrete der folgenden schw\u00e4cheren Reizung zu Gute.\nDie Steigerung des Gehaltes an organischer Substanz durch eine voraufgehende starke Reizung ist sehr erheblich, wie folgendes Beispiel an dem Submaxillarsecrete zeigt:\nGeschwindigkeit der Absonderung.\nSchwache R.\tder\tChorda\t0,17\tCc.\tpro\tMin.\nStarke \u201e\t\u201e\t\u201e\t0,72\t\u201e\nSchwache \u201e\t\u201e\t\u201e\t0,17\t\u201e\t\u201e\t\u201e\nGehalt an Gehalt an organ. Salzen. Bestandtheilen.\n0,20%\t0,84%\n0,46 \u201e\t2,06 \u201e\n0,26 \u201e\t1,67 \u201e\nDiese Zahlen widerlegen zugleich den Verdacht, dass der hohe Gehalt des letzten Secretes an organischer Substanz von in den Dr\u00fcsenr\u00e4umen r\u00fcckst\u00e4ndigem Secrete der voraufgehenden starken Reizung herr\u00fchren k\u00f6nne. Denn ein solcher R\u00fcckstand m\u00fcsste sich ja auch in erheblich gesteigertem Salzgehalte verrathen; der letztere sinkt aber fast ganz auf den urspr\u00fcnglichen Werth, w\u00e4hrend der Gehalt an organischer Substanz auf dem Doppelten dieses Werthes stehen bleibt. Es versteht sich von selbst, dass bei jeder neuen Reizung erst eine gewisse Menge Secret \u2014 etwa 20 Tropfen \u2014 ablaufen muss, ehe das durch diese Reizung gebildete Secret mit Sicherheit in der Cantile angenommen werden darf.","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Spcicheldi\u00fc:?eri.\nIII. Beziehungen des Halssympatliicus zur Parotis beim\nHunde.1\nDie Annahme von Nervenfasern, welche in den Dr\u00fcsenzellen durch unmittelbare Einwirkung aut dieselben die Bildung l\u00f6slichei Secretbestandtheile veranlassen, erh\u00e4lt eine wesentliche Unterst\u00fctzung durch die \u00fcberraschenden Ver\u00e4nderungen, welche das Parotidensecret des Hundes bei Reizung des Sympathieus erf\u00e4hrt. Denn die letztere f\u00fchrt keine sichtbare Fl\u00fcssigkeitsabsonderung herbei und \u00fcbt trotzdem eine m\u00e4chtige Einwirkung auf die secernirenden Elemente aus. Wenn man die Reizung des cerebralen Absonderungsnerven mit einer kr\u00e4ftigen Reizung des Sympathieus begleitet, steigt der Gehalt des unter dem Einfl\u00fcsse des ersteren gebildeten Secretes an organischen Bestandtheilen erheblich, unter g\u00fcnstigen Verh\u00e4ltnissen auf das Zehnfache des urspr\u00fcnglichen Werthes. Es sind also folgende Thatsachen festzuhalten: 1. Reizung des Nv. Jacobsonii f\u00fcr sich: das Secret ist arm an organischen Bestandtheilen ; 2. Reizung des Sympathieus f\u00fcr sich: keine Absonderung; 3. Reizung beider Nerven gleichzeitig: das Secret wird reich an organischen Bestandtheilen.\nBei dem Versuche, eine Deutung f\u00fcr dieses merkw\u00fcrdige Verhalten zu gewinnen, tritt zun\u00e4chst der Gedanke an die gef\u00e4ssver-engenden Fasern des Sympathieus in den Vordergrund: m\u00f6glich, dass die durch seine Reizung herbeigef\u00fchrte Verlangsamung des Dr\u00fcsenblutstromes jene erstaunliche Ver\u00e4nderung des cerebralen Secretes herbeif\u00fchrt. Allein wenn man w\u00e4hrend der Reizung des cerebralen Nerven auf mechanischem Wege, durch Schliessung der Kopfschlagadern, die Blutzufuhr zur Dr\u00fcse beschr\u00e4nkt, bleibt die Zusammensetzung des Speichels unver\u00e4ndert. \u2014 Ebenso wenig findet eine weitere Vermuthung Best\u00e4tigung, dass etwa die Reizung des Sympathieus auf andre als diejenigen Dr\u00fcsenelemente wirken m\u00f6chte, welche unter der Herrschaft des Nv. Jacobsonii stehen. Denn es l\u00e4sst sich, wie sp\u00e4ter zu er\u00f6rtern, histologisch nach weisen, dass der Sympathieus, wie der cerebrale Nerv, die gesammten Zellen der Acini beeinflusst.\nEs bleibt somit, soweit ich sehe, Nichts \u00fcbrig als der Schluss, dass der Sympathieus des Hundes f\u00fcr die Parotis obschon keine secretorischen Fasern, d. h. solche, welche Wasserabsonderung veranlassen, so doch solche Fasern f\u00fchrt, welche in den Dr\u00fcsenzellen chemische Umsetzungen im Interesse der Bereicherung des Secretes\nJ R. Heidenhain. Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 2S. 18TS.","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Deutung der Unterschiede des cerebralen und sympathischen Secretes.\n55\nan organischen Bestandteilen herbeif\u00fchren, d. h. trophische Fasern in dem oben defmirten Sinne.\nDer Zuwachs an organischen Bestandteilen, welchen das cerebrale Secret unter dem Einfl\u00fcsse des Sympathicus erf\u00e4hrt, ist ein sehr erheblicher. Ich beobachtete z. B. in einem Falle bei Reizung des Nv. Jacobsonii :\nGesammter \u201e ,\tOrgan.\nProcentgeh. a ze' Substanz.\n1. ohne gleichzeitige Reizung\tdes Sympathicus\t0,56 \u00b0/o\t0,31 o/o\t0,240/0\n2. mit\tn\tn\t9,4 9\t0,36 \u201e\t2,06 \u201e\n3. ohne\t\u201e\t\u201e\tn\tn\t1,03 ,\t0,26 \u201e\t0,76 B\n4. mit\t\u201e\t\u201e\tn\tn\t1,74 \u201e\t0,32 \u201e\t1,41 \u201e\n5. ohne\t\u201e\tn\tr)\tn\t0,57 \u201e\t0,36 \u201e\t0,21 B\n6. mit\t\u201e\t,,\tV)\tn\t0,64 B\t0,25 \u201e\t0,38 B\n7. ohne\t\u201e\t\u201e\tn\tn\t0,49 B\t0,32 \u201e\t0,16 \u201e\nDie Reizung des Sympathicus allein lieferte mir, wie schon fr\u00fcher Eckhard, keine Spur von Secret; nur in zwei F\u00e4llen unter einer grossen Zahl trat nach stundenlanger Reizung eine geringe Menge von Fl\u00fcssigkeit aus der Caniile. Aehnlich hat auch Nawrocki 1 nur sehr selten Absonderung beobachtet. In einzelnen Ausnahmef\u00e4llen scheint also der Sympathicus eine geringe Menge Absonderungsfasern zu f\u00fchren, wenn nicht etwa in diesen F\u00e4llen die geringgradige Absonderung von kleinen Schleimdrtischen herr\u00fchrte, welche mitunter, fern der Parotis, in ihren Gang einm\u00fcnden. Wie dem auch sei, jedenfalls war in den zahlreichen F\u00e4llen, welche die Grundlage meiner obigen Angaben bilden, keine Spur von sympathischer Secretion zu bemerken.\nIV. Erkl\u00e4rung der Unterschiede des cerebralen und des\nsympathischen Secretes.\nIch habe schon oben unter Zugrundelegung der Erscheinungen an der Unterkieferdr\u00fcse bemerkt, dass die Unterschiede jener beiderlei Secrete nicht sowohl specifischer, als rein gradueller Natur sind; denn nach langer Reizung des Sympathicus zeigt das Submaxillar-secret Eigenschaften, welche eine Verschiedenheit von dem Chorda-Secrete nicht mehr erkennen lassen.\nDie Differenz, welche an den Secreten einer unerm\u00fcdeten Dr\u00fcse zu Tage tritt, wird verst\u00e4ndlich, wenn man mit mir in den beiderlei Nervenbahnen zwei Classen von Fasern, secretorische und trophische, in ungleichem Mischungsverh\u00e4ltnisse voraussetzt. Der Sympathicus des Hundes enth\u00e4lt f\u00fcr die Parotis nur trophische, f\u00fcr die Submaxil-laris daneben wenige secretorische Fasern, die cerebralen Absonderungsnerven f\u00fchren neben vorwiegend secretorischen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig\n1 F. Nawrocki, Stndien des physiol. Instituts zu Breslau IV. S. 142. 1S6S.","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. l.Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nwenige trophische Fasern. Unter dieser Annahme erkl\u00e4ren sich die besprochenen Absonderungserscheinnngen auf die denkbar einfachste Weise : 1. das cerebrale Secret ist \u00e4rmer an organischen Bestand-theilen als das sympathische, weil in dem Hirnnerven die secretori-schen, in dem Sympathicus die trophischen Fasern vorwiegen. 2. Das cerebrale Secret wird, so lange die Dr\u00fcse unermttdet ist, bei Reizverst\u00e4rkung reicher an organischen Bestandtheilen, weil der Umsatz der organischen Substanzen in den Zellen unter dem Einfl\u00fcsse der st\u00e4rker gereizten trophischen Fasern schneller steigt, als der Wasserstrom unter dem Einfl\u00fcsse der st\u00e4rker gereizten secretorischen Fasern.\nDie Hypothese der beiderlei Faserclassen wird also den wesentlichsten Absonderungserscheinungen gerecht. In dem folgenden Ca-pitel wird sie neue Unterst\u00fctzung finden.\nVIERTES CAPITEL.\nVorg\u00e4nge innerhalb der Dr\u00fcsen w\u00e4hrend ihrer\nTh\u00e4tigkeit.\nI. Chemische Vorg\u00e4nge.\nSo zweifellos sich aus dem sp\u00e4ter zu schildernden microscopi-schen Bilde der Dr\u00fcsenzellen im ruhenden und im th\u00e4tigen Zustande ein lebhafter chemischer Umsatz im Innern derselben erschliessen l\u00e4sst, so wenig ist bis jetzt eine chemische Untersuchung der Dr\u00fcsensubstanz ernstlich in Angriff genommen worden, obschon sie doch ohne Zweifel lohnende Ausbeute verspricht. Die sp\u00e4rlichen, bisher bekannt gewordenen Thatsachen sind folgende:\n1. Die Unterkieferdr\u00fcse des Hundes wird nach anhaltender Th\u00e4tigkeit an Wasser reicher, an festen Substanzen \u00e4rmer1, Ver\u00e4nderungen, welche sowohl nach Reizung der Chorda, als nach Reizung des Sympathicus eintreten, obschon nach der letzteren in geringerem Grade, als nach der ersteren.\nDie Unterschiede nach anhaltender Chorda-Reizung sind recht erhebliche; der Procentgehalt an festen Theilen sinkt in dem Verh\u00e4ltnis von 100: 89\t75. Das absolute Gewicht der Dr\u00fcse stellte sicli bei diesen\n1 R. Heidenhain, Studien des physiol. Instituts zu Breslau IV. S. 54, 66. 1S6S.","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Vorg\u00e4nge innerhalb der Dr\u00fcsen. Chemische Umsetzungen. W\u00e4rmebildung. 57\nBeobachtungen nach anhaltender Th\u00e4tigkeit regelm\u00e4ssig geringer heraus, als das der ruhenden.\n2. In der th\u00e4tigen Dr\u00fcse findet lebhafte Bildung* von Kohlens\u00e4ure statt; denn der Speichel ist an Kohlens\u00e4ure erheblich reicher, als das Blut.1\nIm Submaxillarspeichel des Hundes fand Pfl\u00fcger :\nSauerstoff..........................0,6 Volumprocente.\nAuspumpbare Kohlens\u00e4ure\t....\t22,5\t\u201e\nDurch Phosphors\u00e4ure austreibbare\tCO'2\t42,2\t\u201e\nGesammte CO2.....................64,7\t\u201e\nStickstoff........................0,8\t\u201e\nII. W\u00e4rinebildimg w\u00e4hrend der Absonderung.2\nWenn schon jene wenigen chemischen Thatsachen auf den Ablauf lebhafter chemischer Processe in der Dr\u00fcse w\u00e4hrend ihrer Th\u00e4tigkeit hinweisen, so geben die volle Gew\u00e4hr f\u00fcr dieselben von einer andern Seite her die interessanten Beobachtungen Ludwig\u2019s \u00fcber die Temperatur des Secretes. Mittelst thermoelectrischer, wie thermo-metrischer Methoden fand jener Forscher, dass der Speichel, welcher bei der Reizung der Chorda tympani gebildet wird, erheblich w\u00e4rmer ist, als das der Dr\u00fcse zustr\u00f6mende Carotidenblut ; der Unterschied kann bis auf 1,5\u00b0 C. steigen. Ebenso erwies sich das Venenblut der th\u00e4tigen Dr\u00fcse w\u00e4rmer, als das der ruhenden; seine Temperatur kann \u00fcber die des Arterienblutes und \u00fcber die des Speichels hinausgehen. Die Messung der Speicheltemperatur konnte nur in dem Ausf\u00fchrungsgange geschehen; an seinen Quellen im Innern der Dr\u00fcse wird er noch erheblich w\u00e4rmer gewesen sein.\nIII. Morphologische Vorg\u00e4nge in der th\u00e4tigen Driise.\nIn denjenigen Dr\u00fcsen, bei welchen Perioden der Th\u00e4tigkeit mit Zeitr\u00e4umen der Ruhe abwechseln, lassen die secernirenden Zellen Unterschiede ihres innern Baues erkennen, welche f\u00fcr den ruhenden und den th\u00e4tigen Zustand charakteristisch sind. So wenig Einblick uns auch noch im Allgemeinen in das innere Gef\u00fcge und Getriebe der Zelle geworden ist, so ergeben sich aus der Beobachtung der Secretionszellen in einer Anzahl von Dr\u00fcsen doch gewisse Schl\u00fcsse auf die Lebensgeschichte dieser Classe von Elementarorganismen.\n1\tE. Pfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. I. S. 6S6. 1868.\n2\tC. Ludwig & A. Sfiess, Sitzungsber. d. Wiener Acad., mathem.-naturwiss. Classe XXV. S. 548. 1857 ; C. Ludwig. Wiener med. Wochenschr. 1860. Xr. 28.\nI","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Absehn. Speicheldr\u00fcsen.\nDenn die Zelle jener Dr\u00fcsen macht in cyclischem Abl\u00e4ufe eine Reihe periodisch wiederkehrender Lebenszust\u00e4nde durch, und zwar zu dem Zwecke gewisser Leistungen, die in dem Dr\u00fcsensecrete vorliegen. Zu bestimmten Zeiten nimmt die Zelle aus dem allgemeinen Ern\u00e4hrungsmateriale des Blutes oder vielmehr der Lymphe bestimmte Substanzen auf, zu bestimmten Zeiten setzt sie dieselben in bestimmter Weise um, zu bestimmten Zeiten giebt sie die Umsetzungsproducte nach Aussen hin ab. Das Microscop zeigt uns Syunptome dieser verschiednen Lebensphasen als wesentlichsten Anhalt f\u00fcr die Erforschung der Vorg\u00e4nge, welche denselben zu Grunde liegen.\nWenn ich Vorg\u00e4nge in der Absonderungszelle schildere, so bin ich mir der Grenzen unsrer Untersuchungsmethoden wohl bewusst. Object der histologischen Untersuchung ist ja nicht die lebende Zelle, sondern ihre Leiche, und auch diese nicht in ihrem unver\u00e4nderten, sondern in dem durch die Pr\u00e4parationsweise ver\u00e4nderten Zustande. Wenn constante Einwirkungen auf die Zellen, wie ihre Abt\u00f6dtung und Erh\u00e4rtung durch absoluten Alcohol, zu zwei verschiednen Zeiten constant verschiedne Leichenbilder hervorrufen, so ist der Schluss, dass auch die lebende Zelle zu den betreffenden Zeiten verschieden gewesen sei, ein absolut sicherer. Durch welche Vorg\u00e4nge aber der eine Lebenszustand in den andern \u00fcbergef\u00fchrt worden sei, wird sich immer nur mit begrenzter Sicherheit aus-sagen lassen. Die Ausf\u00fchrlichkeit, mit welcher ich im Folgenden auf die Schilderung der morphologischen Umgestaltung der Dr\u00fcsenzellen eingehe, bitte ich damit zu entschuldigen, dass ich diesen fr\u00fcherhin unbekannten Processen ein ihrer Wichtigkeit entsprechendes B\u00fcrgerrecht in der Wissenschaft zu sichern Anlass habe. Denn bisher haben sie dasselbe noch nicht gefunden, wie mich z. B. die Darstellung der Speichelabsonderung in Br\u00fccke's vortrefflichen Vorlesungen lehrt. Wenn in einem Werke von solcher Bedeutung der histologischen Ver\u00e4nderungen der Dr\u00fcsen bei ihrer Th\u00e4tigkeit mit keiner Silbe gedacht wird, so beweist diese Thatsache, dass entweder meine Schilderungen keinen Glauben gefunden oder dass man die Vorg\u00e4nge, auf welche sie sich beziehen, in ihrer Bedeutung untersch\u00e4tzt hat.\n1. Die Eiweissdr\u00fcsen.\nAuf den ersten Blick erkennbar gestaltet sich die Umwandlung der Absonderungszellen in der Gld. parotis des Kaninchens. Im Ruhezust\u00e4nde zeigen sie an Alcohol-Carminpr\u00e4paraten in einer hellen, ungef\u00e4rbten Grundlage sp\u00e4rlich feink\u00f6rnige Substanz (nach Klein ein engmaschiges Netzwerk) und einen kleinen unregelm\u00e4ssig zackigen, roth gef\u00e4rbten Kern ohne deutliches Kernk\u00f6rperchen. (Vgl. Fig. 16.) Wenn unter dem Einfl\u00fcsse der Sympathicus-Reizung einige (2\t3)\nKubikcentimeter eiweissreichen Secretes entleert worden sind, haben sich alle Theile der Zelle ver\u00e4ndert: 1. ihre Gr\u00f6sse hat mehr oder","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"59\nMorphologische Ver\u00e4nderungen der Dr\u00fcsen w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit.\nweniger abgenommen; 2. der Kern ist nicht mehr zackig, sondern rund und zeigt scharf hervortretende Kernk\u00f6rperchen ; 3. die Menge der hellen Grundsubstanz hat ab -, dagegen die der k\u00f6rnigen (oder\nfjMA . - W . .\u2022\t** V i \u00ab.<V_ A\n; \u25a0\tv- - \u25a0 . $\t:A, -\u25a0 ; T\u2018<\t\u2022 >\u2018v \u2014\n-\tV , V\nFig. 16. Parotis des Kaninchens ; Ruhezustand.\nnetzf\u00f6rmigen) Substanz (Protoplasma) mehr oder weniger zugenommen, am meisten in der Umgebung des Kernes; deshalb ist die Zelle im Ganzen tr\u00fcber und mehr oder weniger f\u00e4rbbar in Carmin geworden.\nWelche Vorg\u00e4nge haben nun stattgefunden, um das eine Bild in das andere \u00fcberzuf\u00fchren? Die Volumsabnahme der Zelle beweist, dass sie Substanzen an das Secret abgegeben; die Minderung der hellen Grundmasse im Zellenleibe, dass diese es gewesen, auf deren Kosten die Secretbestandtheile gebildet worden; die Zunahme der k\u00f6rnigen (resp. netzf\u00f6rmigen) f\u00e4rbbaren Substanz, dass aus der Lymphe, welche die Acini umsp\u00fclt, Bestandtheile aufgenommen worden sind und auf ihre Kosten das Protoplasma der Zelle gewachsen ist; die runde Bonn des Kernes endlich, dass auch dieser an den activen Vorg\u00e4ngen bei der Absonderung sich betheiligt und dabei eine chemisch nicht n\u00e4her deiinirbare Umwandlung erfahren hat.\nEs scheint nicht zu gewagt, in diesen Schl\u00fcssen nach gewissen Seiten hin noch weiter zu gehn.\nDer k\u00f6rnige, nach neueren Beobachtungen netzf\u00f6rmige, in Farbstoffen sich tingirende Theil der Zellen wird allgemein als das Pro-toplasma angesehn. Niemand verhehlt sich, dass mit dieser Bezeichnung nicht allzuviel gesagt ist. Aber wir kennen doch gewisse Eigenschaften und gewisse Leistungen desselben, die zu dem Schl\u00fcsse n\u00f6thigen, dass das Protoplasma derjenige Theil der Zelle ist, von welchem ihre wesentlichen Lebensfunctionen ausgehn. Dahin rechnet","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Absehn. Speicheldr\u00fcsen.\nunter Anderm ihr Wae list 1mm und die Bildung gewisser Umsetzungs-producte, die tlieils zu geformten Bestandtheilen werden, wie Zellmembranen, Bindegewebsfasern u. s. f., tbeils ungeformte cbemiscbe Substanzen darstellen (Fett u. dgl.).\nWenn ich nun tinde, dass die Zelle der Parotis am Ende einer langem Seeretionsperiode ganz vorwiegend aus k\u00f6rnigem, in Carmin f\u00e4rbbarem Protoplasma sich zusammensetzt, w\u00e4hrend nach l\u00e4ngerer Ruhe die Masse der k\u00f6rnigen Substanz sehr reducirt, dagegen eine helle nicht f\u00e4rbbare Substanz angeh\u00e4uft ist, so erw\u00e4chst die Folgerung, dass 1. w\u00e4hrend der Ruhe auf Kosten des Protoplasmas jene andre Substanz sich gebildet hat, und dass 2. diese Substanz das w\u00e4hrend der Absonderung verbrauchte Secretionsmaterial darstellt.\nNicht also erst in der Periode der Dr\u00fcsenth\u00e4tigkeit bilden sich die f\u00fcr die Absonderung bestimmten chemischen Materialien oder doch wenigstens sicher nicht um diese Zeit allein; sie werden vielmehr w\u00e4hrend der Absonderungspausen in reichlichem Vorrathe bereitet. Da sie auf Kosten des Protoplasmas entstehen, nimmt letzteres an Menge ab, um sich w\u00e4hrend der Absonderung zu regeneriren. Der Fl\u00fcssigkeitsstrom, welcher sich um diese Zeit durch die Dr\u00fcse ergiesst, hat nicht bloss die Bedeutung, aus den Zellen die Secret-bestandtheile zu entfernen, sondern auch ihnen Material f\u00fcr ihre Neubildung oder doch die Neubildung ihres Hauptbestandtheiles zuzuf\u00fchren.\nDas w\u00e4hrend der Ruhe gebildete Absonderungsmaterial, welches in einer durch Kupffer eingef\u00fchrten Terminologie wohl als Paraplasma zu bezeichnen sein w\u00fcrde, ist in manchen Dr\u00fcsen, z. B. in dem Pankreas, nachweislich nicht identisch mit den specilisehen organischen Bestandtheilen, welche das Secret enth\u00e4lt, sondern eine Vorstufe der letzteren, welche sich erst w\u00e4hrend des Actes der Absonderung in dieselben umsetzt. Wenn auch nicht unmittelbar chemisch nachweisbar, so scheint Aehnliches sich auch f\u00fcr die \u00fcbrigen Dr\u00fcsen zu ergeben, wenn man die fr\u00fcher besprochenen Absonderungserscheinungen ins Auge fasst.\nEs ist oben bei Er\u00f6rterung des Einflusses der Reizst\u00e4rke auf den Gehalt des Secretes an organischen Bestandtheilen gezeigt worden, dass die Ueberf\u00fchrung der letzteren in das Secret nicht als einfache L\u00f6sung einer in den Zellen bereits fertig gebildeten l\u00f6slichen Substanz aufgefasst werden k\u00f6nne, sondern als Folge besondrer Nerven-wirkungen angesehn werden m\u00fcsse, die sich neben den die Wasserabsonderung veranlassenden Nerveneinfl\u00fcssen geltend machen.\nWas dort aus der Untersuchung des Absonderungsproductes unter","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Morphologische Ver\u00e4nderungen der Dr\u00fcsen w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit.\n61\nverschiednen Bedingungen erschlossen wurde, l\u00e4sst sich hier an den Ver\u00e4nderungen des Absonderungsorganes unmittelbar darthun.\nDas Absonderungsmaterial ist die helle Substanz in den Zellen der ruhenden Parotis. W\u00e4re sie ohne Weiteres in der Absonderungsfl\u00fcssigkeit leicht l\u00f6slich, so m\u00fcsste sie um so gr\u00fcndlicher aus den Zellen schwinden, je reichlicher sich der Strom der abgesonderten Fl\u00fcssigkeit durch dieselben ergiesst.\nDer Versuch zeigt, dass die Verh\u00e4ltnisse verwickelter liegen.\nWenn die Parotis unter dem Einfl\u00fcsse des Sympathicus nur 2 bis 3 Ccm. vollst\u00e4ndig gerinnbaren Secretes gebildet hat, sind ihre Zellen insgesammt in der oben beschriebenen Weise durchgreifend ver\u00e4ndert. Wenn sie unter dem Einfl\u00fcsse des cerebralen Absonderungsnerven die 4 \u20145 fache Menge schwach gerinnbaren Secretes gebildet hat, l\u00e4sst sich an ihnen noch kaum eine Wandlung erkennen.\nNicht also die Menge von Fl\u00fcssigkeit, welche die Zellen durch-fluthet, ist es, welche die Wandlung des microscopischen Verhaltens herbeif\u00fchrt; denn einer geringen Absonderungsmenge entspricht in diesem Beispiele eine durchgreifende Wandlung der Zellstructur, einer grossen Absonderungsmenge eine kaum erkennbare.\nVielleicht hat aber die abgesonderte Fl\u00fcssigkeit selbst bei der Reizung des einen oder des andern Nerven ihre Zusammensetzung so ge\u00e4ndert, dass damit die L\u00f6sung verschiedner Eiweissmengen in dem Menstruum und damit die Verschiedenheit des microscopischen Bildes erkl\u00e4rlich wird.\nMit Nichten! In dem Parotidensecrete handelt es sich um in Salzl\u00f6sungen l\u00f6sliches Eiweiss. Das sympathische Secret ist constant das salz\u00e4rmere und eiweissreichere, das cerebrale Secret das salzreichere und eiweiss\u00e4rmere. Trotz seines geringeren Salzgehaltes entf\u00fchrt jenes den Zellen ihr Absonderungsmaterial in weit h\u00f6herem Maasse, als dieses. Die chemische Constitution der secernirten Fl\u00fcssigkeit kann also f\u00fcr das microscopische Verhalten der Zellen nicht verantwortlich gemacht werden. Unmittelbare Nebenwirkungen, ich sehe keinen Ausweg, sind es, welche die Bedingungen f\u00fcr die L\u00f6sung der hellen Substanz herbeif\u00fchren. Diese letztere ist nur eine Vorstufe des in dem Secrete gel\u00f6sten Albuminates, welche sich unter dem Einfl\u00fcsse jener Nebenwirkungen in den Secretbestandtheil umsetzt.\nWie von dem Sympathicus, so gehen derartige Einwirkungen auch von dem cerebralen Absonderungsnerven aus, aber sie erfordern l\u00e4ngere Zeit. Hat die Parotis des Hundes unter dem Einfl\u00fcsse des Nv. Jacobsonii mehrere Stunden abgesondert, so haben ihre Zellen","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nebenfalls an heller Substanz verloren, an f\u00e4rbbarem granulirtem Protoplasma derart gewonnen, dass sie durchweg stark getr\u00fcbt aussehn. Um den Unterschied pr\u00e4gnant zu beobachten, muss die ruhende Dr\u00fcse einem Thiere vor Beginn des Reizversuches entnommen werden. Der cerebrale Nerv enth\u00e4lt eben auch trophische Fasern, aber in relativ geringerer Menge.\n\n[0\t< 0\u00cf0 *.\n* \u00bb\u00e4s:. \u00bb\n'S 9 xrt \u2022\ti'\u00ff\nv\u00e9v-\tV\nMM:\nParotis des Hundes. Rulie.\nFig. 19. Parotis des Hundes. Beizung des Sympathicus.\nEndlich l\u00e4sst der Einfluss des Sympathicus auf das microscopisehe Verhalten der Hunde-Parotis keinen Zweifel an einer von der Wasserabsonderung unabh\u00e4ngigen Einwirkung auf die Zellen seitens der Dr\u00fcsennerven. Nach langer Reizung desselben zeigt die Dr\u00fcse, obschon sie nicht Fl\u00fcssigkeit abgesondert hat, ein Bild, verschieden von dem der ruhenden, wie von dem der secretorisch th\u00e4tig gewesenen. Die Zellen sind durchg\u00e4ngig verkleinert, die Zellsubstanz bildet oft nur eine schmale Zone um den Kern, w\u00e4hrend im Ruhezust\u00e4nde der Durchmesser der Zelle 2\u20143mal so gross ist als der des Kernes; die Grundsubstanz der Zelle ist weniger hell als im Ruhezust\u00e4nde, aber doch nicht so stark getr\u00fcbt, wie nach stundenlanger Absonderung.\nDie microscopischen Befunde erg\u00e4nzen in willkommenster Weise die experimentelle Untersuchung. Eine Combination der beiderlei Resultate f\u00fchrt zu folgender Vorstellung:\nIn der Ruhe bildet sich aus dem Protoplasma ein Umwandlungs-product, welches zwar noch nicht der organische Secretbestandtheil, aber doch eine Vorstufe desselben ist. Deshalb ist die ausgeruhte Zelle arm an Protoplasma, verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig reich an heller, nicht f\u00e4rbbarer Substanz.\nW\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit wird durch die Dr\u00fcse ein Fl\u00fcssigkeitsstrom gef\u00fchrt, gleichzeitig ein chemischer Process in den Zellen ein-","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Morphologische Ver\u00e4nderungen der Dr\u00fcsen w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit.\n63\ngeleitet, der seinen Ausdruck sowohl in der Zusammensetzung des Secretes, als in der morphologischen Umgestaltung der Zellen findet. Beide Vorg\u00e4nge, die Fl\u00fcssigkeitsabsonderung und die chemischen Processe in der Zelle, gehen einander nicht parallel: w\u00e4hrend jene erheblich ist, k\u00f6nnen diese unerheblich sein und umgekehrt. Es kann eine Verst\u00e4rkung des Fl\u00fcssigkeitsstromes mit einer Steigerung der chemischen Processe in der Zelle zusammenfallen (bei Verst\u00e4rkung der Reizung des cerebralen Nerven), es kann aber auch bei geringem oder selbst ganz ausbleibendem Fl\u00fcssigkeitsstrome eine verk\u00e4ltniss-m\u00e4ssig bedeutende chemische \u2014 und morphologische \u2014 Umwandlung der Zellen stattfinden (Reizung des Sympathicus).\nDie chemischen Vorg\u00e4nge in der erregten Zelle bestehen in Umsetzung des Absonderungsmaterials zu l\u00f6slichen Absonderungspro-ducten einerseits, in Zunahme des Protoplasmagehaltes der Zellen andrerseits. Die Umwandlung des Protoplasmas in Absonderungsmaterial h\u00e4lt mit dem Verbrauche des letzteren w\u00e4hrend der Absonderung nicht gleichen Schritt, deshalb wird das Secret mit der Dauer der Reizung immer \u00e4rmer an organischen Bestandtheilen, deshalb die Zelle immer \u00e4rmer an heller Substanz, immer k\u00f6rniger und st\u00e4rker f\u00e4rbbar. Erst w\u00e4hrend der Absonderungspause kommt es zu einer Deckung des Verlustes an Absonderungsmaterial aus dem Protoplasma f\u00fcr k\u00fcnftige Verwerthung.\nDie bisherige Vorstellung, nach welcher in der Zelle der th\u00e4tigen Dr\u00fcse Nichts weiter stattfinde, als L\u00f6sung bereit liegender Secret-bestandtheile, reicht also nach keiner Richtung hin aus. Die Secret-bestandtheile werden erst l\u00f6slich gemacht, um der Zelle entf\u00fchrt zu werden. Aber gleichzeitig regenerirt sich der Theil der Zelle, von welchem alle ihre Verrichtungen ausgehen, das Protoplasma, um w\u00e4hrend der Ruhe auf eigne Kosten neues Material f\u00fcr neue Absonderung bereit zu stellen. Die Vorg\u00e4nge in der Zelle machen erst die wechselnden Zust\u00e4nde des Dr\u00fcsensecretes verst\u00e4ndlich.\nWas ich hier an den Eiweissdr\u00fcsen in vielleicht zu grosser Ausf\u00fchrlichkeit besprochen, hat eine allgemeinere Bedeutung, weil \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse und Vorg\u00e4nge an vielen Dr\u00fcsen wiederkehren, wie die Folge zeigen wird.\nIn meiner ersten Arbeit \u00fcber die Speicheldr\u00fcsen habe ich vergeblich versucht, an der Submaxillaris des Kaninchens secretorische Ver\u00e4nderungen zu entdecken. Der Grund meines damaligen negativen Resultates ist mir jetzt klar. Ich reizte den cerebralen Absonderungsnerven bis zur Ersch\u00f6pfung; aber dieser ist so zart, dass seine Erm\u00fcdung zu fr\u00fch erfolgte, um die charakteristischen Ver\u00e4nderungen der Zellen eintreten zu lassen. Reizung des Sympathicus f\u00fchrt zu \u00e4hnlichen Bildern wie in der Parotis.","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64 Heidexhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. l.Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nEin Unterschied liegt darin, dass schon die ruhende Submaxillaris protoplasmareichere Zellen besitzt, als die Ohrspeicheldr\u00fcse.\n2. Die Schleimdr\u00fcsen.\nVerwickeltere Verh\u00e4ltnisse, als die Eiweissdr\u00fcsen, zeigen in gewisser Beziehung die Schleimdr\u00fcsen, insoweit bei anhaltender Ab-sonderungsth\u00e4tigkeit ein geringerer oder gr\u00f6sserer Theil ihrer Zellen zu Grunde geht. Verfolgt man die Verh\u00e4ltnisse, wie sie sich an der Submaxillaris oder der Orbitalis des Hundes bei Reizung ihrer cerebralen Absonderungsnerven gestalten, so ergeben sieh je nach der Dauer und der Intensit\u00e4t der Th\u00e4tigkeit folgende Wandlungen.\nDie ruhenden Schleimzellen sind gross, hell, zeigen abgeplattete wand st\u00e4ndige Kerne, umgeben von einer geringen Menge von Protoplasma, von welcher aus sich \u00e4usserst feine, leicht \u00fcbersehbare F\u00e4d-chen durch das Innere der Zelle in grossmaschigem Netze fortsetzen.\nFig. 20. Orbitaldr\u00fcse des Hundes. Buhe-\nDer bei Weitem gr\u00f6sste Theil der Zelle wird von einer hellen Substanz eingenommen, welche die Maschen des Protoplasmanetzes erf\u00fcllt und das Absonderungsmaterial darstellt (Paraplasma). Diese Substanz (Mucigen) ist eine Vorstufe de^ Mucin und zeigt fast alle Reactionen des letzteren. Nur soll nach Watney1 2 und Klein - das Mucigen von H\u00e4matoxylin nicht gef\u00e4rbt werden, wohl aber das Mucin. Man kann deshalb die th\u00e4tige von der ruhenden Dr\u00fcse durch H\u00e4ma-toxylinf\u00e4rbung unterscheiden.\n1\tWatney, Proceed. Roy. Soc. XXII. p. 294. 1S74.\n2\tKlein, Quarterly journal of microscopical science. X. S. XIX. p. 142. 1S79.","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Morphologische Ver\u00e4nderungen w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkoit.\n65\nNach massiger Th\u00e4tigkeit werden die Kerne rund, zeigen deutliche Kernk\u00f6rperchen und r\u00fccken mehr nach der Mitte der Zellen hin. Die letzteren beginnen sich zu verkleinern, indem das Mucigen\nFig. 21. Orbitaldr\u00fcse. Beginn der Ver\u00e4nderung w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit. (Lavdovskv.)\nin l\u00f6sliches Mucin \u00fcbergeht, welches allm\u00e4hlich aus den Zellen aus-tritt, und gleichzeitig durch Vermehrung des Protoplasmas sich zu tr\u00fcben (Fig. 21), Ver\u00e4nderungen, welche mit der Dauer der Zeit immer weiter (Fig. 22) fortschreiten.\nBis dahin sind die Ver\u00e4nderungen der Schleimzellen \u00e4hnlicher Natur, wie die Ver\u00e4nderungen der Zellen in den Eiweissdr\u00fcsen: Abnahme des Absonderungsmaterials, regeneration des Protoplasmas. Bei folgender Paihe kann der ver\u00e4nderte Zustand der Zelle in den urspr\u00fcnglichen wieder zur\u00fcckkehren. Der Zusammenhang des microscopischen Bildes mit den Aenderungen, welche das Secret bei l\u00e4ngerer Absonderung eingeht, i>t in beiden F\u00e4llen der gleiche, deshalb eine nochmalige Er\u00f6rterung un-n\u00f6thig.\nEin Unterschied der beiderlei Dr\u00fcsen liegt aber darin, dass die Lebensdauer der Schleimzellen eine begrenzte ist. Bei lange anhaltender Th\u00e4tigkeit gehen sie zu Grunde, ein Ersatz tritt von den Kandzellen aus durch Wucherung derselben ein. In den ersten Stadien der Th\u00e4tigkeit nehmen die Complexe derselben an Gr\u00f6sse zu,\nHandbnch der Physiologie. Bd. V.\t5","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\ndie Zahl der in ihnen wahrnehmbaren Kerne w\u00e4chst, zum Zeichen eines Vermehrungsprocesses, der allm\u00e4hlich weiter fortschreitet. Sind nach sehr anhaltender Reizung die Schleimzellen reichlich zu Grunde gegangen, so haben sich die Acini der Dr\u00fcse zum grossen Theile mit neugebildeten, kleinen, eiweissreichen Zellen gef\u00fcllt, der Gegensatz zwischen Randzellen und centralen Zellen ist geschwunden, die \u201e Halbmonde\u201c sind deshalb in dem gr\u00f6ssten Theile der Acini unsichtbar geworden. (Fig. 23.)\nK - (A g -A ~\n' \u00c7 C bt\t0 -gv\n\u00ce -- \u2022 V-\t- G~.\tG L\n\u00efi\nFig. 23. St\u00e4rkster Grad der Ver\u00e4nderung. (Lavdovskt.)\n; , .\nVA Kxl\" Y -\nW-A\u00a7 -\ni 5\n- ' ^ -\ni * c i\nt\u00f6;,\nH \u00c9 \u00bb a f '\n\neft\nFig. 24. Durch Wucherung der Randzellen neugehildete Zellen. (Lavdovski.)\nEnergische Th\u00e4tigkeit f\u00fchrt also die Schleimzellen zu ihrem Untergange und zu einer mehr oder weniger vollst\u00e4ndigen Neubildung der secernirenden Dr\u00fcsenelemente; die jungen Zellen k\u00f6nnen an Zerzupfungspr\u00e4paraten isolirt dargestellt werden. (Fig. 24.) Das Bild einer Dr\u00fcse nach lange anhaltender, energischer Th\u00e4tigkeit hat nicht die mindeste Aehnlichkeit mehr mit dem Bilde der ruhenden Dr\u00fcse. L\u00e4sst man das Organ an seinem Orte, so ist am n\u00e4chsten Tage das urspr\u00fcngliche Aussehn wiederhergestellt.\nDie obige Schilderung, welche sich auf meine Untersuchungen an der Gld. submaxillaris und Laydoysky\u2019s Beobachtungen an dieser Dr\u00fcse wie an der Gld. orbitalis st\u00fctzt, erh\u00e4lt eine interessante Best\u00e4tigung durch Beyer\u2019s 1 Versuche an der Gld. sublingualis. Bei sehr starker und anhaltender Reizung erh\u00e4lt man hier ganz \u00e4hnliche Bilder, wie an den obigen Dr\u00fcsen: die zu Grunde gegangenen Schleimzellen werden durch raschen Nachwuchs von den Randzellen aus ersetzt, deshalb sind die gesammten Acini mit kleinen, stark granulirten\nt Gotthard Beyer, Die Glandula sublingualis, ihr histologischer Bau und ihre functioneilen Ver\u00e4nderungen. Breslau 1S79.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Morphologische Ver\u00e4nderungen w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit.\n67\nZellen erf\u00fcllt. Bei massiger Reizung aber, bei welcher die morphologischen Processe weniger rapide verlaufen, kann man nicht selten einerseits die Zerst\u00f6rung der Schleimzellen, andererseits die Hervorbildung neuer, aus den Randzellen in schlagenden Bildern verfolgen. Die Zerst\u00f6rung der Schleimzellen, denn wir haben bei sechs Thieren (4 Hunden, 2 Katzen) die urspr\u00fcnglich mit Schleimzellen erf\u00fcllten Acini leer, ihr weites Lumen nur mit Secret erf\u00fcllt und von den Randzellen allein nach aussen begrenzt gefunden. (Fig. 25.) Hier hat offenbar der Ersatz der Zellen mit ihrem Unterg\u00e4nge nicht gleichen Schritt gehalten; der Zerfall hat umfangreiche Partieen der Dr\u00fcse ergriffen, die Regeneration ist nicht in gleichem Maasse erfolgt. Solchen Bildern gegen\u00fcber schwindet jeder Zweifel an dem definitiven Schicksale' der Schleimzellen! Aber auch ihr Ersatz aus den \u00c8andzellen l\u00e4sst sich hier oft auf das Entschiedenste nachweisen. Denn w\u00e4hrend in der ruhenden Dr\u00fcse die Peripherie der\n:\n4g\n- * <%.\n\n* -\n'*,*w*\u00b1. \u00fcr 'ff\n\n\u00df\n'\u25a0V!#\n\u201cx *4 X\n8-5.\nFig. 25. Gld. sublingualis.\nAcini von grossen Complexen granulirter Rand- Zerst\u00f6rung der schieimzeiien. zellen eingenommen ist und manche Acini ganz\nvon denselben erf\u00fcllt werden, findet man nach m\u00e4ssiger Reizung nicht selten mitten zwischen jenen granulirten Zellen einzelne, die durch ihre Aufhellung den Beginn der Schleimmetamorphose bekunden. W\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit also lassen sich in dieser Dr\u00fcse die Lebensstadien der Schleimzelle : Hervorbildung aus protoplasmareichen Randzellen, Absonderung, Untergang unmittelbar verfolgen. Die Mucin-metamorphose der Randzellen tritt bei der Sublingualis mithin auch w\u00e4hrend der Absonderung sichtlich ein, w\u00e4hrend sie bei den erstbesprochenen Dr\u00fcsen vorzugsweise w\u00e4hrend der Ruhe vorzugehen scheint. Alle Processe verlaufen in der Unterzungendr\u00fcse, entsprechend ihrer \u00fcberaus tr\u00e4gen Absonderung, langsamer und deshalb in leichter verfolgbarer Weise, als in der Unterkieferdr\u00fcse.\nWenn nun bei den zusammengesetzten, mit Randzellen und Schleimzellen versehenen Schleimdr\u00fcsen Zerst\u00f6rung der Schleimzellen in gr\u00f6sserem Umfange sich nur bei sehr energischer und anhaltender Th\u00e4tigkeit gestaltet, so tritt dieser Process bei der gew\u00f6hnlichen geringgradigen Th\u00e4tigkeit gewiss nur in l\u00e4ngeren Zeitr\u00e4umen ein und ergreift immer nur einzelne Stellen gleichzeitig. Der Unterschied in dem Verhalten ist aber offenbar nur ein gradueller, kein speeitiseher ; der physiologische Versuch dr\u00e4ngt in eine kurze Spanne zusammen, was sonst l\u00e4ngere Zeit beansprucht; aber grade dadurch","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge, t. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nwird er zum Mittel des Verst\u00e4ndnisses von \\ org\u00e4ngen, die sonst ihrer Langsamkeit wegen der Wahrnehmung entgehen w\u00fcrden.\nNicht unerw\u00e4hnt mag bleiben, dass bei lange anhaltender Th\u00e4-tigkeit in dem Zwischengewebe der Acini und L\u00e4ppchen sich mehr oder weniger grosse Mengen von Lymphk\u00f6rperchen ansammeln.\nSeit ich im Jahre 1S6S die merkw\u00fcrdigen Ver\u00e4nderungen der Unterkieferdr\u00fcse beschrieb, welche damals das erste Beispiel mikroskopischen Aufschlusses \u00fcber die Dr\u00fcsenth\u00e4tigkeit waren, haben viele Forscher bei Wiederholung meiner Versuche die gleichen Bilder erhalten, aber nicht alle haben sich meiner Deutung angeschlossen. Die breitere Erfahrung, welche ich in zehn Jahren durch die Untersuchung anderer Dr\u00fcsen gewonnen, hat mich zu gewissen Erweiterungen meiner urspr\u00fcnglichen Auffassung gef\u00fchrt, zu welchen namentlich auch die in meinem Institute an-gestellten Untersuchungen Lavdovskt\u2019s beigetragen. Besonders habe ich in meiner ersten Arbeit die prim\u00e4ren Ver\u00e4nderungen der Schleimzellen nicht ausreichend betont, sondern nur gelegentlich bemerkt, dass bei schw\u00e4cherer Reizung in der Mitte der Acini noch mehr oder weniger Schleimzellen anzutreffen seien, die sich durch st\u00e4rkere Granulirung und eirunde Form ihres Kernes vor den Zellen der ruhenden Dr\u00fcse auszeicli-nen. In der Hauptsache aber hat mich immer wieder erneute Untersuchung nur in meinen urspr\u00fcnglichen Ansichten best\u00e4rkt.\nDer wesentliche Punkt der Discussion war der definitive Untergang der Schleimzellen und ihre Neubildung durch Wucherung der Randzellen. W\u00e4hrend Boll 1 sich mit meiner Auffassung einverstanden erkl\u00e4rte, meinte Ewald1 2 das Bild der gereizten Dr\u00fcse in anderer Weise deuten zu k\u00f6nnen. Indem er feinen Schnitten der frischen Dr\u00fcse durch schwach ammoniaka-lische Carminl\u00f6sung ihren Schleim entzog, glaubte er auf diesem k\u00fcnstlichen Wege das genaue Bild der Zellen der gereizten Dr\u00fcse erhalten zu haben; es beruhe demnach der Unterschied der Zellen der ruhenden und der gereizten Dr\u00fcse nur auf ihrem Schleimverluste. Die Aelmlichkeit der Zellen einer k\u00fcnstlich entschleimten Dr\u00fcse mit denen einer anhaltend gereizten ist aber nur eine ziemlich entfernte; k\u00f6rnig und f\u00e4rbbar sind jene nur, wenn in ihnen Carminniedersclil\u00e4ge entstehen. K\u00e4me es nur auf die L\u00f6sung des Schleimes durch die secernirte Fl\u00fcssigkeit an, so m\u00fcsste die Ver\u00e4nderung der Zellen um so bedeutender ausfallen, je reichlicher die Fl\u00fcssigkeitssecretion, was aber keineswegs der Fall ist. Wenn eine Sub-maxillaris bei anhaltender Reizung des Sympathicus nur 2\u20143 Ccm. Secret geliefert hat, ist sie viel hochgradiger ver\u00e4ndert, als wenn die anderseitige Dr\u00fcse die f\u00fcnffache Fl\u00fcssigkeitsmenge unter der Einwirkung des cerebralen Nerven abgesondert hat.\nPfl\u00fcger 3 giebt zwar zu, dass der total verschiedene Eindruck, welchen die Zellen der gereizten und der ungereizten Dr\u00fcsen machen, sehr stark im Sinne eines Ersatzes untergegangener Schleimzellen durch neuge-\n1\tBoll, Arch. f. microscop. Anat. Y. S. 334. 1869.\n2\tEwald, Beitr\u00e4ge zur Histologie und Physiologie der Speicheldr\u00fcse des Hundes. Diss. Berlin 1870.\n3 Pfl\u00fcger. Strieker\u2019s Gewebelehre S. 329. Leipzig 1871.","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Morphologische Ver\u00e4nderungen w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit.\n69\nbildete Elemente spreche; aber es bleibe doch die M\u00f6glichkeit; dass nur eine Alteration der chemischen Constitution der Zelle durch die Th\u00e4tigkeit die Verschiedenheit des Aussehens bedinge. Nachdem ich an das Studium der Schleimdr\u00fcsen die Untersuchung der Magendr\u00fcsen, des Pancreas und der Eiweissdr\u00fcsen gereiht, bin ich der Letzte, zu bestreiten, dass ein und dieselbe Dr\u00fcsenzelle in ihren verschiednen Th\u00e4tigkeitsphasen eine durchaus verschiedne morphologische Constitution aufweisen k\u00f6nne; ebenso erkenne ich vollst\u00e4ndig an, dass die Schleimzelle in den ersten Stadien ihrer Th\u00e4tigkeit ein von dem Anblicke des Ruhezustandes vollst\u00e4ndig verschiedenes Aussehen zeigt. Trotzdem sprechen die Thatsachen mit Evidenz f\u00fcr ihren endlichen Untergang und f\u00fcr die Wucherung der Randzelleneomplexe, \u00fcber welche letztere meine eigenen Beobachtungen, wie die sch\u00f6nen Pr\u00e4parate Lavdovky\u2019s, der die Ver\u00e4nderungen der \u201e Halbmonde \u201d Schritt f\u00fcr Schritt verfolgte, nicht den mindesten Zweifel lassen.\nDer gewichtigste Einwand gegen mich in der ganzen Discussion r\u00fchrt von Ebner1 2 3 her, der Nachweis n\u00e4mlich, dass in den Schleimdr\u00fcsen der Schleimh\u00e4ute die Randzellen ganz fehlen. Allgemein g\u00fcltig ist dieser Satz nicht, wie auch z. B. Klein 2 in den Schleimdr\u00fcsen des Oesophagus beim Hunde Halbmonde fand, aber ich habe mich \u00fcberzeugt, dass in der That in der Mundh\u00f6hle Schleimdr\u00fcsen Vorkommen, welche nirgends jene Zellen erkennen lassen. Wie diese sich bei der Th\u00e4tigkeit verhalten, ist durch Lavdovsky bis zu einem gewissen Grade ermittelt; ihre Elemente zeigen analoge Ver\u00e4nderungen, wie die Schleimzellen der Submaxillaris in den ersten Stadien der Th\u00e4tigkeit. Aber es beweist ja gerade die Anwesenheit der Randzellen in gewissen Dr\u00fcsen die abweichende Natur der letzteren von jenen einfachen Schleimdr\u00fcsen. Was f\u00fcr die einen g\u00fcltig ist, braucht es noch nicht f\u00fcr die andern zu sein ; Aehnlichkeit ist noch nicht Identit\u00e4t.\nBei der Inconstanz der Halbmonde in den schleimbereitenden Dr\u00fcsen h\u00e4lt Hebold 3 es f\u00fcr wahrscheinlich, dass die Lunulae erst in Folge der Absonderung entstehen, wenn einzelne Zellen der Alveolen ihren Schleim entleeren und zusammenfallen. In den auf diese Weise ver\u00e4nderten Schleimzellen k\u00f6nnten immerhin Theilungsprocesse stattfinden, um Ersatz f\u00fcr zu Grunde gehende Schleimzellen zu liefern. Diese gewissermassen vermittelnde Auffassung scheint mir jedoch nicht das Richtige zu treffen. Denn bei der Absonderung werden doch wohl diejenigen Zellen zun\u00e4chst in Anspruch genommen werden, welche dem Lumen benachbart liegen. Die protoplasmareichen Zellen befinden sich aber immer n\u00e4chst der Mbr. propria, von dem Lumen durch Schleimzellen getrennt. Zudem deutet die Constanz der Lunulae in bestimmten Dr\u00fcsen, wie ihre verschiedenartige Ausbildung in der Unterkiefer- und Unterzungendr\u00fcse darauf hin, dass es sich hier nicht um zuf\u00e4llige, von schwankenden Absonderungsverh\u00e4ltnissen abh\u00e4ngige, sondern um ganz typische Verh\u00e4ltnisse handelt, die in der Anlage der Dr\u00fcsen begr\u00fcndet sind.\n1\tEbner, Die acin\u00f6sen Dr\u00fcsen der Zunge. Graz 1ST3.\n2\tKlein, Quarterly journal of microscopical. N. S. XIX. p. 152.\n3\tIIebold , Ein Beitrag zur Lehre von der Secretion und Regeneration der Schleimzellen. Bonn 1S79.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70 Heidenhain, Physiologie (1er Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Absclm. Speicheldr\u00fcsen.\nEiner der neuesten Autoren auf dem vorliegenden Gebiete, J. Bermann ', kommt nach seinen Beobachtungen an der Submaxillaris der Katze zu \u00e4hnlichen Schlussfolgerungen Avie ich : das Zugrundegehen der Schleimzellen und ihr Ersatz von den Randzellencomplexen aus ist ihm nicht zweifelhaft. Er hat aber, da er Speichelsecretion durch F\u00fctterung oder durch subcutane Morphiuminjection erzielte, weder die einzelnen Stadien der Ver\u00e4nderungen so genau verfolgt wie ich und Lavdovsky, noch auch so hohe Grade derselben erzielt, wie man sie durch mehrst\u00fcndige Ner-venreizung erreicht. Wenn Bermann aber, obschon er niemals selbst einen Speichelversuch angestellt hat, \u00fcber die Erfolge der Reizung der Speichelnerven sich dahin aus spricht, es seien derartige Versuche zwar physiologisch interessant, aber nicht beweiskr\u00e4ftig f\u00fcr die Art und Weise der Driisensecretion, so beruht diese Aeusserung ebenso auf einem Missver-st\u00e4ndniss der Bedeutung des physiologischen Versuches, wie die Ansicht mancher anderer Autoren, dass eine lange von ihren Nerven aus in Th\u00e4-tigkeit erhaltene Dr\u00fcse nicht mehr ein normales, sondern ein pathologisches Organ sei. Der physiologische Versuch \u00fcbertreibt h\u00e4utig genug das normale Geschehen, um zu einer Einsicht in dasselbe zu gelangen, und dr\u00e4ngt den Ablauf von Processen in einen kurzen Zeitraum zusammen, die f\u00fcr gew\u00f6hnlich zu ihrer Entwicklung weit l\u00e4ngere Dauer beanspruchen. Wer wird die S\u00e4uerung des Muskels bei anhaltendem Tetanisiren f\u00fcr eine pathologische Erscheinung halten, obschon bei einer in gew\u00f6hnlichen Grenzen sich bewegenden Th\u00e4tigkeit die Muskeln nicht sauer werden? Jedermann schliesst, dass auch im letzteren Fall S\u00e4ure gebildet, aber durch die Alkalien der S\u00e4fte schnell neutralisirt wird. So deutet die colossale Ver\u00e4nderung der lange gereizten Dr\u00fcsen auch nur in Fracturschrift an, was bei k\u00fcrzerer Th\u00e4tigkeit sich nur in kleineren Lettern und deshalb schwerer erkennbar ausgedr\u00fcckt findet.\nUebrigens muss ich bez\u00fcglich des letzteren Eiwandes nachdr\u00fccklichst betonen, dass auch durch blosse F\u00fctterung die allerst\u00e4rksten Grade der Ver\u00e4nderung der Unterkieferdr\u00fcse, wie sie anhaltende Chorda-Reizung herbeif\u00fchrt, erzielt werden k\u00f6nnen, wenn die F\u00fctterung nur hinreichend lange geschieht. Es giebt Hunde von so vortrefflichem Appetite, dass sie von in beliebiger Menge zur Disposition gestellten Speisen Tag und Nacht in Zwischenr\u00e4umen von nur wenigen Stunden den ausgiebigsten Gebrauch machen. Bei solchen Thieren findet man nach zwei Tagen die Submaxillaris in den st\u00e4rksten Graden der Ver\u00e4nderung, welche Reizung der Absonderungsnerven herbeizuf\u00fchren im Stande ist. Wenn Hermann derartige Beobachtungen nicht angestellt hat, so liegt der Grund ganz allein in unzureichendem Untersuchungsmaterial. Dasselbe gilt f\u00fcr die Bemerkungen von Klein\nZu denjenigen Erscheinungen, welche f\u00fcr lebhafte Zellbildung in den anhaltend th\u00e4tigen Dr\u00fcsen sprechen, geh\u00f6rt das Auftreten zahlreicher Speichelk\u00f6rperchen in ihrem Secrete. Pfl\u00fcger 11 h\u00e4lt dieselben f\u00fcr Pro-\n1\tJ. Bermann, Pie Zusammensetzung der Gld. submaxillaris aus verschiednen Dr\u00fcsenformen. W\u00fcrzburg 1S7S.\n2\tKlein, Quarterly journal of microscopical science. N. S. XIX. p. 145.\n3\tPfl\u00fcger. Strieker\u2019s Gewebelehre S. 327. Leipzig 1S71.","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Morphologische Ver\u00e4nderungen w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit.\n71\nducte nicht der Dr\u00fcsen selbst, sondern einer catarrlialischen oder entz\u00fcndlichen Reizung ihres Ganges, hervorgerufen durch die Einwirkung der Can\u00fcle. Ich kann dieser Annahme nicht beistimmen. Denn wenn auch bei der Submaxillaris allerdings Speichelk\u00f6rperchen nur selten \u2014 obschon immerhin ab und zu \u2014 sofort bei Beginn eines Reizversuches auftreten, so ist dies bei der Sublingualis der h\u00e4ufigere Fall. Gleich die ersten Secrettropfen pflegen mit am\u00f6boiden Zellen bev\u00f6lkert zu sein, unmittelbar nach Einf\u00fchrung der Can\u00fcle, also zu einer Zeit, wo von einer Entz\u00fcndung noch schlechterdings nicht die Rede sein kann. Die Speichelk\u00f6rperchen werden nat\u00fcrlich um so schwerer aufzufinden sein, je gr\u00f6sser die Fl\u00fcssigkeitsmenge, in der sie sich vertheilen. Wenn man deshalb die Submaxillaris ohne Pausen secerniren l\u00e4sst, findet man sie nur sp\u00e4rlich und sucht oft vergeblich. Bei Unterbrechung der Absonderung oder sehr langsamer Secretion werden sie aber auch dann nicht vermisst, wenn in den Gang keine Can\u00fcle eingef\u00fchrt ist. Hat man den Ramus lingualis Quinti oder die Chorda in der Paukenh\u00f6hle durchschnitten, so wimmelt am n\u00e4chsten Tage das Secret von ihnen, weil sie bei der Unterbrechung der Absonderung in der Dr\u00fcse sich in gr\u00f6sserer Menge angesammelt haben.\nSchliesslich sei noch erw\u00e4hnt, dass ganz k\u00fcrzlich Garel 1 in einer sorgsamen histologischen Arbeit, die jedoch von allen Erfahrungen physiologischer Versuche Umgang nimmt, den Randzellen-Complexen eine weitaus andere Bedeutung, als die in der obigen Darstellung entwickelte, beilegt. Seiner Ansicht nach sollen, wo auch immer in den Dr\u00fcsen des Verdauungstractus granulirte Zellen Vorkommen, gleichviel ob in den Speichel- oder in den Magendr\u00fcsen, diese Zellen St\u00e4tten der Fermentbildung sein. Er stellt die Randzellen der Speicheldr\u00fcsen in vollst\u00e4ndigste Parallele mit den sp\u00e4ter zu beschreibenden Belegzellen der Magendr\u00fcsen. Allein es ist darauf einfach zu erwidern, dass diese Annahme den Tliat-sachen widerspricht. Denn keine der Dr\u00fcsen, welche Giann\u00fczzi sehe Rand-complexe in noch so ausgebildetem Zustande besitzen, bildet diastatisches Ferment : weder die Submaxillaris, noch die Sublingualis der Fleischfresser, noch die der Wiederk\u00e4uer oder des Pferdes u. s. f. Ebensowenig ist die Parotis der Fleischfresser, welche doch nur granulirte Zellen enth\u00e4lt, mit der Bildung diastatischen Fermentes betraut. Die physiologischen Hypothesen Gauels sind also trotz der Genauigkeit seiner morphologischen Untersuchungen v\u00f6llig unhaltbar.\nDasselbe gilt von \u00e4hnlichen Aeusserungen Nussbaum\u2019s 2 und Bufa-lixi\u2019s 1 2 3.\nSo viele Autoren sich auch gegen die Bedeutung der Randzellen als Keimlager f\u00fcr die Neubildung zerst\u00f6rter Schleimzellen ausgesprochen haben, so hat doch Keiner derselben den positiven Nachweis einer andersartigen Function jener Gebilde beigebracht. Wenn vermuthet worden ist, dieselben m\u00f6chten speeifische Organe f\u00fcr die Wasserabsonderung sein, so kenne ich keine einzige Thatsache, welche dieser Hypothese das Wort\n1\tGarel, Recherches sur l\u2019anatomie g\u00e9n\u00e9rale compar\u00e9e et la signification morphologique des glandes de la muqueuse intestinale et gastrique. Paris 1879.\n2\tNussbaum, Die Fermentbildung in den Dr\u00fcsen S. 7. Bonn 1876.\n3\tBufalini. Rendiconto delle ricerche sperimentali eseguite nel cabinetto della r universita di Siena. 187s\u20141879. Secondo quadrimestre p. 30 u. 31.","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"7 2 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nredete. Entspr\u00e4che sie den wirklichen Verh\u00e4ltnissen, so m\u00fcsste die Gr\u00f6sse der Wasserabsonderung in den verschiednen Dr\u00fcsen offenbar im Verh\u00e4ltnis zu der Gr\u00f6sse der Randzellencomplexe stehen : je entwickelter die letzteren, desto wasserreicher m\u00fcsste der Speichel sein, \u2014 eine in der Erfahrung keineswegs begr\u00fcndete Folgerung. Denn der Sublingualspeichel ist trotz der m\u00e4chtigen Lunulae der Dr\u00fcse weit wasser\u00e4rmer, als der Submaxillarspeichel bei der schwachen Entwicklung der Halbmonde.\nF\u00dcNFTES CAPITEL.\nBruchst\u00fccke zu einer dereinstigen Theorie der\nSpeichelabsonderung.\nI. Die IV asserabsonderung.\nEine durchgearbeitete Theorie der Wasserabsonderung in den bisher besprochenen Dr\u00fcsen begegnet f\u00fcr jetzt noch un\u00fcberwindlichen Schwierigkeiten. Die einfachen physikalischen Vorstellungen, welche wir aus der Lehre von der Filtration, Diffusion u. s. f. zu der Analyse des Vorganges mitbringen, reichen nicht hin, um der Verwicklungen desselben Herr zu werden. Noch harrt eine Vorfrage von fundamentaler Bedeutung ihrer Erledigung, die Frage, ob die Triebkr\u00e4fte f\u00fcr den Wasserstrom von den Dr\u00fcsenzellen ausgehn oder ob ausserhalb derselben entspringende Kr\u00e4fte das Wasser durch die Zellen hindurchtreiben, um die in ihnen gebildeten l\u00f6slichen Substanzen auszuschwemmen.\nAnnahmen der letzteren Art sind oft genug gemacht worden. \u2014 Man hat die Capillardrucksteigerung, welche die Drlisenth\u00e4tigkeit begleitet, als Ursache des Wasserstromes angesehen. Dass sie es nicht sei, ist oben schlagend gezeigt worden.\nGiannuzi 1 wollte die Blutdrucksteigerung in der Dr\u00fcse wenigstens f\u00fcr einen Theil des Weges, den das Wasser von den Blutgef\u00e4ssen aus bis in die Dr\u00fcsenr\u00e4ume zur\u00fccklegt, verantwortlich machen. Die Wasserabsonderung zerfalle in zwei von einander unabh\u00e4ngige Acte, erstens die Filtration durch die Capillarw\u00e4nde in die Lympli-r\u00e4ume, zweitens die Ueberfiihrung des Wassers aus diesen in die Dr\u00fcsenr\u00e4ume. Die erstere sollte rein mechanische Folge der die Chordareizung begleitenden Capillardrucksteigerung, die letztere Folge\n1 Giannfzzi, Ber. tl. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Sitzung v. 27. Vov. 1S65.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Hypothesen \u00fcber den Process der Wasserabsonderung.\n73\nder durch die Absonderungsnerven eingeleiteten Th\u00e4tigkeit der Dr\u00fcsenzellen sein. Es hat sich aber gezeigtl 2 3, dass, so lange die Capil-larw\u00e4nde sich in normalem Zustande befinden, die blosse Beschleunigung des Blutstromes durch die Dr\u00fcse und die Drucksteigerung in ihren Gelassen keine vermehrte Wasserfiltration im Gefolge hat. Denn wenn man die Absonderung durch Atropin auf hebt, f\u00fchrt die Reizung der Chorda trotz der in ganz normaler Weise sie begleitenden Circulations\u00e4nderung in dem Absonderungsorgane keine vermehrte Lymphbildung herbei, selbst dann nicht, wenn w\u00e4hrend der die Dr\u00fcsengelasse erweiternden Chordareizung der Aortendruck durch gleichzeitige Erregung des verl\u00e4ngerten Markes auf maximale Gr\u00f6sse gebracht und so der Druck in den Dr\u00fcsencapillaren zu einer H\u00f6he getrieben wird, welche w\u00e4hrend des gew\u00f6hnlichen Ablaufes des Lebens kaum erreicht werden d\u00fcrfte. Die Lymphbildung steigt also bei arterieller Drucksteigerung in den Speicheldr\u00fcsen ebenso wenig, wie nach Paschutin 2 und Emminghaus 3 in dem Bindegewebe der Extremit\u00e4ten; damit wird aber die Vorstellung Giannuzi\u2019s unhaltbar.\nGiannuzzi hatte, um die Speichelabsonderung aufznheben, in den Gang der Dr\u00fcse behufs Zerst\u00f6rung ihrer Zellen verd\u00fcnnte L\u00f6sungen von Salzs\u00e4ure oder von kohlensaurem Xatron eingespritzt. Bei Reizung der Chorda entstand keine Absonderung mehr, aber nach kurzer Zeit ein m\u00e4chtiges Dr\u00fcsen\u00f6dem durch Ansammlung von w\u00e4sserigem Blutfiltrat in den Lymphr\u00e4umen des Organes, \u2014 nach Giannuzzi ein Beweis daf\u00fcr, dass die Filtration von Wasser durch die Capillarw\u00e4nde durch die blosse Blutstromsbeschleunigung und die sie begleitende Capillardrucksteigerung bei der Chorda - Reizung herbeigef\u00fchrt werde. Allein bei Atropinvergiftung entsteht trotz noch so langer Chorda-Reizung weder eine Spur von Oedem, noch vermehrter Lymphabfluss aus der Dr\u00fcse. Hat man sich von diesem negativen Resultate durch hinreichend lange Chorda-Reizung sattsam \u00fcberzeugt, so kann man den vermissten Erfolg in wenigen Minuten erreichen, wenn man in die atropinisirte Dr\u00fcse Soda- resp. Salzs\u00e4urel\u00f6sung injicirt. Diese Fl\u00fcssigkeiten wirken also auf das Entstehen des Oedems nicht durch Aufhebung der Absonderung, denn sie war ja schon vorher durch das Alkaloid aufgehoben, sondern auf irgend eine andere Weise; \u2014 ohne Zweifel durch Ver\u00e4nderung der Capillarw\u00e4nde, mit denen sie, die Dr\u00fcsenwandungen durchdringend, in unmittelbare Ber\u00fchrung gerathen.\nVon anderen Seiten ist der Versuch gemacht worden, in electrischen Str\u00f6men die Ursache der Absonderung zu sehen, wenn auch nicht gerade bei den Speichel-, so doch bei anderen Dr\u00fcsen. Da die electrischen Erscheinungen der Dr\u00fcsen vorzugsweise an der Froschhaut verfolgt sind, bleibt ihre eingehende Besprechung dem Abschnitte \u00fcber die Hautsecre-tion Vorbehalten; an eine Verwerthung derselben f\u00fcr die Theorie der\n1\tR. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 356. 1ST4.\n2\tPaschutin, Bei*, d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Sitzung v. 21. Febr. 1S73.\n3\tEmminghaus, Ebenda. Sitzung v. 26. Juli 1873.","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74 Heidexhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Ab sehn. Speicheldr\u00fcsen.\nAbsonderung\u2019 ist vorl\u00e4ufig nicht im Entferntesten zu denken, so grosse Wichtigkeit sie vielleicht dereinst in dieser Beziehung erlangen werden.\nEine andere Reihe von Vorstellungen verlegt die Triebkr\u00e4fte f\u00fcr den Wasserstrom in die Dr\u00fcsenzellen selbst. Am ausf\u00fchrlichsten hat Hering eine derartige Theorie entwickelt \\ ankn\u00fcpfend an die Absonderung in der Unterkieferdr\u00fcse des Hundes. In den Zellen derselben entstehe bei Reizung der Chorda ein Colloidstoff von sehr hohem Quellungsverm\u00f6gen, das Mucin, welcher mit grosser Begierde Wasser anziehe und mit demselben eine L\u00f6sung bilde, die als Secret abfliesse. In ihrer physikalischen Einfachheit ansprechend genug und durch Diffusionsversuche mit Colloidsubstanzen, die einen sehr hohen * endosmotischen Druck hervorrufen k\u00f6nnen, von Hering unterst\u00fctzt, ist jene Deutung des Absonderungsvorganges dennoch unhaltbar. Denn zun\u00e4chst erzeugen Dr\u00fcsen, in deren Secret keine Substanz von auffallendem Queliungsverm\u00f6gen nachgewiesen werden kann, wie z. B. die Parotis, einen ann\u00e4hernd ebenso hohen Absonderungsdruck wie die Submaxillaris. Der Gehalt des Parotidenspeichels an organischen Substanzen kann unter 0,1% sinken, w\u00e4hrend die Absonderung lebhaft vor sich geht. Eine so geringe Menge von Albumi-naten, die keineswegs besonders quellbar sind, sollte im Stande sein, verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig so erhebliche Wassermassen durch endosmotische Anziehung in Bewegung zu setzen? \u2014 Dazu kommt, dass bei andern Dr\u00fcsen (z. B. Sublingualis, Orbitalis) das Secret viel mucinreicker ist, als das der Submaxillaris, bez\u00fcglich der Absonderungsgeschwindigkeit aber weit hinter dem letzteren zur\u00fccksteht. Diese sollte aber doch, denke ich, nach Herixg\u2019s Theorie mit dem Mucingehalte wachsen, sofern nicht etwa dem Wasserstrome in jenen Dr\u00fcsen besondere Widerst\u00e4nde entgegen wirken, welche vorauszusetzen nicht der mindeste anatomische Anhalt vorliegt. Ein weiterer Beweis gegen die HERixG\u2019sche Auffassung liegt darin, dass der Quellungsquotient der Substanz der Submaxillaris2 durch die Reizung keineswegs ver-gr\u00f6sser! wird.:; Endlich ist auf die bereits oben er\u00f6rterte Thatsacke hinzuweisen, dass der Sympatkicus des Hundes in der Parotis l\u00f6sliche Absonderungsproducte erzeugt, ohne Wasserabsonderung herbeizuf\u00fchren.\nWenn somit die auf den einfachen Vorgang der Diffusion begr\u00fcndete Theorie Hering\u2019s aufgegeben werden muss, so doch nicht\nt E. Hering. Ber. cl. Wiener Acad. Mathem.-naturwiss. Abth. LXVL 3. Abth. 1872. S. 8.3.\n2\td. h. die von der Gewichtseinheit quellender Substanz aufgenommene Wassermenge.\n3\tR. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 54. 1878.","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Hypothesen \u00fcber den Process der 'Wasserabsonderung.\n75\nder in ihr enthaltene allgemeine Gedanke, dass die Ursache des Wasserstromes in den Absonderungszellen selbst zu suchen sei. An diesem Gedanken wird, glaube ich, jede dereinstige Absonderungstheorie festhalten m\u00fcssen, wie sie sich auch sp\u00e4ter im Einzelnen gestalten mag. Jede wird die fundamentale Thatsache zu ber\u00fccksichtigen haben, dass w\u00e4hrend der Absonderung aus den Blutgef\u00e4ssen der Dr\u00fcse immer nur gerade so viel Wasser austritt, als in dem Secrete erscheint; denn niemals, bei noch so langer, selbst auf die Dauer eines ganzen Tages ausgedehnter Absonderung, wird die Dr\u00fcse \u00f6demat\u00f6s oder beschleunigt sich der Lymphstrom aus derselben. Nach dem Maasse der von den Zellen abgesonderten Fl\u00fcssigkeitsmenge richtet sich genau das Maass der aus den Blutcapillaren liltrirenden Fl\u00fcssigkeitsmenge. Diese Gleichheit der Absonderungs- und der Filtrationsmenge scheint nur erkl\u00e4rlich unter der Annahme, dass die Absonderung die Ursache des Wasserstromes ist, dass mit andern Worten der Wasserverlust der Zellen an das Secret in diesen eine Ver\u00e4nderung erzeugt, welche zu einer genauen Deckung des Verlustes aus der Umgebung f\u00fchrt. Bis zu einer gewissen Grenze kommt man bei der Weiterentwicklung dieses Gedankens mit rein mechanischen Vorstellungen aus, wie die folgende Erw\u00e4gung ergibt. Setzen wir im Innern der Zellen zun\u00e4chst der ruhenden Dr\u00fcse Wasser anziehende Substanzen irgend welcher Art voraus; am nat\u00fcrlichsten ist es vielleicht, die Gesammtmasse des Protoplasmas selbst als die geforderte quellbare Substanz anzusehn. Die Zellen werden, da sie der Mbr. propria anliegen, zun\u00e4chst aus dieser Wasser entnehmen, letztere wird ihren Verlust aus dem sie nach Aussen hin begrenzenden Lymphraume und dieser wiederum aus den Blutcapillaren decken, ln dem Innern der Zellen wird das Wasser allm\u00e4hlich nach Maassgabe seines Eintrittes in dieselben unter wachsender Spannung versetzt, bis schliesslich letztere der Kraft, mit welcher das Wasser angezogen wird (\u201e endosmotische KraftJ M. Traube\u2019s) das Gleichgewicht h\u00e4lt. Von da ab wird der Wasserstrom aus den Blutcapillaren nach dem Innern der Zellen auf h\u00f6ren; es wird sich ein Gleichgewichtszustand hersteilen, welcher so lange andauert, als die Dr\u00fcse ruht. Der Leser wolle beachten, dass diese Vorstellung die den Wasserstrom bewirkende Substanz nicht erst durch die Nervenerregung entstehen, sondern bereits w\u00e4hrend des unth\u00e4tigen Zustandes in den Zellen vorhanden sein l\u00e4sst. Der Austritt von Wasser aus den Zellen wird durch Filtrationswiderst\u00e4nde verhindert, welche von der Grenzschicht des Protoplasmas ausgehen, \u2014 eine den Pflanzenphysiologen seit lange gel\u00e4ufige Vorstellung.","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Absehn. Speicheldr\u00fcsen.\nDie Nervenerregung soll nun keine andere Einwirkung haben, als die unmittelbare Folge, dass aus den Zellen nach dem Lumen des Acinus hin Wasser abgegeben wird. In Folge dieses Wasserverlustes geht die Spannung des Wassers im Innern der Zellen herunter, sie vermag der endosmotischen Kraft der Inhaltsbestandtheile der Zelle nicht mehr das Gleichgewicht zu halten; es beginnt von neuem der schon oben er\u00f6rterte Wasserstrom, welcher seine letzte Quelle in den Blutcapillaren hat, um so lange fortzudauern, als die Zellen an ihrer Innenseite Wasser verlieren. Wenn nach Schluss der Nervenreizung der Wasserverlust der Zellen aufh\u00f6rt, steigt die Spannung in ihrem Innern bald zu einer der endosmotischen Kraft gleichwertigen Gr\u00f6sse, die Wasserbewegung h\u00f6rt auf, die Dr\u00fcse befindet sich in ihrem Ruhezust\u00e4nde.\nWie nun freilich unter dem Einfl\u00fcsse der Nervenreizung die Zellen veranlasst werden, Wasser an ihrer Innenseite zu verlieren, dar\u00fcber sich eine Vorstellung zu machen ist vorl\u00e4ufig unm\u00f6glich. Vielleicht werden die Filtrationswiderst\u00e4nde, welche das in den Zellen unter hoher Spannung befindliche Wasser an der Protoplasmagrenzschicht findet, durch die Einwirkung der Nerven an der Innenseite der Zellen durch irgend eine moleeul\u00e4re Umlagerung herabgesetzt; vielleicht treten an dem Protoplasma der Zellen Contractionen auf, wie bei manchen Infusorien, aus deren Leibessubstanz zu gewissen Zeiten Wasser gepresst wird, um sich im Innern derselben in Tropfenform anzusammeln (Vacuolenbildung), nur dass bei den Dr\u00fcsenzellen der Austritt nicht in ihrem Innern, sondern an bestimmten Stellen ihrer Oberfl\u00e4che erfolgt. Vielleicht auch entwickelt sich unter dem Nerveneinflusse in dem Protoplasma zun\u00e4chst reichlich Kohlens\u00e4ure, welche den Wasseraustritt aus dem Protoplasma veranlasst; denn wir wissen z. B., dass Muskeln in einer Kohlens\u00e4ureatmosph\u00e4re Wasser verlieren. Es ist f\u00fcr jetzt unfruchtbar hier weitere M\u00f6glichkeiten auszusinnen, da keine bis jetzt sich erweisen oder widerlegen l\u00e4sst. Nur so weit m\u00f6chte ich die obigen Er\u00f6rterungen als Ankn\u00fcpfungspunkt f\u00fcr k\u00fcnftige Discussionen oder Forschungen ansehen, als sie erstens die unmittelbare Folge der Nervenwirkung in einer Wasserabgabe der Zellen sieht und zweitens auf mechanisch verst\u00e4ndliche Weise die Gr\u00f6sse dieser Wasserabgabe das Maass sein l\u00e4sst f\u00fcr die Fl\u00fcssigkeitsbewegung aus den Blutcapillaren nach den Dr\u00fcsenzellen, \u2014 ein durch die unmittelbar beobachteten Thatsachen mit Nothwendigkeit gefordertes Verh\u00e4ltniss.\nStellt man sich auf den Boden der eben entwickelten Anschauung, so f\u00e4llt jede Verlegenheit fort, die H\u00f6he des Secretionsdruckes und","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Hypothesen \u00fcber den Process der Wasserabsonderung.\n77\nseine Unabh\u00e4ngigkeit von dem Blutdrucke zu verstehen, wenn man die Wasser anziehende Kraft des Protoplasmas innerhalb der Grenzen sich bewegen l\u00e4sst, welche Pfeffer1 f\u00fcr die osmotische Druck-h\u00f6he sehr vieler anorganischer und organischer Verbindungen gefunden hat, und als austreibende Kr\u00e4fte Contractionen der Zellen zu Hilfe nimmt.\nWenn ich in den voraufgehenden Zeilen mich auf das Feld blosser Hypothese begeben habe, so mag eine Entschuldigung daf\u00fcr in der Ueber-zeugung gefunden werden, dass f\u00fcr die Weiterf\u00f6rderung der Lehre von der Speichelabsonderung, nachdem reichlicheres thats\u00e4chliches Material, als f\u00fcr irgend eine andere Absonderung, gewonnen worden ist, der Versuch kaum l\u00e4nger umgangen werden darf, eine Vorstellung irgend welcher Art von dem Absonderungsproeesse auszubilden, welche als leitender Gesichtspunkt f\u00fcr fernere Forschung dienen kann. Das Wesentliche an der entwickelten Vorstellung ist allein die Verlegung der Triebkr\u00e4fte f\u00fcr den Wasserstrom in die Zellen und die Zur\u00fcckf\u00fchrung des gesammten Str\u00f6mungsvorganges auf den Verlust des Zellprotoplasmas an Wasser als mechanische Folge dieses Verlustes, dessen Ursachen ich ganz und gar dahingestellt sein lassen muss.\nBez\u00fcglich des ersten Punctes, der Verlegung n\u00e4mlich der Triebkr\u00e4fte f\u00fcr den Wasserstrom in die Zellen, bin ich selbst fr\u00fcherhin zweifelhaft gewesen, weil eine thats\u00e4cliliche Erfahrung sich mit jener Annahme schwer vereinigen zu lassen schien. Wenn man w\u00e4hrend der Reizung der Chorda tympani den Ausf\u00fchrungsgang der Unterkieferdr\u00fcse schliesst, wird die letztere schnell \u00f6demat\u00f6s, weil das durch die Zellen der Acini abgesonderte Wasser in den Dr\u00fcseng\u00e4ngen nach Aussen filtrirt, sobald die Spannung des Secretes innerhalb der G\u00e4nge eine gewisse H\u00f6he erreicht hat. Die L\u00e4ppchen und Acini der Dr\u00fcse weichen auseinander, in den zwischen ihnen befindlichen Lymphspalten sammeln sich sichtbare Mengen von Fl\u00fcssigkeit an. Es sollte nun, meine ich, wenn wirklich die Wasserfiltration aus den Capillaren mit H\u00fclfe der Wasseranziehung durch irgend welche Bestandteile der Zelle zu Stande kommt, der die Acini umsp\u00fclende Fl\u00fcs-sigkeitsvorrath mehr als gen\u00fcgen, um den Durst der Zellen zu befriedigen. Es m\u00fcsste, scheint es, von einem gewissen Momente ab ein Kreislauf des W assers derart sich einrichten, dass die Dr\u00fcsenzellen aus den Lymphspalten ebensoviel Wasser entnehmen, als durch die Wandung der Dr\u00fcseng\u00e4nge in dieselben zur\u00fcckkehrt. Von diesem Augenblicke ab d\u00fcrfte das Oedem nicht weiter zunehmen, und doch w\u00e4chst dasselbe fort und fort und erreicht zuletzt colossale Dimensionen. Diese Erscheinung schien mir jeder irgend wie gearteten Anziehungshypothese zu spotten und der Annahme einer von den Secretionszellen unabh\u00e4ngigen, durch die Nervenerregung gesetzten Triebkraft f\u00fcr den Wasserstrom das Wort zu reden. Allein es bleibt doch ein Weg zur Erkl\u00e4rung jenes Oedems, der mir fr\u00fcherhin trotz alles Suchens entgangen ist. Sobald sich das Oedem zu entwickeln beginnt, steigt die Spannung der die ganze Dr\u00fcse umgebenden Bindegewebskapsel in hohem Maasse; in Folge dessen m\u00fcssen die Dr\u00fcsen-\n1 Pfeffer. Osmotische Untersuchungen S. 72 ff. Leipzig 1S77.","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. !. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nvenen, welche die Kapsel durchbohren, an ihrer Durchtrittsstelle durch dieselbe comprimirt werden. So setzt das k\u00fcnstliche Filtrations\u00f6dem Erschwerung des Blutabflusses aus der Dr\u00fcse und damit ein Stauungs\u00f6dem, welches sich um so st\u00e4rker entwickelt, als ja bei der Chorda-Reizung der capill\u00e4re Blutdruck erheblich steigt. Diese einfache Deutung des fort und fort steigenden Oedems enthebt uns der Schwierigkeit, nach Triebkr\u00e4ften f\u00fcr den Wasserstrom zu suchen, welche, ausserhalb der Zellen entspringend, das Wasser aus den Blutgef\u00e4ssen heraus und sofort bis in die Dr\u00fcsenr\u00e4ume hin\u00fcbertreiben m\u00fcssten.\nII. Kurze Uebersiclit \u00fcber den gesummten Absonderungs-\nvorgang.\nIn kurzer Zusammenstellung, bei welcher ich jede Wiederholung von Einzelheiten vermeide, w\u00fcrde sich nun das Bild des Absonderungs Vorganges in den Eiweiss- und den Schleimdr\u00fcsen folgender-massen gestalten.\nIm Ruhezust\u00e4nde bildet sich aus dem Protoplasma der Dr\u00fcsenzellen organisches Absonderungsmaterial, welches, in der Zelle mi-croscopisch nachweisbar, zwar noch nicht die specifischen organischen Secretionsproducte, wohl aber Vorstufen derselben darstellt. Die ausgeruhte Zelle ist deshalb arm an Protoplasma, reich an jenen Umsetzungsproducten desselben.\nIn der t\u00e4tigen Dr\u00fcse laufen zwei Reihen von Vorg\u00e4ngen unabh\u00e4ngig von einander neben einander her, welche unter der Herrschaft zweier verschiedner Classen von Nervenfasern stehen: secre-torische Fasern bedingen die Fl\u00fcssigkeitsabsonderung, trophische Fasern bedingen chemische Processe in der Zelle, die theils zur Bildung l\u00f6slicher Secretbe'Standtheile, theils zu einem Wachsthum des Protoplasmas f\u00fchren.\nJe nach dem Mischlingsverh\u00e4ltniss der beiden Fasereiassen in den zu jeder Dr\u00fcse tretenden Nervenst\u00e4mmen fliesst das Secret bei Reizung dieser St\u00e4mme schneller (cerebraler Nerv) oder langsamer (Svmpathicus) und ist dasselbe \u00e4rmer oder reicher an festen Bestandteilen. Je nach der St\u00e4rke der Reize \u00e4ndert das Secret ebenfalls die Geschwindigkeit, mit der es zu Tage tritt, wie seine chemische Zusammensetzung.\nW\u00e4hrend l\u00e4ngerer Absonderung wird der Vorrath an Absonde-rungsmaterialien in der Dr\u00fcsenzelle schneller verbraucht, als er sich aus dem Protoplasma ersetzt; das Secret nimmt an organischen Be-standtheilen ab, die Zelle \u00e4ndert ihr microscopisches Aussehn.\nZur Aenderung des letzteren tr\u00e4gt aber auch die Vermehrung","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Zusammenfassung der den Absonderungsvorgang betreffenden Thatsachen. 79\ndes Protoplasmas bei, welches in der th\u00e4tigen Dr\u00fcse w\u00e4chst, sowie die chemische Umwandlung des Kernes, die in allen th\u00e4tigen Dr\u00fcsen in gleicher Weise wiederkehrt.\nDie Absonderungszellen der Schleimdr\u00fcsen gehen nach l\u00e4ngerer Th\u00e4tigkeit zu Grunde; Ersatz wird durch Wucherung der Randzellen geliefert.\nDie Triebkr\u00e4fte f\u00fcr den Wasserstrom gehen ohne allen Zweifel von dem Protoplasma der Dr\u00fcsenzellen aus. Wie die Einwirkung der secretorischen und der trophischen Nervenfasern zu denken sei, um die unter ihrem Einfl\u00fcsse stattflndenden Vorg\u00e4nge einzuleiten, bedarf weiterer Untersuchung. Eine solche wird in den Kreis ihrer Erw\u00e4gungen ganz besonders auch die Thatsachen der ergiebigen Kohlens\u00e4urebildung und der erheblichen Temperatursteigerung bei der Absonderung zu ziehen haben, welche vorl\u00e4ufig nur als Beweise f\u00fcr das Stattfinden lebhafter chemischer Processe in der Dr\u00fcse gelten, ohne das Verst\u00e4ndniss der in den Dr\u00fcsenzellen verlaufenden Processe n\u00e4her zu r\u00fccken. Darf man bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse eine Vermuthung bez\u00fcglich der Kohlens\u00e4urebildung und der sie begleitenden W\u00e4rmeentwicklung hegen, so d\u00fcrften diese Processe meiner Ansicht nach nicht sowohl mit dem eigentlichen Absonderungsacte, als mit dem Wachsthum des Protoplasmas der Dr\u00fcsenzellen Zusammenh\u00e4ngen. Die Bildung von Mucin (oder Mucigen) aus Eiweiss l\u00e4sst eine erhebliche W\u00e4rmeentwicklung nicht erwarten, da die Verbrennungsw\u00e4rme der beiderlei chemischen Verbindungen nahezu die gleiche sein wird. Dagegen wissen wir, dass bei den Wachsthumsprocessen sowohl Kohlens\u00e4ureentwicklung als W\u00e4rmebildung stattfindet, wie Beobachtungen an sich entwickelnden Pflanzenkeimen, an sich entfaltenden Blitthen, an dem H\u00fchnerei lehren. Bildung von Protoplasma in den Zellen ist aber ein wesentlichster Wachsthumsvorgang, der die absondernde Th\u00e4tigkeit der Eiweiss- wie der Schleimdr\u00fcsen begleitet. Doch f\u00fchle ich wohl, dass derartige Hypothesen \u00fcber die heutige Grenze des Gewussten hinausf\u00fchren: ich habe daher keine Berechtigung, denselben weiter nachzugehen.","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nSECHSTES CAPITEL.\nhie pliysiologisclie Innervation der Speicheldr\u00fcsen.\nI. Die Innerva tionscentra.\nIm gew\u00f6hnlichen Ablaufe des Lebens gerathen die Speicheldr\u00fcsen nur in Th\u00e4tigkeit, wenn sensible Nerven dem centralen Urspr\u00fcnge ihrer Absonderungsnerven Erregungen zuleiten, welche re-flectorisch auf die letzteren \u00fcbertragen werden. Die physiologische Untersuchung hat festzustellen, wo die Centralheerde der Reflex\u00fcbertragung liegen, von welchen Empfindungsnerven aus und durch welche Art von Einwirkungen die Reizung gesetzt werden kann und in welcher Coordination die zur Dr\u00fcse tretenden Nerven reflectorisch erregt werden.\n1. Das Ganglion subma\u00e6illare.\nAls einen ersten centralen Innervationsheerd sah Cl. Bernard 1 das Ganglion submaxillare an. Nach Durchschneidung des Zungenastes des Trigeminus oberhalb des Ganglion konnte er durch Reizung der Zungenschleimhaut mit Aether oder durch (electrische wie chemische) Reizung des ramus lingualis kurz vor seinem Eintritte in die Zunge noch Absonderung der Dr\u00fcse hervorrufen, welche nach Abtrennung des Ganglion ausblieb. Er hielt deshalb das letztere f\u00fcr den Vermittler einer reflectorischen Reizung der Dr\u00fcsenfasern.\nDie Wichtigkeit dieser Angaben nicht bloss f\u00fcr die Physiologie der Speichelabsonderung, sondern in noch viel h\u00f6herem Grade f\u00fcr die Functionen der Ganglien, hat vielfache Nachpr\u00fcfungen veranlasst. Die meisten sind vollst\u00e4ndig negativ ausgefallen; nur Schiff hat bei Benutzung grosser Hunde2 das Thats\u00e4chliche der BEuxAuivschen Angaben bewahrheitet gefunden, so weit es sich um die Reizung des ram. lingualis handelt, aber den Thatsachen eine ganz andere Deutung gegeben, als ihr Entdecker. Nicht alle f\u00fcr die Dr\u00fcse bestimmten Chordafasern treten nach Schiff unmittelbar aus dem Zungenaste des Trigeminus an das Ganglion submaxillare; ein Theil derselben l\u00e4uft zun\u00e4chst in jenem Nervenzweige weiter nach abw\u00e4rts,\n1\tCl. Bernard, Compt. rend. 25. Ao\u00fbt 1S62; Gaz. m\u00e9d. de Paris. 3. s\u00e9r. XVII. ]). 560.\n2\tSchiff, Le\u00e7ons sur la physiologie de la digestion I. p. 2S4 etc. 1S6T.","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Absonderungscentren.\t81\nwendet 3\u20141 Centimeter unterhalb des Ganglions vor der Zunge um und geht r\u00fcckl\u00e4ufig nach dem Ganglion hin. Diese r\u00fcckl\u00e4ufigen, in ein feines F\u00e4dchen gesammelten Fasern sind es, deren Reizung trotz der Durchschneidung des Zungenastes oberhalb des Ganglions die Absonderung veranlasst. Trennt man den Zungenast kurz vor seinem Eintritte in die Zunge, oder auch nur jenes Nervenf\u00e4dchen f\u00fcr sich, so ruft die Reizung nach einigen Tagen keine Absonderung mehr hervor, weil die r\u00fcckl\u00e4ufigen Fasern degenerirt sind. \u2014\n2. Das verl\u00e4ngerte Mark.\nDie anatomischen Urspr\u00fcnge des Facialis und des Glossopha-ryngeus liegen bekanntlich in bestimmten Nervenkernen des verl\u00e4ngerten Markes. Daraus ergiebt sich von selbst der durch Versuche leicht zu best\u00e4tigende Schluss, dass in jenen Kernen der Med. oblongata auch die functioneilen Centra f\u00fcr die cerebralen Absonderungsnerven jener Dr\u00fcsen zu suchen sein werden. In der That kann man bei einem Thiere, dessen Grosshirn von dem verl\u00e4ngerten Marke durch Querdurchschneidung des pons Varoli getrennt ist, noch ergiebige Absonderung durch Reizung der Zungenschleimhaut erhalten. Directe Reizung des verl\u00e4ngerten Markes durch Stichverletzung f\u00fchrt, wie schon Cl. Bernard1 2 wusste, Absonderung herbei; der Stich solle den Boden des vierten Ventrikels ein wenig hinter dem Urspr\u00fcnge des nv. Trigeminus treffen. Genauere Versuche hat Loeb -angestellt, welche ergaben 1. dass einseitige Verletzung des Bodens des vierten 'Ventrikels Salivation der beiderseitigen Unterkieferdr\u00fcse und der gleichseitigen Ohrspeicheldr\u00fcse hervorruft, w\u00e4hrend die andersseitige Parotis wenig oder gar nicht in Th\u00e4tigkeit tritt ; 2. die Absonderung um so reichlicher ist, je vollst\u00e4ndiger die Kerne und centralen Bahnen der Absonderungsnerven in den Bereich der Verletzung fallen ; andernfalls ist sie gering oder fehlt selbst ganz.\nV enn nach diesen Beobachtungen die cerebralen Absonderungsnerven ihre Centra im verl\u00e4ngerten Marke haben, so ist dasselbe durch Gr\u00fctzner & Chlapowski3 auch f\u00fcr diejenigen Secretions-fasern nachgewiesen worden, welche auf der Bahn des Sympathicus zur Unterkieferdr\u00fcse gelangen; denn Reizung des verl\u00e4ngerten Markes ruft noch nach Trennung der Chorda langsame Absonderung hervor, welche nach Durchschneidung des Sympathicus aufh\u00f6rt. \u2014\n1\tCl. Bernard. Le\u00e7ons sur la physiologie et la pathologie du syst\u00e8me nerveux. I. p. 399. 1S5S. \u2014 Le\u00e7ons de physiologie exp\u00e9rimentale. IL p. SU. 1856.\n2\tLoeb. Eckhard\u2019s Beitr. z. Anat. u. Phvsiol. Y. S. 2(J. 1870. \u2014 Ygl. auch IY. S. 191. 1869.\n3\tGr\u00fctzner & Chlapowski, Arch. f. d. ges. Physiol. VII. S. 527. 1873.\nHandbuch der Physiologie. Bd. Y.\t6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\n3. Graue Hirnrinde.\nDie Speichelcentra des verl\u00e4ngerten Markes stellen in Verkn\u00fcpfung mit gewissen Puncten der grauen Hirnrinde. Bochefontaine 1 hat gezeigt, dass bei Reizung einzelner Stellen derselben die beiderseitigen Unterkieferdr\u00fcsen in lebhafte Th\u00e4tigkeit gerathen ; die wirksame Gegend ist vor, unter und hinter dem Sulcus cruciatus gelegen (Punkt 1, 2, 3, 4 des lERRiER\u2019schen Schema\u2019s und ein dem Puncte 4 correspondirend gelegner Punct hinter dem Sulcus). Schw\u00e4cher wirksam ist die Ursprungsstelle des Lobus olfactorius. Wenn Fermer auch die Reizung gewisser Puncte der Dura mater von Erfolg begleitet sah, so kann es sich dabei nat\u00fcrlich nur um Reflexwirkung handeln. Die Absonderung wird verlangsamt nach Durchschneidung der Chorda und ganz aufgehoben nach gleichzeitiger Trennung des Sympathicus.\nGleichzeitig mit der Absonderung tritt betr\u00e4chtliche Erh\u00f6hung des Blutdruckes ein; bei nicht curarisirten Thieren wird die Reizung von epilepsie\u00e4hnlichen Kr\u00e4mpfen begleitet, welche dieselbe lange \u00fcberdauern. Bei mehrfacher Wiederholung ist mir die Frage nahe getreten, ob jene weit verbreitete Erregung von motorischen, vasomotorischen und secre-torischen Fasern nicht auf einem gemeinschaftlichen Grunde beruhe, auf An\u00e4mie des verl\u00e4ngerten Markes, herbeigef\u00fchrt durch tonischen Krampf seiner Gef\u00e4sse.\nII. Veranlassungen zur Th\u00e4tigkeit der Speichelcentra.\nIhre normalen Erregungen fliessen den Speichelcentren durch die sensibeln Nerven der Mundh\u00f6hle zu. Ob jede der drei grossen Speicheldr\u00fcsen durch jeden jener Empfindungsnerven in Th\u00e4tigkeit versetzt werden k\u00f6nne, schien fr\u00fcherhin zweifelhaft. Nach C. Rahn'1 2 3 sollte auf die Parotis des Kaninchens nur der Glossopharyngeus einwirken, nicht aber der Ramus lingualis Trigemini. Indess hat einerseits Eckhard 3 Parotidenabsonderung auch bei Reizung des letzteren Nerven erhalten, andrerseits haben Owsjannikow & Tschiriew4 selbst von dem Ischiadicus aus die Unterkieferdr\u00fcse in Th\u00e4tigkeit versetzt. Danach ist wohl eine specifische Beziehung bestimmter sensibler Nerven zu bestimmten Speicheldr\u00fcsen kaum anzunehmen.\n1\tBochefontaine, Arch. d. physiol, norm, et pathol. 1S76. p. 16 t. Vgl. dieses Handbuch II. Abth. 2. S. 311.\n2\tC. Rahn, Ztschr. f. rat. Med. I. S. 285. 1851.\n3\tC. Eckhard, Experimentalphysiologie d. Nervensystems. S. 185. Giessen 1866.\n4\tOwsjannikow & Tschiriew, M\u00e9langes biologiques du bulletin de l\u2019acad\u00e9mie imperiale des sciences de St. Petersburg. VIII. \u2014 P. Gr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. VII. S. 522. 1873.","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Veranlassungen zur Absonderung.\n83\nCl. Bernard 1 setzte die einzelnen Speicheldr\u00fcsen in engere Beziehung zu bestimmten Verrichtungen bei der Speiseaufnahme. Die Parotidenabsonderung werde vorzugsweise durch Kaubewegungen hervorgerufen, die Th\u00e4tigkeit der Submaxillaris durch Geschmacksper-ceptionen, die der Sublingualis durch den Schlingact.\nAllein auch diese Begrenzung der Absonderung der einzelnen Dr\u00fcsen als Begleiterscheinung bestimmter Acte bei der Speiseaufnahme ist nicht haltbar. Schiff 2 hat gezeigt, dass blosse Kaubewegungen, etwa durch Holzst\u00fccke hervorgerufen, welche man einem Hunde zwischen die Zahnreihen steckt, kaum spurweise Speichelabsonderung hervorrufen, dass aber auf die Zunge gebrachte Gesckmacks-reize (Essig, Weins\u00e4ure, bittre Substanzen), sowohl die Parotis als die Submaxillaris zur Th\u00e4tigkeit veranlassen. Treten zu solchen Erregungen noch Kaubewegungen hinzu, so steigern diese, obschon an sich fast unwirksam, die Absonderung in hohem Maasse. Die secre-torische Reaction ist aber bei jeder Art von Erregung an der Submaxillaris (des Hundes) lebhafter, als an der Parotis, weil jene Dr\u00fcse die volumin\u00f6sere ist.\nDie Gld. sublingualis soll nach Colin3 bei Wiederk\u00e4uern auch ausserhalb der Mahlzeiten absondern, aber allerdings w\u00e4hrend der Nahrungsaufnahme in verst\u00e4rktem Maasse. Bei Hunden ist nach meinen Erfahrungen eine spontane Absonderung nicht vorhanden.\nAusser den sensibeln Nerven der Mundh\u00f6hle k\u00f6nnen aber auch die der Eingeweide, namentlich des Magens, auf die Speichelabsonderung einwirken. Injection von reizenden Fl\u00fcssigkeiten in denselben (Essig, alcoholischer Pfefferauszug u. s. f.) durch eine Fistel ruft reflectorische Secretion hervor, vermittelt durch den nv. vagus, nach dessen Durchschneidung sie aufh\u00f6rt4, w\u00e4hrend Reizung seines centrahm Endes dieselbe lebhaft beth\u00e4tigt.5 Dass auch noch von tieferen 1 heilen des Darmcanals aus auf die Speicheldr\u00fcsen Einwirkung stattfinden kann, scheint die \u00e4rztliche Erfahrung zweifellos darzu-thun; bei Reizung der Darmschleimhaut durch Eingeweidew\u00fcrmer ist zeitweiser Speichelfluss eine h\u00e4utige Erscheinung.\nUnter besonderen Umst\u00e4nden kann, statt von sensibeln Nerven aus, eine directe Erregung der Speickelcentra stattfinden, so z. B. bei Erstickung, wie jeden in Speichelversuchen bewanderten Beobachter die t\u00e4gliche Erfahrung lehrt, dass zuf\u00e4llige Unterbrechung der k\u00fcnst-\n1\tCl. Bernard, Le\u00e7ons de physiologie experimentale II. p. 45. 1S56.\n2\tSchiff, Le\u00e7ons sur la physiologie de la digestion I. p. 186. 1867.\n3\tColin, Trait\u00e9 de physiologie compar\u00e9e des animaux. I. p. 604. 1871.\n4\tOehl, Compt. rend. LIX. p. 336.\n5\tCl. Bernard, Le\u00e7ons de physiologie. IL p. 80. 1856.","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nlieben Athmimg der Thiere sofort durch profusen Speichelfluss sig-nalisirt wird.\nWie die Th\u00e4tigkeit vieler, so kann auch die der Speichelcentra durch sensible Erregungen von gewisser St\u00e4rke herabgesetzt oder selbst vollst\u00e4ndig gehemmt werden. Pawlow1 sah die durch behinderte Athmung oder durch Curarainjection hervorgerufene Absonderung sich mindern oder selbst ganz stocken, wenn der Ischiadicus durch Str\u00f6me von einer gewissen geringen Intensit\u00e4t gereizt oder die Eingeweide durch Oeffnen der Unterleibsh\u00f6hle und Hervorziehen von Darmschlingen ungew\u00f6hnlichen Erregungen ausgesetzt wurden.\nObgleich die Einwirkung der Gifte auf die Functionen der Organe eigentlich dem Gebiete der Toxicologie angeh\u00f6rt, sei hier doch der interessanten Beziehungen gewisser Narcotica zu der Speichelabsonderung gedacht. Die Gifte k\u00f6nnen entweder dem Gesammtkreislaufe einverleibt, oder, was f\u00fcr manche F\u00e4lle zweckm\u00e4ssiger ist, unmittelbar in die Blutgef\u00e4sse der Dr\u00fcse gebracht werden. Um das letztere mit voller Sicherheit zu bewerkstelligen, ist eine ziemlich umst\u00e4ndliche Operation noth-wendig, denn es kommt darauf an, den Blutstrom in dem Absonderungsorgan \u2014 die Versuche sind fast alle an der Submaxillaris des Hundes angestellt worden \u2014 vollst\u00e4ndig zu beherrschen. Zu diesem Zwecke m\u00fcssen, wenn die Beobachtung an der Submaxillaris einer Seite geschieht, beide Art. subclaviae oder vertebrales und die Carotis der andern Seite geschlossen werden, so dass die Dr\u00fcse nur von der gleichseitigen Carotis aus mit Blut versorgt wird. In die Submaxillaris treten regelm\u00e4ssig mehrere Arterien: die gr\u00f6sste entspringt aus der Art. submentalis und geht zu dem Hilus des Organes, ein bis zwei kleinere treten in den \u00e4ussern Rand resp. die untere Fl\u00e4che. Die Injection der Giftl\u00f6sung geschieht von der Submentalis aus in die Hilusarterie. Zur Art. submentalis gelangt man in folgender Weise: Man verfolgt den Dr\u00fcsengang bis zu derjenigen Stelle, wo er unter den M. digastricus tritt, um sich jenseits desselben in den Hilus einzusenken. Nach vorg\u00e4ngiger Zerreissung des Bindegewebes zwischen Gang und Muskel wird der letztere zwischen zwei Ligaturen durchschnitten und zur\u00fcckgeschlagen ; unter dem vorderen Muskelst\u00fcck liegt, von wenig Bindegewebe bedeckt, die gesuchte Arterie. Sie wird central-w\u00e4rts bis jenseits des Ursprunges der Hilusarterie freigelegt; in das peripherische Ende wird, mit der M\u00fcndung stromaufw\u00e4rts gerichtet, die In-jectionscantile eingelegt. Bevor die Injection geschieht, wird sowohl die Carotis geschlossen, um der Dr\u00fcse alles Blut zu entziehen, als die Submentalis jenseits der Hilusarterie geklemmt, um dem Gifte als einzigen Weg die letztere Arterie anzuweisen. Sofort nach der Injection wird der Blutstrom zur Dr\u00fcse wieder freigegeben, so dass die Unterbrechung desselben nur wenige Secunden w\u00e4hrt.\nAtropin vernichtet die Einwirkung der cerebralen Absonderungsfasern auf die Dr\u00fcse, w\u00e4hrend die vasodilatatorischen Fasern der Chorda ganz unbeeinflusst bleiben. Ebenso bleiben die Absonderungsfasern des Sym-\n1 Pawlow, Arch. f. \u00fc. ges. Physiol. XVI. S. 272. 1S7S.","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Einwirkung von Giften.\n85\npathicus intact. Bei der Katze wird nach Langley 1 der Sympathieus ebenfalls gel\u00e4hmt, wenn man zu sehr hohen Dosen fortschreitet, w\u00e4hrend beim Hunde dieser Forscher durch 15 Mgrm. Atropin L\u00e4hmung der Chorda, aber noch nicht durch 100 Mgrm. L\u00e4hmung des Sympathieus erzielte. Es ergiebt sich aus jenen Beobachtungen 1. dass nicht die secernirenden Zellen es sein k\u00f6nnen, welche von dem Gifte ausser Function gesetzt werden, denn der Sympathieus bleibt ja wirksam; 2. dass die Verkn\u00fcpfung der secretorischen Fasern der Chorda mit den Dr\u00fcsenzellen eine andere sein muss, als die Verbindung der secretorischen Sympathicusfasern mit denselben.\nDie l\u00e4hmende Wirkung des Atropin kann durch Physostigmin, trotz der Einwendungen Rossbach\u2019s 1 2 3, wieder beseitigt werden :i. Wenn man in die Vena femoralis eine f\u00fcr die L\u00e4hmung der beiderseitigen cerebralen Absonderungsnerven ausreichende Atropin-Menge injicirt, darauf von der Art. submentalis aus in die Submaxillaris der einen Seite eine ausreichende Quantit\u00e4t Physostigmin, wird die diesseitige Chorda wieder wirksam, w\u00e4hrend die andersseitige im gel\u00e4hmten Zustande verharrt.\nDas Physostigmin f\u00fcr sich wirkt erregend auf das Centrum der secretorischen Chorda-Fasern, denn nach Injection in das Blut tritt Absonderung ein, so lange dieser Nerv intact ist.4 Gleichzeitig wirkt das Gift auf die gef\u00e4ssverengenden Fasern der Dr\u00fcse. Denn bei durchschnittener Chorda wird der Blutstrom in derselben verlangsamt oder selbst aufgehoben, bei gr\u00f6sseren Dosen auf solche Dauer, dass auch die Einwirkung der Chorda erlischt, weil die Dr\u00fcse erstickt. Die Einwirkung ist theils eine centrale, theils eine peripherische, denn Durchschneidung des Sym-pathicus verringert sie zwar dem Grade nach, hebt sie aber keineswegs ganz auf. Ebensowenig kommt es zu so hochgradiger Gef\u00e4ssverengerung, wenn der Physostigmin-Injection die Einverleibung von Atropin vorausging.\nNicotin5 wirkt in kleinen Dosen erregend auf die Absonderungsnerven, und zwar sowohl auf ihr centrales, als auf ihr peripherisches Ende, in gr\u00f6sseren Mengen l\u00e4hmend. Denn nach Injection (von 3 Ccm. einer L\u00f6sung, die auf 100 Ccm. S Tropfen Nicotin enth\u00e4lt) in das Blut tritt, wenn die ersten Mengen des Alcaloids in die Dr\u00fcse gelangen, lebhafte Absonderung ein, st\u00e4rker, wenn die Chorda intact, als wenn sie durchschnitten worden ist; sind nach einiger Zeit reichlichere Giftquantit\u00e4ten zur Dr\u00fcse gelangt, so h\u00f6rt die Secretion auf; gleichzeitig ist auch Reizung der Absonderungsfasern unwirksam geworden. Die L\u00e4hmung f\u00e4llt ungef\u00e4hr in die Periode der Allgemeinwirkung des Giftes, wo nach anf\u00e4nglicher starker Pulsverlangsamung die Herzfrequenz bedeutend in die H\u00f6he gegangen ist. Etwa 15 \u2014 20 Minuten sp\u00e4ter, nachdem das fl\u00fcchtige Narcoticum zum gr\u00f6ssten Theile eliminirt worden ist, beginnt von Neuem\n1\tLangley, Untersuchungen aus dem physiologischen Institut zu Heidelberg. I. S. 478. 1878.\n2\tRossbach, Verhandlungen der phys.-med. Gesellschaft zu W\u00fcrzburg. N. F. 4 II. S. 239. 1874.\n3\tR. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 335. 1874.\n4\tPr\u00e9vost sah auch noch nach durchschnittener Chorda Absonderung ein-treten.\n5\tR. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 315. 1872.","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86 Heidenhain, Physiologie der Absonclerungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nAbsonderung, ohne dass vorl\u00e4ufig die Reizung der Absonderungsnerven wieder wirksam geworden w\u00e4re. Erst nach weiteren 5\u201410 Minuten ruft die Chorda Beschleunigung der Absonderung und noch etwas sp\u00e4ter auch Beschleunigung des Blutstromes hervor. L m diese Zeit hat auch der Sympathicus seine vorher eingebtisste Erregbarkeit wieder erlangt.\nDas interessanteste und r\u00e4thselhafteste aller Dr\u00fcsengifte, das Pilocarpin, bewirkt in kleinen Dosen 1 (0,001 Gr.) in das Blut injicirt Speichelfluss auch noch nach Durchschneidung der beiderlei Absonderungsnerven. Reizung der Chorda beschleunigt den Blutstrom, wie die Absonderung, treibt letztere aber doch nicht zu der H\u00f6he, wie im Normalzust\u00e4nde; ebenso wirkt der Sympathicus mit verringerter Energie. Bei gr\u00f6sseren Dosen tritt die Herabsetzung der Erregbarkeit immer mehr hervor; bei Injection von 0,1 Grm. in die Gef\u00e4sse der Dr\u00fcse selbst tritt nach vorg\u00e4ngiger starker Reizung vor\u00fcbergehende L\u00e4hmung, bei Anwendung noch gr\u00f6sserer Mengen (0,2 Grm.) von vornherein L\u00e4hmung nicht bloss der secretorischen, sondern auch der Gef\u00e4ssfasern ein. \u2014- Die Atropin-L\u00e4hmung kann durch Pilocarpin beseitigt werden.\nDem Pilocarpin in jeder Beziehung \u00e4hnlich verh\u00e4lt sich das Muscarin'2.\nIII. Coordination der Tli\u00e4tigkeit der Driisenneryen.\nWenn ich den Nervenstamm einer Extremit\u00e4t mit electrischen Str\u00f6men tetanisire, gerathen die gesammten Muskeln derselben in tonische Contraction; bei Erregung durch den Willen oder durch Reflexreize treten die physiologisch zusammengeh\u00f6rigen Muskelgruppen in eine nach bestimmtem Plane ablaufende und auf einen bestimmten Zweck hinf\u00fchrende Tli\u00e4tigkeit, welche im Gegens\u00e4tze zu jener tumultuarischen, ungeordneten eine coordinirte genannt wird.\nDie St\u00e4mme der Dr\u00fcsennerven f\u00fchren den Absonderungsorganen Fasern verschiedener Art zu: Gef\u00e4ssfasern, trophische und secreto-rische Fasern. Wird einer jener St\u00e4mme der electrischen Reizung unterworfen, so betrifft diese alle jene Faserclassen gleichm\u00e4ssig und versetzt sie in den Zustand tetanischer Tli\u00e4tigkeit. Ob bei der normalen Erregung durch die Centralorgane dasselbe der Fall oder ob nicht vielmehr hier \u00e4hnlich, wie bei der physiologischen Tli\u00e4tigkeit der Muskelnerven, in gewissem Sinne eine Coordination stattfinde, l\u00e4sst sich nicht von vornherein beurtheilen, sondern nur durch den Versuch entscheiden. M\u00f6glich, dass bei der centralen Erregung die verschiedenen Faserclassen in ganz andern Combinationen oder doch in ganz anderm quantitativen Verh\u00e4ltnisse zur Geltung kommen, als bei der k\u00fcnstlichen electrischen Erregung. Diese bisher kaum auf-\n1\tDie ausf\u00fchrlichsten Untersuchungen \u00fcber dieses Alcaloid r\u00fchren von Langley her: Journ. of anat. and physiol. XI. p . 173. 1877. \u2014 Journ. of physiol. I. 1S7S. p. 339.\n2\tPr\u00e9vost, Arch, de physiol. 2. s\u00e9rie. IV. p. 801. ISTs.","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"Coordination der Dr\u00fcsennerven.\n87\ngeworfene Frage der Beantwortung n\u00e4her zu f\u00fchren, habe ich eine Reihe von Versuchen angestellt, welche folgende Resultate ergaben 1 :\n1.\tDurch Reizung sensibler Nerven (z. B. des Ischiadicus) werden reflectorisch sowohl die secreto rischen, als die trop bischen Fasern der Chorda erregt. Denn man erh\u00e4lt aus der Old. submaxillaris, wenn der Sympathicus durchschnitten ist, bei Reizung des Ischiadicus Speichel, der, wenn die sensible Reizung verst\u00e4rkt wird, nicht bloss schneller fliesst, sondern auch reicher an organischen Bestandtheilen wird. Letzterer Umstand beweist die Mitwirkung der trophischen Fasern.\n2.\tAuf reflectorischem Wege werden die secreto rischen Fasern des Sympathicus nicht in Erregung versetzt, denn nach Durchschneidung der Chorda l\u00e4sst sich auf dem Wege des Reflexes keine Absonderung erzielen.2\n3.\tDagegen werden die trophischen Fasern des Sympathicus reflectorisch erregt. Wenn man bei einem Hunde einerseits den Sympathicus durchschneidet und dann beide Dr\u00fcsen durch Reizung des Ischiadicus zur Absonderung veranlasst, so ist das Secret der sympathisch gel\u00e4hmten Seite constant an organischen Bestandtheilen \u00e4rmer, als das Secret der normal innervirten Dr\u00fcse. Dieser Unterschied kann nur auf Mitwirkung der trophischen Fasern des Sympathicus auf der letzteren Seite beruhen.\n4.\tBei Athmungssuspension f\u00e4llt die Secretionsgeschwindigkeit viel geringer und der Gehalt des Speichels an organischen Bestandtheilen viel h\u00f6her aus, als bei selbst starker retlectorischer Reizung ; der Unterschied ist bei erhaltenem Sympathicus gr\u00f6sser, als nach Durchschneidung desselben, f\u00e4llt aber auch hier nicht ganz fort. Es werden mithin durch die Erstickung die trophischen Fasern relativ st\u00e4rker und die secretorischen relativ schw\u00e4cher erregt, als auf dem Wege des Reflexes.\nIV. Cl. Bernard's paralytische Absonderung.\nGegen\u00fcber der Thatsache, dass unmittelbar nach Durchschneidung der zur Unterkieferdr\u00fcse tretenden Nerven die Absonderung des Organes vollst\u00e4ndig stockt, erscheint die Beobachtung Cl. Bernard\u2019s2 im h\u00f6chsten Grade paradox, dass zwei bis drei Tage nach jener Operation die Dr\u00fcse continuirlich abzusondern beginnt und\n[ Diese Versuche sind bisher noch nicht ver\u00f6ffentlicht worden.\n2\tBei dieser Beobachtung muss man sich davor h\u00fcten, sich durch Auspressen kleiner Speichelmengen verm\u00f6ge retlectorischer Contraction benachbarter Muskeln aus der Dr\u00fcse t\u00e4uschen zu lassen.\n3\tCl. Bernard. Journ. del'anat. et d. physiol. 1S64. p. 507.","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Speicheldr\u00fcsen.\nWochen hindurch in dieser Th\u00e4tigkeit fortf\u00e4hrt. So richtig die That-saehe, so schwierig ihre Deutung. Die A erh\u00e4ltnisse, welche die sogenannte paralytische Absonderung begleiten, geben bis jetzt kaum einen Anhalt zu einer solchen.\nDie Absonderung beginnt ungef\u00e4hr 24 Stunden nach Durchschneidung des cerebralen Absonderungsnerven, gleichviel ob der Dr\u00fcsenast selbst unterhalb des Ganglions oder ob der Ramus lin-gualis Trigemini oberhalb desselben oder ob die Chorda in der Paukenh\u00f6hle getrennt wird. Da bei dem letzteren Verfahren jede Insultation der zu der Dr\u00fcse geh\u00f6rigen Theile, namentlich auch ihres Ausf\u00fchrungsganges, ausgeschlossen ist, kann die Absonderung nicht von einer entz\u00fcndlichen Reizung des letzteren herr\u00fchren; gegen eine solche Annahme spricht auch schon die lange, \u00fcber mehrere Wochen nach der Operation sich erstreckende Dauer der Secretion.\nF\u00fcr den Eintritt derselben ist es gleichg\u00fcltig, ob der Sympathi-cus erhalten oder gleichzeitig mit dem cerebralen Absonderungsnerven durchschnitten worden ist.\nDie paralytische Absonderung ist stets eine sehr langsame. Am tr\u00e4gsten bei ihrem Beginne, nimmt die Ergiebigkeit derselben in der ersten Woche nach der Nerventrennung allm\u00e4hlich zu, so dass nach 7\u20148 Tagen im Durchschnitte alle 20\u201422 Minuten ein Tropfen aus der im Ausf\u00fchrungsgange liegenden Can\u00fcle entleert wird. Nach etwa drei Wochen sinkt die Secretionsgeschwindigkeit merklich.\nCl. Bernard giebt an, dass die paralytische Absonderung sich erst zeige, wenn die Dr\u00fcsenfasern nach der Continuit\u00e4tstrennung unerregbar geworden seien. Nach meinen Erfahrungen ist diese Behauptung unzutreffend. Ist die Chorda in der Paukenh\u00f6hle getrennt worden, so findet man nach 3\u20144 Tagen die paralytische Absonderung im vollen Gange, zu einer Zeit, wo Reizung des Dr\u00fcsenastes noch starke Beschleunigung derselben hervorruft, ob schon die Beschleunigung des Blutstromes fehlt. Die Gef\u00e4ssfasern der Chorda scheinen also fr\u00fcher ihre Erregbarkeit einzub\u00fcssen, als die Absonderungsfasern.\nReizung des Sympatkicus f\u00fchrt an einer Dr\u00fcse, welche nach Durchschneidung der Chorda in den Zustand stetiger Absonderung gerathen ist, vor\u00fcbergehende Beschleunigung derselben herbei, auf welche bald ein so langer Stillstand folgt, dass die Th\u00e4tigkeit der Dr\u00fcse ganz erloschen scheint.\nDie paralytische Dr\u00fcse verliert mit der Zeit erheblich an Umfang, gewinnt im frischen Zustande ein wachsgelbliches Aussehn und zeigt bei der mieroscopischen Untersuchung ein unverkennbar ver-","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Paralytische Absonderung.\n89\n\u00e4ndertes Verhalten. Zwischen zahlreichen Acinis, deren Zellen den Bau der Zellen unth\u00e4tiger Dr\u00fcsen besitzen, liegen zerstreut andere von der charakteristischen Form der Acini th\u00e4tiger Dr\u00fcsen, in denen Schleimzellen von gew\u00f6hnlichem Habitus nicht vorhanden sind.\nDas Interesse an der besprochenen eigent\u00fcmlichen Absonderungsweise liegt ganz wesentlich in den Ursachen, welche dieselbe bedingen. Wir befinden uns in dieser Beziehung v\u00f6llig im Unklaren. Die Bedingungen m\u00fcssen sich in der Dr\u00fcse selbst entwickeln, sie m\u00fcssen ferner erst allm\u00e4hlich im Laufe der Zeit entstehn, da nach der Nerventremiung mindestens 24 Stunden verstrichen sind, bevor die Absonderung beginnt. Einen vorl\u00e4ufigen Gesichtspunkt f\u00fcr fernere Untersuchung scheint mir folgende Beobachtung abzugeben. Wenn man den Ausf\u00fchrungsgang der Gld. submaxillaris unterbindet, findet man nach 18 \u2014 24 Stunden die Dr\u00fcse in stetiger Secretion begriffen, welche auch nach Trennung ihrer Nerven fortdauert und sich durch Reizung derselben beschleunigen l\u00e4sst. Es tropft, wie bei der paralytischen Absonderung, ein d\u00fcnner, an am\u00f6boiden K\u00f6rperchen \u00fcberaus reicher Speichel in langsamer Folge ab. Diese, wie die paralytische, Absonderung haben einen Umstand gemein: nach der Durcli-schneidung der Nerven wie nach der Unterbindung des Ganges stockt das in den Dr\u00fcsenr\u00e4umen vorhandene Secret, w\u00e4hrend im Normalzust\u00e4nde bei den h\u00e4ufigen Anl\u00e4ssen zur Secretion das bereits fertig vorhandene Absonderungsproduct h\u00e4ufig durch neugebildetes verdr\u00e4ngt wird. Es w\u00e4re denkbar, dass irgend welche Zersetzungen des stagnirenden Secretes Veranlassung zur Reizung der secerniren-den Elemente g\u00e4ben. Doch sehe ich in dieser Hypothese nichts mehr, als einen Fingerzeig f\u00fcr k\u00fcnftige Forschung.\nNoch weniger einer Deutung zug\u00e4nglich ist die constante Erfahrung, dass bei Thieren, deren eine gld. submaxillaris durch Trennung ihrer Nerven in den Zustand paralytischer Absonderung gerathen ist, die entsprechende andersseitige Dr\u00fcse ebenfalls stetig absondert und sich darin durch Durchschneidung ihrer Nerven nicht st\u00f6ren l\u00e4sst. Der Speichel dieser Seite ist der normalen Fl\u00fcssigkeit \u00e4hnlicher, als der andersseitige, st\u00e4rker mucinhaltig und weniger reich an am\u00f6boiden K\u00f6rperchen. Diese \u201eSympathie\u201c beider Dr\u00fcsen ist vorl\u00e4ufig ein v\u00f6llig unl\u00f6sbares R\u00e4thsel.\nEine \u00e4hnliche Erscheinung, wie die anhaltende geringgradige Absonderung der Speicheldr\u00fcsen nach Durchschneidung der Chorda ist vielleicht das Auftreten fibrill\u00e4rer Zuckungen in der Zunge nach Durcli-schneidung des Hypoglossusl, welches k\u00fcrzlich Bleuler & Lehmann2 genauer untersuchten. Bei der Dunkelheit des letzteren Vorganges ist er aber freilich nicht im Stande, aufkl\u00e4rende Winke \u00fcber den ersteren zu geben.\n1\tSchiff. Lehrbuch der Muskel- undNervenphysiologie. Lahr 1S5S \u201459. S. 177.\n2\tBleuler & Lehmann, Arch. d. ges. Physiol. XX. S. 354. 1879.","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Anhang.\nAnhang zu dem ersten Abschnitte.\nDie Thr\u00e4nendr\u00fcse.\nWenn ich dieses Organ in einen Anhang zu dem voraufgehenden Abschnitte verweise, so liegt der Grund theils darin, dass jene Dr\u00fcse in ihrem Baue und in ihren Absonderungsverh\u00e4ltnissen, soweit diese bekannt, ganz und gar an die Eiweissdr\u00fcsen sich anschliesst. \u2014\nBez\u00fcglich des Baues brauche ich der allgemeinen Schilderung der letzteren Dr\u00fcsenclasse kaum mehr hinzuzuf\u00fcgen, als dass in den Ausf\u00fchrungsg\u00e4ngen die eigenth\u00fcmliehe Formation der St\u00e4bchenepithelien nirgends aufzufinden ist. Bez\u00fcglich der Zellen der Acini und ihrer Membrana propria kann nach den Schilderungen Boll\u2019s1 auf das fr\u00fcher Mitgetheilte verwiesen werden.\nUeber die Absonderungsnerven der Thr\u00e4nendr\u00fcse geben Versuche von Herzenstein '2 3 4, Wolferz 3 und Demtschenko 4 Aufschluss. Die st\u00e4rkste Absonderung ruft Reizung des Nv. lacrymalis Trigemini hervor, schw\u00e4chere der Subcutaneus malae (dessen Einfluss von Demtschenko ganz bestritten wird). Von der Reizung des Sympathieus sah Herzenstein nur einen schwankenden Erfolg, die beiden andern Forscher vermissten niemals deutliche Vermehrung der Thr\u00e4nenabsonderung, auch dann nicht, wenn vorher der Ram. lacrymalis durchschnitten worden war. Die Sympathicusthr\u00e4-nen werden von Demtschenko als tr\u00fcbe beschrieben, im Gegens\u00e4tze zu den hellen, klaren Trigeminusthr\u00e4nen.\nNach Durchschneidung des cerebralen Absonderungsnerven sah Herzenstein in einigen Tagen continuirliche Absonderung eintreten.\nReflectorische Absonderung wird durch Reizung aller sensibler Hirnnerven wie der obern spinalen Nerven, dagegen nicht (nach Demtschenko) von den tiefem Spinalnerven aus hervorgerufen. Bei Reizung eines Auges durch helles Sonnenlicht tritt beiderseitige Secretion ein. \u2014\nWie die Eiweissdr\u00fcsen im Allgemeinen, so zeigt auch die Thr\u00e4nendr\u00fcse nach anhaltender Th\u00e4tigkeit Ver\u00e4nderungen ihrer Zellen.5 W\u00e4hrend dieselben an Alcohol-Carminpr\u00e4paraten im Ruhezust\u00e4nde m\u00e4ssig getr\u00fcbt erscheinen, glatte oder unregelm\u00e4ssig zackige Kerne sehen lassen, sind sie nach l\u00e4ngerer Absonderung im Ganzen verkleinert, sehr stark getr\u00fcbt, ihre Kerne rund, \u2014 lauter Analogien mit der Parotis, welche darauf hinweisen, dass der Absonderungsvorgang in den beiderlei Dr\u00fcsen der gleiche ist.\n1\tBoll. Arch. f. microsc. Anat. IV. S. 14b. 186V\n2\tUlrich Herzenstein, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1S6T. S. 651.\n3\tR. Wolferz, Experimentelle Untersuchungen \u00fcber die Innervationswege der Thr\u00e4nendr\u00fcse. Biss. Dorpat 1ST 1.\n4\tJ. Demtschenko, Arch. f. d. ges. Physiol. A I. S. 191. 1872.\n5\tReichel, Arch. f. microsc. Anat. XVII. S. 12. 1879.","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"ZWEITER ABSCHNITT.\nDIE ABSONDElt\u00dcNGS VORG\u00c4NGE IM MAGEN.\nERSTES CAPITEL.\nDer absondernde Apparat iin Ruhezust\u00e4nde.\nI. Allgemeine Zusammensetzung desselben.\nDie Schleimhaut des Magens zerf\u00e4llt in zwei wesentlich verschiedene Abschnitte: die Gegend des Pylorus einerseits, andrerseits die Gegend der Curvaturen und des Fundus, welche letztere ich im Interesse der K\u00fcrze und gem\u00e4ss einer in der Literatur bereits ein-a-ebilrgerten Gewohnheit schlechtweg als Fundusschleimhaut bezeichnen will. Beide Abschnitte unterscheiden sich schon f\u00fcr das blosse Auge theils durch ihre Farbe, theils durch ihre Faltenbildungen.\nDie Pvlorusgegend hat stets ein blasses, weisses Aussehn; sie bildet wenig zahlreiche hohe Falten, welche sieh selten mit einander verbinden.\nDas \u00fcbrige Schleimhautgebiet hat eine r\u00f6thlichgelbe oder r\u00f6thlich-graue F\u00e4rbung, zahlreichere und ein unregelm\u00e4ssiges Netzwerk bildende Falten.\nAbgesehen von den groben Faltungen der Schleimhaut kommen \u00fcberall feinere, mit unbewaffnetem Auge nicht mehr deutlich sichtbare, netzartig angeordnete F\u00e4ltchen zweiter Ordnung vor, zwischen denen die Schleimhaut Einsenkungen, Gruben oder Furchen 1 bildet, welche an ihrem Grunde die schlauchf\u00f6rmigen Magendr\u00fcsen aufnehmen (stomach cells Bowman 2 3; Dr\u00fcsenausg\u00e4nge Heidenhain y)-\nDie Schleimhaut besitzt einen dreifachen Absonderungsapparat:\n1\tUeber die Verschiedenheiten dieser Falten- und Furchenbildungen bei verschiedenen Thieren vgl. Rollet, Untersuchungen aus dem Institute f\u00fcr Physiologie und Histologie in Graz. IF S. 1S2. 1ST3.\n2\tBowman, Physiological anatomy. IL p. 192. London 1856.\n3\tHeidenhain. Arch. f. microsc. Anat. VI. S. 371. 1870.","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\n1.\tDas cylindrische Oberfl\u00e4chen-Epithel ;\n2.\tDie Dr\u00fcsen der Pylorusschleimhaut;\n3.\tDie Dr\u00fcsen der Fundusschleimhaut.\nF\u00fcr eine richtige Benrtheilimg der Absonderungsvorg\u00e4nge ist es wichtig, die relative M\u00e4chtigkeit jener drei Bildungsst\u00e4tten von Ab-sonderungsproducten in den verschiedenen Gegenden des Magens ins Auge zu fassen.\nDas Oberfl\u00e4chenepithel kleidet nicht bloss die gesammte freie Fl\u00e4che, sondern auch die Schleimhautgruben aus. Die letzteren sind nun in den versckiednen Gegenden von sehr wechselnder Tiefe. In der Pylorusgegend senken sie sich bis zur H\u00e4lfte der Gesammtdicke der Schleimhaut und oft tiefer ein; an den sonstigen Stellen beanspruchen sie nur ein Achtel bis ein Zehntel des Schleimhautstratums. Daraus folgt, dass die Fl\u00e4cheneinheit der freien Magenfl\u00e4che in der Pylorusgegend bei Weitem mehr Epithelelemente, dagegen bei Weitem weniger Dr\u00fcsensubstanz deckt, als in der Fundusregion.\nDie Masse der Dr\u00fcsensubstanz wird aber in der ersteren Gegend noch durch einen andern Umstand stark beschr\u00e4nkt. Die einzelnen Dr\u00fcsenschl\u00e4uche sind hier durch sehr reich entwickeltes, im Fundus nur durch so sp\u00e4rliches Bindegewebe von einander getrennt, dass sie auf L\u00e4ngsschnitten der Schleimhaut fast unmittelbar an einander zu stossen scheinen. Wenn nach Durchsicht zahlreicher microsco-pischer Pr\u00e4parate eine Sch\u00e4tzung gestattet ist, so w\u00fcrde ich auf die Gewichtseinheit der Pylorusschleimhaut h\u00f6chstens ein Viertel, auf die der Fundusschleimhaut mindestens sieben Achtel Dr\u00fcsensubstanz rechnen.\nDiese wichtigen Verh\u00e4ltnisse sind oft verkannt worden. So sagt K\u00f6lliker 1 die Schleimhaut des Magens sei am d\u00fcnnsten in der Cardia, am dicksten im Pylorustheile, ein Verhalten, welches einzig und allein auf Rechnung der Dr\u00fcsenlage zu setzen sei, indem Epithel- und Muskellage \u00fcberall fast dieselbe Dicke haben. Nichts ist unrichtiger als diese letztere Behauptung, denn die eigentliche Dr\u00fcsenlage des Pylorus ist ausnahmslos sehr viel niedriger als die des Fundus. Die K\u00f6LLiKEidsche Angabe h\u00e4tte nur dann einen richtigen Sinn, wenn man die Dr\u00fcsenausg\u00e4nge (Magengruben) zu den wirklichen Dr\u00fcsen rechnen wollte; sie geh\u00f6ren aber ihrer Epithelbekleidung nach der Schleimhautoberfl\u00e4che an. H\u00e4tte man die verschiedne M\u00e4chtigkeit der Dr\u00fcsensubstanz in den verschiednen Sehleim-hautregionen im Auge gehabt, so w\u00fcrde man es stets als selbstverst\u00e4ndlich angesehen haben, dass gleich grosse Schleimhautst\u00fccke vom Fundus und vom Pylorus, mit Salzs\u00e4ure infundirt, sehr ungleich wirksame Pepsinl\u00f6sungen geben.\n1 K\u00f6lliker. Microscopische Anatomie. II. 2. S. 138. Leipzig 1854.","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Das Oberfl\u00e4chenepithel.\n93\nII. Bas Oberfl\u00e4chenepithel.\nObsclion mit der Function der Schleimabsonderung betraut, zeigen die Zellen dieses Epithels andre Charaktere, als die schleimbereitenden Zellen der eigentlichen Schleimdr\u00fcsen. (Vergl. den ersten Abschnitt.) Die Unterschiede liegen theils, was weniger wesentlich ist, in der Form: sie ist f\u00fcr die in Rede stehenden Epithelzellen eine cylindrische, f\u00fcr die Zellen der Schleimdr\u00fcsen (s. in dem ersten Abschnitte die Beschreibung derselben) eine von der Cylindergestalt durchaus verschiedene. Die wichtigeren Unterscheidungsmerkmale beziehen sich auf die innere Constitution der Zelle.\nDie Zellen des freien Oberfl\u00e4chenepithels zeigen, auf dem Querschnitte der frischen Schleimhaut eines hungernden Hundes ohne allen Zusatz untersucht, ein fast homogenes, mattgl\u00e4nzendes Aussehen,\nnur sp\u00e4rliche feine K\u00f6rnchen in ihrem Innern und erscheinen im Ganzen hell genug, um ihre Grenzen gegen einander scharf hervortreten zu lassen, \u2014 ganz im Gegens\u00e4tze zu den Zellen einer Schleimdr\u00fcse, die von dunkel contourirten bl\u00e4schenartigen Bildungen so dicht durchs\u00e4t sind, dass ihre Grenzen kaum hier und da angedeutet erscheinen. Die freie Basis jeder Epithel-Zelle ist durchaus scharf umrissennund zeigt nicht selten einen freilich immer nur sehr niedrigen gl\u00e4nzenden Saum, \u00e4hnlich den Zellen des D\u00fcnndarmepithels bei gewissen Verdauungszust\u00e4nden. W\u00e4hrend an der Mantelfl\u00e4che jeder einzelne Cylinder von einer leicht isolir-baren selbst\u00e4ndigen Membran umkleidet ist, fehlt diese an der Basis. Doch setzt sich auch hier der Zellinhalt mit so scharfer Grenze nach aussen hin ab, dass der Eindruck des Geschlossenseins der Zelle entsteht.\n\n26.\nFig. 26. Epithel der MagenoberMehe, frisch.\nDas geschilderte Aussehen zeigt in dem n\u00fcchternen Magen die grosse Mehrzahl der Zellen; an manchen Stellen aber treten Abweichungen davon auf. Die Zellen sind von der freien Basis her ausgeh\u00f6hlt, so dass ihr oberer Theil wie leer erscheint, gleich halbgef\u00fcllten D\u00fcten mit freier Eingangs\u00f6ffnung. Der geschlossene und der offene Zustand entspricht nicht besonderen Arten von Zellen, sondern nur verschiednen functioneilen Zust\u00e4nden, der erste Zustand der Ruhe, der zweite vorgeschrittener Absonderungsth\u00e4tigkeit.\nEinen weiteren Einblick in die Structur der Epithelzellen ergiebt ihre Behandlung mit verschiednen chemischen Agentien.","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94 Heidenhain, Physiologie der Absoiicleruiigsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Dei Magen.\nSchon de Stil lir tes Wasser verh\u00e4lt sich ihnen gegen\u00fcber nicht als indifferente Fl\u00fcssigkeit; dasselbe liilirt einen langsamen Quellungsprocess des Zellinhaltes herbei. Dieser w\u00f6lbt sich an dei freien Basis halbknglig hervor; es tritt ein hellei Schleimt!opten heraus, nach aussen hin sich mit zarter Gaenzlinie absetzend, dei sich allm\u00e4hlich auch nach dem Zelleninnern hin vergr\u00f6sseit, so dass das obere Ende der Zelle hell durchsichtig erscheint und sich allm\u00e4hlich entleert. Beschleunigt wird dieser Quellungsprocess\ndurch Zusatz sehr geringer Mengen von Alkalien oder von S\u00e4uren zu dem Wasser (Essigs\u00e4ure oder Salpeters\u00e4ure von 0,1 ko). Der untere Theil der Zelle erscheint dabei st\u00e4rker granulirt. \u2014 Bei Einwirkung c o n-~7-\tcentrirter Essigs\u00e4ure gleichviel\nFig. 27. Epithel nach Einwirkung von Wasser. auf die frische oder die in Alcohol\nerh\u00e4rtete Schleimhaut quellen die Zellen nicht bloss an ihrem Innenende, sondern in ihrer ganzen Substanz sehr stark auf; wegen des Widerstandes der ihre Seitenfl\u00e4chen umh\u00fcllenden Membran geschieht dabei ihre Yolumsvergr\u00f6sserung haupts\u00e4chlich in der L\u00e4ngsrichtung. Der hell durchsichtig gewordene Zellinhalt str\u00f6mt an der Basis aus, wodurch der unter der Einwirkung des Reagens stark in die L\u00e4nge gestreckte und scharf contourirte Kern sichtbar wird. Hierin liegt eine wesentliche Verschiedenheit der Epithelzellen des Magens gegen\u00fcber den Schleimzellen in den Schleimdr\u00fcsen. Wenn man n\u00e4mlich einen Schnitt einer in Alcohol erh\u00e4rteten Unterkieferdr\u00fcse mit concentrirter Essigs\u00e4ure behandelt, schrumpfen die Zellen unter starker Tr\u00fcbung (Mucinf\u00e4llung) in hohem Masse zusammen.\nMan darf also die physiologisch - chemische Constitution der schleimabsondernden Zellen in den Schleimdr\u00fcsen und in dem Magenepithel nicht f\u00fcr identisch halten. Der Process der Schleimbildung dr\u00fcckt sich in beiden in verschiedner Weise aus. Nach Ausweis der Reaction, welche die in Alcohol erh\u00e4rteten Zellen gegen con-centrirte Essigs\u00e4ure zeigen, sind die Epithelzellen des Magens sehr viel reicher an Albuminaten, als die der Schleimdr\u00fcsen. Dass in der That nur der Unterschied des Eiweissgehaltes jene Reactionsver-schiedenheit bedingt, geht aus dem Verhalten solcher Schleimdr\u00fcsenzellen hervor, die in Folge anhaltender Th\u00e4tigkeit an Mucin verarmt und an Albuminaten bereichert sind: hier bewirkt concentrirte Essigs\u00e4ure nicht mehr Schrumpfung und Tr\u00fcbung, sondern Quellung und","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Das Oberfi\u00e4chenepithel.\n95\nAufhellung. \u2014 Aber es ist noch ein zweiter Unterschied bemerkens-werth. In den Zellen der Schleimdr\u00fcse ergreift die Mucinmetamor-phose den bei Weitem gr\u00f6ssten T'heil des Protoplasmas bis auf einen kleinen in der N\u00e4he des Kernes gelegenen Rest, von welchem aus nur sp\u00e4rliche, sehr feine F\u00e4den den \u00fcbrigen Zellraum in netzartiger Anordnung durchziehen. In den Magenepithelien dagegen erstreckt sich die Schleimumwandlung nur auf einen mehr weniger grossen Theil des Protoplasmas an der freien Basis der Zelle. \u2014\nDie durch den verschiednen Albuminatgehalt bedingte Differenz der beiden Zellenarten zeigt sich auch in ihrem Verhalten gegen concentrirte Minerals\u00e4uren: ein Schnitt der in Alcohol erh\u00e4rteten ruhenden Gld. submaxillaris tr\u00fcbt sich damit kaum merklich, ein Epithelschnitt der Magenschleimhaut ausserordentlich stark.\nWeitere Belehrung \u00fcber die Constitution des Magenepithels erlangt man an Schnitten erh\u00e4rteter Schleimhaut, die in Carmin oder Anilinbraun (Bismarkbraun) gef\u00e4rbt und in Glycerin aufgehellt sind. Die Zellen der freien Oberfl\u00e4che sind hier stets offene Diiten, deren unteres Drittheil den gef\u00e4rbten, unregelm\u00e4ssig geschrumpften Kern mit einer kleinen Menge ihn einh\u00fcllenden und ebenfalls gef\u00e4rbten Protoplasmas enth\u00e4lt. Solche Durchschnitte zeigen aber ferner, dass der Charakter der Zellen sich in gewisser Beziehung in der Tiefe der Dr\u00fcsenausg\u00e4nge \u00e4ndert. Sie erscheinen hier durchweg geschlossen, mit granulirtem, leicht gef\u00e4rbtem Inhalte und mehr nach der Mitte ger\u00fccktem, rundlichem oder ovalem Kerne. In dieser Gestalt dringen die Zellen, sich immer mehr verschm\u00e4chtigend, bis an die Einm\u00fcndungsstelle der Dr\u00fcsenschl\u00e4uche heran, hier und da sogar auf eine kurze Strecke in diese selbst hinein.\nUnter der Lage der Cylinderzellen hat schon Bowman, sp\u00e4ter E. E. Schulze1 und Ebstein2 3 eine zweite Lage von Zellen beschrieben, welche kleine rundliche oder ovale Elemente darstellen, nicht eine ganz continuirliche Schicht bilden und zum Ers\u00e4tze zerst\u00f6rter Cylinderepithelien zu dienen scheinen.:i\nDas Epithel der Magenoberfl\u00e4che ist zu der noch nicht sehr weit zur\u00fcckliegenden Zeit, wo man von einer Epithelzelle genug zu wissen glaubte, wenn man sie in dem hergebrachten Schema der Pflaster-, Cylinder- oder Flimmerzelle geh\u00f6rigen Ortes untergebracht hatte, wenig genau untersucht worden. Die erste sorgf\u00e4ltigere Beschreibung linde ich\n1\tF. E. Schulze, Arch. f. microsc. Anat. III. S. 1TG. T. X. 1 ig. 6.\n2\tEbstein, Ebenda. VI. S. 521. T. XXVIII. Fig. L 1S70.\n3\tVgl. auch C. Pautsch. Arch. f. microsc. Anat. XIV. S. 183. 1877.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nich bei Bowman 1, der sowohl die Schleimmetamorphose wie die Abstos-sung der Zellen nach derselben schildert; als auch die l nterschiede der Zellen an der freien Oberfl\u00e4che und in den Magengruben kennt. Die sp\u00e4teren Darstellungen haben der BowMANsdien l\u00e4ngere Zeit nichts Wesentliches hinzugef\u00fcgt; bis F. E. Schulze (a. a. 0.) in seiner vorz\u00fcglichen Abhandlung \u201e\u00fcber Epithel- und Dr\u00fcsenzellen\u201c f\u00fcr die uns besch\u00e4ftigenden Epithelien neue Gesichtspuncte dadurch gewann, dass er sie in Zusammenhang mit \u00e4hnlichen, ebenfalls der Schleimbereitung dienenden Epithelzellen auffasste.\nWenn neuerdings seit meiner und Ebstein's Arbeit vielfach dar\u00fcber discutirt worden ist, ob jene Zellen im Ruhezust\u00e4nde offen oder geschlossen seien, so ist dieser Streit, wie mir scheint, wenig mehr, als ein auf einem Missverst\u00e4ndnis beruhender Wortstreit gewesen. Ich wenigstens habe nie die Vorstellung gehabt, dass die Membran, welche die Zellen an ihrem seitlichen Umfange bekleidet, auch auf die Basis \u00fcberginge und bin nie in Zweifel gewesen, dass hier die Zellsubstanz selbst die Grenze bilde. Allein es ist ein anderes, wenn diese die Zellh\u00fclle bis zur Basis ausf\u00fcllt, hier mit scharfem Rande nach Aussen abschneidend, oder wenn das freie Ende der Zelle leer ist, so dass diese eine offene und nur theilweise gef\u00fcllte D\u00fcte bildet. Den letzteren Zustand bezeichne ich als offenen, den ersteren als geschlossenen. \u2014 Aehnlich, wie ich, scheint Watxey den Bau der Epithelzellen aufzufassen\nVor einigen Jahren hat Biedermann 3 und sp\u00e4ter im Anschl\u00fcsse an ihn Pestalozzi 4 den vorderen, leicht quellbaren Tlieil des Zellinhaltes f\u00fcr ein besonderes morphologisches Gebilde (\u201ePfropf\u201c) erkl\u00e4rt, an welchem Biedermann bei einzelnen Thieren (Pelobates fuscus, Meerschweinchen) sogar eine feine L\u00e4ngsstreifung, herr\u00fchrend von Porencan\u00e4lchen, und Pestalozzi (bei Triton) eine Zusammensetzung aus Fasern beschreibt. Nach Bildern, die ich bei Triton igneus an Pr\u00e4paraten aus MuLLER\u2019scher Fl\u00fcssigkeit erhalten, kann ich mir die Beschreibung jener Forscher wohl erkl\u00e4ren. Der sehr grosse Kern und das ihn umgebende Protoplasma, welche mindestens die hinteren zwei Dritttheile der Zelle einnehmen, setzen sich bei Triton scharf gegen den im vordem Drittheile der Zelle befindlichen, schleimig metamorphosirten Tlieil der Zellsubstanz ab. Die hier und da auftretenden L\u00e4ngsstreifen scheinen mir tlieils Falten der Zellmembran zu sein, tlieils Producte der sehr starken Quellung der schleimig metamorphosirten Zellsubstanz, wie sich aus Untersuchung frischer Zellen bei Zusatz von Wasser ergiebt.\nIII. Die Dr\u00fcsen des Pylorustheiies.\nIn den Grund der tiefen Magengruben (Dr\u00fcsenausg\u00e4nge) der Pylorusgegend m\u00fcnden schlauchf\u00f6rmige Dr\u00fcsen mit ihren verj\u00fcngten\n1\tBowman, Physiological anatomy. II. p. 193. London 1856.\n2\tWatney, The minute anatomy of the alimentary, canal. Philos, transact. CLXVI. 2. p. 471. 1876.\n3\tBiedermann, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXI. 1875.\n4\tPestalozzi, W\u00fcrzburger Verb. N. F. XII. S. 92. 1878.","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Pylorusdr\u00fcsen.\n97\noberen Enden (Driisenhals) ein, w\u00e4hrend ihre unteren breiten, nicht selten verzweigten Enden (Dr\u00fcsenk\u00f6rper) auf der Muscularis mucosae ruhen. Der Tunica propria dieser Schl\u00e4uche, in deren structurlose zarte Grundlage sternf\u00f6rmige anastomosirende Zellen eingewebt sind (Henle), sitzen in einfacher Lage Zellen auf, welche fr\u00fcherhin ohne Weiteres als Fortsetzungen des Magenepithels beschrieben wurden. Wenn diese Dr\u00fcsenzellen auch mit den Epithelialgebilden der freien Magenoberfl\u00e4che eine gewisse Aehnlichkeit der \u00e4ussernForm theilen, so kann diese doch nicht gen\u00fcgen, um daraus auf ihre morphologische Identit\u00e4t, noch weniger, um auf ihre functionelle Gleichwerthigkeit zu schliessen, was lange Zeit hindurch in dem Sinne geschehen ist, dass man die Pylorusdr\u00fcsen schlechthin den Schleimdr\u00fcsen zuz\u00e4hlte. DieVer-fiihrung hierzu lag wohl darin, dass die Pylorus-gegend in der Regel von einer dickeren Schleimlage bedeckt ist, als die Gegend der Curvaturen und des Fundus. Hier, so meinte man, betheilige sich allein das Epithel an der Schleimabsonderung, dort werde sie wesentlich durch die Dr\u00fcsen unterst\u00fctzt. Allein die massenhaftere Schleimbildung in der Pylorusgegend erkl\u00e4rt sich hinreichend aus der reichlicheren Entwicklung des Epithels, welche durch die viel bedeutendere Tiefe der Dr\u00fcsenausg\u00e4nge bedingt ist; die Dr\u00fcsen sind daran nur zum geringen Theile Schuld. F\u00fcr die physiologische Auffassung der letzteren ist die scharfe Unterscheidung ihrer und der epithelialen Zellen von Wichtigkeit.\nHandbuch der Tliysiologie. Bd. V.\t7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98 Heldeshain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\n1.\tIm frischen Zustande bei n\u00fcchternen Thieren haben die Epithelzellen, wie eben bemerkt, eine matt gl\u00e4nzende, fast homogene Beschaffenheit, die Dr\u00fcsenzellen sind durchweg* fein granulirt.\n2.\tSetzt man zu den frischen Zellen ein Tr\u00f6pfchen Picrocarmin, so f\u00e4rbt sich in den Epithelzellen nur der Kern und seine n\u00e4chste Umgebung; die Dr\u00fcsenzellen tingiren sich in ihrer ganzen Ausdehnung, der Kern besonders tief.\n3.\tAn durch Carmin gef\u00e4rbten und in Glycerin aufgehellten Al-coholpr\u00e4paraten erscheinen die Epithelzellen als helle leere D\u00fcten mit verj\u00fcngtem, oft in einen Ausl\u00e4ufer ausgezogenen Ende, in welchem der in der Richtung der Zellaxe verl\u00e4ngerte und von wenig Protoplasma umgebene Kern liegt. Die Dr\u00fcsenzellen erscheinen cylindrisch oder abgestutzt kegelf\u00f6rmig, sitzen mit breiter Basis der Membr. propria auf, sind durchweg schwach granulirt, ihr Kern abgeplattet, senkrecht gegen die Axe der Zelle verl\u00e4ngert.\n4)\tAn Pr\u00e4paraten aus doppelt chromsaurem Kali, aus Ranvier-schem Alcohol, aus zehnprocentiger L\u00f6sung von Chloralhydrat findet man die Epithelialzellen stark ver\u00e4ndert, nach Ausstossung ihres Inhaltes in die Form leerer D\u00fcten \u00fcbergegangen, die Dr\u00fcsenzellen in ihrer Gestalt wohl conservirt, ihr Protoplasma nicht entleert.\n5)\tUnterhalb der Epithelzellen finden sich in freilich nicht conti-tinuirlicher Lage junge Ersatzzellen; unterhalb der Dr\u00fcsenzellen kommen solche nirgends vor.\n6)\tVorgreifend mag hier erw\u00e4hnt werden, dass das Secret der Epithelialgebilde an carminisirten Alcoholpr\u00e4paraten eine homogene, das Epithel \u00fcberziehende (Schleim-) Lage bildet, das Secret der Dr\u00fcsenzellen in gleichen Pr\u00e4paraten eine k\u00f6rnige, das Lumen der Dr\u00fcse ausf\u00fcllende, durch Picrocarmin f\u00e4rbbare Masse darstellt.\nAlle diese Unterschiede beweisen auf das Unzweideutigste, dass die Epithelien und die Dr\u00fcsenzellen von specifisch verschiedner Natur sind und durchaus nicht mit einander verwechselt werden d\u00fcrfen.\nSeit 4Vassmann 1 die Dr\u00fcsen der Pylorusgegend beim Schweine zuerst als verschieden von denen des Fundus schilderte, haben alle folgenden Beobachter diese Differenz best\u00e4tigt, aber die Zellen jener Dr\u00fcsen als gleichwertig mit denen des Oberfl\u00e4chenepithels aufgefasst und abgebildet. So in ihren Lehrb\u00fcchern K\u00f6lliker, Frey, Leydig, Donders u. A. Das \\ erst\u00e4ndniss des wirklichen Verh\u00e4ltnisses ist erst durch die in meinem Institute unternommene Untersuchung von Ebstein 2 angebahnt worden, dessen Angaben ich im Obigen in einigen Puncten erweitert habe.\np Wassriann, De digestione nonnulla. p. 7 sqq. Berolini 1839. W. beschreibt eigentlich die mit den Pylorusdr\u00fcsen beim Schweine \u00fcbereinstimmenden Dr\u00fcsen der Cardia-gegend, bemerkt aber, dass die Dr\u00fcsen derPars pylorica die gleiche Structur besitzen.\n2 Ebstein. Arch. f. microsc. Anat. VI. S. 515. 1870.","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Pylorusdriisen.\n99\nUeber das Vorkommen der Dr\u00fcsen mit Cylinderepitliel bei verschied-nen S\u00e4ugethieren s. K\u00f6lliker, micr. Anat. II. 140. \u2014 Nach meinen Erfahrungen sind die Pylorusdriisen bei allen S\u00e4ugethieren constante Bildungen. Das Verhalten beim Menschen ist nach Henle 1 das gleiche.\nAuch bei den Amphibien hat Partsch - eine Verschiedenheit der Pylorusdriisen von denen des Fundus gefunden. Dort sind die Schl\u00e4uche mit grossen blasigen Zellen, \u00e4hnlich den Schleimzellen, ausgef\u00fcllt; bei den Fundusdr\u00fcsen kommen derartige Elemente nur vereinzelt an der Lebergangsstelle des Dr\u00fcsenk\u00f6rpers in den Dr\u00fcsenhals vor. Bei Coluber natrix, vco Partsch derartige Pylorusdriisen vermisste, hat sie sp\u00e4ter Edinger 1 2 3 4 5 gesehen.\n\u00bb9.\nNeuerdings hat Nussbaum 1 an mit Osmiums\u00e4ure behandelten Pr\u00e4paraten von Pylorusdriisen zwischen den oben beschriebenen Dr\u00fcsenzellen vereinzelt eine zweite Zellenart entdeckt, die er den sp\u00e4ter zu beschreibenden Belegzellen der Fundusdr\u00fcsen gleichstellt. Er bildet in zusammen 7 Schl\u00e4uchen drei Zellen ab, die sich durch einen grossen runden Kern und namentlich durch Schw\u00e4rzung ihres granul\u00f6sen Inhaltes von den \u00fcbrigen Dr\u00fcsenzellen unterscheiden. Die Beobachtung Nussbaum s, dass hier und da eine einzelne Zelle der Pylorusdriisen an Osmiums\u00e4urepr\u00e4paraten tief schwarz erscheint, ist ganz correct, seine Deutung dieser Gebilde aber als Belegzellen nicht haltbar, wie Gr\u00fctzneiU evident nachgewiesen hat. (Fig. 29 giebt zwei solcher Zellen im optischen Querschnitte.) Sie unterscheiden sich von den Belegzellen erstens durch den Mangel der F\u00e4rbbarkeit in Anilinblau und Anilinschwarz, zwei f\u00fcr jene Zellen charakteristische Merkmale, zweitens durch ihre Gestalt und ihre Lagerung, denn die linsenf\u00f6rmigen Belegzellen befinden sich im Dr\u00fcsengrunde stets (s. sp\u00e4ter) zwischen der T. propria und den cy-lindrischen Hauptzellen, ohne das Dr\u00fcsenlumen zu erreichen, die ungef\u00e4hr kegelf\u00f6rmigen Nussbaum sehen Zellen dringen mit einem f schmalen Fortsatze bis zur Lichtung dei Schl\u00e4uche vor. Die Unterschiede beider Zellenarten treten am auffallendsten in den Fundusdr\u00fcsen selbst hervor (wo Hr. Menzel vereinzelte Nussbaum sehe Zellen neben den Belegzellen auffand (vgl. Fig. 30: a Nussbaum'scIio Zelle, b Belegzelle). Ausser\n1\tJ. Henle, Eingeweidelehre. 2. Aufl. S. 167. Braunschweig 1873.\n2\tC. Partscii. Arch. f. microsc. Anat. XIV. S. 179. 1S77.\n;> Edinger. Ebenda. XVII. S. 212. 1879.\n4\tXussbaum, Ebenda. XVI. S. 532. 1879.\n5\tGr\u00fctzner (in Verbindung mit stud. Menzel), Arch. t.cl. ges. Physiol. X. b.4lo.\n1S79.\nv '\n\\\nfr\nY\n. '\t| ;v/.\n. A \u2022 -\t- :\nw\n' \u2022 V\nA\nis;. Epithel der Pylorusdr\u00fc-sen im optischen Querschnitte, a Xussbaum'sche Zellen.","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Absclin. Der Magen.\nder g\u00e4nzlichen Verschiedenheit der Gestalt bildet auch der verschiedne Grad der Schw\u00e4rzung und die Art der Granulationen ein hinreichendes Kennzeichen f\u00fcr beiderlei Gebilde. Endlich kommen den Nussbattm\u2019-\nsclien ganz \u00e4hnliche Zellen hier und da auch\n30.\n1 fa 9k.\t...\nin andern Dr\u00fcsen (z. B. den LiEBERK\u00fcnx\u2019schen Dr\u00fcsen des Darmes) vor.1 (Ich habe nicht selten in mit Osmiums\u00e4ure behandelten Flimmerh\u00e4uten eine einzelne durch tiefe Schw\u00e4rzung vor allen Nachbarn ausgezeichnete Zelle gesehen.) Alle diese Thatsachen, die verschiedene F\u00e4rbbarkeit, Form und Lagerung, weisen darauf hin, dass die NussBArnfschen Zellen mit den Belegzellen Nichts gemein haben. Ihre Bedeutung ist freilich unklar: vielleicht handelt es sich um einen besondern Alterszustand der Cylinderzellen, vielleicht um beginnende Verfettung des Protoplasmas, was weiter zu verfolgen k\u00fcnftigen Untersuchern \u00fcberlassen bleibt.\nFig. 30. Nussbaum\u2019sehe Zellen (a) und Belegzellen (b) der Fundusdr\u00fcsen.\nIV. Die Dr\u00fcsen des Fundus.\nGleich den Pylorusdr\u00fcsen von schlauchf\u00f6rmiger Gestalt, zeichnen sie sich vor denselben schon durch ihr viel engeres Lumen und ihre viel bedeutendere L\u00e4nge aus, welche durch die viel geringere Tiefe der Epitheleinsenkungen (Dr\u00fcsenausg\u00e4nge) bedingt ist. Ich unterscheide an den Fundusdr\u00fcsen, \u00e4hnlich wie an denen des Pylorus , den engeren Dr\u00fcsenhals, welcher nach Innen in den Dr\u00fcsenausgang m\u00fcndet und nach Aussen unmerklich in den weiteren Dr\u00fcsenk\u00f6rper \u00fcbergeht.\nEin wichtigerer Unterschied, als in der Differenz der L\u00e4nge, liegt f\u00fcr die beiden Dr\u00fcsenformen in der Natur der in ihnen vorhandenen secernirenden Elemente. Die Fundusdr\u00fcsen enthalten ausser cylindrischen Zellen, welche denen der Pylorusdr\u00fcsen in hohem Maasse \u00e4hnlich sind, noch eine zweite Form von Elementen, die fr\u00fcherhin in ihnen allein bekannten \u201eLabzellen\u201c. Da jene ersteren Zellen in der ganzen Ausdehnung des Dr\u00fcsenschlauches Vorkommen, nenne ich sie \u201eHauptzellen\u201c (PvOllet, adelomorphe Zellen), die zweite Zellenart, vTelche diesen aussen aufgelagert sind, \u201eBelegzellen\u201c (Rollet, delo-morphe Zellen). Die Belegzellen haben im Hungerzustande ihren geringsten Umfang und eine ovale, linsenf\u00f6rmige mitunter auch mehr\n1 Vgl. die oben citirte Arbeit von Gr\u00fctzner S. 413 u. Fig. 6.","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Dr\u00fcsen des Fundus.\n101\ndreieckige Gestalt, die Basis des Dreiecks nach der T. propria, die Spitze nach dem Innern der Dr\u00fcse gekehrt. Frisch unter Zusatz indifferenter Fl\u00fcssigkeiten untersucht, zeigen sie ein fein granulirtes Aussehen und in ihrem Verhalten gegen chemische Reagentien alle Eigenschaften, welche eiweiss-\nreichen zelligen Gebilden zukommen: Aufheilbarkeit in verd\u00fcnnten Alkalien, in sehr verd\u00fcnnten Minerals\u00e4uren und in organischen S\u00e4uren jeder Concentration, dagegen starke Tr\u00fcbung und Schrumpfung in concentrirten Minerals\u00e4uren. Weiter zeichnen sie sich aus durch Schw\u00e4rzung in Osmiums\u00e4ure, welche Eigenschaft sie jedoch (s. oben) mit andern Zellen der Magendr\u00fcsen theilen, und durch F\u00e4rbbarkeit in Anilinblau und Anilinschwarz.1 Die Hauptzellen verhalten sich, wie Ebstein zuerst nachgewiesen und viele Beobachter best\u00e4tigt haben, in den meisten Beziehungen so \u00e4hnlich den Zellen der Pvlorusdr\u00fcsen, dass sie von jenem Forscher f\u00fcr identisch mit denselben gehalten wurden. Mir ist nur ein freilich kaum wesentlicher ETiterschied aufgefallen. DieIlauptzellenzeigen n\u00e4mlich bei Untersuchung im ganz\n31.\nFig. 31. Dr\u00fcsen des Magen-Fundus.\nfrischen Zustande eine sehr grobe,\ndunkelk\u00f6rnige Granulirung, welche die Grenzen der einzelnen Zellen verdeckt, die Zellen der Pvlorusdr\u00fcsen eine sehr viel feinere, mattere Granulirung, ihre Grenzen gegen einander sind deutlich sichtbar. Diese Verschiedenheit des Aussehens ist so in die Augen springend, dass ich dieselbe nicht unerw\u00e4hnt lassen zu d\u00fcrfen glaube. Neuerdings haben auf dieselbe auch Sertoli & Xegrixi aufmerksam gemacht. 2\n1\tGr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 411. 1879.\n2\tSertoli & Negriki, Arehivio di medicina veterinaria. Fase. 3. 1878.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nDie r\u00e4umliche Anordnung' beider Zellenarten betreffend, so bilden in dem Dr\u00fcsenk\u00f6rper die Hauptzellen eine ununterbrochene, einfache, die enge Lichtung des Schlauches mit ihren inneren Enden begrenzende Lage; zwischen diese und die Membrana propria sind die Belegzellen eingeschoben, aber nicht in zusammenh\u00e4ngender, son-dern unterbrochener Reihe. L\u00fccken zwischen ihnen treten sowohl in der Richtung der L\u00e4ngsaxe der Schl\u00e4uche, als in der Richtung des Umfanges derselben auf. Auf einem durch den Dr\u00fcsenk\u00f6rper gef\u00fchrten Querschnitte liegen an der kreisf\u00f6rmigen Peripherie etwa 2\u20143 Belegzellen, w\u00e4hrend die kegelf\u00f6rmigen Hauptzellen einen ununterbrochenen Kranz um das Lumen bilden. In dem oberen Theile des Dr\u00fcsenk\u00f6rpers sekliessen sich die in Frage stehenden Zellen durch\nFig. 32. Fundusdr\u00fcsen. Querschnitt. a. Durch den Dr\u00fcsenk\u00f6rper, b. Durch den Dr\u00fcsenhals.\nVerkleinerung der L\u00fccken mehr und mehr an einander, bis sie in dem engeren Dr\u00fcsenhalse eine scheinbar ununterbrochene Lage bilden. Gleichzeitig nimmt die Gr\u00f6sse der einzelnen Zellen in dieser Gegend erheblich ab. Ihre dichte Aneinanderlagerung macht es auf Dr\u00fcsenl\u00e4ngsschnitten unm\u00f6glich zu entscheiden, ob in dieser Gegend neben ihnen noch Hauptzellen vorhanden sind. Doch lehren sein-feine, genau senkrecht gegen die Schlauchaxe gerichtete Querschnitte (vgl. Fig. 32 b), dass auch hier die letzteren Elemente nicht fehlen. Sie sind, \u00e4hnlich den Belegzellen, stark verkleinert und oft so zwischen diese eingelagert, dass sie dieselben nicht mehr von Innen her bedecken, sondern ihnen freien Zugang zu dem Dr\u00fcsenlumen gestatten.\nUeber den Dr\u00fcsenhals, in dessen oberstes Ende nicht selten","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Belegzellen und Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen.\n103\ncylintlrisehe Zellen des Dr\u00fcsenansganges eindringen, setzen sich merkw\u00fcrdiger Weise nicht selten vereinzelte Belegzellen in den letzteren, ja selbst hier und da bis zur Magenoberfl\u00e4che fort; sie finden an diesen Orten ihre St\u00e4tte zwischen den unteren Enden des Cylinder-epithels und dem Bindegewebe der Schleimhaut.\nUnerw\u00e4hnt darf nicht bleiben, dass die Region des Fundus und des Pylorus sich nicht scharf gegen einander absetzen, sondern zwischen beiden eine Uebergangszone existirt, in welcher Dr\u00fcsen von beiderlei Charakter Vorkommen.1 2\nK\u00f6lliker2 hat zuerst in den Magendr\u00fcsen des Hundes die oben geschilderten zwei Formen von Zellen nicht bloss gesehen, sondern auch abgebildet, auffallender Weise aber seine Beobachtung nicht weiter verfolgt und f\u00fcr so unwesentlich gehalten, dass er derselben in den sp\u00e4ter erschienenen Auflagen seiner Gewebelehre mit keinem Worte mehr gedenkt. Kein Wunder, dass andere Histologen und Physiologen seine Entdeckung nicht beachtet haben, bis meine und Rollet\u2019s von den meinigen ganz unabh\u00e4ngigen Beobachtungen in den Jahren 1869 und 187 0 dieselbe der Vergessenheit entrissen und ihre allgemeine Bedeutung darlegten3.\nBei aller Uebereinstimmung in den Hauptsachen wich Rollet doch in einigen Nebenpuncten von mir ab. Er l\u00e4ugnete das vereinzelte Vorkommen von Belegzellen unter dem Epithel der Magengruben und der freien Magenoberfl\u00e4che. Meine diesbez\u00fcglichen Angaben sind auch von Jukes4 bestritten, dagegen von Friedixger5, Bextkowski6, Hexle7 8 best\u00e4tigt worden. Ich habe die Freude gehabt, bei Gelegenheit der Breslauer Naturforscher-Versammlung meinen geehrten Freund Rollet selbst von der Richtigkeit der Thatsache zu \u00fcberzeugen.\nRollet l\u00e4ugnete ferner das Vorkommen von Hauptzellen im Dr\u00fcsenhalse. F\u00fcr meine Angabe haben sich Bextkowski und Hexle erkl\u00e4rt. Zur Best\u00e4tigung derselben kann ich ausser recht feinen Querschnitten auch Zerzupfungspr\u00e4parate aus Kali bichromicum empfehlen. Wenn es gelingt, Dr\u00fcsenschl\u00e4uche ihrer ganzen L\u00e4nge nach zu isoliren, wird man nicht selten Gelegenheit haben, sich von der Gegenwart der Hauptzellen im Halse zu \u00fcberzeugen.\nK\u00fcrzlich hat Edixger s eine schon fr\u00fcherliin beil\u00e4ufig von Herrexd\u00f6rfer ausgesprochene Vermuthung weiter verfolgt, nach welcher die\n1\tEbstein. Arch. f. microsc. Anat. VI. S. 517. 1870.\n2\tK\u00f6lliker, Arch. f. microsc. Anat. II. 2. S. 141. Leipzig 1854.\n3\tIIeidenhaix, Sitzgsber. d. schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. I860. 19. Febr. u. 19. Nov. ; Arch. f. microsc. Anat. VI. 1870. \u2014 Rollet . Centrabl. f. d. med. Miss. U70: Untersuchungen aus dem Institute f\u00fcr Physiologie und Histologie in Graz. II. 1871.\n4\tJukes, Beitr\u00e4ge zum histologischen Bau der Labdr\u00fcsen. Diss. G\u00f6ttingen 1871.\n5\tFriedixger. Sitzgsber. d. \"Wiener Acad. LXIV. Oct.-Heft. S. 3. 1871.\n6\tBextkowski, Gazeta lekarska. XXL (Virchow&Hirsch\u2019s Jahresber. \u00fcb. Anat. u. Physiol. 1876. S. 69. Ref. Oettinger, Krakau.)\n7\tHexle. Eingeweidelehre. II. Aufl. S. 170. Braunschweig 1873.\n8\tEdixger. Arch. f. microsc. Anat. XVII. S. 193 u. fg. 1879.\n*9 Herrexd\u00f6rfer, Physiologische und microscopische Untersuchungen \u00fcber die Ausscheidung von Pepsin. JJLs. K\u00f6nigsberg 1875.","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Absehn. Der Magen.\nBeleg- und die Hauptzellen nur Entwicklungsstufen derselben Art von Zellen sein sollen; die Belegzellen entst\u00e4nden aus den Hauptzellen durch die Verdauungsth\u00e4tigkeit. Seine wesentlichen Gr\u00fcnde daf\u00fcr fand er erstens in der Untersuchung einiger Schleimhautst\u00fccke des menschlichen Magens, in welchen neben (in Folge des Hungerzustandes) kleinen Belegzellen cy-lindrische Hauptzellen vorkamen, die sich jenen ersteren Zellen \u00e4hnlich in Osmiums\u00e4ure schwarz und in Eosin roth f\u00e4rbten und durch unregelm\u00e4ssige Gestalt den Belegzellen n\u00e4herten. Allein eine blosse Farben-reaction kann unm\u00f6glich \u00fcber die Identit\u00e4t oder Nichtidentit\u00e4t von Zellen entscheiden. Dass dicht neben einander liegende Hauptzellen sich gegen dasselbe F\u00e4rbemittel ganz verschieden verhalten k\u00f6nnen, weiss ich 1 wohl von dem Magen des Schweines her, wo in demselben Schlauche helle Hauptzellen, die sich in Anilinblau nicht f\u00e4rben, neben dunkleren granu-lirten, die sich darin mehr oder weniger tief f\u00e4rben, Vorkommen. Es handelt sich hier um Nichts als verschiedne Functionszust\u00e4nde, die beim Schweine merkw\u00fcrdiger Weise neben einander auftreten, w\u00e4hrend bei den meisten von mir untersuchten Thieren die Zellen desselben Schlauches in der grossen Mehrzahl sich in gleichem Zustande befinden. Aber gerade die Dr\u00fcsen des Schweines sind sehr geeignet, zu zeigen, dass solche f\u00e4rb-\nbare Hauptzellen mit den Belegzellen Nichts gemein haben, denn letztere befinden sich hier in der gr\u00f6ssten Ausdehnung der Schl\u00e4uche, wie beim Delphin nach F. E. Schulze, in besonderen Aussackun-\nc gen oder Nischen der Schlauchmembran, die nur durch eine enge Oeffnung mit dem Hauptrohr com-municiren. Innerhalb des letzteren bilden die Hauptzellen eine ununterbro-\nchene Epithelialr\u00f6hre. Schon Angesichts dieses Bildes wird die Hypo-\nFig. 33. Querschnitt durch die Labdr\u00fcsen des Schweines.\nthese Edingee\u2019s offenbar unhaltbar. Ebenso gegen\u00fcber der oben erw\u00e4hnten Thatsache, dass Belegzellen sich an Stellen finden, wo Hauptzellen gar nicht Vorkommen, n\u00e4mlich unter dem Cylinderepithel der Dr\u00fcsenausg\u00e4nge und der Magenoberfl\u00e4che. Sollen sie sich etwa auch aus den Schleimzellen hervorbilden? Endlich dr\u00e4ngt sich doch die Frage auf, weshalb denn Belegzellen nicht in den Schl\u00e4uchen des Pylorus w\u00e4hrend der Verdauung massenweise aus den Hauptzellen entstehen?\nEine zweite Thatsache, welche Edinger f\u00fcr seine Hypothese geltend macht, ist allerdings sehr auffallend: er vermisste die Belegzellen fast ganz in dem Magen einer seit 10 Tagen n\u00fcchternen Patientin.\n1 R. Heidenhain, Arch. f. microsc. Anat. VI. Taf. XXL Fig. 19. 1870.","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Belegzellen und Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen.\n105\nIch habe hungernde Thiere sehr oit untersucht, freilich nie nach so langer Inanition und die Belegzellen zwar sehr verkleinert gefunden, abei doch immer vorhanden gesehen. Da sie auch in dem Magen \\on h ledei-m\u00e4usen, welche den ganzen Winter im Schlafe gewesen sind, leichlicn Vorkommen (nur die untersten Schlauchzipfel enthalten sie sehr sparsam), m\u00f6chte ich ihren g\u00e4nzlichen Schwund im menschlichen Magen so lange bezweifeln, bis jener eine Fall durch neue Beobachtungen verificirt ist, und annehmen, dass sie in stark reducirtem Zustande doch voihanden gewesen sind. Ich denke dabei an kleine, sehr schwer zu entdeckende Zellen, welche ich auf S. 3SS meiner oben angef\u00fchrten Arbeit beschrieben und vermutliungsweise als in der Entwicklung begriffene Belegzellen geschildert habe. Nachuntersucher der eben besprochenen Verh\u00e4ltnisse m\u00f6chte ich dringend ersuchen, es nicht bei einer einzelnen Farbenreaction oder einem einzelnen Objecte bewenden zu lassen, um sich \u00fcber die specifische Natur von Haupt- und Belegzellen zu orientiren, sondern sich der M\u00fche von F\u00fctterungsreihen zu unterziehen. Nur so gewinnt man ein ausreichendes Urtheil.\nDie Belegzellen enthaltenden seitlichen Aussackungen der Schl\u00e4uche in dem Schweinemagen sind in dem Dr\u00fcsenmagen der V\u00f6gel zu langen, d\u00fcnnen, mit Belegzellen austapezierten Schl\u00e4uchen entwickelt. Die zusammengesetzte Dr\u00fcse besteht hier mit unwesentlichen Ab\u00e4ndeiungen aus einem langen, schmalen, mit Cylinderzellen ausgekleideten Hauptiohi, in welches jene zahlreichen Schl\u00e4uche einm\u00fcnden '.\nAn den Typus der Dr\u00fcsen im Vogelmagen schliesst sich der Bau\nder Magendr\u00fcsen bei Testudo europaea1 2.\nBei den nackten Amphibien3 enth\u00e4lt der eigentliche Dr\u00fcsenk\u00f6rper der Fundusdr\u00fcsen \u00fcberall nur eine Zellform, welche den Belegzellen dei S\u00e4ugethiere entspricht. Das Oberfl\u00e4chenepithel des Magens senkt sich in den Dr\u00fcsenausgang und den Dr\u00fcsenhals in wenig ver\u00e4nderter Gestalt; an der Grenze des letzteren und des Dr\u00fcsenk\u00f6rpers liegen stets einige grosse, bauchige, helle, ihrer Form nach Becherzellen \u00e4hnliche Gebilde.\nAls physiologisch besonders wichtig sind bei dem Frosche noch eigen-th\u00fcmliche Dr\u00fcsen des Oesophagus zu erw\u00e4hnen, welche ihrer Function nach zu den Verdauungsdr\u00fcsen geh\u00f6ren. Schon von Klein erw\u00e4hnt, sind dieselben von II. von Swiecicki und besonders von C. Partsch genauer beschrieben. Sie geh\u00f6ren dem ver\u00e4stelt tubul\u00f6sen Typus an und haben kegelf\u00f6rmige oder cylindrische Zellen, welche den Hauptzellen der Magen-dr\u00fcsen in ihrem histologischen Verhalten, wie in ihrer physiologischen Function entsprechen4.\n1\tLeydig, Muller\u2019s Archiv. 1854. S. 331; Lehrbuch d. Histologie. Fig. 70. 1857. \u2014 Bergmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1802. S. 581. \u2014 Wilczewski.Untersuchungen \u00fcber den Bau der Magendr\u00fcsen der V\u00f6gel. Breslau 1870.\n2\tMotta Maja et Renaut, Arch. d. physiol, norm, et pathol. 1S7S ; p. 67.\n3\tR. Heidenhain, A. Rollet in den oben citirten Arbeiten. \u2014 Bleyer, Magenepithel und Magendr\u00fcsen der Batrachier. K\u00f6nigsberg D74. C. Partsch, Arch. f. microsc. Anat. XIV. S. 179. Is77. \u2014 J. Gabel, Recherches sur l\u2019anatomie g\u00e9n\u00e9rale compar\u00e9e et la signification morphologique des glandes et la muqueuse intestinale et gastrique. Paris 1879.\n4 Klein, Strieker\u2019s Gewebelehre S. 3S4. Leipzig 1871. \u2014 Heliodor von Swiecicik. Arch. f. d. ges.Physiol. XIII. S. 4 44. 1^70. \u2014 G. Partsch, Arch. f. microsc. Anat. 1877","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"1 06 Heidexhais, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Absckn. Der Magen.\nEndlich sei noch mit zwei Worten der Blutgef\u00e4sse und der Lvmphr\u00e4ume der Magenschleimhaut erw\u00e4hnt. Erstere bilden um die Dr\u00fcsenk\u00f6rper Capillarnetze mit langgestreckten Maschen, um die Drti-senh\u00e4lse ein der Oberfl\u00e4che paralleles polygonales Netz, durch dessen Maschen die einzelnen Dr\u00fcsen hindurchgesteckt sind.\nDie Lymphgef\u00e4sse 1 bilden um die Dr\u00fcsen grosse r\u00f6hrenartige R\u00e4ume, deren Begrenzung einerseits von der Mbr. propria der Dr\u00fcsen, andrerseits von Endothelien, welche dem interglandul\u00e4ren Bindegewebe aufgelagert sind, gebildet wird. Es sind also die Dr\u00fcsenschl\u00e4uche unmittelbar von Lymphe umsp\u00fclt.\nZWEITES CAPITEL.\nAllgemeine Bedingungen der Absonderung.\nI. Methoden der Untersuchung.\n1. Gewinnung des gemischten Magensaftes.\nDie \u00e4lteie Physiologie war an H\u00fclfsmitteln, die Absonderungsvor-g\u00e4nge im Magen zu untersuchen, so arm. dass ihre Ergebnisse sich nur aul die d\u00fcrftigsten Angaben beschr\u00e4nkten. Man t\u00f6dtete in der Regel einfach die Thiere im n\u00fcchternen Zustande oder w\u00e4hrend der Anf\u00fcllung des Magens, um den Inhalt desselben zu controlliren : so Tiedemaxx & Gmelix in ihrem Meisterwerke \u00fcber die Verdauung\nBereits vorher hatte Reaumur :i, aber nur in zwei F\u00e4llen, Magensaft dadurch erhalten, dass er in einer offenen Metallr\u00f6hre Schwammst\u00fccke befestigte, dieselbe verschlucken liess und abwartete, bis sie wieder erbrochen wurde.\nEinen \u00e4hnlichen V eg schlug der geistreiche Abt S fall a x za x i 4 ein \u2022 indem er trockene Schw\u00e4mme in durchl\u00f6cherten Metallr\u00f6hrchen in den Magen von Kr\u00e4hen, K\u00e4uzchen (Strix passerina) und anderen V\u00f6geln brachte und die Herausbef\u00f6rderung derselben durch Erbrechen abwartete, war er im Stande, sich ziemlich reichliche Mengen von Magensaft, bei Kr\u00e4hen m einigen Tagen 13 Unzen, zu verschaffen. Seinen eigenen Mageninhalt\n1 Lov\u00c9x, Nord. med. arkiv V. (Schwalbe\u2019s Jahresber. f. 1873. S. 19o. )\n0\tT). -TTI\u00c0PEh,RICH Twdemanx & Leopold Gmelix, Die Verdauung nach Versuchen\n1\tLde. Heidelberg-Leipzig 1826.\n.\t3 R\u00e9aumur. Sur la digestion, second m\u00e9moire ; Histoire de l\u2019academie royale des\nsciences. 1752. Avec les m\u00e9moires de math\u00e9matique et de physique pour la m\u00eame ann\u00e9e, p. 4b 1.\nc _ i Spallanzani, Versuche \u00fcber das Verdauungsgesch\u00e4ft. Deutsch von Michaelis S. ib. Leipzig 17S5.","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"Gewinnung des Magensaftes.\t107\nerhielt er dadurch, dass er durch Kitzeln seines Schlundes Erbrechen erregte.\nAlle diese H\u00fclfsmittel f\u00f6rderten die Kenntniss der Absonderungsvorg\u00e4nge nur wenig, bis ein gl\u00fccklicher Zufall die Untersuchung auf neue Bahnen wies. Ein Reisediener der amerikanischen Pelzcompagnie, Alex. St. Martin, hatte in Eolge eines Schrotschusses eine Magenfistel davon getragen. Ihn benutzte Dr. Wilhelm Beaumont, um eine Reihe der werthvollsten Untersuchungen \u00fcber die Absonderung des Magensaftes und die Verdauungsvorg\u00e4nge im Magen anzustellen '. Den hier durch ein Ungef\u00e4hr gegebenen Wink verfolgte systematisch auf dem V ege des I liier-versuclies zuerst Bloxdlot - weiter; er gab durch die Anlegung k\u00fcnstlicher Magenfisteln bei Hunden den ersten Anstoss zu einer vielseitig fruchtbar gewordenen Fortentwicklung der Verdauungslehre.\nSeit Blondlot ist die Methode der Fisteloperation von zahlreichen Forschern ge\u00fcbt worden, im Ganzen mit wenig Abweichungen unter einander. Ich habe die verschiednen gebr\u00e4uchlichen Operationsweisen eingeschlagen, ohne behaupten zu k\u00f6nnen, dass die eine einen wesentlichen Vorzug vor der andern bes\u00e4sse. Am schnellsten kommt man in folgender Weise zum Ziele: Bei m\u00e4ssig angef\u00fclltem Magen wird das Versuchsthier tief narcotisirt1 2 3, die Unterleibsh\u00f6hle in der Linea alba durch einen am Proc. xiphoideus sterni beginnenden Schnitt so weit er\u00f6ffnet, dass man gerade im Stande ist, mit dem Zeigefinger und Mittelfinger der rechten\nHand einzugehen und den Magen durch die Wunde hervorzuziehen. An die vordere Wand desselben werden jetzt zwei kr\u00e4ftige Hakenpincetten gelegt und mittelst derselben eine Falte von 3 \u2014 4 Cm. L\u00e4nge empor-\n1\tDr. W. Beaumont. Neue Versuche und Beobachtungen \u00fcber den Magensaft und die Physiologie der Verdauung. Deutsch von Dr. B. Luden. Leipzig 1834.\n2\tBlondlot, Trait\u00e9 analytique de la digestion, p. 202. Paris 1843.\n3\tSeit vielen Jahren verwende ich hei allen A ivisectionen, welche nicht Im-mobilisirung der Thiere durch Curare n\u00f6thig machen, behufs An\u00e4sthesirung In-jectionen von salzsaurem Morphium in eine Vene. F\u00fcr einen mittelgrossen Hund gen\u00fcgen in der Regel 4 Ccm. einer zweiprocentigen L\u00f6sung. Es giebt aber einzelne Thiere. bei welchen keine Morphiumdosis den erw\u00fcnschten Schlafzustand herbeif\u00fchrt. In solchen Pallen ist eine auf das Morphium folgende massige Chloroforminhalation von grossem Nutzen.","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108 Heedexhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Ahschn. Der Magen.\ngehoben. Eine starke Scheere dnrehsclmeidet diese Falte senkrecht auf ihre L\u00e4ngsrichtung in einer Ausdehnung, welche sich nach der Gr\u00f6sse der anzulegenden Fistel und der Gr\u00f6sse der f\u00fcr diese zu verwendenden Can\u00fcle richtet. Die gebr\u00e4uchlichen und durchaus zu empfehlenden Can\u00e4len haben folgende Gestalt. Zwei Neusilberr\u00f6hren von 12 Mm. Durchmesser und 35 Mm. L\u00e4nge tragen, die eine (ab) auf ihrer Innenfl\u00e4che, die andere (cd) auf ihrer Aussenfl\u00e4che in einander passende Schraubengewinde, verm\u00f6ge deren sie mehr oder weniger tief in einander geschraubt werden k\u00f6nnen. Jede Cantile ist ausserdem an ihrem freien Ende mit einer rechtwinklig auf sie aufgesetzten Randplatte (au und \u00df \u00df) versehen. Man schneidet nun in die Magenwandung, welche mittelst der beiden oben erw\u00e4hnten Hakenpincetten von einem Assistenten faltenf\u00f6rmig aus der Bauchwunde herausgezogen wird, ein Loch von solcher Gr\u00f6sse, dass die Endplatte derjenigen Can\u00fcle, welche das Schraubengewinde auf ihrer Innenfl\u00e4che tr\u00e4gt, mit einigem Zwange, wie ein Knopf durch ein enges Knopfloch, in das Innere des Magens hineingeschoben werden kann. Sodann binde ich den Rand der Magenwunde mittelst eines carbolisirten Seidenfadens auf der Can\u00fcle fest und benutze denselben Faden, um die Can\u00fcle sammt dem Magen in der Bauchwunde durch einen Stich zu flxiren. Hat man die letztere nicht \u00fcberfl\u00fcssig gross gemacht, so legen sich ihre R\u00e4nder schon von selbst enge an die Can\u00fcle an, so dass sie durch die letztere hinreichend geschlossen wird. N\u00f6thigenfalls gen\u00fcgen 1 \u2014 2 Knopfn\u00e4the, um die Schliessung zu vollenden. Die ausserhalb des Bauches liegende Platte der innern Can\u00fcle (welche ihr Schraubengewinde auf der Aussen-seite tr\u00e4gt) sichert dem Magen seinen Contact mit der Bauchwand, wenn sie durch Hineinschrauben dieser Can\u00fcle der in dem Magen liegenden Platte so weit gen\u00e4hert wird, dass der Abstand beider Platten der Dicke der zwischen ihnen liegenden Weichtheile (Bauch- und Magenwand) gleichkommt. Um das Hineinschrauben der Can\u00fcle cd in die Can\u00fcle ab mit Sicherheit bewerkstelligen zu k\u00f6nnen, ist in dem Lumen von cd nach Cl. Bernard in der Richtung eines Querdurchmessers eine Neusilberleiste angebracht, welche in die schlitzf\u00f6rmige Fuge eines Halters mit knopff\u00f6rmigem Ende (yy) passt. Dieser Halter wird als Schraubenschl\u00fcssel benutzt.\nNach vollendeter Operation wird nat\u00fcrlich die Caniilen\u00f6ffnung mittelst eines St\u00f6psels geschlossen. In den n\u00e4chsten Tagen pflegen die Wundr\u00e4nder mehr oder weniger aufzuschwellen, was eine Verl\u00e4ngerung der Can\u00fcle durch Auseinanderschrauben der beiden Platten nothwendig macht, wenn nicht starke Entz\u00fcndung durch den Druck und Eiterung eintreten soll. Das ist aber auch fast die einzige nothwendige Vorsichtsmassregel ; bei Beachtung derselben geht die Heilung ausnahmslos schnell und gut von statten. \u2014\nManche Experimentatoren ziehen es vor, zun\u00e4chst die Magenwandung' mit der Bauchwandung verwachsen zu lassen, bevor die Can\u00fcle in den Magen eingelegt wird. Zu diesem Zwecke wird die durch die Bauchwunde in der oben beschriebenen Weise hervorzuziehende Falte der Magenwand an ihrer Basis mittelst eines spitzen, biegsamen Metalldrahtes durchstossen. Die freien Enden dieses Drahtes werden \u00fcber einem Holzkl\u00f6tzchen, das man quer \u00fcber die Bauchwunde lagert, der Art zusammengewunden, dass","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"Anlegung von Magenfist ein. Pylorus- und Fundusdr\u00fcsen.\no O\tO\t\u00ab/\n109\ndieses Kl\u00f6tzchen den Magen mit den Bauchwandungen in sicherer Ber\u00fchrung h\u00e4lt. W\u00e4hrend in den n\u00e4chsten Tagen die Periton\u00e4alfl\u00e4chen des Magens lind der Bauchwandungen mit einander verwachsen, schn\u00fcrt man die Drahtschlinge, welche die Magenfalte durchbohrt hat, allm\u00e4hlich fester zu, um das Ausfallen derselben und dadurch die Er\u00f6ffnung des Magens herbeizuf\u00fchren. Man beherrscht bei dieser Methode die Weite der Fistel nicht so gut, wie bei der vorigen, und hat deshalb mit dem Einf\u00fchren der Caniile nicht selten Schwierigkeiten. Doch beugt sie allerdings mit Sicherheit dem Ueberfliessen von Mageninhalt in die Periton\u00e4alh\u00f6hle vor, was \u00e4ngstlichen Experimentatoren eine Beruhigung sein mag. \u2014\nEine Zusammenstellung der verschiedenen Methoden der Fisteloperation findet man bei Schiff1 2; die haupts\u00e4chlichsten Abweichungen betreffen folgende Punkte: 1) Die Vorbereitung des Thieres zur Operation. Manche Experimentatoren lassen vor der Anlegung der Fistel reichlich fressen, um den Magen stark anzuf\u00fcllen und dadurch in der Bauchh\u00f6hle leichter auffindbar zu machen. So Blondlot, Bardeleben, Schiff, Cl. Bernard. Allein ich ziehe mit Bidder und Schmidt den leeren Zustand des Magens vor, theils weil bei Anwesenheit von viel Mageninhalt leicht st\u00f6rende Brechbewegungen eintreten. theils weil-durch die Operation die Verdauung unterbrochen wird und damit G\u00e4hrungen der Magencontenta und conseeutiver Magencatarrh eintreten, welcher die Fresslust der Tliiere l\u00e4ngere Zeit unterbricht. 2) Der Ort der Operation am Magen ist insofern nicht ohne Einfluss, als Fisteln der rechten Magenh\u00e4lfte nahe dem Pylorus schlechter ertragen werden, als Fisteln der linken H\u00e4lfte. Der Grund liegt wohl darin, dass durch jene die Ueberf\u00fchrung der Speisen in den Darm in h\u00f6herem Grade erschwert wird. 3) Die Form der Caniile ist nicht grade wesentlich; eine jede, welche weder in den Magen hineinschl\u00fcpfen noch aus ihm ausfallen kann, leistet dieselben Dienste. Selbstverst\u00e4ndlich darf die Caniile nicht aus einem Metalle bestehen, welches durch die freie Salzs\u00e4ure des Magensaftes leicht gel\u00f6st wird.\n2. Gewinnung des reinen Seeretes der Pi/lorus- und der Fundusdr\u00fcsen.\nUm das reine Secret der Dr\u00fcsen der Pylorusregion oder der Fundusregion zu gewinnen, ist es nothwendig, diese Tlieile des Magens durch Resection zu isoliren, eine Operation, welche f\u00fcr den Pylorus zuerst Klemensiewicz 2 versucht hat, und welche mir3 sp\u00e4ter f\u00fcr beide Tlieile des Magens gelungen ist. Die Bedingung f\u00fcr die Erhaltung der Thiere nach dem schweren operativen Eingriffe ist die Anwendung des antiseptischen Verfahrens nach Elster.\nBehufs der Isolirung des Pylorus wird der Magen des seit 36\u20144S Stunden n\u00fcchternen Hundes durch eine in der Linea alba unterhalb des Processus xiphoideus anzulegende Schnittwunde aus der Leibesh\u00f6hle gezogen und die Pyloruszone durch zwei in der Richtung ab um den D\u00fcnn-\n1\tSchiff. Le\u00e7ons sur la physiologie de la digestion F 15. Vorlesung. Paris und Berlin 1 S6T.\n2\tKlemensiewicz. Sitzgsber. d. 'Wiener Acad. LXXI. 1S75. IS. M\u00e4rz.\n3\tR. Heidenhain, Arch. f. d. ges.Physiol. XVIII. S. 169. 1S7S, XIX. S. US. IS79.","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110 Heidenhain, Physiologie der Ahsondeningsvorg\u00e4nge. 2. Absehn. Der Magen.\ndann und ab' um den Magen selbst anzulegende provisorische Ligaturen abgeschlossen, um die Ueberfluthung der anzulegenden Wunden durch Secrete u. s. f. zu verhindern. Sodann wird unter Vermeidung der grossen Blutgef\u00e4sse der beiden Curvaturen das St\u00fcck cd cf aus dem Magen ausgeschnitten und die Continuit\u00e4t desselben durch Vereinigung der Schnittr\u00e4nder mittelst carbolisirter Seide nach den Regeln der chirurgischen Darmnath wiederhergestellt. Da der Schnittrand ef k\u00fcrzer ist, als der\nFi\u00e7. 35. Sdniittrichtungen bei Isolirung des Pylorus und des Fundus.\nRand c d, muss das untere Ende des letzteren durch Aneinandern\u00e4hen der vordem und hintern Magenwand f\u00fcr sieh so weit geschlossen werden, dass die zur\u00fcckbleibende Oeffnung an das Schnittoval e f passt. Nachdem der von seinen provisorischen Ligaturen befreite Magen in die Leibesh\u00f6hle zur\u00fcckgebracht ist, wird aus dem ausgeschnittenen St\u00fccke de e f ein Blindsack gebildet. Zu diesem Belmfe gen\u00fcgt es, die Schnittr\u00e4nder der Oeffnung c d vollst\u00e4ndig und die R\u00e4nder der Oeffnung e f so weit durch Knopfn\u00e4the zu schliessen, dass nur ein Eingang in den Sack von etwa 1 \u2014 11 2 Ctm. Durchmesser \u00fcbrig bleibt, mit welchem derselbe in die bis auf diesen Umfang ebenfalls geschlossene Bauchwunde eingen\u00e4ht wird.\nDas Verfahren zur Isolirung der Fundusschleimhaut ist sehr \u00e4hnlich. Die provisorischen Ligaturen werden in den Richtungen a\u00df und a\u00df angelegt, sodann ein St\u00fcck von der Begrenzung y de ausgeschnitten \u2014 nat\u00fcrlich unter Schonung der Gef\u00e4sse der grossen Curvatur \u2014, die Continuit\u00e4t des Magens wiederhergestellt und aus dem etwa rhombischen Lappen der Magenwand ein r\u00f6hrenf\u00f6rmiger Blindsack gebildet, dessen Oeffnung ebenfalls in die Bauchwunde eingeheilt wird.\nDer Erfolg ist bei der Pylorusoperation g\u00fcnstiger als bei der Fundusoperation, weil die Pylorusschleimhaut weniger nachblutet, als die Fundusschleimhaut. Zwei Tage nach der Operation m\u00fcssen die Thiere ohne alle","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"Ill\nAbsonderung im n\u00fcchternen Zustande.\nNahrung gelassen werden, dann zun\u00e4chst nur Milch in kleinen Dosen, sp\u00e4ter fein gewiegtes Fleisch erhalten. In der Folge leiden die Thiere unter der Pylorusoperation gar nicht, weil das die \u00e4ussere Fl\u00e4che der Bauchwandung netzende Pylorussecret unsch\u00e4dlich ist; nach der Fundusoperation bilden sich in der N\u00e4he des Fistelrandes Excoriationen, welche am Besten durch oft wiederholte Reinigung behandelt werden.\nII. Absomlernngsreize.\nDass im Normalzust\u00e4nde, so lange der Magen leer ist, die se-cretorische Th\u00e4tigkeit desselben ruht, wird von den meisten Physiologen als unbestrittene Thatsaclie angesehen. Doch finden sich in der Literatur Angaben entgegengesetzter Art zu h\u00e4ufig, um sie ohne Weiteres vernachl\u00e4ssigen zu d\u00fcrfen. Schon Spallanzani1 traf bei Truth\u00e4hnen, Reihern, G\u00e4nsen stets gr\u00f6ssere Mengen von Magensaft im n\u00fcchternen Zustande an, ja angeblich sogar bedeutendere, als w\u00e4hrend der Verdauung, weil w\u00e4hrend der letzteren das Secret sich in die Speisen imbibire. Er h\u00e4lt deshalb die Absonderung f\u00fcr einen continuirlichen Vorgang; doch kann es fraglich erscheinen, ob er in der aufgefundenen Fl\u00fcssigkeit immer reinen Magensaft vor sich gehabt, da er selbst \u00f6fters die gelbliche Farbe und den bittern Geschmack derselben hervorhebt.\nTiedemann und Gmelin2 begegneten hin und wieder bei Thieren, die ganz n\u00fcchtern waren oder doch nur Wasser erhalten hatten, saurer Fl\u00fcssigkeit.\nNach eigenen Erfahrungen muss ich annehmen, dass der Zustand des leeren Magens sich mit der Dauer der Nahrungsentziehung \u00e4ndert. Nach Vollendung eines Verdauungsaktes h\u00f6rt die saure Absonderung zun\u00e4chst aut, eine Thatsache, die auch f\u00fcr den Menschen vielfach constatirt ist. \u25a0 V enn aber die Nahrungsentziehung ungew\u00f6hnlich lange dauert, scheint in der Regel langsame, saure Absonderung von selbst wieder zu beginnen, denn einerseits habe ich sehr h\u00e4ufig die Oberfl\u00e4che der Fundus-Schleimhaut bei l\u00e4ngere Zeit n\u00fcchternen Thieren sauer gefunden, w\u00e4hrend die Pylons-Schleimhaut Lakmus-Papier bl\u00e4ute, andrerseits nicht selten bei Thieren (Hunden und Katzen), die im n\u00fcchternen Zustande durch \\ erblutung get\u00f6dtet worden waren, mehr oder weniger grosse Mengen saurer Fl\u00fcssigkeit frei im Magen\n1 S ! allanzani, Versuche \u00fcber das Verdauungsgesch\u00e4ft. Deutsch von Michaelis. S. 51. 91. Leipzig 17S5.\n- 1 Kiedrich Tiedemann \u00e4 Leopold Gmelin, Die Verdauung nach Versuchen. L S. !)l u. fg. Heidelbergu. Leipzig 1826.\n3 Beaumont, Neue Versuche u. Beobachtungen \u00fcber den Magensaft. Deutsch von Luden. S. 65 u. 66. Leipzig 1 S3 4. \u2014 P. Kretschy, Deutsch. Arch. f. klin. Med. kA III. S. 527. \u2014 Uffelmann, Ebenda XX. S. 533. 1S77.","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nangetroffen. Aehnliche F\u00e4lle sind auch von Beaux1 beobachtet worden. Hiermit in Uebereinstimmung* ist die Erfahrung von Gr\u00fctzner, dass, wenn Hunde 60 bis 70 Stunden lang fasten, der Pepsingehalt der Magenschleimhaut unter Eintritt von Absonderung sinkt.2\nRollet3 ist geneigt, die geringgradige Absonderung, welche auch er nicht selten bei frischget\u00f6dteten hungernden Hunden vorfand, von einer Reizung der Magenschleimhaut durch verschluckten Speichel abzuleiten. Allein ich habe an Magenfistel-Hunden die Ueberzeugung nicht gewinnen k\u00f6nnen, dass Speichel, der in Ber\u00fchrung mit der Magenoberfl\u00e4che gelangt, eine merkliche Absonderung anregt.\nBei Hunden, die mit einer Fistelcaniile versehen sind, fand ich mitunter, trotz 24 st\u00e4ndigen Hungerns, in dem Magen sehr grosse Mengen s\u00e4uern Saftes vor. Eine ergiebige Absonderung hat immer ungew\u00f6hnliche Gr\u00fcnde. In einzelnen F\u00e4llen gaben Spulw\u00fcrmer, die sich in den Ma gen verirrt hatten, in andern gab die Caniile selbst zu mechanischen Reizungen Veranlassung, indem sie, bei unzweckm\u00e4ssiger Entfernung der Innen- und Aussenplatte von einander, die Schleimhaut mechanisch irri-tirte. \u2014\nBraun 4, welcher l\u00e4ngere Beobachtungsreihen \u00fcber die Magensaft-absomPrung an Fistelhunden anstellte, geht jedenfalls zu weit, wenn er, mit Spallanzani, dieselbe f\u00fcr eine continuirliche, \u00e4hnlich der Secretion der Niere h\u00e4lt. Er ermittelte die Secretionsgr\u00f6sse im n\u00fcchternen Zustande und bei Einwirkungen verschiedener Art auf die Magenschleimhaut, indem er durch die Fistel\u00f6ffnung Schw\u00e4mme in den Magen einf\u00fchrte und die imbibirte Fl\u00fcssigkeit von Zeit zu Zeit auspresste. Es ist unzweifelhaft, dass ein Schwamm auf die Magenschleimhaut als ein sehr starker Reiz wirkt. L\u00e4sst man Hunde Schwammst\u00fcckchen verschlucken, so ist nach einigen Stunden die Schleimhaut an allen Stellen, welche mit den Fremdk\u00f6rpern in Ber\u00fchrung sich befinden, stark ger\u00f6thet und die Dr\u00fcsen zeigen microscopisch alle Kennzeichen intensivster Th\u00e4tigkeit. Im Gegens\u00e4tze zu Braun kann man sich an Fisteln mit isolirtem Fundusblindsacke auf das Positivste \u00fcberzeugen, dass w\u00e4hrend des n\u00fcchternen Zustandes die Absonderung ganz stockt oder doch nur spurweise vorhanden ist.\nWenn also auch unter Umst\u00e4nden geringgradige Absonderung bei leerem Magen stattfinden kann, so ist diese jedenfalls unbetr\u00e4chtlich gegen die erhebliche Secretion w\u00e4hrend der Verdauung. Schon das blosse Aussehen der Magenschleimhaut zeigt augenscheinlich, wie grosse Ver\u00e4nderungen mit dem sekretorischen Apparate nach der Ingestion von Speisen vor sich gehen. Im n\u00fcchternen Zustande er-\n1\tBraun. Eckliard\u2019s Beitr. z. Anat. u. Physiol. VIL S. 29. Giessen 1876.\n2\tGr\u00fctzner. Neue Untersuchungen \u00fcber Bildung und Ausscheidung des Pepsin. S. 61. Breslau 1875.\n3\tRollet, Untersuchungen aus dem Institute f\u00fcr Physiologie und Histologie in Graz. Heft II. S. 168. 1871.\n4\tBraun. Eckhard\u2019s Beitr. z. Anat. u. Physiol. VII. 1876.","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Absonclerimgsbedingungen.\n113\nscheint die Schleimhaut des Fundus verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig blass, ihre Falten sind collabirt ; sie ist nur von d\u00fcnner Schleimlage \u00fcberzogen. W\u00e4hrend der Verdauung r\u00f6thet sich die ganze innere Oberfl\u00e4che in Folge von Erweiterung der blutzuf\u00fchrenden Gef\u00e4sse; der Blutstrom beschleunigt sich so sehr, dass die Venen hellrothes Blut f\u00fchren; die Schleimhautfalten richten sich in Folge der st\u00e4rkeren Gef\u00e4ssf\u00fcllung auf. Aus den nadelstich\u00e4hnlichen Driisen\u00f6ffnungen treten helle Tr\u00f6pfchen, welche bald zu gr\u00f6sseren Rinnsalen confluiren. Gleichzeitig wird die Schleimbildung erheblich verst\u00e4rkt.\nBraun hat Absonderungserscheinungeii so lebhafter Art, dass Fl\u00fcssigkeitstr\u00f6pfchen auf der Schleimhautoberfl\u00e4che sichtbar geworden w\u00e4ren, niemals gesehen. Allein die Beobachtung ist seit Beaumont 1 vielfach von den allerverschiedensten Seiten gemacht worden. Man kann sie an weiten Fisteln leicht anstellen, wenn man eine Spiegelr\u00f6hre in den Magen einf\u00fchrt und einen bestimmten Schleimhautsbezirk ins Auge fasst.\nWirken mm die Speisen rein mechanisch auf die absondernden Organe ein, sie zur Th\u00e4tigkeit anregend, oder verbindet sich mit der mechanischen Reizung durch die Ingesta eine von ihrer chemischen Zusammensetzung abh\u00e4ngige Einwirkung?\nWennschon die Wirksamkeit rein mechanischer Reizung ausser Zweifel steht, so wird doch vielfach behauptet, dass sie an Ergiebigkeit hinter der durch verdauliche Speisen hervorgerufenen Anregung zur Absonderung weit zur\u00fcckbleibe.1 2 In der That, wenn man die Schleimhaut des Magens durch eine Fistel\u00f6ffnung mittelst einer Sonde, eines Glasstabes, einer Federfahne u. dgl. reizt, erh\u00e4lt man nur wenig Secret. Es gerathen nur die Dr\u00fcsen derjenigen Schleimhautparthie in Th\u00e4tigkeit, welche unmittelbar von dem Fremdk\u00f6rper ber\u00fchrt wird ; dem localen Reize entspricht nur locale Absonderung. Ein Reflex auf nicht direct gereizte Schleimhautgegenden kommt nicht zu Stande. Bei weit ausgebreiteter mechanischer Reizung wird die Absonderungsgr\u00f6sse zwar, entsprechend der gr\u00f6sseren Zahl gereizter Dr\u00fcsen, etwas erheblicher, aber sie bleibt immerhin noch gering. So fanden Tiedemann und Gmelin3 * bei Hunden, denen eine gr\u00f6ssere Zahl von Kieselsteinen in den Magen eingef\u00fchrt wurde, nach einigen Stunden bei der T\u00f6dtung der Thiere nur wenige (7 \u201410) Gramm\n1\tBeaumont, Neue Versuche und Beobachtungen \u00fcber den Magensaft. Deutsch von Luden. S. 6!) u. 71. Leipzig 1S34. \u2014 Vgl. K\u00fchne, Lehrbuch der physiologischen Chemie. S. 2S. Leipzig 1S68. \u2014 Charles Richet. Journ. d. l\u2019anat. d. 1. physiol. 1878. p. 328 u. fg.\n2\tBeaumont. 1. c. S. 71. \u2014 Blondlot, Trait\u00e9 analytique de la digestion, p. 214. Paris ls43. \u2014 Frerichs. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterbuch. III. (2) S. 7Ss. 184b.\n3\tTiedemann A Gmelin. Die Verdauung nach Versuchen. I. S. 92 u. fg. Leipzig\nund Heidelberg 1824.\nHandbuch der Physiologie. Bd. T.\ns","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nSecret vor, kaum wenig mehr Schiff l, trotzdem dass er zur Verh\u00fctung des Ueberganges des Secretes in den Darm den Pylorus unterband, bevor er den Magen mit Sand, Steinen u. dgl. anf\u00fcllte. Er gewann in sechs Stunden h\u00f6chstens 12 Gramm. Erheblich reichlicher sah ich den Magensaft fliessen, wenn ich durch eine Fistel einen zusammengefalteten Gummiballon in den Magen einf\u00fchrte und ihn wechselsweise in Pausen von etwa f\u00fcnf Minuten aufblies und wieder zusammenfallen liess, ein Verfahren, bei welchem ein grosser Theil der Magenoberfl\u00e4che auf schonende Weise mechanisch gereizt wird. Trotzdem aber erreichen hier die Secretmengen bei Weitem nicht die Werthe, wie bei dem normalen Verdauungsacte.\nUeber die Ursache dieser Verschiedenheit scheinen Versuche Aufschluss zu geben, die ich an einem Hunde mit isolirtem Fundus-Blindsacke angestellt habe.'2 Bei gew\u00f6hnlicher F\u00fctterung mit verdaulichen Speisen begann der Blindsack zu secerniren, aber nicht sogleich, sondern erst nach 15 \u2014 30 Minuten, und fuhr mit der Absonderung fort, bis der Magen sich vollst\u00e4ndig entleert hatte, also bei einer mittelstarken Mahlzeit 13 \u201414 Stunden, bei einer sehr starken Mahlzeit 10\u201420 Stunden hindurch. Wurde dem Hunde dagegen sehr schwer verdauliche Kost gereicht, z. B. gr\u00f6blich zerkleinertes lig. nuchae, so trat in dem Blindsacke zun\u00e4chst l\u00e4ngere Zeit, selbst eine Stunde lang, gar keine Absonderung ein. Sie konnte hervorgerufen werden, wenn das Thier nachtr\u00e4glich zu saufen bekam, dauerte aber auch dann nur kurze Zeit an, 1 ]l-i bis h\u00f6chstens 4 Stunden; letzteres wenn die verf\u00fctterte Menge elastischen Gewebes sehr gross und die Tr\u00e4nkung sehr reichlich war.\nAus diesen Beobachtungen geht, so scheint es, mit Evidenz hervor, dass die durch unverdauliche (oder doch sehr schwer verdauliche) Ingesta angeregte Absonderung sich \u00fcber den Reizort nicht ausdehnt, dass aber dem letzteren fern liegende Dr\u00fcsen in Th\u00e4tig-keit gerathen, sobald in dem Magen Resorption stattfindet. Man muss demnach eine prim\u00e4re Absonderung und eine secund\u00e4re Absonderung unterscheiden: erstere hervorgerufen durch den mechanischen Reiz der Ingesta und beschr\u00e4nkt auf die unmittelbar gereizten Schleimhautpartkieen, letztere gekn\u00fcpft an die Einleitung von Resorption in dem Magen und die gesummten Magendr\u00fcsen ergreifend; erstere im Ganzen sparsam, letztere weniger ergiebig und anhaltend, wenn nur Wasser, ergiebiger und viele Stunden anhaltend, wenn verdauliche Nahrungsmittel genossen worden sind und zur Aufnahme gelangen.\n1\tSchiff, Le\u00e7ons sur la physiologie de la digestion. IL p. 244. 1S67.\n2\tR. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. XIX. S. 14S. LS79","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"Absonderungsbedingungen.\n115\nDiese S\u00e4tze erinnern an die viel besprochene Ladungstheorie Schiff\u2019s, doch stimmen sie mit derselben nicht tiberein. Denn Schiff versteht unter Ladung die Zufuhr von pepsinbildendem Material zur Magenschleimhaut behufs Pepsinbereitung in den Dr\u00fcsen und Abgabe desselben an das Secret. In diesem Sinne kann ich seinen Anschauungen nicht beipflichten, wie noch weiter unten bei Besprechung der Pepsinabsonderung zu er\u00f6rtern sein wird. Dr\u00fccke ich aber seine Vorstellungen nur im Allgemeinen dahin aus, dass auf den Absonderungsvorgang die Art der Ingesta oder genauer gesagt ihre Verdaulichkeit und Resorbirbarkeit von Einfluss ist, so scheinen mir die obigen Thatsachen durchaus zu Gunsten jener ver\u00e4nderten Fassung zu sprechen.\nDie Frage, wie der Zusammenhang zwischen der Resorption im Magen und der Absonderung zu denken sei, wird in dem Capitel von dem Einfl\u00fcsse des Nervensystems auf die Secretion behandelt werden.\nAls kr\u00e4ftige Absonderungsreize werden noch manche chemische Verbindungen angef\u00fchrt, ausser Alkohol und Aether auch L\u00f6sungen von Kochsalz und namentlich von Alkalien.1 2 Schwach alkalische Fl\u00fcssigkeiten werden fast augenblicklich resorbirt und hinterlassen als Nachwirkung lange anhaltende Absonderung. Gab Blondlot einem Hunde Fleisch, das mit kohlensaurem Natron bestreut war, so fl\u00f6ssen aus der Fistel zuerst 40\u201450 Grm. neutraler oder schwach alkalischer Fl\u00fcssigkeit, sodann saurer Saft in aussergew\u00f6hnlich grosser Menge.\nL\u00e4sst man auf den Magen concentrirte Kochsalzl\u00f6sung oder Alkohol zu hoher Concentration einwirken, so tritt an Stelle normaler saurer Secretion Transsudation neutraler oder schwach alkalischer Fl\u00fcssigkeit von merklichem Eiweissgehalte ein, \u2014 ein offenbar pathologischer Vorgang.\nReichliche Fl\u00fcssigkeitsabsonderung beobachtete Braun 2 nach Einspritzung gr\u00f6sserer Mengen Harnstoffl\u00f6sung in das Blut. Die secernirte Fl\u00fcssigkeit enthielt zwar immer Pepsin, aber nicht immer so viel freie S\u00e4ure, um ohne Zusatz von Salzs\u00e4ure verdauend zu wirken. Nach Ein-fl\u00f6ssung gr\u00f6sserer Mengen einprocentiger Kochsalzl\u00f6sung (in einem Versuche 4800 C.-Cm.) wurden in dem Magen erhebliche Fl\u00fcssigkeitsquanta abgesondert, von welchen aber nur die ersten Portionen sauer, die sp\u00e4teren neutral oder doch sehr schwach sauer reagirten und Pepsin nicht enthielten. Bei \u00e4hnlichen Versuchen mit geringeren Mengen Kochsalzl\u00f6sung sah Gr\u00fctzner3 den Pepsingehalt der Schleimhaut sinken und die Dr\u00fcsen in den f\u00fcr jede energische Absonderung charakteristischen histologischen Zustand \u00fcbergehen.\nWie so viele andere, so werden auch die Magendr\u00fcsen durch Pilo-carpininjection in Th\u00e4tigkeit versetzt. Um hier\u00fcber Sicherheit zu erlangen, muss vor der Einspritzung der Oesophagus geschlossen werden, da sonst massenhaft Speichel verschluckt wird. Nach wiederholter Injection kleiner Dosen fand ich in dem Magen stets nicht unerhebliche Mengen sauren Saftes vor.\n1\tBlondlot, Trait\u00e9 analytique de la digestion, p. 219. Paris 1843. \u2014 Frerichs, Verdauung, S. 788. \u2014 K\u00fchne, Physiologische Chemie. S. 2^.\n2\tBraun, Eckhard\u2019s Beitr. z. Anat. u. Physiol. VII. S. 52. 1S76.\n3\tGr\u00fctzner, Neue Untersuchungen \u00fcber die Bildung und Ausscheidung des Pepsin. S. 85. Breslau 1875.","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nIII. Einfluss des Nervensystems auf die Bildung der Magensecrete.\nW\u00e4hrend bei den Speicheldr\u00fcsen der directe Einfluss der zu ihnen tretenden Nerven auf ihre Absonderungsth\u00e4tigkeit mit Sicherheit festffestellt ist, l\u00e4sst sich ein ebenso unzweifelhafter Beweis f\u00fcr die Abh\u00e4ngigkeit der Secretionsvorg\u00e4nge in der Magenschleimhaut von der Einwirkung des Nervensystems bis jetzt nicht f\u00fchren.\nZwar scheinen mancherlei Wahrnehmungen ein Eingreifen besonderer Absonderungsnerven in die secretorischen Vorg\u00e4nge wahrscheinlich zu machen.\nSchon der Umstand, dass jede mechanische Einwirkung auf die Oberfl\u00e4che der Magenschleimhaut die Absonderung des Magensaftes anrefft, ist sehr verf\u00fchrerisch f\u00fcr die Annahme eines durch Nerven vermittelten Reflexvorganges. Man k\u00f6nnte diese Vermutlning selbst der Erfahrung gegen\u00fcber vertheidigen, dass mechanische Reizung ihre Wirkung auch dann nicht versagt, wenn alle nerv\u00f6sen Verbindungen des Magens mit den grossen Nervencentris getrennt sind. Es blieben ja als m\u00f6glicher Weise reflectorisch wirksame Centra immer noch die zahlreichen, in der Magenwandung selbst gelegnen Ganglienzellen \u00fcbrig. Allein vollst\u00e4ndige Sicherheit scheint mir jene Auffassung nicht zu haben, wenn ich daran denke, dass nach den sch\u00f6nen Untersuchungen Darwin\u2019s bei Pflanzen durch mechanische Reizung Dr\u00fcsenabsonderung herbeigef\u00fchrt werden kann.1 Die M\u00f6glichkeit kann, so weit ich sehe, nicht ausgeschlossen werden, dass die mechanischen Einfl\u00fcsse direct auf die absondernden Dr\u00fcsen des Magens einwirken. Die Fortleitung des Reizes auf die Dr\u00fcsenzellen in der Continuit\u00e4t des Epithels scheint mir hier nicht schwieriger verst\u00e4ndlich, als bei den oben erw\u00e4hnten pflanzlichen Absonderungsorganen.\nAls eine weitere, bei der vorliegenden Frage mit in Betracht kommende Erscheinung ist die R\u00f6thung des Blutes in den Magenvenen w\u00e4hrend des Verdauungszustandes zu erw\u00e4hnen. Die Analogie mit dem th\u00e4tigen Zustande in den Speicheldr\u00fcsen springt in die Augen. Aber eben doch nur eine Analogie. Auch in den Speicheldr\u00fcsen h\u00e4ngt die Gef\u00e4ssenveiterung bekanntlich von andern Nervenfasern ab, als die Bildung des Secretes. Daraus, dass der Magen im Secretionszustande Erscheinungen zeigt, welche auf den Besitz gef\u00e4sserweiternder Nerven schliessen lassen, folgt jedenfalls noch nicht mit Sicherheit, dass er auch \u00fcber die zweite Classe von Nervenfasern, die secretorischen, verf\u00fcgen m\u00fcsse.\n1 Ch. Darwin. Insectenfressende Pflanzen. Deutsch von Cams. Stuttgart 1S76.","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss das Nervensystems auf die Absonderung.\n117\nEin sicherer Beweis f\u00fcr die Mitwirkung von Nerven bei der Einleitung der Magensaftsecretion w\u00fcrde es sein, wenn die mehrfachen Angaben \u00fcber allen Zweifel st\u00e4nden, dass der blosse Anblick von Speisen bei hungrigen Individuen gen\u00fcge, die Absonderung herbeizuf\u00fchren. Solches vielfach bei Hunden gesehen zu haben, geben z. B. Bidder & Schmidt 1 an, auch dann, wenn durch Unterbindung* der Speichelg\u00e4nge der Verdacht beseitigt worden war, als k\u00f6nne die aus der Magenfistel str\u00f6mende Fl\u00fcssigkeit von verschlucktem Speichel herr\u00fchren. Ganz besonders interessant ist eine einschl\u00e4gige Beobachtung Riciiet\u2019s 2 am Menschen. Bei der Versuchsperson, Marcelin R., war ein vollst\u00e4ndiger Verschluss der Speiser\u00f6hre vorhanden, dessentwegen Verneuil mit bestem Erfolge eine Magenfistel anlegte. Der Oesophagus war so unwegsam, dass beim Kauen von Kalium-eisencyaniir keine Spur dieses noch in kleinsten Mengen so leicht entdeckbaren Salzes in dem Magen nachgewiesen werden konnte. Wurden dem Patienten stark schmeckende Speisen (Zucker, Citronen-scheiben u. s. f.) zum Kauen gegeben, so entleerten sich aus der Magenfistel jedes Mal reichliche Mengen von Magensaft. Diese Angaben scheinen allerdings vollst\u00e4ndig unverd\u00e4chtig, selbst gegen\u00fcber den negativen Ergebnissen, zu welchen bei \u00e4hnlichen Versuchen an Magenfistelhunden Braun gelangte1 2 3; sie scheinen einer refiectorischen Ausl\u00f6sung der Magensaftabsonderung das Wort zu reden. Wie aber, wenn die reflectorische Wirkung zun\u00e4chst nur in Erregung von Magenbewegungen best\u00e4nde und erst diese die unmittelbare Ursache der Absonderung w\u00fcrden? Oder wenn es sich um vasomotorische Reflexe handelte, welche indirect zur Absonderung f\u00fchren? Das Gewicht dieser Bedenken steigt f\u00fcr mich durch die bereits oben erw\u00e4hnte Thatsache, dass in einem isolirten Fundusblindsacke die Absonderung selbst durch Kauen und Verschlucken von Speisen keineswegs sofort, sondern erst nach mehr oder weniger langer Zeit angeregt wird. Es muss demnach, meine ich, der g\u00e4nzliche Mangel directer Beweise bez\u00fcglich der Annahme absondernder Nerven zum Mindesten vorsichtig machen.\nW\u00e4hrend bei den Speicheldr\u00fcsen, Thr\u00e4nendr\u00fcsen u. s. f. gewisse von Aussen an diese Organe herantretende Nerven, wenn durch die Str\u00f6me des Magneteleetromotors erregt, lebhafte Absonderung her-vorrufen, ist es mir auf keine Weise gelungen, ein gleiches Resultat\n1\tF. Bidder & C. Schmidt. Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 35. Mitau u. Leipzig 1S-52.\n2\tCh. Kichet, Journ. de l\u2019anat. et d. 1. physiol. 1S78. p. 170.\n3\tBraun, Eckhard\u2019s Beitr. z. Anat. u. Physiol. VII. S. 42. 1S76.","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\ndurch die den Magen versorgenden Nerven zu erzielen. Ich verfuhr bei diesen Versuchen so, dass ich durch eine weite Fistel in den leeren Magen hungernder Thiere einen Fergusson sehen Scheiden-Spiegel einf\u00fchrte (bekanntlich eine aussen geschw\u00e4rzte, innen hell spiegelnde Glasr\u00f6hre) und mittelst derselben die Schleimhaut sorgf\u00e4ltig beobachtete, w\u00e4hrend die Vagi oder die Splanchnici oder das verl\u00e4ngerte Mark gereizt wurden. Ich habe niemals Absonderung wahrnehmen k\u00f6nnen. Wurden die Vagi sehr stark erregt, so schien sich einige Male der Magen mit Fl\u00fcssigkeit zu f\u00fcllen. Allein es ergab sich sehr bald, dass hier nur eine R\u00fcckbef\u00f6rderung von Darm-inhalt durch antiperistaltische Bewegungen vorlag; dar\u00fcber Hess die Beimengung von Galle und von bereits im Darme befindlichen Speisetheilen keinen Zweifel. Bei der Splancknicusreizung erblasste die Schleimhaut des Fundus sichtlich, zum Zeichen der Wirksamkeit der electriseken Str\u00f6me; die Falten derselben machten kleine Bewegungen, als wollten sie sich aufrichten. Trotzdem trat keine merkliche Absonderung ein.\nMit diesen negativen Resultaten der Reizung der Magennerven stehen die Ergebnisse ihrer Durchschneidung im vollsten Einkl\u00e4nge. Sie ist seit langer Zeit an den herumschweifenden Nerven ge\u00fcbt worden; \u00fcber den Einfluss dieser Operation existirt eine weitl\u00e4ufige, mit A. von Haller beginnende Literatur. W\u00e4hrend fr\u00fchere Forscher nach derselben eine g\u00e4nzliche Aufhebung oder doch mehr oder weniger intensive St\u00f6rung der Magenverdauung eintreten zu sehen vermeinten, hat sich sp\u00e4ter nach v\u00f6lliger Uebereinstimmung einer Reihe von Beobachtern herausgestellt, dass im schlimmsten Falle nur eine unmittelbar auf den schweren Eingriff folgende, aber bald wieder weichende Unterbrechung der Absonderung des Magensaftes Platz greift. Nach verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kurzer Zeit treten alle Acte der Magenverdauung, die secretoriscken wie die motorischen, wieder in normaler Weise ein.\nWenn Haller h\u00e4ufig als der Erste citirt wird, welcher die St\u00f6rung der Magenverdauung nach Durchschneidung der herumschweifenden Nerven beobachtet habe, so sind dessen Angaben doch so kurz und so allgemeiner Natur, dass auf dieselben wenig Werth zu legen ist. Er sagt:1 In cuniculis et canibus ligavi alterius primo lateris, deinde utriusque nervum vagum. Supervenerunt vomitus aut certe ad vomitum conatus, putredo eorum, quae ventriculo continebantur.\nIm Verlauf dieses Jahrhunderts wurden zahlreiche Beobachtungen \u00fcber die in Rede stehende Frage angestellt, von den verschieden Forschern mit verschiednem Ergebnisse. Der haupts\u00e4chliche wenn auch nicht\n1 A. v. Haller, Elementa physiologiae Lausannae. p. 462. 1757.","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Durchschneidung des nv. vagus aui die Absonderung.\ni 19\neinzige Grund f\u00fcr diese Differenzen lag wohl darin , dass die einen Experimentatoren (fr\u00fclierliin alle) die Nv. vagi am Halse durchschnitten, die andern dagegen die Trennung unterhalb des Zwerchfelles Vornahmen. In dem ersteren Falle werden bekanntlich schwere und schliesslich lethal verlaufende St\u00f6rungen der Athmung und des Kreislaufes herbeigef\u00fchrt; ihre Folgen f\u00fcr das Allgemeinbefinden der Thiere ziehen den Magen in Mitleidenschaft. Denn bekanntlich hebt jede intensiv fieberhafte Affection die Absonderung des Magensaftes auf oder setzt dieselbe doch sehr wesentlich herunter.\nDass die Absonderung sauren Saftes nach der Durchschneidung der Vagi am Halse g\u00e4nzlich stocke, behaupteten z. B. Wilson Philipp1 2 (die Bewegungen des Magens bestehen fort), in neuerer Zeit Frerichs-(bei Hunden, Katzen, Kaninchen bleiben die Nahrungsmittel nach der Durchschneidung unver\u00e4ndert, der Mageninhalt reagirt nicht sauer, sondern alkalisch wegen Alteration der Secretion. F. l\u00e4sst die M\u00f6glichkeit offen, dass sp\u00e4ter die normale Absonderung sich vielleicht wieder herstellt, da die sympathischen Geflechte des Plex. coeliacus unversehrt bleiben), Cl. Bernard3 (bei Magenfistelhunden kann man beobachten, dass nach der Durchschneidung die Schleimhaut erblasst, livide wird, die saure Reaction aufh\u00f6rt und alkalischer Absonderung Platz macht) u. A.\nEine gr\u00f6ssere Anzahl von Forschern erkl\u00e4rt sich nicht sowohl f\u00fcr g\u00e4nzliche Unterbrechung, als f\u00fcr Verlangsamung der Verdauung, welche Manche nur von St\u00f6rung der Magenbewegungen ableiten. Zu den Letzteren geh\u00f6ren z. B. Breschet und Milne-Edwards4: Die Verdauung lasse sich wieder in normalen Gang bringen, wenn man durch electrische Reizung der vagi Bewegungen des Magens hervorrufe, \u2014 eine von M\u00fcller und Dieckhoff5 6 7 widerlegte Behauptung; \u2014 ferner Longet'1: Milch gerinnt noch im Magen von Hunden, denen 1\u20142 Tage vorher die Nv. vagi durchschnitten worden sind. Bei mechanischer Reizung sondert die Magenschleimhaut noch Tropfen sauren Secretes ab, aber langsamer als im Normalzust\u00e4nde. Bringt man bei operirten Hunden kleine Mengen von Nahrungsmitteln, z. B. Fleisch, in den Magen, so werden sie v\u00f6llig verdaut und in den Darm \u00fcbergef\u00fchrt. Bei Einf\u00fchrung grosser Mengen von Nahrungsmitteln wird der Speiseballen nur an seiner Oberfl\u00e4che verdaut, in der Mitte nicht ver\u00e4ndert. Nach diesen Erfahrungen glaubt L. die haupts\u00e4chlichste Ursache der Verdauungsst\u00f6rung in der Schw\u00e4chung der Magenbewegungen suchen zu m\u00fcssen. Zu \u00e4hnlichen Anschauungen gelangten Bouchardat und Sandras * u. A.\nAndre Beobachter sehen die Ursache der Verdauungsst\u00f6rung in einer\n1\tWilson Philipp . An experimental inquiry to the laws of the vital functions, p. 154. London ISIS.\n2\tFrerichs. Art. Verd. in Wagner's Handw\u00f6rterbuch. III. Abth. 1. S. 821. 823.\n1846.\n3\tCl. Bernard . Le\u00e7ons sur la physiologie et la pathologie du syst\u00e8me nerveux. II. p. 421. 1S5S.\n4\tBreschet & Milne Edwards, Ann. des sciences naturelles. D . p. 25T. Paris\n1S25.\n5\tJ. M\u00fcller. Handbuch der Physiologie. 4. Aufl. I. S. 459. Coblenz 1S44.\n6\tLonget. Trait\u00e9 de physiologie. I. p. 274. Paris 1S6S.\n7\tBouchardat & Sandras, Compt. rend. XXIV. p. 58. 1S47.","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nwenn auch nicht v\u00f6lligen Aufhebung, so doch Verminderung der absondernden Th\u00e4tigkeit des Magens, so J. M\u00fcller1, welcher hei gemeinschaftlich mit Dieckhoff an V\u00f6geln angestellten Versuchen den Magensaft zwar noch sauer fand, aber nicht in dem Grade, wie im Normalzust\u00e4nde.\nEntscheidendere Resultate, als die in den obigen, unter sich widerspruchsvollen Angaben niedergelegten, wurden erst erlangt, nachdem man bessere Methoden theils der Beobachtung, theils der Trennung der Vagi anzuwenden begonnen. Zuerst waren es Bidder und Schmidt, die in ihrem classischen Werke \u00fcber die Verdauungss\u00e4fte2 l\u00e4nger ausgedehnte Beobachtungen \u00fcber den Einfluss der Vagusdurchschneidung auf die Magensaftabsonderung anstellten. Der bemerkenswertheste Versuch (S. 93) lieferte das Ergebniss, dass bis 4 Stunden vor dem Tode des Thieres weder die Menge noch der S\u00e4uregehalt des Secretes von der Norm wesentlich abwich. In einem zweiten Falle sank die Absonderung auf eine sehr geringe Gr\u00f6sse. Diese Verminderung war aber nicht directe, sondern nur indirecte Folge der Operation. Denn das Thier vermochte weder Speise noch Trank in den Magen hinabzubef\u00f6rdern, so dass der K\u00f6rper allm\u00e4hlich an Wasser verarmte. Wurden durch die Fistel in den Magen einige hundert Gramm Wasser eingespritzt, so begann nach deren Resorption ergiebige Secretion sauren Saftes von normalem S\u00e4uregehalte. Von der Herabsetzung der Absonderung r\u00fchrte es auch wohl her, dass innerhalb des Magens Eiweissw\u00fcrfel nach der Operation weniger energisch gel\u00f6st wurden, als vorher. \u2014 Mit jenen Beobachtungen stimmen \u00e4hnliche von Panum3 \u00fcberein, der nach Durchschneidung der Vagi in der ersten Zeit die Absonderung auf eine \u00e4usserst geringe Gr\u00f6sse sinken, allm\u00e4hlich aber wieder in die Hohe gehen sah.\nAlle bisherigen Mittheilungen beziehen sich auf die Trennung der Vagi am Halse. Schon Magendie suchte den Folgen, welche diese Operation f\u00fcr die Herz- und Athmungsth\u00e4tigkeit hat, dadurch zu begegnen, dass er die Trennung der Mag en zwei ge des Nerven in der Brusth\u00f6hle vollzog, wonach er eine St\u00f6rung der Chymification nicht beobachtet haben will.4 Einen \u00e4hnlichen Weg schlug Br\u00e4chet5 ein; er bemerkte aber dabei, dass bei der von Magendie ge\u00fcbten Trennung der beiden Vagusst\u00e4mme in der Brusth\u00f6hle neben dem Oesophagus gewisse Zweige unversehrt bleiben, welche tiefer in der bindegewebigen Umh\u00fcllung der Speiser\u00f6hre zum Magen verlaufen. Deshalb entschloss er sich zur totalen Durchschneidung des Oesophagus. Er fand die Speisen trotzdem an ihrer Oberfl\u00e4che verdaut ; die Unterbrechung der Verdauung r\u00fchre von der motorischen L\u00e4hmung her. Vollkommene Erhaltung der Verdauung nach Durchschneidung der Vagusst\u00e4mme unterhalb des Zwerchfelles am\n1\tJ. M\u00fcller, Handbuch der Physiologie. 4. Aufl. I. S. 459. Coblenz 1S44.\n2\tF. Bidder & C. Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 90.\n3\tPanum, Bibliothek for Langer VI. (Schmidt\u2019s Jahrb. XCIII. S. 156. Ref. v. d. Busch. 1856.\n4\tMagendie, Physiologie, \u00fcbersetzt vonHeusinger. II. S. 84. Eisenach und Wien\n1836.\n5\tBr\u00e4chet, Practische Untersuchungen \u00fcber die Verrichtungen des Gangliennervensystems. Deutsch von Flies. S. 158. Quedlinburg u. Leipzig 1836.","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Durchschneidung des nv. vagus auf die Absonderung.\n121\nFor. oesophageum beobachtete in einer gr\u00f6sseren Versuchsreihe an Hunden Kritzler1.\nDie sorgf\u00e4ltigste Revision aller Versuche seiner Vorg\u00e4nger hat Schiff angestellt2 3. Nach Durchschneidung der Vagi am Halse tritt nur in der ersten Zeit eine St\u00f6rung der Absonderungsvorg\u00e4nge, namentlich auch der Pepsinbildung, in der Magenschleimhaut ein; saurer Saft wird nur in so geringer Quantit\u00e4t secernirt, dass ein wenig verschluckter Speichel zur Neutralisation gen\u00fcgt und bei Injection von kohlensaurem Natron die Reaction der Magenschleimhaut lange alkalisch bleibt. Nimmt man die Trennung der Vagusst\u00e4mme und der gesammten in dem Bindegewebe um den Oesophagus verlaufenden Nerven an der Cardia vor, so wird im gl\u00fccklichen Falle die Verdauung gar nicht unterbrochen, jedenfalls tritt nach kurzer Zeit wieder saure Absonderung ein, und zwar so reichlich, dass in den Magen injicirtes kohlensaures Natron sehr schnell neutralisirt wird.\nWenn somit nach den eben mitgetheilten Beobachtungen Absonderung normalen sauren Magensaftes auch ohne Beih\u00fclfe der Nv. vagi erfolgen kann, so gilt dasselbe ebenso bez\u00fcglich der sympathischen Ma gengeflechte. Schon Pixcus6 vermisste jede Secretions\u00e4nderung im Magen nach Ausrottung des Plex. coeliacus bei Hunden, Katzen, Kaninchen. Adrian4 konnte weder durch Reizung des Plex. coelia-eus Absonderung hervorrufen, noch nach Exstirpation dieselbe auf-heben. Zu gleich negativen Resultaten gelangte auch Schiff5; selbst wenn der Entfernung des Plex. coeliacus die Durchschneidung s\u00e4mmt-licher Magenzweige des Vagus voraufgegangen war, kehrte nach einiger Zeit die normale Verdauung wieder.6\nDas Ergebniss der zahlreichen obigen Beobachtungen lautet also ohne Zweifel dahin, dass die von Aussen an den Magen herantretenden Nerven keinen nachweisbaren Einfluss directer Art auf die Absonderung besitzen. Der Erfolg localer mechanischer Reizung der Schleimhaut kann vielleicht auf die Mitwirkung seeretorischer Nerven, welche ihr Reflexcentrum in der Magenwand selbst haben m\u00fcssten, bezogen werden. Doch liegt auch unbestreitbar die M\u00f6glichkeit unmittelbarer Einwirkung auf die secernirenden Elemente vor; eine sichere Entscheidung zu geben, reichen die bisherigen Beobachtungen nicht aus.\n1\tKritzler. Ueber den Einfluss des nv. vagus auf die Beschaffenheit der Secretion der Magensaftdr\u00fcsen. Giessen ls(3\u00fc.\n2\tSchiff, Le\u00e7ons sur la physiologie de la digestion. I. p. 336 u. fg. Florence et Turin. Paris, Berlin 1S H T.\n3\tPixcus, Exp\u00e9rimenta de vi nervi vagi et sympathici ad vasa, secretioncm. nu-tritionem tractus intestinalis et renum. Breslau 1x56.\n1 Adrian, Fckhard\u2019s Beitr. z. Anat. u. Physiol. 111. S. 59. Giessen LS63.\n5\tSchiff, Le\u00e7ons sur la physiologie de la digestion. IL S. 396.\n6\tVgl. auch S. Lamansky: Ztschr. f. rat. Med. (3) XXVIII. S. 59. 1S66. Ferner Braun. Eckhard\u2019s Beitr. z. Anat. u. Physiol. VII. S. 59 u. fg. Giessen 1S76. \u2014 Nach Durchreissung der nv. splanchnici dauerte die Absonderung ungest\u00f6rt fort, ja sie schien sogar einige Male in die H\u00f6he zu gehen.","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Absehn. Der Magen.\nDRITTES CAPITEL.\nDie Bildung der einzelnen Absonderungsproducte.\nI. Die Absonderung des Schleimes.\nW\u00e4hrend im n\u00fcchternen Zustande nur eine d\u00fcnne Schleimlage die innere Oberfl\u00e4che des Magens bedeckt, wird w\u00e4hrend der Verdauung: die Schleimsecretion in merklichem, aber bei verschiedenen Thierclassen immerhin verschiedenem Maasse gesteigert. Am geringsten ist die Mehrproduction von Mucin bei Fleischfressern (Hund, Katze), am st\u00e4rksten bei Pflanzenfressern (Kaninchen, namentlich Meerschweinchen).\nDass der schleimbildende Apparat in dein Oberfl\u00e4chenepithel der Magenschleimhaut gegeben sei, dar\u00fcber herrscht nicht der mindeste Zweifel. Das Protoplasma der in dem ersten Capitel beschriebenen Zellen geht Mucinmetamorphose ein. Die Mucinumwandlung scheint nicht von vornherein das gesammte Protoplasma gleichzeitig zu betreffen, sondern nur allm\u00e4hlich von der freien Basis nach der Spitze der Zelle hin fortzuschreiten. Denn in verdauenden M\u00e4gen findet man in der Regel nur den vordem Theil des Protoplasmas umgewandelt und in den eigenth\u00fcmlichen, f\u00fcr die Schleimmetamorphose charakteristischen Quellbarkeitszustand \u00fcbergef\u00fchrt, w\u00e4hrend in dem hintern, den Kern einschliessenden Theile der Zelle das Protoplasma keine sichtlichen Ver\u00e4nderungen aufweist. Dass aber schliesslich die Mucinmetamorphose auch auf diesen sich fortsetzt, lehren die leeren Zelld\u00fcten, welche man w\u00e4hrend der Verdauung abgestossen und dem den Speiseballen umh\u00fcllenden Schleime beigemengt findet, vereinzelt bei Hunden, in grossen Mengen bei Kaninchen und Meerschweinchen. Der Ersatz geschieht von der unter den Cylinderzellen befindlichen Lage rundlicher Ersatzzellen aus (vgl. oben Cap. VII).\nIn der geschilderten Weise wird die Schleimbildung bereits von Todd - Bowman b von Bonders 2 u. A. beschrieben.\nNeuerdings hat, wie schon oben bei Beschreibung des Magenepithels bemerkt worden, Biedermann 3 einer Auffassung der Schleimbildung Geltung zu verschaffen versucht, welche von der bisher g\u00fctigen wesentlich abweicht. Der vordere Theil des Zellinhaltes bilde sich zu einer dunkeln\n1\tTodd-Bowman, Physiological anatomy of man II. p. 192. London 1856.\n2\tDonders, Lehrbuch der Physiologie. \u00ef. S. 106. 1856.\n3\tBiedermann, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 3. Abth. LXXI. 1875.","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Ort der Pepsinbildung in der Magenschleimhaut.\n123\ngrobk\u00f6rnigen, leichtquellbaren Masse um, welche sich chemisch different von dem in der Umgebung des Kernes unver\u00e4ndert gebliebenen Protoplasmareste verhalte und bei manchen Thieren nach Behandlung mit Osmiums\u00e4ure und Glycerin eine feine, auf Porencan\u00e4le deutende L\u00e4ngsstreifung zeige. Entweder dringe der in der Zelle gebildete Schleim fortw\u00e4hrend durch jene Porencan\u00e4le durch, oder der Pfropf wandle sich an seinem obern freien Ende fortw\u00e4hrend in Schleim um, w\u00e4hrend er von unten her fortw\u00e4hrend anwachse. \u2014 Ich habe bei sehr h\u00e4ufigen Untersuchungen des Magenepithels keine Andeutung wirklicher Poren-cau\u00e4le finden k\u00f6nnen und sehe keinen Grund, den \u201ePfropf\u201c als besonderes organis\u00e2tes Gebilde anzusehen. Derselbe ist Nichts, als der in der Mucinmetamorphose begriffene Theil des Protoplasmas, der nat\u00fcrlich von dem unver\u00e4nderten Protoplasma chemisch verschieden ist. \u2014\nUeber den Ersatz der Epithelzellen macht Watney einige n\u00e4here Angaben.1 Sie vermehren sich durch Theilung, indem von ihrem untern Ende kleine runde Zellen abgeschn\u00fcrt werden, wie sie bereits oben als subepitheliale Zellen beschrieben wurden. Indem diese letzteren an Gr\u00f6sse zunehmen und sich von Neuem theilen, dr\u00e4ngen sie sich von unten her zwischen die gew\u00f6hnlichen Epithelzellen ein und bilden durch Vermehrung knospenartig gestaltete Gruppen, welche sich besonders h\u00e4ufig bei jungen, aber auch constant bei erwachsenen Thieren vorfinden und deren Elemente schliesslich, an L\u00e4nge zunehmend, so dass sie die freie Magen-fi\u00e4clie erreichen, zu gew\u00f6hnlichen Epithelzellen werden.\nII. Die St\u00e4tten der PepsinMldimg in der Magenschleimhaut.\n7. Aeltere Vorstellungen.\nNachdem Wassmann in seiner vortrefflichen Dissertation 2 3 4 zuerst die beiden Dr\u00fcsenformen des Magens gefunden, trat ihm begreiflicher Weise sofort die Frage entgegen, welche Dr\u00fcsen als die'Bildungsst\u00e4tte des verdauenden Princips anzusehen seien. Nach einigen einfachen Beobachtungen gelangte er zu dem Schl\u00fcsse, dass das Pepsin in den Dr\u00fcsen der Pars glaudulosa :i bereitet werde.\nDenn St\u00fcckchen dieser Schleimhautparthie, mit sehr verd\u00fcnnten S\u00e4uren in der W\u00e4rme kurze Zeit digerirt, l\u00f6sen sich mit Hinterlassung nur geringer Fl\u00f6ckchen auf. Bruchst\u00fccke der \u00fcbrigen Schleimhaut schwellen in verd\u00fcnnter S\u00e4ure nur an, ohne sich zu l\u00f6sen. Diese Beobachtung ist sp\u00e4ter z. B. von Schiff 4 mit \u00e4hnlichem Resultate wiederholt worden: Schleimhautst\u00fccke der Pylorusgegend widerstehen der Selbstverdauung S \u201410 mal so lange, als St\u00fccke der Fundusgegend.\nWird ferner gekochtes Eiweiss bei 35 \u2014 40 \u00b0 C. mit anges\u00e4uertem Wasser digerirt, dem ein St\u00fcckchen der Fundusschleimhaut zugesetzt\n1\tWatney, Philos. Transact. CLXVL pt. 2. p. 471.\n2\tWa \"'mann, I)e digestione nonnulla. Berolini 1^30.\n3\tSo nannte er denjenigen Theil der Schleimhaut, dessen Dr\u00fcsen Belegzellen enthalten.\n4\tSchiff, Le\u00e7ons sur la physiologie de la digestion. II. 2S6. 1S67.","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nworden ist, so l\u00f6st es sich in 1 \u2014 1 f 2 Stunden. Sclileimhantstiicke der Pylorusgegend bewirken die L\u00f6sung erst in 6\u20148 Stunden.\nEndlich gelingt es sehr schwer, die klein geschnittene P. glandulosa durch anhaltende Behandlung mit Wasser von allem Pepsin zu befreien; die \u00fcbrige Schleimhaut Misst schon durch 3\u20144maliges Auswaschen mit Wasser ihr Pepsin ein, was zu dem Schl\u00fcsse f\u00fchrt, dass das Pepsin hier nur durch Imbibition aufgenommen ist.\nWassmaxx folgerte aus diesen drei Beobachtungen, dass der \u201edr\u00fcsige\u201c Theil der Schleimhaut, wo nicht die einzige, so doch die haupts\u00e4chlichste Quelle des Pepsin sei. Da sich bei Wiederholungen seiner Versuche 1 stets \u00e4hnliche Resultate in Bezug auf das Verdauungsverm\u00f6gen der Fundus- und der Pylorusschleimhaut ergaben, wurde die Ansicht zu einer allgemeinen und unangefochtenen, dass die Pepsinbildung ausschliesslich den \u201eLabzellen\u201c der Fundusdr\u00fcsen zukomme. Der etwaigen functionellen Bedeutung der Pylorusdr\u00fcsen wurde kaum ausdr\u00fccklich gedacht; man sah sie stillschweigend als einfache Fortsetzungen des Schleim bereitenden Oberfl\u00e4chenepithels an.\nSo blieben die Vorstellungen, bis Rollet's und meine Arbeiten \u00fcber den Bau der Labdr\u00fcsen durch die Entdeckung des constanten Vorkommens zweier verschiedner Zellenarten in den Fundusdr\u00fcsen und der von mir gelieferte Nachweis bestimmter typischer Ver\u00e4nderungen der Hauptzellen w\u00e4hrend des Ablaufes einer Verdauungsperiode von Neuem die Frage nach dem Sitze der Pepsinbildung anregten. Auf Grund einiger vorl\u00e4ufiger Beobachtungen sprach ich mit allem Vorbehalte die Vermuthung aus, die Hauptzellen m\u00f6chten die Pepsinbildner, die Belegzellen die S\u00e4urebildner des Magensaftes sein. Die experimentelle Pr\u00fcfung dieser Frage hat zu einer fast zu grossen Zahl von Arbeiten gef\u00fchrt, die nicht sowohl in ihren tliats\u00e4chlichen Ergebnissen, als in ihren Schl\u00fcssen oft einander widersprechen. In dem Folgenden ist es meine Aufgabe, eine Darstellung des heutigen Standes der vorliegenden Streitfrage zu geben. Wem meine Auseinandersetzung zu ausf\u00fchrlich erscheinen sollte, den bitte ich in Erw\u00e4gung zu ziehen, dass das vorliegende Lehrbuch ganz wesentlich die Aufgabe hat, den augenblicklichen Stand unsrer Kenntnisse in den ver-schiednen Abschnitten der Physiologie m\u00f6glichst ausf\u00fchrlich zu skizziren, und dass diese Aufgabe eine um so eingehendere Behandlung erheischt, je mehr die einzelnen Fragen sich in dem Stadium der Discussion befinden. Das F\u00fcr und Wider kn\u00fcpft sich in dem vorliegenden Falle zum guten Theile an die angewandten Untersuchungsmethoden, weshalb ich auch von einer Er\u00f6rterung der letzteren nicht Umgang nehmen darf.\n2. Quantitative Sch\u00e4tzung des Pepsingehaltes in L\u00f6sungen.\nDa eine quantitative Bestimmung gel\u00f6sten Pepsins an der Unm\u00f6glichkeit seiner vollst\u00e4ndigen Reindarstellung scheitert , ist man auf blosse Sch\u00e4tzung des relativen Gehaltes an dem Fermente ver-\n1 Vgl. K\u00f6llikeb (und Goll) , Microscopische Anatomie. II. (2) S. 146. 1S54. \u2014 Donders, Lehrbuch der Physiologie. Deutsch von Theile. I. S. 205. 1856. \u2014 Schiff, Le\u00e7ons sur la physiologie del\u00e0 digestion. IL p. 287. 1867.","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"Quantitative Sch\u00e4tzung des Pepsingehaltes in L\u00f6sungen.\n125\nwiesen, f\u00fcr welchen die Eiweiss verdauende Wirksamkeit der L\u00f6sungen einen Maassstab giebt.1\nDie letztere h\u00e4ngt aber, ausser von dem Gehalte an Pepsin, auch ab von dem Gehalte an Salzs\u00e4ure und, bis zu einer gewissen Grenze, an sonstigen Beimengungen (Salzen, Peptonen u. s. f.). Soll die Eiweissverdauung ein Maass f\u00fcr den Pepsingehalt verschiedner L\u00f6sungen abgeben, so muss ihr S\u00e4uregehalt gleich und ihr Salz- resp. Peptongehalt so gering sein, dass die aus dem letzteren hervorgehenden St\u00f6rungen des Verdauungsprocesses von verschwindender Gr\u00f6sse werden. Damit der Peptongehalt w\u00e4hrend des Ablaufes des Versuches nicht in st\u00f6render Weise steige, m\u00fcssen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig grosse Volumina von Fl\u00fcssigkeit auf kleine Albuminatmengen einwirken.\nAls S\u00e4uregrad f\u00fcr die L\u00f6sungen ist, wenn es sich um Einwirkung auf rohen Faserstoff handelt, ein Gehalt von 0,S6 \u20141,0 grm. Cl II im Liter, wenn coagulirtes H\u00fchnereiweiss das Verdauungsobject bildet, ein Gehalt von 1,2 \u20141,6 grm. im Liter der g\u00fcnstigste.\nBedingung bei der Vergleichung der L\u00f6sungen ist ferner Gleichheit ihrer Temperatur. Bei 37\u201440 0 C. geschieht die Verdauung ausserordentlich viel schneller, als bei mittlerer Zimmertemperatur.\nWenn L\u00f6sungen von steigendem Pepsingehalte in gleichem Volumen auf gleiche Mengen von Albuminaten einwirken, so steigt im Allgemeinen mit dem Gehalte die L\u00f6sungsgeschwindigkeit, anfangs schneller, sp\u00e4ter langsamer, bis sie schliesslich von einer gewissen Grenze ab bei fernerer Steigerung nicht mehr in die H\u00f6he geht. Wenn daher zwei Pepsinl\u00f6sungen von unbekanntem Gehalte unter gleichen Bedingungen gleiche L\u00f6sungsgeschwindigkeit zeigen, so folgt daraus noch nicht, dass sie auch gleiche Pepsinmengen enthalten. Die letzteren k\u00f6nnen sehr verschieden sein, wenn sie jenseits jener Grenze liegen, die das Maximum der L\u00f6sungsgeschwindigkeit bezeichnet. Daraus ergiebt sich die practische Pegel, dass in solchen F\u00e4llen die gleich wirksamen Pepsinl\u00f6sungen mehrfachen Proben bei steigender Verd\u00fcnnung durch Salzs\u00e4ure von 0,1% unterworfen werden m\u00fcssen, um festzustellen, ob auch dann noch Gleichheit der Wirksamkeit f\u00fcr die entsprechenden Verd\u00fcnnungen besteht.\nDiese Grunds\u00e4tze, welche ganz allgemein bei jeder quantitativen Pepsinsch\u00e4tzung zu beachten sind, vorausgesetzt, kann nun die L\u00f6sungsgeschwindigkeit nach verschiednen Methoden bestimmt werden.\n1. W\u00e4gungsmet ho d e. Man l\u00e4sst gleiche Volumina der Pepsinl\u00f6sungen (nat\u00fcrlich von gleichem S\u00e4uregrade) auf gleiche Gewichte\n1 Viele der nachfolgenden Regeln sind Br\u00fccke\u2019s lehrreicher Abhandlung \u00fcber die 5 erdauung in Bd. XXXVII der Wiener Sitzungsberichte S. 1311. 1S59 entnommen.","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Absehn. Der Magen.\ncoagulirten und hinreichend zerkleinerten Eiweisses gleiche Zeiten einwirken und bestimmt den Gewichtsverlust. Er ergiebt sich, wenn man den Procentgehalt des verwandten Eiweiss an bei 100\u00b0 getrockneter Substanz und den bei 100\u00b0 C. getrockneten R\u00fcckstand des der Verdauung unterworfenen Eiweissgewichtes ermittelt. Diese von Bidder und Schmidt in grosser Ausdehnung benutzte Methode ist einerseits sehr zeitraubend und setzt andrerseits die Disposition \u00fcber gr\u00f6ssere Mengen der Pepsinl\u00f6sungen voraus, die doch nicht immer zur Hand sind.\n2. Methode von Br\u00fccke. Man stellt von zwei zu vergleichenden Pepsinl\u00f6sungen, die beide auf den gleichen S\u00e4uregehalt von 0,1% gebracht werden, in Reagirgl\u00e4sem, eine Reihe von Verd\u00fcnnungen mit Salzs\u00e4ure der gleichen Concentration her, z. B.\nGlas\tPepsinl\u00f6sung vom S\u00e4uregrad 0.1%\tSalzs. von 0.1\u00b0 o\n\tCcm.\tCcm.\nA\t16\t0\nB\t8\ts\nC\t4\t12\nD\t2\t14\nE\t1\t15\nF\t0,5\t15,5\nG\t0,25\t15,75\nEine eben solche Reihe a, b, c . . . wird von der zweiten Pepsinl\u00f6sung bereitet. Dann bringt man in jedes Gl\u00e4schen eine Flocke gut gereinigten rohen Faserstoffes und vergleicht f\u00fcr die einzelnen Glieder beider Reihen die Zeiten, welche sie zur L\u00f6sung ihrer Fibrinflocke brauchen. Enth\u00e4lt z. B. die zweite Pepsinl\u00f6sung 4 mal so viel Pepsin als die erste, so wird die Fibrinflocke gleichzeitig gel\u00f6st sein in c und A, d und B, e und C, J und JD u. s. f. Die st\u00e4rkeren Verd\u00fcnnungen geben einen in h\u00f6herem Grade zuverl\u00e4ssigen Maassstab f\u00fcr das Verh\u00e4ltniss des Pepsingehaltes als die schwachen, weil kleine Unterschiede des Gehaltes in den Unterschieden der Verdauungszeiten bei niederer Concentration deutlicher hervortreten, als bei h\u00f6herer, und weil aus Verunreinigungen der Pepsinl\u00f6sungen (z. B. durch Peptone oder Albuminate) f\u00fcr die st\u00e4rkeren Concentrationen gr\u00f6ssere St\u00f6rungen in ihrer Wirksamkeit erwachsen, als f\u00fcr die schw\u00e4cheren.\n3. Methode vonGR\u00fcNHAGEN1. Man l\u00e4sst weissgewaschenes Blutfibrin in Salzs\u00e4ure von 0.2% zu einer steifen Gallerte aufquellen. Gleiche Volumina desselben, in kleinen Gef\u00e4ssen, z. B. Porcellan-\n1 Gr\u00fcnhagen, Arcb. f. d. ges. Pbysiol. V. S. 203. 1S72.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"Quantitative Sch\u00e4tzung des Pepsingehaltes in L\u00f6sungen.\n127\ntiegein, abgemessen, werden auf Filtra gleicher Gr\u00f6sse in gleichen Glastrichtern gebracht und zu denselben kleine, aber gleiche Volumina der zu untersuchenden Pepsinl\u00f6sungen gesetzt. Unter dem Einfl\u00fcsse des Pepsins verfl\u00fcssigt sich die Fibringallerte und filtrirt in dem Maasse ab, als die Verfl\u00fcssigung fortschreitet. Graduirte kleine Maasscylinder unter den Trichtern nehmen die Filtrate auf und dienen zur unmittelbaren Volumsbestimmung derselben. Um die Einwirkung des Pepsin bei K\u00f6rpertemperatur vor sich gehen zu lassen, hat Gr\u00fctznek1 2 3 in ein Wasserbad von kreisrundem Boden zw\u00f6lf gleiche Blechh\u00fclsen f\u00fcr die Aufnahme von ebensoviel Trichtern in der Art einrichten lassen, dass jene H\u00fclsen von dem erw\u00e4rmten Wasser rings umsp\u00fclt werden.\nGr\u00fctznek und Ebstein- haben gezeigt, dass bei der angef\u00fchrten Ab\u00e4nderung die GR\u00fcNHAGEN\u2019sche Methode zur Entdeckung selbst geringer Ver\u00e4nderungen des Pepsingehaltes ausreicht, soferne dieser nicht allzu klein wird. Selbstverst\u00e4ndlich giebt das Verh\u00e4ltnis der Filtratmengen kein Maass f\u00fcr das Verh\u00e4ltniss der Pepsinmengen in den L\u00f6sungen, da beide Gr\u00f6ssen einander nicht proportional sind.\n4. Colorimetrische Methode von Gr\u00fctznerL Wenn man mit Carmin gleichm\u00e4ssig gef\u00e4rbten Faserstoff verdauen l\u00e4sst, nimmt die Fl\u00fcssigkeit in dem Maasse, als die L\u00f6sung des Fibrin vorschreitet, einen immer tieferen Farbenton an, welcher von in derselben suspendirten feinsten Carminpartikelchen herr\u00fchrt, die durch die Fibrinl\u00f6sung frei geworden sind. Die Tiefe des Farbentones, welchen unter \u00fcbrigens ganz gleichen Umst\u00e4nden Pepsinl\u00f6sungen von versehiednem Gehalte erlangen, giebt ein Maass f\u00fcr die Geschwindigkeit ihrer Einwirkung. Mit der n\u00f6thigen Sauberkeit ausgef\u00fchrt, liefert diese Methode vortreffliche Resultate; die hier und da erhobenen Einw\u00e4nde beruhen meiner vielfachen Erfahrung nach nur auf Mangel an Accuratesse bei der Ausf\u00fchrung. Der Vorzug der Versuchsweise besteht in der Schnelligkeit, mit welcher die Ergebnisse erlangt werden, in der grossen Empfindlichkeit, und endlich darin, dass man den Fortschritt der Faserstoffl\u00f6sung an der Zunahme der R\u00f6thung w\u00e4hrend des Ablaufes jedes Einzelversuches zu con-trolliren im Stande ist. Bei der Ausf\u00fchrung des Verfahrens kommt es auf Beachtung bestimmter Punkte an:\na) Der Faserstoff' muss gleichm\u00e4ssig gef\u00e4rbt sein, was leicht gelingt, wenn man ihn in einem verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig grossen Volumen schwach am-\n1\tGr\u00fctzner (\u00fc Ebstein, Arch. f. d. ges. Physiol. VIII. S. 122. 1874.\n2\tDieselben. Ebenda. S. 129.\n3\tGr\u00fctzner . Arch. f. d. ges. Physiol. VIII. S. 452. 1874 ; Neue Untersuchungen \u00fcber Bildung und Ausscheidung des Pepsin. Habilitationsschrift. Breslau 1875.","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Absclin. Der Magen.\nmoniakalischer Carminl\u00f6sung (von ],4\u2014V& \u00b0/'o Gelialt) etwa einen Tag lang liegen l\u00e4sst. Nach gr\u00fcndlichem Auswaschen auf einem Siebe unter dem Strahle der Wasserleitung, bis das Wasser absolut farblos abl\u00e4uft, l\u00e4sst man den Faserstoff1) in dein 5 fachen Volumen Salzs\u00e4ure von 0.2 \u00b0/o zu einer rothen Gallerte aufquellen, und verwendet diese in zerkleinertem Zustande zur k\u00fcnstlichen Verdauung, indem man in gleiche Volumina der zu vergleichenden Pepsinl\u00f6sungen gleiche Volumina der rothen Gallerte bringt.\nb) Die Sch\u00e4tzung des R\u00f6thungsgrades zu erleichtern und zu sichern, kann man sich mit Vortheil eine Farbenscala aus Carminglycerin von 0.1 \u00b0o Carmingehalt bereiten. In Reagensgl\u00e4schen von derselben Weite, wie sie f\u00fcr die Verdauungsversuche benutzt werden (etwa 1.5 Ctm. Durchmesser), wird eine zehngliedrige Scala hergestellt, deren hellstes Glied 19.9 Ccm. Wasser und 0.1 Carminglycerin enth\u00e4lt, jedes folgende Glied 0.1 Ccm. Wasser weniger und 0.1 Ccm. Carmin mehr, das dunkelste Glied also 19.0 Wasser und 1.0 Carminl\u00f6sung. Diese Reihe gef\u00e4rbter Gl\u00e4schen wird auf einem Reagensgl\u00e4sergestell aufgestellt, dessen R\u00fcckseite mit einem Blatte weissen Seidenpapiers behufs Gewinnung eines gleichm\u00e4ssig erhellten Hintergrundes \u00fcberspannt ist. Hat nun z. B. von zwei zu vergleichenden Pepsinl\u00f6sungen nach einer gewissen Zeit die eine den Farbenton des zweiten, die andre den Farbenton des achten Gliedes der Scala angenommen, so hat die letztere viermal so viel Fibrin zur L\u00f6sung gebracht, als die erstere, weil das zweite Scalenglied 0.2 Ccm. Carminglycerin, das achte Glied 0.8 Ccm. enth\u00e4lt.\nEs versteht sich von selbst, dass die Unterschiede der F\u00e4rbung in den zu vergleichenden L\u00f6sungen im Laufe der Zeit abnehmen und schliesslich sich vollst\u00e4ndig ausgleichen m\u00fcssen, weil ja auch die schw\u00e4cheren L\u00f6sungen zuletzt den gesammten Faserstoff verdauen.\n3. Die Sch\u00e4tzung des Pepsingehaltes in der Magenschleimhaut.\nUm den Vorgang der Pepsinbildung in der Magenschleimhaut zu verfolgen, sind Methoden nothwendig, welche es gestatten, den Gehalt derselben an jenem Fermente unter verschiedenen physiologischen Umst\u00e4nden zu ermitteln. Von einer wirklichen quantitativen Bestimmung des absoluten Gehaltes kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil eine Reindarstellung des Pepsin aus L\u00f6sungen nicht gelingt. Aber auch die Unm\u00f6glichkeit, die gesammte Menge desselben aus der Schleimhaut zu extrahiren, w\u00fcrde ein Hinderniss f\u00fcr eine absolute Bestimmung abgeben. Es bleibt Nichts \u00fcbrig, als Sch\u00e4tzung der relativen Mengen, welche in der Schleimhaut vor-r\u00e4thig sind.\nDoch auch die Durchf\u00fchrung der letzteren Aufgabe wird dadurch\n1 F\u00fcr sp\u00e4tere Versuche kann er in concentrirtem Glycerin, welches 0,1 go gel\u00f6stes Carmin enth\u00e4lt, aufbewahrt werden. Vor der Benutzung muss nat\u00fcrlich das Glycerin sorgf\u00e4ltig ausgewaschen werden.","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"Sch\u00e4tzung des Pepsingehaltes der Magenschleimhaut.\n129\nerschwert, dass das Pepsin in der Magenschleimhaut sich in zwei verschiednen Zust\u00e4nden befindet: ein gewisser Antheil desselben geht schnell in die zur L\u00f6sung angewandten Fl\u00fcssigkeiten \u00fcber, ein andrer Antheil langsam und nur sehr allm\u00e4lig. Auf dem letzteren Umstande beruht es, dass, wie schon Br\u00fccke1 2 bemerkte, eine Magenschleimhaut, die oft hinter einander bis zu vollst\u00e4ndigem Zerfall ihrer Elemente mit immer neuen Mengen verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure ausgezogen wird, an die letztere wieder und wieder Pepsin abgiebt, oder, wie Schiff 2 gesehen, dass ein salzsaures Infus der Schleimhaut lange Zeit, selbst Wochen hindurch, an Pepsin immer reicher und reicher wird, wenn man grosse Fl\u00fcssigkeitsmengen zur Extraction anwendet.\nUntersuchungen von Ebstein und Gk\u00fctzner3 haben nachgewiesen, dass der schwer l\u00f6sliche Antheil des Pepsin in den Magendr\u00fcsen nicht frei, sondern an eine andre Substanz, wahrscheinlich an ein Albuminat, gebunden ist, \u2014 eine Verbindung, die sie als pepsinogene Substanz bezeichnen, Schiff Propepsin benennt.\nF\u00fcr die Existenz einer derartigen Verbindung sprechen haupts\u00e4chlich folgende Gr\u00fcnde:\n1)\tL\u00e4sst man auf eine getrocknete und zerkleinerte Magenschleimhaut (vom Fundus oder Pylorus) Glycerin einwirken, so gewinnt man ohne Weiteres aus derselben stets weniger Pepsin, als wenn der Glycerinextraction eine Behandlung mit einprocentiger Kochsalzl\u00f6sung oder 0.2 pro-centiger Salzs\u00e4ure vorausging. Die Ursache hiervon liegt nicht darin, dass das Glycerin f\u00fcr sich nur ein enge begrenztes L\u00f6sungsverm\u00f6gen f\u00fcr Pepsin besitzt, denn der Pepsingehalt des infundirten Glycerins steigt mit der Menge der benutzten Schleimhaut in schnellem Verh\u00e4ltniss. Der Grund muss vielmehr darin gesucht werden, dass nur ein Tlieil des Pepsin in Glycerin leicht l\u00f6slich ist, ein andrer erst durch Zusatz von Kochsalz oder Salzs\u00e4ure l\u00f6slich gemacht wird, indem die letzteren Substanzen das Pepsin von einem andern K\u00f6rper abspalten, das Salz weniger vollst\u00e4ndig, die S\u00e4ure vollst\u00e4ndiger.\n2)\tEin w\u00e4ssriges Extract der Magenschleimhaut wird filtrirt und bei 40 0 C. zur Trockne eingedampft. Der R\u00fcckstand, vollst\u00e4ndig in Glycerin gel\u00f6st, ist weniger pepsinreich, als nach L\u00f6sung in einer gleichen Menge verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure. Es muss also der Abdampfr\u00fcckstand des Wasser-extractes neben freiem Pepsin eine Substanz enthalten, welche erst bei Behandlung mit Salzs\u00e4ure, aber nicht bei einfacher L\u00f6sung in Glycerin, freies Pepsin liefert. Aehnliches gilt, wenn man das Schleimhautextract nicht mit Wasser, sondern mit Kochsalzl\u00f6sung von 1 \u2022% bereitet.\nDie Umsetzung der pepsinogenen Substanz (Propepsin) scheint nach Schiff durch kohlensaures Natron in anderthalbprocentiger L\u00f6sung verhindert zu werden.\n1\tBr\u00fccke, Vorlesungen. 1. Aufl. T. S. 2S7. 1874.\n2\tSchiff. Arch. d. sc. phys. et nat. 1877.\n3\tEbstein X Gr\u00fctzxer. Arch. f. d. ges. Physiol. VIII. S. 122. 1874.\nHandbuch der Physiologie. Bd. V.\t9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nNach den dargelegten Verh\u00e4ltnissen wird nun, wenn man eine Vorstellung von dem Gehalte der Magenschleimhaut an gesammtem Pepsin (freiem und gebundenem) gewinnen will, eine mehrfache Extraction derselben nach passender Vorbereitung nicht zu umgehen sein. Die Vorbereitung aber besteht in zweckm\u00e4ssigem Trocknen der Schleimhaut und m\u00f6glichster Isolirung der Dr\u00fcsenschicht von den sonstigen Schichten. Zu diesem Zwecke wird die Schleimhaut von der Muskelhaut abpr\u00e4parirt, von der auf ihrer Innenfl\u00e4che haftenden Schleimlage befreit, mit ihrer nat\u00fcrlichen Aussenfl\u00e4che auf Fliesspapier aufgetrocknet (bei 37 0 C.). Wenn man die lufttrockne Membran von ihrer Unterlage abbr\u00f6ckelt, bleibt auf dem Papier eine aus Bindegewebe, Gef\u00e4ssen, Nerven und glatten Muskeln bestehende Lage haften, welche aber niemals Fragmente der Dr\u00fcsen selbst enth\u00e4lt. 1\nExtrahirt man 0.1 Grm. der abgebr\u00f6ckelten und gut zerkleinerten Dr\u00fcsenschicht S Tage mit 8 Ccm. eoncentrirten Glycerins, so erh\u00e4lt man das freie Pepsin in L\u00f6sung. Um den Gehalt an pepsinogener Substanz zu sch\u00e4tzen, kann man nachtr\u00e4glich die R\u00fcckst\u00e4nde noch 24\u201448 Stunden mit verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure (0.1 \u20140.2 p. pC.) bei Zimmertemperatur behandeln. Freilich wird damit sicher niemals die gesammte Menge jener Substanz umgesetzt und das gesammte gebundene Pepsin abgespalten. Wenn man aber in zu vergleichenden F\u00e4llen gleiche Schleimhautmengen mit gleichen Fl\u00fcssigkeitsvolumi-nibus gleich lange infundirt, kann man doch darauf rechnen, dass Unterschiede des Gehaltes an pepsinogener Substanz sich in entsprechenden Unterschieden der in L\u00f6sung \u00fcbergehenden Pepsinmengen ausdr\u00fccken.\nStatt der doppelten Extraction mit Glycerin und mit Salzs\u00e4ure ist zur Sch\u00e4tzung des gesammten (freien und gebundenen) Pepsins auch eine einmalige Extraction mit blosser Salzs\u00e4ure anwendbar. Sie muss so geschehen, dass auf verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleine Schleimhautmengen relativ grosse S\u00e4urevolumina einwirken, theils behufs m\u00f6glichst vollst\u00e4ndiger Gewinnung des Pepsin, theils behufs Vermeidung zu reichlichen, durch Selbstverdauung der Schleimhaut entstandenen Peptongehaltes in der L\u00f6sungsfl\u00fcssigkeit.\n4. Die Dr\u00fcsen, nicht bloss des Fundus, sondern auch des Pylorus\nbilden Pepsin.\nEs ist bereits sub 1) bemerkt worden, dass seit Wassmann der Sitz der Pepsinbildung allein in den Dr\u00fcsen des Fundus gesucht\n1 Vgl. Gb\u00fctzxer. Vene Untersuchungen u. s. f. S. 3S, aus welcher Schrift viele der obigen Angaben entnommen sind.","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Pepsinbildung in den Pylorusdr\u00fcsen.\n131\nwurde. W\u00e4hrend den WASSMANN\u2019schen Beobachtungen \u00fcber die verdauende Wirksamkeit der Fundus- und der Pylorusschleimhaut alle Beobachter beistimmten, wurde durch die im Anschl\u00fcsse an meine Untersuchungen \u00fcber die Magendr\u00fcsen aus meinem Institute hervor-gegangenen Arbeiten von Ebstein und Gr\u00fctzner die constante An Wesenheit von Pepsin in der Pylorusschleimhaut nachgew iesen und aus dieser constanten Anwesenheit geschlossen, dass die Dr\u00fcsen dei Pvlorusschleimhaut, gleich denen des I undus, die h unction dei Pep sinausscheidung bes\u00e4ssen.\nDieser Schluss ist vielfach angefochten worden; ich bespreche im Folgenden die wesentlichen Puncte, auf welche es bei Erledigung\njener wichtigen Frage ankommt.\nI i Die Gegner der Pepsinbildung im Pylorustheile der Schleimhaut heben mit Wassmann hervor, dass der Pepsingehalt hier stets viel geringer sei, als in der Fundusschleimhaut. Mithin m\u00fcsse man annehmen' dass das Pylorus-Pepsin nicht an Ort und Stelle gebildet, sondern nur aus dem Secrete des Fundus absorbirt woiden sei.\nDieser Einwand ber\u00fccksichtigt aber nicht die aussei 01 deutlich verschiedne M\u00e4chtigkeit der Dr\u00fcsensubstanz in der Fundus- und der Pylorusschleimhaut (s. oben Erstes Capitel I.), welche \"von \\oinheiein eine entsprechende quantitative Verschiedenheit des Pepsingehaltes in den beiden Abtheilungen des Magens erwarten l\u00e4sst. Ueberdies schwankt die Differenz des Pepsingehaltes w\u00e4hrend des Ablaufes einer Verdauungsperiode innerhalb sehr weiter Grenzen: zu gewissen Zeiten (s. sp\u00e4ter) enth\u00e4lt die Pylorusschleimhaut ann\u00e4hernd ebensoviel Pepsin als die Fundusschleimhaut, woraus folgt, dass die Dr\u00fcsen selbst in der Pylorusschleimhaut, wo sie ja einen weit kleineren Bruchtheil des gesummten Gewebes ausmachen, als in der Fundus-Schleimhaut, um diese Periode reicher an Pepsin sein m\u00fcssen, als in der letzteren.\n2) Wassmann und mit ihm alle fr\u00fcheren Physiologen hielten das Pylorus-Pepsin f\u00fcr intiltrirt, weil dasselbe sich viel leichter durch Waschen aus der Schleimhaut entfernen lasse, als das Funduspepsin. Am Ausf\u00fchrlichsten hat die Infiltrationshypothese von Wittich be-\nhandelt. Er bemerkte, dass geronnene Albuminate, z. B. Faserstoff, das Pepsin aus seinen L\u00f6sungen anziehen und sich damit beladen. Wenn man nun an dem Magen eines eben get\u00f6dteten Thieres die\n1 Ebstein, Arch. f. microsc. Anat. VI. S. 515. 1870. \u2014 A. v. Brunn & AN . Eb-mein. Arch. f. (1. ges. Physiol. III. S. 565. 1870. \u2014 Ebstein & Gr\u00fctzner . Arch. t. d. ves. Physiol. VI. S. 1. 1872; Dieselben. Ebenda. VIII. S. 122 u. 61 7. 1874.\u2014 Gr\u00fctzner, Neue Untersuchungen \u00fcber Bildung und Ausscheidung des Pepsin. Habilitationsschrift. Breslau ls75.","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\n>\t*1\tO\tO\t\u00f6 o\to\nOberfl\u00e4che der Schleimhaut behufs S\u00e4uberung mit Wasser absp\u00fcle, dringe die Fl\u00fcssigkeit in die Tiefe, f\u00fchre durch ihre Einwirkung Ge-rinnung des Zellprotoplasmas herbei, und infiltrire die Zellen k\u00fcnstlich mit Pepsin. In vox Wittich\u2019s Laboratium hat sp\u00e4ter Herrex-d\u00f6rfer 1 an den drei ersten M\u00e4gen von Wiederk\u00e4uern Infiltration mit Pepsin nachgewiesen.\nDie obigen Angaben sind zum Theil nicht richtig, zum Theil nicht im Stande das zu beweisen, was sie beweisen sollen.\nNicht richtig ist Wassmaxx\u2019s Behauptung, dass die Pylorus-schleimhaut durch mehrmaliges Auswaschen mit Wasser leicht von ihrem Pepsingehalte zu befreien sei. Gelang es doch schon Frie-dixger2 nicht, durch 24 st\u00e4ndiges Behandeln der Schleimhaut in fliessendem Wasser das Pvloruspepsin g\u00e4nzlich zu entfernen. In sehr genauen Versuchen von Ebsteix uihIGr\u00fctzxer sank selbst bei TSst\u00fcndi-gem Auswaschen der Pylorusschleimhaut unter dem Strahle der Wasserleitung der Pepsingehalt derselben keineswegs auf Null, ja er verringerte sich sogar langsamer, als der Gehalt der Fundusschleimhaut .\nDie Vorstellung vox Wittich\u2019s ferner \u00fcber die k\u00fcnstliche postmortale Infiltration kann deshalb nicht als zutreffend erachtet werden, weil Ebsteix und Gr\u00fctzxer gezeigt haben, dass die Pylorusdriisen bereits im lebenden Thiere Pepsin enthalten. Nach Er\u00f6ffnung der Bauchh\u00f6hle entfernten sie bei mehreren Hunden an kleinen Stellen die Muskelhaut des Magens und entnahmen durch flache Scheeren-schnitte der Aussenh\u00e4lfte der Pylorusschleimhaut kleine St\u00fcckchen, welche nach Ausweis des Microscopes die K\u00f6rper der Dr\u00fcsen enthielten. Mit verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure extrahirt, lieferten diese Fragmente eine kr\u00e4ftig verdauende Fl\u00fcssigkeit, selbst dann, wenn der Mageninhalt oder die oberste Schicht der innern Schleimhautfl\u00e4che gar nicht oder fast gar nicht verdauend wirkte1 2 3 4 5. Wie kann unter so bewandten Umst\u00e4nden von Infiltration des Pepsin in die Dr\u00fcsen die Rede sein? Zu diesen entscheidenden Beobachtungen kommt noch die weitere, dass Ebsteix und Gr\u00fctzxer vergeblich versucht haben, im lebenden Thiere die Darmschleimhaut mit Pepsin dadurch zu infiltriren, dass sie in eine abgebundene Darmschlinge Mageninhalt eines verdauenden Thieres brachten und Stunden lang darin verweilen Hessen \\\n1\tHerkend\u00f6rffer, Physiologische und microscopische Untersuchungen \u00fcber die Ausscheidung von Pepsin. Inaugural-Dissertation. K\u00f6nigsberg 1S75.\n2\tFriedinoer, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXIV. S. 5. 1871.\n3\tEbstein & Gr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S. 6. 1S72.\n4\tDieselben. Ebenda. VIII. S. 621. 1S74.\n5\tDieselben. Ebenda. VI. S. 7. 1S72.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"Pepsinbildung in den Pylorusdrtisen.\n13:3\nGegen die Inliltrationshypothese spricht ferner auf das Entschiedenste die Beobachtung von Ebstein und Gr\u00fctzner, dass die untere, die Dr\u00fcsenk\u00f6rper enthaltende Scbleimhautschicht bei gleicher Behandlung ungef\u00e4hr die doppelte Eiweissmenge zur L\u00f6sung bringt, als die obere, das Epithel und die Dr\u00fcseneing\u00e4nge umfassende Schicht.1 2 3 Eine k\u00fcnstliche Impr\u00e4gnation w\u00fcrde selbstverst\u00e4ndlich die oberfl\u00e4chliche Schicht st\u00e4rker beladen m\u00fcssen, als die tiefe.\n- Endlich widerlegt jene Hypothese eine Beobachtung von Laxgendorff: er fand die port, pylorica bei Rindsembryonen pepsinhaltigzu einer Zeit, wo der Magen eine alkalische, pepsinfreie Fl\u00fcssigkeit enthielt.-\n3.\tDie Gegner der Pepsinbildung in den Pylorusdriisen verlegen die St\u00e4tte derselben in die Belegzellen (fr\u00fcher sog. Labzellen) der Fundusdr\u00fcsen. Sie berufen sich dabei mit Vorliebe auf die bereits von mir:i erw\u00e4hnte Thatsache, dass die Magendr\u00fcsen des Frosches in der ganzen dem Fundus entsprechenden Schleimhautregion nur solche Zellen f\u00fchren, welche die Analoga der Belegzellen der S\u00e4uge-thiere darstellen, w\u00e4hrend die Analoga ihrer Hauptzellen fehlen.4 Allein diese St\u00fctze ist hinf\u00e4llig geworden, seit Swieci\u00e7ki5 * gezeigt hat, dass beim Frosche die Dr\u00fcsen des Oesophagus ganz haupts\u00e4chlich, wo nicht allein, an der Pepsinbildung betheiligt sind, obschon ihre Zellen nicht den Belegzellen, sondern ihrem ganzen Habitus nach den Hauptzellen gleichen. Ich komme auf diesen Punct bei Besprechung der Pepsinbildung in den Fundusdr\u00fcsen zur\u00fcck.\n4.\tEins der wichtigsten Beweismomente, gegen welches jeder fernere Widerspruch unm\u00f6glich scheint, liegt in den Beobachtungen von Klemexsiewicz1' und von mir7 8 an dem Secrete des isolirten Pylorustheiles des Magens. Schon der erstere Forscher fand dasselbe stets pepsinhaltig. Da aber seine Hunde nur wenige Tage die Operation \u00fcberlebten, wurde der Einwand erhoben s, dass das in dem z\u00e4hen, glasartigen Schleime des Pylorusblindsackes nachgewiesene Pepsin schon vor der Isoliruug desselben als Importwaare Seitens\n1\tEbstein & Gr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. A I. S. 13. 1S72.\n2\tLangendorff, Arch. f. (Anat u.j Physiol. 1879. S. 102.\n3\tPi. Heidenhain, Arch. f. microsc. Anat. \\ I. S. 395. 1870.\n4\tYgl. Rollet , Untersuchungen aus dem Institute zu Graz. (2) S. 191. \u2014 I rie-dinger a. a. 0.\n5\tSwieci\u00e7ki, Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S.414. 1870. \u2014 Ygl. Xussbaum, I)ie l-\u2019ermentbildunginden Dr\u00fcsen. S. 20. Bonn 1876. \u2014 C. Partsch. Arch. t. microsc. Anat. XIV. S. 179. 1877.\n0 Klemensiewicz, Sitzgsher. d. \u2019Wiener Acad. III. Abth. 1875. 18. M\u00e4rz.\n7\tR. Heidenhain, Arch. 4. d. ges. Physiol. X\\III. S. 109. 1878. XIX. S. 154. A nm. 2.\n8\tXussbaum, Arch. f. microsc. Anat. XIII. S. 740. 1870.","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"\\ 34 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nder Fundusschleimhaut in das Pylorussecret transportiri sei. Dieser Einwand wird hinf\u00e4llig gegen\u00fcber meinen Beobachtungen, in welchen der k\u00fcnstliche Pylorusblindsack1 2 f\u00fcnf Monate lang stark pepsinhaltiges alkalisches Secret lieferte.\nAn der Discussion \u00fcber die Pepsinbildung im Pylorustheile der Schleimhaut hat sich ausser den im Texte bereits aufgef\u00fchrten Gelehrten noch eine Reihe andrer Forscher betheiligt. So Wolffii\u00fcgel-, der in K\u00fchne\u2019s Laboratorio Verdauungsversuche mit dem Glycerinextracte der bis zur neutralen Reaction gew\u00e4sserten Pylorussclileimhaut unter Anwendung 0.4 %iger Salpeters\u00e4ure an Stelle der Salzs\u00e4ure anstellte und zu negativen Ergebnissen kam. Die Salpeters\u00e4ure soll geeigneter sein, Peptonbildung aus Fibrin unter dem Einfl\u00fcsse blosser S\u00e4urewirkung zu verh\u00fcten, als die verd\u00fcnnte Salzs\u00e4ure. Allein Salpeters\u00e4ure von 0.4% ist, wie schon im Jahre 1860 in meinem Institute durch Davidson und Dieterich 3 nachgewiesen wurde, f\u00fcr die Albuminatverdauung keineswegs g\u00fcnstig; bei gleichem Pepsingehalte gehen bei jener S\u00e4ureconcentration die Eiweissk\u00f6rper viel langsamer in L\u00f6sung \u00fcber, als bei 0.15\u20140.2%. Wo es sich also, wie unter Umst\u00e4nden bei Pylorus-Extracten, um geringe Pepsin-Mengen handelt, k\u00f6nnen diese durch die ung\u00fcnstige S\u00e4ure-Ooncen-\ntration leicht verdeckt werden. \u2014\nMehrfach hat v. Wittich die uns besch\u00e4ftigende Frage ausf\u00fchrlich behandelt. In einer ersten Abhandlung4 erkl\u00e4rte er das Glycerin-Extract der Pylorussclileimhaut f\u00fcr schwach wirksam, in zwei ferneren 5 6 7 vertritt er die schon oben im Texte behandelte und abgewiesene Anschauung, dass das in dem Pylorus vorkommende Pepsin nur von dem Secrete des\nFundus aus k\u00fcnstlich infiltrirt sei. \u2014\nA. Fick \u00f6 fand bei k\u00fcnstlichen Verdauungsversuchen mit verscliiednen Parthien der Magenschleimhaut, dass die Schleimhaut des Pylorus etwa das halbe Verdauungsverm\u00f6gen, wie die Schleimhaut des Fundus besitze. Trotzdem wagt er nicht den fr\u00fcheren Anschauungen, nach welchen die Pylorussclileimhaut an der Pepsinbildung unbetlieiligt sei, entgegenzutreten.\nK\u00fchne, der fr\u00fcherhin ein Gegner der Pepsinbildung im Pylorus war, hat sich neuerdings den im Texte verteidigten Anschauungen angeschlossen \", wie ja auch Rollet seine fr\u00fcheren Zweifel an der Pepsin bildenden Function des Pylorus in Folge der sch\u00f6nen aus seinem Institute hervorgegangenen Arbeit von Klemensiewicz hat fallen lassen.\nF\u00fcr eine Weiterentwicklung der Lehre von dem Orte der Pepsinbildung versprechen vergleichend physiologische Untersuchungen von V ich-tig\u2019keit zu werden. Vie schon oben im dexte bemeikt, hat Heliodor von Swiecicki8 9 die interessante und seitdem von andern Seiten J best\u00e4tigte\n1\tS. oben zweites Capitel. I, 2.\n2\tWolffh\u00fcgel, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. 188.1872.\n3\tDavidson & Dieterich, Arch. f. Anat. u. Physioh I860. S. 6sS.\n4\tv. Wittich, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 435. 1872.\n5\tDerselbe, Ebenda. VII. S. 18. 1873; VIII. S. 444. 1874.\n6\tA. Fick, W\u00fcrzburger Verb. H. F. II. S. 61.\n7\tW. K\u00fchne, Verh. d. naturhist.-med. Ver. z. Heidelberg. II (I) S. 3. 18 <s. _\n8\tSwiecicki. Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 444. 1876. Ich bemeike hieibei. dass die obige * Arbeit nicht aus meinem Institute hervorgegangen ist.\n9\tKussbaum, Arch. f. microsc. Anat. XIII. S. 746. 1S7 7.","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"Pepsinbildung in den Pylorusdr\u00fcsen.\n135\nBeobachtung gemacht, dass bei Fr\u00f6schen der haupts\u00e4chliche, wo nicht ausschliessliche Sitz der Pepsinbildung in gewissen Dr\u00fcsen des Oesophagus gegeben ist, deren Zellen Analoga der Hauptzellen bei den S\u00e4ugethieren darstellen. Wenn derselbe aber auch bei Pelobates fuscus, Hyla arborea, Bufo variabilis und manchen Tritonen \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse aufgefunden haben will, so ist er nach controllirenden Beobachtungen von C. Partsch 1 Opfer einer T\u00e4uschung geworden. Bei den letztgenannten Thieren findet Pepsinbildung nur im Magen selbst statt. -\u2014 Weitere interessante Mittheilungen \u00fcber die Orte der Pepsinbildung bei Fischen verdanken wir Krukenberg'2; doch gestatten seine Resultate, wiewohl schon \u00fcber eine erhebliche Zahl von Thieren ausgedehnt, noch keine Schl\u00fcsse von allgemeiner Bedeutung. \u2014\nSeit Br\u00fccke3 Spuren einer Fibrin mit verd\u00fcnnter Chlorwasserstoffs\u00e4ure l\u00f6senden Substanz im Harne und im Muskelfleische aufgefunden, ist eine solche in \u00e4usserst geringer Menge von J. Munk4 im gemischten Mundspeichel des Menschen, von W. K\u00fchne 5 in derselben Fl\u00fcssigkeit, in der Darmschleimhaut vom Hunde, Schweine und Affen, im Darmsafte, im Hundeblute, im Chylus, Gehirn, in der Lunge, der Thyreoidea angetroffen worden. Angesichts dieser weiten Verbreitung des Pepsin k\u00f6nnte den obigen zweifellosen Beweisen f\u00fcr die Anwesenheit jenes Fermentes im Succus pyloricus die Frage entgegengehalten werden, ob dieselbe hier von gr\u00f6sserer Wichtigkeit sei, als in den oben aufgez\u00e4hlten Geweben und S\u00e4ften, und ob wirklich eine Pepsin-bildende Function der Pylorusdr\u00fcsen angenommen werden d\u00fcrfe, da das Ferment doch im Blute enthalten sei. Allein an allen jenen Orten kommt das Pepsin nur in Spuren vor, im Succus pyloricus dagegen, wie schon Klemensiewicz 6 bemerkt, in grosser Menge und zwar reichlicher als im Fundussecrete. Denn er fand, dass das Pylorus Secret in salzsaurer L\u00f6sung im Allgemeinen besser verdaut als das Fundussecret. Ich kann den hohen Pepsingehalt des Pylorussecretes nur best\u00e4tigen: eine Flocke des z\u00e4hen Schleimes, mit 10 Ccm. Salzs\u00e4ure von 0.1 \u00b0o versetzt, verdaute Faserstoff bei 35\u00b0 C. sehr oft in 25\u201430 Minuten. Danach wird man wohl schwerlich umhin k\u00f6nnen, in den Pylorusdr\u00fcsen specifische Organe f\u00fcr die Pepsin-Ausscheidung zu sehen.\n\u00f6. In den Dr\u00fcsen des Fundus bilden die Beleg zellen die S\u00e4ure, die Hauptzellen das Pepsin des Magensaftes.\nDie in der Ueberschrift erw\u00e4hnte Arbeitstheilung der beiderlei morphologischen Elemente der Fundusdr\u00fcsen in die S\u00e4ure- und die Pepsinbildung ist zuerst von mir mit dem ausdr\u00fccklichen Bemerken,\nt C. Partsch, Ebenda. XIV. S. 199. 1877.\n2\tKrukenberg, Filters, d. physiol. Instituts zu Heidelberg. I. S. 327. 1S7S.\n3\tE. Br\u00fccke, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturwiss. Cl. XLIII. S. 61S.\n1861.\n4\tJ. Munk, Verb. d. physiol. Ges. zu Berlin 1876. 24. Xov.\n5\tW. K\u00fchne, Verb. d. naturbist.-mod. Ver. z. Heidelberg. IL (I) S. 1.\n6\tKlemensiewicz, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturwiss. CI. 1875. 28. M\u00e4rz.","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136 Heidexhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\ndass es sich nur um eine vorl\u00e4ufige, zu weiteren Forschungen anregende Hypothese handle, in meinen Untersuchungen \u00fcber die Labdr\u00fcsen vermuthet worden.\nDer erste Theil dieser Hypothese, dass die S\u00e4urebildung von den Belegzellen ausgehe, wird ausf\u00fchrlicher erst sp\u00e4ter zu besprechen sein ; es hat ihn kaum Jemand bestritten.\nDer zweite Theil des in der Ueberschrift aufgestellten Satzes ist von allen den Forschern bek\u00e4mpft worden, welche die Pepsinbildung in den Pylorusdr\u00fcsen l\u00e4ugnen.1 Schon Ebstein hat in seiner ersten oben citirten Arbeit die grosse Analogie der Zellen der Pylorusdr\u00fcsen mit den Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen nachgewiesen und in dieser Beziehung vielseitige Zustimmung gefunden. Ich gehe aus oben in dem ersten Capitel sub IV aufgef\u00fchrten Gr\u00fcnden nicht so weit, eine absolute Identit\u00e4t beider Zellenarten zu behaupten, obschon die Unterschiede zwischen ihnen nur nebens\u00e4chlicher, leichter Natur sind; jedenfalls ist, wie wohl alle Forscher \u00fcbereinstimmend annehmen, die Verwandtschaft so gross, dass in dem Beweise der Pepsinbildung durch die Pylorusdr\u00fcsen f\u00fcr mich eine ganz wesentliche St\u00fctze f\u00fcr die Annahme der gleichen Function bez\u00fcglich der Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen liegt. Weitere St\u00fctzen f\u00fcr diese Annahmen sind folgende Thatsachen :\n1. Wenn man unter dein Microscope frisch isolirte Fundusdr\u00fcsen in einem Tr\u00f6pfchen verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure auf dem heizbaren Objecttische erw\u00e4rmt2, so sieht man die Hauptzellen schnell zerfallen. Sie werden von Aussen nach Innen allm\u00e4hlich gel\u00f6st, so dass ihr Volumen sich stark vermindert und zuletzt nur kleine kr\u00fcmelartme\no\nMassen \u00fcbrig bleiben, die aus dem geschrumpften Kerne und einer Spur ungel\u00f6ster Substanz bestehen. Die Belegzellen quellen indess nur auf und werden durchsichtiger ; sie sehen dabei entweder sehr mattk\u00f6rnig oder eigentk\u00fcmlick gelblich gl\u00e4nzend aus. Wenn alle Wahrscheinlichkeit daf\u00fcr spricht, dass bei der Selbstverdauung der Schleimhaut zuerst diejenigen Zellen zerst\u00f6rt werden, welche das Ferment enthalten, so wird der Schluss, dass die Pepsinbildner in den Hauptzellen zu suchen sind, nicht zu umgehen sein.3\n1\tNussbaum giebt zwar neuerdings die Pepsinbildung in der Pylorusschleim-haut zu, verlegt sie aber in die angeblich vereinzelt in den Pylorusdr\u00fcsen vor-konimenden Belegzellen. Dass diese vermuthlicken Belegzellen ganz andere Gebilde sind, ist oben gezeigt worden.\n2\tYgl. R. Heidenhain, Arch. f. microsc. Anat. YI. S. 400. 1870.\n3\tHerrend\u00f6rfer (Physiol, u. microsc. Unters, \u00fcber die Ausscheidung des Pepsin. K\u00f6nigsberg IS'5) ist auf mir unbegreifliche Weise bei k\u00fcnstlichen Yer-dauungsversuchen mit den Fundusdr\u00fcsen zu einem dem meinigen entgegengesetzten Resultate gekommen : er sah die Belegzellen sich schneller ver\u00e4ndern als die Hauptzellen. Ygl. seine Dissertation S. 20 u. 21.","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"Pepsinbildung in den Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen.\n137\n2.\tIn der untern Abtheilung der Fundusdr\u00fcsen wiegen die Hauptzellen gegen\u00fcber den Belegzellen bei Weitem mehr vor, als in der obern. Ein Salzs\u00e4ure-Infus der untern Schleimhauth\u00e4lfte verdaut ausnahmslos viel kr\u00e4ftiger, als ein Infus der obern H\u00e4lfte.1 2\n3.\tDer in den verschiednen physiologischen Zust\u00e4nden der Magenschleimhaut steigende und sinkende Gehalt derselben an Pepsin geht, wie sp\u00e4ter ausf\u00fchrlich zu zeigen, parallel mit ganz constanten Ver\u00e4nderungen der Hauptzellen, so dass ein Zusammenhang der Pepsinbildung mit der Findigkeit der letzteren ausser Frage steht.\n4.\tSewall'- hat an Schaafembryonen beobachtet, dass bei der Entwicklung der Fundusdr\u00fcsen zuerst nur Belegzellen und erst viel sp\u00e4ter Hauptzellen auftreten. Die Pepsinbildung in der Schleimhaut ist erst um die Zeit nachweisbar, wo die letzteren Zellen sichtbar werden, bei Embryonen von etwa 7 Zoll L\u00e4nge, \u2014 woraus S. selbst den Schluss zieht, dass nicht die ersteren Zellen, sondern die letzteren die Pepsinbildner seien.\n5.\tDie nur Belegzellen enthaltenden Fundusdr\u00fcsen des Frosches bilden, wie in dem vorigen Abschnitte er\u00f6rtert worden, nach der Entdeckung von Swiecicki kein Pepsin. Die Bereitung dieses Fermentes geschieht hier vielmehr in den Dr\u00fcsen der Speiser\u00f6hre, deren Zellen keine Aehnliehkeit mit den Belegzellen haben, vielmehr den Hauptzellen entsprechen.\nNussbaum und nach ihm Edixger sieht in den Belegzellen die St\u00e4tte der Fermentbildung, weil einerseits die Fermente sich mit Ueberosmium-s\u00e4ure schw\u00e4rzen, andrerseits die Belegzellen dieselbe Reaction zeigen. Diesem Schl\u00fcsse gegen\u00fcber ist zun\u00e4chst daran zu erinnern, dass blosse F\u00e4rbungsreactionen nur zu oft zu T\u00e4uschungen Veranlassung geben. Wie lange hielt man nach Virchow\u2019s Vorg\u00e4nge die Amyloidsubstanz f\u00fcr Cellulose, weil beide durch Jod und Schwefels\u00e4ure sich blau f\u00e4rben, und wie vielerlei chemische Verbindungen werden durch Schwefels\u00e4ure und Zucker rotli, wie viele durch Salpeters\u00e4ure gelb gef\u00e4rbt. Hat doch Edinger selbst beobachtet, dass die Tunica propria der Dr\u00fcsen im Hechtmagen sich mit Osmiums\u00e4ure schw\u00e4rzt, obschon sie doch sicher an der Pepsinbildung unschuldig ist. Einw\u00e4nde gegen die Osmiummethode habe ich schon bei Gelegenheit der Speicheldr\u00fcsen auf S. 71 ausgesprochen. Es sei daran erinnert, dass die Aeinus-Zellen der \u00fcberaus fermentreichen Kaninclien-parotis sich gegen Osmiums\u00e4ure nicht wesentlich anders verhalten, als die Zellen der fermentfreien Submaxillaris, und dass Gr\u00fctzner das Secret der ersteren Dr\u00fcse trotz hohen Fermentgehaltes sich nicht tiefer br\u00e4unen sah, als das fermentfreie Absonderungsproduet der letzteren. Was das Pepsin anlangt, so hat Gr\u00fctzner gezeigt, dass die Glycerinextracte der\n1\tR. Heldenhain, Arch. f. microsc. Anat. VL S. 401. \u2014 Ebstein & Gr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Thys. VI. S. 17. 1S72.\n2\tSewall. Journ. of physiol. I. p. 320 u. fg. 1878.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Ab sehn. Der Magen.\nM\u00e4gen verscliiedner Thiere sich nicht in dem A erh\u00e4ltnisse ihres Pepsingehaltes schw\u00e4rzen, vielmehr ein fermentreicheres Extract sich weniger br\u00e4unen kann, als ein ferment\u00e4rmeres. Bei Edinger liegt wohl ein Miss-verst\u00e4ndniss vor, wenn er dieser Erfahrung entgegenh\u00e4lt, dass eine Pepsinl\u00f6sung in Glycerin sich um so weniger schw\u00e4rzt, je mehr sie durch Glycerin verd\u00fcnnt wird. Das bedurfte keines ersuchtes, weil es sich von selbst versteht! Welches auch die schw\u00e4rzende Substanz sein mag, wenn die L\u00f6sung verd\u00fcnnt wird, muss nat\u00fcrlich die Schw\u00e4rzung geringer werden. In den G\u00df\u00fcTZNER\u2019schen Versuchen waren die Glycerinextracte eben aus verschiednen M\u00e4gen gewonnen; wenn aber ein sich st\u00e4rker schw\u00e4rzender Auszug weniger Pepsin enthielt, als ein zweiter sich weniger br\u00e4unender, so folgt daraus, dass der die Dunkelung bedingende K\u00f6rper nicht oder mindestens nicht allein das Pepsin ist, und dass ein Magen, der weniger Pepsin enth\u00e4lt, doch reicher an schw\u00e4rzenden Substanzen sein kann, als ein pepsinreicherer. Die Belegzellen betreffend, so geht der Grad ihrer Schw\u00e4rzung nicht mit dem Pepsingehalte der Schleimhaut parallel, denn er ist im n\u00fcchternen Zustande trotz gr\u00f6sseren Pepsinreichthums geringer, als im Verdauungszustande.1 Die Belegzellen m\u00f6gen also einen Osmiums\u00e4ure schw\u00e4rzenden K\u00f6rper bilden und dieser in das Secret \u00fcbergehen, es ist nicht erwiesen, dass derselbe Pepsin sei. Wenn aber Edinger, von der Schw\u00e4rzung der Ueberosmiums\u00e4ure durch Pepsin \u00fcberzeugt, darauf hinweist, dass Zellen, die sich nicht schw\u00e4rzen, auch nicht fertiges Pepsin enthalten k\u00f6nnen und dieses negative Crit\u00e9rium auf die Hauptzellen anwendet, so ist zu entgegnen, dass erstens seine Fig. 3 in den Hauptzellen \u00fcberall schwarze Massen an der Spitze derselben zeigt und dass zweitens ganz unbekannt ist, wie viel von dem Pepsin in den Zellen fertig, wie viel in dem Zustande der pepsinogenen Substanz enthalten ist. Bei der besprochenen Sachlage kann ich bei der Osmiumprobe auf Fermente die Beruhigung nicht finden, die ihre Vertheidiger in derselben gefunden haben.2 \u2014\nBedrohlich f\u00fcr die Annahme der Pepsinbildung in den Hauptzellen erscheint beim ersten Anblicke die Thatsache, das bei einer Reihe von Amphibien trotzdem, dass die Fermentbildung bei ihnen nicht, wie bei den Fr\u00f6schen, in der Speiser\u00f6hre, sondern in dem Magen vor sich geht, in den Dr\u00fcsen des letzteren nur Belegzellen Vorkommen (cf. oben erstes Capitel IV.). Allein dieses Bedenken schwindet doch wohl, wenn wir durch Krukenberg erfahren, dass bei den niedern V irbelthieren die St\u00e4tte f\u00fcr die Bildung verscliiedner Fermente, die bei den S\u00e4ugethieren auf ver-schiedne Dr\u00fcsen vertheilt ist, in dieselben dr\u00fcsigen Organe verlegt wird. So entsteht bei Zeus Scomber Trypsin in dem hintern Abschnitte des Vorderdarmes gemeinschaftlich mit Pepsin, so liefern bei den Ganoiden die Appendices pyloricae beide Fermente. Es differenziren sich also bei h\u00f6heren Thieren sehr oft besondre anatomische Elemente f\u00fcr verschiedne\n1\tlieber den Pepsingehalt der Schleimhaut im n\u00fcchternen und im 5 erdauungs-zustande s. sp\u00e4ter.\n2\tDiscussionen der behandelten Frage finden sich in den Arbeiten vonlSuss-eaum, Arch. f. microsc. Anat. XIII. S. 723. 1S77, XV, S. 119. IS7S, XVI. S. 532V1S79. \u2014 Gr\u00fctzner, Arch. f. d. ges Physiol. XVI. S. 105. 187S, XX. S. 395. 1S79. \u2014 Edinger, Arch. f. microsc. Anat. XVII. S. 193. 1879.","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"Angebliche Ausstossung der Belegzellen bei der Absonderung.\n139\nFunctionen, die bei niedern Thieren ihre Vertretung in denselben anatomischen Theilen finden. So scheint es nicht ohne Analogie, dass bei gewissen niedern Wirbelthieren die S\u00e4ure- und die Pepsinbildung von denselben, bei den S\u00e4ugethieren von verschiednen Zellen besorgt wird.\nDie Ansicht, dass die Belegzellen die eigentlichen Pepsinbildner seien, fand eine wesentliche St\u00fctze in der angeblichen Thatsache, dass w\u00e4hrend der Absonderung jene Zellen aus den Dr\u00fcsen ausgestossen w\u00fcrden und behufs Freigebung des in ihnen gebildeten Pepsins zerfielen. Vor einigen Jahrzehnten nahm man allgemein massenhafte Entleerung der Dr\u00fcsenzellen an. 1 2\nAllein es regten sich bereits zu einer Zeit Zweifel an dieser Behauptung, wo der feinere Bau der Labdr\u00fcsen noch wenig bekannt war. K\u00f6lliker - l\u00e4ugnete, der herrschenden Meinung entgegen, das constante Vorkommen von Labzellen im Magensafte und hielt es f\u00fcr sicher, dass bei vielen Thieren die Absonderung ohne Ausscheidung geformter Tlieile vor sich gehe. Nichtsdestoweniger seien die Labzellen von aller Bedeutung f\u00fcr die Magensaftbildung........., denn in einer Schleimhaut, die\nzu einer k\u00fcnstlichen Verdauung verwandt worden, finde man die Zellen ganz \u201eausgezogen und leer\u201c. Die letztere Bemerkung beruht auf vollkommen richtiger thats\u00e4chlicher Beobachtung: jede Behandlung der Dr\u00fcsen mit verd\u00fcnnten S\u00e4uren bedingt Quellung und Aufhellung des Protoplasmas der Belegzellen. Mit dem Verdauungsacte als solchem hat freilich die Erscheinung Nichts zu schaffen. \u2014 Donders3 hielt ebenfalls die Angaben von Frerichs f\u00fcr zu weit gehend. Die Sehleimlage, welche dieser Forscher als ganz und gar hervorgegangen aus ausgestossenen Labzellen ansah. r\u00fchre ausschliesslich von dem Cylinderepithel her; es werde bei dem Verdauungsacte nur ein kleiner Theil der Labzellen ausgestossen; einzelne Zellen gingen vielleicht in der Tiefe der Dr\u00fcsen zu Grunde. \u2014 Mit vollster Bestimmtheit \u00e4ussert sich Brinton4 in seinem vorz\u00fcglichen Artikel \u00fcber den Magen nach einer \u00fcber mehrere Jahre ausgedehnten Untersuchung gegen die Ausstossungstheorie. Ich muss seinen Angaben in jedem einzelnen Puncte beipflichten. Labzellen treten aus den Dr\u00fcsen nur dann hervor, wenn (bei der Pr\u00e4paration) mechanische Einwirkungen auf dieselben geschehen sind. Sie finden sich niemals in grosser Menge; in der Mehrzahl der F\u00e4lle fehlen sie ganz. Bei der n\u00f6thigen Vorsicht bei der Untersuchung werde man sie selten oder nie finden. Die (durch K\u00f6lliker bereits aufgefundene und von Brinton best\u00e4tigte) Lagerung derselben beim Hunde mache die Ausstossung wenigstens in ihrer urspr\u00fcnglichen Form unm\u00f6glich. \u2014 Mit derselben Bestimmtheit bestreitet sp\u00e4ter F. E. Schulze5, ankn\u00fcpfend an die von ihm beim Delphin entdeckte Lagerung der Zellen in besondern H\u00f6hlungen (s. oben die histologische Beschreibung), die Auswan^erungshypothese, um so mehr, als er weder im Lumen der Dr\u00fcse, noch in dem vorsichtig von der Oberfl\u00e4che eines frischen Magens entnommenen Schleime jemals Labzellen ge-\n1\tVgl. u. A. Frericeu in Wagner's llandw\u00f6rterb. Th. III. Abth. 1. S. T4S. 184b.\n2\tK\u00f6lliker. Microsc. Anat. II. (2) S. 147. 1854.\n3\tBonders, Lehrb. d. Physiol. Deutsch v. Theile. I. S. 20S. Leipzig 1S56.\n4\tBrinton, Stomach. Todd\u2019s cyclopaedia. 'S . p. 337. 1859.\n5\tF. E. Schulze. Arch. f. microsc. Anat. III. S. 178. 1S67.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nfunden habe. Es scheine vielmehr jede Zelle, ruhig an ihrem Standorte resp. in ihrer Nische bleibend, wie eine kleine selbstst\u00e4ndige Dr\u00fcse ihr fl\u00fcssiges Secret zu bereiten und in das Lumen der Dr\u00fcse zu ergiessen.\n\u2014\tTrotz aller solcher Zweifel und directer, auf sorgf\u00e4ltige Beobachtung gegr\u00fcndeter Widerspr\u00fcche behauptete im allgemeinen Bewusstsein der Physiologie die Ausstossungs - Hypothese immer noch ihren Boden. Mit vollster Bestimmtheit musste ich gegen dieselbe auftreten, als ich einerseits die Bedeckung der Belegzellen durch eine continuirliche Lage von Hauptzellen bei allen S\u00e4ugethieren als allgemeine Anordnung aufgefunden, von welcher nur eine kurze Stelle des Dr\u00fcsenhalses eine Ausnahme macht,\n\u2014\teine Disposition, welche nat\u00fcrlich die Ausstossung der Belegzellen unm\u00f6glich erscheinen l\u00e4sst \u2014 und als ich andrerseits mit Bezug auf das Vorkommen von \u201eLabzellen\u201c im Secrete zu \u00e4hnlichen negativen Ergebnissen wie K\u00f6lliker, Brinton, F. E. Schulze, neuerdings Edinger 2 u. A. gelangt war. Seit ich das Fundussecret des Hundes aus einem isolirten Blindsacke in m\u00f6glichst reinem Zustande gewinnen lernte, habe ich in demselben sehr oft, aber stets vergeblich, nach Belegzellen gesucht. \u2014 Indess, es ist schwer, einmal eingewurzelte Vorstellungen auszurotten. Rollet1 2 3 l\u00e4sst f\u00fcr die Ueberf\u00fchrung der \u201e delomorphen\u201c (Haupt-) Zellen in das Secret die M\u00f6glichkeit offen, dass dieselbe durch active Bewegungen geschehe, wobei die Stellen im Dr\u00fcsenhalse, an denen die Zellen mit dem Dr\u00fcsenlumen in Ber\u00fchrung stehen, besondre Aufmerksamkeit verdienten. Wenn anders ich R. richtig verstehe, neigt er zu der Ansicht, dass die Zellen zwischen der Mbr. propria und der Lage der Hauptzellen zu dem Dr\u00fcsenhalse wandern und dort in das Lumen der Dr\u00fcse \u00fcbergehen sollen. Allein man trifft in dem Halse, zwischen die Hauptzellen gelagert, stets und ohne Ausnahme nur sehr kleine Belegzellen, viel geringer an Durchmesser, als die in dem Dr\u00fcsengrunde vorhandenen. Sollten diese auf ihrer Wanderung so enorm viel an Substanz verlieren ? Zudem ber\u00fccksichtigt R. nicht den von allen neueren Beobachtern hervorgehobenen thats\u00e4chlichen Mangel an Belegzellen in dem Secrete. \u2014 In neuerer Zeit ist meines Wissens nur Herrend\u00f6rfeer 3 auf die Ausstossung von Belegzellen zur\u00fcckgekommen. Er versichert, in der Schleimlage, welche die Magencontenta des Kaninchens einh\u00fcllt (Eberle s H\u00e4utchen), stets sehr viele Labzellen gefunden zu haben. Ja als er die Schleimhaut von s\u00e4mmt-lichem ihr anhaftemden Schleime befreite, sorgf\u00e4ltig mit Fliesspapier trocknete und unter einem Uhrglase zwei Tage stehen liess, sei auf ihrer Oberfl\u00e4che wieder eine Schleimlage, voll von Belegzellen, vorhanden gewesen. Ich kann dieser Beobachtung nur eine andere des \u00fcberaus sorgf\u00e4ltigen Brinton entgegenstellen, welcher ich vollst\u00e4ndig beistimme: er erkl\u00e4rt die beim Hunde sehr selten, beim Kaninchen h\u00e4ufiger, beim Meerschweinchen in grosser Menge, so dass sie fast ein continuirliches Lager bilden, in dem Magensecrete vorhandenen Zellen f\u00fcr abgestossene Cylinder-\n1\tRollet , Untersuchungen aus dem Institute t. Physiol, u. Histol. in Graz. II. S. 190. 1871.\n2\tEdinger, Arch. f. microsc. Anat. XVII. S. 202. 1879.\n3\tHerrend\u00f6refee, Physiol, u. microsc. Untersuch, \u00fcber die Ausscheidung von Pepsin. Diss. K\u00f6nigsberg 1875.","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"Morphologische Aenderungen der Dr\u00fcsen w\u00e4hrend der 'S erdauung.\n141\nepithelien. Bei unvorsichtiger mechanischer Behandlung der Magenschleimhaut habe auch ich Belegzellen angetroffen.\nDas Auftreten des Pepsins in der Magenschleimhaut Neugeborner ist schon vor Sewall von einer Reihe von Autoren untersucht worden.1\nNach der Gesammtheit der Ergebnisse erscheint Pepsin in der Magenschleimhaut bei verschiednen Thieren zu verschiednen Perioden des Intrauterinlebens, bei Pflanzenfressern und beim Menschen verh\u00e4ltnissmassig fr\u00fch, bei Fleischfressern erst nach der Geburt. Genauere Vergleichung der histologischen Entwicklung der Dr\u00fcsen mit der Zeit des Auftretens des Pepsins findet sich nur in der im Texte besprochenen Arbeit von Sewall.\nIII. Aenderungen des histologischen Verhaltens der Magen -driisen und des Pepsingehaltes der Magenschleimhaut w\u00e4hrend des Ablaufes einer Verdauungsperiode.\nWie bei den Speicheldr\u00fcsen anhaltende Th\u00e4tigkeit sich durch microscopisch nachweisbare Umwandlung der secernirenden Zellen verr\u00e4th, so auch bei den Magendr\u00fcsen. Die Untersuchung wird aber bei den letzteren dadurch erschwert, dass es bisher nicht gelungen ist, secretorisehe Nerven aufzufinden, durch deren Reizung man beliebig lange Absonderung hervorzurufen und zu unterhalten im Stande w\u00e4re. Man ist auf die im Ablaufe der Verdauung in Folge der physiologischen Reizung eintretende Absonderung angewiesen, deren Maass und Dauer man nicht in dem Grade beherrscht, wie es bei den Speicheldr\u00fcsen durch die electrische Erregung ihrer Nerven vermittelst Abstufung der Dauer und Intensit\u00e4t der angewandten In-duc-tionsstr\u00f6me erm\u00f6glicht werden kann.\nNach den Beobachtungen von mir \u00fcber das microscopische Verhalten der Fundusdr\u00fcsen, von Ebstein \u00fcber das Verhalten der Pylorus-driisen und von Gr\u00fctzxer \u00fcber die Aenderungen des Pepsingehaltes der Schleimhaut, welche mit den morphologischen Aenderungen der Dr\u00fcsen Hand in Hand gehen, haben sich folgende Thatsachen herausgestellt, welche die Grundlagen f\u00fcr das Verst\u00e4ndniss der Pepsinbildung abgeben.\nDie Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen, sowie die Zellen der Pylorus-driisen kommen in zwei verschiednen Zust\u00e4nden vor. In dem einen Zustande, bei den Fundusdr\u00fcsen dem Hunger entsprechend, sind sie,\n1 Zweifel, Untersuchungen \u00fcber den Verdauungsapparat der Neugebornen. Is74. \u2014 Hammarsten in dem zu Ludwig\u2019s Jubil\u00e4um von seinen Sch\u00fclern herausgegebenen Jubelbande. S. 1 IG. Leipzig ls74. \u2014 Gr\u00fctzxer. Neue Untersuchungen \u00fcber die Bildung und Ausscheidung des Pepsin. S. 30. Breslau 1875. \u2014 Morriggia. Mole-schott\u2019s Untersuchungen. XI. S. 455. 1876. \u2014 Wolffh\u00fcgel, Ztsclir. f. Biologie. XI. S. 217. 1876. -\u2014 Laxgendorff. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1879. S. 95.","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nan mit Carmin oder Anilinblau gef\u00e4rbten und in Glycerin aufgebellten Alcobolpr\u00e4paraten untersucht, gross, hell, mit Ausnahme des Kerns und seiner n\u00e4chsten Umgebung schwach oder gar nicht f\u00e4rbbar ; der Kern selbst ist abgeplattet. Dem gegen\u00fcber steht ein andrer, gegen Ende der Verdauung eintretender Zustand, welcher, wenn vollst\u00e4ndig ausgebildet, sie stark verkleinert, feink\u00f6rnig getr\u00fcbt, durchweg f\u00e4rb-\nbar, den Kern rund, mit deutlich 36.\nFig. 36. Pylorusdr\u00fcsen: Ver\u00e4nderungen der Haupt-zellen w\u00e4hrend der Verdauung (nach Ebsteik).\nhervortretendem Kernk\u00f6rperchen erscheinen l\u00e4sst. Der eine Zustand geht w\u00e4hrend des Ablaufes der Verdauung allm\u00e4lig in den andern \u00fcber, aber in den Fundus- und den Pylorusdr\u00fcsen nicht auf gleiche Weise und nicht in gleicher Zeit. In den Fundusdr\u00fcsen beginnt zwar bald nach der Nahrungsaufnahme die Tr\u00fcbung der Zellen, aber mit ihr geht in der Piegel in einem ersten Verdauungs-stadium zun\u00e4chst anf\u00e4nglich Ver-gr\u00f6sserung, erst sp\u00e4ter von der 6.\u20147. Stunde ab in einem zweiten Verdauungsstadium Verkleinerung einher. In den Pylorus-dr\u00fcsen nehmen anfangs, w\u00e4hrend die Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen sich bereits verkleinern, die se-cernirenden Elemente an Umfang noch zu, ohne sich zu tr\u00fcben; erst sp\u00e4ter erfolgt ihre Volumsverringerung und Tr\u00fcbung.\nBeim Hunde dauert, wenn derselbe durch 24 st\u00e4ndige Nahrungsentziehung auf eine reichliche Mahlzeit vorbereitet worden ist, die Verdauung bis zur v\u00f6lligen Entleerung des Magens gegen 20 Stunden.\nW\u00e4hrend des Hungers und des Ablaufes der \\ er da nun g vertheilt sich nach dem Durchschnitte aller vorliegenden Erfahrungen die Zustands\u00e4nderung der Zellen in folgender V eise 1 :\n[ Die folgenden Angaben \u00fcber die Fundusdr\u00fcsen st\u00fctzen sich aut meine eigenen, \u00fcber die Pylorusdr\u00fcsen auf Gr\u00fctznejr's Beobachtungen.","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"Morphologische Aenderimgen der Dr\u00fcsen w\u00e4hrend der Verdauung.\n143\ni. Hungerzustand. Die Hauptzellen des Fundus erscheinen hell und gross, die Belegzellen klein. Im Pylorus sind nach l\u00e4ngerer Leere des Magens die Zellen hell und von mittlerer Gr\u00f6sse; ist der Magen erst einige Stunden leer, so sind sie noch massig getr\u00fcbt.\nFig. 37. Fundusdr\u00fcsen: A u. H1 Hungerzustand. B Erstes Verdauungsstadium: Yergr\u00f6sserung der Hauptzellen, beginnende Tr\u00fcbung. C u. D Zweites Yerdauungsstadium: Fortschreitende Verkleinerung und Tr\u00fcbung der Hauptzellen.\n1. 4V \u00e4hrend der ersten sechs V e r d a u u n g s s t u n d e n nach Aufnahme reichlicher Mahlzeit: Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen gross, in der Regel gr\u00f6sser als im Hungerzustande, dabei massig getr\u00fcbt. Belegzellen vergr\u00f6ssert. Pyloruszellen noch nicht ver\u00e4ndert.\n3. Sechste bis neunte V e r d a u u n g s s t u n d e. Die Hauptzellen im Fundus verkleinern sich mehr und mehr und tr\u00fcben sich dabei immer st\u00e4rker, w\u00e4hrend die Belegzellen gross und geschwellt bleiben oder es in noch h\u00f6herem Maasse werden. Dieser Zustand dauert bis zur 13.\u201415. Stunde an. \u2014 Die Zellen der Pylorusdr\u00fcsen","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"1 44 Heidenhain, Physiologie der Ahsonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nvergr\u00f6ssern sich, sind bell oder doch nur sehr scbwachk\u00f6rnig\u2019; Kerne von unregelm\u00e4ssiger Form, nahe dem Aussenende der Zellen.\n4. F\u00fcnfzehnte bis zwanzigste Stunde. Die Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen vergrossern sich allm\u00e4hlich wieder, hellen sich auf, die Belegzellen schwellen ab, die Dr\u00fcsen kehren also zu dem Aussehn des Hungerzustandes zur\u00fcck. \u2014 Die Dr\u00fcsenzellen des Pylorus schrumpfen mehr und mehr, tr\u00fcben sich, ihr Kern wird, rund, scharf contourirt, zeigt ein deutliches Kernk\u00f6rperchen und r\u00fcckt mehr in die Mitte der Zellen.\nW\u00e4hrend die Art der Ver\u00e4nderung der Dr\u00fcsenzellen w\u00e4hrend der Verdauung immer dieselbe bleibt, kann sie dem Grade und dem zeitlichen Ablaufe nach innerhalb weiter Grenzen schwanken. Die obige Darstellung gr\u00fcndet sich auf eine grosse Zahl von Beobachtungen und giebt die Durchschnittsverh\u00e4ltnisse an. Die Vergr\u00f6sserung der Hauptzellen in den Fundusdr\u00fcsen bedingt eine mehr oder weniger starke Schwellung der ganzen Schl\u00e4uche namentlich an ihrem untern Ende, welche aber nach der Menge und der Art der Ingesta sowie nach dem gesammten Ern\u00e4hrungszust\u00e4nde des Thieres ver\u00e4nderlich ist. Bei reichlichster Fleischaufnahme tritt die Volumsvergr\u00f6sserung der Schl\u00e4uche und die Tr\u00fcbung der Hauptzellen bereits nach zwei Stunden ein; nach vier Stunden sah ich sie sowohl bei F\u00fctterung mit Fleisch als bei Darreichung von Brot und Kartoffeln auf voller H\u00f6he. Die Verkleinerung sah ich nach Brot-f\u00fctterung bereits um die sechste Stunde beginnen, nach Fleischf\u00fctterung um die 14. Stunde ihre h\u00f6chste Ausbildung erreichen. Wird die Magenschleimhaut zu starker Absonderung durch unverdauliche Substanzen angeregt, z. B. durch Einf\u00fchrung von Schw\u00e4mmen, so* scheint es zu einer prim\u00e4ren Volumsvergr\u00f6sserung gar nicht zu kommen, sondern sofort Schrumpfung und Tr\u00fcbung der Hauptzellen zu beginnen.\nAusdr\u00fccklich sei noch hervorgehoben, dass man niemals die gesammten Dr\u00fcsen in gleichem Ver\u00e4nderungszustande trifft; die einen schreiten darin vielmehr schneller, die andern langsamer vor. Die obige Darstellung bezieht sich deshalb nur auf das durchschnittliche Verhalten der Mehrzahl der Dr\u00fcsen zu den verschiedenen Zeiten. \u2014\nWas nun den Pepsingehalt der Schleimhaut betrifft, so steht derselbe in Abh\u00e4ngigkeit von dem Zustande der Hauptzellen resp. der Zellen der Pylorusdr\u00fcsen, dagegen in durchaus keinem Verh\u00e4ltnisse zu dem Verhalten der Belegzellen. Grosse, helle Hauptzellen resp. Pyloruszellen entsprechen hohem Pepsingehalte, Tr\u00fcbung der Zellen und Verkleinerung ihres Volumens bedeutet Abnahme des Pepsingehaltes der Schleimhaut, um so mehr, je st\u00e4rker beide Ver\u00e4nderungen ausgepr\u00e4gt sind.\nEs f\u00e4llt also Pepsinreichthum zusammen mit gr\u00f6sstem Volumen der Haupt-, kleinstem der Belegzellen (Hunger), Pepsinarmuth mit kleinstem Volumen der Haupt-, gr\u00f6sstem der Belegzellen (6 \u2014 15 Verdauungsstunden f\u00fcr die Fundusdr\u00fcsen). Daraus ergiebt sich ein neuer","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Bedeutung der morpholog. Aenderungen d. Hauptzellen w\u00e4hrend d. Verdauung. 145\nund nicht der unwichtigste, Beweis daf\u00fcr, dass die Pepsinbereitung in den Haupt- (resp. Pylorus-) Zellen und nicht in den Belegzellen geschieht.\nDen Wechsel des Pepsingehaltes im Fundus und Pylorus w\u00e4hrend des Ablaufes einer Verdauungsperiode stellt in \u00fcbersichtlicher Weise die beistehende Curve (nach Gu\u00fctzner) dar:\nAuf die Abscisse sind die einzelnen Stunden nach der Nahrungsaufnahme aufgetragen; die Ordinaten bezeichnen die relativen Pepsinmengen in der Schleimhaut, mit Zugrundelegung einer bestimmten willk\u00fcrlich gew\u00e4hlten Pepsinmenge als Einheit. Die Extraction der Mucosa geschah zuerst mit Glycerin, darauf die der R\u00fcckst\u00e4nde mit Salzs\u00e4ure. Die Curve ergiebt, dass die Pepsinmengen im Pylorus um das Achtfache, im Fundus um das Vierfache schwanken, sowie dass das Verh\u00e4lt-niss des Pepsingehaltes im Pylorus zu dem des Fundus ebenfalls sehr ver\u00e4nderlich ist. W\u00e4hrend des Hungerzustan-\nHandbueh der Physiologie. Bd. V","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Per Magen.\ndes enth\u00e4lt der Fundus funfzigmal so viel Pepsin, als der Pylorus, um die neunte Verdauungsstunde noch nicht die zweifache Menge. Das zeitliche Zusammentreffen des gr\u00f6ssten Pepsingehaltes im Pylorus mit dem kleinsten im Fundus ist wahrlich ein Moment, wenig geeignet, den Anh\u00e4ngern der Infiltrationshypothese zur St\u00fctze zu dienen.\nNussbaum 1 findet im Gegens\u00e4tze zu Gr\u00fctzner den Pepsingehalt der Magenschleimhaut w\u00e4hrend der ersten Verdauungsstunden h\u00f6her als im Hungerzustande. Die Mangelhaftigkeit seiner Versuchsmethode ist von Gr\u00fctzner 2 dargethan.\nFasst man nun die Aenderungen der Hauptzellen resp. der Zellen in den Pylorusdr\u00fcsen im Zusammenh\u00e4nge mit dem Wechsel des Pepsingehaltes in der Schleimhaut auf, so ergiebt sich folgende Vorstellung \u00fcber den Hergang bei diesem Secretionsacte :\nDas Material, aus welchem in den Zellen das Pepsin oder seine Vorstufe, die pepsinogene Substanz (Ebstein & Gr\u00fctzner), das Propepsin (Schiff) gebildet wird, sind die Albuminate des Protoplasmas. Haben die Zellen viel Eiweissmaterial aufgenommen, d. h. sind sie reich an Protoplasma, so erscheinen sie an Aleoholpr\u00e4paraten k\u00f6rnig getr\u00fcbt und ihr Inhalt erweist sich als f\u00e4rbbar in Carmin oder Anilinblau. W\u00e4hrend des Hungerzustandes wird das eiweissreiche Protoplasma zum grossen Theile allm\u00e4hlich in Ferment oder doch in die fermentbildende Substanz umgesetzt. In dem Maasse, als dies geschieht, werden die Zellen heller und verlieren ihre F\u00e4rbbarkeit.\nBei Anf\u00fcllung des Magens beginnt nun die seeretorische Th\u00e4tig-keit derselben, bei welcher zwei zu einander in engster Beziehung stehende Processe sichtlich Hand in Hand gehen: die Umwandlung der pepsinogenen Substanz in Pepsin und die Ausscheidung des letzteren einerseits, die Aufnahme neuer Albuminate und damit einhergehende Vermehrung des Protoplasmas zum Zwecke neuer Fermentbildung andrerseits. Das Aussehn der Zellen ist durch das Verh\u00e4ltniss dieser beiden Processe zu einander bestimmt, insofern als das Volumen der Zelle von dem Verh\u00e4ltniss der Aufnahme zur Abgabe abh\u00e4ngt, der Grad ihrer Tr\u00fcbung von ihrem Beichthum an noch nicht umgesetzten Albuminaten (an Protoplasma).\nBeim Beginne der Absonderung \u00fcberwiegt in den Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen in der Regel die Aufnahme \u00fcber die Abgabe, deshalb tritt Vergr\u00f6sserung der Zellen ein. Gleichzeitig aber findet noch lebhafte Bildung nicht f\u00e4rbbarer Substanzen (Pepsinogen und\n1\tNussbaum, Arch. f. microsc. Anat. XV. S. 131. 1S78.\n2\tGr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 402 u. fg. 1570.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"Bedeutung der morphol. Aenderungen d. Hauptzellen w\u00e4hrend d. Verdauung. 147\nPepsin) aus dem Protoplasma statt, deshalb wird die Tr\u00fcbung der Zelle vorl\u00e4ufig eine nur geringe. Beim Fortgange der Verdauung wird allm\u00e4hlich die Abgabe vorherrschend \u00fcber die Aufnahme, deshalb schwellen die Zellen ab; gleichzeitig geschieht die Umwandlung der immer noch von dem Protoplasma aufgenommenen Albuminate langsamer, deshalb werden die Zellen tr\u00fcber, protoplasmareicher und st\u00e4rker f\u00e4rbbar. Indem nach vollendeter Verdauung allm\u00e4hlich die aufgenommenen Eiweissk\u00f6rper des Protoplasma sich wieder in Fermentsubstanzen umwandeln, hellen die Zellen sich wieder auf und gelangen zu dom Verhalten des Hungerzustandes zur\u00fcck. Der Uebergang des Kernes aus der platten in die runde Form und umgekehrt ist nicht bloss f\u00fcr die Zellen der Magendr\u00fcsen, sondern aller Dr\u00fcsen eine die Th\u00e4tigkeit resp. Ruhe begleitende Erscheinung.\nGanz wie an den Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen laufen, wennschon in zeitlicher Verschiebung gegen jene, die Erscheinungen an den Zellen der Pylorusdriisen ab; es ist deshalb unn\u00f6thig, sie eingehender zu besprechen.\nDer Leser wolle darauf achten, dass die wesentlichen Z\u00fcge in den Ver\u00e4nderungen, welche die Hauptzellen zu den verschiedenen Zeiten ihrer Th\u00e4tigkeit erfahren, ganz und gar \u00e4hnlich sind, wie in den Eiweiss- und Schleimdr\u00fcsen : W\u00e4hrend der Ruhe Bildung von Absonderungsmaterialien (helle, nicht f\u00e4rbbare Substanz) auf Kosten der Albuminate des Protoplasmas; w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit Abgabe der Absonderungsmaterialien (zum F heil nach erlittener chemischer Umwandlung) an das Secret, Zunahme des Albuminat-reichen Protoplasmas, Umwandlung des Kernes. Die Aehnlichkeit der morphologischen Vorg\u00e4nge und ihres Zusammenhanges mit der Absonderung ist eine unverkennbare.\nIch habe schliesslich noch hervorzuheben, dass, wenn der Iiun-gerzustand ungew\u00f6hnlich lange dauert, etwa \u00fcber 36\u201448 Stunden, nach den Beobachtungen von Gk\u00fctzner der Fermentgehalt der Fundusschleimhaut wieder sinkt.\nDamit h\u00e4ngt es zusammen, dass bei Winterfr\u00f6schen, wie Swie-cu'kl und Pakt sc ii gesehen, der Pepsingehalt der Schleimhaut des Oesophagus in der Regel gering ist und erst nach der F\u00fctterung sich hebt. Versetzt man die Thi\u00e7re in normale Ern\u00e4hrungsVerh\u00e4ltnisse, so sinkt der vor der Nahrungsaufnahme sehr hohe Pepsingehalt der Oesophagusdriisen nach derselben anfangs (in den ersten 4\u20146 Stunden) langsam, sp\u00e4ter schneller. Die Verh\u00e4ltnisse sind dann also \u00e4hnliche, wie bei S\u00e4ugethieren, insoweit auch hier w\u00e4hrend der Verdauung Pepsinverbrauch statttindet.1\nlu*\n1 Gr\u00fctzner. Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 408. 187\u2018J.","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nIV. Die Bildung der S\u00e4ure des Magensaftes.\nj. Ort der S\u00e4urebilduiuj.\nAlle bisherigen Erfahrungen sprechen daf\u00fcr, dass die S\u00e4urebil-duiig von den Dr\u00fcsen des Fundus ausgeht. Denn man trifft bei n\u00fcchternen Thieren h\u00e4ufig genug auf der Oberfl\u00e4che der Fundusschleimhaut saure, auf der Oberfl\u00e4che der Pvlorusschleimhaut alkalische Reaction. Freilich liegt in dieser Thatsache kein ganz vollg\u00fcltiger Beweis. Denn die von den Oberfl\u00e4ckenepithelien gelieferte Schleimlage, welche in gr\u00f6sserer oder geringerer M\u00e4chtigkeit die innere Magenfl\u00e4che \u00fcberzieht und in dem Pylorustheile stets dicker ist als im Fundustheile, reagirt immer stark alkalisch. Die Pylorus-drttsen k\u00f6nnten also immerhin ein saures Secret liefern, ohne dass sich dasselbe durch saure Reaction der Oberfl\u00e4che, auf welcher sie m\u00fcnden, verriethe, wenn die Menge und der S\u00e4uregrad desselben unzureichend w\u00e4ren, den grade in der Pvlorusgegend stets dicken, alkalisch reagirenden Schleim zu neutralisiren.\nEin bindender Beweis daf\u00fcr, dass die Pylorusdrtisen an der S\u00e4urebildung unbetheiligt sind, liegt in der von Klemensiewicz nachgewiesenen und von mir an Hunden mit isolirtem Pylorussacke durch Monate beobachteten constant alkalischen Reaction des Pylorussecre-tes, wie umgekehrt ein vollg\u00fcltiger Beweis f\u00fcr die Fundusdr\u00fcsen als S\u00e4ure bildende Organe, in der Erfahrung von Br\u00fccke 1, dass unter g\u00fcnstigen Bedingungen schon innerhalb dieser Dr\u00fcsen selbst saure Reaction anzutreffen ist.\nEs ist nach den Erfahrungen von Br\u00fccke nicht leicht, direct die Ueberzeugung von der S\u00e4urebildung im Innern der Dr\u00fcsen zu gewinnen. Wenn man bei Tauben selbst w\u00e4hrend der vollen Verdauung die Dr\u00fcsenk\u00f6rper des Dr\u00fcsenmagens durch Abl\u00f6sung eines St\u00fcckes der Muskelhaut zug\u00e4nglich macht, durch einen flachen Scheerenschnitt, ohne die Schleimhaut mitzufassen, abschneidet und zwischen Lakmuspapier zerquetscht, findet man neutrale oder doch nur \u00e4usserst schwach saure Reaction. Es muss also die S\u00e4uremenge in den Dr\u00fcsen so gering sein, dass sie durch die zerquetschten Elemente des Dr\u00fcsenparenchyms neutralisirt wird. Ebenso fand Br\u00fccke bei Kaninchen die zwischen Lakmuspapier zerquetschten Dr\u00fcsenk\u00f6rper neutral, w\u00e4hrend die Schleimhautoberfl\u00e4che intensiv sauer reagirte. Dagegen traf er in den zusammengesetzten grossen Dr\u00fcsen des H\u00fchnermagens nicht selten saure Reaction 5 die Beobachtung wird hier dadurch erleichtert, dass diese Dr\u00fcsen eine centrale cylindri-sche H\u00f6hle besitzen, in welche s\u00e4mmtliche Tubuli des Dr\u00fcsenk\u00f6rpers einm\u00fcnden und in der sich mitunter betr\u00e4chtlichere Secretmengen ansammeln. \u2014\n1 Br\u00fccke. Sitzgsber. d. Wiener Acad. XXXYII. 1859.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Bildung der S\u00e4ure des Magensaftes.\n149\nIn die Reihe der hierher geh\u00f6rigen Beobachtungen geh\u00f6rt auch ein viel citirter Versuch von Cl. Bernard. 1 In die Jugularvene eines Thieres, welches massig gef\u00fcttert ist, wird nach einander eine L\u00f6sung von milchsaurem Eisen und eine L\u00f6sung von Ferrocyankalium eingespritzt. Man t\u00f6dtet das Thier nach drei Viertelstunden. Kein Organ ist gebl\u00e4ut, auch der alkalische Harn nicht, der letztere wird aber blau nach Ans\u00e4uerung durch Salzs\u00e4ure oder Schwefels\u00e4ure, zum Beweise, dass beide Salze in ihn tibergegangen sind. Dagegen findet man einen blauen Niederschlag auf der Schleimhaut des Magens, ganz besonders in der Gegend der kleinen Curvatur, w\u00e4hrend sich in den Magendr\u00fcsen keine Spur von Berlinerblau vorfindet. Da sich nur in sauren Fl\u00fcssigkeiten aus den beiden injicirten Salzen Berlinerblau bildet, schliesst Cl. Bernard, dass im Innern der Dr\u00fcsen keine saure Fl\u00fcssigkeit vorhanden ist. So richtig wohl diese Folgerung, so darf man doch nicht weiter gehen und behaupten, dass die S\u00e4ure in den Dr\u00fcsen auch nicht entstehe. Denn es ist ja denkbar, dass jede Spur der in ihrem Innern gebildeten S\u00e4ure sofort nach Aussen entleert wird. Deshalb ist es auch kein Beweis gegen die S\u00e4urebildung in den Belegzellen, wenn L\u00e9pine 2 bei einer Modification der BERNARD\u2019schen Methode kein Berlinerblau in denselben auffinden konnte. Er t\u00f6dtete Hunde in voller Verdauung, und legte Durchschnitte der Magenschleimhaut in eine durch Kali neutralisirte Mischung von Blutlaugensalz und Eisenvitriol, welche unter Zusatz von Salzs\u00e4ure sich bl\u00e4ute. Er sah aber weder in den Haupt- noch in den Belegzellen Bl\u00e4uung ein-treten. Der Versuch ist deshalb physikalisch unrichtig angestellt, weil Zusatz eines Alkali\u2019s zu der L\u00f6sung der obigen Eisensalze nicht diffusibles Eisenhydroxyd ausscheidet, das in die Zellen einzudringen nicht vermag, eine Bemerkung, welche bereits Maly1 2 3 mit vollem Rechte ausgesprochen hat.\nWenn nun die Fundusdr\u00fcsen zweifellos als S\u00e4ure bildende Organe gelten m\u00fcssen, so tritt die weitere Frage in den Vordergrund, welche ihrer Zellen jene Function \u00fcbernehmen. Die Antwort scheint sich von selbst zu ergeben. Da jene Dr\u00fcsen vor denen des Pylorus die Belegzellen voraus haben, das Secret jener sauer, dieser alkalisch reagirt, muss die S\u00e4urebildung von den Belegzellen ausgehen. Bei den S\u00e4ugethieren ist eine r\u00e4umliche Trennung der S\u00e4ure- und Pepsinbildung nur in so weit vorhanden, als es Schleimhautgegenden giebt, wo nur die letztere stattfindet. Bei den Fr\u00f6schen dagegen findet im Magen mit seinen ausschliesslich Belegzellen enthaltenden Dr\u00fcsen nur S\u00e4urebildung statt, w\u00e4hrend das Pepsin in alkalischer L\u00f6sung durch den Oesophagus ausgeschieden wird. (Vgl. oben die Arbeit v. Swieci\u00e7ki\u2019s.) Demnach hat die von mir urspr\u00fcnglich ausgesprochene Hypothese, dass in den Fundusdr\u00fcsen Haupt- und Beleg-\n1\tCl. Bernard, Le\u00e7ons sur les propri\u00e9t\u00e9s physiologiques et les alt\u00e9rations pathologiques des liquides de l\u2019organisme. II. p. 375. 1859.\n2\tL\u00e9pine, Gaz. m\u00e9d. de Paris 1S73. p. 6S9.\n3\tMaly, Jahresber. \u00fcber die Fortschritte d. Thierchemie f\u00fcr 1873. S. 174.","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nzellen sich in die Pepsin- und die S\u00e4urebereitung theilen, alle bisher vorliegenden Thatsachen f\u00fcr sieh.\nIch habe mich vielfach bem\u00fcht, an den Belegzellen selbst durch microchemische Agentien saure Reaction nachzuweisen, aber durchaus vergeblich. Allein dieses negative Resultat ist kein Gegenbeweis gegen die S\u00e4ure bildende Function der Belegzellen. Es scheint bei vielen Absonderungszellen vorzukommen, dass sie jede Spur fertiger Secretbestand-theile ausstossen. So findet man in normalen Leberzellen keinen Gallenfarbstoff. Die Zellen der Speicheldr\u00fcsen reagiren nach Lieberk\u00fchn sauer1, obschon sie alkalisches Secret liefern. Die Abwesenheit eines Secretbe-standtheiles in einer Dr\u00fcsenzelle beweist also nicht, dass er in derselben nicht entstanden. Er kann aus seiner Geburtsst\u00e4tte sofort entfernt sein. Uebrigens m\u00f6chte ich doch bemerken, dass die F\u00e4rbbarkeit der Belegzellen durch Anilinblau vielleicht durch saure Reaction bedingt ist.\n2. Chemische Vorg\u00e4nge hei der Bildung der freien S\u00e4ure.\nDie vielfachen Discussioneu \u00fcber die Natur der Magensafts\u00e4ure, \u00fcber welche der von der Chemie der Secrete handelnde Abschnitt dieses Lehrbuches nachzusehen ist, haben bekanntlich zu dein Endergebnisse gef\u00fchrt, dass es sich unter normalen Bedingungen in der Regel um Salzs\u00e4ure handle, neben welcher oder statt deren in be-sondern vereinzelten F\u00e4llen Milchs\u00e4ure vorhanden sein kann. Die Salzs\u00e4ure galt bisher als freie; neuerdings behauptet indess Chaules Richet2, sie sei an eine sehr schwache organische Basis gebunden.\nUnsere Kenntniss der chemischen Processe, welche, innerhalb der Magendr\u00fcsen verlaufend, zur Absonderung der Chlorwasserstoffs\u00e4ure f\u00fchren, ist der Art mangelhaft, dass wir uns hier auf zum gr\u00f6ssten Theile hypothetischem Boden befinden. Doch werden f\u00fcr eine dereinstige Theorie der S\u00e4uresecretion folgende Thatsachen von grundlegender Bedeutung sein:\n1. F\u00fcr die Abscheidung der Salzs\u00e4ure in den Magendr\u00fcsen liefern die Chloride des Blutes das Material. Bei g\u00e4nzlicher Chlorentziehung in der Nahrung wird zwar noch l\u00e4ngere Zeit S\u00e4ure im Magen abgesondert, schliesslich aber h\u00f6rt die S\u00e4urebildung auf.3 Das aus den Chloriden frei gewordene Alkali wird durch den Harn abgeschieden. Denn Malt4 beobachtete, dass nicht selten 2\u20143 Stunden nach dem Mittagsessen der vorher saure Harn alkalisch wird oder doch seine\n1\tLieberk\u00fchn, Berichte der Gesellschaft zur Bef\u00f6rderung der gesammten Naturwissenschaften in Marburg 1S74. 4. Juni.\n2\tCh. Richet, Journ. de 1\u2019anat. et d. 1. phys. 1S7S. p. 27Su. fg.\n3\tC. Voit, Sitzgsber. d. bayr. Acad. 1869. S. 24.\n4\tMaly. Ann. d. Chemie. CLXXIII. S. 228. 1874.","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Bildung der S\u00e4ure des Magensaftes.\n151\nAcidit\u00e4t sehr sinkt, und dass bei Hunden sofortige Entfernung des abgesonderten Magensaftes oder Neutralismen desselben durch Kalk, Magnesia u. s. f. ebenfalls alkalische oder doch minder stark saure Reaction des Harnes im Gefolge habe.\nAus dem Blute gehen die Chloride zun\u00e4chst in nachweislicher Menge in die Magenschleimhaut \u00fcber. Denn Gr\u00fctzner 1 fand, dass diese Membran in denjenigen Zust\u00e4nden, in welchen sie pepsinreich ist, auch einen gr\u00f6sseren Gehalt an Chloriden besitzt, als wenn durch lebhafte Absonderung der Pepsingehalt verringert ist.\nNach diesen Erfahrungen muss man wohl annehmen, dass die secernirenden Apparate der Magenschleimhaut dem Blute Chloride entziehen, sie bis zu einer gewissen Grenze im Vorrathe ansammeln, bei der Absonderung zerlegen, um Salzs\u00e4ure auszuscheiden, welche unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden nach Erf\u00fcllung ihres Verdauungszweckes in der einen oder der andern Form wieder zur Resorption gelangt.\n2. Die Zersetzung der Chloride geschieht sehr wahrscheinlich nicht unmittelbar, sondern mittelbar in der Weise, dass zuerst eine organische S\u00e4ure gebildet wird, welche die Salzs\u00e4ure von ihrem Alkali scheidet. Hierf\u00fcr sprechen mit Wahrscheinlichkeit folgende Beobachtungen: a) Br\u00fccke1 2 hat gezeigt, dass die Substanz der Magendr\u00fcsen bei der Digestion in der W\u00e4rme eine organische S\u00e4ure, und zwar vermuthlich Milchs\u00e4ure, zu entwickeln vermag, b) Nach Richet enth\u00e4lt der Magensaft selbst Substanzen, welche beim Stehen Fleischmilchs\u00e4ure entwickeln3 4, eine Beobachtung, die ich freilich f\u00fcr das reine Fundussecret des Hundes nicht best\u00e4tigen konnte, c) Milchs\u00e4ure vermag Chloride zu zersetzen. Dass unter dem Einfl\u00fcsse organischer Substanzen in dem Meerwasser Chlormagnesium unter Abscheidung freier Salzs\u00e4ure zerlegt wird, hat nach einer Angabe bei K\u00fchne 4 bereits Mulder gezeigt. Den directen Beweis der Zerlegung von Chloriden durch Milchs\u00e4ure lieferte Malt in der oben citirten Abhandlung: wenn er an den Boden eines Glasgef\u00e4sses eine Mischung von Chlornatriuml\u00f6sung und verd\u00fcnnter Milchs\u00e4ure brachte und dar\u00fcber reines Wasser schichtete, fand sich in den oberen Schichten des letzteren nach einiger Zeit freie Salzs\u00e4ure.\nAn Stelle dieser dem Stande unsrer bisherigen Kenntnisse angepassten Auffassung der Entstehung freier Salzs\u00e4ure in dem Magensafte\n1\tGr\u00fctzner, Neue Untersuchungen \u00fcber die Bildung und Ausscheidung des Pepsin S 52. Breslau 1ST5.\n2\tBr\u00fccke, Sitzgsber. d. \"Wiener Acad. XXXYII. S. 131. 1S59.\n3\tCh. Pichet, Journ. del\u2019anat. et d. 1. physiol. 187S.\n4\tK\u00fchne. Lehrbuch d. physiol. Chemie. S. 41. Leipzig 1S6S.","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152 Heidenhain. Physiologie der Ahsonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Hagen.\nhat Maly 1 neuerdings eine andre Vorstellung zu setzen gesucht, nach welcher es sich bei dem Auftreten der Salzs\u00e4ure in dem Secrete nicht sowohl um Entstehung derselben durch den Act der Absonderung, als um Ausscheidung bereits pr\u00e4formirter Salzs\u00e4ure aus dem Blute durch Diffusion handeln soll. Maly weist in sehr interessanter Weise nach, dass in dem Blute Bedingungen gegeben sind, um kleine Mengen Salzs\u00e4ure aus den Chloriden desselben frei zu machen. Denn neben CIN a ist im Blute\nPOA\\(r2 3 und, da dasselbe freie Kohlens\u00e4ure enth\u00e4lt, auch PO4 \"}tl vor-ll\tHi\nhanden. Die Beobachtungen Maly\u2019s liefern den Beweis, dass beide Phosphate, selbst das in seinen L\u00f6sungen alkalisch reagirende Dinatrium-phosphat, aus dem Chlornatrium kleine Mengen Salzs\u00e4ure abscheiden. Die letztere S\u00e4ure besitzt nun aber ein hohes Diffusionsverm\u00f6gen und so scheint Maly die Annahme nicht zu gewagt, dass die Magendr\u00fcsen einen Diffusionsapparat darstellen, aus welchem die freie Salzs\u00e4ure des Blutes abdiffundirt. So verlockend diese Darstellung, weil sie an Stelle hypothetischer Vorg\u00e4nge klare physikalische Begriffe zu setzen trachtet, so st\u00f6sst ihre Durchf\u00fchrung auf zahlreiche Schwierigkeiten, die ebenfalls nur durch Hypothesen zu l\u00f6sen sind* es ist u. A. kein Grund abzusehen, weshalb nicht alle Secrete sauer reagiren sollten, wenn es sich nur um das Abdiffundiren im Blute pr\u00e4formirter Salzs\u00e4ure durch die Dr\u00fcsenmembranen handelte. Deshalb habe ich es vorl\u00e4ufig nicht f\u00fcr zweckm\u00e4ssig gehalten, sie in den Vordergrund zu stellen. Die neuesten Mittheilungen von v. d. Velden2 sprechen \u00fcbrigens fast mit Sicherheit daf\u00fcr, dass die Salzs\u00e4ure nicht die prim\u00e4re freie S\u00e4ure des Magensaftes ist. Denn er fand in der ersten Verdauungszeit beim Menschen, trotz stark saurer Reaction des Mageninhaltes, in demselben keine freie Salzs\u00e4ure, welche auch Edinger 3 in dem sauren Magensecrete mit Fibrin gef\u00fctterter Fr\u00f6sche vermisste.\nY. Das Labferment.\nIn der voraufgehenden Darstellung der Magenabsonderung sind als Producte der Dr\u00fcsenth\u00e4tigkeit bisher nur das Pepsin und die freie S\u00e4ure besprochen worden. Die Magenschleimhaut bildet aber bekanntlich noch zwei andre Fermente: ein Milchs\u00e4ureferment und das Casein coagulirende Labferment.\nBeider geschieht hier wesentlich im Interesse der Vollst\u00e4ndigkeit Erw\u00e4hnung, denn \u00fcber ihren Bildungs- und Ausscheidungsmodus ist bisher sehr wenig bekannt, Der Gehalt der Schleimhaut an Labferment geht nach Gr\u00fctzner 4 in den versehiednen Verdauungssta-\n1\tMaly, Hoppe-Seyler\u2019s Ztsckr. f. physiol. Chemie I. S. 174. 1877\u20141S7S.\n2\tv. d. Velden, Ebendalll. S. 205. 1879. \u2014 Arch. f.klin. Med. XXV. S. 100. IS79.\n3\tEdinger, Arch. f. microsc. Anat. XVII. S. 198. 1879.\n4\tGr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. XVI. S. 117. 1878.","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Das Labferment. Schiff\u2019s Ladungstheorie.\n153\ndien durchaus parallel ihrem Gehalte an Pepsin. Wenn schon hieraus mit Wahrscheinlichkeit folgt, dass beide dieselbe Bildungsst\u00e4tte, n\u00e4mlich die Zellen der Pylorus- und die Hauptzellen der Fundus-drtisen haben werden, so wird dieser Schluss durch die Beobachtung von Gr\u00fctzner bekr\u00e4ftigt, dass beim Frosche in der Schleimhaut des Magens selbst, die ja kein Pepsin bildet, auch kein Labferment entsteht, beide Fermente vielmehr ihre Ursprungsst\u00e4tte in den Oeso-phagusdr\u00fcsen haben.\nDass nicht bloss der Fundus, sondern auch der Pylorus, in seinen Dr\u00fcsen Labferment erzeugt, wusste bereits der Entdecker desselben, Hammarsten1; er, wie Gr\u00fctzner, fanden hier den Fermentgehalt geringer als dort. Das reine Pylorussecret ist nach meinen Erfahrungen an Labferment stets reich.2 3\nInteressant ist endlich die Beobachtung von Hammarsten, dass das Lab aus einer in der Magenschleimhaut enthaltenen, in Wasser l\u00f6slichen und f\u00fcr sich unwirksamen Verbindung durch Salzs\u00e4ure abgespalten werden kann. Diese Substanz ist ohne Zweifel das Analogon der \u201epepsinogenen Substanz\u201c von Ebstein und Gr\u00fctzner.\nVI. Sell iff \u2019s Ladungstheorie.\nEs ist liier schliesslich der Ort, einer Lehre zu gedenken, die, vor l\u00e4ngerer Zeit von M. Schiff aufgestellt, selten vertheidigt, oft bestritten und jedenfalls noch nicht ausreichend ins Klare gestellt worden ist: ich meine die \u201eLadungshypothese\u201c dieses Autors2.\nDie Bildung des Pepsin ist nach dieser Theorie abh\u00e4ngig von der Zufuhr gewisser Substanzen zu den Magendr\u00fcsen, welche Schiff \u201e Pepto-gene\u201c nennt. Die Zuf\u00fchrung geschieht in der Regel durch Absorption in dem Magen selbst; sie kann aber auch bewerkstelligt werden, wenn die betreffenden Substanzen in das Blut, das subcutane Bindegewebe, die ser\u00f6sen S\u00e4cke, z. Th. in den Mastdarm, nicht aber, wenn sie in den D\u00fcnndarm injieirt werden. Peptogene sind enthalten im Fleisch, Brot, Knochen, im Eiter; starke Ladung der Dr\u00fcsen f\u00fchren Peptone, Fleischbr\u00fche, Dextrin u. s. f. herbei ; unwirksam sind Zucker, Kaffee-Satz, Kartoffeln u. A.\nDie thats\u00e4cliliche Grundlage der Theorie bilden im Wesentlichen\n1\tHamm ARSTEN. Maly\u2019scher Jahresber. II. S. 113. 1872.\n2\tR. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 171. D7s.\n3\tEine zusammenfassende Darstellung derselben hat Schiff im zweiten Bande seiner Le\u00e7ons sur la physiologie de la digestion, p. 138\u2014266. 1367 gegeben. Nachuntersuchungen sind in folgenden Arbeiten enthalten : J. P. Domenie, Akademisch Proefschrift over de Pepsine-Vorming. Groningen 1S63. \u2014 A. von Heltzl, Canstatt's Jahresber. 1364. S. 138. \u2014 A. Fick, W\u00fcrzburger Yerh. N. F. II. S. 113. 1871. \u2014 H. von Huge, Maly\u2019s Jahresber. II. S. 133. 1812. \u2014 P. Gr\u00fctzner, Neue Untersuchungen \u00fcber Bildung und Ausscheidung des Pepsin. S. 27 Breslau 1375.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154 Heidexhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abscbn. Der Magen.\nzwei Beobaclitungsreihen von Schiff: die erste st\u00fctzt sich auf Untersuchung des Pepsingehaltes der Magenschleimhaut, die zweite auf Untersuchung des Magensaftes w\u00e4hrend verschiedner Verdauungszust\u00e4nde.\nWenn nach einer copi\u00f6sen Mahlzeit um die Zeit, wo die Verdauung vollst\u00e4ndig vollendet ist, also um die 13.\u201414. Stunde, die Magenschleimhaut eines Hundes mit verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure extrahirt wird, so soll man nach Schiff ein sehr schwach wirksames oder ganz unwirksames Extract erhalten, nach vorg\u00e4ngiger \u201eLadung\u201c durch Zufuhr der oben bezeich-neten Substanzen dagegen ein sehr wirksames. Bei seinen hierher geh\u00f6rigen Versuchen hat Schiff eine unzweckm\u00e4ssige Methode der Pepsingewinnung benutzt. Denn es ist schon oben bei Besprechung der Untersuchungsmethoden erw\u00e4hnt worden, dass zwar der ganze Pepsingehalt aus der Magenschleimhaut niemals entfernbar ist, dass man aber einen m\u00f6glichst grossen Theil des Fermentes in L\u00f6sung erh\u00e4lt, wenn auf ver-h\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleine Schleimhautmengen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig grosse Fl\u00fcssigkeitsmengen l\u00e4ngere Zeit einwirken. Unbekannt mit diesen Verh\u00e4ltnissen verwandte Schiff zur Extraction eines ganzen zerkleinerten Hundemagens nur 100\u2014200 Grm. anges\u00e4uerten Wassers und liess damit die Schleimhaut nur eine Stunde in der W\u00e4rme, darauf 1\u20142 Stunden bei Zimmertemperatur in Ber\u00fchrung. Kein Wunder, dass er eine unzureichende Vorstellung von dem Pepsingehalte erhielt, Von dieser Fehlerquelle hat \u00fcbrigens Schiff sich neuerdings selbst \u00fcberzeugt. Er hat selbst gesehen1, dass bei hinreichend langer Einwirkung gr\u00f6sserer Fl\u00fcssigkeitsmengen die Wirksamkeit des Infuses mehr und mehr steigt, ja dass bei l\u00e4ngerer Infusion zweier zu vergleichender M\u00e4gen, von denen der eine durch \u201e Peptogene \u201c geladen ist, der andre nicht, zwar in der ersteren Zeit der geladene, sp\u00e4ter aber der nicht geladene mehr Pepsin an die Fl\u00fcssigkeit abgiebt, so dass schliesslich der \u201enicht geladene\u201c Magen das wirksamere Verdauungsinfus liefern kann. Nach diesen Beobachtungen schliesst sich Schiff der bereits oben entwickelten Vorstellung von Ebstein und Gr\u00fctzner an, dass das Pepsin in den Dr\u00fcsen in zwei verschiednen Zust\u00e4nden enthalten sei, als leicht l\u00f6sliches freies Pepsin und in einer Verbindung, aus welcher es erst bei der Extraction abgespalten werden muss. (Pepsinogene Substanz Ebstein und Gr\u00fctzner, Propepsin Schiff.)\nBei seiner fr\u00fcheren Methode der Extraction mit kleinen Fl\u00fcssigkeitsmengen w\u00e4hrend kurzer Zeit hat Schiff nun wesentlich das freie Pepsin gewonnen. Der Gehalt der Schleimhaut an letzterem geht aber, wie Gr\u00fctzner gezeigt hat, keineswegs parallel dem Gesammtgelialte an (freiem und gebundenem) Pepsin. Wenn Schiff unter gewissen Bedingungen aus der einen Schleimhaut leichter Pepsin gewann als aus einer andern, so l\u00e4sst sich daraus nur auf gr\u00f6sseren Gehalt an freiem, aber nicht auf gr\u00f6sseren Gehalt an gesammtem Pepsin schliessen. Sah doch Gr\u00fctzner z. B. die Fundusschleimhaut eines Hundes, welche sechs Stunden nach Schwammf\u00fctterung an (gesammtem) Pepsin sehr verarmt war, trotzdem an verd\u00fcnnte Salzs\u00e4ure schneller Pepsin abgeben, als die an (gesammtem) Ferment sehr viel reichere Schleimhaut eines Hungerhundes. Wie Gr\u00fctzner ferner gezeigt hat, wird in den ersten Verdauungsstunden trotz der Ab-\n1 Schiff, Arch. d. sc. phys. etnat. 1877.","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Schiff\u2019s Ladungstheorie.\n155\nn\u00e4hme der gesammten Pepsinmenge ein gr\u00f6sserer Theil derselben l\u00f6slich. Ja es scheint auch die Injection gewisser Substanzen (z. B. Kochsalz, Dextrin) in das Blut die L\u00f6slichkeit des Pepsin innerhalb der Dr\u00fcsenzellen zu beg\u00fcnstigen. Und so werden die Beobachtungen an der Magenschleimhaut, welche Schiff zu der Annahme einer Ladung oder S\u00e4ttigung derselben mit Pepsin f\u00fchrten, nicht sowohl auf eine Vermehrung ihres Gesammtgehaltes, welcher nach Einf\u00fchrung von gleichviel welchen Speisen w\u00e4hrend der Absonderung stetig sinkt, als auf Ueberftihrung eines gewissen Antheils des Pepsins aus der schwerer l\u00f6slichen in die leichter l\u00f6sliche Form oder mit andern Worten auf theilweise Spaltung der pep-sinogenen Substanz und dadurch bedingtes Freiwerden von Pepsin zu beziehen sein.\nEine zweite Reihe von Gr\u00fcnden f\u00fcr seine Ladungstheorie entnimmt Schiff Beobachtungen an dem Magensafte selbst. Derselbe sei am Ende der Verdauung einer reichlichen Mahlzeit trotz saurer Reaction unwirksam , erlange aber seine F\u00e4higkeit der Eiweissverdauung durch Zufuhr von peptogenen Substanzen wieder. Nun hat aber keiner der zahlreichen Beobachter, welche sich mit dieser Frage besch\u00e4ftigt, unter den von Schiff angegebenen Bedingungen jemals einen wirklich unwirksamen Magensaft gefunden. Auch hier hat Schiff's Resultat seinen Grund wohl zum Theil in der Versuchsmethode. Denn er f\u00fchrte nach eben vollendeter Verdauung Eiweissw\u00fcrfel, in T\u00fclls\u00e4ckchen eingeschlossen, durch eine Fistel in den Magen und sah sie unver\u00e4ndert bleiben. Es h\u00e4ngt aber offenbar die L\u00f6sung der Magencontenta nicht blos von dem Pepsingehalte des Magensaftes ab, sondern auch von der Menge, in welcher dieser secernirt wird. Am Ende der Verdauung ist die Absonderung auf mechanische Reizung immer sehr wenig ergiebig, was die ScHiFF\u2019sclien Resultate erkl\u00e4ren mag.\nEine scheinbare Unterst\u00fctzung erf\u00e4hrt die ScHiFF\u2019sche Theorie durch die in dem folgenden Paragraphen discutirte Thatsache, dass der Pepsingehalt des Magensaftes um die 5.-6. Stunde zu einem Maximum ansteigt, welches den beim Beginn der Verdauung beobachteten Werth in der Regel \u00fcbertrifft. Allein es wird an jener Stelle nachgewiesen werden, dass jenes Anwachsen des Fermentgehaltes nicht von einer Bereicherung der Schleimhaut an Pepsin durch die Ingesta, sondern davon herr\u00fchrt, dass im Laufe der Verdauung allm\u00e4hlich mehr Pepsin aus dem gebundenen in den freien Zustand \u00fcbergeht.\nAls ich einem Hunde mit isolirtem Fundusblindsacke grosse Mengen elastischen Gewebes mit Wasser gab, trat eine 4 Stunden w\u00e4hrende Absonderung ein, bei welcher der Pepsingehalt des Secretes den gew\u00f6hnlichen Gang anf\u00e4nglichen Sinkens und sp\u00e4tem Wiederansteigens befolgte, trotzdem dass hier gewiss nur \u00e4usserst geringe Substanzmengen verdaut und resorbirt worden waren, welche zur Ladung im ScHiFF\u2019schen Sinne h\u00e4tten dienen k\u00f6nnen. Unmittelbar darauf erhielt das Thier, um die stockende Absonderung wieder in Gang zu bringen, verdauliche Nahrung: die Curve des Pepsingehaltes nahm in dieser zweiten Absonderuugsperiode ganz denselben Verlauf wie vorher, aber die absoluten Werthe des Pepsingehaltes waren ausserordentlich viel tiefer, trotzdem dass das Futter \u201ePeptogen\u201c in reichlichster Menge enthielt.\nSomit beruht Schiff's Theorie theils auf nicht zutreffenden Beobach-","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Hagen.\nHingen, theils auf nicht zutreffenden Deutungen an sich richtiger Beobachtungen. Will man aus derselben den ganz allgemeinen Satz ableiten, dass die Art der Ingesta auf den Absonderungsvorgang von bestimmendem Einfluss sei, so l\u00e4sst sich diese Behauptung mit R\u00fccksicht auf die bei Besprechung der Absonderungsbedingungen mitgetheilten Thatsachen rechtfertigen.\nVIERTES CAPITEL.\nVerhalten des Magensaftes w\u00e4hrend des Ablaufes einer Verdauungsperiode.\nI. Aenderung des Pepsingelialtes.\nF\u00fcr die Analyse des Absonderungsvorganges liefert die Verfolgung des Secretes in den verschiedenen Perioden der Dr\u00fcsenth\u00e4tig-keit werthvolle Anhaltspunkte. Eine derartige Untersuchung ist von Gr\u00fctzner 1 bez\u00fcglich des gemischten Magensaftes, von mir1 2 bez\u00fcglich des reinen Fundussecretes angestellt worden.\nDer Pepsingehalt des gemischten Magensaftes sinkt, wenn die F\u00fctterung geschieht, nachdem der Magen sich bereits einige Zeit vollst\u00e4ndig entleert hat, in den ersten Verdauungsstunden bis gegen die vierte bis sechste Stunde, um gegen die sechste bis siebente Stunde wieder zu steigen, f\u00fcr gew\u00f6hnlich nicht so weit, dass der Anfangswerth erreicht w\u00fcrde, jedoch mitunter, namentlich nach langem Plungern, auch \u00fcber diesen hinaus. Werden dagegen in den noch nicht v\u00f6llig oder doch erst seit kurzer Zeit entleerten Magen neue Speisen eingef\u00fchrt, so findet ein Wiederansteigen des Pepsingehaltes in den sp\u00e4tem Verdauungsstunden nicht statt. Die Ursache der Steigerung in dem ersten Falle suchte Gr\u00fctzner in der um die sechste bis siebente Stunde beginnenden Absonderungsth\u00e4tigkeit der Pylorusdr\u00fcsen. Doch k\u00f6nnen die letzteren jedenfalls nicht allein dazu beitragen, denn das Secret eines isolirten Fundusblindsackes zeigt nach meinen Erfahrungen ein ganz \u00e4hnliches Verhalten.\nSein Pepsingehalt sinkt mit beginnender Absonderung schnell, erreicht w\u00e4hrend der zweiten Stunde den geringsten Werth, steigt dann gegen die vierte bis f\u00fcnfte Stunde, und zwar stets \u00fcber die\n1\tP. Gr\u00fctzner, Heue Untersuchungen \u00fcber Bildung und Ausscheidung des Pepsin. Breslau 1875.\n2\tR. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. XIX. S. 159. 1878.","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Verhalten des Magensaftes w\u00e4hrend des Ablaufes der Verdauung.\n157\nurspr\u00fcngliche Gr\u00f6sse hinaus, und h\u00e4lt sich w\u00e4hrend der sp\u00e4tem Verdauungsstunden auf einer nur wenig geringeren H\u00f6he. Diesen Gang habe ich sowohl beobachtet, wenn das Thier vor der Mahlzeit so lange gehungert hatte, dass der Magen leer war und die Absonderung ganz stockte, als wenn die Mahlzeit auf eine vorangegangene so bald folgte, dass der Blindsack noch in Absonderung begriffen war. Die Curve des Pepsingehaltes hat also f\u00fcr das Fundussecret ungef\u00e4hr folgenden Verlauf:\no\to\n39\nFig. 39. Pepsingehalt des Fundussecretes in den verschiedenen Verdauungsstunden.\nBei der Ueberlegung, durch welche Momente dieser gesetzliche Gang des Pepsingehaltes bedingt sei, ist der zuerst sich aufdr\u00e4ngende Gedanke, dass er von der Absonderungsgeschwindigkeit abh\u00e4nge, von der Hand zu weisen. Denn nach meinen Beobachtungen besteht zwischen beiden Gr\u00f6ssen durchaus kein constanter Zusammenhang.\nEbenso wenig haltbar ist die Vermuthung, dass der Pepsingehalt des Secretes parallel gehe dem Wechsel des Pepsingehaltes der Schleimhaut. Denn um die Zeit, wo der Fermentgehalt des Fundussecretes seinen gr\u00f6ssten Werth erreicht (vierte bis f\u00fcnfte A erdauungs-stunde), ist nach den sorgf\u00e4ltigen Untersuchungen von Gr\u00fctzner der Gehalt der Fundusschleimhaut an Pepsin (freiem und gebundenem) bereits merklich gesunken gegen\u00fcber dem Gehalte w\u00e4hrend des Hungerzustandes. In den n\u00e4chsten Stunden (sechste bis neunte) wird der Gehalt des Secretes zwar wieder etwas geringer, aber er bleibt doch h\u00f6her, als in den ersten Stunden, obschon der Pepsingehalt der Schleimhaut um jene Zeit seinem Minimum sich n\u00e4hert. Es kann also unter gewissen Umst\u00e4nden trotz geringeren Pepsingehaltes der Schleimhaut ein fermentreicheres Absonderungsproduct entstehen, als","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158 Heidenhain, Physiologie der AbsonderungsVorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nunter andern Umst\u00e4nden bei gr\u00f6sserem Pepsingehalte. Diese That-sache findet eine Analogie in der Beobachtung von Gr\u00fctzner, dass unter gewissen Bedingungen eine relativ pepsinarme Schleimhaut, wie man sie z. B. bei Hunden herstellen kann, wenn man sie mit Schw\u00e4mmen f\u00fcttert, an verd\u00fcnnte Salzs\u00e4ure schneller und gr\u00f6ssere Mengen von Pepsin abgiebt, als eine relativ pepsinreiche Schleimhaut, \u2014 was durch die bereits fr\u00fcher begr\u00fcndete Annahme sich erkl\u00e4rt, dass das Pepsin in den Dr\u00fcsen theils gebunden und schwer extrahirbar (pepsinogene Substanz, Propepsin), theils frei und deshalb leicht extrahirbar ist.\nSomit ergiebt sich der Schluss, dass das Ansteigen des Pepsingehaltes um die vierte bis f\u00fcnfte Verdauungsstunde seinen Grund darin hat, dass trotz des geringeren Gesammtgehaltes an (freiem plus gebundenem) Ferment ein gr\u00f6sserer Theil des Pepsin unter Bedingungen leichterer L\u00f6slichkeit ger\u00e4tk, oder mit andern Worten darin, dass die Menge des freien Pepsins sich auf Kosten der pepsinogenen Substanz vermehrt hat. Ueber diesen allgemeinen Ausdruck, der eigentlich nur eine Umschreibung der Thatsachen darstellt, m\u00f6chte ich nicht hinausgehen, obschon Hypothesen \u00fcber die Ursachen jener Zustandsver\u00e4nderung des Pepsin in den Dr\u00fcsenzellen nicht fern liegen.\nUm hier und da aufgetauchten irrigen Vorstellungen zu begegnen, m\u00f6chte ich ausdr\u00fccklich betonen, dass der Gehalt des Secretes an einer bestimmten Substanz durchaus nicht dem Gehalte des Secretionsorganes an derselben Substanz parallel zu gehen braucht. Dieselbe Parotis und dieselbe Submaxillaris k\u00f6nnen Secrete von ausserordentlich verschiedenem Gehalte an Aluminaten resp. Mucin liefern, je nach den Bedingungen, unter welchen sie absondern; das Pancreas kann trotz hohen Gehaltes an fermentbildender Substanz ein fermentarmes oder ein fermentreiches Secret absondern, je nach den Einwirkungen, die dasselbe erf\u00e4hrt.\nII. Der S\u00e4uregehalt.\nUeber die Aenderungen des S\u00e4uregehaltes w\u00e4hrend des Ablaufes der Verdauung liegen Angaben von Kretschy1 und von Uffel-mann2 vor, nach welchen derselbe stetig wachse. Ich habe dasselbe an einem Hunde mit gew\u00f6hnlicher Magenfistel beobachtet. Aber dies\nVerhalten gilt nur f\u00fcr den gemischten Magensaft. Das reine Fundus-secret zeigt keine \u00e4hnliche Gesetzlichkeit. Sein S\u00e4uregehalt schwankt \u00fcberhaupt sehr wenig und steht namentlich durchaus nicht in con-\n1\tP. Kretschy, Deutsch. Arch. f. klin. Med. XVIII. S. 527. 1S76.\n2\tUeeelhann, Ebenda. XX. S. 533. 1S77.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"Scklussbemerkungen.\n159\nstanter Beziehung zu dem Pepsingehalte. Wenn der gemischte Magensaft beim Beginne der Verdauung weniger sauer ist, als in sp\u00e4tem Stadien derselben, so h\u00e4ngt dies offenbar nur damit zusammen, dass anfangs ein Theil der freien S\u00e4ure theils durch verschluckten Speichel, theils durch den im n\u00fcchternen Zustande alkalischen Schleim\u00fcberzug der Innenfl\u00e4che des Magens, sowie durch das alkalische Pylorussecret neutralism! wird. Diese alkalischen Beimengungen nehmen mit der Zeit an Menge ab und gewinnen nat\u00fcrlich um so weniger Einfluss auf den S\u00e4uregrad, je reichlicher der Fundussaft ergossen wird.\nDer S\u00e4uregehalt des Fundussecretes ist h\u00f6her, als man nach den fr\u00fcher allein vorliegenden Angaben \u00fcber den gemischten Magensaft erwarten durfte; die Ver\u00e4nderungen w\u00e4hrend der Verdauungszeit sind aber sehr unwesentlich. So fand ich z. B. in einer Versuchsreihe w\u00e4hrend der ersten S Stunden die Acidit\u00e4t zu 0,520\u20140,549 \u2014 5,554 \u2014 0,5 14\u20140,525\u20140,517 \u2014 0,479\u20140,479 Grm. CIH in 100 Ccm. Secret. Von einer stetigen Zunahme ist also keine Kede.\nScliliissbemerkuugen.\nDie vorstehende Darstellung der Absonderungsvorg\u00e4nge in dem Magen zeigt, dass wir uns bis jetzt in den ersten Anf\u00e4ngen der Er-kenntniss befinden. Denn nat\u00fcrlich konnte so lange von einer solchen keine Bede sein, als \u00fcber die functioneile Bedeutung der einzelnen Dr\u00fcsenelemente vollkommne Unklarheit herrschte.\nIch halte es allen ausgesprochenen Zweifeln gegen\u00fcber, wenn ich die Gesammtheit der mitgetheilten Thatsachen erw\u00e4ge, f\u00fcr sicher erwiesen, dass die Pepsinbildung in den Zellen der Pylorusdr\u00fcsen und den Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen geschieht.\nDer chemische Vorgang bei derselben ist nur in den allgemeinsten Z\u00fcgen bekannt. Die Albuminate des Protoplasma geben das Material her, welches zun\u00e4chst eine Vorstufe, die pepsinogene Substanz, bildet; aus dieser spaltet sich das Pepsin ab.\nDie Zeit, in welcher pepsinbildende Substanz und Pepsin in den Zellen sich anh\u00e4ufen, ist f\u00fcr die Fundusdr\u00fcsen haupts\u00e4chlich, wenn auch nicht ausschliesslich, die Buhepause zwischen den einzelnen Mahlzeiten.\nW\u00e4hrend der Verdauung geht Propepsin allm\u00e4hlich in Pepsin \u00fcber, in den ersten Verdauungsstunden langsamer, um die f\u00fcnfte Stunde schneller, so dass um diese Zeit der Gehalt des Fundussecretes an Pepsin ein Maximum erreicht. Die Bildung der pepsinogenen","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 2. Abschn. Der Magen.\nSubstanz h\u00e4lt aber mit ihrem Verbrauche f\u00fcr die Absonderung nicht Schritt, deshalb sinkt der Gehalt der Dr\u00fcsenzellen an Pepsin (gebundenem und freiem) w\u00e4hrend des Ablaufes der Verdauung stetig, w\u00e4hrend in dem Protoplasma der Zellen sich Albuminate anh\u00e4ufen, als Material f\u00fcr neue Fermentbereitung w\u00e4hrend der Ruhe,\nAlle diese Ver\u00e4nderungen finden in dem microscopischen Bilde der Hauptzellen ihren bestimmten Ausdruck.\nIn den Zellen der Pylorusdr\u00fcsen verlaufen analoge Vorg\u00e4nge, nur zeitlich verschoben gegen die entsprechenden in den Hauptzellen.\nDie S\u00e4urebildung h\u00e4ngt von den Belegzellen ab; die Vorg\u00e4nge bei derselben sind noch zweifelhaft, wenn schon es wahrscheinlich ist, dass prim\u00e4r eine organische S\u00e4ure1 (Milchs\u00e4ure) gebildet wird, welche zur Zerlegung von Chloriden dient.\nDer Hergang der Wasserabsonderung und die bei demselben wirksamen Triebkr\u00e4fte sind noch vollst\u00e4ndig unbekannt. Nur so viel ist sicher, dass das Wasser des Magensaftes aus den Fundusdr\u00fcsen stammt. Die Pylorusdr\u00fcsen liefern ein dickes, z\u00e4hes, schleimiges, pepsinreiches Secret, das ich nur nach starker Pilocarpinin-jection d\u00fcnner werden sah, die Fundusdr\u00fcsen ein Secret von durchschnittlich 0,45 % festen Bestandteilen, also 99,55 \u00b0/0 Wasser. Da die Wasserabsonderung also denjenigen Dr\u00fcsen zukommt, welche Belegzellen besitzen, scheint sie mit der Tlnitigkeit dieser letzteren in Zusammenhang zu stehen.\nOb und wie in die Absonderungsvorg\u00e4nge das Nervensystem eingreift, ist noch durchaus unklar. Nach Analogie mit vielen andern Dr\u00fcsen sollte man es vermuten ; sichere Beweise liegen nicht vor. Jedenfalls aber scheint die Art der Ingesta den Absonderungsvorgang zu bestimmen. Unverdauliche Substanzen rufen durch mechanische Reizung nur \u00f6rtliche Secretion von kurzer Dauer hervor. F\u00fcr die Unterhaltung dauernder allgemeiner Absonderung ist die Ein-f\u00fchrung verdaulicher Substanzen erforderlich. Welche Bestandteile der Nahrungsmittel hier die wirksamsten sind und auf welche Weise sie ihren Einfluss geltend machen, bleibt k\u00fcnftigen Versuchen zu entscheiden Vorbehalten.\n1 Fach den neuesten Mittheilungen v. d. Velden\u2019s (s. S. 152) wohl sicher.","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"DRITTER ABSCHNITT.\nDIE ABSONDERUNGSVORG\u00c4NGE IN DER DARMSC1ILEDIHAUT.\nDie Schleimhaut des Darmcanales besitzt bekanntlich zwei ver-schiedne Formen secernirender Dr\u00fcsen: die BRUNNEidschen Dr\u00fcsen, welche sich auf den obersten Tlieil des D\u00fcnndarmes beschr\u00e4nken, und die LiEBERK\u00fcHN\u2019schen Dr\u00fcsen, welche sich durch den gesummten Darmcanal in continuirlicher Lage erstrecken. Ausser diesen beiden Dr\u00fcsenformen betheiligt sich aber an der Absonderung ohne Zweifel auch das Epithel: die Anwesenheit von Becherzellen in demselben bezeugt seine secretorische Th\u00e4tigkeit. Da aber diese Gebilde auch in den LiEBERK\u00fciiN'sehen Dr\u00fcsen Vorkommen und in gewissen Gegenden des Darmes sogar einen Hauptbestandtheil derselben aus-maclien, bed\u00fcrfen sie keiner besondern Besprechung, k\u00f6nnen vielmehr bei Gelegenheit jener Dr\u00fcsen behandelt werden.\nERSTES CAP1TEL.\nDie Brunner''sollen Dr\u00fcsen.\nI. Bau der Brunner\"sclien Dr\u00fcsen.\nSeit der ersten ausf\u00fchrlichen Beschreibung durch Middeldorpf 1 2 ist unsre physiologische Kenntniss dieser Organe trotz der histologischen Arbeiten von Schlemmer 2 und von Schwalbe3 noch nicht sehr weit gef\u00f6rdert worden. Sie bestehen aus verzweigten, sich\n1\tAIiddeldorpf, Di><|uisitio de glandulis Brunnianis. Vratislaviae W-t\u00df.\n2\tSchlemmer, Sitzgsber. d. Wiener Acad. math.-naturwiss. Abth. LX. IS69.\n3\tSchwalbe. Arch. f. microsc. Anat. VIII. S. 92.\n1L\nHandbuch der Physiologie. Bd. V.","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162 Heidexhain, Physiol, d. Absonderimgsvorg\u00e4nge. 3. Abschn. Darmschleimhaut.\nschl\u00e4ngelnden, oft um ihre L\u00e4ngsaxe gewundenen und vielfach ge-knickten Schl\u00e4uchen, deren jeder seitliche Ausst\u00fclpungen bildet und in einige blind geschlossene Ends\u00e4ckchen ausl\u00e4uft. Da diese in der Regel einen grossem Durchmesser haben als die G\u00e4nge, schliessen sich die Dr\u00fcsen dem acin\u00f6sen Typus an, von welchem sie jedoch dadurch abweichen, dass die G\u00e4nge selbst wie ihre seitlichen und terminalen Ausbuchtungen von gleichem Epithel bekleidet werden.\nDie Dr\u00fcsenzellen zeigen grosse Aehnlickkeit mit denen der Pv-lorusdr\u00fcsen des Magens. Im Allgemeinen von cylindrischer oder kegelf\u00f6rmiger Gestalt, haben sie an der der Schlauchwandung aufsitzenden Seite oft einen kurzen, schnabelf\u00f6rmigen, seitlich abbieo,en-den Fortsatz, welcher den der benachbarten Zelle dackziegelartm deckt. In der Gegend seines Abganges von der Zelle liegt ein mehr oder weniger abgeplatteter Kern. Die Zellk\u00f6rper, frisch untersucht, zeigen in heller Grundsubstanz so zahlreiche dunkle K\u00f6rnchen, dass es unm\u00f6glich wird, die einzelnen Zellgrenzen zu unterscheiden. Bei Zusatz von Essigs\u00e4ure werden die K\u00f6rnchen blasser, die Grundsubstanz tr\u00fcbe. Minerals\u00e4uren jeder Concentration bedingen Tr\u00fcbung, Kalilauge Aufhellung, Wasser Quellung der Grundsubstanz und Erblassen der K\u00f6rnchen. In carminisirten Alkoholpr\u00e4paraten ist in den im Ganzen hellen Zellen nur eine schwach feink\u00f6rnige Einlagerung sichtbar.\nBeim Hunde verhalten sich die Dr\u00fcsenzellen nach Schwalbe etwas abweichend; sie sind im Ganzen l\u00e4nger und schmaler, weniger leicht quellbar und den Elementen der LiEBEEK\u00fcHN\u2019scken Dr\u00fcsen \u00e4hnlicher, nur dass sie in M\u00fcLLER\u2019scher Fl\u00fcssigkeit k\u00f6rnig bleiben, w\u00e4hrend die letzteren darin homogen werden. Ausserdem fand Schwalbe beim Hunde noch eine zweite Art von Zellen, keulenf\u00f6rmige Gebilde, welche an dem der mbr. propria zugekehrten Ende eine knopff\u00f6rmige, mit rundem Kern versehene Anschwellung zeigen, von der mitunter noch ein kurzer spitzer Fortsatz ausgeht.\nZwischen den Zellen treten stark lichtbrechende Streifen auf, welche Schwalbe f\u00fcr den Ausdruck eines Can\u00e4lckennetzes mit o-e-ronnenem Inhalte h\u00e4lt, die aber wohl sicher nur durch eine geringe Menge die Zellen verbindender Kittsubstanz hervorgebracht werden.\nNach den sorgf\u00e4ltigen, von Schwalbe erweiterten Angaben Middel-dorpf\u2019s sind die Brunner\u2019scken Dr\u00fcsen am st\u00e4rksten bei den Wiederk\u00e4uern und dem Schweine entwickelt, w\u00e4hrend sie beim Hunde und bei der Katze nur eine kleine, dicht hinter dem Pylorus gelegene Zone einnehmen, ebeno bei den Nagern (Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte und Maus).","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"BEUNNEK\u2019sche Dr\u00fcsen. Bau der LiEBERK\u00fcHN\u2019schen Dr\u00fcsen.\n163\nII. Absonderungsyorg\u00e4iige in den Brunner\u2019sclien Dr\u00fcsen.\nBez\u00fcglich der Absonderung der BnuxxEidschen Dr\u00fcsen ist nur wenig bekannt. Nach Hirt1 zeigen ihre Zellen w\u00e4hrend der Verdauung \u00e4hnliche Ver\u00e4nderungen wie die der Pylorusdr\u00fcsen: im Hungerzustande sind sie verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gross und hell, im \"\\ eidauungs-zustande klein und getr\u00fcbt. Gr\u00fctzner2 erweiterte diese Angaben dahin, dass die Dr\u00fcsen desselben Darmes in verschiednen Entfernungen vom Pylorus sich in verschiednen Functionszust\u00e4nden befinden. Bereits Krolow3 hatte bemerkt, dass ein w\u00e4ssriges Infus der BRUNNER\u2019schen Dr\u00fcsen ein Fibrin in saurer L\u00f6sung verdauendes Ferment enth\u00e4lt. Gr\u00fctzner fand nun, dass der Gehalt der Dr\u00fcsensub-stanz an Pepsin in \u00e4hnlicher A\\ eise mit dem microscopischen Bilde der Zellen sich \u00e4ndert, wie bei den Magendr\u00fcsen : die grossen hellen Zellen sind pepsinreich, die kleinen getr\u00fcbten pepsinarm.\nFirne ich noch hinzu, dass bereits Middeldorpf in der Dr\u00fcsen-Substanz diastatisches Ferment nachwies, so sind damit auch bereits unsre Kenntnisse von den Functionen der BRUNXER\u2019schen Dr\u00fcsen ersch\u00f6pft.\nZWEITES CAPITEL.\nDie Lieberk\u00fchn\u2019schen Dr\u00fcsen.\nI. Bau derselben.\nDiese Absonderungsorgane verdienen eine eingehendere Ber\u00fccksichtigung, als sie bisher gefunden. Eine von Hrn. stud. med. Klose4 in meinem Institute angestellte Untersuchung derselben hat wenigstens zu einigen neuen Gesichtspunkten gef\u00fchrt, welche f\u00fcr k\u00fcnftige Durchforschung der Darmdr\u00fcsen Winke abgeben; denn dass unsre Kenntniss der Darmabsonderungen sich noch in den ersten Anf\u00e4ngen befindet, werden die folgenden Zeilen darthun.\n1. Die Dr\u00fcsen im Ruhezust\u00e4nde.\nDie Dr\u00fcsenschl\u00e4uche, an welchen sich ein weiterer, von Ober-fl\u00e4chenepithel ausgekleideter Drtisenausgang von dem eigentlichen\n1\tHeidenhain, Arch. f. microsc. Anat. VIII. S. 279. 1872.\n2\tP. Gr\u00fctzner. Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 290. 1876.\n3\tKrolow, Berl. klin. Wochenschrift 1870. Xr. 1.\n1 Gregor Klose. Beitrag zur Kenntniss d. tubul\u00f6sen Darmdr\u00fcsen. Breslau 1880.\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"1\t64 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 3. Absehn. Darmschleimhaut.\nmitunter in 2\u20143 Aeste gespaltenen Dr\u00fcsenk\u00f6rper unterscheiden l\u00e4sst, besitzen durch den ganzen Darm eine, wie es scheint, v\u00f6llig struc-turlose Tunica propria, welche sich durch Maceration in neutralem chromsaurem Ammoniak isoliren l\u00e4sst. Auf ihrer Innenfl\u00e4che beobachtet man mitunter Zeichnungen, welche einen Abdruck der Enden der Epithelzellen darstellen, herriihrend von dem Zur\u00fcckbleiben einer geringen Menge von Kittsubstanz der Zellen auf der Innenfl\u00e4che der\n\u00eeSiv/\nVL'-V\u00ee\n:\t- t <\npropria. Die secernirenden Zellen zeigen in den Dr\u00fcsen des D\u00fcnndarmes und des Dickdarmes constante Verschiedenheiten, welche bisher, wie es scheint, \u00fcbersehen wurden.\nIn den Dr\u00fcsen des D\u00fcnndarmes stellt bei Thieren, die 36\u201448 Stunden gehungert haben, die \u00fcbergrosse Mehrzahl der Zellen schmale cylindrische Gebilde dar, deren etwas breiteres Aussenende h\u00e4ufig seitlich in eine scharfe, schnabelf\u00f6rmige, die Nachbarzelle ein wenig \u00fcberragende Spitze \u00fcbergeht.1 2 Die freie Basis der Zellen l\u00e4sst oft mit gr\u00f6sster Deutlichkeit einen St\u00e4bchenbesatz sehen, wie ihn die Epithelien der Zotten tragen.- Wie aber auf den letzteren der St\u00e4bchenbesatz keine constante, sondern eine mit den physiologischen Zust\u00e4nden wechselnde Bildung ist, so auch auf den Dr\u00fcsenzellen. An seine Stelle tritt an beiden Orten oft genug nur eine schmale helle Begrenzungslinie, ohne dass sich mit Sicherheit angeben Hesse, von welchen Umst\u00e4nden die eine, von welchen die andre Erscheinungsweise abh\u00e4ngt.\nDie Zellsubstanz zeigt an Pr\u00e4paraten aus Alcohol f\u00fcr sich oder nach vorg\u00e4ngiger Erh\u00e4rtung in doppeltchromsaurem Kali in der Regel eine sehr feine L\u00e4ngsstreifung, herr\u00fchrend von \u00e4usserst feinen, die Zelle in ihrer ganzen L\u00e4nge durchsetzenden fadenartigen Bildungen3, welche ein in die Grundsubstanz der Zelle eingelagertes Protoplasmanetz darstellen.\nDer Kern der Zelle ist in der Regel oval, liegt dem untern Ende\nFig.40. Lieberk\u00fchivsche Dr\u00fcse aus dem D\u00fcnnd\u00e4rme des Kaninchens.\n1\tSchwalbe, Arch. f. microsc. Anat. YIII. S. 136. 1S72.\n2\tI]. Verson, Strieker\u2019s Gewebelehre. S. 405. 1ST 1.\n3\tVgl. E. Klein. Quarterly journal of microscopical science. XIX. PI.VII. Fig. 2.\n1879.","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Bau der LiEEERK\u00dcmfschcn Dr\u00fcsen.\n165\nderselben nahe und ist mit seiner L\u00e4ngsaxe der Axe der Zelle parallel gerichtet.\nAusser diesen die grosse Mehrzahl bildenden Zellen kommen in den Dr\u00fcsenschl\u00e4uchen des D\u00fcnndarmes in sehr wechselnder Menge Zellen vor, welche schleimige Metamorphose eingegangen sind und die Gestalt der bekannten Becherzellen angenommen haben: bauchig aufgetriebene, an carminisirten Alcoholpr\u00e4paraten durch den Mangel der F\u00e4rbung vor den erst beschriebenen, stets dunkel tingirten Zellen hervorstechende Gebilde, deren unteres zugespitztes Ende den Kern enth\u00e4lt, w\u00e4hrend die freie Basis offen ist. Das Innere dieser\n/\nFig. 4L Hastdarmdr\u00fcseu: a des Kaninchens, b des Hundes auf dem L\u00e4ngsschnitt, c des Hundes auf dem Querschnitt. Zeichnungen des Herrn stud. med. Klose.\nGebilde verh\u00e4lt sich ganz \u00e4hnlich dem der fr\u00fcher bei den Schleimdr\u00fcsen beschriebenen Schleimzellen.\nZahl und Vertheiluug der Becherzellen zwischen den Dr\u00fcsenzellen wechselt in hohem Grade. Oft fehlen sie ganz; h\u00e4utig treten sie vereinzelt in der Gegend des obern Schlauchendes, mitunter, aber","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166 Heidexhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 3. Abschn. Darmschleimhaut.\nselten, auch in dem untern Schlauchende auf, \u2014 Verschiedenheiten, die auf feste Kegeln zu bringen nicht m\u00f6glich ist. \u2014 Ganz im Gegens\u00e4tze zu dem sparsamen Vorkommen der Schleimzellen im D\u00fcnnd\u00e4rme, bilden sie in den Dr\u00fcsen des Dickdarmes die \u00fcberwiegende Majorit\u00e4t, ja z. B. im Mastdarme des Kaninchens die allein vorhandene Zellform. Hier sind die Schlauche in ihrer grossen Mehrzahl vom Grunde bis zu ihrem obern Ende von Zellen in einfacher Lage ausgekleidet, die in allen Charakteren mit den im 2. Abschnitte beschriebenen Schleimzellen \u00fcbereinstimmen (s. Fig. 41 a). Beim Hunde treten die Becherzellen zwar auch in \u00fcberwiegender Zahl, aber doch nicht als einzige Elemente der Mastdarmdr\u00fcsen auf. Mit ihnen wechseln Zellen ab, wie sie oben als wesentliche Form in den D\u00fcnndarmdr\u00fcsen beschrieben wurden und zwar sehr h\u00e4utig in auffallend regelm\u00e4ssiger Lagerung, der Art, dass zwischen je zwei Becherzellen eine Cylinder zelle eingeschoben ist (Fig. 41b auf dem L\u00e4ngsschnitte, c auf dem Querschnitte). Die letzteren sind dabei durch die volumin\u00f6sen Becherzellen in ihrem mittleren Theile mehr oder weniger stark comprimirt, w\u00e4hrend ihr unteres, zwischen die spitzen Enden der Becherzellen gelagertes Endst\u00fcck sich verbreitert, \u00e4hnlich wie die freie, nicht selten St\u00e4bchen zeigende Basis. Dadurch erhalten diese Zellen eine eigenth\u00fcmliche Gestalt: von dem untern dreieckigen Ende geht zwischen den B\u00e4uchen der Becherzellen ein oft sehr feiner Fortsatz in die H\u00f6he, um nahe dem Dr\u00fcsenlumen nicht selten wieder an Durchmesser zuzunehmen.\n2. Die Dr\u00fcsen im th\u00e4tigen Zustande.\nLebhafte Absonderung der Darmschleimhaut l\u00e4sst sich durch Injection von Pilocarpin in das Blut liervorrufen. Macht man bei Kaninchen wiederholte derartige Einspritzungen, so zeigt sich als n\u00e4chste Folge derselben sehr starke Darmperistaltik. Es werden in grossen Quantit\u00e4ten F\u00e4ces entleert, zuerst in der bekannten normalen Form harter, rundlicher Ballen von dem Umfange grosser Erbsen, sp\u00e4ter von breiiger, selbst halbfl\u00fcssiger Constistenz. Die F\u00e4calmassen sind von glashellem, fadenziehendem Schleime reichlich \u00fcberzogen. \u2014\nDie Dickdarmdr\u00fcsen zeigen bei derartig behandelten -Thieren, wenn die Absonderung hinreichend lange gew\u00e4hrt hat, ein vollst\u00e4ndig ver\u00e4ndertes Aussehen. Die charakteristischen Schleim- (Becher-) Zellen sind verschwunden. Statt ihrer ist der Schlauch von schmalen, l\u00e4ngsstreifigen, stark f\u00e4rbbaren Zellen mit runden oder ovalen Kernen ausgekleidet, vollkommen \u00e4hnlich den Zellformen, welche die typische Auskleidung der D\u00fcnndarmdr\u00fcsen bilden (vgl. Fig. 42).","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"LiEBERK\u00dcHVsclie Dr\u00fcsen im th\u00e4tigen Zustande.\n167\n4 2.\n/X /,v*g\nX' \u25a0 & S\n. II\n%\t,-c !?-:\u2022\n^\ng- ', y, >ss-\n-<ss\\\ny ' - - Xi\n\u25a0\u25a0 \u2022\n\u25a0\n\nEs ist liier offenbar der gleiche Process eingetreten, wie in den einfachen Schleimdr\u00fcsen (s. oben Abschn. 2): die Schleimzellen haben ihr Mucin entleert, gleichzeitig hat Zunahme ihres Protoplasmas und die f\u00fcr alle Dr\u00fcsenzellen bei starker Th\u00e4tigkeit typische Ver\u00e4nderung ihres Kernes stattgefunden. \u2014 Bei ge-ringgradiger Absonderung sind die Ver\u00e4nderungen nicht so weit vorgeschritten, so dass man alle Ueberg\u00e4nge von dem Typus der gew\u00f6hnlichen Becherzellen zu dem Typus der oben beschriebenen, vollst\u00e4ndig ver\u00e4nderten Zellen vorfindet.\nIn den Dickdarmdr\u00fcsen de^ Hundes nimmt unter der Einwirkung des Pilocarpin die Zahl der Schleimzellen ebenfalls erheblich ab, aber wir haben dieselben namentlich am obern Dr\u00fcsenende niemals so vollst\u00e4ndig schwinden sehen, wie beim Kaninchen. W\u00e4hrend die Becherzellen unter Ausstossung ihres Schleimes an Volumen sich verkleinern, nehmen die zwischen ihnen gelagerten schmalen Zellen an Umfang zu, so dass zuletzt beide Zellformen nicht mehr von einander zu unterscheiden sind.\nNach diesen Erfahrungen sind die Lieber-K\u00fciix's\u00f6hen Dr\u00fcsen des Dickdarms als tubu-l\u00f6se einfache Schleimdr\u00fcsen zu betrachten.\nOb die Schleimzellen hier schliesslich, wie in der Gld. submaxillaris, sublingualis u. s. f. nach anhaltender Th\u00e4tigkeit zu Grunde gehen, muss ich vorl\u00e4ufig dahingestellt sein lassen, dere Ersatzzellen innerhalb der Schl\u00e4uche nicht zu bemerken, wenn man nicht etwa die in den Mastdarmdr\u00fcsen des Hundes zwischen den Becherzellen stehenden schmalen Zellen als Ersatzzellen jener ansehen will, was jedoch das physiologische Verh\u00e4ltniss der beiderlei Zellarten nicht ganz zutreffend charakterisirt. Sollte eine Zerst\u00f6rung stattfinden, so k\u00f6nnte vielleicht die Regeneration von kernhaltigen Resten der Zellen aus stattfinden, wie es k\u00fcrzlich Hebold an den Eileiterdr\u00fcsen des Frosches gefunden zu haben glaubt.1\nWichtiger als diese \u00fcbrigens durch fernere Untersuchung noch\ni-\n-\u00ff' '\n\u2022 V?\nm, ' - \"\nV\nr\nj \u00a7\ny. ' v.yg\nm\nw\nFig 42. Mastdarmdr\u00fcse des Kaninchens nach starker Absonderung.\nJedenfalls sind beson-\n1 Otto Hebold, Ein Beitrag zur Lettre von der Secretion und Regeneration der Schleimzellen. Biss. S. 2S u. 21\u00bb. Bonn lsT9.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"16S Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 3. Abschn. Darmschleimbaut.\nzu erledigende Frage ist die andre nach der Natur der D\u00fcnndarmdr\u00fcsen. Einerseits das zerstreute Vorkommen von Schleimzellen in ihnen, andrerseits die \u00fcberaus grosse Aehnlichkeit, welche eine durch Pilocarpininjection ver\u00e4nderte Mastdarmdr\u00fcse mit den D\u00fcnndarmdr\u00fcsen gewinnt (vgl. Fig. 40 und 42), legt den Gedanken nahe, es m\u00f6chten beide Dr\u00fcsenformen nur functionell verschiedene Zust\u00e4nde derselben Dr\u00fcsenart darstellen.\nAllein gewisse Erfahrungen widersprechen vorl\u00e4ufig dieser Auffassung auf das B\u00fcndigste.\nDenn wenn es auch gelingt, durch anhaltende Th\u00e4tigkeit die Mastdarmdr\u00fcsen in eine den D\u00fcnndarmdr\u00fcsen \u00e4hnliche Form \u00fcberzuf\u00fchren, so ist es doch unm\u00f6glich, umgekehrt durch anhaltende Buhe die D\u00fcnndarmdr\u00fcsen so zu ver\u00e4ndern, dass sie ruhenden Dickdarmdr\u00fcsen \u00e4hnlich w\u00fcrden, d. h. dass ihre Zellen insgesammt oder doch in der Mehrzahl sich in Becherzellen umwandelten. Wir haben Kaninchen und Hunde mehrere Tage hungern lassen, ohne dass die D\u00fcnndarmdr\u00fcsen ihr gew\u00f6hnliches Aussehen ge\u00e4ndert hatten.\nZu diesem negativen Ergebniss kommt die weitere Erfahrung, dass das Secret des D\u00fcnndarms eine d\u00fcnne, w\u00e4ssrige Fl\u00fcssigkeit, das des Dickdarms z\u00e4her Schleim ist, um eine specifische Verschiedenheit der Dr\u00fcsen in den beiden Abtheilungen des Darmcanales nicht unwahrscheinlich zu machen : Dar m schlei m d r \u00fc s e n im Dick-darm, Darmsaftdr\u00fcsen im D\u00fcnndarm, \u2014 diese Annahme w\u00fcrde den bisherigen histologischen und physiologischen Erfahrungen am meisten entsprechen. Doch beanspruchen diese Bemerkungen keineswegs definitive Ergebnisse zu bezeichnen, sondern nur auf Fragen aufmerksam zu machen, welche k\u00fcnftiger Erledigung durch eine Combination histologischer und experimenteller Untersuchungen harren.\nDie Aehnlichkeit des Epithels der D\u00fcnndarmdr\u00fcsen mit dem Epithel der Zotten ist eine in die Augen springende, das Vorkommen zerstreuter Becherzellen an beiden Orten nur geeignet, dieselbe zu verst\u00e4rken. Wenn ich hinzuf\u00fcge, dass in D\u00e4rmen, welche anhaltend secernirt haben, die Zottenepithelien gewisse morphologische Ver\u00e4nderungen zeigen, deren auffallendste ausser st\u00e4rkerer Tingir-barkeit der Zellsubstanz eine Orts- und Gestaltsver\u00e4nderung ihres Kernes ist (f\u00fcr gew\u00f6hnlich liegt er an Alcohol-Carminpr\u00e4paraten in dem untern spitzen Ende der Zellen, bei anhaltender Darmth\u00e4tigkeit mehr in der Mitte oder selbst nach der Basis der Zellen hin, erleich-zeitig erscheint er nicht unerheblich vergr\u00f6ssert) \u2014 so liegt in diesen Beobachtungen wohl eine Aufforderung zu erw\u00e4gen, ob die Function der Darmepithelien mit ihrer Resorptions-Aufgabe wirklich erseh\u00f6-","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Gewinnung des Darmsaftes.\n169\npfend bezeichnet ist und nicht vielleicht eine Theilnahme derselben an der Darmabsonderung anzunehmen sei, die ja bez\u00fcglich der in dem Epithel zerstreuten Becherzellen ganz unzweifelhaft ist.\nII. Methoden der Gewinnung des Darmsaftes.\nUnter der Bezeichnung \u201eDarmsaft\u201c (Succus entericus) ist fr\u00fclier-hin eine sehr wechselnde Fl\u00fcssigkeit sehr mannigfachen Ursprunges verstanden worden. Zur Gewinnung des Secretes der Darmdr\u00fcsen wurden meistens sehr unzul\u00e4ngliche Methoden angewandt. M enn Leuret und Lassaigne1 Schw\u00e4mme verschlucken Hessen, um sie, nachdem dieselben bis zum D\u00fcnndarme vorger\u00fcckt waren, auszudr\u00fccken und die aufgesogene Fl\u00fcssigkeit zu untersuchen, oder wenn Tiedemann und Gmelin'2 den Inhalt des Jejunum frisch get\u00fcdteter Thiere untersuchten, so gelangten jene Forscher nat\u00fcrlich nicht zur Kenntniss des reinen Darmsaftes, noch weniger zu der seiner Absonderungsbedingungen. Die Methode von Feekichs3 4 5, Darmschlingen von 4\u2014S Zoll F\u00e4nge nach sorgf\u00e4ltigster Entleerung durch zwei Li-gaturen abzubinden und deren Inhalt zu untersuchen, hat andern Forschern, z. B. Bidder und Schmidt, kein Secret geliefert. Wenn diese letzteren 1 bei Hunden, denen der Pankreas- und der Gallengang unterbunden worden war, D\u00fcnndarmfisteln anlegten, so liegt auf der Hand, dass auch auf diese Weise reines Darmsecret nicht gewinnbar war, da ja der Zufluss von Mageninhalt wie von Pankreas-secret durch den zweiten kleineren Gang der Bauchspeicheldr\u00fcse ungehindert fortbestand. Die Kenntniss des reinen Darmsecretes verdanken wir erst einigen pathologischen F\u00e4llen von D\u00fcnndarmfisteln, vor Allem aber der von Thiry ' erdachten und mit Gl\u00fcck ausgef\u00fchrten Methode, St\u00fccke des D\u00fcnndarmes vollst\u00e4ndig zu isoliren.\nEin St\u00fcck des D\u00fcnndarmes wird durch zwei Querschnitte aus der Continuit\u00e4t des Darmes ausgeschaltet, ohne das Mesenterium zu verletzen, und das Magenende des Darmes mit dem Dickdarmende durch die Naht vereinigt. Das ausgeschnittene Darmst\u00fcck wird an einem Ende blindsackartig geschlossen, mit dem andern in die Bauchwunde eingen\u00e4ht. Da aber sehr leicht Darmvorfall durch die weite Oeff-\n1\tLeuret \u00e0 Lassaigne , Recherches physiologiques et chimiques pour servir \u00e0 l\u2019histoire de la digestion. S. 141. Paris 1S25.\n2\tTiedemann & Gmelin, Die Verdauung nachVersuchen. I. Leipzig und Heidelberg 1826.\n3\tFrerichs. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. III. l.S. S51.\n4\tBidder A Schmidt, Die Yerdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 271. Mitau und Leipzig 1S52.\n5\tThiry, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturhist. Abth. L. 1SG4.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 3. Absehn. Darmschleimhaut.\nnun g desselben nach Aussen eintritt, wird die Wandung dieses Endes der L\u00e4nge nach in der Ausdehnung einiger Centimeter aufgeschlitzt und durch Wiedervereinigung der V undr\u00e4nder die Oeffnung deiaitig verengt, dass sie etwa nur den Umfang eines starken G\u00e4nsekieles erreicht. Auf diese Weise wird ein D\u00fcnndarm-Blindsack geformt, der nur reines Secret der Darmschleimhaut liefert.\nIII. Absonderungsbedingungen.\nIm n\u00fcchternen Zustande ist die Absonderung des Darmsaftes sehr gering oder fehlt wahrscheinlich meist ganz, so lange kein besondrer Reiz auf die Schleimhaut einwirkt (Thiey, Masloff1).\nDagegen tritt w\u00e4hrend der Verdauung Absonderung ein, wenn sie vorher fehlte, oder verst\u00e4rkt sich, wenn sie vorher in geringem Grade bemerklich war. Aus den allerdings nicht sehr zahlreichen Beobachtungen von Thiey scheint hervorzugehen, dass w\u00e4hrend des Verdauungsactes die Absonderung nicht sofort, sondern erst einige Zeit nach der Nahrungsaufnahme steigt und dann bis in die sp\u00e4teren Verdauungsstunden (6.-7.) stetig w\u00e4chst. So zeigen es wenigstens die Zahlen jeder einzelnen Beobachtungsreihe f\u00fcr sich. Dass in dieselbe Verdauungsstunde nach verschiedenartiger F\u00fctterung Absonderungsziffern von sehr verschiedenem Werthe fallen k\u00f6nnen, ist leicht erkl\u00e4rlich, weil ja nat\u00fcrlich Art und Menge der Nahrung von entscheidendem Einfl\u00fcsse sein m\u00fcssen. Offenbar liegen f\u00fcr die Lie-BEEK\u00fcHN\u2019schen Dr\u00fcsen \u00e4hnliche Verh\u00e4ltnisse vor, wie f\u00fcr die Magendr\u00fcsen. Denn ein isolirtes St\u00fcck der Magenschleimhaut beginnt ebenfalls nicht unmittelbar, sondern erst einige Zeit nach der Nahrungsaufnahme abzusondern und f\u00e4hrt darin mit bestimmten gesetz-\no\nliehen Schwankungen w\u00e4hrend des Ablaufes der Verdauung fort.\nDie Schleimhaut des Darmes zeigt aber ferner, wie die des Magens, Reactionsf\u00e4higkeit auf Reizungen der verschiedensten Art. Mechanische Reizung leitet sofort Absonderung ein oder steigert die bereits vorhandene merklich, in minderem oder h\u00f6herem Maasse je nach ihrem Umfange. Schon die Einf\u00fchrung eines Catheters in den Blindsack ist wirksam, in st\u00e4rkerem Grade die Einf\u00fchrung von Schw\u00e4mmen (Thiey, Dobeoslawin2, Quincke11). Mit der St\u00e4rke der Reizung \u00e4ndert sich aber nicht bloss die Menge, sondern auch die\n1\tMasloff, Untersuchungen des physiologischen Instituts der Universit\u00e4t Heidelberg. II. S. 300. 1S7S.\n2\tAl. Dobeoslawin, Untersuchungen aus dem Institute f\u00fcr Physiologie und Histologie in Graz. Heft I. S. 73. 1870.\n3\tQuincke, Arch. f. Anat. u. Physiol. S. 155. 1S6S.","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Darinsaft. Absonderungsbedingungen.\n171\nBeschaffenheit des Secretes, denn es steigt damit der Schleimgehalt desselben (Dobroslaavin). Bei einer Patientin mit Fistel des Duodenum sali Busch 1 w\u00e4hrend einer an der Fistel vorgenommenen Operation ein dem Nasenschleime gleiches z\u00e4hes Secret entleert werden. Yernmthlieh r\u00fchrt der Schleim von den Becherzellen, der d\u00fcnne Secretantheil von den eigentlichen Dr\u00fcsenzellen her.\nEnergischer als mechanische, wirkt electrisclie Reizung der Schleimhaut (Thiry, Dobroslawin, Masloff).\nAon den Erfolgen chemischer Reizung ist wenig bekannt. Doch geben Eeuret und Lassaigne - an, bei Application von Essig auf die Darmschleimhaut sofortige reichliche Absonderung einer d\u00fcnnen Fl\u00fcssigkeit beobachtet zu haben. Auch Thiry sah nach Injection verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure (0,1 \u00b0/0) in den Blindsack nicht unbetr\u00e4chtliche Vermehrung der Secretion, wogegen auffallender Weise Injection von nat\u00fcrlichem Magensafte ebenso erfolglos blieb, wie Injection von Galle.\nIn Versuchen von Brieger3 wurde aus abgebundenen Darmschlingen von 20\u201425 Cm. L\u00e4nge bei Hunden schwache (%\u2014l\u00b0/o) L\u00f6sung von schwefelsaurer Magnesia einfach resorbirt, w\u00e4hrend st\u00e4rkere L\u00f6sungen (20\u201450%) Absonderung einer schwach alkalischen Fl\u00fcssigkeit veranlassten, welche sich dem Darmsafte Thiry s \u00e4hnlich verhielt. Die gebr\u00e4uchlichsten Laxantien (Calomel, Senna, Rheum, Aloe, Ricinus\u00f6l, Gummi Gutti) hatten gar keinen Erfolg, wogegen nach Injection von Croton\u00f6l und Extr. Colocyntliidum ein entz\u00fcndlicher Zustand der Schleimhaut mit Ausscheidung blutiger Fl\u00fcssigkeit eintrat.\nSehr reichliche Absonderung beobachtete Masloff an Hunden mit Thiry'scher Darmfistel nach Injection von Pilocarpin in das Blut.\nLeber diese vereinzelten Angaben gehen bisher die Untersuchungen \u00fcber die Absonderungsbedingungen des Darmsaftes nicht hinaus. Vollends unbeantwortet ist die Frage nach der etwaigen Abh\u00e4ngigkeit der Absonderung vom Nervensvstem.\nVagus-Reizung ergab Thiry ein rein negatives Resultat.\nDie Angaben von Budge4 5, nach welchen Exstirpation des Plexus coeliacus und mesentericus neben gesteigerter Peristaltik vermehrte Absonderung der Darmschleimhaut zur Folge habe, konnte Adrian 2'1\n1\tAY. Busch, Arch. f. pathol. Anat. XIAG S. 155. IS5S.\n2\tLehret A Lassaigne, Recherche\" physiologiques et chimiques pour servir \u00e0 l'histoire de la digestion, p. 141. 1^25.\n3\tBrieger, Arch. f. experiment. Pathol. AUI. S. 355. ISTS.\n4\tJ. Budge, A'erh. d. k. k. Leopold.-Carol. Acad. d. Naturforscher. XIX. S. 25s.\n1S60.\n5\tAdrian. Eckharde Beitr. z. Anat. u. Physiol. III. S. 61. 1S63.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172 Heidenhain, Physiol, d. Absonder ungsvorg\u00e4nge. 3. Abschn. Darmschleimhaut.\nbei Hunden wenigstens nicht durchweg best\u00e4tigen, wogegen La-mansky 1 bei Kaninchen constant vermehrte Absonderung im D\u00fcnndarm und in Folge derselben Erweichung der Kothmassen und Durchfall beobachtete.\nEndlich sah Moreau'1 2 in unterbundenen Darmschlingen, wenn deren Nerven mit Schonung der Mesenterialgef\u00e4sse durchschnitten wurden, reichlich alcalisches f\u00e4rb- und geruchloses Secret auftreten, w\u00e4hrend benachbarte Schlingen mit intacten Nerven frei blieben.\nAlle diese Beobachtungen sind vieldeutiger Natur; sichere Erfahrungen \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit der Absonderung vom Nervensystem geh\u00f6ren noch zu den Desideraten.\nEs will mir scheinen, als ob die Absonderung, welche man nach Brieger in dem Darme durch Einwirkung starker Bittersalzl\u00f6sungen her-vorrufen kann, andrer Natur und andern Ursprunges sei, als das durch Secretionsreize (z. B. Pilocarpin) hervorgerufene Driisenseeret. Denn w\u00e4hrend nach den letzteren Einwirkungen, wie oben mitgetheilt worden, die Dickdarmdr\u00fcsen hochgradige anatomische Ver\u00e4nderungen zeigen, konnten wir nach Injection von Salzl\u00f6sungen in Dickdarmschlingen, selbst wenn dieselben sich durch Secret bis zum Bersten f\u00fcllten, keine Driisenver\u00e4n-derungen nach weisen. Es scheint somit in dem letzteren Falle eine einfache endosmotische Capillartranssudation, nicht eine wirkliche Driisen-absonderung herbeigef\u00fchrt zu werden.\nBesondere Aufmerksamkeit verdienen die in den Darmfl\u00fcssigkeiten bei lebhafter Absonderung auftretenden zelligen Gebilde, welche seit lange unter dem Namen der Schleimk\u00f6rperchen bekannt sind, kleine rundliche, blasse kernhaltige Zellen von dem Habitus lymphoider Zellen. Nach misera bisherigen Erfahrungen scheinen dieselben aus den Epithelien zu stammen und zwar durch partielle Abschn\u00fcrung aus dem Protoplasma derselben hervorzugehen. Man trifft sie nicht bloss auf der Oberfl\u00e4che der Darmschleimhaut, sondern auch zahlreich in dem Lumen der Lieber-k\u00fclm'schen Dr\u00fcsen an, wenn lebhafte Secretion stattgefunden hat. Ihre Kerne sind an Alcohol-Carminpr\u00e4paraten immer stark tingirt, geschrumpft und eckig verzogen, wodurch sie sich von den Kernen der Dr\u00fcsenzellen selbst auf das Frappanteste unterscheiden.\nIch wiederhole, dass in den obigen Bemerkungen \u00fcber die Darmab-sonderung mehr Anregungen f\u00fcr fernere Untersuchungen, als fertige Antworten auf bestimmt gestellte Fragen enthalten sind, die zu erledigen mir die f\u00fcr die Abfassung der vorliegenden Monographie disponible Zeit leider nicht gestattete.\n1\tLamansky, Ztschr. f. rat. Med. (3) S. 59. IS66.\n2\tA. Moreau, Bull. d. l\u2019acad. d. med. XXXV. 1ST0.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"VIERTER ABSCHNITT.\nDIE BAUCHSPEICHELDR\u00dcSE.\nERSTES CAPITEL.\nBau des secretorischen Apparates im Ruhezust\u00e4nde.\nI. Die Schl\u00e4uche.\nDie secernirenden R\u00e4ume des Pankreas haben die Gestalt kurzer Schl\u00e4uche und Kolben.1 2 Der Hauptausf\u00fchrungsgang wie seine gr\u00f6beren Verzweigungen sind mit einfachem Cylinderepithel ausgekleidet, das in den feineren G\u00e4ngen niedriger wird und in den feinsten einem Epithel aus spindelf\u00f6rmigen Zellen Platz macht -, \u00e4hnlich wie in den Schaltst\u00fccken gewisser Speicheldr\u00fcsen. In den Endtubulis schielten sich die Zellen bis in das Lumen des secernirenden Schlauches vor, die Elemente des letzteren von Innen her bedeckend (centro-acin\u00e4re Zellen Langerhans), w\u00e4hrend die seitlich den feinsten G\u00e4ngen aufsitzenden Schl\u00e4uche dieses Verh\u00e4ltnis nicht zeigen (Latschenberger).\nDie secernirenden Zellen der Schl\u00e4uche haben so specifische Eigent\u00fcmlichkeiten, dass eine Verwechslung mit den Zellen andrer Dr\u00fcsen unm\u00f6glich ist.:i\nVon ungef\u00e4hr kegelf\u00f6rmiger Gestalt, zeigt jede Zelle im ganz frischen Zustande eine helle, scheinbar homogene, der Membrana propria zugewandte Aussenzone und eine dunkelk\u00f6rnige, dem Lumen des Schlauches zugekehrte Innenzone. Bei hungernden Thieren ist die erstere viel schm\u00e4ler als die letztere. Jene nimmt ungef\u00e4hr nur 1 s\n1\tLatschenberger, Sitzgsber. d. 'Wiener Acad. LX\\. 1G2. 10. Mai.\n2\tLangerhans. Beitr\u00e4ge zur microscopLchen Anatomie d. Bauchspeicheldr\u00fcse. Berlin 1S(30. \u2014 Saviotti, Arch. f. microsc. An at. V. S. 4<i4. 1S69.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"1 / 4 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 4. Abschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\n4 s\n1vv' .-\n\n\n\n\u2014 V\u00f6 des L\u00e4ngendurchmessers der Zelle ein. Bei ganz frischen und noch warmen Zellen des Kaninchen-Pankreas habe ich nicht selten die K\u00f6rnchen sich \u00fcber die ganze Zelle bis an ihren Aussenrand\nausbreiten sehn. Beim Erkalten des Pr\u00e4parates aber ziehen sie sich allm\u00e4hlich mehr oder weniger nach der Innenseite zur\u00fcck. Ungef\u00e4hr an der Grenze beider Zonen liegt der im frischen Zustande kaum sichtbare Kern.\nAn Alcohol-Carminpr\u00e4paraten erscheint die Aussenzone gef\u00e4rbt, die jetzt nur mattk\u00f6rnig aussehende Innenzone nicht tingirt. Die erstere Zone verdient die Bezeichnung \u201ehomogen\u201c nicht im strengen Sinne. Schon in den ganz frischen Zellen, mitunter noch sch\u00e4rfer nach Erh\u00e4rtung in Ueberosmium-s\u00e4ure von 0,15\u20140,2% bemerkt man nicht selten in der hellen Grundsubstanz der Aussenzone grade, sehr feine, hier und da mit leichten Yaricosit\u00e4ten besetzte Linien, an dem Aussen-rande beginnend und nach der Innenzone hin convergirend. An der\n.\u2022 ps ; $\n\u25a0\n.. f':Y'\t.\t\u25a0\n-\t\u2022\u2022\u2022 \u2022\u2022 \\f \u2022 -,\t\u2022 ; -\u2022\n\\ \u00e0\nFig. 43. Schl\u00e4uche des Pancreas im frischen Zustande (Kaninchen).\n\n\nFig, 44. Pancreas des Hundes. Hunger. Alcohol. Carmin.,\nGrenze der letzteren setzen sie sich ab und zu in Reihen feiner K\u00f6rnchen fort, die sich in den K\u00f6rnerhaufen der Innenzone verlieren. Hier und da sind auch die K\u00f6rnchen der letzteren in graden Linien geordnet, die nach Aussen unmerklich in jene feinen Linien \u00fcbergehn. Nach 2\u20143 t\u00e4giger Maceration in neutralem chromsaurem Am-","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Bau der secernirenden Zellen.\n175\nmoniak (5%) werden die Linien unter der Form sichtbar, wie sie Fig. 45 zeigt. Bei noch weiter fortgeschrittener Einwirkung des Reagens l\u00f6st sich allm\u00e4hlich die Grundsubstanz der homogenen Zone auf und zwar in der Regel fr\u00fcher, als die K\u00f6rnerzone. Die K\u00f6rnchen der letzteren bilden in der Regel noch einen compacten Haufen, aus\n\n& Ir\njf b\nV) (|f 'I\n\ndessen bei nat\u00fcrlicher Lage der Zellen nach Aussen gerichtetem Um-fange feine F\u00e4dehen hervorragen, allenfalls noch durch geringe Reste der Grundsubstanz zusam-\t45\nmengehalten. Endlich zerfallen die Zellen voll-st\u00e4ndig und Fragmente jener fadenartigen Bildungen schwimmen in Menge frei umher (vgl. die Fig. 45). Leber die Bedeutung derselben vermag ich Sicheres nicht auszusagen. Wenn ich aber \u00fcberlege, dass nicht selten aus der K\u00f6rnerzone \u00e4usserst feine Reihen von K\u00f6rnchen in die homogene Zone hineinragen, welche die genauen Fortsetzungen der in dieser sichtbaren K\u00f6rnchen bilden, so m\u00f6chte ich fast vermuthen, dass es sich um sehr feine R\u00f6hrchen handelt, welche die Grundsubstanz der Zelle durchsetzen und in denen die reihenf\u00f6rmig geordneten K\u00f6rn-\nH-J\nFig 45. ZeUen des Pancreas nach Maceration in neutralem chromsaurem Ammoniak. a.Padenartige Bildungen der Aussenzone. b und c dieselben isolirt.\ndien liegen. \u2014\nDiese Deutung gewinnt an Wahrscheinlichkeit durch Beobachtungen \u00fcber die Einwirkung von W\u00e4rme und von starken electrischen Str\u00f6men auf die Zellen. Wird ein ganz frisches, einem eben erst get\u00f6dteten Thiere entnommenes Pr\u00e4parat des Pankreas auf dem heizbaren Objecttische Steicker\u2019s untersucht, so tritt, wenn das Thermometer auf ungef\u00e4hr 50\" C. gestiegen ist, an der bis dahin hell durchsichtigen Aussenzone eine schwer beschreibbare Ver\u00e4nderung auf. Ihre Durchsichtigkeit nimmt ab, indem theils sehr feine Tr\u00fcbung, theils verwaschene, wachsgl\u00e4nzende Flecke sichtbar werden. Dabei verschiebt sich die Grenze beider Zonen auf merkw\u00fcrdige Weise. Aus der Innenzone dringen Reihen von K\u00f6rnchen stralilig mehr oder weniger weit in die Aussenzone vor. Gleichzeitig zieht sich der Aussenrand der Zellen von der Schlauchmembran zur\u00fcck. Beim Abktihlen des Pr\u00e4parates werden alle jene Ver\u00e4nderungen wieder r\u00fcckg\u00e4ngig. Was auch der Grund dieser Erscheinungen sei, der Umstand, dass die K\u00f6rnchen der Innenzone sich auf geraden Linien nach aussen bewegen, weist auf geringe Widerst\u00e4nde innerhalb dieser Bahnen hin. Sollten die Strassen nicht in den oben beschriebenen fadenartigen Bildungen gegeben sein ?\nDas microchemische Verhalten der Zellen anlangend, so schwillt in Wasser die Aussenzone schnell auf, w\u00e4hrend der gr\u00f6sste Theil der K\u00f6rnchen der Innenzone erblasst. Noch schneller werden die Zellen bei Behandlung mit selbst sehr verd\u00fcnnten Alcalien (Kalioder Natronlauge von 0,1 \u00b0 o) gel\u00f6st. Das augenblickliche Verschwin-","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"176 Heidexhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 4. Absehn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nden der K\u00f6rnchen beweist, dass dieselben, entgegen fr\u00fcherer Annahme, nicht aus Fett bestehen. Kur ein sehr kleiner Theil derselben bleibt mitunter als leicht erkennbare Fetttr\u00f6pfchen zur\u00fcck.\nVerd\u00fcnnte Essigs\u00e4ure und Minerals\u00e4uren jeder Concentration tr\u00fcben die Aussenzone durch dunkelk\u00f6rnige Niederschl\u00e4ge so stark, dass der Unterschied der beiden Zellh\u00e4lften sich verwischt. In Eisessig werden dagegen die Zellen sehr hell und lassen nur noch feine Granulationen erkennen, w\u00e4hrend die Kerne scharf hervortreten. \u2014 Die Membr. propria stellt eine anscheinend structurlose Membran dar, welcher die Zellen unmittelbar anliegen.\nDer specifische Bau der Pankreaszellen ist fr\u00fcherhin vollst\u00e4ndig verkannt worden. Cl. Bernard1 2 bildet neben einander Zellen aus der Parotis, Submaxillaris, Sublingualis und dem Pankreas ab, um ihre Ununterscheidbarkeit zu zeigen, trotzdem dass er auf derselben Tafel ganz richtig in den L\u00e4ppchen eines Kaninchen-Pankreas die dunkeln K\u00f6rnchen zeichnet, welche die Innenseite der Zellen einnehmen und dadurch die Lumina der G\u00e4nge so scharf unter dem Bilde einer schwarzk\u00f6rnigen baumartigen Verzweigung hervortreten lassen. Erst Langerhans 2 gab eine zutreffende Beschreibung der Zellen; nur sah er die dunkeln K\u00f6rnchen als Fetttropfen an. Wenn er weiter an den Zellen drei Zonen unterscheiden wollte: die acino-centrale des K\u00f6rnerhaufens, die Zone des Kernes und die periphere Zone, so scheint mir diese Charakteristik nicht ganz richtig, weil die Lage des Kernes eine variable ist, bald mehr in der Innen-, bald mehr in der Aussenzone. Die Streifung der letzteren hat bereits Pfl\u00fcger3 gesehen.\nII. Zwiscliengwebe, Gelasse, Nerven.\nZwischen den Schl\u00e4uchen des Pankreas breitet sich ein lockeres Bindegewebe als Tr\u00e4ger der Gef\u00e4sse und Nerven aus.\nDie Ver\u00e4stlung der ersteren geschieht nach K\u00fchne und Lea4 der Art, dass sie haupts\u00e4chlich in den tieferen Kerben zwischen den grossem L\u00e4ppchen oder deren Gruppen vor sich geht. Die Endschl\u00e4uche werden nicht durchweg von Capillaren umsponnen, sondern viele derselben bleiben get\u00e4sslos, so dass Secretionszellen in grosser Zahl sehr weit von den n\u00e4chsten Blutgef\u00e4ssen entfernt liegen. An besonderen Stellen finden sich jedoch engere Netze auff\u00e4llig weiter Gef\u00e4sse. Hier liegen wohlabgegrenzte Haufen kleiner, gross-\n1\tCl. Bernard, M\u00e9moire sur lc pancreas et le role du suc pancr\u00e9atique. Paris\n1856.\n2\tLangerhans, Beitr\u00e4ge zur microscopiscben Anatomie der Bauchspeicheldr\u00fcse. Berlin 1869.\n3\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 199. 1869.\n4\tK\u00fchne & Lea, Verh. cl. naturhist.-med. Arer. zu Heidelberg. N. F. I.","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Verh\u00e4ltnisse der Absonderung im Allgemeinen. Fisteloperation.\n177\nkerniger, \u201e intertubul\u00e4rer \u201c Zellen, die Langerhans1 2 nach Pr\u00e4paraten aus M\u00fcller\u2019sclier Fl\u00fcssigkeit als unregelm\u00e4ssig polygonale, vollkommen homogene Gebilde beschrieb, in ihren Aggregaten sparsam durch die Dr\u00fcse zerstreut. Ueber ihre Bedeutung fehlt jede Muthmassung.\nK\u00fchne und Lea berichten, dass sich diese eigentli\u00fcmlichen Zellen \u00fcberall da vorfinden, wo das unbewaffnete Auge in dem Kaninchenpankreas weissliche K\u00f6rner entdeckt. Ich finde jene weisslichen K\u00f6rner aus Schl\u00e4uchen zusammengesetzt, deren Zellen sich durch besonders starke Entwicklung der k\u00f6rnigen Innenzone auszeichnen, welche hier \u2014 wie zu gewissen Verdauungszeiten in der ganzen Dr\u00fcse \u2014 die homogene Aussenzone fast v\u00f6llig verdr\u00e4ngt. \u2014 Die Haufen der intertubul\u00e4ren Zellen treten im Hundepankreas an Alcoholpr\u00e4paraten, die in Carminalaun tingirt sind, als fast ungef\u00e4rbte Inseln sehr deutlich hervor.\nDie Nerven des Pankreas treten nach Pfl\u00fcger- mit ihrer Markscheide an die Propria der Schl\u00e4uche heran. Die Fasern durchbohren die Membran und gehen mit Zur\u00fccklassung ihres Markes in die Secretionszellen \u00fcber. K\u00fchne und Lea dagegen finden, worin ich mit ihnen \u00fcbereinstimme, die Fasern durchgehends marklos. Der Reichthum des Pankreas an Ganglienzellen bleibt nicht hinter dem der Speicheldr\u00fcsen zur\u00fcck. Ueber die Endigung der Nervenfasern findet sich bei K\u00fchne und Lea keine Angabe.\no\nZWEITES CAPITEL.\nA erli\u00e4ltnisse der Absonderung im Allgemeinen.\n1. Methode der Fisteloperation.\nDie l ntersuchung der Pankreas-Absonderung macht die Anlegung von Fisteln erforderlich. Sie ist hier mit grossem Schwierigkeiten als bei irgend einem andern dr\u00fcsigen Organe verkn\u00fcpft, weil die Fisteloperation in der grossen Mehrzahl der F\u00e4lle nach einigen Tagen Ver\u00e4nderungen in der Dr\u00fcse hervorruft, welche zu St\u00f6rungen der normalen Absonderung f\u00fchren. Es sind fr\u00fcherhin beim Hunde zwei Operationsmethoden versucht worden, denen ich als nach meinen bisherigen Erfahrungen zweckm\u00e4\u00dfigste eine dritte hinzuf\u00fcgen kann: 1. Befestigung einer Can\u00fcle in dem Duct. V irsungianus; 2. An-\n1\tLangerhans. Beitr\u00e4ge zur microscopischen Anatomie der Bauchspeicheldr\u00fcse. S. 24. Berlin I\u00dft).\n2\tPfl\u00fcger, Arch. f. microsc. Anat. V. S. 199. 1SG9.\nHandbuch der Physiologie. Bd. V.\n12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"1\t7 S Heidexhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 4. Absehn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nPeilung des er\u00f6ffneten Ganges an die Bauchwand; 3. Ausschaltung des Darmst\u00fcckes, in welches der Pankreasgang einm\u00fcndet, aus der Continuit\u00e4t des Darmes und Vorlagerung desselben vor die Bauchwand.\nWennschon bereits im Jahre 1S64 durch Regnier de.Graaf die erste Pankreasfistel an einem lebenden Hunde angelegt und dieser Versuch im 16. und 17. Jahrhundert \u00f6fters wiederholt wurde1, so sind cons\u00e9quente und methodische Fistelbeobachtungen doch erst von Cl. Bernard2 3 angestellt worden. Die Mehrzahl der sp\u00e4tem Arbeiten bezieht sich nicht sowohl auf die Erforschung des Absonderungsvorganges, als auf die Untersuchung der verdauenden Wirkungen des Pankreassaftes. Die den ersteren Gegenstand behandelnden Arbeiten werden sp\u00e4ter an betreffender Stelle aufgef\u00fchrt werden.\nF\u00fcr den Erfolg der Fisteloperation ist die Art des Verfahrens von wesentlichem Belang. 1. Behufs Fixirung einer Caniilc in dem Gange wird bei dem seit 36 Stunden n\u00fcchternen und gut morphisirten Hunde durch einen in der Mitte zwischen Proc. xiphoideus und Nabel in der Linea alba ausgef\u00fchrten L\u00e4ngsschnitt der absteigende Theil des Zw\u00f6lffingerdarms so weit hervorgezogen, dass man das anliegende Pankreasst\u00fcck zu Gesicht bekommt. Den Gang zu finden, dient folgendes Merkzeichen : Wo der untere Lappen des Pancreas sich von der nach links gewandten concaven Seite des Duodenum entfernt, um sich weiter in das Mesenterium zur\u00fcckzuziehen, so dass zwischen Darm und Dr\u00fcse eine durchsichtige Mesenterialbr\u00fccke sich ausspannt, geht in die letztere constant eine dicke Darmvene hinein. Oberhalb derselben liegt das Pankreas dem Darme unmittelbar an; zwischen beiden sind in geringem Abstande gr\u00f6bere Gef\u00e4ssbiindel ausgespannt. Die M\u00fcndung des Ganges liegt in der Regel zwischen dem ersten und zweiten. seltner zwischen dem zweiten und dritten Gef\u00e4ssbiindel, im ung\u00fcnstigen Falle von einem der B\u00fcndel bedeckt. Die L\u00e4nge des Ganges von der Dr\u00fcse bis zum Darme betr\u00e4gt nur wenige Millimeter. Mittelst carbolisirter Seide wird eine kurze gekn\u00f6pfte Glascan\u00fcle von 6\u2014S Mm. L\u00e4nge eingebunden, an deren freiem Ende ein St\u00fcck dickwandigen, aber nicht zu breiten Gummischlauches befestigt ist. Der Darm wird durch zwei lockere, ober- und unterhalb des Ganges um ihn herumgef\u00fchrte Fadenschlingen provisorisch an der Bauchwand fixirt, um ihn zur Verl\u00f6thung mit derselben zu bringen, und darauf die Bauch-wunde so weit geschlossen, dass nur f\u00fcr die nach aussen zu leitende Ca-n\u00fcle knapper Raum \u00fcbrig bleibt. Die Darmf\u00e4den werden nach 24 Stunden, die Wundn\u00e4hte nach 36\u201448 Stunden entfernt. Fast ausnahmslos f\u00e4llt nach einigen Tagen die Caniile heraus. \u2014 2. Bei der zweiten von Ludwig mit seinen Sch\u00fclern Weinmann5 und Bernstein4 ausgebildeten\n1\tAlle jene vereinzelten Versuche sind f\u00fcr die Frage nach dem Absonde-rungsvorgange ohne Bedeutung; eine Zusammenstellung findet sich bei Tiedemann & Gmelin : Die Verdauung nach Versuchen. I. S. 26. Leipzig und Heidelberg 1826.\n2\tCl. Bernard. M\u00e9moire sur le pancreas et sur le r\u00f4le du suc pancr\u00e9atique. Paris 1S56; Le\u00e7ons de physiologie experimentale. II. p. 170. Paris 1856; Le\u00e7ons sur les propri\u00e9t\u00e9s des liquides de l\u2019organisme. II p. 341. Paris 1859.\n3\tWeinmann, Ztschr. f. rat. Med. N. F. IIP S. 248. 1853.\n4\tBernstein, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-phys. Cl. 1869. S. 97.","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Anlegung von Pankreasfisteln.\n179\nMethode wird durch den angeschnittenen Gang ein St\u00fcck Bleidraht mit einem Ende bis in den Darm, mit dem andern bis weit in die Dr\u00fcse vorgeschoben und der mittlere Theil desselben so zusammengedreht, dass der ganze Draht die Gestalt eines T erh\u00e4lt. Der Darm wird durch F\u00e4den an die Bauchwand fixirt und durch die mittelst N\u00e4hten geschlossene Wunde der Draht nach Aussen geleitet. An diesem fiiesst nach Verheilung der Wunde das Secret nach Aussen ab. \u2014 3. Ein drittes von mir noch nicht ver\u00f6ffentlichtes Verfahren, mittelst dessen ich zu l\u00e4ngeren und viel vertrauensw\u00fcrdigeren Beobachtungen, als mittelst der andern Methoden gelangt bin, besteht in Folgendem: Das Duodenalst\u00fcck, in welches der Duct. Wirsungianus m\u00fcndet, wird in einer Breite von etwa 4 \u2014 5 Cm. durch zwei Querschnitte von dem \u00fcbrigen Darme isolirt und das obere (Magen-) mit dem untern (Dickdarm-) Ende des Darmes durch die Naht vereinigt. Der isolirte Darmcylinder wird gegen\u00fcber der Einm\u00fcndung des Duct. Wirsungianus der L\u00e4nge nach aufgeschnitten und mit der Me-senterialfi\u00e4che aussen an die Bauchwand gen\u00e4ht, die Bauchwunde vereinigt. Vor der Bauchwand liegt dann die Schleimhaut des Darmes mit der M\u00fcndungspapille des Pankreasganges frei zu Tage, aus welcher das Secret unmittelbar aufgefangen werden kann. \u2014\nWo es sich nicht um die Etablirung permanenter Fisteln, sondern um k\u00fcrzere Beobachtungen handelt, gen\u00fcgt die erste Methode vollkommen. F\u00fcr Dauerfisteln ist das dritte Verfahren am Meisten zu empfehlen.\nWie man auch operire, man erhalt immer nur einen Theil des gesummten Secretes, weil beim Hunde ausser dem grossen Ausf\u00fchrungsgange ein zweiter kleiner, dicht neben dem Duct, choledochus die Darmwand durchbohrt, welcher am lebenden Tliiere sehr schwer auffindbar ist.\nBeim Kaninchen hat das Pankreas nur einen Gang, welcher ca. 3u Cm. weit unterhalb des Gallenganges in den Darm m\u00fcndet. Die Anlegung permanenter Fisteln wird nicht vertragen. Beim Schafe m\u00fcndet der Duct, pancreaticus in den Duct, choledochus einige Centimeter oberhalb seines Darmendes. Um hier Saft aufzufangen, ist es am Bequemsten, den Gallengang oberhalb des Pankreasganges zu unterbinden und die Cantile in den Gallengang selbst einzuf\u00fchren.\nII. Allgemeine Erscheinungen der Absonderung.\nDie Absonderung scheint bei Pflanzenfressern und bei Fleischfressern nicht nach demselben Typus zu erfolgen: dort eontinuirlich, liier intennittirend.\nBei Kaninchen findet man die Secretion im Gange, gleichviel ob die Fistel w\u00e4hrend voller Verdauung oder nach 4Sst\u00e4ndigem Hungern angelegt wird1, wennschon die Absonderung im letzteren Falle viel sp\u00e4rlicher ausf\u00e4llt, als im ersteren. Ob niemals Absonderungsstillstand eintritt, w\u00fcrde nur durch Beobachtungen an permanenten Fisteln zu entscheiden sein, die beim Kaninchen unthun-\nl A. Hexe y & P. Wollheim, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 458. 1857.\n12 *","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"1\tSO Heidexhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 4. Ahschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nlieh sind. Colin1 hat Beobachtungsreihen an Rindern ver\u00f6ffentlicht, in denen ab und zu das Secret zu fliessen aufh\u00f6rte. Allein diese Intermissionen treten so selten, so unregelm\u00e4ssig und, soweit aus den Tabellen ersichtlich, so unabh\u00e4ngig von dem Verdauungszustande ein, dass ich viel eher an eine durch Verlagerung der Caniile bedingte Hemmung des Abflusses, als an einen Stillstand der Absonderung denken m\u00f6chte.\nBei Hunden stockt nach zahlreichen, mittelst permanenter Fisteln angestellten Beobachtungen die Absonderung ausserhalb der ^ er-dauung vollst\u00e4ndig, beginnt nach der F\u00fctterung in k\u00fcrzester Zeit und h\u00e4lt dann mit bestimmten gesetzlichen Schwankungen bis zum Ende der Verdauung an.\nEine klare Einsicht in die Gesetzlichkeit der Pankreas-Absonderung ist dadurch sehr erschwert, dass die Anlegung einer Fistel, wie schon oben erw\u00e4hnt, in der Mehrzahl der F\u00e4lle St\u00f6rungen hervorruft. Zun\u00e4chst verf\u00e4llt unmittelbar nach der Befestigung der Can\u00e4le die Dr\u00fcse sehr oft in eine 12\u201424st\u00fcndige absolute Unth\u00e4tig-keit. Bedenklicher ist es, dass fr\u00fcher oder sp\u00e4ter, oft schon nach 2\u20143 Tagen, eine qualitative und quantitative Aenderung des Ab-sonderungsprocesses bemerklicli wird, welche mit einer morphologischen Umgestaltung der Dr\u00fcsenzellen einhergeht.\nDie normale Dr\u00fcse sondert nur w\u00e4hrend der Verdauung ab, ihre Secretionsgeschwindigkeit ist verk\u00e4ltnissm\u00e4ssig gering, das Secret ist klebrig'2, fast fadenziehend, erstarrt in der K\u00e4lte zu einer durchsichtigen Gallerte, welche nach K\u00fchne3 einen d\u00fcnnfl\u00fcssigen Theil ausscheidet. Solches Secret, in destillirtes Wasser getropft, f\u00e4llt, ohne mit demselben sich zu mischen, sich tr\u00fcbend zu Boden. Bei 0\u00b0 erh\u00e4lt man eine gallertige flockige F\u00e4llung, welche in Kochsalz und in verd\u00fcnnten S\u00e4uren leicht l\u00f6slich ist. In sehr verd\u00fcnnten S\u00e4uren wird das Secret sogleich fest, l\u00f6st sich aber beim Sch\u00fctteln in \u00fcbersch\u00fcssiger S\u00e4ure; \u00e4hnlich ist das Verhalten gegen Kochsalzl\u00f6sungen. Das Secret ist ferner, wenn auch nicht durchgehends, wie man fr\u00fcher annahm, so doch zu bestimmten Zeiten so reich an festen Bestand-theilen (6\u201410\u00b0/o), dass es, auf dem Wasserbade gekocht, zu einer\n1\tColin, Trait\u00e9 de physiologie compar\u00e9e des animaux. T. p. 790. Paris 1S71.\n2\tDie Schilderung der Eigenschatten und der chemischen Zusammensetzung der Secrete geh\u00f6rt eigentlich nicht in den vorliegenden Theil dieses Handbuches, sondern in die Lehre von den Verdauungss\u00e4ften. Beim Pankreassafte aber ist es im Interesse der Einsicht in den Absonderungsvorgang ganz unvermeidlich, bis zu einer gewissen Grenze auch von der Beschaffenheit des Absonderungspro-ductes zu handeln. Alle chemischen Einzelnheiten jedoch bleiben vollst\u00e4ndig der Verdauungslehre Vorbehalten.\n3\tK\u00fchne. Verb. d. naturhist.-med. Yer. zu Heidelberg. I ( I).","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeine Erscheinungen der Absonderung.\n181\nfesten Gallerte erstarrt, dagegen so arm an kohlensauren Salzen, dass es bei Essigs\u00e4urezusatz nur sp\u00e4rliche Gasbl\u00e4schen entweichen l\u00e4sst.\nIst die Dr\u00fcse in den bezeichneten pathologischen Zustand vollst\u00e4ndig eingetreten, so secernirt sie continuirlich auch ausserhalb der Verdauungszeiten mit zwar ver\u00e4nderlicher, aber stets verh\u00e4ltniss-m\u00e4ssig grosser Geschwindigkeit eine d\u00fcnne Fl\u00fcssigkeit von 1 \u2014 2\"/<> an festen Theilen, die sich in der Siedhitze selbst nach Zusatz verd\u00fcnnter Essigs\u00e4ure unter wahrhaft colossaler Kohlens\u00e4ure-Entwick-lung nur leicht tr\u00fcbt, w\u00e4hrend Zusatz \u00fcbersch\u00fcssiger S\u00e4ure die Tr\u00fcbung verhindert.\nZwischen diesen extremen Typen des Secretes kommen nun alle m\u00f6glichen Uebergangsstufen vor, also Fl\u00fcssigkeiten, die beim Kochen auf dem Wasserbade in dicken Flocken gerinnen oder nur eine milch -weisse Tr\u00fcbung oder endlich nur eine leichte Opalescenz zeigen und deren Gehalt an Carbonaten in umgekehrtem Verh\u00e4ltnisse zu ihrer Gerinnungsf\u00e4higkeit steht.\nEine normale Dr\u00fcse liefert, wie sp\u00e4ter ausf\u00fchrlicher zu besprechen, unter gewissen Bedingungen ein concentrirtes, unter andern ein d\u00fcnnes Secret, eine pathologisch ver\u00e4nderte Dr\u00fcse, die sich durch continuirliche reichliche Absonderung kennzeichnet, liefert aber niemals, unter keiner Bedingung, eine vollst\u00e4ndig coagulable Fl\u00fcssigkeit. Es ist jedoch festzuhalten, dass die St\u00f6rungen, welche nach Anlegung permanenter Fisteln eintreten, sowohl bez\u00fcglich ihres Beginnes als ihres Grades sich sehr verschieden verhalten k\u00f6nnen. Cl. Bernard theilt einzelne Beispiele g\u00fcnstig verlaufener Fisteloperationen mit (Fixirung einer Gantile im Gange), bei welchen die Ab\u00e4nderung mehrere Tage ihren intermittirenden Typus beibehielt und das Verdauungssecret stark gerinnbar blieb. Auch andern Beobachtern sind vereinzelt derartige F\u00e4lle vorgekommen1, welche bei Anwendung meines neuen Operationsverfahrens die Regel zu bilden scheinen. Bei dem allm\u00e4hlichen Uebergange des Secretionsorganes aus dem normalen Zustande in den pathologischen wird die Absonderung continuirlich, aber zuerst in der Weise, dass sie ausserhalb der Verdauungszeit noch sehr langsam ist und sich w\u00e4hrend der Verdauung* ungew\u00f6hnlich stark beschleunigt; sp\u00e4ter wird sie auch im n\u00fcchternen Zustande sehr ergiebig und damit nimmt die I Rissigkeit die oben geschilderten Charaktere des zweiten Typus in vollst\u00e4ndigstem Maasse an.\n1 Mir selbst. \u2014 Podolinski, Beitr\u00e4ge zur Kenntniss des pankreatischen Eiweissfermentes. Diss. Breslau 1876. \u2014 Pawlow, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII.","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"1 82 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 1. Abschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nIst die Ver\u00e4nderung des Secretes bis zu diesem Grade vorgeschritten , so hat die Dr\u00fcse ihr normales histologisches ^ erhalten\nvollst\u00e4ndig eingeb\u00fcsst: die Schl\u00e4uche sind stark verkleinert, an ihren Zellen ist die k\u00f6rnige Innenzone bis auf hier und da zur\u00fcckgebliebene, \u00e4usserst sp\u00e4rliche Reste vollst\u00e4ndig verloren gegangen. Diese Umwandlung ist die h\u00f6chste Ausbildung eines Zustandes, welcher, wie sp\u00e4ter zu zeigen, in geringerem Grade w\u00e4hrend jeder Verdauung zu bestimmten Stunden eintritt, hier aber ein dauernder geworden ist.\nAnders als bei den Fleischfressern verh\u00e4lt sich das Secret bei Pflanzenfressern. Beim Kaninchen schwankt der Procentgehalt zwischen 1,1\u20142,6\u00b0/o, bei Schafen zwischen 1,4 \u2014 3,7ko.1 Entsprechend diesem geringen Procentgehalte ist die Fl\u00fcssigkeit immer nur schwach gerinnbar. Das Secret der Taube enth\u00e4lt 1,2\u20141,4% an festen Theilen.2\nIII. Verlauf der Absonderung w\u00e4hrend der Verdauung.\nTheils nach \u00e4lteren Beobachtungen von Bernstein, theils nach noch nicht ver\u00f6ffentlichten Beobachtungen von mir selbst, die einer vierw\u00f6chentlichen Versuchsreihe an einem nach meiner neuen Methode operirten Hunde entnommen sind, gestaltet sich der Verlauf der Absonderung w\u00e4hrend der Verdauung, so lange die Dr\u00fcse sich im Normalzust\u00e4nde befindet, in folgender Meise:\nVor der F\u00fctterung stockend, beginnt sie unmittelbar nach derselben und steigt langsamer oder schneller zu einem Maximo, welches innerhalb der ersten drei Stunden, bald fr\u00fcher, bald sp\u00e4ter erreicht wird. Darauf Sinken bis zur 5.-7. Stunde, und nochmaliges Ansteigen bis zur 9.\u201411. Stunde. Das in diese Zeit fallende zweite\no\n1\tArthur Henry & P. Wollheum, Areb. d. ges. Physiol. XIV. S. 457. 1S77.\n2\t0. Laxgendorff. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1879. S. 6.","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Verlauf der Absonderung w\u00e4hrend der Verdauung.\n1S3\n12\t7.3\t1'f\t15\t!6\t17\t18\nFis. 47. Verlauf der Absonderung w\u00e4hrend der Verdauung. Auf die Abscisse sind die Stunden seit der Nahrungsaufnahme aufgetragen. Die oberen Curven bezeichnen die Absonderungsgeschwindigkeit. Die Einheit der Ordiuaten entspricht 0, l Ccm. Die untern Curven bezeichnen den Proccntgehalt de3 Secretes an festen Bestandteilen. Alle 4 Curvenst\u00fceke sind Bestimmungen an demselben Hunde an verschiedenen Tagen entnommen. Die Absonderung begann sofort mit der Nahrungsaufnahme.","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 4. Abschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nMaximum erreicht an H\u00f6he niemals das in den ersten Verdauungs-Stunden zu beobachtende erste Maximum. Schliesslich sinkt die Absonderung in den letzten Verdauungsstunden langsam. Wann sie g\u00e4nzlich erlischt, kann ich mit Sicherheit nicht sagen; 17 Stunden nach reichlicher F\u00fctterung bestand sie noch in freilich sehr geringer Menge fort, nach 24 Stunden war die Fistel vollst\u00e4ndig trocken.\nMit der Geschwindigkeit der Absonderung \u00e4ndert sich gleichzeitig der Gehalt an festen Theilen, und zwar im Allgemeinen in der Weise, dass er sich umgekehrt verh\u00e4lt wie die Absonderungsgeschwindigkeit. Vorstehende Curven (S. 183) geben eine Uebersicht.\nAus diesen Curven ergiebt sich 1. dass w\u00e4hrend des Verlaufes der Verdauung der pankreatisehe Saft die allererheblichsten Aende-rungen seiner Zusammensetzung erf\u00e4hrt. Zu gewissen Zeiten, beim Beginn der Absonderung und gegen das Ende derselben gleicht er dem von Cl. Bernard gegebenen Bilde, in der Zwischenzeit n\u00e4hert er sich der Zusammensetzung, Avelche bei l\u00e4ngere Zeit bestehenden, nach den fr\u00fcheren Methoden angelegten permanenten Fisteln die constante ist. Es kann also eine normale Dr\u00fcse sowohl ein vollkommen coagulables, als ein schwach gerinnendes Secret liefern. 2. Dass die Absonderungsgeschwindigkeit in hohem Maasse den Procentgehalt des Secretes beeinflusst. Die Minima der einen Gr\u00f6sse fallen mit den Maximis der andern zusammen, w\u00e4hrend die eine steigt, sinkt die andre. Doch mag schon hier bemerkt werden, dass dieses Verh\u00e4ltnis zwischen den beiden Gr\u00f6ssen kein unbedingtes ist. Unter gewissen Umst\u00e4nden kann mit steigender Absonderungsgeschwindigkeit der Procentgehalt wachsen, wie weiter unten zu er\u00f6rtern sein wird. \u2014\nDass die Zusammensetzung des pankreatisehen Saftes w\u00e4hrend der Verdauung keine constante sei, ist schon von fr\u00fchem Beobachtern bemerkt worden. Bernard fand gegen Ende der Verdauung das Secret \u00e4rmer an coagulabler Substanz; ebenso erhielt K\u00fchne1 aus tempor\u00e4ren Fisteln ein verd\u00fcnntes Secret in sp\u00e4tem Stunden nach der Operation oder auch gleich zu Anfang, wenn die Fistel in der 12.\u2014 15. Stunde nach der Nahrungsaufnahme angelegt wurde. Keine der fr\u00fcheren A ersuchsreihen erstreckt sich an demselben Thiere \u00fcber einen so langen Zeitraum wie diejenige, welcher die obigen Beobachtungen entnommen sind. In den ersten Tagen nach Anlegung der Fistel lieferte die Dr\u00fcse nur d\u00fcnnes, gehaltarmes Secret, allm\u00e4hlich wurde dasselbe concentrirter und gewann schliesslich die oben geschilderte Beschaffenheit, welche Wochen hindurch anhielt. Daraus ist wohl mit Sicherheit zu folgern, dass das Secret dem Normalzust\u00e4nde entsprach. \u2014 Das doppelte Maximum der Secretionsge-\nl W. K\u00fchne, Lehrbuch der physiologischen Chemie. S. 113. Leipzig 1868.","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeines \u00fcber die Pankreasfermente.\nO\n185\nschwindigkeit nach der Nahrungsaufnahme ist \u00fcbrigens bereits von Bernstein beobachtet worden; von den seinigen weichen meine Ergebnisse nur insoweit ab, als die Maxima des Procentgehaltes bei mir im Durchschnitte gr\u00f6sser sind, was ohne Zweifel mit der Art der Fisteloperation zusammenh\u00e4ngt, und dass die Geschwindigkeitsmaxima zeitlich ein wenig anders liegen.\nDRITTES CAPITEL\nBildung der Fermente in\nI. Allgemeines \u00fcber die Pankreasfermente.\nDer normale pankreatische Saft verdankt seine F\u00e4higkeit, St\u00e4rke in Zucker umzusetzen, Fette zu zerlegen und Albuminate zu pepto-nisiren, drei verschiedenen Fermenten, welche DanilewskD und\nBeindarstellung des Albuminatfermentes gelungen, welches fr\u00fcherhin als Pankreatin, von K\u00fchne als Trypsin bezeichnet wurde.\nWenn man nach Daxilewski das stets sauer reagirende Infus eines Hundepankreas mit Magnesiahydrat \u00fcbers\u00e4ttigt, f\u00e4llt mit dem Niederschlage des Magnesiasalzes das Fettferment aus. Aus dem Filtrate l\u00e4sst sich durch Zusatz von Cullodium das Trypsin, durch wenig Eiweiss verunreinigt, in Flocken gewinnen, wenn man das Cullodium in einer Mischung von Alcohol und Aether wieder l\u00f6st. Das Filtrat des Cullodium-niederschlages enth\u00e4lt das diastatische Ferment. \u2014 Paschutin benutzt die verschiedene L\u00f6slichkeit der drei Fermente in den concentrirten L\u00f6sungen verschiedener Salze zur Trennung derselben. Jodkalium, arseniksaures Kali, schwefelsaures Natron, Seignettesalz extrahiren aus der hinreichend zerkleinerten Dr\u00fcse das Trypsin st\u00e4rker als Wasser; Seignettesalz nimmt auch etwas diastatisches Ferment auf. Schw\u00e4cher wirken auf das Trypsin doppeltkohlensaures und schwefelsaures Kali. \u2014 Salpetersaures Natron und Ammoniak, die schwefelsauren und phosphorsauren Salze nehmen auch die beiden andern Fermente auf, aber schw\u00e4cher als Wasser. \u2014 Doppelt kohlensaures Natron, dem 1 2 3 4 \u2014 '/\u00e4o concentrirte Sodal\u00f6sung zugesetzt ist, l\u00f6st Fettferment st\u00e4rker als Wasser, gleichzeitig Spuren von Albuminatferment. Doppelt kohlensaures Natron, antimonsaures Kali und Brechweinstein extrahiren neben dem Fettfermente auch merkliche Mengen der beiden andern Fermente, aber viel weniger als Wasser. \u2014 Endlich arsensaures Kali f\u00fcr sich oder mit Ammoniak bis zur neutralen Reaction\n1\tDanilewski, Arch. f. path. Anat. XXV. S. 27t).\n2\tPaschutin, Arch. f. Anat. u. Physiol. LS73. S. 3S2.\n3\tW. K\u00fchne, Verh. d. naturhist.-med. Yer. zu Heidelberg. N. S. I. S. 3. 1S76.","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"136 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 4. Abschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nversetzt l\u00f6sen das diastatische Ferment viel reichlicher als Wasser und andere Salzl\u00f6sungen, zuweilen auch Spuren der andern Fermente.\nReines Trypsin erhielt K\u00fchne durch Alcoholf\u00e4llung des Driiseninfuses, L\u00f6sen des Niederschlages, neue F\u00e4llung durch Alcohol zu wiederholten Malen behufs Entfernung eines eigenthtimlichen eiweissartigen K\u00f6rpers (Leukoid), dann Aufl\u00f6sung und Erw\u00e4rmung in einprocentiger Essigs\u00e4ure bei 40\u00b0, Abfiltriren von einem dabei entstehenden Albuminatniederschlage, Entfernen der Erdsalze aus dem Filtrate durch Erw\u00e4rmen mit Soda, Einengung des neuen Filtrates bei 40 u C., wobei sich Pepton, Leucin und Tyrosin ausscheiden, endlich F\u00e4llung des Filtrates mit Alcohol. Der Niederschlag enth\u00e4lt neben dem Trypsin noch Pepton und Leucin, von welchen Beimengungen das Ferment durch Dialyse befreit werden kann. Das reine Trypsin ist in Wasser leicht l\u00f6slich, coagulirt wie Eiweiss nur in saurer L\u00f6sung vollkommen, zerf\u00e4llt bei einmaligem Aufkochen in coagu-lirtes Eiweiss und Pepton. Aus der L\u00f6sung in Wasser oder kohlensaurem Natron durch Eindunsten bei 40\u00b0 C. gewonnen, stellt das Trypsin einen schwach strohgelb gef\u00e4rbten durchsichtigen K\u00f6rper von eigenth\u00fcm-licher Elasticit\u00e4t dar, der zu einer leichten wolligen Masse auf br\u00f6ckelt.\nII. Bildung des Trypsin.\n1. Methode der Untersuchung.\nDie Bildung des Albuminatfermentes in dem Pankreas ist genauer verfolgt worden, als die Entstehung irgend eines andern Drtisenfer-mentes.1 Zum Verst\u00e4ndniss der hier vorliegenden Thatsac-hen ist es erforderlich, einige Bedingungen der Verdauungswirkung desselben zu besprechen.\nDie L\u00f6sung von rohem Faserstoff durch Trypsin wird beschleunigt durch die Gegenwart gewisser Salze. Zwar ist eine rein w\u00e4ssrige L\u00f6sung keineswegs unwirksam. In einer solchen zerf\u00e4llt der Faserstoff zun\u00e4chst ohne Quellung in kleine Partikeln. Die Fragmente werden allm\u00e4hlich gel\u00f6st und in Peptone umgewandelt; doch bleibt in der Regel bei niedrigem Fermentgehalte eine geringe Menge unl\u00f6slichen Bodensatzes zur\u00fcck; die L\u00f6sungszeit erstreckt sich \u00fcber viele Stunden.\nZusatz von kohlensaurem Natron beschleunigt die Faserstoffverdauung merklich schon bei 0,1 \u00b0/o, erheblicher bei h\u00f6herem Gehalte, wobei das Fibrin in Folge der Alcali-Wirkung aufquillt, ohne sich jedoch in fermentfreien Sodal\u00f6sungen auch bei l\u00e4ngerer Einwirkung aufzul\u00f6sen.\nDie L\u00f6sungsgeschwindigkeit des Fibrin h\u00e4ngt sowohl von dem Ferment-, als von dem Sodagehalte nach folgenden Regeln ab:\n1 R. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. X. S. 557.","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Bildung des Trypsin.\n187\n1.\tBei gleichem Gehalte an kohlensaurem Natron w\u00e4chst mit steigendem Fermentgehalte die L\u00f6sungsgeschwindigkeit bis zu einer gewissen Grenze, \u00fcber welche hinaus weiterer Fermentzusatz die L\u00f6sungszeit nicht mehr abzuk\u00fcrzen vermag. Diese Grenze wird bei um so h\u00f6heren Fermentwerthen erreicht, je geringer der Gehalt an kohlensaurem Natron.\n2.\tBei gleichem Fermentgehalte steigt die L\u00f6sungsgeschwindig-\nO\tO\tO\tO O\tG\nkeit mit dem Sodagehalte bis zu einer gewissen Grenze. Jenseits derselben bleibt sie eine Zeit lang constant, um bei sehr hohen Con-eentrationswerthen der Soda wieder zu sinken. Jene Grenze \u00e4ndert sieh mit dem Fermentgehalte: je h\u00f6her der letztere, auf um so ge-geringere Wertlie des Sodagehaltes r\u00fcckt sie herab. F\u00fcr mittleren Fermentgehalt liegt sie bei 0,9\u20141,2%, w\u00e4hrend bei 3 % Sodagehalt die Verdauungszeit sich schon merklich und bei 6\u00b0o sehr erheblich verl\u00e4ngert.\nBehufs Vergleichung des Trypsingehaltes in verschiedenen Fl\u00fcssigkeiten, z. B. verschiedenen Glycerin-Extracten der Dr\u00fcse, setzt man in einer Leihe voiVReagensgl\u00e4schen zu je 9 Ccm. Sodal\u00f6sung von 1,2% je 1 Ccm. der betreffenden Extraete nebst einer Flocke gut ausgewaschenen Faserstoffes, um die L\u00f6sungsgeschwindigkeit der verschiedenen Proben bei 35\u201440 \u00b0 C. zu bestimmen. Stellen sieh keine Differenzen heraus, so kann der Grund in Gleichheit des Trypsingehaltes, er kann aber auch daran liegen, dass in den Proben der Trypsingehalt die Grenze \u00fcberschritten hat, jenseits welcher Unterschiede des Fermentgehaltes sieh noch in Unterschieden der L\u00f6sungsgeschwindigkeit ausdr\u00fccken. Demzufolge wird es nothwendig, \u00e4hnliche neue Proben entweder mit geringerem Zusatz von Fermentl\u00f6sung oder geringerem Gehalte an kohlensaurem Natron oder gleichzeitiger Aenderung beider Bedingungen anzustellen. Man erh\u00e4lt auf diese Weise oft noch erhebliche Unterschiede bei Extracten, die in h\u00f6her concentrirten Probefl\u00fcssigkeiten keine Differenzen mehr erkennen lassen.\nDie Ursache daf\u00fcr, dass Zusatz von Soda die L\u00f6sungsgeschwindig-keit steigert, liegt in einem von K\u00fchne1 aufgedeekten Umstande. Unter dem Einfl\u00fcsse des Trypsin werden n\u00e4mlich die Albuminate nicht sofort in Peptone umgewandelt, sondern zun\u00e4chst in eine in Salzl\u00f6sungen l\u00f6sliche, in der Hitze coagulirbare Eiweissverbindung umgesetzt, welche erst sp\u00e4ter in Pepton \u00fcbergeht. In 'salzfreier Trypsinl\u00f6sung kann sieh jene erste Stufe der Fermentwirkung nat\u00fcrlich nicht \u00e4ussern, w\u00e4hrend sie sich bei Anwesenheit von Salzen in der fr\u00fchen L\u00f6sung des Fibrins geltend macht.\nPodolinski2 hat die Wirksamkeit einer Reihe von andern Salzen bez\u00fcglich ihrer F\u00e4higkeit untersucht, die Trypsinwirkung zu unterst\u00fctzen. In L\u00f6sungen von 1% und darunter wirkten die Natronsalze am G\u00fcnstigsten,\n1\tW. K\u00fchne. Arcli. f. d. ges. Physiol. XXXIX. S. 145.\n2\tS. Podolinski. Beitr\u00e4ge zur Kenntniss des pankreatiscken Eiweissfermentes. S. 43 u. fg. Breslau IS76.","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"i SS Heidenhain,Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 4. Abschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nvon den Kali- und Ammoniaksalzen der verschiedenen S\u00e4uren sind bei verschiedenen Concentrationen bald die einen, bald die andern wirksamer. Die Reihenfolge der Xatronsalze (absteigend) war: Aa-iCO-z ; XaCIIO?, ; NaCl- XaXOz; Xa^SOi', XazPOi ; die drei letzten ziemlich gleich wirksam. F\u00fcr die Kalisalze: K%CO$ : KCHOz ; /1AD3 ; KiSOa ; KJ (letztere drei ziemlich gleich) ; KCL \u2014 Von den Ammoniaksalzen war das Carbonat am wirksamsten, dann das Chlorid, Xitrat, Sulphat, das neutrale Phosphat. In ges\u00e4ttigten L\u00f6sungen stellten sich andere Reihenfolgen der Salze heraus, begreiflich, weil f\u00fcr die einen Salze die g\u00fcnstigste Concentration bei niedrigen, f\u00fcr andere bei hohem Werthen liegt.\n2. Das lebende Pankreas enth\u00e4lt eine Vorstufe (Zymogen) des Trypsin.\nBereitet man aus dem Pankreas eines seit 24 Stunden n\u00fcchternen Hundes ein Glycerinextract unmittelbar nach dem Tode1 (I-Ex-tract), ein anderes nach 24 st\u00e4ndigem Liegen der Dr\u00fcse an der Luft und in der W\u00e4rme (II-Extract), indem man auf l Gew.-Th. der mit Glaspulver zerriebenen Dr\u00fcse 10 Gew.-Th. Glycerin nimmt, und pr\u00fcft man beide Extracte in einer Sodal\u00f6sung von 1,2 \u00b00 auf ihre Wirksamkeit, so zeigt sich, dass das erstere Extract Faserstoff gar nicht oder doch nur sehr schwach, das letztere dagegen sehr energisch l\u00f6st.\nDas frische Pankreas enth\u00e4lt also im besten Falle nur sehr wenig, meist gar kein Trypsin. Nur unter ganz besondern, vorl\u00e4ulig nicht genauer angebbaren Bedingungen scheint sich schon in der lebenden Dr\u00fcse reichlich Trypsin zu entwickeln; so namentlich, wenn an den Thieren vor dem Tode schon l\u00e4ngere Zeit experimentirt worden ist. Derartige F\u00e4lle sind auch Weiss2 aufgestossen.\nDa nach 24 st\u00e4ndigem Liegen der Pankreassubstanz an der Luft durch Glycerin sich reichlich Trypsin gewinnen l\u00e4sst, muss die Dr\u00fcse eine chemische Verbindung enthalten, die noch nicht Trypsin ist, aber nach dem Tode Trypsin bildet. Ich habe diesen K\u00f6rper Zymogen des Trypsin (Cv/ur;, Hefe, Ferment) genannt. Von demselben sind bisher folgende Eigenschaften bekannt.\n1. Das Zymogen ist in Glycerin l\u00f6slich. Denn wenn man das in einprocentiger Sodal\u00f6sung unwirksame Glycerinextract eines frischen Pankreas mit destillirtem, aber nicht ausgekochtem Wasser verd\u00fcnnt, wird dasselbe wirksam.\nI Es ist hierbei aus sp\u00e4ter zu er\u00f6rternden Gr\u00fcnden wichtig, dass das zu extrahirende Pankreasst\u00fcck nach dem Ab w\u00e4gen sofort mit Glycerin \u00fcbergossen und erst dann mit Glaspulver zerrieben wird, um w\u00e4hrend des letzteren Actes den Zutritt von Sauerstoff m\u00f6glichst abzuhalten. \u2014 Soll dagegen eine wirksame Trypsinl\u00f6sung erzielt werden, so ist es zweckm\u00e4ssig, die Dr\u00fcsensubstanz mit Glaspulver zerrieben 24 Stunden an der Luft bei warmer Temperatur liegen zu lassen, bevor sie mit Glycerin \u00fcbergossen wird.\n2 Weiss, Arch. f. path. Anat. LXVIII. S. 413. 1STG.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Bildung des Trypsin. Zymogen.\n1S9\n2.\tDie Bildung von Trypsin aus clem Zymogen wird durch Sodal\u00f6sung von 1 \u20142\u00b0;o verhindert oder doch mindestens in ganz ausserordentlichem Maasse erschwert. Daher ist das I-Extract des frischen Pankreas in solcher Sodal\u00f6sung unwirksam. Verd\u00fcnnt man dagegen dasselbe auf das zehnfache Volumen mit Wasser und setzt erst nach mehrst\u00fcndiger Digestion in der W\u00e4rme kohlensaures Natron hinzu, so wirkt die L\u00f6sung jetzt kr\u00e4ftig auf Eiweissk\u00f6rper.\n3.\tWird ein Zymogen enthaltendes Glycerinextract der frischen Dr\u00fcse in kohlensaurem Natron (1,2 \u00b0/o) gel\u00f6st, so wird diese an sieh unwirksame L\u00f6sung sehr stark wirksam, wenn man durch dieselbe 10 Minuten lang Sauerstoffgas leitet. Unter dem Einfl\u00fcsse des letz-teren findet also Trypsinbildung statt.1 2\n4.\tWird Zymogen in ausgekochtem Wasser gel\u00f6st und vor Luftzutritt gesch\u00fctzt, so bleibt die L\u00f6sung unwirksam. Wenn also (s. oben sub 1) eine L\u00f6sung in nicht ausgekochtem Wasser wirksam wird, so beruht dies auf der Einwirkung des im Wasser absorbirten Sauerstoffes. Die Bildung von Trypsin l\u00e4sst sich hier schon nach 15 Minuten nachweisen und ist in 112 Stunden vollendet (Popolixski).\n5.\tEine unwirksame L\u00f6sung von Zymogen in kohlensaurem Natron wird durch Sch\u00fctteln mit Platinmoor kr\u00e4ftig wirksam (Popolixski).\nG. Wird eine Trypsinl\u00f6sung anhaltend mit Hefe gesch\u00fcttelt, welche bekanntlich stark reducirend wirkt, so vermindert sich ihre Wirksamkeit, um nach Durchleitung von Sauerstoff wieder zu steigen.\nAus 5 und 6 scheint zu folgen, dass das Zymogen durch Sauer-stoffaufnahme Trypsin bildet und letzteres durch Sauerstoffentziehung seine Wirksamkeit wieder einb\u00fcsst.\n7. Wird frische Pankreassubstanz mit dem gleichen Gewichte einprocentiger Essigs\u00e4ure 10 Minuten lang durchgerieben und erst darauf mit Glycerin \u00fcbergossen, so erh\u00e4lt man ein sofort stark wirksames Extract; unter dem Einfl\u00fcsse der Essigs\u00e4ure ist also Trypsin aus dem Zymogen gebildet worden.\nS. Nach K\u00fchxe- wird aus Zymogen durch Behandlung mit Alkohol in der W\u00e4rme Trypsin abgespalten.\nDie obigen Mittheilungen \u00fcber die Bedingungen, unter welchen das Trypsin aus seiner Muttersubstanz entsteht, k\u00f6nnen vorl\u00e4ufig nur als Anhaltspunkte f\u00fcr fernere Untersuchungen angesehen werden; namentlich sind weitere Aufschl\u00fcsse von den in Aussicht stehenden\n1\tPodolinski, Beitr\u00e4ge zur Kenntnis\" de\" pankreatischen Eiweissfermentes. S. 27. Breslau 1 S7ti.\n2\tYf. K\u00fchne, Yerh. d. naturhist.-med. Ver. zu Heidelberg. N. S. I. S. 3.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4iige. 4. Abschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nausf\u00fchrlicheren Ver\u00f6ffentlichungen K\u00fchxe\u2019s \u00fcber seine langj\u00e4hrigen Untersuchungen zu erwarten.\n3. Aenderung des Zymoyengehaltes der Dr\u00fcse w\u00e4hrend des Verlaufes\nder Verdauung.\nUm den Gehalt des Pankreas au Fermentk\u00f6rpern (Zymogen resp. Trypsin) zu verschiedenen Verdauungszeiten zu ermitteln, habe ich bei einer gr\u00f6sseren Zahl von Hunden zu verschiedenen Zeiten nach der F\u00fctterung von der Bauchspeicheldr\u00fcse sowohl frisch, als nach 24st\u00fcn-digem Liegen Glycerinextracte bereitet und ihren Gehalt an Zymogen resp. Trypsin nach der oben besprochenen Methode verglichen. Nach Beginn der Verdauung sinkt der Zymogengehalt der Dr\u00fcse allm\u00e4hlich, bis er um die 6. bis 10. Stunde nach der Nahrungsaufnahme sein Minimum erreicht. Von da ab beginnt er wieder zu steigen, um gegen die 16. Stunde auf einem Maximo anzugelangen, auf welchem er sich bis gegen die 30. Stunde h\u00e4lt. Weiterhin bei noch l\u00e4ngerer Nahrungsentziehung nimmt er allm\u00e4hlich wieder ein wenig ab, bleibt aber doch bis zur n\u00e4chsten Nahrungsaufnahme erheblich hoch.\nDiese Angaben treten in Widerspruch mit allen frittieren Beobachtungen \u00fcber den Gehalt der Bauchspeicheldr\u00fcse an Albuminatferment. In die Discussionen \u00fcber die Eiweiss verdauende F\u00e4higkeit des pankrea-tischen Saftes einzutreten, ist hier nur so weit der Ort, als sich dieselben auf die Bildung des Fermentes beziehen. Nachdem zuerst Purkinje und Pappenheim1, nach einer l\u00e4ngeren Pieihe von Jahren Corvisart2, die Verdauung von Eiweiss durch das Pankreas behauptet hatten, hob in dem Streite \u00fcber diese Frage Meissner3 hervor, dass die Dr\u00fcse ein wirksames Infus nur dann gebe, wenn sie einem in voller Verdauung begriffenen Thiere entnommen sei. Bald darauf bezeichnete Corvisart als diejenige Stunde, um welche das Pankreas das meiste Albuminatferment enthalte, die f\u00fcnfte bis achte der Verdauung.4 5 6 Aehnliche Angaben macht Schiff \\ Das Pankreas entleere sieh nach jeder vollst\u00e4ndigen Verdauung, bis vom Magen aus wieder eine gen\u00fcgende Quantit\u00e4t verwendbarer Verdauungs-producte in die Blutmasse aufgenommen sei Ladung der Dr\u00fcse). Aber schon K\u00fchne3 \u00e4usserte gegen diese so bestimmt gehaltenen Angaben Bedenken. Mit Sicherheit k\u00f6nne man allerdings auf eine wirksame Dr\u00fcse nur rechnen, wenn man den betreffenden Hund am Abende vor der Entnahme des Organes und dann zum zweiten Male 6 Stunden vorher gef\u00fcttert habe. Aber andrerseits fand K\u00fchne selbst nach sechst\u00e4gigem\n1\tPurkinje & Pappenheim, Froriep\u2019s Notizen. I. 1836.\n2\tL. Corvisart. Sur une fonction peu connue du pancr\u00e9as. Paris 1857- 58.\n3\tG. Meissner. Ztschr. f. rat. Med. (3) A II. S. 17 u. fg. 1856.\n4\tL. Corvisart, Moleschott\u2019s Untersuchungen. A II. S. 86. 1859.\n5\tM. Schiff, Schmidt\u2019s Jahrb\u00fccher. CY. S. 266. 1860.\n6\tW. K\u00fchne, Arch. f. pathol. Anat. XXNIX. S. 161. 1861.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Zymogengehalt der Dr\u00fcse w\u00e4hrend der Verdauung.\n191\nHungern eine vortrefflich wirksame Dr\u00fcse. I nwirksame Organe, welche sich durch grosse Transparenz auszeichnen, traf K\u00fchne zuf\u00e4llig bei sehr schlecht ern\u00e4hrten oder durch Vivisection heruntergekommenen Hunden. Wie man aber eine Dr\u00fcse mit Sicherheit unwirksam machen k\u00f6nne, dar\u00fcber gewann K\u00fchne keine bestimmten Erfahrungen.\nWie nun die fr\u00fcheren Beobachter dazu gekommen sind, dem Pankreas hungernder Thiere jede Wirksamkeit abzusprechen und die \u201eLadung\u201d der Dr\u00fcse in den ersten Verdauungsstunden vor sich gehen zu lassen, \u2014 dar\u00fcber sichere Auskunft zu geben bin ich nicht im Stande. Die Ursache kann nur in der Methode der Trypsin-Gewinnung liegen: man bereitete w\u00e4ssrige Infuse, oft mit verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig sehr geringen Wassermengen. Ob in das Wasser Zymogen als solches \u00fcbergeht, ob es sich in wirksames Pankreatin umsetzt, mit welcher Geschwindigkeit der L\u00f6sungs - und Umsetzungsprocess vor sich gehen, das Alles h\u00e4ngt von einer Reihe von Bedingungen ab, welche wir vorl\u00e4ufig mit Sicherheit nicht in der Hand haben. Ich habe bei Infusionsversuchen von Hundedr\u00fcsen jedenfalls so viel gesehen, dass aus verschiedenen Dr\u00fcsen freies Ferment mit sehr verschiedener Geschwindigkeit in L\u00f6sung geht, dass ein stark wirksames Infus bei fortgesetzter Digestion wieder schwach wirksam werden kann, dass ferner ein Dr\u00fcseninfus w\u00e4hrend der ganzen Dauer der Infusion frei von Trypsin sein, dagegen viel Zymogen enthalten kann. Diese Ver\u00e4nderlichkeit der w\u00e4ssrigen Infuse erkl\u00e4rt sich, wenn man bedenkt, dass ihr Trypsingehalt von dem Zymogengehalt des Organes, der Schnelligkeit der Umsetzung letzterer Substanz in Trypsin abh\u00e4ngt, dass aber der letztere Process beschleunigt wird theils durch S\u00e4uren, die sich in den Infusen in variabler Menge aus den Fetten der Dr\u00fcsensubstanz ab-scheiden k\u00f6nnen, theils durch den Zutritt von Sauerstoff, dagegen verz\u00f6gert oder selbst gehemmt wird durch Salze, \u2014 lauter Einfl\u00fcsse, die in Rechnung zu ziehen und zu reguliren schwer m\u00f6glich sein d\u00fcrfte. Von diesen schwankenden Bedingungen ist der von mir eingeschlagene Untersuchungsweg frei ; seine Ergebnisse verdienen um so mehr Vertrauen, als sie vollst\u00e4ndig ihre Deutung in den sp\u00e4ter zu besprechenden histologischen Ver\u00e4nderungen der Dr\u00fcse w\u00e4hrend der Verdauung finden.\nIII. Das diastatisehe und das Fettferment.\nBeide Fermente sind nach Beobachtungen von Gr\u00fctzner1 w\u00e4hrend der Verdauung in der Dr\u00fcse ganz \u00e4hnlichen Schwankungen unterworfen, wie das Albuminatferment. F\u00fcr beide fand Gr\u00fctzner den geringsten Gehalt um die 6. Verdauungsstunde. Der gr\u00f6sste Gehalt an diastatischem Ferment tied in die 11. Stunde nach der Mahlzeit; von da an nahm er sehr langsam ab, blieb aber doch weit h\u00f6her als in den ersten Verdauungsstunden. Der Gehalt an Fettferment stieg von der b. bis zur 40. Verdauungsstunde langsam an.\nI P. Gr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 2S5 u. fg. ISTij.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 4. Abschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nAlle drei Fermente also erreichen um die 6. Stunde oder etwas sp\u00e4ter ihr Minimum, steigen dann gemeinschaftlich bis zur 14.\u201416. Stunde an. Von da ab treten nur geringe Aenderungen ein, und zwar beim diastatischen Fermente in negativem, beim Fettfermente noch in positivem Sinne, w\u00e4hrend beim Albuminatfermente der Gehalt l\u00e4ngere Zeit merklich constant bleibt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die geringen Abweichungen der Fermente unter einander in den letzten Stunden w\u00e4hrend und in den ersten Stunden nach der Verdauung nur scheinbare sind und auf der verschiedenen Sch\u00e4rfe der Untersuchungsmethoden beruhen.\nUm den Gehalt der Glycerinextracte verschiedener Dr\u00fcsen an dia-statischem Ferment zu vergleichen, brachte Gr\u00fctzner gleiche Volumina von 3 \u2014 4procentigem St\u00e4rkekleister, welcher durch Filtrirpapier ohne Weiteres nicht hindurchgeht, auf gleich grosse Filtra und setzte zu jeder Portion 0,2\u20140,3 Ccm. des Glycerinextractes. Durch die Einwirkung des Fermentes wird die St\u00e4rke verfl\u00fcssigt und filtrirt ab, um so schneller, je mehr Ferment vorhanden ist. Die in gleichen Zeiten filtrirenden Mengen geben einen Sch\u00e4tzungsmaassstab f\u00fcr den Fermentgehalt der verschiedenen Extracte.\nBehufs Gewinnung des Fettfermentes aus der Dr\u00fcse ist die Extraction mit schwach alkalisch gemachtem Glycerin (9 Th. Glycerin, 1 Th. einprocentige Sodal\u00f6sung) vorzunehmen, da die gew\u00f6hnlichen Glycerin-Extracte leicht nach einigen Tagen sauer werden und damit das Fettferment schwindet. Zur Pr\u00fcfung der Extracte wird neutrale Lakmus-L\u00f6-sung in Probirgl\u00e4sehen von etwa 1 Cm. Durchmesser bei solcher Verd\u00fcnnung vor einem Schirme weissen Papiers aufgestellt, dass die Fl\u00fcssigkeit einen in allen Gl\u00e4schen gleichen veilchenblauen Ton annimmt. Darauf werden gleiche Mengen der verschiedenen Glycerin-Extracte und einige Tropfen neutraler Mandel-Emulsion (Ol. amygdal. 10,0, Gummi arab. 5,0, Aqua dest. 35,0) hinzugethan. Die Schnelligkeit und der Grad der R\u00f6-thung der Gemische geben Aufschluss \u00fcber ihren verschiedenen Gehalt an Fettferment.\nVIERTES CAPITEL.\nDie einzelnen Absonderungsbedingungen.\nI. Der Absonderuiigsdruck.\nNach Messungen von A. Henry und P. Wollhelm1 betr\u00e4gt bei Kaninchen der h\u00f6chste Druckwerth, welcher in einem in den Pankreasgang gesetzten Manometer erreicht wird. 219\u2014225 Mm. A\\ asser-\nI A. Henry <fc Wollheim. Arcb. f. d. ges. Pbysiol. XD . S. 405.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Absonderungsdruck. Verschluss des Pankreasganges.\n193\nh\u00f6he (== 16,8 \u2014 17,3 Mm. Quecksilber), eine Ziffer, welche dem Ausflussdrucke der Galle sehr nahe steht. Die Absonderung dauert bei diesem Druckwerthe fort; es wird aber in der Zeiteinheit ebensoviel Fl\u00fcssigkeit in den ableitenden G\u00e4ngen nach Aussen filtrirt, als in den secernirenden Schl\u00e4uchen abgesondert. Die Filtration l\u00e4sst sich an dem Oedem der Dr\u00fcsenl\u00e4ppchen leicht erkennen. Jene Druckgr\u00f6sse giebt, wie bei allen Dr\u00fcsen, so auch hier, nur eine untere Grenze f\u00fcr die bei der Secretion wirksamen Triebkr\u00e4fte, welche der thats\u00e4chliehe Werth der letzteren vielleicht bei Weitem \u00fcbertrifft.\nBei der Geringf\u00fcgigkeit der Filtrationswiderst\u00e4nde in den G\u00e4ngen, welche die obigen Zahlen nachweisen, ist es wohl zweifellos, dass Katarrhe des D\u00fcnndarms, welche zu einer Gelbsucht erzeugenden Abfluss-hemmung der Galle aus dem Dct. choledochus f\u00fchren, auch den Abfluss des Pankreassecretes nach dem Darme hindern und Resorption desselben veranlassen werden. Unter diesen Umst\u00e4nden schien es interessant, die\nFig. 4S. Ver\u00e4nderungen des Pankreas nach Unterbindung des Ausf\u00fchrungsganges.\nFolgen des Verschlusses des Pankreasganges kennen zu lernen. Nach Beobachtungen von J. Pawlow1 treten bei derartig operirten Kaninchen merkliche Ern\u00e4hrungsst\u00f6rungen nicht auf; wenigstens zeigt das K\u00f6rpergewicht Wochen hindurch keine Abnahme. Die Absonderung dauert stetig fort, denn wenn selbst 30 Tage nach der Unterbindung eine Fistel des\nt J. Pawlow, Arch. f. d. ges. Physiol. XVI. S. 124. 187S.\nHandbuch der Physiologie. Bd. V.\t13","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 4. Abschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nGanges angelegt wurde, liess sich noch Secret erhalten, welches ausnahmslos diastatisches wie Albiuninatferment enth\u00e4lt. Die Dr\u00fcse selbst zeigt auff\u00e4llige histologische Ver\u00e4nderungen. W\u00e4hrend die Zellen der Schl\u00e4uche sich verkleinern, tritt eine interstitielle Bindegewebswucherung ein, an den stark erweiterten G\u00e4ngen beginnend und sich zwischen die Schl\u00e4uche erstreckend, welche allm\u00e4hlich kolossale Dimensionen annimmt und einen Tlieil des secernirenden Parenchyms zur Ver\u00f6dung bringt. Die Zellen der \u00fcbrig gebliebenen Schl\u00e4uche bieten, wenn das auf die Unterbindung zun\u00e4chst folgende entz\u00fcndliche Stadium vor\u00fcber ist, das Aussehen normaler Zellen bei anhaltender Absonderung, d. h. sie zeigen eine verkleinerte k\u00f6rnige Innenzone. Wenn bei diesen Versuchen zweifellos Resorption pankreatischen Saftes in ausgiebigstem Maasse stattfindet, so fragt sich, auf welche Weise das zur Aufsaugung gelangte Albuminatferment f\u00fcr den Organismus unsch\u00e4dlich gemacht wird, da subcutane Injection von Pankreassaft Zerst\u00f6rung der Gewebe in kolossalstem Maasse herbeif\u00fchrt. Ich kann nur im Hinblick auf die oben mitgetheilten Beobachtungen Podo-linski\u2019s vermuthen, dass das verderbliche Trypsin nach der Resorption durch Sauerstoffentziehung in das unschuldige Zymogen verwandelt wird.\nDie letztere Vermuthung ist seither durch A ersuche von Langendorff1 an Tauben best\u00e4tigt worden. Bei diesen Thieren leidet nach l nterbin-dung der Pankreasg\u00e4nge die Ern\u00e4hrung im h\u00f6chsten Maasse. Trotz erheblich gesteigerter Fresslust nimmt das K\u00f6rpergewicht stetig ab, weil Amylaceen so gut wie gar nicht mehr verdaut werden, und die Tliiere sterben schliesslich an Inanition. Die Dr\u00fcse zeigt \u00e4hnliche interstitielle Bindegewebswucherung und Atrophie des Parenchyms, wie bei Kaninchen, nur noch hochgradiger entwickelt. In dem Blute fand Langendorff niemals Trypsin, wohl aber Zymogen, welches im Blute gesunder rauben nicht vorkommt, daneben reichlich diastatisches Ferment.\nII. Einfluss des Xervensystems auf die Absonderuugs-\ngeselrwindigkeit.\nDass die Absonderung des Pankreassaftes unter dem Einfl\u00fcsse des Nervensystems steht, beweist in zweifelloser Weise der sofortige Eintritt der Secretion bei Aufnahme von Speisen in den Magen, ein offenbar reflectorischer Vorgang.\nIm Einzelnen st\u00f6sst die Untersuchung des Nerveneinflusses auf sein-grosse Schwierigkeiten. Eine der haupts\u00e4chlichsten liegt in der allen Beobachtern nur zu bekannten Thatsache, dass das Pankreas in seiner Th\u00e4tigkeit sehr h\u00e4ufig durch unberechenbare Einfl\u00fcsse gest\u00f6rt wird. Solche St\u00f6rungen sind theils localer Art, auf die Dr\u00fcse unmittelbar einwirkend, welche in der ersten Zeit nach der Fisteloperation ihren Dienst sehr oft versagt, theils allgemeiner Natur. Denn auch bei permanenten Fisteln, bei welchen die Absonderung in vollem Gange ist, erf\u00e4hrt dieselbe bei Versuchen \u00fcber den Einfluss dieses oder jenes Nerven durch die vorbe-\n1 0. Langendorff, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1879. S. 23. 29.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Nervensystems auf die Absonderung.\n195\nreitenden Operationen (Curarisirung, k\u00fcnstliche Athmung u. s. f.) sehr oft dauernde Unterbrechung.\nUnter diesen Umst\u00e4nden haftet allen Beobachtungen eine gewisse Unsicherheit an, welche nur durch grosse Vervielf\u00e4ltigung der Versuche zu beseitigen ist. Zu den als zweifellos anzusehenden Thatsachen geh\u00f6ren folgende :\n1.\tAuch nach Durchschneidung der zu der Dr\u00fcse tretenden Nerven besteht die Absonderung fort, und zwar, wie es scheint, in gesteigertem Maasse (Bernstein1).\nFreilich wurden bei den Versuchen B.\u2019s nicht s\u00e4mmtliche, sondern nur die die Hauptarterien begleitenden Nerven durchschnitten.\n2.\tDie Absonderung kann durch electrische Reizung des verl\u00e4ngerten Markes hervorgerufen, oder, wenn sie bereits besteht, beschleunigt werden.2\nDiese Beobachtung gelingt nicht ausnahmslos, aber doch in einer so grossen Zahl von F\u00e4llen, dass sich an dem Einfl\u00fcsse des verl\u00e4ngerten Markes nicht zweifeln l\u00e4sst. Im Besonderen bietet der Erfolg der Reizung der Med. oblongata mancherlei Eigenth\u00fcmliches. Die Gr\u00f6sse des Effectes der einzelnen Reizung nimmt in der Regel mit der Zahl der Reizungen eine Zeit 1 mg zu, so dass die Empf\u00e4nglichkeit der Dr\u00fcse f\u00fcr die Erregung wenigstens eine Zeit lang gesteigert zu werden scheint. W\u00e4hrend einer einzelnen durch mehrere Minuten fortgesetzten Reizung tritt in der Mehrzahl der F\u00e4lle w\u00e4hrend der ersten Reizminute Beschleunigung der Absonderung ein, die aber bald aufh\u00f6rt, um einer Verlangsamung oder selbst v\u00f6lligem Stillst\u00e4nde Platz zu machen. Nach Schluss der Reizung, oft erst in der zweiten bis dritten Minute, macht sich die haupt s\u00e4chliche Beschleunigung geltend, also erst als Nachwirkung der Reizung. Doch gilt dieser Ablauf der Reizung nur f\u00fcr die Mehrzahl der F\u00e4lle, aber nicht ausnahmslos. Namentlich in sp\u00e4tem Perioden des Versuches, wenn bereits eine Anzahl von Reizungen voraufgegangen ist, tritt nicht selten die wesentliche Beschleunigung schon w\u00e4hrend der Reizdauer auf, ja sogar mitunter schon von der ersten Reizminute ab. \u2014 Der Grund f\u00fcr den Wechsel zwischen anf\u00e4nglicher Beschleunigung, sp\u00e4terer Verlangsamung und nochmaliger nachtr\u00e4glicher Beschleunigung ist schwer angebbar. F\u00fcr die Verlangsamung liegt die Ursache vielleicht nur in mechanischen Ab-flusshindernissen. Wahrscheinlicher ist es mir, dass sie auf einer durch Gef\u00e4sscontraction bedingten An\u00e4mie der Dr\u00fcse beruht, denn ich habe bei gewissen Versuchen beobachtet, dass bei rhythmischer Zusammenziehung der Abdominalgef\u00e4sse eine jede Verengerung derselben mit Verlangsamung der Absonderung einherging. Bei der Reizung des verl\u00e4ngerten Markes scheinen mithin zwei Momente zusammenzutreffen: erstens in Folge der Erregung secretoriseher Nerven gewisse Ver\u00e4nderungen in den Dr\u00fcsenzellen, welche Bedingungen f\u00fcr den Eintritt der Absonderung setzen, zwei-\n1\tBernstein. Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. V iss. 1S69. S. 112.\n2\tL. Landau. Zur Physiologie der Bauchspeichel-Absonderung. Berlin 1SG3. \u2014 B. Heidenhain, Arch. f. d.ges. Physiol. IS75. S. 606.\n13*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 4. Absclin. Bauchspeicheldr\u00fcse.\ntens eine Einwirkung auf die Gef\u00e4sse, welche es verhindert, dass die Absonderung w\u00e4hrend der Dauer des Bestehens der Gef\u00e4sscontraction wirklich zu Stande kommt. Erst wenn die Gef\u00e4sscontraction vor\u00fcber, kommen die in den Dr\u00fcsenzellen gesetzten Ver\u00e4nderungen thats\u00e4chlich zur Geltung. F\u00fcr die nachtr\u00e4gliche Absonderung kommt aber vielleicht auch mit in Betracht, dass jede starke und anhaltende Reizung des verl\u00e4ngerten Markes von Nachwirkungen gefolgt ist, die sich z. B. an den Skelettmuskeln in klonischen Zuckungen kundgeben. Jedenfalls tragen diese nachtr\u00e4glichen Reizwirkungen nicht die alleinige Schuld an der nachtr\u00e4glichen Absonderung der Beschleunigung, denn die letztere kommt auch bei Reizung des Halsmarkes zu Stande, welche von Nachzuckungen nichts gefolgt ist.\n3.\tTrotzdem darf das verl\u00e4ngerte Mark nicht als Secretionscen-trum in dem Sinne angesehen werden, dass ohne seine Mitwirkung die Absonderung auf h\u00f6rte. Denn nach Trennung des Halsmarkes vom verl\u00e4ngerten Marke kann die Secretion, obschon mit verminderter Energie, fortbesteken.\n4.\tDie zur Dr\u00fcse tretenden peripherischen Nerven anlangend, so hat ein director Einfluss derselben auf die Secretion in der Weise, wie ihn die Speichelnerven auf die Speichelabsonderung besitzen, nicht nachgewiesen werden k\u00f6nnen. Da sowohl Trennung des Halsmarkes wie Trennung der Dr\u00fcsennerven die absondernde Th\u00e4tigkeit des Organs fortbesteken l\u00e4sst, m\u00fcssen in diesem alle Bedingungen f\u00fcr die Secretion gegeben sein, wie in dem Herzen f\u00fcr den Herzschlag. Wie es aber f\u00fcr das Herz Beschleunigungsnerven giebt, so nach dem Voraufgehenden offenbar auch f\u00fcr das Pankreas.\n5.\tVielleicht ist eine weitere Analogie zwischen der Innervation dieser Dr\u00fcse und der des Herzens auch in der Existenz von Hemmungsnerven gegeben. Denn bereits Cl. Bernard, sp\u00e4ter Weinmann1 und ganz besonders Bernstein2 heben hervor, dass beim Erbrechen die Absonderung sich verz\u00f6gere. Eine \u00e4hnliche Hemmung brachte Bernstein durch Reizung des centralen Vagusendes zu Stande, so lange die Pankreasnerven undurchschnitten waren, und Afana-siew und Pawlow3 durch Reizung anderweitiger sensibler Nerven, z. B. der Haut. Ich m\u00f6chte vermutken, dass die Hemmung in diesen F\u00e4llen nicht sowohl directer als indirecter Natur ist, n\u00e4mlich auf hochgradiger reflectoriscker Gef\u00e4ssverengerung beruht, wobei freilich im h\u00f6chsten Grade auffallend bleibt, dass nach den letzteren Beobachtern eine einfache sensible Reizung, z. B. die Durchschneidung\n1\tWeinmann, Ztschr. f. rat. Med. N. F. III. S. 253. 1853.\n2\tBernstein. Ber. d. sack. Ges. d Wiss. 1869. S. 106.\n3\tJ. Pawlow, Arch. f. d. ges. Phys. XVI. S. 173 u. fg. 187S.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Nervensystems auf die Zusammensetzung des Secretes. 197\ndes Ischiadicus, die Absonderung selbst auf die Dauer eines Tages hemmen soll.\n5. Endlich sei hier noch erw\u00e4hnt, dass nach Pawlow Atropin die Pankreasabsonderung hemmt, aber nur bei Hunden, nicht bei Kaninchen, obschon es bei den letzteren die Speichelabsonderung auf hebt, \u2014 sowie dass nach meinen Erfahrungen durch Pilocarpin sich bei Hunden langsame Absonderung concentrirten Secretes aus frisch angelegten Fisteln erzielen l\u00e4sst, wenn man hinreichend grosse Dosen in das Blut einspritzt.\nCurara soli nach Bernstein die Absonderung meist beschleunigen, doch haben weder ich noch Langendorff (bei Tauben) Aelmliches beobachtet ; wir sahen dieselbe nach der Curarisirung meist sinken. \u2014 Pilocarpin ist bei Tauben wirkungslos, Atropin setzt bei denselben Thieren die Secre-tionsgeschwindigkeit herab.1\nIII. Einfluss des Nervensystems auf die Zusammensetzung\ndes Secretes.\nEs ist friiherhin gezeigt worden, dass w\u00e4hrend des Ablaufes einer Verdauungsperiode der Gehalt des Secretes an festen Bestandtheilen bestimmten Schwankungen unterliegt, die einen ungef\u00e4hr umgekehrten Gang nehmen, wie die Schwankungen der Absonderungsgeschwindigkeit. Denn im Allgemeinen geht der Procentgehalt herunter, w\u00e4hrend die Absonderungsgeschwindigkeit steigt, und umgekehrt.\nAllein schon Bernstein2 hat mit Kecht bemerkt, dass dieses Verhalten kein absolut constantes ist: es kommen nicht selten Ausnahmen vor, welche zu dem Schl\u00fcsse n\u00f6thigen, dass der Procentgehalt noch von andern Umst\u00e4nden als von der Absonderungsgeschwindigkeit beeinflusst wird.\nWem nur die Erfahrung vorliegt, dass bei steigender Absonderungsgeschwindigkeit w\u00e4hrend der Verdauung der Procentgehalt in der Regel sinkt und umgekehrt, der wird der nahe naheliegenden Annahme zuneigen, dass bei der Verst\u00e4rkung der Absonderung auf reflectorisckem Wege Nichts stattfinde, als eine Beschleunigung der Wasserabgabe, und dass der Vorgang der Absonderung, so weit er vom Nerveneinflusse abh\u00e4ngt, nur in Herbeif\u00fchrung von Fl\u00fcssigkeits-Transsudation bestehe. Bei langsamer Transsudation belade die Fl\u00fcssigkeit sich reichlich, bei schneller sp\u00e4rlich mit festen Secret-bestandtheilen, \u2014 damit scheint sich Alles zu erkl\u00e4ren.\n1\tLangexdorff, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1ST9. S. 7 u. fg.\n2\tBernstein, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. AYiss. 1SG9. S. 130.","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198 Heidenhain, Physiol, cl. Ab s onderungs Vorg\u00e4nge. 4. Abschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nAber diese scheinbar einfachste Auffassung ist f\u00fcr mancherlei anderweitige Erfahrungen unzureichend.\nLegt man bei n\u00fcchternen Hunden, bei welchen die Dr\u00fcsenzellen sehr reich an Absonderungsmaterial sind, eine Fistel an, so kommt nach \u00fcbereinstimmendem Zeugnisse vieler Beobachter mitunter sehr langsame Absonderung sehr gehaltsarmen Secretes zu Stande. Es m\u00fcssen also gewisse Bedingungen f\u00fcr die L\u00f6sung der in den Dr\u00fcsenzellen vorhandenen Substanzen fehlen, die zu andern Zeiten vorhanden sind. Wird z. B. bei einem n\u00fcchternen Hunde die Absonderung durch Pilocarpin hervorgerufen, so f\u00e4llt der Procentgehalt immer sehr hoch aus.\nEbensowenig reimt sich mit jener Auffassung die Beobachtung, dass unter gewissen Verh\u00e4ltnissen mit steigender Secretionsgeschwin-digkeit der Gehalt des Secretes an festen Theilen nicht sinkt, sondern steigt. Wenn bei Fistelhunden langsame Absonderung statt-findet und man w\u00e4hrend derselben den Filieren zu fressen giebt, so nimmt die Absonderungsgeschwindigkeit und mit ihr der Procentgehalt zu, so lange jene nicht \u00fcber gewisse Grenzen hinausgeht.1\nSo betrug z. B. bei einem Fistelhunde am 2. Tage nach der\nOperation\tdie Absonderung>-geschwindigkeit pro Min.\tder Procentgehalt\nVor der F\u00fctterung\t\t0,026 Grm.\tl,70/o\nUnmittelbar nach Milchf\u00fctterung\t0,079\t\u201e\t3,06%\nGleich darauf\t\t0,152\t\u201e\t2,54 \u00b0/o\n2 St. 25 Min. sp\u00e4ter .\t.\t.\t. am dritten Tage\t0,032\t\u201e\t3,230/o\nVor der F\u00fctterung\t\t0,095\t,,\tl,990/o\nGleich darauf ......\t0,124\t\u201e\t2,830/o\nGleich darauf\t\t0,348\t\u201e\t1,44%\nEs muss hiernach bei der Anregung der Absonderung durch Speiseaufnahme mehr geschehen, als eine blosse Beschleunigung der Wasserabsonderung; die Steigerung des Procentgehaltes bei steigender Secretionsgesehwindigkeit l\u00e4sst sich nicht anders erkl\u00e4ren als durch die Annahme einer directen Einwirkung des Nervensystems auf die Ausscheidung der festen Bestandteile, \u2014 ein Vorgang, der bei den Speicheldr\u00fcsen wohl ausser Zweifel gestellt ist.\nNoch directer wird dieselbe Thatsache durch Versuche erwiesen, in denen bei Reizung des verl\u00e4ngerten Markes mit der Absonde-rungsgeschwindigkeit zugleich der Procentgehalt in die H\u00f6he ging.\nt R. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. 1875. S. 622. \u2014 Afanasiew & Paw-Low, Ebenda. XVI. S. 176. 1S7S.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Circulation w\u00e4hrend der Absonderung.\n199\nEr stieg\u2019 z. B. in einer Reihe von F\u00e4llen\nvon 2,46% (vor der R.) auf 6,01\u00b0,o (nach derselben)\n\u201e\t2,390/0\t' n\tn\t4,3 lOo\n\u201e\t1,69 und 2,13\u00b0 0\t\u00bb\t3,34\u00b0,0\t\u00bb\n\u201e\t3,7 l 0 0\tn\t4?S3%\tn\nNach Analogie der an den Speicheldr\u00fcsen gemachten Erfahrungen werden wohl auch f\u00fcr das Pankreas zwei Reihen von Dilisennci-ven seine Th\u00e4tigkeit vermitteln: eigentlich secretorische, welche die Wasserabsonderung beherrschen, und trophische, welche den Stoft-umsatz in den Zellen beeinflussend, den Uebergang der festen (organischen) Bestandteile in das Secret vermitteln.\nF\u00dcNFTES CAPITEL.\nInnere Vorg\u00e4nge in der Dr\u00fcse w\u00e4hrend der Absonderung.\nI. Die Circulation.\nWie in vielen Dr\u00fcsen, so tritt auch in dem Pankreas w\u00e4hrend seiner Th\u00e4tigkeit eine Aenderung des Blutlaufes ein. Schon Ce. Bernard bemerkte mit Recht, dass w\u00e4hrend der \\ erdauungspausen die Dr\u00fcse blass und blutleer, w\u00e4hrend der Verdauung dagegen durch vermehrten Blutgehalt ger\u00f6thet sei. K\u00fchne und Lea1 konnten an dem Pankreas lebender Kaninchen diese Circulationsbeschleunigung unter dem Mikroskope genauer studiren: an den in Absonderung begriffenen L\u00e4ppchen f\u00fchrten die Venen hellrothes, an den ruhenden dunkles Blut. Die Capillaren der letzteren waren so enge, dass ein einzelnes rothes Blutk\u00f6rperchen den Querschnitt vollst\u00e4ndig ausf\u00fcllte, die Capillaren der ersteren erweiterten sich allm\u00e4hlich so hochgradig, dass auf demselben Querschnitte mehrere Blutk\u00f6rperchen 1 latz hatten. An den Capillaren wie an den Venen wurde der Puls sichtbar.\nOffenbar handelt es sich hier, wie bei den \u00e4hnlichen Erscheinungen an den Speicheldr\u00fcsen, um die Einwirkung get\u00e4sserweitern-der Nerven, deren Bahnen jedoch f\u00fcr das Pankreas noch ebenso\nl K\u00fchne & Lea, Verb. d. naturbist.-med.Ver. zu Heidelberg. N. F. I. (5) Leider fehlen noch ausf\u00fchrlichere Mittheilungen \u00fcber jene interessanten Beobachtungen.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 4. Abschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nimbekannt sind, wie f\u00fcr alle \u00fcbrigen Unterleibsorgane. Versuche mannigfachster Art mit directer und reflectorischer, tetanischer und rhythmischer Reizung haben mich nicht zur Auffindung derselben gef\u00fchrt.\nII. Morphologische Aeiiderungen der Driisenzcllen w\u00e4hrend\nder Absonderung.\n1. Beobachtungen an mikroskopischen Pr\u00e4paraten des Pankreas.\nEine Reihe systematischer F\u00fctterungsversuche an Hunden hat f\u00fcr die Zellen des Pankreas w\u00e4hrend des Ablaufes der nach reichlicher Mahlzeit 16\u201420 Stunden w\u00e4hrenden Verdauung folgende Umwandlungen an den secretorischen Zellen erkennen lassen.\nErstes Verdauungsstadium, bis zur 6.\u201410. Stunde sich\nerstreckend. Die k\u00f6rnige Innenzone der Zellen, welche an mit Carmin oder H\u00e4matoxylin tingirten Alkoholpr\u00e4paraten ruhender Dr\u00fcsen ungef\u00e4rbt bleibt, zeigt w\u00e4hrend der ersten Verdauungsstunden st\u00e4rkere und dichtere Tr\u00fcbung und wird gleichzeitig empf\u00e4nglich f\u00fcr den Farbstoff, f\u00fcr H\u00e4matoxylin in st\u00e4rkerem Maasse als f\u00fcr Carmin. Allm\u00e4hlich verkleinert sich jene Zone, welche in dem ruhenden Pankreas sich \u00fcber den grossem Theil der Zellen erstreckt, bis sie in vielen Zellen nur die dem Lumen des Schlauches zugewandte Innenspitze einnimmt oder selbst ganz schwindet, w\u00e4hrend die homogene gef\u00e4rbte Aussenzone an Breite gewinnt und hier und da, wo die K\u00f6rnerzone vollst\u00e4ndig fehlt, den ganzen Umfang der Zellen einnimmt. Das Wachsthum der Aussenzone h\u00e4lt aber nicht gleichen Schritt mit dem Schwunde der Innenzone, sodass die Zellen und mit ihnen die ganzen Schl\u00e4uche im Durchschnitte verkleinert erscheinen.","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Morphologische Aenderung der Dr\u00fcse w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit.\n201\nDie Zellkerne, in der unbesch\u00e4ftigten Dr\u00fcse oft eckig verzogen, erscheinen in der th\u00e4tigen meist scharf kreisrund und mit auffallend deutlichen Kernk\u00f6rperchen versehen.\nNiemals befinden sich alle Dr\u00fcsenschl\u00e4uche in genau gleichem Zustande, vielmehr sind die einzelnen in den der Th\u00e4tigkeit entsprechenden Ver\u00e4nderungen bald mehr, bald weniger weit vorgeschritten.\nBei Kaninchen, deren Magen sich niemals entleert, kann man auch auf den unth\u00e4tigen Zustand der Dr\u00fcsenzellen niemals mit Sicherheit rechnen ; aber ich habe Hunger-, wie Yerdauungsbilder oft genug getroffen. Bei den ersteren nehmen die K\u00f6rnchen den gr\u00f6ssten Theil der Zellen, bei den letzteren nur den Innensaum ein.\t-\nDas erste Verdauungsstadium also charakterisirt sich .durch Verbrauch der k\u00f6rnigen Innenzone und Wachsthum der Aussenzone.\nPig. 50. Pankreas des Hundes. Zweites Verdauungsstadium.\nZweites Verdauungsstadium, 10.\u201420. Stunde nach der Nahrungsaufnahme. Die fr\u00fcher verkleinerten Schl\u00e4uche haben an Volumen wieder erheblich gewonnen, Dank einer bedeutenden Ver-gr\u00f6sserung der Secretionszellen. Ihre vorher stark reducirte Innen-zone erstreckt sich jetzt fast \u00fcber die ganze Zelle, w\u00e4hrend die homogene Aussenzone nur einen schmalen Saum bildet, meist noch weniger breit als im Hungerzustande. Die Kerne sind oft nicht mehr rund und glattrandig, sondern platt und zackig.","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4ngo. i. Abschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nF\u00fcttert man einen Hund zweimal in einem Zwischenr\u00e4ume von 12 Stunden und t\u00f6dtet ihn dann 6 Stunden nach der letzten Mahlzeit, so findet man den grossem Theil der Dr\u00fcse in dem dem ersten Verdauungsstadium entsprechenden Zustande, zerstreute I lecke aber, welche sich schon makroskopisch durch ihre weisse Farbe vor dem \u00fcbrigens r\u00f6thlichen Parenchym auszeichnen, bezeichnen Stellen, an denen das Verhalten der Zellen der zweiten Verdauungsperiode entspricht.\nW\u00e4hrend der letzteren also hat sich die k\u00f6rnige Innenzone auf Kosten der homogenen Aussenzone regenerirt, indem die Substanz der letzteren sich von Innen nach Aussen fortschreitend in k\u00f6rniges Material umsetzt, bis sie zuletzt auf einen kleinen Rest reducirt ist.\nNach l\u00e4ngerem Hungern nimmt das Gesammtvolumen der Zellen wieder in massigem Grade ab, wobei die Aussenzone sich wieder etwas\nvergr\u00f6ssert, so dass sich das Hungerbild der Dr\u00fcse wieder herstellt.\nAn den Zellen findet nach Ausweis ihrer verschiednen auf einander folgenden Zust\u00e4nde ein fortw\u00e4hrender Wandel statt: Stoffverbrauch, innen, Stoffansatz aussen. Innen Umwandlung der K\u00f6rnchen in Secretbestandtheile, aussen Verwendung des Ern\u00e4hrungsmaterials zur Bildung homogener Substanz, die sich ihrerseits wiederum in k\u00f6rniges Material umsetzt. Das Gesammtbild der Zelle h\u00e4ngt von der relativen Geschwindigkeit ab, mit welcher sieh diese Processe vollziehen. Die erste Verdauungsperiode charakterisirt sich durch schnellen Verbrauch innen und schnellen Ansatz aussen. In der zweiten Periode vollziehen sich die lebhaftesten \\ er\u00e4nderungen an der Grenze der Innen- und Aussenzone, indem die Substanz der letzteren sich in die Substanz der ersteren umwandelt. W\u00e4hrend des Hungerzustandes sind Verbrauch und Ansatz minimal, wie die nur leichten Ver\u00e4nderungen der Zellen evident nach weisen.\nWie in den Eiweiss-, den Schleim- und den Magendr\u00fcsen, so wird in dem Pankreas zu gewissen Zeiten Secretionsmaterial zum Zwecke des Verbrauches w\u00e4hrend der Findigkeit angeh\u00e4uft. Die Bauchspeicheldr\u00fcse verh\u00e4lt sich aber insofern verschieden von den erstgenannten Dr\u00fcsen, als die Regeneration des verbrauchten Materials bereits zu einer Zeit geschieht, wo die Dr\u00fcse ihre Th\u00e4tigkeit noch nicht ganz eingestellt hat. Ein zweiter Unterschied liegt darin, dass in den ersteren Dr\u00fcsen das Secretionsmaterial aus dem teink\u00f6rnigen Protoplasma der Zelle sich bildet, in dem Pankreas aus der Substanz ihrer homogenen Aussenzone sich entwickelt, wobei die in derselben vorkommenden fadenartigen Bildungen vielleicht die Rolle des Protoplasmas \u00fcbernehmen.","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Morphologische Aeiiderung der Drille w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit.\n203\n2. Beobachtunyen am lebenden Pankreas.1\nK\u00fciine und Lea ist es gelungen, das zwischen den Mesenterialplatten in d\u00fcnner Schicht ausgebreitete Pankreas des Kaninchens der Beobachtung bei starker mikroskopischer Vergr\u00f6sserung zug\u00e4nglich zu machen, so dass die secretorischen 'S er\u00e4nderungen der Zellen unmittelbar verfolgt werden konnten.\nAu den Zellen tritt, wenn die Secretion beginnt, eine Formver\u00e4nderung auf, die sich in einer auff\u00e4lligen Gestaltsver\u00e4nderung der Schl\u00e4uche ausdr\u00fcckt. W\u00e4hrend letztere im unth\u00e4tigen Zustande nach Aussen hin glattrandig erscheinen, werden an ihnen w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit convexe Hervorw\u00f6lbungen, den einzelnen angelagerten Zellen entsprechend, sichtbar. W\u00e4hrend ferner die ruhenden Zellen ein optisches Continuum innerhalb des Schlauches bilden, zeichnen sich die th\u00e4tigen gegeneinander durch scharfe, meist doppelte Grenzlinien ab. Ebenso pr\u00e4gte sich w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit in der Aussen-zone die von der Basis nach Innen ziehende Streifung deutlicher aus. Die K\u00f6rnchen der Innenzone r\u00fccken in den Zellen allm\u00e4hlich von der Gegend des Kernes nach dem Lumen hin, werden kleiner, matter und verschwinden endlich vollst\u00e4ndig, \u2014 ganz in Uebereinstim-mung mit meinen Beobachtungen an erh\u00e4rteten Dr\u00fcsen.\nWenn K\u00fchne und Lea von dem Ausf\u00fchrungsgange aus defi-brinirtes Blut in die Dr\u00fcse eintrieben, gelangten namentlich leicht in den th\u00e4tigen Schl\u00e4uchen Blutk\u00f6rperchen zwischen die Seitenfl\u00e4chen der Zellen, selbst zwischen ihre Basalfl\u00e4che und die Membrana propria. An diesen Stellen konnten sie einen ganzen Tag \u00fcber unver\u00e4ndert liegen bleiben, w\u00e4hrend die in dem Lumen der Schl\u00e4uche befindlichen K\u00f6rperchen in kurzer Zeit gel\u00f6st wurden. Daraus ergiebt sich, dass die Absonderung wirksamen Secretes nicht an allen Fl\u00e4chen der Zellen, sondern nur an der dem Lumen zugewandten k\u00f6rnigen Innenzone stattfindet.\nt K\u00fchne & Lea. Yerh. d. naturhist.-med. Vor. z. Heidelberg. I.","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204 Heidenhain,Physiol, d. AbsonderungsYorg\u00e4nge. 4. Abselm. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nSECHSTES CAPITEL.\nSchl\u00fcsse aus (len bisherigen Beobachtungen und fernere Aufgaben.\nI. Fuuctionelle Bedeutung der morphologischen Wandlungen\nder Dr\u00fcsenzellen.\nDie neueren Erfahrungen \u00fcber die Absonderung des Pankreas\no\to\nhaben das Dunkel, welches bisher \u00fcber diesem Gegenst\u00e4nde ruhte, zwar in Etwas gelichtet, aber keineswegs vollst\u00e4ndig gekl\u00e4rt. Der Gewinn beruht nicht bloss auf der sicheren Erkenntniss gewisser Absonderungsbedingungen, sondern auch auf der M\u00f6glichkeit bestimmter Fragestellungen f\u00fcr die zuk\u00fcnftige Forschung.\nDie K\u00f6rnchen der Innenzone sind unzweifelhaft das Material f\u00fcr die Bildung der Dr\u00fcsenfermente. Denn der Gehalt der Dr\u00fcse an Zymogen des Trypsin, an diastatischem und an Fettferment geht durchaus parallel der Ausbildung der K\u00f6rnerzone, mit dem Umfange derselben steigend und sinkend. Im Hungerzustande nimmt die K\u00f6rnerzone den grossem Theil der Zellen ein; die Dr\u00fcse ist reich an allen Fermentsubstanzen. Bis zur 6.\u201410. Verdauungsstunde nimmt entsprechend dem Schwinden der k\u00f6rnigen Massen der Fermentgehalt ab, um von da an Hand in Hand mit der Regeneration der K\u00f6rnerzone bis zur 10.\u201420. Stunde wieder anzusteigen. Um die Zeit der Vollendung der Magenverdauung und bald nachher scheinen geringe Unterschiede in dem Verhalten der drei Fermentsubstanzen sich geltend zu machen, die aber vielleicht nur scheinbar sind, weil die Bestimmungsmethode kleine Gehaltsdifferenzen f\u00fcr die drei Fermente nicht mit gleicher Sch\u00e4rfe erkennen lassen.\nWir sind also bei dem Pankreas in der gl\u00fccklichen Lage, den f\u00fcr die Bildung der specifischen Secretbestandtheile bestimmten Theil des Zellk\u00f6rpers mit Sicherheit bezeichnen zu k\u00f6nnen.\nDiese Erkenntniss erm\u00f6glicht auch eine Erkl\u00e4rung daf\u00fcr, dass eine Dr\u00fcse, welche nach Anlegung einer permanenten Fistel in den Zustand continuirlicher \u00fcberreichlicher Absonderung gerathen ist, ein \u00e4usserst fermentarmes oder selbst fermentfreies Secret liefert wie auch sie selbst nach Ausweis ihres Glycerinextractes der Fermentsubstanzen entbehrt. Ihre Zellen zeigen die k\u00f6rnige Innenzone im besten Falle nur in Spuren, den meisten fehlt sie ganz, weil die un-","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Schlussbemerkungen ; Bildung des Trypsin.\n205\nunterbrochene starke Absonderung die Regeneration derselben und damit die Fermenterzeugung unm\u00f6glich macht. \u2014\nDie homogene Aussenzone muss als derjenige Theil der Zelle angesehn werden, welcher einerseits zun\u00e4chst durch Substanzaufnahme aus der Lymphe ihr Wachsthum vermittelt, andrerseits das Material f\u00fcr die Bildung der K\u00f6rnerzone hergiebt.\nSie ist es aber auch ohne Zweifel, von welcher die Fl\u00fcssigkeitsabsonderung abh\u00e4ngt. Denn diese kann in einer Dr\u00fcse sehr lebhaft sein, deren Zellen keine Spur der k\u00f6rnigen Innenzone mehr zeigen (z. B. bei durch permanente Fisteln ver\u00e4nderten Dr\u00fcsen).\nII. Bildung des Trypsin aus dem Zymogen.\nDas normale pankreatische Secret enth\u00e4lt freies Trypsin und kein Zvmogen. Denn wenn man dasselbe unmittelbar aus der Fistel in solchen Fl\u00fcssigkeiten auff\u00e4ngt, welche die Umsetzung von Zy-m\u00f6gen in Trypsin verhindern (Glycerin, Sodal\u00f6sung von 1,2%), erweist sich dasselbe in hohem Grade wirksam. Es muss also von vornherein Trypsin vorhanden sein. Wenn man dagegen das Secret in Wasser auff\u00e4ngt und in der W\u00e4rme digerirt, steigt seine Wirksamkeit keineswegs, was auf die Abwesenheit von Zymogen deutet.\nDa nun unter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen die Dr\u00fcsensubstanz kein Trypsin, sondern nur Zvmogen enth\u00e4lt, muss ersteres sich aus letzterem unmittelbar bei dem Secretionsacte bilden. Durch welche Mittel diese Umsetzung bewerkstelligt wird, dar\u00fcber l\u00e4sst sich Bestimmtes nicht aussagen.\nDie secernirte Fl\u00fcssigkeit ist immer reich an kohlensaurem Natron. Da nun aber Sodal\u00f6sungen die Bildung von Trypsin aus Zymogen ungemein erschweren, darf man sich den Hergang bei der Absonderung ohne Zweifel nicht in der einfachen Weise vorstellen, dass eine an kohlensaurem Natron reiche Fl\u00fcssigkeit als Vehikel aus der Lymphe in die Dr\u00fcsenr\u00e4ume hin\u00fcbergeschafft wird, um das Zymogen aus den Zellen auszulaugen und in Trypsin umzuwandeln. Die Kohlens\u00e4urebildung steht \u00fcberhaupt in keinerlei Zusammenhang mit der Fermentbildung. Denn grade bei permanenten Fisteln mit pathologisch ver\u00e4nderter Absonderung, deren Secret fermentfrei ist, treten in dem letzteren die kohlensauren Salze in gr\u00f6sster Menge auf.\nSchiff1 war durch Beobachtungen an entmilzten Hunden zu der\u00fceber-zeugung gelangt, dass die Milz einen Einfluss auf die Trypsinbildung be-\n1 Schtff's erste Beobachtungen sind in mir unzug\u00e4nglichen italienischen Zeit-","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206 Heidenhain, Physiol, d. Ahsonderungsvorg\u00e4nge. 4. Abschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nsitze. Nach Exstirpation derselben verliere der pankreatisclie Saft f\u00fcr immer die F\u00e4lligkeit der Eiweissverdauung. In dein Pankreas h\u00e4ufe sich zwar Zymogen an, aber dasselbe werde nicht mehr in Trypsin iimgesetzt. Demnach m\u00fcsse man annehmen, dass die Milz ein Ferment bereite, welches durch den Blutstrom der Bauchspeicheldr\u00fcse zugef\u00fchrt werde und hier die Umsetzung von Zymogen (Propankreatin Sch.) in Trypsin (Pankreato-pepsin Sch.) bedinge.\nDas Auffallende dieser Angabe veranlasste mich zur Controlle der ScHiFF\u2019schen Versuche.1 Ich habe bei mehreren entmilzten Hunden einige Wochen nach der Operation sowohl aus tempor\u00e4ren wie aus permanenten Fisteln pankreatischen Saft aufgefangen und ihn in vollst\u00e4ndig normaler Weise Fibrin verdauen sehen. Den Grund dieses thats\u00e4ehlichen Widerspruches aufzufinden bin ich nicht im Stande. Auch Ewald2 ist nur zu Schiff widersprechendem Ergebniss gelangt.\nIm Anschluss an Schiff hat Herzen3 nach einer eigenth\u00fcmlichen Methode den Einfluss der Milz auf die Trypsinbildung nachzuweisen versucht. Er bereitete folgende Infuse, um sie bez\u00fcglich ihrer Verdauungsf\u00e4higkeit f\u00fcr Faserstoff zu pr\u00fcfen:\n1.\tVon dem Pankreas eines hungernden Hundes. Das Infus war unwirksam.\n2.\tVon demselben Pankreas, nachdem es mit der Milz desselben Thieres zusammengerieben war. Ebenfalls unwirksam.\n3.\tAus demselben Pankreas, nachdem es mit Milzgewebe eines verdauenden Hundes verrieben war. Stark wirksam.\n4.\tAus dem Pankreas und der Milz des hungernden Hundes, jedes Organ f\u00fcr sich infundirt. Ein Gemenge beider Infuse war wirkungslos.\n5.\tDagegen wirkte ein Gemenge der Infuse von dem Pankreas und von der Milz des verdauenden Hundes, aber schw\u00e4cher als Nr. 3.\nHerzen schliesst hieraus, dass die Milz eines verdauenden Hundes ein Ferment erzeuge, welches das in dem Pankreas des hungernden Thieres vorr\u00e4thige Zymogen in Trypsin umsetze, und weiter aus dem Vergleiche von 3. und 5., dass der Zymogenvorrath des Pankreas w\u00e4hrend des Hungerzustandes gr\u00f6sser sei als w\u00e4hrend der Verdauung. Da ich die Schiff\u2019-sehe Grundthatsache nicht best\u00e4tigt fand, habe ich eine Wiederholung der HERZEN\u2019schen Versuche unterlassen. Jedenfalls stehen seiner Methode, die Pankreasst\u00fccke erst IS Stunden hindurch in der W\u00e4rme zu digeriren und dann das Infus 24 Stunden lang auf Eiweissw\u00fcrfe 1 einwirken zu lassen, erhebliche Bedenken entgegen.\nVon den positiven Erfahrungen, welche wir bisher \u00fcber die Umsetzung des Zymogen in Pankreatin besitzen, k\u00f6nnen f\u00fcr den nor-\nschriften niedergelegt (L\u2019imparziale. 1869). Ich beziehe mich hier auf seine Mittheilungen auf dem internationalen medicinischen Congresse zu Genf im Jahre 1877. Vgl. Presse m\u00e9dicale. XXIX. Xo. 48. 1877.\n1\tIch muss Schiff vollst\u00e4ndig beitreten, wenn er gegen\u00fcber weitverbreiteter Angabe behauptet, dass Exstirpation der Milz keineswegs Schwellung der Lymph-dr\u00fcsen zur Folge habe. Nur in einem einzigen Falle war eine solche bemerklieh. aber in diesem war trotz Anwendung LiSTER\u2019scher Antisepsis chronische Peritonitis eingetreten.\n2\tEwald, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1878. S. 537.\n3\tA. Herzen. Molesch. Unters. XII. S. 76. 1878.","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Schlussbemerkungen : Eingreifen des Nervensystems.\n207\nmalen Vorgang der Absonderung nur zwei in Betracht kommen. Da jener Process sehr schnell durch Einwirkung von S\u00e4uren bewirkt wird, w\u00e4re es denkbar, dass bei der Secretion unter dem Nerveneinflusse, wie in der Muskelfaser, so in der Dr\u00fcsenzelle freie S\u00e4ure behufs der Trypsinbildung entst\u00e4nde, welche in dem Secrete selbst durch Alkalien sofort getilgt w\u00fcrde. Da ferner bei Einwirkung von freiem Sauerstoff oder von Sauerstoff\u00fcbertr\u00e4gern aus dem Zymogen Trvpsin entsteht, k\u00f6nnten bei der Absonderung oxydative ^ org\u00e4nge eine Rolle spielen. Ob der eine oder der andere A organg wirklich Platz greift, m\u00fcssen k\u00fcnftige Forschungen entscheiden.\nIII. Das Eingreifen des Nervensystems in den Absonderungsprocess.\nDass die Absonderung des Pankreas unter dem Einfluss des Nervensvstems stehe, kann nach den in Cap. I\\ mitgetheilten That-saehen nicht bezweifelt werden. Das Wie? dieser Einwirkung genauer zu definiren, ist eine Aufgabe der Zukunft. Als vorl\u00e4ufiger Anhalt dienen folgende Gesichtspuncte.\nDa die Absonderung nach Trennung der Dr\u00fcsennerven fortbesteht . m\u00fcssen f\u00fcr das Zustandekommen derselben die intraglandul\u00e4ren Nerven mit ihren zahlreichen Ganglien verantwortlich gemacht werden.\nSie werden in ihrer Th\u00e4tigkeit durch von aussen an die Dr\u00fcse herantretende Nerven bestimmt: Beweis die Erregung reflectorischer Absonderung vom Magen aus, wie der Erfolg der Reizung des verl\u00e4ngerten Markes.\nIhre Th\u00e4tigkeit kann aber auch durch Einwirkung andrer Nerven gehemmt werden (Reizung der sensibeln Nerven). Ob diese Hem-mung eine directe ist (nach Analogie der Herzhemmung durch den nv. vagus) oder eine indirecte, durch gef\u00e4ssverengende Nerven herbeigef\u00fchrt, bleibt vorl\u00e4ufig dahin gestellt; das Letztere scheint das Wahrscheinlichere.\nDie secretionsbef\u00f6rdernden Nerven schliessen mit h\u00f6chster Wahrscheinlichkeit \u2014 , was f\u00fcr die Speicheldr\u00fcsen mit Sicherheit gilt \u2014 secretorische und trophische Fasern in sich, d. h. solche, welche Fl\u00fcssigkeits-Absonderung herbeif\u00fchren, und solche, welche chemische Umsetzungen in den Zellen behufs Bildung der speeifischen Secret-bestandtheile und Ueberf\u00fchrung derselben in das Secret veranlassen. F\u00fcr diese Annahme spricht der Umstand, dass unter gewissen Bedingungen gleichzeitig mit der Absonderungsgeschwindigkeit auch","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 4. Abschn. Bauchspeicheldr\u00fcse.\nder Procentgelialt des Secretes an festen (organischen) Bestandteilen steigt. Unter jener Annahme wird ferner die grosse Ver\u00e4nderlichkeit des Secretes bez\u00fcglich seiner quantitativen Zusammensetzung verst\u00e4ndlich.\nAuf welche AVeise die secretorischen Herren den Fl\u00fcssigkeitsstrom aus den Lymphr\u00e4umen in die Dr\u00fcsenr\u00e4ume mit H\u00fclfe der absondernden Zellen herbeif\u00fchren, ist f\u00fcr das Pankreas bisher ebenso wenig ermittelt, wie f\u00fcr alle andern Dr\u00fcsen.","page":208},{"file":"p0209.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00dcNFTER ABSCHNITT.\nDIE GALLENABSONDERUNG.\nERSTES CAPITEL.\nDer absondernde Apparat.\nI. Bau der Leber bei niedern Wirb eltliier en.\nNach E. Hering\u2019s 1 sch\u00f6nen Untersuchungen, welche bald nach ihrem Erscheinen eine Best\u00e4tigung in den Arbeiten Eberth\u2019s fanden -ist die Leber der niedern Wirbelthiere (Amphibien) eine tubul\u00f6se Dr\u00fcse. Am Uebersichtlichsten gestaltet sich ihr Bild bei der Ringelnatter. Die Leberzellen sind hier zu dicken Schl\u00e4uchen mit engem Lumen geordnet, welche untereinander anastomosirend ein Netzwerk bilden, dessen Maschen von den Blutcapillaren eingenommen werden.\nAuf dem Querschnitte der Schl\u00e4uche liegen f\u00fcnf bis sechs Leberzellen, jede von abgestutzt kegelf\u00f6rmiger Gestalt, mit der breiten Basalfl\u00e4che nach Aussen gewandt, mit der kleineren Abstutzungs-fl\u00e4che der engen Lichtung des Schlauches zugekehrt, welche den Weg f\u00fcr die Galle umschliesst. Der Kern der Zelle befindet sich regelm\u00e4ssig nahe ihrem Aussenende, oft nach einer Ecke desselben ger\u00fcckt. Jede Leberzelle st\u00f6sst hiernach ausw\u00e4rts an eine Blutbahn, einw\u00e4rts an die Gallenbahn; die Wege beider Fl\u00fcssigkeiten stehen nirgends mit einander in Ber\u00fchrung.\n1\tEwald Hering, Sitzgsber. d. AViener Acad. Mathemat.-naturwiss. Cl. LIV.\nII.\tMai H66 u. 0. Dec. H66; Arch. f. microscop. Anat. III. S. S9. 1S67 ; Strieker\u2019s Handbuch der Lehre von den Geweben. S. 436. Leipzig 1S67.\n2\tJ. Eberth, Arch. f. path. Anat. XXXIX. S. 70. 1867 ; Arch. f. microscop. Anat.\nIII.\tS. 423. 1S67.\nHandbuch der Physiologie. Bd. V.\n14","page":209},{"file":"p0210.txt","language":"de","ocr_de":"210 Heidekhain. Physiol, tl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallcnahsondcrung.\nGanz \u00e4hnlich ist der Bau der Froschleber, doch kommen auf den Querschnitt ihrer Schl\u00e4uche nur 3 \u2014 4 Zellen von bedeutenderer Gr\u00f6sse. In Folge des h\u00e4ufigen Vorspringens von Ecken der Leber-\nKig. 51. Ans einer injieirten Schlangenleber. In der Axe der aus Leberzellen bestehenden Balken oder Schl\u00e4uche verlaufen die dunklen F\u00e4den der in den Duct, hepaticus eingetriebenen Injections-masse: die zwischen den Zellen gelegenen leeren B\u00e4ume entsprechen den Blutcapillaren.\nFigur nach Hering.\nzellen nach dem Lumen der Schl\u00e4uche verlaufen die Gallenwege meist in stumpfwinkligem Zickzack.\nDer Amphibienleber scliliesst sich die der V\u00f6gel bez\u00fcglich des tubul\u00f6sen Baues an (Eberth).\nII. Anordnung der Blutgef\u00e4sse in der S\u00e4ugetliierleber.\nEine Beschreibung der ungleich verwickelteren Architektonik der S\u00e4ugethierleber lehnt sich am zweckm\u00e4ssigsten an die Verfolgung ihrer Blutgef\u00e4sse an, welche das Ger\u00fcst f\u00fcr ihren Aufbau bilden. Sie dringen von zwei Seiten aus in die Lebersubstanz ein: von der unteren Hohlvene aus die Lebervene, von der Leberpforte aus die Pfortader und die Leberarterie.\nDie Lebervene ver\u00e4stelt sich nach Art eines vielverzweigten Baumes, \u00fcberall mit ihren Wandungen an das Lebergewebe so straff angeheftet, dass die Lumina der Gef\u00e4sse stets klaffend erhalten werden. Die Wandung der feineren Venen\u00e4ste ist in Abst\u00e4nden von 1\u2014112 Mm. von Oeffnungen durchbohrt, welche die M\u00fcndungen der","page":210},{"file":"p0211.txt","language":"de","ocr_de":"Bau der S\u00e4ugethierleber. Anordnung der Blutgef\u00e4sse.\n211\nAnfangszweige der Lebervene darstellen. Die L\u00e4nge dieser letzteren von dem Orte ihres Zusammenflusses aus Capillaren bis zu ihrer M\u00fcndung betr\u00e4gt kaum 1 Mm.\nEin jeder Anfangszweig (vena centralis oder intralobularis) ist von einer unregelm\u00e4ssig polyedrischen Masse von Lebersubstanz umgeben, in deren Axe er verl\u00e4uft, dem sogenannten Leberl\u00e4ppchen. Die L\u00e4nge der Centralvene ist stets geringer als die H\u00f6he des L\u00e4ppchens, welche beim Menschen nach Hering 1\u20142 Mm. betr\u00e4gt, w\u00e4hrend der Querdurchmesser ungef\u00e4hr 1 Mm. gleicht. Aus dem Ende der Vene, wie aus ihren Seiten Wandungen, gehen zahlreiche Capillaren hervor, welche, der Oberfl\u00e4che des L\u00e4ppchens zustrebend, in ihrem radi\u00e4ren Verlaufe vielfach unter einander anastomosiren und zwar derartig, dass die Maschen des Capillarnetzes in radialer Richtung erheblich l\u00e4nger sind als in tangentialer Richtung. Fig. 52 zeigt links das vas centrale und seine Capillaren in der Richtung\nFi?. 52. Capillametz der Leberl\u00e4ppchen: links die Vena centralis ihrer L\u00e4nge nach, rechts quer durchschnitten. Zwischen beiden L\u00e4ppchen ein Pfortaderzweig.\nseines L\u00e4ngsverlaufes (oder der L\u00e4ngsaxe des L\u00e4ppchens), rechts auf dem Querschnitte.\nDie L\u00e4ppchen sitzen mit ihrer polygonalen Basis den Venenzweigen zweiter Ordnung (Venae sublobulares Kiernan) auf, welche sich aus den Anfangsvenen zusammensetzen, und stehen einander so nahe, dass nur schmale, spaltf\u00f6rmige Zwischenr\u00e4ume, wo zwei L\u00e4ppchen mit ihren Seitenfl\u00e4chen, und canalartige, wo mehrere mit ihren Kanten an einander stossen, zwischen denselben \u00fcbrig bleiben. In diesen Zwischenr\u00e4umen verlaufen die feineren Aeste der Pfortader und der Leberarterie sowie die Anf\u00e4nge der das Secret ableitenden Galleng\u00e4nge, eingebettet in reichlicher (Schwein, Eisb\u00e4r) oder sp\u00e4rlicher entwickeltes Bindegewebe, welches die Gef\u00e4ssverzweigungen von der Leberpforte her begleitet. Diese Gef\u00e4ssvertheilung erkl\u00e4rt\n14*","page":211},{"file":"p0212.txt","language":"de","ocr_de":"21 2 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nes, dass man auf dem Durchschnitte einer bluterf\u00fcllten Leber schon mit unbewaffnetem Auge die polygonalen Querschnitte der Leberl\u00e4ppchen von einander durch rothe Grenzen (die bluterf\u00fcllten Vasa interlobularia) getrennt sieht, w\u00e4hrend in der Mitte der L\u00e4ppchen oft ein rother Punkt den Durchschnitt des Vas centrale andeutet.\nIn das Capillarnetz der L\u00e4ppchen ergiessen die Pfortaderzweige unmittelbar, die Zweige der Leberarterie aber erst mittelbar ihr Blut. Denn die letzteren versorgen den ser\u00f6sen Ueberzug, die Gallenblase, die Galleng\u00e4nge, die gr\u00f6sseren Pfortaderzweige (als Vasa nutritia) und das Bindegewebe. Das aus den Capillaren dieser Orte hervorgehende Blut sammelt sich in Venen, welche sich gleichsam als innere Wurzeln der Pfortader in die interlobul\u00e4ren Zweige derselben ergiessen, um erst jetzt durch ihre Vermittlung dem intralobul\u00e4ren Capillarnetze zu Gute zu kommen. Nur an gewissen Stellen com-municirt das Capillarnetz der Arterie unmittelbar mit dem der Pfortader, so dass zwischen beide keine besondern Sammelvenen eingeschaltet sind. Nirgends aber geht, was fr\u00fcher nicht selten behauptet wurde, das Arterienblut, ohne vorher ein ern\u00e4hrendes Capillarnetz durchsetzt zu haben, durch arterielle Zweige unmittelbar in das Ca-pillarsvstem der L\u00e4ppchen \u00fcber.\nSchon Glisson1 erkl\u00e4rte sich f\u00fcr den ausschliesslich indirecten Ueber-gang des Arterienblutes in das intralobul\u00e4re Capillarnetz. Gleicher Ansicht neigten sich auf Grund ihrer Injectionen Kiernan2, sp\u00e4ter Theile3 und andre Anatomen zu. Joh. M\u00fcller4 dagegen redet einem directen Uebergange arterieller Zweige in das Capillarnetz der L\u00e4ppchen das Wort. Gerlach5 6 blieb trotz seiner sch\u00f6nen Injectionen zweifelhaft und K\u00f6lliker'-scheint schwankend, wenn man seine Aussagen an verschiedenen Stellen vergleicht, w\u00e4hrend E. H. Weber7 mit Entschiedenheit den indirecten Zusammenhang der Arterie mit dem intralobul\u00e4ren Netze behauptet; das Blut der Arterie diene in einem ersten Capillarnetze von gr\u00f6sseren Maschen und engeren Gef\u00e4ssen zur Ern\u00e4hrung, bevor es durch Anastomosen dem secretorischen Netze der Pfortader zugef\u00fchrt werde. Das Schwanken der Ansichten bei den verschiedenen Autoren ist wohl in der Schwierigkeit einer sicheren Beurtheilung k\u00fcnstlicher Injectionspr\u00e4parate begr\u00fcndet. In \u00fcberraschender Weise schien eine nach neuem Verfahren an-gestellte Untersuchung Chrzonszczewski\u2019s8 die lange schwebende Frage\n1\tGlisson, Anatome hepatis. Cap. 30. Citirt nach Joh. M\u00fcller. Lehrbuch der Physiologie I. 4. Aufl. Coblenz 1S44.\n2\tKiernan, Philos. Transact. II. p. 747. 1833.\n3\tTheile, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. H. S. 345. 1844.\n4\tJoh. M\u00fcller\u2019s Lehrbuch. 4. Aufl. I. S. 362.\n5\tGerlach, Gewebelehre. S. 293. Mainz 1850.\n6\tK\u00f6lliker, Arch. f. microscop. Anat. II. (2) S. 240. 1854.\n7\tE. H. Weber, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. AViss. Math.-physiol. CI. 1849. S. 187.\n8\tChrzonszczewski, Arch. f. pathol. Anat. XXXAL S. 153. 1866.","page":212},{"file":"p0213.txt","language":"de","ocr_de":"Bau der S\u00e4ugethierleber. Anordnung der Leberzellen.\n213\nzu erledigen. Seine Methode beruht darauf, dass bei Injection von car-minsaurem Ammoniak in das Blut lebender Thiere die Capillarkerne intensiv genug gef\u00e4rbt werden, um den Verlauf der Capillaren deutlich erkennen zu lassen. Geschah eine solche Injection nach vorg\u00e4ngiger Unterbindung der Pfortader, so wurden innerhalb der Leberl\u00e4ppchen nur die centralen Theile des Capillarnetzes ger\u00f6thet, geschah sie nach Schliessung der Leberarterie, nur die peripherischen Theile. Daraus folgerte Chrzon-szczewski, dass die Arterie das intralobul\u00e4re Capillarnetz in seiner mittleren Gegend direct speise, w\u00e4hrend die Pfortader vorzugsweise die Randzone versorge. Indess haben Cohnheim und Litten1 gezeigt, dass jene scheinbar schlagenden Versuchsergebnisse doch auf Fehlerquellen zur\u00fcckzuf\u00fchren sind. Verwandten sie zur Selbstinjection hinreichend grosse Mengen einer L\u00f6sung von giftfreiem Anilinblau in halbprocentiger Kochsalzl\u00f6sung, so f\u00fcllte sich auch nach Ausschluss aller arteriellen Zuti\u00fcsse zur Leber das gesummte Capillarsystem der L\u00e4ppchen. Die ausschliesslich centrale F\u00fcllung des letzteren kam aber auch dann noch zu Stande, wenn ausser der Pfortader auch die Leberarterie geschlossen wurde : sie beruht auf R\u00fcckstauung des Blutes aus der untern Hohlvene in die V urzeln der Lebervene, ein Vorgang, dessen leichtes Zustandekommen von Bedeutung f\u00fcr die Mechanik der Blutbewegung in der Leber ist.\nIII. Anordnung der Leberzellen innerhalb des Leberl\u00e4ppchens.\nDer Raum, welchen im Innern der L\u00e4ppchen die Capillaren frei lassen, ist seinem wesentlichsten Theile nach durch die Parenchymzellen der Leber ausgef\u00fcllt; ihre Anordnung ist deshalb durch die der Blutgef\u00e4sse bedingt. Urspr\u00fcnglich als weiche Kugeln gedacht, gewinnt man eine Vorstellung von ihrer Lagerung, wenn man sich dieselben so zwischen die Capillaren hineingepresst denkt, dass sie sich gegenseitig polyedrisch abplatten und von den sie ber\u00fchrenden Haargef\u00e4ssen hohlkehlenartige Eindr\u00fccke erhalten. Der Durchmesser der Polyeder ist in der Richtung der Radien der L\u00e4ppchen gr\u00f6sser, als in der darauf senkrechten (tangentialen) Richtung. Da die Maschen der Capillaren in radialer Richtung einen erheblich gr\u00f6sseren Durchmesser haben, als in tangentialer Richtung, werden innerhalb jeder Masche in der ersteren Richtung von einer Queranastomose der Capillaren zur n\u00e4chsten mehr Leberzellen hinter einander Platz haben, als in tangentialer Richtung zwischen je zwei radialen Capillaren neben einander.\nDer Abstand der radialen Capillaren von einander ist bei verschiedenen Thieren ungleich : beim Kaninchen nach Hering so gering, dass zwischen je zweien immer nur eine Leberzelle Raum findet,\n1 Cohnheim & Litten. Arch. f. path. Anat. LXVII. S. 153. 1ST6.","page":213},{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"\u25a0214 Heidexhain. Physiol, cl. Absonderlingsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nbeim Plimde nach Peszke1 2 3 gr\u00f6sser als die Breite einer, dagegen kleiner, als die Breite zweier neben einander liegender Zellen. Beim Kaninchen wird deshalb im Allgemeinen jede Leberzelle von vier Capillaren ber\u00fchrt, die an den Zellkanten rinnenartige Eindr\u00fccke kervorrufen ; beim Hunde sind die Ber\u00fchrungsstellen der Zellen mit Blutcan\u00e4len weniger zahlreich, ebenso nach Hering beim Menschen.\nAus dieser Anordnung erkl\u00e4rt sich das Bild eines senkrecht zur\nAxe der Centralvenen durch das L\u00e4ppchen gef\u00fchrten Schnittes: die Leberzellen liegen in Reihen von radialer Richtung zwischen den Capillaren. Doch hebt Hering mit Recht hervor, dass jene \u201eLeberzellenbalken\u201c der Autoren nicht pr\u00e4formirte, sondern durch den Schnitt k\u00fcnstlich isolirte Gestaltungen sind, da jede Zelle innerhalb des Balkens mit andern, die \u00fcber oder unter der Ebene des Schnittes liegen, in Verbindung steht. Die gesammte Zellenmasse des L\u00e4ppchens ist unter sich zusammenh\u00e4ngend und nirgends eine nat\u00fcrliche Isolation einzelner irgendwie gestalteter Complexe von Zellen vorhanden.\nHering- hat die Lagerung der Leberzellen in der Kaninchenleber und ihr Verhalten zu den Capillaren in einem stereometrischen Schema auszudr\u00fccken versucht, das nach seinen eigenen sp\u00e4tem Erfahrungen '\u25a0 auf die Leber andrer Thiere, wie des Hundes, ebensowenig wie auf die des Menschen, passt. Es ist \u00fcberhaupt, wie aus Peszke\u2019s4 vergeblichen Bem\u00fchungen hervorgeht, unm\u00f6glich, ein r\u00e4umliches Schema zu ersinnen, welches die Lagerungsverh\u00e4ltnisse der Zellen und Blutgef\u00e4sse in dem L\u00e4ppchen so ausdr\u00fcckte, dass sich jedes mikroskopische Bild desselben daraus ableiten liesse. Ich ziehe es deshalb vor, bei der obigen allgemeinen Darstellung stehen zu bleiben. Als wesentlichster Punkt ist aus derselben hervorzuheben, dass jede Leberzelle mindestens an einer ihrer radialen Kanten, in der Regel an mehreren, von radial verlaufenden Capillaren gestreift wird.\nIV. Anordnung der Gallenwege.\nDie interlobul\u00e4ren Aeste des Duct, hepaticus besitzen ein cylin-drisclies Epithel, welches einer dichten, aus fibrill\u00e4rem Bindegewebe\n1\tPeszke. Beitr\u00e4ge zur Kenntniss des feineren Baues d. Wirbeltlderleber. Biss. S. 53. Dorpat 1874.\n2\tHering in seiner zweiten Publication im Arch. f. microscop. Anat. III. 1867.\n3\tDerselbe. Strieker\u2019s Gewebelehre. S. 435. 440. Leipzig 1807.\n4\tPeszke. Beitr\u00e4ge zur Kenntniss des feineren Baues d. V irbelthierleber. Diss. Dorpat 1S73.\nFig. 53. Durchschnitt durch ein Le-herl\u00e4ppchen des Schweines. Radiale Anordnung der Leberzellen.","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Bau der S\u00e4ugethierleber. Anordnung der Gallenwege.\n215\nmit circular und longitudinal verlaufenden Fasern gewebten und von zahlreichen Kernen durchsetzten Membran aufliegt. Trotz des Widerspruches anderer Forscher 1 glaube ich mich von der Anwesenheit contractiler Faserzellen in der Wandung mit aller wiinschenswerthen Sicherheit \u00fcberzeugt zu haben.2 Sie liegen nahe dem Epithel und verlaufen ebenfalls tlieils ringf\u00f6rmig, theils longitudinal.\nAus Querschnitten der G\u00e4nge, welche bei schwacher Vergr\u00f6sserung von allen in ihren Wandungen verlaufenden Blutgef\u00e4ssen befreit worden, gelingt es mittelst verd\u00fcnnten Holzessigs oder zehnprocentiger Essigs\u00e4ure Zellen von demselben Habitus, wie aus der Tunica media kleiner Arterien zu isoliren. Wenn Asp gegen das Vorhandensein contractiler Faserzellen in der Wandung der Galleng\u00e4nge einwendet, dass diese bei zweist\u00fcndigem Kochen in salzs\u00e4urehaltigem Alkohol gel\u00f6st werde, w\u00e4hrend um diese Zeit die mittlere Haut kleiner Arterien noch nicht angegriffen sei, so ist dieser Unterschied doch nur ein gradueller. In jedem Falle w\u00fcrde das mikrochemische Verhalten der in Rede stehenden Lage ebenso sehr gegen ihre Zugeh\u00f6rigkeit zum Bindegewebe sprechen, da dieselbe in saurer Chlorpalladiuml\u00f6sung sich ohne Quellung gelb f\u00e4rbt, w\u00e4hrend fibrill\u00e4res Bindegewebe darin quillt, ohne sich merklich zu tingiren.\nDie interlobul\u00e4ren Galleng\u00e4nge geben zahlreiche, unter einander vielfach anastomosirende (Asp) Zweige ab, deren Wandung immer zarter und deren Epithel immer niedriger wird, je geringeres Caliber sie annehmen, bis an der Grenze der L\u00e4ppchen, welcher die feinsten G\u00e4nge zustreben, das Epithel ganz aufh\u00f6rt. Die Epithelzellen stossen hier unmittelbar an die Leberzellen an.\nDie Galleng\u00e4nge gehen weiterhin sowohl nach den Resultaten k\u00fcnstlicher Injectionen, wie sie zuerst Budge3, sp\u00e4ter mit gleichem Erfolge Andrejevic 4, Mac Gillavry 5, Hering 6 7 8, Eberth 7 und viele Andere angestellt haben, als auch nach den Ergebnissen nat\u00fcrlicher F\u00fcllung mit blauem Secrete, wie sie Chrzonszczewski s durch Einf\u00fchrung von indigschwefelsaurem Natron in das Blut der Thiere erzielte, innerhalb der L\u00e4ppchen in ein Netz feinster Can\u00e4le (Gallen-capillaren) \u00fcber, welches die Leberzellen umspinnt.\nDiese Capillaren, von weit geringerem Durchmesser (0,001 bis 0,002 Mm.) als die intralobul\u00e4ren Blutcapillaren, lassen zwar in ge-\n1\tAsp, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. V iss. Math.-physiol. CI. 1873. 26. Juli.\n2\tR. Heidenhain , Studien des physiolog. Instituts zu Breslau. Heft 4. S. 242.\n3\tJ. Budge, Arch. f. Anat. u. Physiol.\n1 J. Andrejevic, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXIII. 1861. 25. April.\n5\tMac Gillavry, Ebenda. L. IS69. 28. April.\n6\tHering, Arch. f. microscop. Anat. III. 1867; Strieker\u2019s Gewebelehre. S. 429. Leipzig 1871.\n7\tJ. Eberth. Arch. f.microscop. Anat. III. S. 423; Arch. f. pathol. Anat. XXXIX. S. 67. 1S67.\n8\tChrzonszczewski, Arch. f. pathol. Anat. XXXV. S. 153. 1866.","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nwissen Beziehungen einen gesetzm\u00e4ssigen Verlauf erkennen, ohne sich jedoch ebensowenig, wie die Lagerung und Gestalt der Leberzellen einem starren stereonietrischen Schema zu tilgen. Man kann bez\u00fcglich ihres Verlaufes folgende allgemeine Hegeln aufstellen:\n1)\tSie stehen niemals in unmittelbarer Ber\u00fchrung mit den Blutcapillaren, sondern sind von denselben stets mindestens um den achten Th eil des Umfanges einer Leberzelle getrennt.\nDen Satz, dass Gallen- und Blutcapillaren sich nirgends ber\u00fchren, hat zuerst Andrejevic aufgestellt. Wenn sp\u00e4terhin Mac Gillavry zu der Meinung gelangte, 5^\tdas Netz der Blut- und\nFig. 54. Anordnung der Galleneapillaren (dunkle Linien). Die f-iallpnpanillovon ooi or.\nschraffirten Can\u00e4le sind die Blutgef\u00e4sse.\teraueilLdpiildl eil SCI SO\ndurcheinander gesteckt,\ndass es dem Zufalle \u00fcberlassen bleibe, ob die beiderlei Capillaren sich ber\u00fchren, umstricken oder unabh\u00e4ngig von einander verlaufen, so hat er mit Recht allseitigen Widerspruch erfahren.\n2)\tDie Galleneapillaren laufen (Hering) am h\u00e4ufigsten zwischen den aneinander gelagerten Fl\u00e4chen benachbarter Leberzellen, seltener, doch immerhin bei manchen Thieren, z. B. beim Hunde, auch h\u00e4ufig genug, l\u00e4ngs der Kanten, wo drei oder vier Leberzellen aneinander stossen, aber hier nur dann, wenn kein Theil der Kante von einem Blutgef\u00e4sse ber\u00fchrt wird. Das Letztere gilt (Hering) auch von der Menschenleber.\nAndrejevic hielt den Verlauf l\u00e4ngs der Zellkanten f\u00fcr die Regel. Hering behauptete anfangs mit Bezug auf die Kaninchenleber den ausschliesslichen Fl\u00e4chenverlauf; sp\u00e4ter aber (in seinem Artikel in Strieker's Gewebelehre) hob er hervor, dass beim Hunde, Menschen u. s. f. auch Kantenverlauf vork\u00e4me, der nach Peszke hier mindestens ebenso h\u00e4ufig ist, wie der Fl\u00e4chenverlauf.\n3)\tDenkt man sich durch die (in radialer Richtung liegende) L\u00e4ngsaxe jeder Leberzelle zwei zu einander senkrechte Ebenen so gelegt, dass die Schnittlinien dieser Ebenen mit der Zelloberfl\u00e4che sich m\u00f6glichst fern von der Ber\u00fchrungslinie der Blutcapillaren mit","page":216},{"file":"p0217.txt","language":"de","ocr_de":"Bau der S\u00e4ugethierleber. Anordnung der Gallencapillaren.\n217\nden Zellen halten, so folgen im Allgemeinen die Gallencapillaren jenen Schnittlinien.\nDieser Satz dr\u00fcckt in allgemeinerer Form ans, was Hering durch ein Schema f\u00fcr die Kaninchenleber veranschaulichte, deren Zellen durchschnittlich von je 4 radialen Capillaren an ihren Kanten gestreift werden. Fig. 55 giebt nach jenem Schema das Lage-rungsverh\u00e4ltniss der Capillaren und Gallenwege, wenn man sich die Leberzellen als regelm\u00e4ssige Polyeder denkt.\nDoch schliesst der von mir gew\u00e4hlte Ausdruck auch das h\u00e4ufigere Verhalten ein, dass die Leberzellen von einer geringeren Zahl von Capillaren gestreift werden und l\u00e4sst die M\u00f6glichkeit offen, dass bei unregelm\u00e4ssigerer Form der Zellen die Gallencapillaren auch an Kanten derselben hinziehen\nSchema des Verlaufes der Gallencapillaren heim Kaninchen nach Hering.\nk\u00f6nnen.\nln letzter Instanz wird keine allgemeine Formulirung alle M\u00f6glichkeiten und alle wirklich vorkommenden mikroskopischen Bilder ersch\u00f6pfen. Der physiologisch wichtige Hauptpunkt liegt darin, dass sowohl Blutcapil-laren als Gallencapillaren von Leberzellsubstanz so allseitig umgeben werden. dass beide niemals in directe Ber\u00fchrung gerathen.\nFig- 5ti- Vebergang der interlobul\u00e4ren Gallenwege in die Gallencapillaren nach Hering.\nDie Art des Zusammenhanges der Gallencapillaren mit den feinsten interlobul\u00e4ren Gallenwegen ist schwierig zu ermitteln. Nach Hering besteht der Uebergang nur darin, dass das niedrige Epithel der Galleng\u00e4nge da, wo sie zur Grenze der L\u00e4ppchen gelangen, pl\u00f6tzlich duich die 's iel gr\u00f6sseren Leberzellen ersetzt wird, w\u00e4h-","page":217},{"file":"p0218.txt","language":"de","ocr_de":"218 Heidenhain. Physiol, cl. Absonclerungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Galleiiabsonderimg.\nrend die schon sehr enge Lichtung desselben sich nur wenig verj\u00fcngt. Diese m\u00fcsste also unmittelbar in die Lichtung der Gallencapillaren \u00fcbergehen. Nach Asp dagegen1 2 verlieren die in ihren feinsten Verzweigungen nur noch aus einer streitigen Bindegewebsh\u00fclle und Cylinderepithel bestehenden Interlobularg\u00e4nge an der Grenze des L\u00e4ppchens Epithel und Bindegewebe; sie lassen sich zwischen die Leberzellen als Can\u00e4le verfolgen, welche nur noch aus einer Schicht platter Zellen mit spindelf\u00f6rmigen, stark \u00fcber die Wandfl\u00e4che pro-minirenden Kernen von spiraliger Anordnung bestehen. Die letzteren\n57.\n\n\nUebergang der interlobulareii Gallenwege in die Gallencapillaren nacli Asp.\nCan\u00e4le aber stehen unmittelbar mit dem Netze der Gallencapillaren in Zusammenhang. Asp's Darstellung scheint die richtigere, weil sie eine Continuit\u00e4t der Begrenzung der intralobul\u00e4ren und interlobul\u00e4ren Gallenwege annimmt, die bei der f\u00fcr mich zweifellosen Selbstst\u00e4ndigkeit der Wandung der Gallencapillaren (s. sp\u00e4ter) Alles f\u00fcr sich hat. \u2014\nDie zahlreichen fr\u00fcheren Vorstellungen \u00fcber die Beschaffenheit der intralobul\u00e4ren Gallenwege auszuf\u00fchren, ist hier um so weniger der Ort, als sie alle seit der Entdeckung der Gallencapillaren definitiv widerlegt sind. Nur eine Annahme darf ich nicht \u00fcbergehen, welche noch bis heute Vertheidiger findet. Nachdem Theile'- hypothetisch eine besondere Membrana propria als Umh\u00fcllung der Leberzellen vorausgesetzt, glaubte B\u00e4cker\n1\tAsp, Ber. d. siichs. Ges. d. Wiss. Math.-physik. Cl. 1ST3. S. 4T5 u. Fig. 4.\n2\tTheile. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. IP S. 360. 1S44.","page":218},{"file":"p0219.txt","language":"de","ocr_de":"Bau der S\u00e4ugethierleber. Wandung der Gallencapillaren.\n219\nin der That eine diese Gebilde einschliessende structurlose R\u00f6hre dargestellt zu haben.1 Auf diese Vorstellung gingen sp\u00e4ter mehrere Forscher, wie Retzi\u00fcs'2, Weja3 ein; ganz besonders aber fand sie einen warmen Vertheidiger in Beale4. Nach seinen durch zahlreiche Abbildungen erl\u00e4uterten Untersuchungen sollten die feinsten interlobul\u00e4ren Zweige der Galleng\u00e4nge sich pl\u00f6tzlich zu breiten R\u00f6hren erweitern, welche, ein Netzwerk bildend, in ihrem Innern die Leberzellen, ausserdem aber oft noch eine feink\u00f6rnige Substanz, mitunter freie, gelb gef\u00e4rbte K\u00f6rnchen und Fetttr\u00f6pfchen enthielten. Beim F\u00f6tus sei die Wandung der Gallenr\u00f6hren und der Blutcapillaren wohl zu unterscheiden, beide getrennt durch eine structurlose Substanz. Bei Erwachsenen seien beiderlei Wandungen mit einander verschmolzen, daher die Leberzellen von dem Blute nur durch eine d\u00fcnne structurlose Membran geschieden. Wenn man die zahlreichen Abbildungen der isolirten R\u00f6hren auf Tab. XV der Abhandlung betrachtet, wird es schwer zu glauben, dass Beale nicht wirklich injicirte Can\u00e4le vor sich gehabt habe. In der That fand seine Darstellung vielseitige Zustimmung und in besondern Nachuntersuchungen Vertheidigung.5 6 7 Seit man aber die Gallencapillaren durch nat\u00fcrliche und k\u00fcnstliche F\u00fcllung kennen gelernt, hat man die BEALE\u2019schen Schl\u00e4uche stillschweigend fallen lassen, bis Pfl\u00fcger1 1 dieselben, freilich in ver\u00e4nderter Gestalt, wieder zu rehabilitiren suchte. Ich habe mir die gr\u00f6sste M\u00fche gegeben, aus den Lebern von Hunde- und Schweineembryonen jene R\u00f6hren darzustellen, ohne damit jemals gl\u00fccklich gewesen zu sein.\nY. Die Wandung der Gfallencapillareft.\nF\u00fcr die physiologische Auffassung des Absonderungsvorganges ist die Entscheidung der bis heute strittigen Frage von erheblicher Bedeutung, ob die Gallencapillaren wandungslose Intercellularg\u00e4nge seien oder eine selbstst\u00e4ndige Wandung besitzen. Ich muss f\u00fcr die letztere mit Entschiedenheit eintreten.\nSchon in der tubul\u00f6sen Amphibienleber werden die in der Axe der Schl\u00e4uche gelegenen Gallenwege nicht von dem Schlauchepithel unmittelbar begrenzt, so dass sie nur die Lichtung des Epithelialrohrs darstellten, sondern von einer selbstst\u00e4ndigen Membran umgeben, welche sie von den Zellen, denen sie sich enge anschmiegt, trennt. Eberth 7 erkannte dies Verh\u00e4ltnis richtig nach H\u00f6llenstein-injection in die Gallenwege, welche die Membran braun gef\u00e4rbt\n1\tS. Backer. Be structura subtiliori hepatis sani et morbosi. Traj. ad Rhenum 1845.*\n2\tRetzius. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1840. S. 60.\n3\tWeja, Ebenda. 1851. S. 81.\n4\tL. Beale, Philos. Transact. CXLVI. p. 375. London 1856.\n5\tVgl. E. Wagner. Arch. d. Heilkunde. S. 261. 1860.\n6\tPfl\u00fcger. Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 470. I860.\n7\tEberth. Arch. f. microscop. Anat. III. S. 428. 1867.","page":219},{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220 Heidenhain. Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nund doppelt contourirt erscheinen l\u00e4sst. Auf Querschnitten injicirter Tritonenlebern erscheint sie nach ihm als gl\u00e4nzender Ring. Peszke1 hat in meinem Institute aus der Leber von Fr\u00f6schen, deren Gallenwege durch nat\u00fcrliche Injection mit indigschwefelsaurem Natron erf\u00fcllt waren, Fragmente der Gallenwege als selbstst\u00e4ndige Can\u00e4le isolirt.\nBei Fr\u00f6schen erh\u00e4lt man gute nat\u00fcrliche Injection der Gallenwege am Becpiemsten, wenn man in einen Oberschenkellymphsack ein erbsengrosses St\u00fcck trocknen indigschwefelsauren Natrons bringt. Die mit dem Blau nach 24 Stunden vollst\u00e4ndig erf\u00fcllten Gallenwege lassen sich nach Maceration der Leber in einer L\u00f6sung von 5% einfach chromsaurem Ammoniak und 100R Kochsalz durch Zerzupfen als solide blaue, zum Theil\nver\u00e4stelte Str\u00e4nge isoliren, welche von einem lichten hellen Saume begrenzt sind. Leber die Natur des letzteren als Ausdruck einer R\u00f6hrenmembran lassen erstens Specimina wie Fig. 5Sa keinen Zweifel, in denen die R\u00f6hre streckenweise von dem Farbstoff frei geblieben ist, und geben ferner Pr\u00e4parate Aufschluss, deren blauen Inhalt man w\u00e4hrend der mikroskopischen Beobachtung durch Hindurchsaugen von Wasser l\u00f6st: man sieht dasselbe R\u00f6hrenst\u00fcck nach einander im erf\u00fcllten (Fig. 5Sb) und im leeren(Fig.58c)Zustande.\nF\u00fcr die Gallencapillaren der S\u00e4ugethierleber setzten schon Budge, Andr\u00e9jeyic u. A. selbstst\u00e4ndige Wandungen vermuthungsweise voraus; mit gr\u00f6sserer Bestimmtheit behaupteten dieselbe Mac-Gillavry, Chrzonszczewski, Eberth, K\u00f6lliker, Pfl\u00fcger, w\u00e4hrend Hering eine ganz eigenth\u00fcmliche Begrenzungsweise jener R\u00f6hrchen annimmt. Zwischen den an einander stossenden Fl\u00e4chen benachbarter Leberzellen befinde sich eine beiden ungeh\u00f6rige verdichtete Grenz- oder Kittsubstanzschicht; in diese seien die Capillaren als drehrunde Can\u00e4le eingegraben. W\u00e4re dem so, so m\u00fcsste die Begrenzung isolirter Capillaren eine flache Platte darstellen, durch deren Mitte parallel zu ihren Grenzfl\u00e4chen das Can\u00e4lchen gebohrt erschiene. Unzweifel-haft lassen sich aber die Gallencapillaren als cylindrische R\u00f6hren isoliren. So hat Asp aus den Leberl\u00e4ppchen in Zusammenhang mit\n1 Peszke. Beitr\u00e4ge zur Kenntiiiss des feineren Baues der Wir beltliierleber. Dorpat 1874.\nh m\nFig. 58. Wandung der Gallencapillaren (Peszke).","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"S\u00e4ugethierleber. Feinerer Bau der Zellen.\no\n221\nden interlobul\u00e4ren Gallenwegen ein selbstst\u00e4ndiges Canalnetz dargestellt, dessen Natur als Gallencapillarnetz ihm nur deshalb fraglich erschien, weil die Can\u00e4lchen einen etwas gr\u00f6sseren Durchmesser hatten. Fleischl1 bildet ein aus Osmiums\u00e4urepr\u00e4paraten isolirtes intralobul\u00e4res Gallencapillarnetz ab. Ich habe an Pr\u00e4paraten Peszke\u2019s sehr h\u00e4utig Gallencapillaren im isolirten Zustande mit zweifellos selbstst\u00e4ndigen, structurlosen Wandungen gesehen. Hering\u2019s Vorstellung erscheint deshalb nicht haltbar. Wenn freilich Ch. Legros2 3 die W\u00e4nde der Capillaren aus Endothelzellen zusammengesetzt sein l\u00e4sst, so bedarf diese Angabe bis heute noch der Best\u00e4tigung, die nicht die geringste Wahrscheinlichkeit f\u00fcr sich hat.\nVI. Feinerer Bau der Leberzellen.\n1. Verhalten im Hunger zu standet\nIn der Leber von hungernden S\u00e4ugethieren erscheinen ihre Zellen an mit Carmin oder H\u00e4matoxylin gef\u00e4rbten Alkoholpr\u00e4paraten als polygonale Gebilde, welche sich nur mit zarten Grenzlinien gegen einander absetzen, durchweg fein granulirt und deshalb stark getr\u00fcbt aussehen und ihren Kern zwar als dunkler tingirtes, aber wenig scharf begrenztes Gebilde erkennen lassen (vgl. Fig. 59).\n2. Verhalten ir\u00fchrend der Verdauung.\nEtwa 12\u201414 Stunden nach sehr reichlicher Nahrungsaufnahme, also um die Zeit, wo der Magen sich schon zum grossen Theile entleert hat und die Darmverdauung im vollen Gange ist, zeigen die Leberzellen ein vollst\u00e4ndig ver\u00e4ndertes Aussehen. Ist der neue Zustand im vollkommensten Maasse ausgebildet, so sieht man an Schnitten von Lebern, die in Alkohol erh\u00e4rtet sind, bei Untersuchung in 0,6 \u00b0/o Kochsalzl\u00f6sung innerhalb der Zellen grobe, eigen-th\u00fcmlich gl\u00e4nzende Schollen oder K\u00f6rner (vgl. Fig. 60 a), welche den\n1\tE. Fleischl. Arbeiten der physiologischen Anstalt zu Leipzig. S. 35. 1874.\n2\tCh. Legros, Journ. d. l\u2019anat. et d. 1. physiol. 1874. p. 137.\n3\tDie nachfolgenden Mittheilungen \u00fcber das Verhalten der Leberzellen w\u00e4hrend des Hungerns und w\u00e4hrend voller Verdauung beziehen sich auf Untersuchungen. mit welchen Herr Dr. Richard Ivayser in meinem Institute besch\u00e4ftigt ist. A gi. Bresl. \u00e4rztl. Ztsclir. 1879. No. 19.\n59\nFig. 50. Leberzellen nach 36stnn-diger Nalirungsentziehung.","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\ngr\u00f6ssten Tlieil des Zellk\u00f6rpers einnekmen und sich durch ihr Verhalten gegen Jodjodkaliuml\u00f6sung (braunrothe F\u00e4rbung) als Glycogen charakterisiren.\nNach kurzer Zeit l\u00f6sen sich jene Schollen, die in den Leberzellenreihen mitunter in merkw\u00fcrdiger Regelm\u00e4ssigkeit immer nur eine Seite der Zelle einnehmen, in der Zusatzfl\u00fcssigkeit (Kochsalzl\u00f6sung, Wasser, Glycerin) auf. Hat man die Alkoholschnitte in F\u00e4rbefl\u00fcssigkeiten tingirt, so ist schon in diesen die L\u00f6sung erfolgt, so\nb\u00fc.\nFi<r. 60. Leberzellen Tom Hunde 14 Stunden nach starker F\u00fctterung, a Mit G-lyeogen-Einlagerungen\nb und c nach L\u00f6sung derselben.\ndass man von den Glycogenklumpen Nichts mehr zu sehen bekommt. Nach ihrer Entfernung tritt ein Bild der Zellen hervor, welches von dem des Hungerzustandes weit abweicht. Jede Zelle ist von einem dicken dunkeln Ringe begrenzt, von dessen innerer Oberfl\u00e4che ein Netz feiner dunkler F\u00e4den ausstrahlt, welches das ganze Innere der Zelle durchsetzt (Fig. 60 b) und innerhalb dessen der jetzt scharf begrenzte, mit deutlichen Kernk\u00f6rperchen versehene Kern aufgeh\u00e4ngt ist. Das Netz zeigt nicht immer die scharfe und reichliche Ausbildung wie in Fig. 60 b ; in manchen F\u00e4llen sieht man innerhalb der Zelle vielmehr grobe, dunkle K\u00f6rnchen (Fig. 60c), die sich in feine F\u00e4dchen fortsetzen und welche wohl Nichts anderes, als Tr\u00fcmmer des zerst\u00f6rten Netzwerkes darstellen, wie alle m\u00f6glichen Ueber-gangsformen von dem einen zu dem andern Bilde lehren.\nEs handelt sich hier offenbar um ein reichlich entwickeltes Protoplasmanetz innerhalb der Zelle, welches w\u00e4hrend des n\u00fcchternen Zustandes nur deshalb nicht sichtbar war, weil seine Maschen von einer feink\u00f6rnigen, in den Zusatzfl\u00fcssigkeiten nichtl\u00f6slichen Substanz eingenommen waren.\nDer dunkle, jede einzelne Zelle begrenzende Ring stellt eine peripherische H\u00fclle derselben dar. Bringt man St\u00fcckchen der frischen","page":222},{"file":"p0223.txt","language":"de","ocr_de":"S\u00e4ugethierleber. Feinerer Bau der Leberzellen.\n223\nLeber in 33procentige Kalilauge, so isoliren sich die Zellen mit Leichtigkeit, eine jede von ihrer in das Protoplasmanetz sich unmittelbar fortsetzenden Rindenschicht umgeben. Als Zellmembran im gew\u00f6hnlichen Sinne m\u00f6chte ich diese periphere Schicht nicht bezeichnen, weil sie gegen das Innere der Zelle nicht platt begrenzt ist, sondern in continuirlichem Zusammenh\u00e4nge mit dem Protoplasmanetze steht; sie scheint (deshalb als dem Protoplasma selbst zugeh\u00f6rige, verdichtete Oberfl\u00e4chenschicht der Zelle anzusehen zu sein. Die ver\u00e4nderliche Dicke derselben w\u00e4hrend des Hunger- und des Verdauungszustandes deutet darauf hin, dass in dem letzteren das Zellprotoplasma von der Oberfl\u00e4che her w\u00e4chst. Vielleicht r\u00fchrt die Verdickung aber auch nur daher, dass durch die Glycogen-Einlage-rung das Protoplasma um die Zeit, wo diese ihre gr\u00f6sste Ausbildung erreicht, an die Peripherie der Zelle gedr\u00e4ngt wird.\nOb nun diese so sehr auffallende Umwandlung der Leberzellen w\u00e4hrend der H\u00f6he der Darmverdauung in Zusammenhang mit der Gallenabsonderung oder der Glycogenbildung steht, dar\u00fcber bin ich nach den bisher noch nicht abgeschlossenen Beobachtungen des Hrn.\nDr. Kayser Aufschluss zu geben noch nicht im Stande.\nDie Beobachtung netz f\u00fc r m ig ang e o r dne t e n Protoplasmas in den Leberzellen ist nicht ganz neu. Denn beim Frosche hat schon vor mehreren Jahren Kupffer ein Fadennetz (Protoplasmanetz) beschrieben, welches, in eine helle Grundsubstanz (Paraplasma) eingebettet, nach Behandlung der frischen\no\nZellen mit Osmiums\u00e4ure oder mit lOprocentiger Kochsalzl\u00f6sung und Jodtinctur sichtbar wird. Dasselbe h\u00e4lt in seinen Hauptz\u00fcgen die Richtung von der Seite des Blutgef\u00e4sses nach der Seite des Gallenganges inne und ist meist in der Gegend des Kernes dichter gewebt.\nFig. 61. Leberzellen des Frosches mit Protoplasmanetz Zeichnung von Kupffer.","page":223},{"file":"p0224.txt","language":"de","ocr_de":"224 Heidenhaix. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nDie obige Beschreibung der peripherisch e n H ii 11 e der Leber-zellen stimmt nicht ganz mit den Anschauungen Herings \u00fcberein, welcher zwischen je zwei Zellen nur eine beiden gemeinsame Scheidewand von Zwischensubstanz annahm, die bei Isolationsversuchen entweder der einen oder der andern Zelle anhafte. Kalipr\u00e4parate der Lebern verdauender Thiere lassen jedoch \u00fcber die selbstst\u00e4ndige Begrenzung jeder einzelnen Leberzelle keinen Zweifel.\nDer Kern der Leberzellen ist ein sehr ver\u00e4nderliches Gebilde. Wenn Asp (in seiner oft citirten Arbeit) denselben nicht selten theils in einzelnen Gegenden des Leberparenchyms, theils in einem Falle bei einem Kaninchen sogar in der ganzen Leber vermisste, so ist uns bei unsern zahlreichen Untersuchungen an Hunden, Kaninchen, M\u00e4usen u. s. f. niemals etwas Derartiges vorgekommen. Herr Prof. Weigert in Leipzig theilt mir mit, dass bei Erh\u00e4rtung der Lebern in Miiller\u2019scher Fl\u00fcssigkeit der Kern nicht selten unsichtbar werde, w\u00e4hrend Alcoholpr\u00e4parate derselben Lebern ihn deutlich zeigten. \u2014 Oft trifft man in den Zellen zwei Kerne, der eine (nach Pfl\u00fcger) in Carmin f\u00e4rbbar, der andere nicht, ab und zu eine noch gr\u00f6ssere Zahl. An dem Kerne zeigt sich hier und da ein heller fadenartiger Fortsatz. Abweichend von den Kernen der meisten Zellen zerfallen die Leberkerne bei Pepsinverdauung !, was auf einen ungew\u00f6hnlich geringen Gehalt an Nuclein schliessen l\u00e4sst.\nIn der Substanz der Zellen findet sich sehr h\u00e4ufig Fett in Form mehr oder weniger zahlreicher kleinerer oder gr\u00f6sserer Tr\u00f6pfchen. Dass dasselbe innerhalb der Zellen entstehen kann, ist fraglos; bei \u00fcberreicher F\u00fctterung mit magerem Fleische fand ich die Zellen strotzend mit Fetttr\u00f6pfchen erf\u00fcllt. Andrerseits beg\u00fcnstigt fettreiche Nahrung das Erscheinen von Fetttropfen in den Zellen in hohem Maasse, und zwar auffallender Weise viel mehr in den peripherischen, als in den centralen Zellen der L\u00e4ppchen. Frerichs 2 hat die Fettanh\u00e4ufung systematisch untersucht, indem er Hunden zu ihrer gew\u00f6hnlichen Nahrung t\u00e4glich 15 \u2014 30 Grm. Fett hinzusetzte und an kleinen ausgeschnittenen Leberst\u00fcckchen den Erfolg beobachtete. Bereits nach 24 Stunden traten in den Zellen reichlich Fettmoleciile auf, die nach drei Tagen zu Tr\u00f6pfchen zusammenflossen. Nach S Tagen waren die Zellen fast ganz mit Fett erf\u00fcllt. Bei Aenderung der Ern\u00e4hrungsweise schwand dasselbe nach einiger Zeit. Ein interessantes Beispiel reichlicher Ansammlung zugef\u00fchrten Fettes in den Zellen liefert nach E. H. Weber 3 die Leber des H\u00fchnchens vor dem Auskriechen. Wenn n\u00e4mlich am 19.\u201420. Tage der Bebr\u00fctung der Dotter des Dottersackes resorbirt wird, nehmen die Leberzellen so massenhaft Fett auf, dass das ganze Organ hellgelb erscheint.\nNach K\u00f6lliker 4 ist Fetterf\u00fcllung der Leberzellen bei noch s\u00e4ugenden Thieren eine regelm\u00e4ssige Erscheinung.\nAusser den Fetttr\u00f6pfchen kommen in den Leberzellen noch in grosser Zahl kleine blasse K\u00f6rnchen vor, die Schiff 5 mit Unrecht f\u00fcr Glycogen\n1\tPlosz, Arch. f. d. ges. Physiol. VII. S. 371. 1873.\n2\tFrerichs, Klinik der Leberkrankheiten I. S. 289. Braunschweig 1858.\n3\tE. H. AYeber, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. AViss. Math.-physik. GL 1850. S. 187.\n4\tK\u00f6lliker, W\u00fcrzburger A^erhandl. 1856. S. 6.\n5\tSchiff, Untersuchungen \u00fcber die Zuckerbildung in der Leber. S. 201. AA \u00fcrz-burg 1856.","page":224},{"file":"p0225.txt","language":"de","ocr_de":"Zusammenhang der Leberzellen mit den Gallencapillaren.\n225\nhielt, da sie sich nach Bock und Hofmann 1 sowohl in glycogenfreien als in glycogenhaltigen Lebern vorfinden. Ein Theil derselben ist nach Plosz in zehnprocentiger Kochsalzl\u00f6sung, ein andrer nur in S\u00e4uren l\u00f6slich.\nDen Glycogengehalt der Leberzellen kann man nach Bock und Hofmann durch Zusatz von Jodl\u00f6sung (Jod 1,0 \u2014 Jodkalium 10,0 \u2014 Wasser 500) erkennen. GJycogenfreie Zellen f\u00e4rben sich durch diese Zusatzfl\u00fcssigkeit nur leicht gelblich, glycogenhaltige mehr oder weniger tief dunkelbraun, bei geringerem Gehalte nur in der N\u00e4he des Kernes, von dessen Umgebung bei gr\u00f6sserem Gehalte ein Netzwerk dunkelbrauner F\u00e4den gegen die Peripherie der Zelle ausstrahlen soll. Netzartige Z\u00fcge yon Glycogen habe ich niemals beobachtet, sondern dasselbe stets nur in der Form der eben geschilderten K\u00f6rner und Schollen gesehn.\nAus den Zellen der todtenstarren Leber erhielt Plosz 1. bei Ersch\u00f6pfung mit 0,7 5\u00b0 o Kochsalzl\u00f6sung ein bei 45\u00b0 C. gerinnbares Albu-minat und eine bei 70\u00b0 C. gerinnbare Eiweiss-Nuclein-Verbindung; 2. bei darauffolgender Extraction mit 10% Kochsalzl\u00f6sung einen bei 75\u00b0 C. coagulirenden, dem Myosin \u00e4hnlichen Eiweissk\u00f6rper. R\u00fcckst\u00e4ndig in den Zellen blieb ein fernerer, in Wasser unl\u00f6slicher, in verd\u00fcnnten S\u00e4uren und Alcalien in der W\u00e4rme schwer l\u00f6slicher Eiweissk\u00f6rper. \u2014 Wurden die Zellen der frischen, durch eiskalte Kochsalzl\u00f6sung entbluteten Leber im gefrornen Zustande zerrieben, so erhielt man nach dem Aufthauen eine feink\u00f6rnige schwerfl\u00fcssige Masse, von welcher sich durch Filtration ein wenig \u201eLeberplasma\u201c abscheiden liess, eine alcalische Fl\u00fcssigkeit, welche viel Eiweiss, Glycogen, Spuren von Zucker, das bei 45 0 C. coa-gulirende Albuminat und das Nucleoalbumin der todtenstarren Leber enthielt. Der Filterr\u00fcckstand zeigte die Reactionen des schwer l\u00f6slichen Albuminates. \u2014 In der Leber wird nach dem Tode durch G\u00e4hrung schnell eine S\u00e4ure gebildet, vermuthlich Milchs\u00e4ure; dieser Process setzt sich l\u00e4ngere Zeit fort, denn nach Auswaschen der S\u00e4ure durch einen Wasserstrom tritt bald von Neuem saure Reaction auf.\n\u25a0j. Zusammenhang der Leber zellen mit den Gallencapillaren.\nManche Thatsachen scheinen darauf hinzuweisen, dass zwischen den Leberzellen und den Gallencapillaren noch n\u00e4here Beziehungen als die der blo ssen Nebeneinanderlagerung bestehen, ohne dass bis jetzt die Art dieser Beziehungen vollst\u00e4ndig klar gelegt w\u00e4re.\nIch habe liier zun\u00e4chst die merkw\u00fcrdige Entdeckung E. H. We-\n\u00ee\u00c6R s 3 im Auge, dass die Reihen oder Balken der Leberzellen sich von den Galleng\u00e4ngen aus injiciren lassen. F\u00fchrte doch diese Beobachtung Weber\u2019s zu der Annahme, die Reihen der Leberzellen seien die Anf\u00e4nge der Gallenwege, indem die benachbarten Leberzellen an ihren Ber\u00fchrungsfl\u00e4chen sich in einander \u00f6ffneten. Eine sogenannte Leberzelle sei mithin nur ein Fragment eines feinsten\n1\tBock & Hofmann, Arch. f. pathol. Anat. LVL S. 201.\n2\tPlosz, Arch. d. ges. Physiol. VIL S. 371.\n3\tE. H. Weber, Bei*, d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-phys. CI. 1850. S. 163.\nHandbuch der Physiologie. Bd. V.\t15","page":225},{"file":"p0226.txt","language":"de","ocr_de":"226 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallcnabsonderung.\nGallenganges. Die lauge bezweifelte thats\u00e4chliche Angabe Weber\u2019s ist durch Asp (in der mehrfach citirten Abhandlung) wieder in ihr Recht eingesetzt worden. Da L\u00f6sungen von Gummi Gutti in Alkohol oder von Alcannin in Terpentin\u00f6l mit Leichtigkeit bereits von der Peripherie der L\u00e4ppchen aus in die Leberzellen eindrangen, w\u00e4hrend das Netz der Gallencapillaren leer blieb, scheinen die Widerst\u00e4nde auf dem ersteren Wege geringer zu sein, als auf dem letzteren. Aber es Hessen sich die Leberzellen auch von der Pfortader aus mit jenen Fl\u00fcssigkeiten impr\u00e4gniren, mithin war sogar die Endothelhaut der Blutcapillaren f\u00fcr dieselben leicht durchg\u00e4ngig. F\u00fcr Weber\u2019s Annahme eines offenen Zusammenhanges zwischen den Galleng\u00e4ngen und den Leberzellen sind deshalb jene Beobachtungen doch nicht zu verwerthen.\nFig. 62. Zeichnungen toix Kupffer: a und h k\u00fcnstliche Injection der Gallencapillaren des Kaninchens. Aus den mit Berlinerblau injicirten Capillaren treten feine blaue F\u00e4den in die Leberzellen und enden hier in rundlichen, knopff\u00f6rmigen Ansammlungen des Farbstoffes, c Nat\u00fcrliche Injection der Froschleber durch indigschwefelsaures Natron: in den Zellen befinden sich blaue F\u00e4den in Verbindung mit \u00e4hnlichen knopff\u00f6rmigen Farbstoffh\u00e4ufchen.\nEher d\u00fcrfte zu einer solchen Folgerung die Wahrnehmung von Pfl\u00fcger 1 f\u00fchren, welcher bei Injection der Gallencapillaren mit Berliner Blau im Protoplasma der Leberzellen unendlich feine blaugef\u00e4rbte Can\u00e4lchen auffand, sowie eine \u00e4hnliche von Kupffer 1 2, der bei der gleichen Injection in der Kaninchenleber den Farbstoff innerhalb der Zellen in regelm\u00e4ssigen kleinen runden Anh\u00e4ufungen beobachtete, welche mit der n\u00e4chsten Gallencapillare durch \u00e4usserst feine blaue F\u00e4dchen in Verbindung standen. Entsprechende Bilder\n1\tPfl\u00fcger, Arch. f. cl. ges. Physiol. II. S. 472. 1869.\n2\tKupffer. Schriften d. naturwiss. Vor. f. Schleswig-Holstein. Heit III. S. 230.","page":226},{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Zusammenhang der Leberzellen mit den Gallencapillaren.\n227\nzeigten auch die Zellen der Kaninchen- und Froschleber, wenn in das Blut injicirtes indigschwefelsaures Natron zur Ausscheidung durch die Leber gebracht wurde.\nDie obigen Bilder in Fig. b2 veranschaulichen diese Verh\u00e4ltnisse nach Zeichnungen von Kupffer, \\yelche derselbe mir zur Ver\u00f6ffentlichung an dieser Stelle freundlichst zur Disposition gestellt hat. Pr\u00e4parate dieses Forschers von der Kaninchenleber entsprechen vollkommen den Zeichnungen a und b der obigen Figur. \u2014\nW\u00e4hrend die vorstehenden Beobachtungen zu der Annahme f\u00fchren, dass von den Gallencapillaren aus feinste Can\u00e4lchen in das Innere der Leberzellen eindringen und sich mit gewissen Hohlr\u00e4umen daselbst in Verbindung setzen, nimmt Pfl\u00fcger1 einen Zusammenhang ganz andrer Art zwischen Leberzellen und Gallencapillaren an. Denn nach der Auffassung dieses Forschers besitzt jede Leberzelle eine besondere Membran, welche sich in die Wandung der Gallencapillaren durch einen kurzen schmalen Ausl\u00e4ufer fortsetzt. Demnach stellt \u201edas secernirende Parenchym der Leber ein Netzwerk feinster R\u00f6hren (Netz der Gallencapillaren) dar, in dessen Maschen die Leberzellen liegen, so aber, dass sie Erweiterungen und Ausw\u00fcchse dieser R\u00f6hren sind oder wie kurz gestielte Beeren denselben ansitzen. Das Wesentlichste ist hier, dass die Gallencapillare nicht blos aussen an der Zelle hinl\u00e4uft, sondern dass diese in einer Erweiterung der Capillare liegt. \u201c\nDiese Anschauung hat nicht bloss sp\u00e4ter bei Kolatschewski 2 Beifall gefunden, welcher die Gallencapillaren aus hohlen Forts\u00e4tzen der Leberzellen hervorgehen l\u00e4sst, darstellbar durch successive Behandlung des Leberparenchyms mit Jodserum und doppelt chromsaurem Ammoniak, sondern sie ist schon in mindestens sehr \u00e4hnlicher Weise vor einer l\u00e4ngeren Reihe von Jahren von Huschke 3 ausgesprochen worden : \u201e Von einem spitzigen Tlieile der (Leber-)Zelle sah ich mehrere Male deutlich einen Faden sich fortsetzen, der mit andern st\u00e4rkern sich zu verbinden schien ... Ich bin der Ansicht, dass die Gallencan\u00e4lchen nach vielfacher spitzwinkliger Theilung h\u00f6chst zart und d\u00fcnn werden, viel feiner als die Zellen selbst, sie gehen in jene zu den Zellen laufenden F\u00e4den fort, die nach meinen Messungen *,300 Mm. d\u00fcnn sind, also zarter als die Capillarge-f\u00e4sse und als die Absonderungscan\u00e4lchen aller andern Dr\u00fcsen. Die Zellen selbst, vorz\u00fcglich ihren Kern, halte ich deshalb f\u00fcr die eigentlichen Acini und rechne die Leber zu den \u00e4chten acin\u00f6sen Dr\u00fcsen . . . Jene End\u00e4stchen der Gallencan\u00e4lchen sind zu fein, um nicht meistens abzureissen, so dass man nur die blossen Zellen vor sich hat. Dazu kommt noch, dass sie kurz sind und die Acini dicht neben einander stehen.\u201c\n1\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. IL S. 470. 1809.\n2\tKolatschewski, Arch. f. microscop. Anat. XIII. S. 415. 1876.\n3\tHuschke. S\u00f6mmering\u2019s Lehre von den Eingeweiden und Sinnesorganen des menschlichen K\u00f6rpers. S. 135. Leipzig 1844.\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nDie Zusammenstellung der verschiedenen Ansichten \u00fcber das Verh\u00e4ltnis der Leberzellen und Gallencapillaren ergiebt, dass eine befriedigende Einsicht in dasselbe zur Zeit noch vollst\u00e4ndig fehlt, dass aber offenbar die Annahme einer blossen Nebeneinanderlagerung der Gallenwege und der Leberzellen nicht gen\u00fcgt, um gewisse Er-fahrungsthatsachen, welche oben mitgetheilt worden sind, verst\u00e4ndlich zu machen.\nVII. Bindesubstanz und Lyinplir\u00e4uine der Leberl\u00e4ppclien.\nNachdem schon friiherhin einzelne Beobachter (His, E. Wagner, K\u00f6lliker) Andeutungen von Bindesubstanzgebilden innerhalb der Leberl\u00e4ppchen gesehen, haben Fleische1 und Kupffer2 3 dieselben genauer verfolgt. Nach dem Ersteren tr\u00e4gt die Wandung der feinsten Lebervenen\u00e4stchen auf ihrer Aussenfi\u00e4che ein bindegewebiges Balkenwerk mit Maschen, deren gr\u00f6sster Durchmesser in der L\u00e4ngsrichtung der Gef\u00e4sse liegt. Von hier aus strahlt in das Innere des L\u00e4ppchens ein feines bindegewebiges Netzwerk, welches Kupffer genauer verfolgte. Bei dem Menschen und einigen S\u00e4ugethieren folgt der Zug der Fasern wesentlich dem Blutgef\u00e4sssystem, umspinnt die Capillaren mit feinen Netzen, durchsetzt aber auch mit grobem und feinem B\u00fcndeln die Zwischenr\u00e4ume. Bei andern S\u00e4ugethieren (Maus, Ratte, Hund) verlassen die Fasern h\u00e4utig die Capillaren, um gestreckten Weges zwischen den Leberzellen zur Peripherie des L\u00e4ppchens zu ziehen.\nAusser diesem die Capillaren und Leberzellen st\u00fctzenden Fasernetze kommen innerhalb der Leberl\u00e4ppchen noch andre Gebilde interessanter Natur vor, welche vorl\u00e4ufig kaum anders als bei dem Bindegewebe unterzubringen sind.\nPonfick fand theils an den interlobul\u00e4ren Pfortaderzweigen, theils aufgelagert auf die intralobul\u00e4ren Capillaren rundliche, ovale oder unregelm\u00e4ssig gestaltete verzweigte Zellen, welche die merkw\u00fcrdige Eigenschaft besitzen, in das Blut injicirten feink\u00f6rnigen Zinnober so massenhaft aufzunehmen, dass sie sich vollst\u00e4ndig damit impr\u00e4gniren. Diese Zellen sind wohl kaum identisch mit den von Ehrlich4 in Begleitung der Interlobularvenen wie der Centralvene aufgefundenen, durch Dahlia f\u00e4rbbaren \u201ePlasmazellen\u201c, dagegen\n1\tE. Fleische. Arbeiten der physiologischen Anstalt zu Leipzig. 1S75. Fig. I\u20144 der zu der Abhandlung geh\u00f6rigen Tafel.\n2\tKupffer. Arch. f. microscop. Anat. XII. S. 350. 1876.\n3\tPonfick, Arch. f. pathol. Anat. XLVIII. S. 1. 1869.\n4\tP. Ehrlich, Arch. f. microscop. Anat. XHI. No. 10. S. 376. 1877.","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Bindesubstanz und Lymphr\u00e4ume der Leber. Sternzellen.\n229\n63\nFig. \u00f63. Kupffer's Sternzellen.\nidentisch mit den \u201eSternzellen\u201c Kupffer\u2019s1, welche, ausschliesslich auf das Innere der L\u00e4ppchen angewiesen, stets auf einer Seite in Contact mit einem Capillargef\u00e4sse stehen, dessen Aussenti\u00e4che sich innig anschmiegend, auf der andern Seite sich an die n\u00e4chst benachbarte Leberzelle anlegen und mit ihren feinen Forts\u00e4tzen nicht selten zwischen je zwei Leberzellen eindringen.\nPlaten2 beobachtete in denselben Zellen unter Umst\u00e4nden, z. B. bei fettreicher Nahrung, bei acuter Phosphorvergiftung, Ansammlungen zahlreicher Fetttr\u00f6pfchen.\nIch w\u00fcrde bei diesen Bildungen nicht so ausf\u00fchrlich verweilen, wenn sie nicht ohne Zweifel zur Begrenzung eines wichtigen Systems von Hohlr\u00e4umen in der Leber beitr\u00fcgen, des Systems ihrer Lymph-bahnen. Soweit dasselbe die L\u00e4ppchen selbst betrifft, verdanken wir seine Kenntniss im Wesentlichen den aus Ludwig\u2019s Laboratorio hervorgegangenen Untersuchungen von Mac Gillavry3, E. Fleische4 und A. Budge.5 6 Nach diesen Autoren sind die intralobul\u00e4ren Blutcapillaren von Lymphr\u00e4umen umgeben, welche von den Wandungen dieser Capillaren selbst, dem sie begleitenden Bindegewebe und den benachbarten Leberzellen begrenzt werden. Eine Endothelbekleidung hat an denselben trotz der Angaben von Kisselew 15 nicht nachgewiesen werden k\u00f6nnen. Es ist hiernach auch bei der Leber das f\u00fcr alle Dr\u00fcsen (mit Ausnahme der MALPiGHi\u2019schen Gef\u00e4sskn\u00e4uel) g\u00fcltige Princip festgehalten, dass die secernirenden Apparate ihr Absonderungsmaterial nicht direct aus dem Blute, sondern aus der Lymphe beziehen. Die pericapill\u00e4ren Lymphr\u00e4ume gehen zun\u00e4chst in Lymphcan\u00e4le \u00fcber, welche innerhalb der Wandungen der Lebervenen- und feineren Pfortaderzweige gelegen sind (vascul\u00e4re Lymph-gef\u00e4sse), diese aber stehen mit Lymphgef\u00e4ssen in Verbindung, welche die interlobul\u00e4ren Pfortaderverzweigungen netzartig der Art umspinnen, dass sie die Leberl\u00e4ppchen allseitig nach Art eines Korbgetiechtes einh\u00fcllen, und ihrerseits wiederum tlieils in die Lymphgef\u00e4sse des ser\u00f6sen Ueberzuges, theils in die grossen Gef\u00e4sse des Hilus \u00fcberf\u00fchren. Es folgen also die Lymphbahnen der Leber den Blutbahuen, indem sie die Pfortader\u00e4ste begleiten, mit ihren Ver\u00e4stlungen in die\n1\tKupffer. Arch. f. microscop. Anat. XII. S. 353. 1S76.\n2\tPlaten. Arch. f. path. Anat. LXXIV. 1S7S.\n3\tMac Gillavry. Sitzgsber. d. Wiener Acad. L. 1864. 28. April.\n1 E. Fleischl. Arbeiten der physiologischen Anstalt zn Leipzig. S. 24. 1874.\n5\tA. Budge, Ebenda. 1875.\n6\tKisselew, Centralbl. f. d. med. AViss. 1869. S. 147.","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230 Heidenhain. Physiol, d. Absonderlingsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nL\u00e4ppchen eintreten, hier die Capillaren einh\u00fcllen und andrerseits, sich in die Wand der Lebervenen eingrabend, mit diesen die Leber verlassen.\nBei pathologischen Lymplistauungen fand Biesiadecki 1 die perica-pill\u00e4ren Lymphr\u00e4ume der Leberl\u00e4ppchen so erheblich erweitert, dass auf jedem Schnitte der Leber zwischen der Aussenfl\u00e4clie der Capillaren und den Leberzellen ein breiter Raum klaffte, welcher die Capillaren rings einscheidete. Mein geehrter College Ponfick hat mir \u00e4hnliche Pr\u00e4parate gezeigt, in welchen die Lymphr\u00e4ume mit einer gelblich gl\u00e4nzenden Masse erf\u00fcllt waren, offenbar geronnener Lymphe. Solche F\u00e4lle beweisen, dass die k\u00fcnstliche Injection in der That die wirklichen Lymphr\u00e4ume der L\u00e4ppchen erf\u00fcllt und nicht etwa neue Bahnen er\u00f6ffnet hat.\nWenn v. Wittich 2 von dem perivascul\u00e4ren Netze der Lebervenen-und Pfortaderst\u00e4mmchen aus \u00e4usserst feine zierliche Ausl\u00e4ufer in die Leberl\u00e4ppchen zwischen Blutgef\u00e4sse und Zellen eindringen sah, so stimmt diese Beschreibung selbstst\u00e4ndiger intralobul\u00e4rer Lymphcapillaren mit der gegebenen Darstellung nicht \u00fcberein. Weitere Untersuchungen m\u00fcssen \u00fcber Wittichs Wahrnehmungen Aufkl\u00e4rung geben.\nTill. Nerven der Leber.\nSie stammen theils aus dem Plexus coeliacus, theils direct aus dem Vagus. In die f\u00fcr die Gallenblase und die gr\u00f6sseren Galleng\u00e4nge bestimmten Verzweigungen sind sparsam Ganglienzellen eingeschaltet.\nUeber das Verhalten der Nervenfasern innerhalb der L\u00e4ppchen herrschen noch Controversen. Nach Pfl\u00fcger 3 sollen hier sehr zahlreiche, feine, markhaltige, durch Osmiums\u00e4ure sich schw\u00e4rzende Fasern vorhanden sein, welche selten einzeln, meist in platten St\u00e4nirn-chen und B\u00fcndeln verlaufen, h\u00e4ufig sich theilen und durch Quer-anastomosen unter einander verbinden, schliesslich die (von Pfl\u00fcger angenommenen) Membranen der Leberzellen durchbohren, um den Axencylinder in das Innere der Zelle eintreten zu lassen. Aus vielfacher Theilung des letzteren hervorgehende blasse F\u00e4den setzen sich in Z\u00fcge feink\u00f6rniger streifiger Massen innerhalb der Zelle fort. \u201eMan k\u00f6nnte demgem\u00e4ss sagen, dass die Leberzelle eine kernhaltige Anschwellung eines Nerven sei. \u201c\nSp\u00e4tere Untersuchungen (Krause1 2 3 4, Kupffer5 6, Nesteeowsky1',\n1\tBiesiadecki. Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-phys. CI. LY. (1 ) S. 655. Taf. I. Fig. 4. 1867.\n2\tvon Wittich, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1S74. S. 914.\n3\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. II. 1869.\n4\tW. Krause, Allgemeine u. microscopische Anatomie. S. 228. Hannover 1870.\n5\tKupffer, Arch. f. microscop. Anat. S. 538. 1876.\n6\tNesterowsky, Arch. f. pathol. Anat. LXIII. S. 412. 1875.","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Die specifischen Gallenbestandtheile entstehen in der Leber.\n231\nKolatschewsky 0 haben Pfl\u00fcger\u2019s Bilder nicht wieder gefunden. Die beiden letzteren Autoren beschreiben als Endigungen der Lebernerven marklose Fasern, die sich auf den Gef\u00e4ssen, namentlich den intralobul\u00e4ren Capillaren, netzartig ausbreiten. Nach Kupffer geh\u00f6ren diese Netze aber dem Bindegewebe und den Netzen der Sternzellen an.\nZWEITES CAPITEL.\nDie Bildung der specifischen Gallenbestandtheile.\nI. Die specifischen Gallenbestandtlieile (Gallens\u00e4uren und Gallenfarbstoff) werden in der Leber gebildet.\nObschon der in der Ueberschrift aufgestellte Satz sich allgemeinster Beistimmung erfreut, l\u00e4sst es sich doch nicht verhehlen, dass manche von den Beweisen, welche f\u00fcr die Bildung der specifischen Gallenbestandtheile in der Leber selbst als g\u00fcltig angesehen werden, bei ernsterer Pr\u00fcfung noch Zweifeln Raum lassen, deren Beseitigung im Interesse einer v\u00f6lligen Sicherheit unserer Anschauungen wttn-schenswerth w\u00e4re.\nVon vornherein ist zu bemerken, dass die Behauptung, die Leber sei der Bildungsherd f\u00fcr die specifischen Gallenbestandtheile, nicht so verstanden werden darf, dieselben k\u00f6nnten niemals ausserhalb derselben entstehen. Cloez & Vulpian1 2 wie Virchow3 4 fanden in den Nebennieren Gallens\u00e4uren; dass Gallenfarbstoffe fern von der Leber sich bilden k\u00f6nnen. wird sp\u00e4ter ausf\u00fchrlich besprochen werden.\n/. Las der lieber zustr\u00f6mende (Pfortader- resp. Peberarterien-)Blut enthalt weder Gallens\u00e4uren noch Gallenfarbstoffe G\nIn dieser Thatsache liegt einer der wesentlichen Gr\u00fcnde, die Bereitung jener chemischen Verbindungen in die Leber zu verlegen. Allein das rein negative Resultat aller Bestrebungen, im Pfortader-blute Gallenbestandtheile aufzufinden, ist auffallend genug, wenn man Folgendes erw\u00e4gt.\nNach \u00fcbereinstimmenden Angaben von Bidder und Schmidt5 und\n1\tKolatschewsky. Arch. f. microscop. Anat. XIII. S. 417. 1S77.\n2\tCloez & Vulpian, Compt. rend. 1S57 ; Gaz. hebd. Nr. 3S. S. 665. 1S57.\n3\tVirchow, Arch. f. pathol. Anat. XII. S. 4S. 1S57.\n4\tLehmann, Erdmann\u2019s Journ. f. pract. Chemie. LUI. S. 12. 1851.\n5\tBidder & Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 2IS. Mitau und Leipzig 1852.","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nvon Hoppe-Seyler 1 werden sieben Achtel des gesammten 24 st\u00e4ndigen Lebersecretes in dem Darme resorbirt. Ein Hund von 8 Kgrm. liefert nach dem letzteren Autor t\u00e4glich 4 Grm. Gallens\u00e4uren, wovon also 3,5 Grm. in den Kreislauf \u00fcbergehn. Gesch\u00e4he dieser Ueber-gang in das Blut, sei es direct in das der Pfortader oder indirect durch den Chylus in das des allgemeinen Kreislaufes, auf ein Mal, so w\u00fcrde das Blut, da seine Menge (= Vi 3 des K\u00f6rpergewichts) bei dem obigen Hunde 615 Grm. betr\u00e4gt, 0,56 \u00b0/o an Gallens\u00e4uren enthalten m\u00fcssen. Es vertheilt sich aber die Absonderung und Aufsaugung jener Gallens\u00e4uremenge auf 24 Stunden. Bei gleichm\u00e4ssig anhaltender Absonderung w\u00fcrden st\u00fcndlich 0,15 Grm. zur Resorption gelangen, das Blut w\u00fcrde 0,024 % enthalten. Nach Friedl\u00e4nder -kann man aus 100 Grm. Blut eine Menge von nur 0,0075 Grm. glyeocholsauren Natrons, die man hinzugesetzt hat, mit Sicherheit wieder gewinnen, nach Neukomm1 2 3 noch 0,06 Milligrm. mittelst der von ihm modificirten PETTEXKOFER\u2019schen Probe mit Sicherheit erkennen.\nUnter diesen Umst\u00e4nden bleibt es befremdlich genug, dass niemals der Nachweis von Gallens\u00e4uren im normalen Blute gelungen ist. In meinem Institute hat Herr Dr. K\u00f6bner ebenfalls nur negative\no\nResultate erhalten. Vollends da Tappeiner4 im Chylus des Hundes bei Verarbeitung von 150 Ccm. mit Bestimmtheit Gallens\u00e4uren auffand, wo sie bisher ebenfalls vermisst wurden, da ferner Naunyn5, Vogel6, H\u00f6ne und Dragendorff7 constant im normalen menschlichen Harne Gallens\u00e4uren nach wiesen, letzterer Forscher durch Reindarstellung derselben, \u2014 bleibt die angebliche Nichtexistenz der Gallens\u00e4uren im Blute ein weiter aufzukl\u00e4render Punkt.\nZweifel werden auch dadurch erregt, dass der Gehalt des Blutes an Gallens\u00e4uren nur ein ganz ausserordentlich geringer zu sein braucht, um die Ausfuhr aus der Leber zu decken. Denn nach einer weiter unten genauer zu begr\u00fcndenden Sch\u00e4tzung Hi essen durch die Leber eines Hundes von S Kgrm. t\u00e4glich zwischen 14000 und 15000 Grm. Blut. Diese brauchten an Gallens\u00e4uren noch nicht 0,003 \u00b0o zu ent-\n1\tHoppe-Seyler, Arch. f. pathol. Anat. XXVI. S. 535. 1863.\n2\tFriedl\u00e4nder, Angabe bei Huppert, Wagner's Arch. d. Heilkunde. V. S. 239.\n1864.\n3\tNeukomm, Arch. f. Anat. u. Physiol. I860.\n4\tTappeiner, Sitzgsber. d. bayr. Acad. LXXVIII. 1878. 4. April.\n5\tNaunyn, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1868. S. 401.\n6\tVogel. Maly\u2019s Jahresber. f\u00fcr 1872. S. 243.\n7\tJon. H\u00f6ne, Heber die Anwesenheit von Gallens\u00e4uren im normalen Harne. Piss. Dorpat 1873. Dragendorff sch\u00e4tzt die Menge der Gallens\u00e4uren in 100 Liter menschlichen Harnes zu 0,7\u20140,8 Grm.","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Lie specifischen Gallenbestandtheile entstehen in tier Leber.\n233\nhalten, um den Anforderungen des 2 4 st\u00e4ndigen Lebersecretes gerecht zu werden.\n2. Nach Exstirpation der Eeber h\u00e4ufen sich im Blute Gallenbestandtheile nicht an, wohl aber nach Unterbindung des Duct, choledochus.\nDa die Untersuchung normalen Blutes auf Gallens\u00e4uren kein vollst\u00e4ndig vertrauenswerthes Resultat liefert, ist es erw\u00fcnscht, den aus derselben hergenommenen Beweis f\u00fcr die Bildung der Gallenbestandtheile in der Leber auf anderm Wege verst\u00e4rkt zu sehen.\nJoh. M\u00fcller1 2, Kunde- und Moleschott3 exstirpirten Fr\u00f6schen die Leber. War sie nur Excretions-, nicht Bereitungsst\u00e4tte f\u00fcr die Gallenbestandtheile, so musste mit der Zeit eine Anh\u00e4ufung derselben im K\u00f6rper nachweisbar sein. Alle drei Beobachter erhielten negative Ergebnisse, trotzdem dass Moleschott\u2019s Fr\u00f6sche die Operation zum Theil 15 \u2014 21 Tage \u00fcberlebten. Bemerkenswerth ist Kunde\u2019s Angabe, dass das alkoholische Blutextract entleberter Fr\u00f6sche gr\u00fcn war und der Abdampfr\u00fcckstand desselben mit Salpeters\u00e4ure roth wurde. Nach dieser Beobachtung meint Kunde, im Blute sei wahrscheinlich ein Pigment \u2014 wenn schon nicht Gallenfarbstoff \u2014 vorhanden, welches durch die Leber continuirlich ausgeschieden werde. F\u00fcge ich den obigen Angaben hinzu, dass nach Unterbindung des Choledochus bei Fr\u00f6schen, wie Dr. K\u00f6bner in meinem Institute fand, nach einigen Tagen Gallens\u00e4uren im Blute nachweisbar werden (was bei S\u00e4ugethieren lange beobachtet, von Leyden4 5 aber bez\u00fcglich der Fr\u00f6sche bezweifelt worden ist), so scheint damit ein Beweis f\u00fcr die Bildung der Gallens\u00e4uren in der Leber gesichert.\n3. Pathologische Beobachtungen.\nDa es unm\u00f6glich ist, an S\u00e4ugethieren Leber-Exstirpationen vorzunehmen, werden f\u00fcr die Frage nach dem Bildungsorte der Gallenbestandtheile Erkrankungen der Leber von Interesse, bei welchen die Absonderung derselben vollkommen aufgehoben ist, ohne dass eine Anh\u00e4ufung von Gallenbestandtheilen im Blute oder ein Ueber-gang derselben in den Harn stattfindet.\nSo berichtet Frerichs einen Fall von hochgradiger Fettleber, in welchem zum Beweise g\u00e4nzlicher St\u00f6rung der Secretion der Darminhalt\n1\tJoh. M\u00fcller. Lehrbuch der Physiologie. 4. Aufl. I. S. 131. 1S44.\n2\tKunde, De hepatis ranarum exstirpatione. Berolini 1850.\n3\tJ. Moleschott. Yierordt\u2019s Arch. f. physiol. Heilkunde. XL S. 479. 1852.\n4\tE. Leyden. Pathologie des Icterus. S. 19. Berlin 1800.\n5\tFrerich-, Klinik der Leberkrankheiten. I. S. 80. Braunschweig: 1858.\nO","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234 Heidenhain. Physiol.d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nblass, die Gallenblase leer, der Inhalt der Galleng\u00e4nge nur grauer Schleim war und trotzdem die Haut kreideweiss, der Harn frei von Gallenbe-standtheilen blieb.\n4. Directe Beobachtungen an den Leberzellen.\nAuch von denjenigen Forschern, welche die Leber als gallenbildendes Organ ansehen, bezweifeln doch mehrere, dass die chemischen Heerde dieser Th\u00e4tigkeit die Leberzellen seien.\nCl. Bernard sieht in ihnen nur den Ort der Glycogenbildung, nicht der Gallenbildung. Denn beide chemischen Acte fallen nach ihm zeitlich oder selbst r\u00e4umlich auseinander b Bei S\u00e4ugethieren erreicht die Zuckerbildung 3 \u2014 4 Stunden nach der Nahrungsaufnahme ihr Maximum, die Gallenbildung erst viel sp\u00e4ter. \u2014 Bei Limax flava, wo der Choledochus in den Magen selbst einm\u00fcndet, befindet sich in dem letzteren nach l\u00e4ngerer N\u00fcchternheit braune, zuckerfreie Galle, gegen Ende der Magenverdauung dagegen eine farblose zuckerhaltige Fl\u00fcssigkeit, welche so reichlich abgesondert wird, dass schliesslich Galleng\u00e4nge und Leber strotzend mit derselben erf\u00fcllt sind. Nach Resorption derselben tritt von Neuem Gallenabsonderung ein. \u2014 Bei vielen Insecten m\u00fcnden die Galle bereitenden, stets zuckerfreien Schl\u00e4uche in das untere Ende des Chylusma-gens. Zucker wird von besonderen Zellen in den Darmwandungen gebildet, welche den Leberzellen der S\u00e4uger \u00e4hnlich seien. Cl. Bernard schliesst aus diesen Beobachtungen, dass auch bei der letzteren Thier-classe Gallen- und Glycogenbildung an verschiednen Orten geschehen. Da die letztere nachweislich in den Leberzellen stattfinde, sei die St\u00e4tte der erster en noch zu bestimmen.\nHenle gelangte aus anatomischen Gr\u00fcnden zu \u00e4hnlichen Vermuthungen wie Cl. Bernard 1 2 : er sieht in den Leberzellen die Werkstatt der Zuckerbildung, in den sogenannten Gallengangdr\u00fcsen die der Galle. Neuerdings meint Ch. Legros 3 die Galle bereitenden Elemente in den intra-lobul\u00e4ren Gallencapillaren suchen zu m\u00fcssen, deren Zusammensetzung aus Endothelzellen er gefunden haben will, w\u00e4hrend er mit allen Andern die Glycogenbildung in die Parenchymzellen der Leber verweist. \u2014 Dass in der That zwischen Gallen- und Zuckerbildung eine gewisse Unabh\u00e4ngigkeit besteht, geht daraus hervor, dass bei dem Bernard\u2019scIicii Diabetesstich Steigerung der Gallenabsonderung nicht beobachtet wird 4.\nGegen\u00fcber solchen Zweifeln sind directe Beweise f\u00fcr die Betheiligung der Leberzellen an der Bildung der Gallenbestandtheile erw\u00fcnscht. Microchemisch lassen sich in ihnen bei den Wirbelthieren\n1\tCl. Bernard, Le\u00e7ons de physiol, experim. Cours du semestre d\u2019hiver, p. 93 u. fg. 1854\u201455 ; Le\u00e7ons sur les propri\u00e9t\u00e9s physiologiques et les alterations pathologiques des liquides de l\u2019organisme, p. 211. Paris 1859.\n2\tJ. Henle, Eingeweidelehre. 'S. 211. Braunschweig 1869. Nach Henle haben schon fr\u00fcher hin Handfield Jones und Morel den gleichen Gedanken ge\u00e4ussert.\n3\tCh. L\u00e9gros, Journ. d. l\u2019anat. et d. 1. physiol. 1874. p. 137.\n4\tVersuche von A. Fredndt & L. Graupe, Studien des physiologischen Instituts zu Breslau. IL S. 68. 1863.","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Die specifischen Gallenbestandtheile entstehen in der Leber.\n235\nweder Gallens\u00e4uren noch Farbstoffe nachweisen, so lange die Leber sich im normalen Zustande befindet.\nHier und da findet man allerdings in den Zellen braune Pigmentk\u00f6rnchen, die mit Salpeters\u00e4ure aber nicht die Gmelin\u2019sche Reaction geben, sondern entweder gar keine Farbenver\u00e4nderung zeigen oder einfach roth werden. \u2014 K\u00fchne 1 2 gewann Bilirubin aus den Leberzellen, indem er die Dr\u00fcse durch Wasserinjection entblutete, durch Kneten in einem Tuche die Zellen von den Gef\u00e4ssen u. s. f. befreite und die auf einem I ilter gesammelten Zellen anges\u00e4uert mit Chloroform behandelte. Allein es ist doch fraglich, ob der Farbstoff nicht erst w\u00e4hrend der vorbereitenden Operationen aus den Gallenwegen in die Zellen diffundirt ist.\nDass bei l\u00e4nger w\u00e4hrenden pathologischen Gallenstauungen innerhalb der Leberzellen oft Gallenpigment angetroffen wird, ist eine f\u00fcr unsere Frage nicht verwendbare Thatsaclie : es findet zweifellos Imbibition der Zellen von den Gallencapillaren aus statt. Auffallender Weise werden bei solchen Stauungen vorzugsweise die centralen Zellen der L\u00e4ppchen pigmenthaltig, \u2014 w\u00e4hrend fetthaltige Zellen immer vorzugsweise an der Peripherie der L\u00e4ppchen gelagert sind -.\nDagegen w\u00fcrden Beobachtungen, welche zuerst H. Meckel an gewissen Wirbellosen angestellt hat, den unmittelbaren Beweis f\u00fcr die Bildung von Gallenbestandtheilen innerhalb der Zellen liefern, wenn man wirklich die untersuchten Organe als Lebern und das in ihren Zellen anzutreffende Pigment als Gallenpigment ansehen darf.\nH. Meckel 3 sah bei gewissen Mollusken in einer Art von Leberzellen Fett, in einer andern Art eine braune, mit Minerals\u00e4uren sich gr\u00fcn f\u00e4rbende Substanz in Gestalt von K\u00fcgelchen auftreten, neben welchen ein eigenth\u00fcmliches, anfangs mit einer hellgelblichen Fl\u00fcssigkeit erf\u00fclltes Se-cretbl\u00e4schen sichtbar wird. Allm\u00e4hlich verschwinden die Pigmentk\u00fcgelchen in der Zellsubstanz, w\u00e4hrend in dem sich mehr und mehr ausdehnenden Secretbl\u00e4schen Kl\u00fcmpchen braunen Pigmentes sich anh\u00e4ufen. \u2014 Allein das Pigment der Molluskenleber giebt nicht die Gmelin\u2019sche Reaction 4, stimmt spectroscopisch nicht mit dem Gallenfarbstoff der Wirbelthiere \u00fcberein5 6, l\u00f6st sich leicht in Wasser und fetten Oelen und ist (bei Mytilus) identisch mit dem in den Kiemen, den Eierst\u00f6cken, dem Mantel vorkommenden Farbstoffe. Auch enth\u00e4lt die Molluskenleber keine Gallens\u00e4uren \u00fc, dagegen bildet die Leber vieler Mollusken nach Krukenberg7 neben diasta-tischem Fermente Pepsin und Trypsin. Es zeigt die sog. Leber der Mollusken\n1\tW. K\u00fchne. Physiologische Chemie. S. 88. Leipzig 186S.\n2\tFrerichs, Klinik der Leberkrankheiten. I. S. lo4. Braunschweig 1S5S.\n3\tH. Meckel, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1846. S. 1. \u2014 ILeydig (Lehrbuch der Histologie. S. 336. Frankfurt 1857) bezweifelt, dass es sich bei der Beobachtung Meckel\u2019s um zwei verschiedne Arten von Zellen handle. Mo Fett in denselben auftrete, sei es nur Vorl\u00e4ufer der Gallenbestandtheile.\n4\tCadiat, Gaz. m\u00e9d. d. Paris, p. 283. 1877.\n5\tKrukenberg. K\u00fchne\u2019s Enters, aus dem physiol. Institut zu Heidelberg. II. S. 1. 1878.\n6\tVoit, Ztschr. f. wiss. Zool. X. S. 470. I860.\n7\tKrukenberg. Puffers, d. physiol. Inst, zu Heidelberg. IL S. 4. 1878.","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderuiig.\nalso so viele Verschiedenheiten von der Leber der Wirbelthiere, dass es fraglich erscheint, ob Beobachtungen \u00fcber die Bildung ihres eigenthilm-lichen Farbstoffes R\u00fcckschl\u00fcsse auf die Bildung des von jenem verschied-nen Gallenpigmentes in der Wirbelthierleber gestatten. Ganz \u00e4hnliche Bedenken gelten bez\u00fcglich der Beobachtungen Meckel\u2019s an der Leber von Astacus, da diese ein saures Secret liefert, welches diastatisches Ferment, Pepsin, Trypsin und ein Neutralfette zersetzendes Ferment enth\u00e4lt h\nUnl\u00e4ugbar steht es hiernach um directe Beweise f\u00fcr die Bildung der specifischen Gallenbestandtheile in den Leberzellen bisher schlecht. Um dennoch an derselben festzuhalten, muss man auf allgemeinere Gesichtspuncte zur\u00fcckgehen. Entstehen jene Substanzen wirklich in der Leber und nicht im Blute, so k\u00f6nnen unm\u00f6glich weder die Divertikel der Galleng\u00e4nge, wie Hexle wollte, f\u00fcr ihre Bildung in Anspruch genommen werden, da sich ja Galle bis in die feinsten Gallenwege verfolgen l\u00e4sst, noch die Wandung dieser letzteren, da sie eine einfache structurlose Haut darstellt, eine Cuticular-ausscheidung der Zellen, die schwerlich irgendwelcher verwickelteren Stoffwechselfunctionen f\u00e4hig ist. Es bleiben also nur die Leberzellen als verwerthbare Elemente \u00fcbrig. Wenn sie im normalen Zustande Gallenbestandtheile nicht enthalten, so folgt daraus noch nicht, dass sie dieselben auch nicht bilden, denn es kann, wie in andern Dr\u00fcsen, jede Spur in der Zelle gebildeten Secretbestandtheiles sofort aus der Zelle ausgeschieden werden. Endlich aber spricht f\u00fcr die active Rolle der Zellen bei der Gallenbereitung die oben erw\u00e4hnte Thatsache, dass um die Zeit der lebhaftesten Secretion die Zellen eine vollkommen andere microscopiscke Beschaffenheit zeigen, als um die Zeit der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssigen Ruhe des Absonderungsorganes.\nII. Welches Blutgef\u00e4ss unterh\u00e4lt die Gallenahsonderung ?\nDie Sonderstellung, welche die Leber durch ihre doppelte Versorgung mit dem Blute einer Arterie und einer Vene einnimmt, hat von jeher die Frage nahe gelegt, ob beide Gef\u00e4sse, ob nur eines derselben, und welches, die Gallenabsonderung unterhalte. Theils das Verh\u00e4ltniss der Blutmengen, welche Pfortader und Leberarterie f\u00fchren, theils die anatomische Verbreitung der Capillarbezirke beider Gef\u00e4sse in der Leber legen ein schweres Gewicht f\u00fcr die Pfortader als eigentlich secretorisches Gef\u00e4ss in die Wagschale. Ueberlegt man indess, dass das Blut der Arterie, nachdem es in den zugeh\u00f6rigen Capillargebieten ven\u00f6s geworden, ebenfalls in die den L\u00e4ppchen zu-\n1 Hoppe-Seyler , Arcb. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 305. 1870. \u2014 Krukenberg, Unters, d. physiol. Inst, zu Heidelberg. I. S. 33t. 1878.","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"Bedeutung der Pfortader und der Lebervene f\u00fcr die Gallenabsonderung. 237\nstrebenden interlobul\u00e4ren Pfortaderzweige fliesst, so kann die M\u00f6glichkeit einer Fortdauer der Absonderung nach A erschliessung der Pfortader nicht von vornherein bestritten werden. Directe Versuche haben fr\u00fcherhin zu mannigfachen Controversen gef\u00fchrt, die heute als erledigt betrachtet werden d\u00fcrfen. Im Laufe der Zeit machten sich folgende Anschauungen geltend.\n1. Die Pfortader allein gen\u00fcgt zur l nterhaltung der Absonderung.\nAuf dem Wege des Versuches soll bereits Malpighi festgestellt haben, dass nach Unterbindung der Leberarterie die Gallenabsonderung ungest\u00f6rt fortdauert. Doch habe ich mich in seinen Werken vergeblich nach einer bez\u00fcglichen Stelle umgesehn.1 2 Sp\u00e4tere Beobachtungen r\u00fchren von Simon-, von Schiff3 u. A. her.\nSimon beobachtete bei Tauben nach Unterbindung der Galleng\u00e4nge Anstauung des Secretes in der Leber, die sich in Gr\u00fcnf\u00e4rbung ihrer Oberfl\u00e4che und Ausscheidung von Gallenpigment durch die Nieren kund gab. Dieselben Erscheinungen traten ein, wenn ausser den Galleng\u00e4ngen die Leberarterie unterbunden wurde, w\u00e4hrend bei gleichzeitiger Schliessung der Pfortader die Leber erblasste und die Absonderung stockte. \u2014 Schiff 3 sah bei S\u00e4ugethieren aus der Unterbrechung aller arteriellen Bahnen zur Leber (Unterbindung der Art. coeliaca und diaphragmatica inferior) keine merkliche Beeintr\u00e4chtigung der Gallenabsonderung hervorgehen.\nW\u00e4hrend aus derartigen Versuchen die Entbehrlichkeit der Arterie f\u00fcr die Absonderung gefolgert wurde, stellten andere Forscher den Satz auf:\n2. Die Leberarterie allein unterh\u00e4lt die Absonderung.\n* Diese Behauptung gr\u00fcndete sich zun\u00e4chst auf pathologisch-anatomische Beobachtungen. Einerseits wurden einige F\u00e4lle bekannt, in welchen die Pfortader unter Vermeidung der Leber direct in die untere Hohlvene einm\u00fcndete, andrerseits F\u00e4lle, in welchen sie in Folge von Entz\u00fcndung vollst\u00e4ndig thrombosirt gefunden wurde, ohne dass die Gallenabsonderung durch beiderlei Abnormit\u00e4ten gelitten hatte.\nDer am h\u00e4ufigsten citirte Fall abnormen Pfortaderverlaufes von Abernethy 4 betrifft ein Kind, bei welchem die in normaler A\\ eise zusammengesetzte Pfortader nahe der rechten Nierenvene in die untere\n1\tMalpighi wird von Longet. Milne - Edwards u. A. citirt: es scheint, aber hier ein Irrthum vorzuliegen.\n2\tSimon, Journ. d. progr\u00e8s d. sc. et inst. med. \"\\ IL 1S2S. \u2014 Cf. Milne-Edwards, Le\u00e7ons etc. VI. p. 400. - Robin. Journ. d. l\u2019anat. et d. 1. physiol. I. p. 55S. \u2014 Longet, Trait\u00e9 de physiologie. 3. Anti. II. p. 300.\n3\tSchiff, Schweiz. Ztschr. f. Heilk. I. S. 1.\n1 Abernethy. Philos. Transact. I. p. 01. 1793.","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238 Heidexhain, Physiol. J. Absonclerungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nHohlvene sieh ergoss. Die Leberarterie war ungew\u00f6hnlich weit, die Blase voll tiefbrauner Galle, der Darm stark gallig gef\u00e4rbt. F\u00fcr die Beurtheilung der Rolle der Arterie unter normalen Verh\u00e4ltnissen ist dieser Fall ungeeignet. Denn sp\u00e4ter hat Kiernan 1 an derselben Leber, entgegen den Angaben von Abernethy, alle interlobul\u00e4ren Pfortaderzweige als Fortsetzungen der obliterirten Nabelvene vorhanden und f\u00fcr Blut durchg\u00e4ngig, die interlobul\u00e4ren Arterien aber ungew\u00f6hnlich stark entwickelt gefunden. Das Blut der letzteren hat sich offenbar nach Speisung des zugeh\u00f6rigen Capillarbezirkes in die interlobul\u00e4ren Pfortaderzweige ergossen, so dass die Leberl\u00e4ppchen mit ausreichenden Mengen ven\u00f6sen Blutes versehen worden sind. Einen ganz \u00e4hnlichen Fall hat Lawrence erw\u00e4hnt und sp\u00e4ter Wilson genauer beschrieben 2.\nEine Zusammenstellung von 34 F\u00e4llen von Pfortaderobiiteration bei fortbestehender Gallenabsonderung r\u00fchrt von Gintrac 3 her.\nEin Verst\u00e4ndnis der letzteren Beobachtungen haben Versuche \u00fcber k\u00fcnstlichen Pfortaderverschluss er\u00f6ffnet.\nGeschieht derselbe pl\u00f6tzlich durch Ligatur, so sterben die Tliiere nach \u00fcbereinstimmender Angabe aller Beobachter so bald, dass eine Controlle der Gallenabsonderung nicht mehr m\u00f6glich ist. Wenn Moos4 4 Kaninchen 16 \u2014 29 Stunden hat leben sehen, so ist ohne Zweifel ein Theil der Pfortader offen geblieben.\nF\u00fchrt man dagegen nach Or\u00e95 allm\u00e4hliche Obliteration des Pfortaderstammes dadurch herbei, dass man um denselben eine lockere Fadenschlinge legte, welche nach 5\u20146 Tagen wieder entfernt wird, so \u00fcberleben Hunde die Operation zum Theil lange Zeit. Bei ihrer T\u00f6dtung fand Or\u00e9 zwar das Volumen der Leber verkleinert, ihr Aussehen blass, aber die Gallenabsonderung hatte, in Ueberein-stimmung mit den F\u00e4llen von Gintrac, keine Unterbrechung erlitten, so dass Or\u00e9 den Nachweis, die Absonderung geschehe auf Kosten des\u00bb Arterienblutes, mit Evidenz gef\u00fchrt zu haben vermeinte.\nAllein schon K\u00fcthe6 vermuthete, dass der allm\u00e4hliche Eintritt des Pfortaderverschlusses dem Venenblute die Er\u00f6ffnung neuer Bahnen zur Leber erm\u00f6glicht habe, eine von Schiff7 durch vielfache Versuche best\u00e4tigte Voraussetzung. Letzterer sah bei nach Or\u00e9\u2019s Vor-\n1\tKiernan, Philos. Transact. II. p. 758. 759. 1833.\n2\tLawrence, Medico-chirurgical transact. XL p. 174. London 1814. \u2014Kiernan, Philos. Transact. II. p. 760. 1833.\n3\tGintrac, Journal de m\u00e9decine de Bordeaux. Janvier, F\u00e9vrier, Mars 1856; Journ. d. l\u2019anat. et d. 1. physiol. I. p. 562. 1864.\n4\tMoos, Untersuchungen und Beobachtungen \u00fcber den Einfluss der Pfortaderentz\u00fcndung auf die Bildung der Galle und des Zuckers in der Leber. Leipzig und Heidelberg 1859.\n5\tOr\u00e9, Journ. de l\u2019anat. et d. 1. physiol. I. p. 565. 1864.\n6\tK\u00fcthe, Heinsius\u2019 Studien des physiologischen Instituts zu Amsterdam. S. 32. Leipzig und Heidelberg 1861.\n7\tSchiff, Schweiz. Ztschr. f. Heilkunde. I. S. 1.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"Bedeutung der Pfortader und der Lebervene f\u00fcr die Gallenabsonderung. *239\ngange operirten Hunden in den oberhalb der thrombosirten Stelle offen gebliebenen Tbeil der Pfortader eine Reibe ungew\u00f6hnlich erweiterter Venenst\u00e4mmchen einm\u00fcnden: 1. Aus den Venen des gemeinschaftlichen Gallenganges und des Leberligamentes herkommende St\u00e4mmchen, welche deutlich mit Magenvenen communicirten ; *2. \\ enen der Gallenblase und des D. cysticus. 3. Einen aus der A. cruralis und epigastrica entspringenden Stamm, welcher auf der Innenfl\u00e4che der Linea alba verlief und vermittelst des obersten offen gebliebenen Theiles der Nabelvene sich mit der Pfortader in Communication setzte.\nSomit lassen sich weder die pathologisch-anatomischen Beobachtungen, noch die an dieselben anschliessenden Versuche zum Beweise daf\u00fcr verwerthen, dass die Leberarterie hinreichendes Material f\u00fcr die Gallenbildung herbeischaffe.\n3. Sowohl die Leberarteide als die Pfortader sind f\u00fcr die dauernde Unterhaltung der Gallenabsonderung noth wendig.\nEine Reihe von Forschern nahm ein Zusammenwirken beider Gef\u00e4sse f\u00fcr die Absonderungsverrichtungen der Leber an. Doch wurde die Art dieser Cooperation in sehr verschiedener Weise aufgefasst.\nKottmeier 1 schloss aus wenig beweiskr\u00e4ftigen Versuchen an Fr\u00f6schen und Kaninchen nur im Allgemeinen auf eine Beziehung der Leberarterie zur Absonderung, ohne die Art derselben genauer zu definiren. \u2014 K\u00fcthe 1 2 3 hielt die Arterie f\u00fcr das ern\u00e4hrende Gef\u00e4ss der Leberzellen und deshalb f\u00fcr indirect an der Secretion betheiligt, ohne in ausf\u00fchrlicher mitgetheil-ten Versuchen die Beweise daf\u00fcr zu liefern. Genauer definirte auf Grund einer originellen Versuchsmethode Chrzonszczewski 3 die Rolle der beiderlei Gef\u00e4sse. Er machte die f\u00fcr vielerlei Fragen folgenreiche Entdeckung, dass in das Blut injicirtes indigscliwefelsaures Natron massenhaft in die Gallencapillaren \u00fcbergef\u00fchrt und dadurch eine vollst\u00e4ndige Injection derselben auf nat\u00fcrlichem Wege erzielt wird. Wenn er diesen Versuch nach Unterbindung der Pfortader anstellte, f\u00fcllten sich nur die Gallencapillaren in dem centralen Bereiche, nach Verschliessung der Leberarterie dagegen die Capillaren im peripherischen Bezirke der Leberl\u00e4ppchen. Aus diesen Wahrnehmungen folgerte Chrzonszczewski, dass zwar sowohl die Leberarterie, als die Pfortader an der Absonderung betheiligt seien, dass aber die erstere vorzugsweise das centrale, die letztere das peripherische Gebiet des intralobul\u00e4ren Absonderungsapparates mit Material f\u00fcr die Secretion versehe. Allein Cohnheim und Litten 4\n1\tKottmeier, Zur Function der Leber. W\u00fcrzburg 1S5T.\n2\tK\u00fcthe. Heinsius\u2019 Studien des physiologischen Instituts zu Amsterdam. S. 20 u. fg. 1861.\n3\tChrzonszczewski, Arch. f. pathol. Anat. XXX\\ . S. 135. 1S66.\n4\tCohnheim & Litten. Arch. f. pathol. Anat. LX^ IL S. 153. 1876.","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240 Heidenhain, Physiol, d, Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nhaben sp\u00e4ter gezeigt, dass die centrale Absonderung nach Unterbindung der Pfortader nicht sowohl durch die Leberarterie, als durch einen von der untern Hohlvene her auf den Bahnen der Lebervenen bis in das intralobul\u00e4re Bluteapillarnetz erfolgenden R\u00fcckstau von Blut zu erkl\u00e4ren sei. Somit geben die bestechenden Beobachtungen Chrzoxszczewski's \u00fcber die Rolle der Leberarterie keinen Aufschluss.\nNach so vielen Schwankungen der Anschauungen haben Versuche von Schmule witsch und von Asp1 den Grund zu sicheren Schl\u00fcssen gelegt. Sie fanden: 1. dass nach Unterbindung der Leberarterie (nebst der Art. hepato-duodenalis, deren gleichzeitiger Verschluss nothwendig ist, wenn die arterielle Blutzufuhr zur Leber vollst\u00e4ndig aufgehoben werden soll) die Pfortader allein die Secretion in normalem Umfange unterh\u00e4lt; 2. dass nach Schliessung des einen Leberlappen speisenden Pfortaderastes der denselben Lappen versorgende Arterienast f\u00fcr sich die Absonderung vermittelt, wobei freilich die Gr\u00f6sse derselben ungemein sinkt.\nDie obigen Versuche wurden beim Kaninchen an den Blutgef\u00e4ssen und dem Gallengange eines einzelnen Leberlappens angestellt. Die Unterbindung des Pfortaderstammes f\u00fchrt bekanntlich baldigen Tod herbei, w\u00e4hrend die Schliessung eines einzelnen Zweiges den Kreislauf durch den offen bleibenden Theil des Pfortadergebietes in einer f\u00fcr das Leben des Thieres ausreichenden Weise bestehen l\u00e4sst. Man darf aber, wie Asp mit Recht bemerkt, aus den mitgetheilten Ergebnissen nicht schliessen, dass Blut von arteriellen Eigenschaften f\u00fcr die Secretion geeignet sei, denn das Blut der Leberarterie wird ven\u00f6s, bevor es unter Vermittlung der interlobul\u00e4ren Pfortaderverzweigungen in das intralobul\u00e4re Capillar-netz gelangt.\nEs reicht also die durch die Arterie zugef\u00fchrte Blutmenge zwar f\u00fcr die Unterhaltung geringgradiger Absonderung aus; aber damit ist die functionelle Rolle jenes Gef\u00e4sses noch nicht ausreichend gekennzeichnet. Da dasselbe die Gallenblase, die \u2019Galleng\u00e4nge und ganz namentlich auch die interlobul\u00e4ren Pfortader\u00e4ste durch ihre Vasa nutritia mit ern\u00e4hrendem Blute versorgt, m\u00fcssen nach [Beseitigung des arteriellen Zuflusses die Wandungen jener Apparate absterben. Damit treten Gerinnungen in den Pfortader\u00e4sten ein, welche zu localen Circulationsst\u00f6rungen und dadurch zu Xecrosen f\u00fchren. So erkl\u00e4rt es sich, dass mehrere Beobachter, wie Kottmeier, Betz'2, Cohnheim und Litten, einige Zeit nach Unterbrechung der arteriellen Circulation in der gesammten Leber oder in einem Lappen derselben gangr\u00e4n\u00f6se Processe im Leberparenchym eintreten sahen, mit welchen die Absonderung nat\u00fcrlich sinkt und schliesslich ganz aufh\u00f6rt.\n1\tAsp, Ber. d. s\u00e4cks. Ges. d. AA\"iss. Matk.-phys. Cl. 1S73. 26. Juli.\n2\tW. Betz. Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. XL VI. S. 238. 1862.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"Pfortader- und Lebervenenblut.\n241\nIII. Welche Bluthestandtheile liefern das Material f\u00fcr die\n(xallenahsonderiing.\n1. Vergleichende Untersuchungen des Pfortader- und des\nLebervenenblutes.\nUeber die Frage, welches Blutgef\u00e4ss die Gallenabsondenmg unterhalte, hinausgehend, hat man den Versuch gemacht, zu ermitteln, welche Bestandtheile des Blutes in der Leber f\u00fcr die Bildung des Secretes verwerthet werden. Eine Beantwortung, so scheint es beim ersten Anblicke, w\u00fcrde gegeben sein, wenn es gel\u00e4nge, die Menge und Zusammensetzung der in der Zeiteinheit der Leber zustr\u00f6menden und sie verlassenden Fl\u00fcssigkeiten, also des Pfortader- und Arterien-blutes einerseits, des Venenblutes und der Lymphe andrerseits, quantitativ zu bestimmen. Das Deficit an Substanzen, welches letztere Fl\u00fcssigkeiten gegen\u00fcber den ersteren aufweisen, muss in der Leber verschwunden, also zur Bildung ihres Secretes verwandt worden sein, wenn man annehmen darf, dass die chemische Zusammensetzung des Organes selbst f\u00fcr die Zeit der Untersuchung constant geblieben ist.\nDie Ausf\u00fchrung eines derartigen Untersuchungsplanes st\u00f6sst auf un\u00fcberwindliche Schwierigkeiten. Eine Ann\u00e4herung an denselben ist gesucht worden, indem man die quantitative Zusammensetzung des Pfortader- und des Lebervenenblutes verglich, von der Voraussetzung ausgehend, dass das Arterienblut und die Lymphe ihrer Menge nach gegen das Pfortader- und Lebervenenblut hinreichend zur\u00fccktr\u00e4ten, um durch ihre Vernachl\u00e4ssigung das analytische Bild der chemischen Stoffbewegung in den durch die Leber str\u00f6menden Fl\u00fcssigkeiten nicht wesentlich zu tr\u00fcben.\nUeberlegt man aber, dass die Leberarterie allein genug Blut liefert, um die Gallenabsonderung, wenn auch in verlangsamtem Tempo, zu unterhalten, so wird die Berechtigung der obigen Voraussetzung doch in hohem Grade zweifelhaft.\nImmerhin w\u00fcrde mit einer genauen vergleichenden Analyse des Pfortader- und Lebervenenblutes, welche sich auf die einzelnen Bestandtheile des Plasmas und der K\u00f6rperchen erstreckte, doch der Anfang einer Kenntniss der chemischen Oeconomie in der Leber gegeben sein, \u2014 wenn anders wir eine solche Analyse bes\u00e4ssen oder mit erforderlicher Genauigkeit zu beschaffen Aussicht h\u00e4tten. Die meisten der vorhandenen Analysen beruhen noch auf der Ann\u00e4he-\nHundbueli der Physiologie. Bd. V.\t16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242 Heidenhain, Physiol, d. AbsonderungSYorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nrungsmethode von C. Schmidt1, welche den wirklichen Erfordernissen zu entsprechen weit entfernt ist.\nUnd doch hatte Lehmann2 3 den bis vor Kurzem wenig ersch\u00fctterten Glauben erweckt, durch Vergleich des Pfortader- und Lebervenenblutes die wesentlichen Materialien f\u00fcr die Gallenbildung aufgedeckt zu haben; seine Angaben sind vielfach wiederholt worden.\nSeine \u00fcberraschende Behauptung, dass der Faserstoff des Pfortaderblutes wesentliches Material f\u00fcr die Bildung der stickstoffhaltigen Paarlinge der Cholals\u00e4ure (Glycocoll und Taurin) sei, gr\u00fcndete sich auf den angeblichen Mangel der Gerinnbarkeit des Lebervenenblutes gegen\u00fcber der normalen Gerinnungsf\u00e4higkeit des Pfortaderblutes, was in der Sprache der damaligen Anschauungen auf den Verlust des gesammten Faserstoffes w\u00e4hrend des Durchganges des Blutes durch die Leber bezogen wurde. Allein das Blut der Lebervene ist ebenso gerinnbar, wie das der Pfortader.\nBereits Schiff sah das Lebervenenblut von Fr\u00f6schen und vielen S\u00e4ugethieren gerinnen. Sp\u00e4ter fand David4 das Lebervenenblut von Hunden und Katzen, wenn es den bet\u00e4ubten Thieren w\u00e4hrend des Lebens entnommen wurde, kaum langsamer gerinnbar, als das Pfortaderblut; nur selten hielt es sich 10 Minuten lang fl\u00fcssig. Wurde es jedoch, wie in Lehmann\u2019s Versuchen, erst einige Zeit nach dem Tode gewonnen, so erschien die Gerinnung verz\u00f6gert und fei unvollst\u00e4ndig aus, namentlich bei Pferden. Zusatz von wenig Rindsblut bewerkstelligte schnelle Gerinnung; es fehlte also gel\u00f6stes Paraglobulin (oder Gerinnungsferment). Denn obschon in frischem Lebervenenblute sogar in gr\u00f6sserer Menge, als in dem Pfortaderblute enthalten, wTird dasselbe w\u00e4hrend des postmortalen Aufenthaltes des Blutes in der Leber theils in Folge des sehr hohen Kohlens\u00e4uregehaltes des Blutes, theils in Folge der schnell eintretenden S\u00e4uerung des Leberparenchyms zum gr\u00f6ssten Theile ausgef\u00e4llt. Unter m\u00f6glichster Beseitigung der Gerinnungshindernisse gewann David aus dem Lebervenenblute sogar etwas mehr Fibrin, als aus dem Pfortaderblute (dort 6\u20148 p. m., hier 2\u20144,5 p. m.).\nSo wenig sich Lehmann\u2019s Angaben \u00fcber die Gerinnungsf\u00e4higkeit, so wenig haben sich seine schon von vornherein unglaublichen Angaben \u00fcber den angeblich enormen Wasserverlust des Blutes in der Leber best\u00e4tigt.\nDer Gehalt des Blutes der Pfortader und der Lebervene an Wasser und festen Bestandtheilen betr\u00e4gt im Mittel der Analysen von\n1\tC. Schmidt, Charakteristik der epidemischen Cholera. S. 16. Leipzig und Mitau 1850.\n2\tLehmann, Erdmann\u2019s Journ. f.pract. Chemie. LUI. S. 205. Leipzig 1851 ; Derselbe, Ebenda. LXTII. S. 321. 1856. Beide Abhandlungen sind auch in den Berichten d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. erschienen.\n3\tM. Schiff, Untersuchungen \u00fcber die Zuckerbildung in der Leber. S. 14. W\u00fcrzburg 1859.\n4\tDavid, Ein Beitrag zur Frage \u00fcber die Gerinnung des Lebervenenblutes. Dorpat 1866.","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"Blut der Pfortader und der Lebervene.\n243\n\tPfortader\t\tLebervene\t\n\tWasser\tFeste Theile\tWasser\tFeste Theile\nLehmann ....\t79,2\t20,6\t71.8\t28,0\nFl\u00fcgge1\t\t76,4\t23,5\t76,6\t23.2\nDrosdoff'2 ....\t75,9\t23,9\t77,1\t22.7\nNach Lehmann sinkt also der Wassergehalt, nach Drosdoff steigt er, nach Fl\u00fcgge bleibt er unver\u00e4ndert. \u2014 Der colossale Wasserverlust des Pfortaderblutes (nach Lehmann von 7,4%) ist schlechterdings unm\u00f6glich, wenn man Folgendes in Betracht zieht. Ein Hund von S Kgrm. besitzt 615 Gr. Blut; sein Kreislauf dauert 13 Secunden. Die Leber beziffert sich bei Hunden im Mittel mit 1 28 des K\u00f6rpergewichtes. Folglich w\u00fcrden durch die Leber, einen gleichm\u00e4ssig auf den ganzen K\u00f6rper vertheilten Blutstrom vorausgesetzt, in 13 Sec. 6l5/2S = 22 Grm. Blut str\u00f6men, d. h. in 24 Stunden 146 212 Grm. 3 Diese m\u00fcssten bei einem Wasserverluste von 7,4% in 24 Stunden nicht weniger als 10 819 Grm. Wasser abgeben! Die 24st\u00fcndige Gallenmenge w\u00fcrde bei einem Hunde von 8 Kgrm. nach den Ergebnissen von Bidder und Schmidt an Hunden mit tempor\u00e4ren Fisteln 105 Grm., nach den Ergebnissen von K\u00f6lliker und M\u00fcller 261,6 Grm. (mit 9,028 Grm. festen R\u00fcckstandes) betragen. Die Galle nur als Wasser veranschlagt, w\u00fcrde diese 0,071 resp. 0,18% der die Leber durchstr\u00f6menden Gesammtblutmenge betragen, wenn man die obigen Zahlen von Bidder und Schmidt resp. K\u00f6lliker und M\u00fcller zu Grunde legt.\nDie festen Gallenbestandtheile betragen bei dem obigen Hunde f\u00fcr 24 Stunden rund 8 Grm. Die Blutmenge von 146 212 Grm. f\u00fchrt durch die Leber bei einem Procentgehalte des Pfortaderblutes von rund 24% (Drosdoff) eine Gesammtsumme von 35 090 Grm. fester Substanz. Die feste Galle macht also nur 0,022% der festen Blutbestandtheile aus.\nNach diesen Ueberlegungen scheint die fr\u00fcher gehegte Hoffnung vernichtet, in der quantitativen Zusammensetzung des Pfortader- und Lebervenenblutes eine Auskunft \u00fcber das zur Gallenbildung verwertete Material an Blutbestandtheilen zu finden, wenn man die Fehlergrenzen der Blutanalyse und die beim Auffangen beider Blutarten unvermeidlichen Fehler ber\u00fccksichtigt \u2014 ein Schluss, der mit den resultatlosen Analysen Fl\u00fcgge\u2019s und seinen daran gekn\u00fcpften Betrachtungen vollkommen \u00fcbereinstimmt. Ich w\u00fcrde mich bei diesen\n1\tFl\u00fcgge, Ztschr. f. Biologie. XIII. S. 133. 1S77.\n2\tDrosdoff, Hoppe-Seyler\u2019s Ztschr. f. physiol. Chemie. I. S. 233. 1877\u201478.\n3\tDie Leber besitzt einen gr\u00f6sseren Blutreichthum als viele andre K\u00f6rper -theiie (Bindegewebe, Knochen u. s. f.) Die durchstr\u00f6mende Blutmenge d\u00fcrfte daher eher zu niedrig, als zu hoch gesch\u00e4tzt sein. Die Ziffer von 22 Grm. in 13 Sec. oder 1,7 Grm. in 1 Sec. liegt innerhalb der Werthe, welche Basch (Leipziger Arbeiten 1875. S. 33 u. fg.) durch directe Messungen bei Aderl\u00e4ssen aus der Pfortader fand.\n16*","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nEr\u00f6rterungen nicht so lange aufgehalten haben, wenn sie nicht einerseits fr\u00fcherhin bis auf Fl\u00fcgge \u00fcbersehen worden, andrerseits auf die \u00fcbrigen dr\u00fcsigen Organe in \u00e4hnlicher Weise anwendbar w\u00e4ren und deshalb ein weiteres Interesse h\u00e4tten.\nSo kann es denn auch kaum noch Ber\u00fccksichtigung beanspruchen, dass nach Lehmann das Pfortaderblut bei seinem Durchg\u00e4nge durch die Leber sich an K\u00f6rperchen bereichern, an Plasma verarmen solle, und dass es gegen\u00fcber dem Blute der Lebervene einen Mehrgehalt, ausser an Wasser und Fibrin, auch an Serumeiweiss, \u201eH\u00e4matin\u201c, Fetten und Salzen, dagegen einen Mindergehalt an Globulin der Blutk\u00f6rperchen, an Zucker und an Extractivstoffen aufweisen solle.\nFl\u00fcgge bestimmte ausser dem Wassergehalte beider Blutarten noch den Gehalt an Stickstoff, Eisen, Phosphors\u00e4ure, Chloralkalien und an H\u00e4moglobin; es stellte sich nirgends ein constanter Unterschied heraus. \u2014 Drosdoff fand im Blute der Lebervene einen geringeren Gehalt an Fett, dagegen einen gr\u00f6sseren an Lecithin und Cholestearin. Der durchschnittliche Fettverlust beziffert sich nach 4 Analysen auf 0,419\u00b0 o, was mit Zugrundelegung der obigen Ziffern f\u00fcr den Blutstrom ein Verschwinden von t\u00e4glich 612,6 Gr. Fett in der Leber bedeuten w\u00fcrde, eine Ziffer, nicht minder auffallend, wie die von jenem Forscher behauptete Vermehrung des Wassergehaltes.\n2. Genetische Beziehungen der specifischen Gallenbestandtheile zu\nBestandtheilen des Blutes.\nA) Das Bilirubin.\nDass das Bilirubin, welches den Mutterstoff aller \u00fcbrigen Farbstoffe der Galle bildet, von dem Blutfarbstoffe seinen Ursprung nimmt, kann trotz aller von manchen Seiten dagegen vorgebrachter Bedenken nicht mehr zweifelhaft sein, wenn schon bisher weder eine k\u00fcnstliche Darstellung des Bilirubin aus dem H\u00e4moglobin gelungen, noch die Art der Spaltung des letzteren Farbstoffes bei der Entstehung des Bilirubin theoretisch vollst\u00e4ndig verfolgt ist.\nDie Beweise f\u00fcr die Abstammung des Bilirubin von dem H\u00e4moglobin beruhen auf zwei Thatsachen: 1. Auf der unzweifelhaften Identit\u00e4t des Bilirubin mit dem H\u00e4matoidin, einem Derivate des H\u00e4moglobin; 2. auf der M\u00f6glichkeit, innerhalb des Organismus Bilirubinbildung durch Einf\u00fchrung von gel\u00f6stem H\u00e4moglobin in die Blutbahn zu veranlassen.\nI) Identit\u00e4t des Bilirubin und H\u00e4matoidin.\nZuerst wies Virchow auf den genetischen Zusammenhang zwischen den Gallenfarbstoffen und dem Blutfarbstoffe hin, nachdem er in kleinen","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"Bilirubin und H\u00e4matoidin.\n245\nBlutextravasaten in den Harncan\u00e4lchen Neugeborner 1, sp\u00e4ter 2 3 in apo-plectischen Heerden des Hirns, in den gelben K\u00f6rpern u. s. f. theils an amorphen Pigmentsubstanzen, theils an den von ihm entdeckten H\u00e4matoidin-krystallen bei Behandlung mit concentrirten Minerals\u00e4uren Farbenreactio-nen beobachtet hatte, welche mit der Gmelin\u2019schen Gallenfarbstoftreaction \u00fcber einstimmten.\nTrotz mancher Differenzen zwischen den Gallenpigmenten und den von ihm beobachteten Farbstoffen im Einzelnen schien Virchow die Aehn-lichkeit doch so gross, dass er an die Darstellung von H\u00e4matoidin-Kry-stailen aus Galle dachte.\nKleine gelbrothe Krystalle aus Ochsengalle hatte frtiherhin schon Berzelius erhalten und als Bilifulvin bezeichnet. Zenker und Funke gelang es, dieselben durch Behandlung mit Aether in grosse Krystalle von den Eigenschaften des H\u00e4matoidin zu verwandeln. Sp\u00e4ter extrahirte Valentiner 4 aus gef\u00e4rbten Gallenconcrementen, aus Galle, aus den Geweben Icterisclier, aus dem Darminhalte bis in die N\u00e4he des Coecum durch Chloroform ein Pigment, welches sich aus der L\u00f6sung in mit denen des H\u00e4matoidin morphologisch wie chemisch \u00fcbereinstimmenden Krystallen absehied. Nachdem weiterhin Br\u00fccke 5 die Identit\u00e4t der Substanz der VALENTiNERSchen Krystalle mit Bilirubin (Br\u00fccke nannte es Cholepyrrhin) best\u00e4tigt und Jaff\u00e9 6 aus einer apoplectischen Hirnnarbe mit H\u00fclfe von Chloroform Krystalle dargestellt hatte, deren L\u00f6sung im Sonnenlichte gr\u00fcn wurde und die Gmelin\u2019sche Reaction gab, galt die Identit\u00e4t des Bilirubin und des H\u00e4matoidin festgestellt. Weitere Befunde von Sal-kowski 7 8 9 und Hoppe-Seyler s best\u00e4tigten, dass an der Leber fern gelegnen Orten ein mit dem Bilirubin \u00fcbereinstimmendes Derivat des Blutfarbstoffes auftreten k\u00f6nne.\nAber es fehlte trotz so vieler Uebereinstimmung nicht an Widerspruch. welcher um so eindringlicher wirkte, als er von einem der vorz\u00fcglichsten Kenner und Bearbeiter der Gallenfarbstoffe, von StXdeler, ausging. Dieser bestritt nicht bloss die krystallographische Identit\u00e4t des Bilirubin und H\u00e4matoidin !), sondern auch mit Hinweis auf die Elementaranalyse des H\u00e4matoidin durch Robin10 die Gleichheit der chemischen Zusammensetzung. Als vollends Holm 11 in St\u00e4deler\u2019s Laboratorium aus den gelben K\u00f6rpern der Kuh einen angeblich mit H\u00e4matoidin identischen Farbstoff genauer untersuchte und von dem Bilirubin wesentlich verschieden fand, wurde die Identit\u00e4tslehre so wesentlich ersch\u00fcttert, dass noch Br\u00fccke in seinen Vorlesungen 12 H\u00e4matoidin und Bilirubin f\u00fcr zwar ver-\n1\tVirchow, Verh. d. geburtsb\u00fcltl. Ges. zu Berlin. IL S. 201. 1S47.\n2\tDerselbe, Arch. f. pathol. Anat. I. 1847. Vgl. bes. S. 419 u. fg.\n3\tFunke, Lehrbuch der Physiologie. 3. Aufl. I. S. 246. 1860.\n4\tValentiner, G\u00fcnburg\u2019s Ztschr. f. klin. Med. I. S. 4.6\u201452.\n5\tBr\u00fccke, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturwiss. Cl. XXXV. S. 13.\n6\tJaff\u00e9, Arch. f. pathol. Anat. XXIII. S. 192. 1862.\n7\tSalkowski, Hoppe-Seyler\u2019s med.-chem. Unters. III. S. 436.\n8\tHoppe-Seyler, Physiologische Chemie. S. 311. Berlin 1878.\n9\tStadeler in seiner Abhandlung \u00fcber die G a lienf\u00e4rb Stoffe. Vjschr. d. naturf. Ges. in Z\u00fcrich. VIII. S. 1.\n10\tRobin, Compt. rend. XLI. p. 509. 1S59.\n11\tHolm, Moleschott\u2019s Untersuchungen. X. S. 447. 1870.\n12\tBr\u00fccke, Vorlesungen. I. S. 107.","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nwandt, aber nicht identisch erkl\u00e4rte. Holm\u2019s H\u00e4matoidin verschieden genug, K\u00f6rper zeigen:\nBilirubin\n1.\tBesitzt die Eigenschaften einer schwachen S\u00e4ure.\n2.\tIn Schwefelkohlenstoff mit goldgelber Farbe l\u00f6slich.\n3.\tIn Aether unl\u00f6slich.\n4.\tIn Alkalien leicht l\u00f6slich.\n5.\tGiebt dieGmelin'sclie Reaction.\n6.\tWird der Chloroforml\u00f6sung durch Alkalien entzogen.\nIn der That schienen Bilirubin und wie folgende Eigenschaften beider\nHolm\u2019s H\u00e4matoidin\nIst ein indifferenter K\u00f6rper.\nIn Schwefelkohlenstoff mit d\u00e4mmend rotlier, bei sehr grosser Verd\u00fcnnung orangerotlier Farbe l\u00f6slich.\nIn Aether leicht l\u00f6slich.\nIn Alkalien unl\u00f6slich.\nWird durch die Gmelin\u2019sclie Salpeters\u00e4ure einfach entf\u00e4rbt.\nWird der Chloroforml\u00f6sung durch Alkalien nicht entzogen.\nDie Widerspr\u00fcche zwischen den Angaben Holm\u2019s, welche nach einem Citate bei Naunyn 1 durch Piccolo und Lieben best\u00e4tigt worden sind, und denen der \u00fcbrigen Forscher erkl\u00e4ren sich dadurch, dass der aus den gelben K\u00f6rpern durch Holm gewonnene Farbstoff mit dem ViRCHOw\u2019schen H\u00e4matoidin nicht identisch ist. Zwar kommen ja in den gelben K\u00f6rpern oft H\u00e4matoidin-Krystalle vor. Wenn man aber die Corp. lutea nach Holm unterschiedslos mit Chloroform ersch\u00f6pft, erh\u00e4lt man eine L\u00f6sung eines Farbstoffes, der sich vollst\u00e4ndig anders verh\u00e4lt, wie das H\u00e4matoidin aus Hirnapoplexieen u. dgl. Dass das letztere alle Eigenschaften des Bilirubin theilt, davon habe ich mich mit H\u00fclfe von Material, das durch Chloroform aus erkrankten und von H\u00e4matoidinkrystallen reichlich durchsetzten Heerden der grauen Hirnrinde gewonnen worden war, auf das zweifelloseste \u00fcberzeugt, aber ebenso davon, dass der nach Holm\u2019s Methode aus den gelben K\u00f6rpern der Kuh dargestellte Farbstoff mit dem H\u00e4matoidin kaum etwas Anderes theilt, als eine gewisse Aehnlichkeit in der Farbe der Chloroforml\u00f6sung. Die letztere wird im Sonnenlichte nach wenigen Minuten gr\u00fcn, wenn es sich um Bilirubin oder H\u00e4matoidin handelt, w\u00e4hrend sie lange unver\u00e4ndert bleibt und nur sehr allm\u00e4lig ohne Umschlag ins Gr\u00fcne ausbleicht, wenn es sich um Holm\u2019s K\u00f6rper handelt. Die Unterschiede, welche Holm f\u00fcr sein vermeintliches H\u00e4matoidin und das Bilirubin angiebt, gelten auch f\u00fcr jenes erstere Pigment und das wirkliche H\u00e4matoidin aus Hirnextravasaten.\n2) Auftreten von Gallcnpigment im Harne nach Zerst\u00f6rung von Blutk\u00f6rperchen im Kreisl\u00e4ufe oder Injection von H\u00e4moglobin in das Blut.\nBeweise andrer Natur f\u00fcr die Abstammung des Bilirubin vom H\u00e4moglobin kn\u00fcpfen sich an Beobachtungen W. K\u00fchne\u2019s 1 2 3. Bei Verfolgung der von Frerichs und St\u00e4deler 3 entdeckten Thatsache, dass nach Injection von Gallens\u00e4uren in das Blut im Harne Gallenfarbstoff auftritt,\n1\tNaunyn, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1868. S. 408.\n2\tV . K\u00fchne. Arch. f. pathol. Anat. XIV. S. 310. 1858.\n3\tFrerichs & St\u00e4deler, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1856. \u2014 Frerichs, Klinik der Leberkrankheiten. I. S. 404. 1858.","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Bildung von Bilirubin aus H\u00e4moglobin innerhalb des Kreislaufes.\n247\nfand K\u00fchne die Ursache des letzteren Ereignisses in der Zerst\u00f6rung von Blutk\u00f6rperchen durch die Gallens\u00e4uren, welche das Auftreten von freiem H\u00e4moglobin im Plasma im Gefolge hat. Injicirte K\u00fchne bei Hunden 15 Ccm. einer ziemlich concentrirten H\u00e4moglobinl\u00f6sung in das Blut, so blieb in dem eiweisshaltig gewordenen Harne die Gegenwart von Gallenfarbstoffen fraglich. Wurde aber gleichzeitig mit dem Blutfarbstoffe eine sehr kleine Menge von Gallens\u00e4uren in die Blutbahn gebracht, die f\u00fcr sich wirkungslos war (0,02 Grm. glycocholsauren Natrons), so traten im Harne reichliche Mengen von Gallenfarbstoff auf. Aus dieser Combination von Versuchen folgerte K\u00fchne, dass erstens freier Blutfarbstoff im Blute in Gallenfarbstoff umgesetzt werde und dass zweitens auf diesen Process die Gallens\u00e4uren einen freilich nicht n\u00e4her definirbaren Einfluss h\u00e4tten.\nIndess lehrten anschliessende Versuche andrer Forscher die Unwesentlichkeit der letzteren Bedingung. Max Herrmann 1 erhielt Cholurie nach Zerst\u00f6rung von Blutk\u00f6rperchen durch reichliche Wasserinjectionen in das Blut, Nothnagel nach Einathmung oder subcutaner Injection von Aether oder Chloroform2, Leyden und Munk 3 nach Einspritzung von Phosphorsaure, K\u00fchne 4 selbst bei Kaninchen nach Einspritzung einiger Kubikcentimeter (durch Frieren) lackfarbig gemachten Blutes. Bernstein0 und Leyden \u00df wollen sogar nach blosser Chloroforminhalation kleine Mengen von Gallenfarbstoff im menschlichen Harne beobachtet haben.\nDoch fehlt es auch nicht an widersprechenden Angaben. Ausser mehr gelegentlichen negativen Ergebnissen von Huppert', R\u00f6hrig s, Schurj liegen systematische Untersuchungen von Naunyn1\" und von Steiner1 2 3 4 5 6 7 * 9 10 11 vor. Ersterer konnte weder bei subcutaner Injection von H\u00e4moglobin-L\u00f6sungen, noch nach Einathmung von Arsenwasserstoff \u2014 wodurch grosse Mengen von Blutk\u00f6rperchen zerst\u00f6rt werden \u2014, noch bei Injection kleiner Mengen lackfarbenen Blutes in die V. jugularis von Kaninchen (bei Einspritzung gr\u00f6sserer Mengen starben die Thiere schnell in Folge von Fibringerinnung im Herzen) Gallenfarbstoff im Harne auffinden. Da aber Naunyn bei jenen Thieren nach Einf\u00fchrung von H\u00e4moglobinl\u00f6sungen oder Aether in D\u00fcnndarmschlingen Cholurie auftreten sab, l\u00e4sst er die M\u00f6glichkeit der Bildung von Gallenfarbstoff aus Blutfarbstoff wenigstens innerhalb der Leber zu. Die positiven Befunde von K\u00fchne u. A. an Hunden glaubt N vunyn durch h\u00e4ufiges spontanes Auftreten von Gallenfarbstoff im Harne bei diesen Thieren erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen. \u2014 Wenn Steiner durch Wasserinjection in das Blut bei Kaninchen trotz H\u00e4ufung seiner Versuche niemals Gallenpigment im Harne antraf, so beruht dieses negative Er-gebniss auf unzweckm\u00e4ssiger Pr\u00fcfung des Harnes.\n1\tMax Herrmann, Arch. f. pathol. Anat. XVII. S. 451. 1859.\n2\tNothnagel, Posner\u2019s Berl. klin. Wochenschrift. 1866. S. 31.\n3\tLeyden, Beitr\u00e4ge zur Pathologie des Icterus. S. 6. Berlin 1866.\n4\tK\u00fchne, Lehrbuch der physiologischen Chemie. S. 69. 1S6S.\n5\tBernstein, Moleschott\u2019s Untersuchungen. X. S. 296. 1870.\n6\tLeyden, Beitr\u00e4ge zur Pathologie des Icterus. S. 7. Berlin 1866.\n7\tHuppert. Wagner\u2019s Arch. d. Heilk. A . S. 256. 1864.\nS R\u00fchrig, Ebenda. IV. S. 417. 1863.\n9\tSchur, Ztschr. f. rat. Med. (3) XXXI. S. 4o2. 1868.\n10\tNaunyn. Arch. f. Anat. u. Phys. S. 401. 1868.\n11\tSteiner. Ueber d. h\u00e4matog. Bildung d. Gallenfarbstoffes. Biss. Berlin 1873.","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248 Heidexhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nDie durch die letzteren Arbeiten angeregten Zweifel hat Tarcha-noff 1 durch entscheidende Versuche widerlegt. Er sah nach Injection von reiner H\u00e4moglobinl\u00f6sung oder von Wasser in das Blut bei Hunden nicht bloss den Harn gallenfarbstoffhaltig werden, sondern auch den Pigmentgehalt der Galle selbst enorm steigen, auf das Zw\u00f6lf- bis Siebenund-zwanzigfache. Wurde Bilirubin in das Blut eingef\u00fchrt, so ging dasselbe nur in die Galle, keine Spur in den Harn \u00fcber; die Leber schafft also Gallenfarbstoff aus dem Blute viel schneller fort als die Niere.\nEin interessanter Beweis f\u00fcr die Bildung von Gallenfarbstoffen aus Blutfarbstoff liegt in dem von Robin und Verdeil gefundenen und seitdem mehrfach untersuchten 1 2 3 Vorkommen von Biliverdin am Rande der Hundeplacenta, und in dem von Langhans 3 beobachteten Auftreten desselben Farbstoffes an der Oberfl\u00e4che von Bluterg\u00fcssen bei Tauben.\nWenn nach der Gesammtheit der angef\u00fchrten Thatsachen dar\u00fcber kein Zweifel mehr zul\u00e4ssig erscheint, dass das Bilirubin seine Muttersubstanz in dem H\u00e4moglobin hat, sowie dass Bilirubinbildung auch ausserhalb der Leber vor sich gehen kann, so ist doch der chemische Process, auf welchem die Abspaltung des Gallenfarbstoffes aus dem Blutfarbstoffe beruht, in seinen Einzelnheiten noch nicht bekannt. Doch scheint die Erweiterung unsrer Kenntniss des H\u00e4moglobin und seiner Derivate durch Hoppe-Seyler die Aussicht auf ein Verst\u00e4ndnis der Bilirubinbildung n\u00e4her zu r\u00fccken. Denn nach jenem Forscher wird aus H\u00e4matoporphyrin ((Gs/AiNs O12), welches bei Einwirkung reducirender Substanzen auf saure alkoholische H\u00e4matinl\u00f6sungen entsteht, durch Reduction mittelst Zinn und Salzs\u00e4ure ein K\u00f6rper erhalten, der sich gegen L\u00f6sungsmittel und im Spectrum ganz wie Hydrobi\u00fcrubin {CziHa\\N\\0-) verh\u00e4lt.4 Der letztere K\u00f6rper aber entsteht aus Bilirubin {QiHmXaO%) durch Behandlung seiner alkalischen L\u00f6sung mit Natriumamalgam (Malt).\nBi Die Gallens\u00e4uren.\nW\u00e4hrend die genetischen Beziehungen des Gallenfarbstoffes und des Blutfarbstoffes ausser Zweifel stehen, l\u00e4sst sich \u00fcber die Ableitung der Gallens\u00e4uren nicht das mindeste Sichere sagen. Mit R\u00fccksicht auf die stickstoffhaltigen Paarlinge der Cholals\u00e4ure, das Glycocoll und das Taurin, ist die Annahme nicht zu umgehen, dass bei der Bildung der Gallens\u00e4uren Eiweissk\u00f6rper als Material verwandt werden. Beg\u00fcnstigt wird diese Annahme durch die Erfahrung,\n1\tTarchanoff, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 53 11. 329. 1874.\n2\tEtti, Oesterr.Vjschr. f. wiss.Veterin\u00e4rkimde. 1871; Maly\u2019s Jahresber. f. 1871 S. 233.\n3\tLanghans, Arch, pathol. Anat. XLIX. S. 60. 1870.\n4\tHoppe-Seyler, Physiologische Chemie. 1879. S. 398. Vgl. auch Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin. VII. S. 1065. 1874\"","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Untersuchungsmethode. Gallenfisteln.\n249\n(lass reichliche Zufuhr von Albuminaten in der Nahrung die Gallen-secretion in hohem Maasse steigert.1 2 Ueber diese kaum nennens-werthen Anhaltspuncte mit Vermuthungen hinauszugehen, liegt in unsern heutigen Kenntnissen keine Anregung vor.\nLehmann 2 wollte die Cholals\u00e4ure als eine gepaarte Oels\u00e4ure anselm, wesentlich weil die Cholal* oder vielmehr die angebliche Choloidins\u00e4ure (das Anhydrid der ersteren) bei Behandlung mit Salpeters\u00e4ure dieselben fl\u00fcchtigen Fetts\u00e4uren liefert, wie Oels\u00e4ure. Allein auch aus Albuminaten lassen sich bekanntlich Fetts\u00e4uren k\u00fcnstlich abspalten, und reichliche Fettzufuhr in der Nahrung steigert keineswegs die Gallenbildung.\nDRITTES CAPITEL.\nAllgemeine Bedingungen der Absonderung.\nI. Untersuchiingsiuetliode ; Anlegung von Gallenfisteln.\nSeit zuerst Schwann3 Gallenfisteln anlegte, ist diese Operation f\u00fcr die verschiedensten Untersuchungszwecke sehr h\u00e4ufig ausgef\u00fchrt worden. Sie bietet in der Regel keine unmittelbaren Schwierigkeiten, wenn schon in Folge derselben die Tliiere oft in nicht langer Zeit zu Grunde gehen.\nZum Zwecke derselben wird bei Hunden die Unterleibsh\u00f6hle in der Linea alba wenig unterhalb des Processus xiphoideus so weit er\u00f6ffnet, dass man sich bequemen Zugang zun\u00e4chst zu dem Ductus choledochus verschafft. Man findet ihn leicht, wenn man den Pf\u00f6rtnertheil des Magens mittelst des Zeigefingers der rechten Hand heraustastet und von da auf den Anfangstheil des Zw\u00f6lffingerdarmes hin\u00fcbergleitet. Bei leisem Anziehen des letzteren f\u00fchlt man das Lig. hepato-duodenale sich anspannen, welches man nur hervorzuziehen braucht, um darin am rechten Rande den Gallengang ohne Schwierigkeit zu erkennen. Nachdem derselbe mittelst stumpfer Instrumente isolirt worden, unterbindet man ihn nach Schwann\u2019s zweckm\u00e4ssiger Vorschrift an zwei von einander m\u00f6glichst entfernten Stellen und schneidet das zwischen den Ligaturen gelegne St\u00fcck aus, um eine leicht eintretende Regeneration des Ganges zu verh\u00fcten.\nDie Auffindung der Gallenblase wird sehr erleichtert, wenn man den zu verwendenden Thieren 24 bis 36 Stunden vor der Operation die Nahrung entzieht, um pralle F\u00fcllung der Blase zu Stande kommen zu lassen. Man erblickt sie in diesem Zustande leicht, wenn man den untern Leber-\n1\tBidder & Schmidt, Pie Verdauungss\u00e4fte. S. 147. Mitau umPLeipzig 1S52.\n2\tLehmann, Lehrbuch der physiologischen Chemie. S. 131. Leipzig 1850.\n3\tSchwann, Arch. f. Anat. u. Physiol. D44. S. 127.","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nrand aufhebt, w\u00e4hrend man durch einen Geh\u00fclfen den untern 1 heil der Brust- und den obern Theil der Lendenwirbels\u00e4ule des aut den R\u00fccken gebundenen Hundes stark in die Hohe heben l\u00e4sst, wodurch die Leber nach unten und vorne gedr\u00e4ngt wird. Handelt es sich nur um Anlegung einer tempor\u00e4ren Fistel zum Zwecke bald zu beendigender Beobachtungen, so wird die Blase an ihrem Grunde mit zwei durch eine Fadenschlinge gef\u00fchrten Hakenpincetten in solchem Abstande von einander gefasst, dass man zwischen denselben die Wandung an m\u00f6glichst gef\u00e4ssfreier Stelle mittelst einer Scheere einschneiden kann. Der Schnitt sei nur so gross, dass er den Knopf einer dicken Glasean\u00fcle eben passiren l\u00e4sst, um welchen die obige Schlinge behufs Fixirung der Blase zugezogen wird. Durch Schliessung der Bauchwunde von dem untern Wundwinkel nach dem obern hin wird die Caniile in dem letzteren fixirt, jedoch mit geringem Spielr\u00e4ume, um den Respirationsbewegungen folgen zu k\u00f6nnen.\nSoll dagegen eine Dauerfistel angelegt werden, so f\u00fchrt man nach Schwann behufs Fixation der Blase von vornherein zwei F\u00e4den durch ihren Grund in der Entfernung von 2 Linien. Nachdem darauf die Bauchwunde bis auf den obern Wundwinkel geschlossen worden, zieht man die Blase mittelst der beiden F\u00e4den in denselben hinein und n\u00e4ht sie nach vorg\u00e4ngiger Er\u00f6ffnung an die Bauchwandungen fest. Dieser Gang der Operation soll den Eintritt von Galle in die Bauchh\u00f6hle verh\u00fcten, der beil\u00e4ufig nicht so bedenklich ist, wie Schwann es glaubte. Nach erfolgter Verheilung wird in die Blase eine Cantile mit aufgewulstetem Rande gelegt, welcher das Ausfallen, und einer \u00e4ussern Gegenplatte, welche das Hineingleiten verh\u00fctet. F\u00fcr stete Durchg\u00e4ngigkeit ist Sorge zu tragen, um Gallenstauungen zuvorzukommen.\nBei Kaninchen und Meerschweinchen lassen sich zwar nicht st\u00e4ndige Fisteln anlegen, weil diese Tliiere den Verlust der Galle nur kurze Zeit vertragen, doch sind sie zu Versuchen von k\u00fcrzerer Dauer \u00fcber die Absonderungsbedingungen sehr geeignet. Die Anlegung der Fistel geschieht nach \u00e4hnlichem Verfahren und ist besonders bei Meerschweinchen sehr bequem, weil die grosse Gallenblase derselben dem Experimentator fast von selbst sich entgegendr\u00e4ngt. Bei Kaninchen ganz im Gegentheile liegt die Blase oft sehr versteckt und stets von dem untern Leberrande ziemlich weit entfernt. Zudem ist sie meistens in gr\u00f6sserer oder geringerer Ausdehnung mit dem ser\u00f6sen Leberzuge der Leber verwachsen. Bei der Ver\u00e4nderlichkeit in der Lappenbildung der Kaninchenleber l\u00e4sst sich eine allgemeine Regel zur Auffindung derselben nicht geben. Wenn man in-dess bei dem auf dem R\u00fccken liegenden Tliiere durch Erheben des untern Brusttheiles der Wirbels\u00e4ule die Leber nach oben dr\u00e4ngen und den Rand des rechten Leberlappens in die H\u00f6he heben l\u00e4sst, w\u00e4hrend der linke Lappen auf dem Magen liegen bleibt, wird man sie nicht lange zu suchen haben. Bei der grossen Br\u00fcchigkeit der Leber ist vorsichtige Behandlung ihrer Lappen erforderlich.\nUm bei Hunden die Galle w\u00e4hrend l\u00e4ngerer Zeit zu gewinnen, haben mehrere Forscher besondre Sammelapparate benutzt. Nasse 1 befestigte\n1 Nasse, Commentatio de bilis quotidie a cane s\u00e9cr\u00e9ta copia et indole. Academi-sclies Programm. 1S51.","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeine Verh\u00e4ltnisse der Absonderung; Gr\u00f6sse derselben.\n251\nunter der Fistel mittelst eines eisernen Panzers eine Kapsel, welche Schw\u00e4mme zur Aufsaugung des Secretes enthielt, oder einen Trichter, der mit einem Sammelgef\u00e4sse in Verbindung stand. Leyden 1 schob auf das Aussenende der Fistelcan\u00fcle ein Fl\u00e4schchen mit durchbohrtem Korke und befestigte dasselbe durch ein um den Hals und K\u00f6rper gelegtes Band. Es ist aber auffallend, dass die Werthe der t\u00e4glichen Absonderung, welche mittelst dieser Sammelmethoden gewonnen wurden, viel kleiner sind, als die Zahlen, welche bei directem Auffangen von andern Forschern erhalten wurden, so dass ein gewisser Verdacht gegen die Zuverl\u00e4ssigkeit jener Vorrichtungen erweckt wird.\nII. Allgemeine Verh\u00e4ltnisse der Oallensecretion.\nDie Galle wird stetig und jedenfalls ohne alle l\u00e4ngere Unterbrechung abgesondert. Die Geschwindigkeit der Secretion und der Procentgehalt des Secrets sind sehr ver\u00e4nderlich und die Gesetzlichkeit, welche diese Schwankungen beherrscht, erscheint nach dem vorliegenden Untersuchungsmaterial kaum entzifferbar.\n1. Absolute Gr\u00f6sse der Absonderung.\nObschon ihre Besprechung eigentlich dem Abschnitte \u00fcber Physiologie der Ern\u00e4hrung und des Stoffwechsels angeh\u00f6rt, lassen sich einige Mittheilungen \u00fcber diesen Gegenstand auch hier nicht umgehen.\nDie bei Weitem meisten Untersuchungen der Absonderungsgr\u00f6sse beziehen sich auf den Hund.1 2 Kacli einer kritischen Sichtung des vorhandenen thats\u00e4chlichen Materials glauben K\u00f6lliker und M\u00fcller als ann\u00e4hernd richtige Ziffern\nauf 1 Kgr. Hund in 24 Stdn.\tFrische Galle\tTrockner R\u00fcckstand\nNach Bidder & Schmidt Nach zwei Reihen eigner Beobachtungen.\t.\t.\t24,5 Grm. la.\t32,7\t\u201e lb.\t36,1\t\u201e\t1,176 Grm. 1,034\t\u201e 1,162 \u201e\nannehmen zu sollen. Indess liegen in den Beobachtungstabellen Werthe vor, welche sich von diesen Durchschnittszahlen weit entfernen. Die Grenzen sind n\u00e4mlich (f\u00fcr 1 Kgrm. Thier in 24 Stunden gerechnet)\n1\tLeyden. Beitr\u00e4ge zur Pathologie des Icterus. S. 50. Berlin i860.\n2\tBidder & Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 114\u2014209. Mitau und Leipzig 1854. \u2014 H. Nasse, Commentatio de bilis quotidie a cane s\u00e9cr\u00e9ta copia et indole. Academ. Progr. Marburg 1851. \u2014 Arnold, Zur Physiologie der Galle. Mannheim 1S54 : Das physiologische Institut zu Heidelberg. 1858.\u2014 K\u00f6lliker und M\u00fcller, W\u00fcrzburger Verb. 1855 u. 1850.","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252 Heidenhain, Physiol, d. AbsonderungsVorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\n\tFrische Galle\t\tTrockner R\u00fcckstand\t\n\tMinimum\tMaximum\tMinimum\tMaximum\nj bei Bidder u. Schmidt .\t15,9\t28,7\t0,696\t1,126\nbei Nasse\t\t12.2\t28.4\t0,400\t0,784\n1 bei Arnold\t\t8,1\t11,6\t0,215\t0,373\n! bei K\u00f6lliker & M\u00fcller\t21.5\t36,11\t0,748\t1,290\ni bei Leyden\t\t2.9\t10,4\t0,19\t0,58\nBei diesen Zahlen f\u00e4llt das Minimum und Maximum der Wasser-\nausscheidung nicht immer mit dem kleinsten resp. gr\u00f6ssten Werthe f\u00fcr die festen Bestandtheile zusammen.\nF\u00fcr den Menschen besitzen wir nur sp\u00e4rliche Beobachtungen. Nach Ranke2 soll pro Kilogramm und Tag die\nMenge der fl\u00fcssigen Galle 14 Grm. (S;83\u201420,11)\nMenge der festen Galle 0,44 Grm. (0,25 \u2014 0,8)\nbetragen. Doch k\u00f6nnen diese Werthe auf grosse Genauigkeit kaum Anspruch erheben. Denn die Galle wurde in dem Auswurfe eines Patienten mit Leberlungenfistel gewonnen und ihre Menge so bestimmt, dass von der gesammten Fl\u00fcssigkeit eine auf einmaliger Controlle beruhende Ziffer f\u00fcr das Bronchialsecret in Abzug gebracht wurde.\nvon Wittich3 sch\u00e4tzt nach zweimaligem Sammeln w\u00e4hrend 4 resp. 10 Stunden an einer Patientin mit Gallenfistel die Menge der t\u00e4glichen frischen Galle auf 532,8 Ccm.\nWestphalen4 giebt 453\u2014566 Grm. an.\nVergleichende Beobachtungen an Car ni vor en und Herbi-voren ergeben bei Bidder und Schmidt folgende Durchschnittszahlen, welche ich durch die Ergebnisse von Friedl\u00e4nder und Barisch5 \u00fcber die Absonderung bei Meerschweinchen vervollst\u00e4ndige:\n\tt Kgr. der folgenden Thiere secernirt in 24 Stunden\t\t\t\t\t\n\tKatze\t\tHund\tSchaf\tKaninchen\tMeer- schweinchen\n[Frische Galle\t14,50\t\t19,990\t25.416\t136,84\t175,84\nTrockner\t\t\t\t\t\t\nR\u00fcckstand\t0,816\t\t0,988\t1,344\t2,47\t2,20\n1\tIn einer Reibe kommt der nocb viel h\u00f6here Werth von 53 Grm. vor. Allein das Versuchsthier hatte Abf\u00fchrmittel erhalten, jene Ziffer entspricht also ungew\u00f6hnlichen Bedingungen.\n2\tJ. Ranke, Die Blutvertheilung und der Th\u00e4tigkeitswechsel der Organe. S. 30. 145. Leipzig 1871.\n3\tvon Wittich, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S. 181. 1872.\n4\tWestphalen, Deutsch. Arch. f. \u00efdin. Med. XL S. 588. 1S78.\n5\tFriedlander & Barisch, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1860. S. 646.","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"Grosse der Absonderung.\n253\nEine Berechnung der f\u00fcr Herbivoren vorhandenen Zahlen f\u00fchrt zu der folgenden interessanten Zusammenstellung:\n\tSchaf\tKaninchen\tMeer- schweinchen\na.\tMittleres K\u00f6rpergewicht .... b.\tFrische Galle auf 1 Kgr. K\u00f6rperge-\t23377\t1525,8\t518\nwicht in 1 St\t : c. Verh\u00e4ltniss des Lebergewichtes zum\t1,109\t5,070\t7,:i26\nK\u00f6rpergewichte\t : d. Frische Galle auf 1 Kgr. Leher in\t1:53,57\t1:33,5\t1:27,3\ni st\t: . . . . i e. Trockne Galle auf 1 Kgr. Leber in\t62,S\t169,3\t155,5\ni st\tr . . . .\t4,13\t3,74\t2,67\nAus diesen Zahlen lassen sich die folgenden Schl\u00fcsse ableiten:\n1.\tBei Tliieren gleicher Ern\u00e4hrungsweise (\u2019Herbivoren) sinkt die der Einheit des K\u00f6rpergewichtes entsprechende Gallenmenge mit wachsendem Gewichte (a und b).\n2.\tDiese Thatsache erkl\u00e4rt sich zum Tlieil daraus, dass bei den gr\u00f6sseren Tliieren die Leber relativ kleiner ist, als bei den kleineren (c).\n3.\tAber hierin liegt nicht der alleinige Grund. Denn auch auf die Lebergewichtseinheit berechnet liefert das Schaaf die kleinste und das Meerschweinchen die gr\u00f6sste Gallenmenge (d).\n4.\tDiese Unterschiede der Absonderung treten bei folgender Berechnung noch schlagender hervor. Es verh\u00e4lt sich n\u00e4mlich die 24st\u00fcndige Gallenmenge beim\n\tSchaf\tKaninchen\tMeer- schweinchen\nzum K\u00f6rpergewichte wie zum Lehergewichte wie .\t1 : 37,5 1,507 : 1\t1 : 8,2 4,064 : 1\t1 : 5,6 4,467 : 1\n5.\tDie st\u00e4rkere Th\u00e4tigkeit der Leber bei den kleineren Tliieren bezieht sich aber nur auf die Wasserabsonderung. An festen Bestandteilen sondert 1 Kgr. Leber in einer Stunde beim Schaafe am meisten, beim Meerschweinchen am wenigsten ab (siehe e).\n2. Aenderung der Absondej'ungsgeschwiiuliykeil wahrend des Ablaufes\ne in er Verdau u ngsp\u00e9riode.\nWenn bez\u00fcglich des durchschnittlichen Tagesmittels der Absonderung eine gewisse Unsicherheit herrscht, so ist dasselbe der Fall bez\u00fcglich der Aenderungen, welche die Absonderungsgeschwindigkeit w\u00e4hrend des Ablaufes einer Verdauungsperiode erf\u00e4hrt.\nZweifellos steht fest, dass nach l\u00e4ngerer Nahrungsentziehung die Absonderung der Galle herunter-, nach Nahrungsaufnahme w\u00e4hrend","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254 Heldenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nder Verdauung in die H\u00f6he geht. Beide Ver\u00e4nderungen erfolgen f\u00fcr das Wasser wie f\u00fcr die festen Bestandtheile in der Regel in gleichem Sinne, wennschon nicht in gleichem Grade, denn der Procentgehalt des Secretes ist kein constanter, sondern ein ver\u00e4nderlicher.\nAber schon dar\u00fcber gehen die Erfahrungen auseinander, um welche Zeit nach der F\u00fctterung die Absonderung ihre gr\u00f6sste H\u00f6he erreiche. Bidder und Schmidt verlegen das Maximum auf die 13. bis 15. Stunde, K\u00f6llikee und M\u00fcller sahen bereits in der 3. bis 5. Stunde eine Steigerung, die h\u00e4ufig in der 6. bis S. ihre gr\u00f6sste H\u00f6he erreichte. In einzelnen ihrer F\u00e4lle waren die Werthe der* 14. bis 16. Stunde nicht geringer als die der 6. bis 8. Eine genaue Durchsicht und Zusammenstellung aller vorhandenen Angaben scheint mir zu zeigen, dass \u2014 was mit Erfahrungen an andern Verdauungsdr\u00fcsen \u00fcbereinstimmt \u2014 die Curve der Absonderungsgeschwindigkeit ein doppeltes Maximum besitzt, zuerst etwa um die 3. bis 5., sp\u00e4ter um die 13. bis 15. Stunde, w\u00e4hrend sie zwischen diesen beiden Puncten wieder mehr oder weniger sinkt. Doch m\u00fcssen k\u00fcnftige Untersuchungen diese Annahme noch controliiren und sicher stellen.\nAlle bisherigen Beobachtungsreihen sind deshalb mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, weil sie sich niemals \u00fcber den gesammten Ablauf einer ganzen Verdauungsperiode ohne Unterbrechung an demselben Thiere erstrecken. Bidder und Schmidt legten bei einer Reihe von Katzen in verschiednen Zeiten nach der Nahrungsaufnahme tempor\u00e4re Fisteln an, um das Secret 2 \u2014 2 V2 St. lang aufzufangen. Sie erhielten auf diese Weise folgende Durchschnittswerthe f\u00fcr 1 Kgr. Thier in 1 Stunde:\nStunden nach der letzten F\u00fctterung\tFrische Galle\tTrockner R\u00fcckstand\tProcentgehalt 1\n2 Va\u20143\t0,600\t0,033\t5.5\n12\u201415\t0,807\t0,045\t5,5\n24\t0,410\t0,025\t6,1\n48\t0,291\t0,020\t6,8\n72\t0,179\t0,018\t10,0\n168\t0,153\t0,011\t7,1\n240\t0,094\t0,007\t7,4\nGegen diese Zahlen waltet insoweit ein Bedenken ob, als bei frisch angelegten Fisteln, wie sp\u00e4ter noch besonders gezeigt werden wird, die Absonderung in den ersten Stunden schnell sinkt. Die Fisteloperation setzt gewisse ungew\u00f6hnliche Absonderungsbedingungen, die sich vielleicht nicht in allen untersuchten F\u00e4llen mit gleicher Intensit\u00e4t geltend gemacht\n1 Den Procentgebalt habe ich nach den Zahlen von B.-S. berechnet.","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"Schwankungen w\u00e4hrend der Verdauung.\n*255\nhaben. Trotzdem ist in den obigen Ziffern eine allgemeine Gesetzlichkeit unverkennbar: das Ansteigen der Absonderung w\u00e4hrend der Verdauung und das stetige Absinken w\u00e4hrend der Nahrungsentziehung, beides bez\u00fcglich des Wassers, wie der festen Bestandteile g\u00fcltig, aber nicht in gleichem Maasse, wie ein Blick auf die Columne der Procentgehalte lehrt.\nBeobachtungen an Hunden mit permanenten Fisteln sind von Bidder und Schmidt wie von K\u00f6lliker und M\u00fcller immer nur \u00fcber eine gewisse Zahl von Stunden hinter einander zu verschiednen Verdauungszeiten bei ziemlicli wechselnder F\u00fctterung an den verschiednen \\ ersuchstagen angestellt. Wurden diese Einzelbeobachtungen nach den Verdauungsstunden geordnet, so ergab sich nur eine von vielen Ausnahmen durchbrochene Gesetzlichkeit, nach welcher die ersteren Forscher das Absonderungsmaximum auf die 14.\u201416. Stunde, die letzteren auf die 6.\u20148. Stunde verlegen. Ob die Annahme von Bidder und Schmidt in ihren Zahlen wirklich gerechtfertigt ist, scheint mir mehr als zweifelhaft, wenn ich z. B. die folgende auf ihren ersten Hund bez\u00fcgliche Tabelle mustere. Es betrug hier pro Kgr. und Stunde die Secretionsgr\u00f6sse\nStunden nach der F\u00fctterung\tFrische Galle\tTrockne Galle\tProcent- gehalt\n1.\t3\u20144\t0,843\t0,027\t3.2\n0 <\t4^2 \u2014 5^2\t0.927\t0,040\t4,3\n3.\t6\u20147\t1.145\t0,057\t4.9\n4.\t14\u201415\t0,427\t0,020\t4,6\n5.\t14\u201415\t0,578\t0,026\t4,5\n6.\t14V\u201415 Vs\t1,126\t0,069\t6,1\n7.\t14' -2\u201415 V\t0,757\t0,042\t5,5\n8-\t15\u201416\t0.525\t0,016\t3,04\nHier schwanken offenbar von der 14.\u201416. Stunde die Wertlie innerhalb \u00e4hnlicher Grenzen, wie von der 3.-7. Stunde. Es liegt also kein Grund vor, den ersteren Zeitraum als bevorzugt anzusehn. Viel eher scheint durch diese und \u00e4hnliche Tabellen die oben ausgesprochene Ver-muthung eines doppelten Maximums gerechtfertigt. Dieses findet fernere Unterst\u00fctzung in einer Beobachtungsreihe von Hoppe - Seyler 1, welcher die Absonderung ein erstes Mal um die 4.\u20145., ein zweites Mal um die 9. Stunde in die H\u00f6he gehen sah, sowie in einer Angabe von Wolf1 2, nach welchem die Galle in den ersten 2\u20144 Stunden sehr reichlich fliesst, dann allm\u00e4hlich sinkt, bis sie nach 8\u201412\u201416 Stunden neues Ansteigen zeigt, welches im Verh\u00e4ltniss zu der Art und der Menge der Nahrungsmittel steht. Vollkommne Sicherheit werden wir hier erst erlangen, wenn unverdrossene Beobachter sich entschliessen, an demselben 4 istelthiere bei constanter Di\u00e4t das m\u00fchevolle Sammeln der Galle w\u00e4hrend der ganzen Verdauungsperiode durchzusetzen, wobei die Ber\u00fccksichtigung nicht bloss der gesammten Trockenbestandtheile, sondern auch der einzelnen quan-\n1\tHoppe-Seyler. Physiologische Chemie. S. 30S. Berlin 1S7S.\n2\tWolf. Allg. med. Centralztg. f\u00fcr 1S69. S. ^7.","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Absehn. Gallenahsonderung.\ntitativ bestimmbaren Gallenbestandtheile erw\u00fcnscht w\u00e4re, wie sie in einem Falle zuerst Hoppe-Seyler durchgef\u00fchrt hat.\nBesondrer Betonung werth erscheint mir die aus allen vorliegenden Bestimmungen hervorgehende grosse Ver\u00e4nderlichkeit des Procent-gehaltes, welcher in keinem constanten Verh\u00e4ltniss zur Absonderungsgeschwindigkeit steht. So berechnen sich z. B. aus der sehr langen Tabelle \u00fcber den dritten Hund bei Bidder und Schmidt\nf\u00fcr die Absonderungsgeschwindigkeit von 0,7\u20140,9 Grm. pro Kgr.\nund Stunde, die Grenzen des Procentgehaltes zu 3,0 \u2014 8,1 f\u00fcr die Absonderungsgeschwindigkeit von 1,0\u20141,4 Grm. pro Kgr.\nund Stunde, die Grenzen des Procentgehaltes zu 3,5\u20149,5 f\u00fcr die Absonderungsgeschwindigkeit von 1,5\u20142,2 Grm. pro Kgr. und Stunde, die Grenzen des Procentgehaltes zu 2,2\u20147,1\nTrotz dieser scheinbaren Regellosigkeit f\u00fchrt aufmerksame Durchmusterung einer gr\u00f6sseren Zahl von Versuchstabellen doch zu dem Schl\u00fcsse, 1. dass w\u00e4hrend der Verdauung mit der Secretionsgeschwin-digkeit in der Regel auch der Procentgehalt steigt, also die Absonderung der festen Theile schneller w\u00e4chst, als die des Wassers1; 2. dass bei l\u00e4ngerer Nahrungsentziehung (\u00fcber 24 Stunden) der Procentgehalt ebenfalls meist in die H\u00f6he geht, weil die Absonderung des Wassers schneller sinkt, als die der festen Bestandtkeile.\n3. Einfluss der Art der Nahrungsmittel.\nBei \u00fcberreicher, l\u00e4ngere Zeit fortgesetzter Fleischdi\u00e4t steigt sowohl die Absonderungsgeschwindigkeit des Wassers als der festen Bestandtkeile \u00fcber das bei gew\u00f6hnlicher Di\u00e4t erreichte Maximum hinaus (Bidder-Schmidt, Wolf).\nSo fanden Bidder und Schmidt bei einer Katze, die 93 Stunden hindurch so viel Fleisch erhielt, dass sie w\u00e4hrend dieser Zeit ein der H\u00e4lfte ihres K\u00f6rpergewichtes gleich kommendes Quantum verschlang, die Ausscheidung pro Kilogramm und\nStunde\tF rische Galle\tTrockne Galle\tProcent- gelialt\n1.\t2, \u00fc 5 5\t0,172\t8,3\n2.\t1,185\t0,0635\t5,3\n3.\t0,929\t0,051\t5,4\nWertlie, welche die in der fr\u00fcheren Durchschnittstabelle f\u00fcr Katzen gegebnen weit \u00fcbertreffen.\n1 Die Tabelle Hoppe-Seyler\u2019s macht hier eine Ausnahme.","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Resorption der Galle im Darme auf die Absonderung.\n257\nIm Gegens\u00e4tze hierzu l\u00e4sst ausschliessliche Fettdi\u00e4t die Absonderung in \u00e4hnlicher Weise sinken, wie der Hungerzustand.\nNach f\u00fcnft\u00e4giger ausschliesslicher Specknahrung fanden Bidder und Schmidt ebenfalls bei einer Katze pro Kgr. und\nStunde 1\tFrische Galle\tTrockne Galle\tProcent- gehalt\n1.\t0,6SS\t0,062\t9,0\n2.\t0,218\t0,023\t10,5\n3.\t0,128\t0,016\t12,5\nDie Absonderungsgeschwindigkeit des Wassers ist hier nach Ausweis der Procentziffern in noch st\u00e4rkerem Grade gesunken, als die der festen Theile.\n4. Einfluss (Irr Resorption des Secretes im Darme auf den\n^ 1 bsonderungsvoryang.\nIm Interesse der Besprechung der n\u00e4heren Absonderungsbedingungen, welche zum gr\u00f6ssten Theile an frisch angelegten Fisteln untersucht worden sind, ist hier noch eine bei derartigen Fisteln regelm\u00e4ssig auftretende Erscheinung zu er\u00f6rtern, welcher man eine besondre Bedeutung bez\u00fcglich der Lebersecretion beigelegt hat. Schon aus den zahlreichen Tabellen von Bidder und Schmidt ergiebt sich, dass in den ersten Stunden nach der Fisteloperation, durch welche die gesummte Galle nach aussen abgeleitet wird, die Absonderungsgr\u00f6sse erheblich heruntergeht. Das Sinken betrifft die festen Be-standtheile in noch h\u00f6herem Maasse als das Wasser, wie z. B. folgende Reihe (Hund II von Bidder und Schmidt mit tempor\u00e4rer Fistel) lehrt :\nViertel-\tFrische\tTrockner\tProcent-\nstunde\tGalle\tR\u00fcckstand\tgehalt\n1.\t0,930\t0,062\t6,6\n9\t0,906\t0,051\t5,6\n3.\t0,859\t0,037\t4,3\n4.\t0,703\t0,030\t4,2\n5.\t0.7 IS\t0,032\t4,2\n6.\t0.732\t0,029\t3,9\n1 .\t0,706\t0,028\t3,9\n8.\t0,778\t0,030\t3,8\nR\u00fchrig 1 beobachtete ebenfalls das Sinken der Absonderungsgeschwindigkeit, aber angeblich mit gleichzeitiger Concentrationszunahme der Fl\u00fcssigkeit, doch fehlen f\u00fcr letztere bei ihm alle Beweise, da keine Ziffern f\u00fcr den Procentgehalt angegeben sind.\nI R\u00fchrig. \"Wiener med. Jalirb. 1 s73. Heft 2.\nHandbuch dev Physiologie. Bd. V.\n17","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nDie Ursache dieser auff\u00e4lligen Erscheinung sucht Schiff 1 in dem Abfluss der Galle nach aussen. Denn bei Hunden mit gleichzeitiger Gallen- und D\u00fcnndarmfistel liess sich die Secretionsgeschwin-digkeit, wie der Procentgehalt der Galle wieder in die H\u00f6he treiben, wenn in den Darmcanal der Thiere ihr eignes Lebersecret oder Rindsgalle injicirt wurde. Die Secretionssteigerung war bei hinreichend grossen Injectionsmengen (ISO Ccm. Ochsengalle bei einem Hunde von 15 Kgr. Gewicht) so anhaltend, dass sie sich in den n\u00e4chsten Tag hinein erstreckte. Ganz \u00e4hnlich wirkte die Einf\u00fchrung gallensaurer Salze sowohl in den Darmcanal als in das Blut. \u2014 Bei Hunden, denen eine Blasenfistel ohne Unterbindung des Choledochus angelegt wurde, stieg die Absonderungsgeschwindigkeit, so oft durch Verschliessung der Fistel die Galle zum Uebertritte in den Darm-canal gezwungen wurde. \u2014 Bei Meerschweinchen vermehrte sich die nach Anlegung einer Blasenfistel sinkende Absonderung nach Injection von Ochsengalle in den Darmcanal ; ihr Gehalt an Pigment wie an Gallens\u00e4uren nahm zu. \u2014 Die Versuche an Hunden lieferten das gleiche Ergebniss nach k\u00fcnstlicher Obliteration der Pfortader, unter Umst\u00e4nden also, wo die in den Darm gelangende Galle nicht unmittelbar durch Resorption zur Leber gelangen konnte, sondern zun\u00e4chst in den allgemeinen Kreislauf \u00fcbergehn musste.\nSchiff schliesst aus diesen Beobachtungen auf .eine Art Kreislauf der Galle. Die in dem Darmcanale resorbirten festen Bestand-theile derselben w\u00fcrden in der Leber theilweise wieder ausgeschieden. Damit gehe eine Steigerung der Absonderungsgeschwindigkeit einher, welche gegentheils sinke, wenn das Secret statt auf nat\u00fcrlichem Wege in den Darmcanal, auf k\u00fcnstlichem Wege nach aussen entleert werde.\nDas Thats\u00e4chliche der ScuiFF\u2019schen Angaben hat theilweise Best\u00e4tigung erfahren. Rutherford und Vignal1 2 3 beobachteten bei Hunden wiederholt Steigerung der Secretionsgeschwindigkeit nach Injection von Galle in den D\u00fcnndarm. Huppert 3 sah nach Einspritzung von glycocholsaurem Natron in das Blut den Gehalt der Galle an Gallens\u00e4uren, Tarchanoff4 nach Injection von Bilirubin bei Hunden den Pigmentgehalt in die H\u00f6he gehen, Rosencranz die Secretionsgeschwindigkeit wie den Procentgehalt bei Hunden nach Einf\u00fchrung von Galle in den Magen schon in V2 Stunde steigen, beide Werthe\n1\tSchiff. Arch. f. d. ges. Physiol. III. S. 59S. 1870. _\n2\tRutherford & Vignal, Journ. of anat. and physiol. X. 1S76. u. XL 1S77.\n3\tHuppert, Wagner\u2019s Arch. d. Heilk. Y. 1869.\n4\tTarchanoff, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 329. 1874.","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"Der Blutstrom in der Leber.\n259\nnach 3\u20144 Stunden ihr Maximum erreichen und dann sehr langsam absinken.1 2 Allein mit diesen Beobachtungen ist doch noch nicht erwiesen, dass die in das Blut gelangten Substanzen auch wirklich in das Lebersecret \u00fcbergehen: m\u00f6glich, dass sie nur die secernirenden Elemente der Driise zu erh\u00f6hter Th\u00e4tigkeit veranlassen, ohne selbst ausgeschieden zu werden. F\u00fcr den Farbstoff ist diese Deutung allerdings kaum zul\u00e4ssig, f\u00fcr die Gallens\u00e4uren aber scheint sie nach Beobachtungen von Socoloff 2 die richtige, denn dieser Forscher sah nach Injection von glycocholsaurem Natron in das Blut von Hunden zwar die Absonderungsgeschwindigkeit der Galle, aber nicht ihren Gehalt an festen Theilen steigen; es fand sich in ihr, entsprechend der normalen Zusammensetzung, nur Taurochols\u00e4ure, aber nicht die in das Blut eingef\u00fchrte Glycochols\u00e4ure, ein von Rosencranz best\u00e4tigtes Resultat. Wie dem auch sei, \u2014 in der That scheint das Sinken der Gallenabsonderung bei frisch angelegter Fistel zum Theil auf der Entfernung der Galle aus dem Organismus zu beruhen, mit welcher ein die Secretion steigerndes Moment fortf\u00e4llt.\nIII. Abh\u00e4ngigkeit der Absonderung von dem Blutstrom in\nder Leber.\nI. Verhalten des Leberblutstromes.\nDie eigenartigen und verwickelten Verh\u00e4ltnisse der Lebercircu-lation haben uns einen vollen Einblick in ihre Bedingungen noch nicht gestattet. Theils nach allgemeinen Grunds\u00e4tzen, theils nach vorliegenden experimentellen Erfahrungen l\u00e4sst sich aber doch Einiges dar\u00fcber aussagen.\nDie lebendige Kraft, mit welcher das Blut in die Pfortader ein-str\u00f6mt, h\u00e4ngt, abgesehen von dem selbstverst\u00e4ndlichen Einfl\u00fcsse des Aortendruckes, wesentlich von den Widerst\u00e4nden ab, welche dasselbe in den Bahnen der kleinen Arterien und der Capillaren ihres Wurzekebietes findet. Die Gr\u00f6sse dieser Widerst\u00e4nde ist aber er-\no\nlieblichen Schwankungen unterworfen je nach dem Grade der Enge oder der Weite, welche jene Gef\u00e4sse unter verschiedenen Umst\u00e4nden annehmen. Dass sie zu Zeiten hochgradiger Erweiterung f\u00e4hig sind, zeigt am Schlagendsten die von Cl. Bernard entdeckte und sehr ausgepr\u00e4gte R\u00f6tbung des Blutes in den Venen des Magens, des Pankreas, der Milz u., s. f. w\u00e4hrend der Verdauung. Hochgradige\n1\tRosexcranz. W\u00fcrzburger Verb. N. F . XIII. S. 2LS. 1879.\n2\tSocoloff, Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 166. 1S75.","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nVerengerung dagegen ruft bekanntlich jede Reizung des Splanch-nicus hervor. Genauere Aufschl\u00fcsse \u00fcber den Einfluss dieses Wechsels auf den Pfortaderstrom geben Versuche von v. Basch1. Bei Reizung des Splanchnicus nimmt vor\u00fcbergehend der Druck wie die Stromgeschwindigkeit in der Pfortader zu, weil die Gef\u00e4sse ihres Wurzek'ebietes bei ihrer Zusammenziehung ihren Inhalt in dieselbe entleeren. Kurze Zeit darauf sinken beide Gr\u00f6ssen unter ihren urspr\u00fcnglichen Werth, denn die Verengerung der die Pfortader speisenden Arterien steigert die Widerst\u00e4nde f\u00fcr den Zustrom des Blutes zu derselben, unter Umst\u00e4nden so erheblich, dass die Stromquelle ganz versiegt. Nach aufgehobener Reizung gehen Druck und Stromgeschwindigkeit wieder in die H\u00f6he, und zwar zun\u00e4chst \u00fcber den anf\u00e4nglichen Normalwerth hinaus, was wohl auf eine durch die voraufgegangene anhaltende Contraction vor\u00fcbergehend gesteigerte Dehnbarkeit der Wandung der Zuflussarterien hindeutet.\nNeben diesem Wechsel der Innervation gewinnen noch andere Momente einen Einfluss auf die Triebkraft des Pfortaderblutstromes : peristaltische Bewegungen der Eingeweide, indem sie das Blut der Darmwandungen in die Venen hin\u00fcberwerfen, und Athembewegun-gen, sofern jede Einathmung durch Steigerung des intraabdominalen Druckes den Pfortaderstrom beschleunigt.\nAusser diesen Schwankungen der Triebkr\u00e4fte wird aber die Blutbewegung in der Pfortader auch beeinflusst durch Aenderungen der stromabw\u00e4rts liegenden Widerst\u00e4nde.\nJenseits der Leber sind diese offenbar nur von geringer Gr\u00f6sse. Ja, der negative Druck, unter welchem das Blut in dem Brusttheile der untern Hohlvene steht, wird sich als Saugkraft f\u00fcr die nahe der Brust einm\u00fcndenden Lebervenen geltend machen, in um so st\u00e4rkerem Maasse, je tiefer sein Werth unter Null sinkt. Die Inspiration, welche bekanntlich den negativen Werth des Druckes in den intra-pectoralen Venen steigert, muss deshalb die Ansaugung verst\u00e4rken, f\u00fcr welche die Verh\u00e4ltnisse um so g\u00fcnstiger liegen, als die Lebervenen bei der Anl\u00f6thung ihrer Wandung an das steife Lebergewebe mit stets offen klaffender Lichtung die Wand der untern Hohlvene durchbohren.\nIn der Leber selbst findet das Pfortaderblut innerhalb ihrer L\u00e4ppchen eine ungemein breite capill\u00e4re Strombahn ; denn bei der ausserordentlich grossen Zahl der intralobul\u00e4ren Capillaren ist der Gesammtquerschnitt des Capillargebietes ein sehr bedeutender. Die\n1 v. Basch. Arbeiten d. physiol. Anst. zu Leipzig. 1S75.","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"Blutstrom in der Leber.\n261\nWiderst\u00e4nde innerhalb dieses Gebietes d\u00fcrften bei der Steifheit des Lebergewebes kaum sehr erheblichen Schwankungen unterliegen, aber vielleicht doch mit den Verdauungszust\u00e4nden ver\u00e4nderlich sein. Denn nach Beobachtungen von Bidder und Schmidt1 nimmt das Gewicht der Leber w\u00e4hrend der Verdauung zu, am meisten um die 12. bis 15. Stunde nach der F\u00fctterung. Wenn diese Schwellung, wie mikroskopische Bilder lehren, nicht blos von vermehrter Blutzufuhr, sondern auch von Volumsvergr\u00fcsserung der Zellen herr\u00fchrt, ist es denkbar, dass durch Turgescenz der letzteren ein Druck auf die allseitig von ihnen umgebenen Capillaren ausge\u00fcbt wird, welcher die letzteren verengt und dadurch die Stromwiderst\u00e4nde steigert. K\u00fcnftige Beobachtungen werden diese Frage zu ber\u00fccksichtigen haben, f\u00fcr welche ein directer Entscheid bis jetzt nicht vorliegt.\nDirect nachgewiesen dagegen ist die Ver\u00e4nderlichkeit des Strom-Widerstandes in dem Bezirke der interlobul\u00e4ren Pfortaderzweige. Da diese in n\u00e4chster Nachbarschaft der interlobul\u00e4ren Verzweigungen der Leberarterie und der Galleng\u00e4nge verlaufen, allesammt eingebettet in sp\u00e4rliches Bindegewebe, umgeben von dem unnachgiebigen Leberparenchym, l\u00e4sst sich von vornherein annehmen, dass der Widerstand f\u00fcr das Blut in den Pfortader\u00e4sten bedingt sein m\u00fcsse durch den F\u00fcllungs- und Spannungsgrad der ihnen benachbarten Fl\u00fcssigkeit f\u00fchrenden Can\u00e4le, der Arterien wie der Galleng\u00e4nge. Diese Voraussetzung wird durch hydraulische Versuche von Betz'2 und von G ad 3 best\u00e4tigt. Beide leiteten an ausgeschnittenen Lebern in die Leberarterie und in die Pfortader Fl\u00fcssigkeit, der erstere eine concentrirte Gummil\u00f6sung, der zweite eine 0,5procentige Kochsalzl\u00f6sung, welche sie aus der Lebervene wieder auffingen, und bestimmten die Durchflussmengen durch das eine jener beiden Gef\u00e4sse, w\u00e4hrend das andre stromfrei oder ebenfalls durchstr\u00f6mt war. Betz sah, dass der Strom in der Leberarterie durch einen gleichzeitigen in der Pfortader beschr\u00e4nkt wurde, um so mehr, je h\u00f6her der Druck in der letzteren, und Gad umgekehrt, dass der Strom in der Pfortader unter einem gleichzeitigen in der Arterie litt. Eine \u00e4hnliche Beengung des Pfortaderstromes erw\u00e4chst nach Betz aus einer Anf\u00fcllung der Galleng\u00e4nge, mit der Ausdehnung derselben steigend.\nWas das Verh\u00e4ltniss der Blutmengen anlangt, welche die Arterie\n1 Bidder & Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 153. Mitau und Leipzig 1852.\n\"2 Wladimir Betz, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Mathem.-phys. Cl. 1 866. 22. Mai.\n3 J. Gad, Studien \u00fcber die Beziehungen des Blutstromes in der Pfortader zum Blutstrome in der Leberarterie. Diss. Berlin 1873.","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"\"262 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nund die Pfortader durch die Leber f\u00fchren, so w\u00fcrde unbedenklich die unvergleichlich gr\u00f6ssere Weite der letzteren (ihr Querschnitt \u00fcbertrifft den der Vene nach Betz um das F\u00fcnfundzwanzigfache) sie als die ganz \u00fcberwiegende Blutquelle f\u00fcr die Leber charakte-risiren, wenn nicht das Blut in der Arterie unter viel h\u00f6herem Drucke st\u00e4nde, \u2014 vielleicht die Ursache einer viel gr\u00f6sseren Geschwindigkeit. Allein man darf nicht \u00fcbersehen, dass das Arterienblut viel h\u00f6here Widerst\u00e4nde zu \u00fcberwinden hat, dem doppelten vor ihm liegenden Capillarnetze entspringend, welche die Geschwindigkeit herabmindern m\u00fcssen. In wie hohem Grade dies geschieht, lehren die BETz\u2019schen Beobachtungen. Bei gleichem Einflussdrucke f\u00fcr beide Gef\u00e4sse (von 400 Mm. Gummil\u00f6sung) trieb er auf dem Pfortaderwege die 61fache Fl\u00fcssigkeitsmenge, wie auf dem Arterienwege, durch die Leber, wenn der Strom nur durch das eine oder durch das andere dieser Gef\u00e4sse ging, und in andern Versuchen die 67fachel * Menge, wenn beide Gef\u00e4sse gleichzeitig durchstr\u00f6mt wurden. Selbst wenn der Einflussdruck f\u00fcr die Arterie auf 850 Mm. erh\u00f6ht wurde, ging durch die Pfortader noch immer die 4Sfache Fl\u00fcssigkeitsmenge. Danach darf man mit Sicherheit annehmen, dass trotz des hohen Druckes in der Arterie doch ihre Blutspende an die Leber der von der Pfortader gelieferten um sehr Erhebliches nachsteht.\nNach diesen Er\u00f6rterungen ergiebt sich f\u00fcr den Blutstrom in der Leber etwa Folgendes:\n1.\tDie haupts\u00e4chlichste Versorgung derselben geschieht durch die Pfortader.\n2.\tDie Triebkraft f\u00fcr ihren Blutstrom wird, abgesehen von dem Aortendrucke, beherrscht\na)\tdurch den Th\u00e4tigkeitsgrad des Nv. splanchnicus ;\nb)\tdurch die Darmbewegungen;\nc)\tdurch die Athembewegungen, da jede Inspiration\na) dem Blute in der V. portae eine Beschleunigung ertheilt, \u00df) die Ansaugung des Lebervenenblutes erh\u00f6ht.\n3.\tDie Spannung des Inhaltes der interlobul\u00e4ren Arterien und Galleng\u00e4nge \u00fcbt einen merklichen Einfluss auf den Pfortaderstrom aus, sofern dieser eine mit dem Ausdehnungsgrade jener Can\u00e4le wachsende Hemmung erf\u00e4hrt.\n4.\tDer Strom der Leberarterie, dem Pfortaderblutstrome unter allen Umst\u00e4nden w7eit nachstehend, schwillt an, wenn der letztere heruntergeht.\n1 Beide Zahlen sind nicht mit einander vergleichbar, weil es Ach um ver-\nschiedene Lebern handelt.","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss cl. Blutstromes auf d. Absonderung. Blutentziehung. Meehan. Hemmung. 263\nSinkt der Blutgehalt und damit der Druck in der Pfortader auf ein Minimum, wie nach Unterbindung derselben, so tritt ein R\u00fcckstau von Blut durch die Lebervene in das Capillargebiet der Leber ein (Cohnheim und Litten1, Cl. Bernard2), der aber f\u00fcr die dauernde Unterhaltung der Gallenabsonderung nicht ausreicht.\n2. Einfluss des Blutstromes in der Leber auf die Gallenabsonderung.\nLeicht zu best\u00e4tigende Erfahrungen lehren, dass die Gallenabsonderung zwar noch bei sehr geringen Werthen des Blutdruckes fortbesteht, aber trotzdem mit Ver\u00e4nderungen des Blutstromes innerhalb gewisser Grenzen entsprechende Ver\u00e4nderungen erf\u00e4hrt. Wenn man bei Hunden, denen Fisteln gleichzeitig der Gallenblase und der Harnleiter angelegt worden sind, den Blutdruck durch starke Blutentziehungen oder durch Halsmarksdurckschneidung heruntersetzt, sieht man oft genug die Nierenabsonderung aufh\u00f6ren, die Leberabsonderung fortdauern. Gleichwohl steht letztere in unverkennbarer Ab-h\u00e4ngigkeit von dem Blutstrome, wie folgende Thatsachen beweisen.\nA) Blutentziehungen.\nNach starken Blutentziehungen sinkt die Absonderungsgeschwindigkeit der Galle3), \u2014 w\u00e4hrend gleichzeitig ihr Gehalt an festen Theilen steigt.\nIch muss ausdr\u00fccklich hervorheben, dass es erforderlich ist, die Blutentziehung bis zu einer sehr bedeutenden Erniedrigung des Aortendruckes zu treiben, wenn der Einfluss auf die Gallenabsonderung deutlich hervortreten soll; in einer meiner Beobachtungen sank in Folge starken Aderlasses der Carotidendruck von 103 Mm. auf 55 Mm., ohne dass die Seeretionsgeschwindigkeit der. Galle sich gemindert h\u00e4tte.\nB) Mechanische Hemmung der Lebercirculation.\n1. Verminderung des Capillardruckes in der Leber durch Schliessung einer Anzahl von Wurzeln der Pfortader setzt die Absonderung herab (K\u00f6rner und Strebe).\nZu gleichem Resultate f\u00fchrt, wenn man an einem einzelnen Leberlappen experimentirt,\na) Schliessung des zu demselben tretenden Pfortaderzweiges, w\u00e4hrend der entsprechende Arterienzweig offen bleibt, \u2014\n1\tCohnheim & Litten. Arch. f. pathol. Anat. LXYII. S. 153. 1S76.\n2\tCl. Bernard. Le\u00e7ons sur le diab\u00e8te, p. 341. Paris 1ST7.\n3\tK\u00f6rner & Strebe . Studien des physiologischen Instituts zu Breslau. IL S. 101. 1S63. \u2014 R\u00fchrig. Wiener med. Jahrb. IL S. 7. Is73.","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nwodurch nat\u00fcrlich der intralobul\u00e4re Capillardruck erheblich vermindert wird,\n\u00df) Verengerung des betreffenden Pfortaderzweiges, w\u00e4hrend die begleitende Arterie geschlossen ist.1\nBei Verschliessung des ganzen Pfortaderstammes sahen R\u00fchrig wie Asp bedeutende Verlangsamung der Absonderung, die sich nach Wiederer\u00f6ffnung nur allm\u00e4hlich wieder herstellt; doch lassen derartige Beobachtungen sich nur kurze Zeit fortsetzen, weil die Thiere bald zu Grunde gehen. Deshalb stellte Asp seine ausf\u00fchrlichen Versuche nur an einem Lappen der Kaninchenleber mit den zugeh\u00f6rigen Gef\u00e4ssen an. Bei geschlossener Arterie gelang es ihm, durch hinreichende Verengerung des den Lappen speisenden Pfortaderzweiges die Absonderung wesentlich sinken, beim Freigeben des Blutstromes dieselbe wieder steigen zu sehn, z. B.\nZeit des Auffangens\tGalle in 10\tProcent- gehalt\tPfortaderast\n0 \u201410'\t1,40\t1,78\toffen\n30'\u201450'\t1,60\t1.60\twenig verengt\n50'\u2014110'\t0,45\t1,79\tstark verengt\nHO'\u2014140'\t1,40\t1,87\toffen\n200'\t0,30\t1,53\tverengt\n226'\t0.88\t1,55\toffen\n2. Aber auch Verengerung der V. cava adscendens, welche noth-wendig den Druck in den Lebercapillaren steigert, w\u00e4hrend die Stromgeschwindigkeit heruntergeht, hat Verlangsamung der Absonderung zur Folge.'2\nC) R\u00fcckenmarksreizung.\nReizung des R\u00fcckenmarkes, sei es direct3 durch Inductions-str\u00f6me, sei es indirect durch electrische Erregung sensibler Nerven4, sei es durch Strychnininjection5 f\u00fchrt zu Verminderung der Gallenabsonderung, weil durch jene Eingriffe Verengerung der Eingeweidearterien und somit Herabsetzung des Pfortaderblutstromes erzielt wird. Der Verminderung des Gallenausflusses geht oft eine kurze Beschleunigung voraus. Hat die Reizung und mit ihr die Verengerung der die Pfortader speisenden Arterien lange gew\u00e4hrt, so steigt nach Beendigung derselben die Gallenabsonderung nur sehr langsam wieder\n1\tAsp, Arbeiten d. physiol. Anst. zu Leipzig aus dem Jahre 1873.\n2\tR\u00f6hrig, Wiener med. Jabrb. II. 1873. S. 5 des Sep.-Abdr.\n3\tJ. Lichtheim, Ueber den Einfluss der R\u00fcckenmarksreizung auf die Gallenabsonderung. Diss. S. 11. Berlin 1867. \u2014 R. Heidenhain, Studien d. physiol. Inst, zu Breslau. IV. S. 226. 1868.\n4\tR. Heidenhain, Ebenda. \u2014 R\u00f6hrig in der oft citirten Arbeit. \u2014 J. Munk, Arch. f. d. ges. Physiol. VIII. S. 151. 1874.\n5\tNoch nicht ver\u00f6ffentlichte Beobachtungen von mir.","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Blutstromes. Pi\u00fcckenmarksreizung.\n265\nan, offenbar weil unter der andauernden ungen\u00fcgenden Blutversorgung der secretorische Apparat der Leber gelitten hat und sich nur allm\u00e4hlich wieder erholt.\nBei derartigen Beobachtungen \u00fcber die Schwankungen der Absonderungsgeschwindigkeit in k\u00fcrzeren Zeitr\u00e4umen ist es nothwendig, den Gallenausfluss m\u00f6glichst unabh\u00e4ngig von den contraction Elementen der Gallenwege zu machen; ihre Einwirkung l\u00e4sst siclg wenn auch nicht beseitigen , so doch vermindern, wenn man die Gallenfistel nicht an der Gallenblase, sondern an dem Duct, choledochus nach Verschliessung des Duct, cysticus anlegt. Es ist ferner erforderlich, die Aenderungen der Ausflussgeschwindigkeit genauer, als durch W\u00e4gung des Secretes zu verfolgen , weil bei dieser Bestimmungsweise die Galle doch mindestens 10 bis 15 Minuten hindurch aufgefangen werden muss, um gen\u00fcgende Quantit\u00e4ten zu erhalten. Man beobachtet am Besten das Vorr\u00fccken der Gallens\u00e4ule in einer mit der Fistel in Verbindung stehenden horizontalen und in Millimeter getheilten d\u00fcnnen Glasr\u00f6hre, oder man l\u00e4sst nach R\u00f6hrig die Galle aus der Fistelcan\u00fcle austropfen und bestimmt die zwischen je 2 Tropfen verfliessende Zeit.\nDass der Grund der Verminderung der Absonderung bei den obigen Eingriffen in der Verengerung der Eingeweidearterien und der durch sie herbeigef\u00fchrten An\u00e4mie des Pfortadergebietes liegt, geht schon mit Sicherheit aus dem zeitlichen Zusammenfallen des geringsten Werthes der Absonderungsgeschwindigkeit mit dem h\u00f6chsten Wertlie des Aortendruckes hervor 1 2, welcher ja bekanntlich bei Reizung des Halsmarkes oder der sensiblen Nerven, wie bei Strychnin-Injection in Folge hochgradiger Verengerung der meisten Arterien steigt. \u2014 Nicht in demselben Maasse klar liegt die Ursache der oft, namentlich bei sensibler Reizung auftretenden prim\u00e4ren Beschleunigung des Gallenausflusses. Sie tritt am st\u00e4rksten ein, wenn die Gallenwege durch Secret ausgedehnt sind, was man leicht dadurch erreichen kann, dass man die horizontale Glasr\u00f6hre, in welcher die Geschwindigkeit des Gallenstromes bestimmt wird, mehr oder weniger \u00fcber das Niveau der Fistel erhebt, um die Gallenwege unter einen dieser Erhebung entsprechenden Druck zu setzen. Da die Gr\u00f6sse der prim\u00e4ren Beschleunigung des Ausflusses mit der H\u00f6he dieses Druckes, also dem Ausdehnungsgrade der Gallenwege w\u00e4chst, handelt es sich offenbar bei jener anf\u00e4nglichen Steigerung der Ausflussgeschwindigkeit nicht sowohl um eine st\u00e4rkere Beth\u00e4tigung der Absonderung, als um eine mechanische Austreibung des in den Gallenwegen gestauten Secretes durch die in ihren Wandungen gelegnen contractilen Elemente.\nAuf Gef\u00e4ssverengerung und Unterbrechung des Blutstromes ist es auch wahrscheinlich zu beziehen, wenn Pfl\u00fcger- bei minutenlanger Durchleitung starker electrischer Schl\u00e4ge durch die Leber die Absonderung aufh\u00f6ren oder sich verlangsamen und diese Verz\u00f6gerung l\u00e4ngere Zeit nach der Reizung fortbestehen sah. Doch spielt dabei m\u00f6glicher Weise auch eine directe Insultation der Leberzellen durch die Inductionsstr\u00f6me mit,\n1\tKttbe & Szostakowski, Studien d. physiol. Inst, zu Breslau. IV. S. 240. 186S.\n2\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 192. 1869.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"'266 Heidenhain. Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonclerung.\nwie ja letztere bei hinreichender Intensit\u00e4t auch die Bewegungen am\u00f6boider Zellen auf l\u00e4ngere Zeit zu unterbrechen im Stande sind.\nJ. Ranke1 2 sah bei Kaninchen die Gallenabsonderung sinken, wenn er ihre Hinterextremit\u00e4ten durch hindurchgeleitete Inductions-str\u00f6me tetanisirte 5 er glaubt in der Abnahme der Secretion eine Folge vermehrter Blutf\u00fclle der th\u00e4tigen Muskeln zu sehen, welche auf Kosten des Pfortadergebietes sich herstelle. Allein es liegt viel n\u00e4her, an eine reflectorische Verengerung der Abdominalgefasse zu denken, welche ja bei jeder starken sensibeln Reizung eintritt und ganz noth wendig auch bei Ranke\u2019s Versuchen vorhanden war.\nD) Durchschneidung des R\u00fcckenmarkes.\nDurchschneidung des R\u00fcckenmarkes in seinem Halstheile hat bekanntlich hochgradige Herabsetzung des Druckes und der Stromgeschwindigkeit in dem gesummten Gef\u00e4sssysteme zur Folge. Hand in Hand damit geht ein erhebliches Sinken der Gallenabsonderung-, welche schliesslich vollst\u00e4ndig stockt.\nE) Trennung der Nv. splanchnici.\nDiese Operation bedingt L\u00e4hmung der Unterleibsgef\u00e4sse, welche bei Kaninchen eine sehr bedeutende, bei Hunden eine minder bedeutende Verminderung des arteriellen Druckes im Gefolge hat. Bei letzteren Thieren steigt einige Minuten nach der Durchschneidung jener Nerven die Absonderungsgeschwindigkeit der Galle erheblich und auf l\u00e4ngere Dauer an. Die offenbare Ursache liegt in der Erweiterung der die Pfortaderwurzeln speisenden Arterien, in Folge deren Druck und Stromgeschwindigkeit im Gef\u00e4ssgebiete der letzteren wachsen.\nDa die Beobachtungen \u00fcber die Folgen der Splanchnicus-Trennung noch nicht von mir ver\u00f6ffentlicht sind, m\u00f6gen hier einige Versuchsbeispiele Platz finden. Object der Untersuchung waren curarisirte Hunde. Die Gallenmengen wurden dadurch bestimmt, dass mit der Blase eine horizontale, in Mm. getheilte Glasr\u00f6hre in Verbindung gesetzt war, in der das Vorr\u00fccken der Gallens\u00e4ule von Minute zu Minute beobachtet wurde.\nVers. I. Die Gallens\u00e4ule r\u00fcckte in den einzelnen auf einander folgenden Minuten vor\n1. Vor der Trennung der Splanchnici um 19 \u2014 23 \u201416\u201420\u201417\u2014 21 \u201417\u201415 \u2014 15\u2014 15 \u201415\u201416\u201420 \u2014 13 \u201417 \u201417 \u201415 \u2014 21 \u2014 19\u201420 Mm. \u2014 Der Carotidendruck schwankte zwischen 64 und 85 Mm.\n1\tJ. Ranke. Die \u00dflutvertheilung und der Th\u00e4tigkeitswechsel der Organe. S. 101 u. fg. Leipzig 1ST 1.\n2\tAsp, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1S73. S. 89.","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Blutstromes. Reizung der Splanchnici. Transfusion.\n267\n2. Unmittelbar darauf nach Durchreis sung der Splanchnici: 7\u201421 \u2014 2(j_27\u201428\u201428\u201427\u201431 \u2014 28\u201424\u201425\u201422\u201423. \u2014 Der Caro-tidendruck sank auf 40\u201445 Mm.\nVers. II. Vor der Trennung der Splanchnici: 6\u20144\u20143\u20144\u20143 \u2014 6_G\u201411\u20149 \u201414\u20148\u20143\u20143 \u201410. \u2014 Gleichzeitiger Carotiden-druck 160\u201417 5 Mm.\nNach derselben: 6\u20146\u20146 \u20145 \u2014 7\u20143\u201425\u201432\u201425\u201432\u201433\u20142/ \u2014 35\u201435\u201435\u20143s\u201432 \u2014 30\u201435\u201440. \u2014 Der Carotidendruck sank von 170 auf 110\u2014120.\nBei Kaninchen beobachtete schon J. M\u00fcnk eine, wenngleich sehr geringgradige, Steigerung der Absonderung nach Trennung der Splanchnici.\nFi Reizung der Splanchnici.\nSie hat, ganz wie die R\u00fcekenmarksreizung, nach kurz vor\u00fcbergehender Beschleunigung erhebliche Verlangsamung des Gallenausflusses im Gefolge1, offenbar Dank der Herabsetzung des Druckes und der Geschwindigkeit des Pfortaderstromes.\nGl Hochgradige Steigerung des Pfortaderdruckes durch Bluttransfusion.\nAlle soeben aufgef\u00fchrten Thatsachen weisen darauf hin, dass wenigstens innerhalb gewisser Grenzen mit Verminderung der Blutzufuhr zur Leber die Secretionsgesehwindigkeit der Galle abnimmt, mit Steigerung der Blutzufuhr in die H\u00f6he geht. Doch giebt es f\u00fcr die Steigerung eine Grenze, welche ohne Gef\u00e4hrdung des secreto-rischen Apparates nicht \u00fcberschritten werden darf. Um Druck und Stromgeschwindigkeit in der Pfortader h\u00f6her zu treiben, als es bei den obigen Beobachtungen geschehen war, transfundirte ich in eine Milzvene Blut unter mittlerem arteriellem Drucke, entweder direct, indem ich die Carotis eines Hundes mit der Milzvene eines zweiten verband, oder indirect, indem ich deflbrinirtes auf K\u00f6rpertemperatur erw\u00e4rmtes Hundeblut aus einem Druckgef\u00e4sse unter einem Drucke von 100 Mm. Quecksilber \u00fcberleitete. Die Gallenabsonderung sinkt, wenn die \u00fcbergeleitete Menge nicht zu gering ist, schnell auf einen sehr niedrigen AVertli, auch dann, wenn die Transfusion von Thier zu Thier bei starker Dyspnoe des Blutspenders geschieht, so dass das \u00fcbergeleitete Blut nicht die Eigenschaften des arteriellen besitzt. Zu hoher Druck in der Pfortader hemmt also den Gallenausfluss. Wird darauf aus der Pfortader Blut entzogen, so steigt die Absonderung nicht sofort, sondern nur sehr allm\u00e4hlich wieder an.\nDie unter den obigen Bedingungen auftretende Hemmung beruht auf den mechanischen A'erh\u00e4ltnissen des Blutstromes in der Leber.\nI J. Munk. Arch. f. d. ges. Physiol. VIII. S. 16\u00fc. 1874.","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"2(38 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nWerden unter ungewohnt hohem Drucke die interlobul\u00e4ren Pfortader\u00e4ste erheblich \u00fcber das normale Maass ausgedehnt, so com-primiren sie die neben ihnen verlaufenden interlobul\u00e4ren Gallencan\u00e4le und verhindern dadurch den Abfluss des Secretes. Dazu kommt aber eine noch nach dem Tode an mikroskopischen Schnitten nachweisbare starke Dilatation der intralobul\u00e4ren Blutcapillaren, welche die Leberzellen zusammenpresst und dadurch in ihrer Th\u00e4tig-keit so erheblich st\u00f6rt, dass sie nach Entlastung des hyper\u00e4mischen Organes durch Blutentzieh\u00fcng erst nach l\u00e4ngerer Zeit wieder in fr\u00fcherer Weise leistungsf\u00e4hig werden.\nIY. Der Secretionsdruck der Galle.\nDer Parallelismus, welcher innerhalb gewisser Grenzen zwischen dem Drucke und der Stromgeschwindigkeit innerhalb des Pfortadergebietes einerseits, der Absonderungsgeschwindigkeit der Galle andrerseits besteht, legt die Annahme nahe, dass die wesentliche Triebkraft f\u00fcr die Fl\u00fcssigkeitsabsonderung der Leber in dem intralobul\u00e4ren Capillardrucke zu suchen sei.\nFreilich sind die anatomischen Verh\u00e4ltnisse einer solchen Folgerung von vornherein nicht g\u00fcnstig. Denn ehe Wasser aus den Blutcapillaren in die Gallencapillaren zu gelangen im Stande ist, muss dasselbe die pericapill\u00e4ren Lymphr\u00e4ume und die Leberzellen durchsetzen, um an der Oberfl\u00e4che der letzteren an enge begrenzten Stellen, n\u00e4mlich an den schmalen Ber\u00fchrungszonen der Leberzellen mit den Gallenwegen, in die letzteren \u00fcberzugehen. Eine mechanische Filtration auf so verwickelten Wegen scheint schwer verst\u00e4ndlich.\nVergleichende Messungen des Druckes in den Gallenwegen der secernirenden Leber und in der Pfortader unterst\u00fctzen jene Zweifel und widerlegen jene Vermuthung auf das B\u00fcndigste.\nDie Druckh\u00f6he, bis zu welcher in einer mit den Gallenwegen in Verbindung stehenden verticalen Glasr\u00f6hre die Galle ansteigt, bestimmten Friedl\u00e4nder und Barisch1 bei Meerschweinchen zu 184 bis 212 Mm. oder rund 200 Mm.\nDie Gallens\u00e4ule steigt in der Glasr\u00f6hre mit abnehmender Geschwindigkeit bis zu jenem Maximo, d. h. also, so lange der Druck in den Gallenwegen noch niedrig ist, fliesst aus denselben in der Zeiteinheit weniger Galle aus, als wenn der Druck in den Gallenwegen bereits h\u00f6here Werthe erreicht hat. Macht man mehrere\n1 Friedl\u00e4nder & Barisch, Arch. f. Anat. u. Physiol. I860. S. 659.","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Secretionsdruck der Galle.\n269\nDruckbestimmimgen hinter einander, so fallen die sp\u00e4teren Wertlie in der Regel geringer aus als die fr\u00fcheren, was darauf hinzudeuten scheint, dass die Secretion unter dem Einfl\u00fcsse des auf den Zellen lastenden Gallendruckes allm\u00e4hlich erlahmt.\nDie maximale Steigh\u00f6he des Secretes giebt, wie schon bei Gelegenheit des Speicheldruckes ausf\u00fchrlich besprochen worden, keineswegs ein Maass f\u00fcr die Gr\u00f6sse der Secretionskraft. Sie bezeichnet vielmehr nur denjenigen Druckwerth, bei welchem in jedem Augenblicke so viel Fl\u00fcssigkeit secernirt wird, als in den ableitenden Gallenwegen durch Filtration resp. Resorption nach Aussen bef\u00f6rdert wird. Ueber den Vorgang der Resorption wird sp\u00e4ter noch ausf\u00fchrlicher gehandelt werden.\nDer geringe Werth des \u201e Secretionsdruckes \u201c macht es verst\u00e4ndlich, dass in pathologischen F\u00e4llen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig unbedeutende Widerst\u00e4nde f\u00fcr den Abfluss der Galle aus dem Choledochus in den Darm gen\u00fcgen, um Gallenstauung, Gallenresorption und in Folge derselben Gelbsucht herbeizuf\u00fchren.\nDie Druckwerthe f\u00fcr das Pfortaderblut fand Basch1 bei einer Reihe von Beobachtungen an Hunden mit durchschnittenen Kv. splanchnicis2 in den Grenzen von 7 bis 16 Mm. Quecksilber (= 91 bis 208 Mm. Gallenh\u00f6he, wenn ich das specitische Gewicht der Galle gleich dem des Wassers setze) schwankend. Es erreichen also die Ziffern des Pfortaderdruckes beim Hunde kaum die Zahlen des Gallendruckes bei Meerschweinchen.\nGleichzeitige Messungen des Gallendruckes und des Druckes in einem Zweige der V. mesenterica superior3 bei Hunden ergaben mir als constantes Resultat, dass der Gallendruck den Pfortaderdruck stets um Erhebliches \u00fcber trifft.\nBei einer Reihe von Hunden fand ich\n\tGallendruck\tDruck in der V. mesent. sup.\n1.\t1 220 Mm. kohlens. Natron\t90 Mm. kohlens. Natron\n2\t175\t\u201e\t07\n3.\t204\t..\t90\t..\n4.\t110 ..\t50\n5.\tISO ..\t65\t,.\nEnter diesen Umst\u00e4nden wird es unstatthaft, die Secretion des Wassers in der Leber als mechanische Folge des Blutdruckes, also\n1 S. Basch. Arbeiten d. physiol. Inst, zu Leipzig. 1S75. S. 27.\n_ 2 Es ist zwar nicht ausdr\u00fccklich bemerkt, dass die Ny. splanchnici durchschnitten waren; aber da an denselben Reizvcrsuche mit gleichzeitiger Messung des Blutdruckes angestellt wurden, ist die vorg\u00e4ngige Durchschneidung mit Sicherheit vorauszusetzen, da ja sonst bei der hohen Sensibilit\u00e4t dieser Nerven reflee-torische Drucksteigerung unvermeidlich gewesen w\u00e4re.\n3 In noch nichtweiter ver\u00f6ffentlichten Versuchen, die von mir in Verbindung mit denStudirenden v. Ferextheil. Kreszexski. Werner. M\u00fcsiel angestellt worden sind.","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nals blosse Filtration anzuselien. Der Blutdruck muss ja nat\u00fcrlich in den intralobul\u00e4ren Bluteapillaren noch geringer sein, als im Stamme der Pfortader, also auch geringer als der Druck in den Gallenwegen. Die Gallenabsonderung kann unm\u00f6glich ein blosser physikalischer Filtrationsvorgang sein, zu welchem sie die innerhalb gewisser Grenzen stattfindende Abh\u00e4ngigkeit der Secretion von dem Blutstrome in der Pfortader zu stempeln schien.\nWenn aber die Secretionskraft nicht von dem Blutdrucke abgeleitet werden kann, so bleibt Nichts \u00fcbrig, als ihre Quelle in einer activen Th\u00e4tigkeit der Leberzellen zu suchen, die hier freilich ebenso wenig genauer definirt werden kann, wie die secretorische Th\u00e4tigkeit der Zellen in den fr\u00fcher besprochenen Dr\u00fcsen.\nV. Einfluss des Nervensystems auf die Absonderung.\nSteht jene secretorische Th\u00e4tigkeit der Zellen unter unmittelbarem Einfl\u00fcsse des Nervensystems?\nAlle bisher bekannten Thatsachen f\u00fchren zu einer negativen Antwort auf jene Frage. Denn es ist weder gelungen, durch Trennung s\u00e4mmtlicher von aussen zur Leber tretenden Nerven1 die Gallenabsonderung aufzuheben, \u2014 was ja bei den Speicheldr\u00fcsen geschieht, \u2014 noch durch Reizung irgend welcher jener Nerven die stockende Absonderung ins Leben zu rufen oder die vorhandene zu beschleunigen. An Bestrebungen nach dieser Richtung hin hat es nicht gefehlt, Sie haben aber nur zur Erkenntniss der oben bereits besprochenen vasomotorischen Einfl\u00fcsse der Centralorgane resp. des Splanchnicus oder zur Aufdeckung nebens\u00e4chlicher Erscheinungen gef\u00fchrt, die in keiner unmittelbaren Beziehung zur Absonderung stehen.\nDahin geh\u00f6rt die Thatsache2, dass nach Durchsclmeidung beider Vagi die aus einer Blasenfistel ausfliessende Gallenmenge erheblich sinkt. Die Veranlassung dazu liegt nur in der durch jene Operation hervorgerufenen Aenderung der Athemziige, welche an Zahl bekanntlich ab-, an Tiefe zunehmen. F\u00fcr diesen lediglich indirecten Zusammenhang sprechen folgende Umst\u00e4nde: 1. Einseitige Vagustrennung \u00e4ndert die Gallenmenge nur dann, wenn die Athemfrequenz sinkt, was bekanntlich nicht immer der Fall ist. 2. Stellt man nach Trennung der Vagi durch k\u00fcnstliche Lufteinblasungen die urspr\u00fcngliche Athmungsziffer wieder her, so steigt auch die Gallenmenge wieder in die H\u00f6he. 3. Trennung der Vagi dicht unter dem Zwerchfelle l\u00e4sst, wie die Athemfolge, so auch die Gallenmenge\n1\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. IL S. 192. 1S6S.\n2\tR. Heidenhain, Studien d. physiol. Inst, zu Breslau. II. S. 82. 1863.","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Nervensystems.\n271\nunbeeinflusst. 4. Reizung der Vagi an derselben Stelle hat keine merkliche Einwirkung auf die Gallenmenge. \u2014 Der Einfluss der Athmung ist in erster Linie auf die Austreibung des in den Gallenwegen bereits vorhandenen fertig gebildeten Secretes zu beziehen: jede Drucksteigerung in der Abdominalh\u00f6hle, durch Zwerchfellsc'ontraction herbeigef\u00fchrt, presst ein gewisses Quantum Galle aus den Gallenwegen. Gleichzeitig wird aber durch jede Inspiration (s. oben) der Blutstrom in der Leber beschleunigt, was von Einfluss auf die Absonderungsmenge sein mag.\nCl. Bernard\u2019s bekannte Entdeckung der Folgen, welche Verletzung des Bodens des vierten Ventrikels f\u00fcr die Zuckerbildung in der Leber ausiibt, gab Veranlassung zu Versuchen \u00fcber etwaige Aenderungen der Gallenbildung durch die Piq\u00fbre. A. Freundt und L. Graupe 1 fanden keinen Unterschied zwischen den Gallenquantit\u00e4ten normaler und k\u00fcnstlich diabetisch gemachter Meerschweinchen, Naunyn 2 dagegen beobachtete bei Kaninchen nach dem Stiche kurzen Stillstand (5\u201410 Min.) der Secretion, auf welchen erneute, aber doch stark verlangsamte Absonderung folgte. Der Stillstand beruht (time Zweifel auf vor\u00fcbergehender Gef\u00e4ssverengerung der Arterien des Pfortadergebietes in Folge der mechanischen Reizung der Medulla; die Ursache der Herabsetzung beim Wiederbeginn l\u00e4sst sich ohne Ber\u00fccksichtigung sonstiger Nebenumst\u00e4nde, wie der Athmungsziffer, des Blutdruckes u. s. f. nicht angeben.\nWenn nun ein Einfluss der von aussen an die Leber tretenden Nerven auf die secernirenden Zellen nicht erweislich ist, so liegt die Frage nahe, ob innerhalb der Leber secretorische, wie innerhalb des Herzens motorische, Centra anzunehmen seien, von denen die Th\u00e4tig-keit der Zellen abh\u00e4ngt, -- eine von Pfl\u00fcger vertheidigte Anschauung, \u2014 oder ob die Leberzellen unabh\u00e4ngig von jedem Nerveneinflusse ihrer absondernden Function vorstehen. Eine Antwort muss zuk\u00fcnftiger Forschung \u00fcberlassen bleiben.\nVI. Ursachen der Steigerung der Absonderung w\u00e4hrend\nder Verdauung.\nDie in den letzten Abschnitten mitgetheilten Thatsachen geben einige Anhaltspuncte zur Beurtheilung der Frage, durch welche Ursachen wohl die Steigerung der Secretion w\u00e4hrend der Verdauung herbeigef\u00fchrt werde. Eine solche tritt erstens (s. oben Drittes Ca-pitel, II, 2) unmittelbar nach der Speiseaufnahme, zweitens zwischen der 12. bis 16. Verdauungsstunde auf. Die erstere Steigerung beginnt bald nach Anf\u00fcllung des Magens. Bidder und Schmidt* 2 3 sahen bei Hunden mit permanenten Fisteln die Darreichung von Wasser,\n! R. Heidenhain, Studien d. physiol. Inst, zu Breslau. II. S. 69. 1S6S.\n2\tNaunyn. Arch. f. exper. Pathol. III. S. 24. 1ST4.\n3\tBidder & Schmidt. Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 166. Mitau und Leipzig 1S52.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderung.\nH\u00f6hr IG1 die Injection von Wasser in den Darm von schnellem Wachsthum der Absonderung begleitet. Zawilski- bemerkte bei Kaninchen mit frisch angelegten Fisteln, wenn ihre Absonderung im Sinken begriffen war, sofortige Steigerung nicht blos der Absonderungsgeschwindigkeit, sondern auch des Gehaltes des Secretes an festen Bestandteilen, wenn in kurzen Zwischenr\u00e4umen (1\u20142 Minuten) kleine Mengen von Wasser in den Magen injicirt wurden. Bei allen diesen Beobachtungen handelt es sich in erster Linie nicht um Vermehrung des Wassergehaltes des Blutes. Denn einerseits hat directe Einf\u00fchrung von Wasser in den Kreislauf keine wesentliche Steigerung zur Folge (K\u00f6rner und Strebe1 2 3, R\u00f6hrig4), andrerseits bewirkt nach Wahrnehmungen von Bidder und Schmidt auch Zufuhr von festen Speisen (Fleisch) in den Magen sofortige Secretions-beschleunigung. Es muss demnach ein durch die Einwirkung der Ingesta auf die Magenschleimhaut hervorgerufener Reflexact vorliegen, der, da wir secretorische Nerven nicht kennen, auf die Gef\u00e4ssinner-vation zu beziehen ist. Anf\u00fcllung des Magens hat bekanntlich re-flectorische Erweiterung; seiner Gef\u00e4sse zur FoKe: mit derselben verbindet sich in erster Linie Steigerung des Pfortaderblutstromes, in zweiter Linie Steigerung der Absonderung.\nDie zweite Secretionsbeschleunigung f\u00e4llt in eine Zeit, zu welcher bei Hunden nach reichlicher F\u00fctterung der Magen sich der Hauptsache nach entleert hat und Verdauung wie Absorption im D\u00fcnndarme im vollen Gange sind. Hier wird die reflectorische Erweiterung der Darmgef\u00e4sse von Einfluss auf die Absonderung sein, welche auf der H\u00f6he der Darm Verdauung so bedeutend wird, dass die Venen des D\u00fcnndarmes, des Pankreas \u2014 beil\u00e4ufig nach wiederholten Beobachtungen von mir auch die der Milz \u2014 helles Blut f\u00fchren.\nZu dieser Beg\u00fcnstigung der Absonderung durch Erweiterung der Pfortaderquellen tritt aber wahrscheinlich noch eine unmittelbare Einwirkung gewisser aus dem Darme resorbirter Substanzen auf die secernirenden Apparate der Leber, welche deren Th\u00e4tigkeit steigert. Sicher ist es ja, dass Resorption von Galle im Darme oder Injection\n1\tR\u00fchrig, Wiener mecl. Jalirb. II. S. 7 u. 8. 1873.\n2\tZawilski, Krakauer Wochenschr. 1877. No. lo. \u2014 Hofmann & Schwalbe\u2019s Jahresber. 1877. S. 219. Ref. Nawrocki.\n3\tK\u00f6rner & Strube, Studien d. physiol. Instituts zu Breslau II. S. 94. 1863.\n4\tR\u00fchrig (Wiener med. Jahrb. II. S. 7 u. 8. 1873) sah zwar bei Injection von Wasser in das Blut eine Steigerung der Ausflussgeschwindigkeit der Galle. Da diese aber nur um wenige Secunden den Act der Injection \u00fcberdauerte, ist sie nicht sowohl auf gesteigerte Absonderung, als auf beschleunigte Austreibung des Secretes zu beziehen.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"273\nZur Theorie der Absonderung.\ngallensaurer Salze in das Blut die Absonderung beschleunigt (s. oben Drittes Capitel, II, 4). In \u00e4hnlicher Weise m\u00f6gen noch andere aus dem Darminhalte w\u00e4hrend der Verdauung absorbirte Substanzen anregend auf die secernirenden Elemente der Leber wirken, eine durch k\u00fcnftige Versuche zu pr\u00fcfende Vermuthung, welche in den Erfahrungen \u00fcber die Einwirkung gewisser Arzneisubstanzen auf die Absonderung eine St\u00fctze findet.\nUntersuchungen von R\u00fchrig (in seiner oft citirten Arbeit) und besonders von Rutherford und Vignal1 haben die Einwirkung einer gr\u00f6sseren Anzahl von Arzneisubstanzen auf die Gallenabsonderung genauer kennen gelehrt. Bei Einf\u00fchrung in den Darmcanal wirken stark beschleunigend Podophyllin, Aloe, Rhabarber, Colchicin, Evonymin, Iridin, Ipecacuanha, Coloquinten, Jalappe, phosphorsaures Natron, eine Mischung von Salpeters\u00e4ure und Salzs\u00e4ure. Schw\u00e4cher, aber doch deutlich wirksam sind Senna, Sanguinarin, Leptandria, schwefelsaure Alkalien. Calomel, in der \u00e4rztlichen Praxis als stark gallentreibendes Mittel angesehen, wirkte weder vom Magen, noch vom Darmcanal aus, dagegen sehr kr\u00e4ftig Sublimat, wenn derselbe gleichzeitig mit Galle in den Darmcanal gebracht wurde.\nVII. Zur Theorie der Gallenabsonderung.\nEine eingehendere Vorstellung \u00fcber die Vorg\u00e4nge in den absondernden Zellen ist f\u00fcr die Leber bis jetzt noch weniger zu gewinnen, als f\u00fcr manche der fr\u00fcher behandelten Dr\u00fcsen. Das Folgende ist deshalb lediglich als Material f\u00fcr eine dereinstige Theorie der Lebersecretion anzusehen.\nDie Bildung der zahlreichen speeitischen Gallenbestandtheile in den Leberzellen l\u00e4sst den Ablauf verwickelter chemischer Processe innerhalb derselben voraussetzen, um so complicirter, als ja neben den Gallens\u00e4uren und Gallenfarbstoffen in ihnen noch das Glycogen entsteht. Einen inneren Zusammenhang zwischen Gallenabsonderung und Glycogenbildung vorauszusetzen, liegt bis jetzt kein sicherer Anhalt vor, da ja die Gallensecretion bis zum Hungertode fortw\u00e4hrt, w\u00e4hrend die Glycogenbildung bei l\u00e4ngerer Nahrungsentziehung erlischt. Doch wird wohl nicht blos mir die Vorstellung schwierig erscheinen, dass in derselben Zelle zwei chemische Processe neben einander herlaufen sollten, ohne mit einander in Beziehung zu stehen.\nDie augenf\u00e4llige Aenderung, welche das mikroskopische Verhalten der Leberzellen auf der H\u00f6he der Absonderung erf\u00e4hrt, wird bei eingehenderer Untersuchung ohne Zweifel Anhaltspuncte zur Be-\n1 Rutherford & Vignal. Journ. of anat. and physiol. X. p. 253. 18713, XI. p.6L u.623. 1877.\nHandbuch der Physiologie. Bd. V.\n18","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Gallenabsonderimg.\nantwortimg* der Frage liefern, in welcher Beziehung die verschiednen morphologischen Bestandtheile der Zelle zur Gallen- und zur Gly-cogenbildung stehen.\nSo viel l\u00e4sst sich schon jetzt \u00fcbersehen, dass der Absonderungs-vorgang in der Leber nach gewissen Seiten hin Analogieen mit dein Absonderungsvorgange in anderen Dr\u00fcsen, z. B. den Speicheldr\u00fcsen, bietet.\nWie in der Speicheldr\u00fcse, ist in der Leber der Absonderungs-process mit lebhafter Kohlens\u00e4urebildung verkn\u00fcpft, \u2014 den Beweis daf\u00fcr liefert der hohe Kohlens\u00e4uregehalt der Galle, wenn sie alkalisch ist, nach Pfl\u00fcger1 und die Kohlens\u00e4urespannung in dem Secrete, welche nach Strassburg2 die Spannung im ven\u00f6sen Blute \u00fcbertrifft.\nWie bei der Speichelabsonderung, wird bei der Gallenabsonderung W\u00e4rme frei. Denn Cl. Bernard3 fand die Temperatur des Lebervenenblutes constant h\u00f6her, als die des Pfortaderblutes; die Differenz stieg w\u00e4hrend der Verdauung, also zur Zeit lebhaftester Gallenabsonderung, auf ihr Maximum (0,7\u20140,9\u00b0 C.).\nCl. Bernard geht aber wohl zu weit, wenn er in dem Blute der Lebervene die absolut h\u00f6chste Temperatur des K\u00f6rpers anzutreffen vermeint. Wenigstens habe ich oft genug bei thermoelectrischen Messungen das Parenchym der Leber nicht w\u00e4rmer gefunden, als das andrer Abdominalorgane, z. B. der Milz. Die Temperatur in den Venen dieser Organe w\u00fcrde deshalb wohl ebenso hoch als in der Lebervene gefunden werden, wenn sie der Messung zug\u00e4nglich w\u00e4ren.\nWie f\u00fcr die Speicheldr\u00fcse ferner, so ist auch f\u00fcr die Leber der Druck, unter welchem ihr Secret entsteht, h\u00f6her als der Blutdruck in den Capillaren des Organes. Das Wasser der Galle darf also nicht als einfaches Blutfiltrat angesehen werden. Seine Absonderung muss durch eine active Th\u00e4tigkeit der secernirenden Zellen zu Stande kommen. Doch ist der Grad dieser Th\u00e4tigkeit von dem Blutstrome in der Leber innerhalb gewisser Grenzen abh\u00e4ngig. Denn der Gallenstrom schwillt innerhalb gewisser Breite mit dem Pfortaderstrome an und ab. Wenn nicht der steigende und sinkende Druck in den Leber-capillaren die Ursache jenes Abh\u00e4ngigkeitsverh\u00e4ltnisses sein kann, so ergiebt sich von selbst der Schluss, dass es die wachsende oder abnehmende Geschwindigkeit des Blutes in der Leber sein muss, welche die Absonderung beschleunigt oder verlangsamt, mit andern Worten, dass der Grad der Th\u00e4tigkeit der Leberzellen bedingt wird durch die Blutmenge, welche in der Zeiteinheit an ihnen vor\u00fcber-\n1\tPfl\u00fcger, Arch. f. d. ges. Physiol. IL S. 174. 1869.\n2\tStrassburg, Ebenda. Y. S. 94. 1872.\n3\tCl. Bernard, Compt. rend. XLIII. 1856. 18. Aug.","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Anhang. Absonderung bei abnormer Blutzusammensetzung.\n275\nstr\u00f6mt, um ihnen Seeretionsmaterialien lind den f\u00fcr das Protoplasma unentbehrlichen Sauerstoff zuzuf\u00fchren.\nAuch in dieser Beziehung herrscht zwischen der Leber und den Speicheldr\u00fcsen eine gewisse Analogie; wenigstens darf auch in den letzteren die Blutgeschwindigkeit nicht unter eine gewisse Grenze sinken, wenn die secretorische F\u00e4higkeit der Zellen nicht erlahmen soll.\nEin wesentlicher Unterschied aber zwischen den beiderlei Absonderungsorganen beruht darauf, dass die absondernde Th\u00e4tigkeit der Speichelzellen an die Einwirkung der Nerven gekn\u00fcpft ist, w\u00e4hrend die Secretion der Leberzellen ein \u201eautomatischer\u201c Act zu sein scheint.\nUeber diese Andeutungen f\u00fcr eine fernere Bearbeitung der Gallenabsonderung hinauszugehen, w\u00fcrde durch den heutigen Stand unsrer Kenntnisse nicht gerechtfertigt erscheinen.\nANHANG.\nEinige aussergew\u00f6knliche Vorg\u00e4nge in der Leber.\n1. Absonderung bei abnormer Blutzusanimensetzung.\nF\u00fcr die Erforschung secretorischer Apparate ist die Untersuchung nicht blos ihrer normalen, sondern auch abnormer Absonderungsvorg\u00e4nge von hervorragendem Interesse, welche bei quantitativen oder qualitativen Aenderungen der Blutzusammensetzung eintreten. Fast alle bez\u00fcglich der Galle beobachteten Thatsachen verdanken wir Mosler1.\nHochgradige Steigerung des Wassergehaltes des Blutes hat, wie im Harne, so auch in der Galle, Auftreten von Eiweiss zur Folge, in dem letzteren Secrete sp\u00e4ter und in geringerer Menge, als in ersterem.\nTraubenzucker, obschon in kleinen Quantit\u00e4ten fortw\u00e4hrend in der Leber gebildet, erscheint in der Galle von Hunden erst nach Einf\u00fchrung sehr grosser Mengen in das Blut (bei mittelgrossen Hun-\nI Mosler, Untersuchung \u00fcber den Uebergang von Stoffen aus dem Blut in die Galle. Inauguralabhandlung. Giessen !S57.","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276 Heidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Anhang.\nden 60\u201480 Grm). Bei Kaninchen gen\u00fcgt nach Cl. Bernard 1 Grm. pro Kilogramm K\u00f6rpergewicht; merkw\u00fcrdiger Weise tritt der Zucker bei diesen Thieren leichter in die Galle, als in den Harn \u00fcber.1 Rohrzucker geht auch bei Hunden schon nach Injectionen geringerer Mengen \u00fcber, als Traubenzucker.\nW\u00e4hrend die Jodide der Alkalien schnell in der Galle erscheinen, konnten die Nitrate derselben gar nicht \u00fcbergef\u00fchrt werden. Mit grosser Schnelligkeit dagegen erscheint indigschwefelsaures Natron (nat\u00fcrliche Injectionen der Gallenwege nach Chrzonsczewski). Dasselbe wird nach Diaconow2 durch die Leber in fast so grosser Menge excernirt, wie durch die Nieren. \u2014 Schwefelsaures Kupferoxyd wurde erst gefunden, nachdem t\u00e4glich 12 Gran in den Magen eingef\u00fchrt worden waren, Quecksilber trotz grosser Dosen Calomels gar nicht. Ebenso wenig gingen Chinin und Benzoes\u00e4ure \u00fcber; der Uebertritt von Terpentin\u00f6l blieb fraglich.\nII. AbsorptionsYorg\u00e4nge in der Leber.\nBei Besprechung des sogenannten Absonderungsdruckes ist bereits gezeigt worden, dass die Galle in einer mit der Gallenblase in Verbindung gesetzten verticalen Glasr\u00f6hre h\u00f6chstens auf 150 bis 200 Mm. ansteigt. Bei dieser Druckh\u00f6he wird in den L\u00e4ppchen in jedem Momente ebenso viel Fl\u00fcssigkeit secernirt, als aus den Gallenwegen durch Resorption austritt. Stellt man durch Auff\u00fcllen von Fl\u00fcssigkeit in der Glasr\u00f6hre einen wesentlich h\u00f6heren Druck her, so findet schnelles Absinken statt, zum Zeichen energischer Resorption. Verwendet man zur Einleitung derselben eine L\u00f6sung von indigschwefelsaurem Natron, so werden in kurzer Zeit solche Mengen des Salzes resorbirt, dass die Schleimh\u00e4ute wie die \u00e4ussere Haut und der Harn sich blau f\u00e4rben. Man kann auf diese Weise den Vorgang des pathologischen Resorptionsicterus vor seinen Augen unter dem Bilde einer k\u00fcnstlich erzeugten Blausucht verlaufen sehn.\nDer Ort der Aufsaugung f\u00e4llt nicht zusammen mit dem Orte der Absonderung. Diese geschieht innerhalb der Leberl\u00e4ppchen, jene im Bereiche der ableitenden interlobul\u00e4ren Galleng\u00e4nge. Denn wenn man in die Gallenwege unter einem f\u00fcr lebhafte Resorption ausreichenden Drucke indigschwefelsaures Natron einfliessen l\u00e4sst, findet man,\n1\tCl. Bernard, Le\u00e7ons suiTes propri\u00e9t\u00e9s physiologiques et les alterations pathologiques des liquides de l\u2019organisme. II. p. 208. Paris 1S59.\n2\tDiaconow, Ueber das Verhalten der Indigschwefels\u00e4ure im Organismus. Hoppe-Seyler. Med.-ehern. Unters. Heft 2. S. 245. Berlin 1867.","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Absorptionsvorg\u00e4nge in der Leber.\n277\nauch nachdem grosse Mengen des Salzes resorbirt worden sind, dasselbe wohl in den interlobul\u00e4ren G\u00e4ngen, aber nicht in den Gallen-capillaren der L\u00e4ppchen vor. Hier muss also die Absonderung fortgedauert haben, w\u00e4hrend dort die Aufsaugung vor sich ging. Daher erkl\u00e4rt es sich auch, dass, wenn man nach lange fortgesetzter Resorption der Galle wieder freien Abfluss unter Null Druck gestattet, dieselbe nach kurzer Zeit in ihrer nat\u00fcrlichen Farbe erscheint.\nAber auch in ihrer urspr\u00fcnglichen Zusammensetzung. Denn wenn man den Abfluss der Galle einige Zeit hemmt, so dass reichliche Resorption stattfindet, wird das Secret, von Neuem frei ab-fiiessend, keineswegs concentrirter.1 2 Die Aufsaugung muss deshalb das Wasser und die festen Bestandtheile in demselben Verh\u00e4ltnisse betroffen haben, in welchem sie urspr\u00fcnglich in der Galle enthalten sind.\nBei lange dauernden pathologischen Gallenstauungen treten andre Verh\u00e4ltnisse ein, als die oben geschilderten. Man findet die Leberzellen gelb tingirt, also offenbar mit Galle imbibirt. Die Aufnahme der Galle in die Zellen wird hier wahrscheinlich auf Umwegen zu Stande gebracht, so n\u00e4mlich, dass das Secret in den interlobul\u00e4ren G\u00e4ngen nach Aussen ffltrirt und sich auf den Bahnen der Lymphwege in das Innere der L\u00e4ppchen verbreitet. Man findet ferner nicht bloss in den ableitenden Gallenwegen -, sondern auch in den Gallencapillaren3 eingedickte Galle. Die Ursache liegt zweifellos in secund\u00e4ren Ver\u00e4nderungen, theils Catarrh der interlobul\u00e4ren Can\u00e4le, theils vielleicht Alteration der absondernden Zellen durch den lange auf ihnen lastenden Druck.\nDie Geschwindigkeit der Resorption h\u00e4ngt nicht blos von der H\u00f6he des in den Gallenwegen, sondern auch von der Gr\u00f6sse des in den Blutgef\u00e4ssen herrschenden Druckes ab, wie bereits Fre-riciis4 5 vermutkete und experimentell nachzuweisen ist. Mit dem Sinken des Blutdruckes nimmt die Aufsaugung der Galle zu.\nEinen Anhaltspunkt f\u00fcr die letztere Behauptung giebt schon die Beobachtung, dass der \u201eAbsonderungsdruck\u201c sinkt, wenn die Aorta com-primirt wird \u2019. Da aber jener Druck diejenige Spannung in den Gallenwegen bezeichnet, bei welcher Absonderung und Aufsaugung gleich sind, konnte jenes Sinken sowohl auf Verminderung der Secretion, als auf Steigerung der Resorption, als auf beiden Ver\u00e4nderungen gleichzeitig beruhen. Entscheidende Aufschl\u00fcsse daf\u00fcr, dass Beschleunigung der Re-\n1\tTh. Laffter. Beitr\u00e4ge zur Physiologie der Gallensecretion. Dissert. S. IG. Breslau 1873.\n2\tFrerichs. Klinik der Leberkrankheiten. I. S. 162. Braunschweig 185S.\n3\tOscar Wyss, Arch. f. pathol. Anat. XXXV. S.\n4\tFrerichs. Klinik der Leberkrankheiten. I. S. 93 u. 94. Braunschweig 1858.\n5\tB. Heidenhain. Studien d. physiol. Inst, zu Breslau. Heft IV. S. 239 u. 240. Breslau 1^68.","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. 5. Abschn. Anhang.\nSorption jedenfalls mitbetheiligt ist, giebt folgender Versuch: In einer im Niveau der Fistel befindlichen horizontalen Glasr\u00f6hre wird zun\u00e4chst die Secretionsgeschwindigkeit der Galle bestimmt. Das Secret r\u00fccke in jeder Minute um a Millimeter vor. Sodann wird die Glasr\u00f6hre, immer bei horizontaler Stellung, so weit \u00fcber die Fistel erhoben, dass Resorption eintritt. Die Fl\u00fcssigkeit in der R\u00f6hre r\u00fccke in jeder Minute um b Mm. r\u00fcckw\u00e4rts, dann wird offenbar ein Gallenvolumen in jeder Minute resor-birt, welches einer Gallens\u00e4ule von d -j- b Mm. L\u00e4nge in der R\u00f6hre entspricht, da ja die Fl\u00fcssigkeit nicht bloss nicht um a Mm. vorr\u00fcckt, was sie in Folge der Absonderung thun sollte1, sondern sogar um b Mm. zur\u00fcckgeht. Wenn nun pl\u00f6tzlich der Capillardruck in der Leber verringert wird, z. B. durch Tetanisiren des Markes, und bei unge\u00e4nderter Aufsaugung die Absonderung vollst\u00e4ndig unterbrochen w\u00fcrde, m\u00fcsste der R\u00fcckgang der Fl\u00fcssigkeit in der R\u00f6hre auf a + b Mm. wachsen. In Wirklichkeit w\u00e4chst er aber viel erheblicher, was sich nur durch eine Steigerung der Resorption erkl\u00e4ren l\u00e4sst.\nAuf welchen Wegen aber wird die aus den Gallencan\u00e4len verschwindende Fl\u00fcssigkeit aus der Leber entfernt? Die naheliegende Voraussetzung, dass die Resorption durch die Blutgef\u00e4sse geschehe, wird durch die Beobachtung widerlegt. Denn wenn man nach Unterbindung des Duct, choledochus die Lymphe aus dem Duct, thoracieus auff\u00e4ngt, erweist sich ihr Serum reich an Gallenfarbstoff und Gallens\u00e4uren, w\u00e4hrend das Blutserum keine Spur davon enth\u00e4lt.2 3 Demnach muss man annehmen, dass die durch die Wandung der interlobul\u00e4ren Gallenwege filtrirende Galle in die perivaseul\u00e4ren Lyrnph-bahnen und aus diesen in die grossen Lymphgef\u00e4sse des Hilus gelangt, da ja die resorbirten Fl\u00fcssigkeiten (s. oben) im Innern der L\u00e4ppchen nicht angetroffen werden.\nEin Resorptionsvorgang andrer Natur gestaltet sich nach Virchow\u2019s Entdeckung im Normalzust\u00e4nde fortw\u00e4hrend innerhalb der ableitenden Gallenwege: die massenhafte Aufnahme von Fett durch die hohen, jene G\u00e4nge bekleidenden Cylinderepithelien, welche an ihrer freien Basis einen \u00e4hnlichen verdickten und streifigen Saum tragen, wie die Cylinderepithelien des D\u00fcnndarms. Da Fett ein regelm\u00e4ssiger Bestandtheil des Leber-secretes ist, findet gewissermassen ein Kreislauf desselben statt, sofern es theilweise nahe seiner Geburtsst\u00e4tte in die allgemeine S\u00e4ftemasse des Organismus wieder aufgenommen wird.\n1\tIch mache dabei die Annahme, dass die Secretion unter Gegendruck ebenso gross ist. wie unter Null-Druck. In Wirklichkeit wird sie jedenfalls geringer sein.\n2\tTiedemann & Gmelin, Die Verdauung nach Versuchen. II. S. 40. 1827. \u2014 E. Fleischl, Arbeiten d. physiol. Anst. zu Leipzig. 1S75. S. 24. \u2014 A. Kunkel. Ebenda. 1876. S. 116.\n3\tVirchow, Arch. f. pathol. Anat. XI. S. 574. 1857.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"SECHSTER ABSCHNITT.\nDIE HARN ABSONDERUNG.\nERSTES CAPITEL.\nBau des secretorisclien Apparates.\nI. Verlauf und Bau der Harncan\u00e4lclien.\n1. AU (jemeine Anordnung.\nAuf einem L\u00e4ngsdurchschnitte des Organs gliedert sich bekanntlich das Parenchym der Niere in mehrere, schon mit blossem Auge unterscheidbare Theile:\nInnen die helle Marksubstanz (MM S. 280), welche bei manchen S\u00e4ugethieren einen einzigen, in der Papille sich verj\u00fcngenden Kegel, bei andern Thieren wie beim Menschen mehrere derartige Kegel (Mal-PiGHi\u2019sche Pyramiden) bildet, aussen die br\u00e4unliche Rindensubstanz (RR), zwischen beiden eine durch r\u00f6thlichere F\u00e4rbung und gelegentlich abwechselnd rothe und weisse Streifung gegen die Marksubstanz sich absetzende Zwischenschicht (GG Grenzschicht, Henle). Seit Bellini ist es bekannt, dass die Marksubstanz sich der Hauptsache nach aus gestreckt verlaufenden Harncan\u00e4lclien zusammensetzt.1 Von dem Aussenrande der Grenzschicht setzen sich diese Can\u00e4lchen in kleinen, mit blossem Auge noch sichtbaren B\u00fcndeln in die Rindensubstanz gegen die Oberfl\u00e4che der Niere fort, ohne jedoch dieselbe ganz zu erreichen (Prolongements2, Ferrein; Pyramidenforts\u00e4tze, Henle; Markstrahlen, Ludwig), ein Verh\u00e4ltniss, welches bereits\n1\tLaurentii Bellini exercitatio anatomica de structura et usu renum. Amste-lodami. p. 64\u201472 u. Fig. X. 1665.\n2\tFerrein. Histoire de Eacaderaie royale des sciences, p. 502. Fig. 4 u. 5. 1749.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280 Heidenhain, Physiol, d. AbsonderungsVorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nFerrein abbildete und Schumlansky 1 in einer verbesserten, von Joh. M\u00fcller in seinem grossen Dr\u00fcsenwerke reproducirten Figur darstellte. Zwischen den Markstrahlen liegt die eigentliche Rindensubstanz (Nierenlabyrinth, Ludwig), eharakterisirt durch die ihre Hauptmasse. zusammensetzenden gewundenen Can\u00e4lchen (Tuyaux blancs\n&\ncorticaux, Ferrein) und die zwischen dieselben eingestreuten MALPiGHi\u2019schen K\u00f6rperchen (Glandulae in-ternae renales, Malpighi).\nMalpighi - stellte die nach ihm benannten K\u00f6rperchen durch Injection schwarzer Fl\u00fcssigkeiten in die Nierenarterie dar und ermittelte ihren Zusammenhang mit den feinsten Arterien\u00e4stchen. Die sie umgebende Kapsel wird mit Unrecht oft nach Malpighi benannt. Er kannte sie nicht, sie ist erst von Joh. M\u00fcller entdeckt worden.\nDie meisten schematischen Abbildungen der histologischen Lehrb\u00fccher stellen die Anordnung der Markstrahlen nicht ganz zutreffend dar; sie lassen dieselben von der Nierenoberfl\u00e4che nach der Grenzschicht unter einander so stark convergiren, dass sie sich beim Uebergange in die letztere unter spitzen Winkeln schneiden. W\u00e4re diese Anordnung wirk-\nFig. 64. Schematischer Durchschnitt durch die Niere. RR Rindensubstanz. GG Grenzschicht. MM Marksubstanz. P Pyramidenforts\u00e4tze. L Nierenlabyrinth. \u2014 Rechts Schema des Verlaufes der Harncan\u00e4lchen: a M\u00fcller'sehe Kapsel, bc Tubulus contortus. cd schmaler Schleifentheil, de breiter Schleifentheil, ef Schaltst\u00fcck, p/8*Sammelrohr, ; Ausflussrohr.\nlieh \u00fcberall durchgef\u00fchrt, so m\u00fcssten die zwischen den einzelnen Markstrahlen gelegnen Streifen des Nierenlabyrinthes durchg\u00e4ngig keilf\u00f6rmige Ge-\nstalt besitzen, die Schneide des Keils auf die Grenzschicht aufgesetzt. In Wirklichkeit aber stossen jene Streifen sehr oft mit breiter Basis an die Grenzschicht, an welcher\n1\tD. Alex. Schtjmlansky, De structura renum tractatus physiologico-anatomi-cus edente G. C. W\u00fcrtz. Tab. II. Argentorati 1788.\n2\tMalpighi. De viscerum structura exercitatio anatomica. p. 85: De internis glandulis renalibus earumque continuatione cum vasis. Lond. 1669.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Verlauf der Hamcan\u00e4lchen.\n281\nsich dann die benachbarten Markstrahlen keineswegs erreichen. Der obige Holzschnitt sucht diese Verh\u00e4ltnisse zu verdeutlichen.\n2. Verlauf der Hamcan\u00e4lchen.\nAn den Hamcan\u00e4lchen kann man diejenige Abtheilung, welche behufs der Bildung des Nierenseeretes in Abschnitte wesentlich ver-schiedner Structur gegliedert ist, von der mehr einf\u00f6rmigen Abtheilung unterscheiden, welche nur den Ableitungsweg f\u00fcr das Secret darstellt.\na)\tA b s o n d e r n d e Abtheil un g. Dieselbe beginnt in dem Nierenlabyrinthe mit einem kugelf\u00f6rmigen Bl\u00e4schen von wechselndem Durchmesser (0,13\u20140,22 Mm. beim Menschen nach K\u00f6lliker), der von Joh. M\u00fcller entdeckten Kapsel (vgl. Fig. 64 a). Sie setzt sich durch einen kurzen engen Hals {b) in ein 0.45 Mm. breites, vielfach gewundenes Canalst\u00fcck (Tubulus contortus bc) fort, welches nach k\u00fcrzerem oder l\u00e4ngerem Wege die Grenzschicht erreicht und in dieselbe eintritt. Ziemlich pl\u00f6tzlich sich auf eine Breite von 0,014 Mm. verschm\u00e4lernd, setzt sich jetzt das Can\u00e4lchen (schmaler Theil der HENLE\u2019schen Schleife cd) in gerader Richtung mehr oder weniger weit abw\u00e4rts fort, um schliesslich h\u00f6her (schon in der Grenzschicht) oder tiefer (selbst erst in der Papille) mit einer Schlinge (HENLE\u2019sche Schleife) umzubiegen und zur Rinde zur\u00fcckzukehren. Auf diesem Wege tritt, entweder bereits im absteigenden oder erst im aufsteigenden Schenkel (vgl. die Figur 64 rechts), eine neue Verbreiterung auf 0,026 Mm. ein (breiter Schleifenschenkel). Zur Rinde zur\u00fcckgekehrt, legt sich das Can\u00e4lchen nunmehr f\u00fcr eine Strecke Wegs an einen Markstrahl an (d e), macht dann innerhalb des Labyrinthes einige (2\u20143) kurze winklige Windungen (Schweigger-Seidel\u2019s Schalt-stlick c f) und senkt sich schliesslich mittelst eines engen (0,025 Mm.) Verbindungsst\u00fcckes in die ableitenden Wege ein.\nb)\tAbleitende Abtbeilung. Die letztere ist in den geraden Can\u00e4lchen gegeben, welche an dem oberen Ende der Markstrahlen durch Vereinigung einer Anzahl von Schaltst\u00fccken entstehen (Sammelr\u00f6hren, 0,045 Mm. breit), den untern Theil des Markstrahles, die Grenzschicht und den obern Theil der Pyramide unver\u00e4stelt durchsetzen (gh) und in der Papille in geringerer Zahl sich zu einem weiteren, auf der Oberfl\u00e4che jener m\u00fcndenden \u201eAusflussrohre\u201c (\u00cf) dichotomisch zusammensetzen. Zu einer jeden Papillenm\u00fcndung geh\u00f6rt also eine gr\u00f6ssere Anzahl M\u00fcLLER\u2019scher Kapseln, denn von der M\u00fcndung aus gerechnet geht jeder Harncanal eine doppelte Ver\u00e4stlung ein: zun\u00e4chst in der Papille, sp\u00e4ter in dem Markstrahle. Die zu einem derartigen Ver-","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\n\u00e4stlungsgebiet\u00df geh\u00f6rigen Can\u00e4le stellen ein ungef\u00e4hr wiederum pyramidenf\u00f6rmiges St\u00fcck dar (FERREiN\u2019sche Pyramide; Nierenl\u00e4ppchen, Huschke l).\nDen Ursprung der Harncan\u00e4lchen aus den Malpighi\u2019schen K\u00f6rperehen vermuthete bereits Sch\u00fcmlansky2 3; aber er dachte sich, seine Beschreibung und Abbildung bezeugen es, das Verh\u00e4ltniss vollkommen unrichtig. Begreiflicher Weise ! Denn er kannte nur den Malpighi\u2019schen Kn\u00e4uel, nicht aber die ihn umgebende, erst von Jon. M\u00fcller 3 entdeckte Kapsel. Merkw\u00fcrdig genug, entging dem letzteren der Zusammenhang der Kapsel mit den Harncan\u00e4lchen, selbst dann noch, als er im Jahre 1839 die Niere der Myxinoiden 4 5 6 mit folgenden Worten schilderte: \u201eEin langer, jeder-seits durch die ganze Bauchh\u00f6hle reichender Ureter giebt in grossen Zwischenr\u00e4umen von Stelle zu Stelle ein kleines S\u00e4ckchen ab, welches durch eine Verengerung in ein zweites blind geendigtes S\u00e4ckchen f\u00fchrt. Im Grunde dieses S\u00e4ckchens h\u00e4ngt ein kleiner Gef\u00e4sskuchen, der nur an einer Stelle, wo die Blutgef\u00e4sse hinzutreten, befestigt, sonst aber von allen Seiten frei ist. Harncan\u00e4lchen aber lassen sich an dieser Placenta nicht erkennen.\u201c Der nahe genug liegende Schluss auf das Verhalten der Kapseln bei h\u00f6heren Thieren entging Jon. M\u00fcller, und so blieb Herrn W. Bowman 5 die Ehre, in einer grundlegenden Abhandlung das Verh\u00e4ltniss der M\u00fcller\u2019schen Kapsel zu den Harncan\u00e4lchen festzustellen. Trotz seiner zahlreichen und genauen Beobachtungen blieb aber Bowman und mit ihm lange Zeit die gesammte Histologie bei der Annahme stehen, dass die aus den Kapseln hervorgehenden gewundenen Can\u00e4lchen unmittelbar in die geraden der Marksubstanz sich fortsetzten. Zu einem wesentlichen Fortschritte gab erst 20 Jahre sp\u00e4ter Henle G eine folgenreiche Anregung. Sein Scharfblick fand in der Pyramide drei Arten von Can\u00e4lchen auf, \u2014 ausser den bekannten Sammelr\u00f6hren die schmalen R\u00f6hrchen, welche die Schleife bilden, und die breiteren, in welche jene sich fortsetzen. Doch gelang es Henle nicht, \u00fcber den Zusammenhang der verschiednen Can\u00e4le unter sich und mit den gewundenen der Rinde ins Klare zu kommen. Durch unvollst\u00e4ndige Injectionen wurde er zu der Annahme veranlasst, dass die auf der Papille m\u00fcndenden graden Can\u00e4lchen (\u201e offene Can\u00e4le \u201c) in der Rinde netzf\u00f6rmig unter einander anasto-mosiren, w\u00e4hrend die M\u00fcller\u2019schen Kapseln zu je zweien durch die von ihnen ausgehenden gewundenen Can\u00e4lchen und die mit letzteren zusammenh\u00e4ngende Schleife unter einander in Verbindung stehen, also gar keinen Weg nach Aussen besitzen sollten (geschlossene Can\u00e4le).\nAufstellungen von solcher Tragweite, mit denen ein physiologischer Sinn kaum zu verbinden war, regten bald eine gr\u00f6ssere Zahl von Nacli-\n1\tHuschke, S\u00f6mmering\u2019s Anatomie. V. S. 3I\u00df. Leipzig 1844.\n2\tD. Alex. Sch\u00fcmlansky. De structura renum tractatus physiologico-anatomi-cus edente G. C. W\u00fcrtz. Argentorati 1788. Vgl. bes. Tab. II.\n3\tJoh. M\u00fcller, De glandularum secernentium structura penitiore. p. 101. \u00a7 46. Lipsiae 1830.\n4\tDerselbe, Abhandl. d. Berliner Acad. a. d. J. 1S39. S. 185. Anm. Berlin 1841.\n5\tW. Bowman. Philos. Transact. V. p. 57. 1842.\n6\tJ. Henle. Abhandl. d. k. Ges. d. Wiss. zu G\u00f6ttingen. X. 1862.","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Verlauf der Harncan\u00e4lchen.\n283\nUntersuchungen an, von welchen die Arbeiten von Ludwig und Zawary-kin, von Schweig Ger-Seidel und von Roth die oben dargelegte und heute allgemein angenommene Auffassung von dem Verlaufe der Harncan\u00e4lchen und den Verbindungen ihrer einzelnen Abtheilungen unter einander begr\u00fcndeten h\nDoch sind einzelne Puncte noch controverser Natur. So behauptet Henle im Anschluss an seine erste Abhandlung auch noch in der letzten Ausgabe seiner Eingeweidelehre1 2 3, dass an der Peripherie der Niere je zwei Sammelr\u00f6hren bogenf\u00f6rmig in einander \u00fcbergehn; in diese Bogen senken sich die aus den Schaltst\u00fccken hervorgehenden Verbindungscan\u00e4lchen theils von oben herab-, theils von unten heraufsteigend ein. Derartige bogenf\u00f6rmige Anastomosen kommen, ein mir vorliegendes Injections-pr\u00e4parat von IIenle l\u00e4sst dar\u00fcber keinen Zweifel, in der That vor; ob sie aber das allgemeine Verhalten bilden, muss ich dahingestellt sein lassen.\nEin andrer noch nicht in \u00fcbereinstimmender Weise aufgekl\u00e4rter Punkt betrifft den Uebergang der Tubuli contorti in die Marksubstanz. Nach Roth sollen die gewundenen R\u00f6hrchen in die Markstrahlen eintreten und in diesen in spiraligem Verlaufe zur Grenzschicht gelangen; Seraphima Schachowa 3 hat sich dieser Angabe angeschlossen. Ich sehe an dem untern Ende der Markstrahlen hier und da spiralige Canalst\u00fccke, welche aber den breiten aufsteigenden Schenkeln der Schleife angeh\u00f6ren. W\u00e4re es richtig, dass die Bahn aller Tubuli contorti durch die Markstrahlen f\u00fchrt, so m\u00fcssten die letzteren \u00fcberall an der Grenzschicht unter spitzen Winkeln zusammenstossen, was (s. o.) keineswegs der Fall ist.\nEndlich betrifft ein strittiger Punkt das Verhalten der engen Verbindungscan\u00e4lchen zwischen den Schaltst\u00fccken und den ersten Zweigen der Sammelr\u00f6hren. Nach Henle sollen dieselben netzf\u00f6rmig anastomo-siren, womit Chrzonsczewski einverstanden ist. Ich habe bei Isolationen, grade wie Ludwig, Schweigoer-Seidel u. A. nur negative Ergebnisse erhalten.\n3. Bau der Harncan\u00e4lchen.\nDie M\u00fcller\u2019sehe Kapsel besitzt eine structurlose, an ihrer Innenfl\u00e4che mit einem platten Epithel ausgekleidete Membran, dessen Kern durch Carminf\u00e4rbung, dessen Zellgrenzen durch Versilberung4\n1\tC. Ludwig &Zawarykin, Ztsckr. f. rat. Med. (3) XX. S. 185. 1863. (Vorl\u00e4ufige Mittheilung) ; Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturwiss. Abth. XLVHI. 1863. \u2014 F. Schweigger-Seidel. Allg. med. Centralztg. No. 53. 1863; Die Niere des Menschen und der S\u00e4ugetbiere. Halle 1865. \u2014 M. Roth. Untersuchungen \u00fcber die Dr\u00fcsensubstanz der Niere. Diss. Bern 1864. Auch in der Schweiz. Ztschr. f. Heilk. III. \u2014 Vgl. ausserdem die im Jahre 1863 erschienenen Lehrb\u00fccher von K\u00f6lliker (Handbuch der Gewebelehre. 4. Aufl.l. Frey (Microscop und microscopische Technik). Luschka (Anatomie des Menschen. II), sowie die Abhandlungen von Chrzonszczewski (Arch. f. pathol. An at. XXXI. 18(34), Colberg (Allg. med. Centralztg. 1863. No. 48 u. 49), Koll-mann (Ztschr. f. wissensch. Zoologie. XIV. 1864).\n2\tJ. Henle. Eingeweidelehre. S. 319. Braunschweig 1873.\n3\tSeraphima Schachowa, Untersuchungen \u00fcber die Nieren. Diss. S. 5. Bern 1876.\n4\tM. Roth. Untersuchungen \u00fcber die Dr\u00fcsensubstanz der Niere. Tab. II. Fig. 7. Bern 1864.","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nsichtbar gemacht werden k\u00f6nnen. Sehr gut treten die Zellen auch an Zerzupfungspr\u00e4paraten aus Salpeters\u00e4ure hervor. Die Lage der Epithelzellen ist nach Drasch1 2 und L angiians2 insofern eigenthiim-\nlich, als die Kerne von je 3 bis 4 Zellen gruppenweise dicht an einander stossen. Beim menschlichen F\u00f6tus (von 6 Monaten) ist das Kapselepithel noch von kubischer Gestalt3 und deshalb leichter sichtbar; beim Neuge-bornen sind die Zellen zwar schon flacher, aber in der N\u00e4he des Kernes noch so protoplasmareich , dass sie nach dem Kapselraume hin erheblich pro-miniren. Unter pathologischen Verh\u00e4ltnissen findet ebenfalls nicht selten Verdickung der Zellen statt.\nDas Epithel der gewundenen C a n \u00e4 1 c h e n wurde friiher-hin in wenig bestimmter Weise charakterisirt: in eine formlose Grundsubstanz, die nur unvollkommen die Sonderung in einzelne Zellindividuen zeige, seien in bestimmten Abst\u00e4nden Kerne eingebettet und feine K\u00f6rnchen wie Fetttr\u00f6pfchen eingelagert, \u2014 so lautete ungef\u00e4hr die \u00fcberall wiederkehrende Beschreibung. Indess lehren schon sehr feine Querschnitte der Can\u00e4lchen im frischen Zustande, noch besser Behandlung der Niere mit einer 5 procentigen L\u00f6sung von neutralem chrom-saurem Ammoniak, eine verwickeltere Zellstructur kennen.4 Das Protoplasma der kegelf\u00f6rmigen Gebilde ist einen eigentk\u00fcmlicken Differenzirungsprocess eingegangen, der Art, dass in dem gr\u00f6ssten Theile desselben lange und d\u00fcnne st\u00e4bchenf\u00f6rmige Gebilde entstan-\nFig. 65. Epithel der Mrui\u00c6R'schen Capsel, versilbert. (Nach Ludwig.) v vas afferens, e vas efferens, h Harneanal.\n1\t0. Drasch, Sitzgsber. d.Wiener Acacl.Math.-physiol. Abth. LXXIV.f3)Tab. II. Fig. 13. 1877.\n2\tLanghans, Arch. f. pathol. Anat. LXXYI. S. 92. 1878.\n3\tVictor von Seng, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-physiol. Abth. LXIV. (2) S. 1. Fig. 2. 1871.\n4\tR. Heidenhain, Arch. f. microscop. Anat. X. S. 4. 1874.","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Bau der Harncan\u00e4lchen.\n285\ngrosserer\nden sind, welche von dem der Tunica propria des Can\u00e4lchens aufsitzenden Zellende aus in radi\u00e4rer Richtung den Zellk\u00f6rper durchsetzen, unter einander durch eine geringe Menge unver\u00e4nderten Protoplasmas verklebt. Um die Kerngegend tindet sich ein Protoplasmarest, welcher sich bei den einen Thie-ren (z. B. der Ratte) scharf nach aussen absetzt, bei den andern (z. B. dem Hunde) ohne bestimmte Grenze in die die St\u00e4bchen verkittende Substanz \u00fcbergeht. Im ersteren Falle lassen sich beim Zerzupfen aus den Can\u00e4lchen ann\u00e4hernd i;unde Gebilde, die an der Innenseite der Zelle, den Kern enthaltend, mehr oder weniger weit zwischen den St\u00e4bchen hervorquellen (Fig. 67 a} />, c), im zweiten Falle unregelm\u00e4ssig zackige Gebilde (Fig. 67 e) isoliren. Dieser Verschiedenheit entspricht auch das Verhalten ganz frischer Canalabschnitte gegen sehr verd\u00fcnnte S\u00e4uren (Salzs\u00e4ure von 0,1 \u00b0/o). Beim Hunde treten aus den Rissenden grosse Massen diffuser blassk\u00f6rniger Substanz, in welche die Kerne eingebettet sind, bei der Ratte scharf con-tourirte kernhaltige Blasen.\nDie St\u00e4bchen haben nicht durchweg gleiche L\u00e4nge. Alle an der Tunica propria beginnend, enden diejenigen, welche bei ihrem radi\u00e4ren Verlaufe nach der Gegend des Kernes hinstreben, an der diesen umgebenden Protoplasmamasse, ohne den Kern zu erreichen,\nFig. 6(>. Tubulus contortus der Hundeniere. Chrom-saures Ammoniak und Alkohol.\nlig. t>7. d Querschnitt durch einen Tub contort, der Kattenniere: von den St\u00e4bchen umgeben, liegen um den Kern scharf abgegrenzte Protoplasmamassen. \u2014 a, b, c: nach Isolation aus chrom-\nsaurem Ammoniak sind diese Protoplasmamassen hervorgequollen, die St\u00e4bchen z. Th. isolirt. _\ne zackige Protoplasmamassen der Kerngegend aus den Tub. contort, der Hundeniere. \u2014 f isolirte\nSt\u00e4bchenzellen aus der Tritonenniere.\nhaben also nur ein Dritttheil bis h\u00f6chstens die H\u00e4lfte der Gesammt-l\u00e4nge der Zelle. Diejenigen, welche mehr peripherisch gelegen an der Kernzone vorbeiziehen, n\u00e4hern sich dem Lumen des Can\u00e4lchens, ohne dasselbe jedoch vollst\u00e4ndig zu erreichen. Denn an der Innen-","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Absclin. Harnabsondenmg.\n|I\nta J&\ne f y\nI 11\n\u00dcl|\n7- h\nd\u2014k einzelne, eg l\u00e4ngere St\u00e4bchen der Peripherie, h\u2014k k\u00fcrzere.\nSeite der Zelle liegt stets etwas homogene Substanz, wie eine cuti-eulare Begrenzungsschicht der Zelle, welche bei manchen Thieren, z. B. den Tritonen (Fig. 67 /), einen ausgepr\u00e4gten Cuticularsaum bildet.\nlieber die innere Constitution der st\u00e4bchenf\u00f6rmigen Gebilde ist es schwierig, Gewissheit zu erlangen. Die M\u00f6glichkeit, dieselben zu isoliren, einzeln oder in kleinen Gruppen, spricht f\u00fcr eine selbstst\u00e4ndige Begrenzung ihrer Substanz nach aussen. Der Umstand, dass bei Fetterftillung der gewundenen Can\u00e4lchen nicht selten, wie ganz frische Durchschnitte zeigen, die Fetttr\u00f6pfchen reihenweise im Innern der Fis;. 68. Isolirte St\u00e4bchen aus St\u00e4bchen liegen, spricht daf\u00fcr, dass die Innen-\nden gewundenen Can\u00e4lchen der , ,\t.\t. ,\tt. r\tj \u2022 t-, \u2022 i\nHundeniere, a\u2014c in Gruppen, Substanz aus einer weicheren Masse, die Kinde\naus einer dichteren Schicht besteht. Damit stimmt \u00fcberein, dass in Schnitten von in Alkohol erh\u00e4rteten Nieren bei Zusatz von verd\u00fcnnter Salzs\u00e4ure die St\u00e4bchen zwar quellen, aber eine sehr dunkle Begrenzung zeigen, so dass ihre optischen Querschnitte kleine dunkel contourirte Kreise mit heller Fl\u00e4che darstellen.\nMeiner Beschreibung der \u201e St\u00e4behenzellen \u201c haben sich die sp\u00e4teren Autoren im Wesentlichen angeschlossen, so namentlich auf Grund eingehender Untersuchungen Kupffer. Anders dagegen fasst den Bau Frl. Schachowa 2 auf. Sie betrachtet die St\u00e4bchenzellen als Analoga der Riffel- und Stachelzellen in den tieferen Lagen geschichteter Epitlielien. Die Zerkl\u00fcftung der Zellen beschr\u00e4nke sich auf die \u00e4usseren Fl\u00e4chen derselben, mit denen sie an einander oder an die Mbr. propria stossen, und diene zu ihrer Verzahnung. Von dem Innenende der Zellen gehe nach dem Lumen ein mehr oder weniger langer, zapfenartiger, in die Lichtung frei hineinragender Fortsatz aus. Das letztere Gebilde ist meinen Erfahrungen nach ebenso ein Quellungsproduct, wie die von Schachowa gezeichneten Bilder der Zellbasis der Quellung und mechanischem Drucke ihre Entstehung verdanken. Dass die St\u00e4bchen nicht bloss pericellul\u00e4re leistenartige Vorspr\u00fcnge, sondern intracellul\u00e4re selbstst\u00e4ndige Bildungen sind, wird Niemand bezweifeln, der dieselben aus der Niere der Ratte oder namentlich des Triton kennt, wo sie oft in der ganzen L\u00e4nge der durch Zerzupfen isolirten Zellen pinselartig divergiren.\n\u00dcENLE\u2019sche Schleife. Das Epithel des schmalen Theiles der Henle sehen Schleife besteht aus platten, sehr hellen, spindel-\nFig. 69. St\u00e4bchen aus der frischen Hundeniere, Fetterf\u00fcllung.\n1\tC. Kupffer, Schriften d. naturwissensch.Ver. f. Schleswig-Holstein. III. S. 237.\n2\tSeraphima Schachowa, Untersuchungen \u00fcber die Nieren. S. 13. Bern 1876.","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Bau der Harncan\u00e4lchen.\nf\u00f6rmigen Zellen mit schwer sichtbaren Grenzen, deren stark promini-rende Kerne weit in das Lumen der Can\u00e4lchen vorspringen.\nDas Epithel des breiten ansteigenden Schleifenschenkels wurde von Henle mit Recht dem der gewundenen Can\u00e4lchen als \u201etr\u00fcbes und k\u00f6rniges\u201c an die Seite gestellt. Die Tr\u00fcbung r\u00fchrt aber hier wie dort von der gleichen Ursache her, von einer Differenzirung des Zellprotoplasmas in der bei den gewundenen Can\u00e4lchen genauer geschilderten Weise. Die St\u00e4bchen sind aber in den breiten Schleifenschenkeln nicht blos absolut k\u00fcrzer, weil die Zellen niedriger sind, als in den Tub. contortis, sondern auch relativ weniger lang, da sie die Zelle nicht soweit nach innen durchsetzen. Das Lumen der breiten Schleifenschenkel ist weiter als das der gewundenen Can\u00e4le ; T\u00e4uschungen \u00fcber dies Verh\u00e4ltnis entstehen leicht, weil das Epithel dort die grosse Neigung hat, sich im Ganzen von der Membr. propria loszul\u00f6sen und nach innen zu retrahiren.\nSchaltst\u00fccke. In dem Nierenlabyrinthe sind fr\u00fcherhin nur gewundene Can\u00e4lchen mit \u201etr\u00fcbem\u201c, d. h. St\u00e4bchenepithel beobachtet worden. An guten Durchschnitten von Nieren, die nach einander mit chromsaurem Ammoniak und Alkohol behandelt worden sind, kann man sich aber mit Evidenz \u00fcberzeugen, dass hier auch Can\u00e4le mit andersartigem Epithel Vorkommen, und zwar von zweierlei Art. Die einen, ungef\u00e4hr von der Breite der Tubuli contorti, haben ein ziemlich hohes Epithel mit relativ grossen Kernen, kleiner Protoplasmazone und von eigentk\u00fcmlickem Glanze. Die im Ganzen cy-lindriscke oder kegelf\u00f6rmige Gestalt der Zellen wird dadurch unregelm\u00e4ssig, dass an ihrer Basis das Protoplasma sich zu mehr oder weniger langen Zipfeln auszieht, mit welchen die benachbarten Zellen nahe der Membr. propria seitlich in einander greifen.\nIch habe diese Can\u00e4le fr\u00fcherhin als erste Verzweigungen der in den Markstrahlen liegenden Sammelr\u00f6hren beschrieben, stimme jetzt aber Henle ganz bei, wenn er dieselben f\u00fcr die Schaltst\u00fccke Schweig Ger-Seidel\u2019s erkl\u00e4rt. Ausser ihnen kommen noch engere R\u00f6hrchen mit niedrigem Epithel und weiterer Lichtung vor, welche die Verbindungen der Sammelr\u00f6hren mit den Ausflussrohren darstellen.\nS a m m e 1 r \u00f6 k r e n und Ausflussrohren. Das Epithel der er-steren ist innerhalb der Markstrahlen noch von unregelm\u00e4ssiger Gestalt. Die H\u00f6he der Zellen ist gr\u00f6sser als ihre Breite, deshalb die Form ann\u00e4hernd cylindrisch. Gegen die Basis aber gehen wieder starke leisten- und zipfelartige Forts\u00e4tze von ihnen aus, durch welche sie sich in einander verschr\u00e4nken. Unterhalb der Markstrahlen machen","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. G. Abschn. Harnabsonderung.\ndiese unregelm\u00e4ssigen Gestalten allm\u00e4hlich regelm\u00e4ssigeren Formen Platz ; in der Papillargegend sind typische Cylinderzellen vorhanden, die um so mehr an H\u00f6he zunehmen, je mehr sie sich der Ausflussm\u00fcndung n\u00e4hern.\nFig. 70. Epithel der Sammelr\u00f6hren in den Markstrahlen, a in situ, b isolirte Zellen, Basalansieht.\nDie Membr. propria begleitet die Harncan\u00e4lchen bis zu den Ausflussrohren und ihren ersten Ver\u00e4stelungen; das Epithel sitzt hier unmittelbar auf dem intercanalicul\u00e4ren Bindegewebe.\nFrl. Schachowa bildet noch zwei Formen von Epithelzellen ab, welche in dem spiraligen Tlieile der Tub. contorti innerhalb der Markstrahlen Vorkommen sollen. Ich habe bereits oben bemerkt, dass ich die hier ab und zu auftretenden spiraligen Canalabschnitte f\u00fcr Tlieile der aufsteigenden Schleifenschenkel halten muss, in welche sie sich unmittelbar nach abw\u00e4rts verfolgen lassen. Die \u201e S\u00e4ulenzellen \u201c Schachowa\u2019s sind Cylinderzellen mit durch seitliche, an dem Umfange des Cylinders ein St\u00fcck aufw\u00e4rts laufende, Basalforts\u00e4tze ausgeschweiften Grundfl\u00e4chen. Sie sind auch mir aufgestossen, scheinen mir in den oberen Theil der Sammelr\u00f6hren zu geh\u00f6ren und in der Mannigfaltigkeit der hier auftretenden Formen kaum besondre Hervorhebung zu verdienen. Der Griff der glockenartigen Gebilde ist sicher Artefact. Die \u201ePilzzellen\u201c der Verfasserin sind mir nie zu Gesicht gekommen.\n4. Vergleichend anatomische Bemerkungen.\nBei den S\u00e4ugethieren, V\u00f6geln und Amphibien zerf\u00e4llt, von der M\u00fcller-schen Kapsel abgerechnet, jedes Harncan\u00e4lchen bis zu demjenigen St\u00fccke, welches dem breiten Schleifenschenkel entspricht, in vier Abtheilungen, die mit gewissen Modificationen \u00fcberall wiederkehren.\n1. Die erste Abtheilung ist bei S\u00e4ugethieren und V\u00f6geln auf den kurzen Hals reducirt, mittelst dessen die Kapsel in den gewundenen Ca-","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Vergleichende anatomische Bemerkungen \u00fcber die Harncan\u00e4lchen. 2S9\nnal tibergeht, bei den Reptilien, Amphibien und Fischen dagegen zu einem langen, d\u00fcnnen Canalst\u00fccke ausgezogen, welches kleine Flimmerzellen mit colossalen Cilien tr\u00e4gt. Die Geissein sind so lang, dass sie in der Querrichtung in dem Can\u00e4lchen nicht Platz haben, sondern sich seiner L\u00e4ngs-axe parallel legen. Die freie Spitze derselben schien mir nach der Kapsel gekehrt zu sein. Nach Spengel gilt dies nur f\u00fcr die der Kapsel n\u00e4chsten Cilien, deren Spitzen in den Kapselraum selbst hineinragen; bei den \u00fcbrigen sei das freie Ende abw\u00e4rts gerichtet, so dass der durch die Wimperbewegung erregte Fl\u00fcssigkeitsstrom aus der Kapsel herausf\u00fchre.\n2.\tDie zweite Abtheilung, der Tubulus contortus, besitzt nur bei den S\u00e4ugethieren St\u00e4bchenepithel, bei den \u00fcbrigen Wirbelthieren ein Epithel ohne specifische Structur, bestehend aus kubischen oder cylindrischen granulirten Zellen mit deutlichem, oft (Amphibien) grossem Kern.\n3.\tDie dritte Abtheilung, dem schmalen Theile der HENLE\u2019schen Schleife entsprechend, tr\u00e4gt bei den V\u00f6geln helle, niedrige Epithelien, bei den \u00fcbrigen Wirbelthieren \u00e4hnliche Zellen mit langen Wimpern, wie die erste Abtheilung.\n4.\tDie vierte Abtheilung, den breiten aufsteigenden Theil der Hexle\u2019-schen Schleife vertretend, li\u00e2t bei den V\u00f6geln, Eidechsen, Fr\u00f6schen, Salamandern St\u00e4bchenepithel. Bei den Schlangen (Ringelnatter) fehlt jedoch die St\u00e4bchenformation ganz; die Zellen sind niedrig, haben sehr grosse Kerne und eine schmale Protoplasmazone, die bei Behandlung mit chromsaurem Ammoniak ein auffallend dunkles Aussehn gewinnt.\nAn diese vier constanten Abschnitte schliesst sich ein mehr ver\u00e4nderlicher, in der Regel mit mehr hellen kubischen oder cylindrischen Zellen ausgekleideter Canal, welcher als Verbindungsst\u00fcck mit den Sammelr\u00f6hren wohl dem Schaltst\u00fccke entspricht. Besonderheiten zeigt er bei den Eidechsen und Schlangen, indem er sich zu einer dicken, mit blossen Augen leicht sichtbaren R\u00f6hre erweitert, ausgekleidet mit sehr hohen, nach dem Lumen hin offenen Cylindern, die in einer z\u00e4hen Grundsubstanz stark lichtbrechende runde K\u00fcgelchen enthalten. Letztere treten durch die offenen Enden der Zellen leicht in die Lichtung des Rohrs aus und fliessen dort zu rundlichen H\u00e4ufchen zusammen.\nBei den m\u00e4nnlichen Amphibien setzen sich die Harnwege in Verbindung mit den Samenwegen.1 Bei den Coecilien (Spengel) wie bei den Frodelen (Bidder) m\u00fcnden die ausf\u00fchrenden Can\u00e4lchen des Harns zun\u00e4chst in einen sie verbindenden L\u00e4ngscanal, von welchem Zweige zu den M\u00fcller'-schen Kapseln des vorderen Theiles der Niere treten, welcher somit als Nebenhoden fungirt. Bei den Anuren sind die Verbindungen zwischen Hoden und Nieren ver\u00e4nderlicher Natur. Beim Frosche gehen die netzf\u00f6rmig verbundenen Vasa efferentia des Hodens ebenfalls zu einem, am medialen Nierenrande gelegenen L\u00e4ngscanale, aus welchem G\u00e4nge zur\n1 Vgl. u. a. F. H. Bidder. Vergleichend anatomische und histologische Untersuchungen \u00fcber die m\u00e4nnlichen Harn- und Geschlechtswerkzeuge der nackten Amphibien. Dorpat 1840. Bes. S. 22 u. fg. \u2014 Duyernoy. sur l\u2019appareil de la g\u00e9n\u00e9ration chez les m\u00e2les plus particuli\u00e8rement et chez les femelles des Salamandres et des Tritons. M\u00e9moires pr\u00e9sent\u00e9s par divers savans \u00e0 l'academie des sciences. XI. p. 17\u201474. Paris 1851. \u2014 vox Wittich. Ztschr. f. wissensch. Zool. IV. S. 168. 1852. \u2014 Spengel, Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut zu W\u00fcrzburg. III. 1S76.\nHandbuch der Physiologie. Bd. V.\t19","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nNiere treten, \u00fcber deren Endigungen die Angaben tlieils unbestimmt, tlieils sehr verschieden lauten. Spengel konnte ebenso wenig wie ich eine Einm\u00fcndung derselben in die M\u00fcLLER\u2019schen Kapseln finden; sie treten nur durch die Niere hindurch, nehmen eine Anzahl von Harncan\u00e4lchen auf und senken sich dann in den Harnleiter. Nussbaum1 will dagegen ihren directen Zusammenhang mit den Kapseln constatirt haben. Aus seiner Mittheilung geht nicht ganz klar hervor, ob er den Uebergang wirklich beobachtet oder nur aus der Anwesenheit von Samenf\u00e4den in den Kapseln gefolgert hat. Letzteres habe ich sehr oft gesehen, weiss aber auch, dass die Samenf\u00e4den durch R\u00fcckstauung in die Kapseln gelangen k\u00f6nnen. \u2014 Bei Bufo fand Spengel den Zusammenhang der Samencan\u00e4le mit den Kapseln, w\u00e4hrend bei Bombinator die in die Niere eindringenden Samencan\u00e4lehen blind endigen und nur die von dem vorderen Abschnitte des L\u00e4ngscanales ausgehenden Samenr\u00f6hren, die Niere durchsetzend, direct in den Harnleiter einm\u00fcnden.\nEine Entdeckung neuester Zeit, zuerst ziemlich gleichzeitig von Semper2, Balfour3 und Schultz4 an der Niere von Plagiostomen gemacht, von Spengel an der Amphibienniere verfolgt, ist die Verbindung der Harncan\u00e4lchen durch flimmernde G\u00e4nge mit offen an der Nierenoberfl\u00e4che m\u00fcndenden, ebenfalls wimpernden Trichtern (Segmentaltrichter, Semper; Nephrostomata, Spengel). Bei dem vorl\u00e4ufig rein morphologischen Interesse dieser Thatsache sei nur erw\u00e4hnt, dass bei den Selachiern, Coecilien und Urodelen die flimmernden G\u00e4nge sich mit dem Halse der Harncan\u00e4lchen, bei den Anuren, wie Spengel vermuthete und Nussbaum nachwies, mit der vierten Abtheilung derselben in Verbindung setzen.\nII. Hie Blutgef\u00e4sse der Niere.\n1. Allgemeine Anordnung.\nDie Harncan\u00e4lchen werden sowohl in der Rinde als in dem Marke von einem reich entwickelten Capillarnetz versorgt, welches die gewundenen Can\u00e4lchen des Labyrinthes mit polygonalen (Fig. 71 L)y die gerade verlaufenden der Markstrahlen mit in der Richtung derselben gestreckten (P), die Can\u00e4lchen der Pyramiden mit noch st\u00e4rker in die L\u00e4nge gedehnten Maschen (M) umgiebt. Das Netz der Rinde und des Markes h\u00e4ngt an den Uebergangsstellen der Markstrahlen in die Grenzschicht continuirlich zusammen.\nBevor aber das Blut in diese Capillarnetze gelangt, durchsetzt ein grosser Theil desselben die specifische Gef\u00e4ssbildung der in den M\u00fcLLER\u2019schen Kapseln gelegnen MALPictm'schen Gef\u00e4sskn\u00e4uel (a).\n1\tNussbaum, Sitzgsber. d. Niederrhein. Ges. zu Bonn vom 25. Juli und 19. Nov.\n1877. -\n2\tSemper. Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut zu W\u00fcrzburg. III. S. 195.\n3\tBalfour, Quarterly journal of microscopical science. N. S. p. 323. 1874.\n4\tSchultz. Allg. med. Centralbl. 1874. No. 51.","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Blutgef\u00e4sse der Niere.\n291\nst\nr\t(\n1\t\u201e $3, 0\n:\u2022 i -\n\n\u2022A ,r\nf . V \u00a7 Is\nTT\nS' - V\n\u00e0 v ? ; ;\n\u201dJ r \u2022*\n\n\n\n\nDemnach sind zum Zwecke eines vollst\u00e4ndigen Ueberblickes \u00fcber die Gef\u00e4ssanordnung zu besprechen: a) die durch die Gef\u00e4sskn\u00e4uel vermittelten Zufl\u00fcsse zu den Capillaren; b) die directen arteriellen Zufl\u00fcsse zu denselben; c) die ven\u00f6sen Abfl\u00fcsse.\nA) Die Gef\u00e4sse der Malpighi\u2019schen Kn\u00e4uel\ngehen aus den Endver\u00e4stlungen der Art. renalis hervor. Die gr\u00f6sseren Zweige dieses f\u00fcr den Umfang des Organes auffallend weiten Gef\u00e4sses laufen an den Aussenfl\u00e4chen der Pyramiden bis zur Basis derselben und treten dann auf die nach aussen convex gekr\u00fcmmte Basalfl\u00e4che selbst \u00fcber (Arcus arteriosi, M), um bis gegen die Mitte derselben vorzudringen, auf diesem Wege in bestimmten Abst\u00e4nden Zweige zur Rinde (b) zu senden und schliesslich selbst in die Rinde einzudringen. Alle diese Rindenzweige steigen innerhalb der zwischen den Markstrahlen gelegnen Streifen des Nierenlabyrinthes parallel zu jenen in die H\u00f6he (Arteriae radiatae s. interlobulares, //) und entsenden auf diesem Wege kleine Zweige (Vasa afferentia, a) zu den M\u00fcLLEiflschen Kapseln, welche nach Virchow\u2019s1 richtiger Bemerkung zum grossen Theile unter einem pyrami-denw\u00e4rts gerichteten spitzen Winkel aus dem Stamme entspringen oder doch unter einem peri-pheriew\u00e4rts convexen Bogen zu den Kapseln gelangen.\nNachdem diese Zweige innerhalb der Kapseln den sp\u00e4ter genauer zu besprechenden Gef\u00e4sskn\u00e4uel gebildet haben, gehen aus dem letzteren Vasa efferentia hervor, in der Regel (nach Bowman) von geringerem Durchmesser, als die zuf\u00fchrenden Gef\u00e4sse, welche sich in die umspinnenden Capillaren aufl\u00f6sen. Die Vasa efferentia derjenigen Kapseln, welche der Grenzschicht am N\u00e4chsten liegen \u2014 sie sollen nach Bowman\u2019s nicht durchweg best\u00e4tigter Angabe die gr\u00f6ssten sein \u2014 dringen in die letztere ein, verlaufen zwi-\n\n- \u25a0-\n1 Virchow, Arch. f. pathol. Anat. XII. 1857.\nFis;. \u201c1. Schema der Blutgef\u00e4sse der Niere, gr\u00f6ssten-theils nach Ludwig. \u2014 L Capillarnetz des Labyrinthes mit polygonalen, P Capillarnetz der Markstrahlen mit gestreckten, M Capillarnetz des Markes mit noch l\u00e4ngeren Maschen. \u2014 A St\u00fcck eines Arcus arteriosus. \u2014 b Art. radiata s. interlohularis. \u2014 a vas afferens der Kapseln. \u2014 r vas eflerens, welches zu einer Arteriola recta spuria wird. r\u2018 Arteriola recta vera. \u2014 V St\u00fcck eines Are. yenosus. \u2014 x Venenplexus um die Ausflussrohren. p Vena recta mit ihren B\u00fcscheln. \u2014 st Vena stellata. \u2014 p' Vena radiata.\n19:","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6.iS.bschn. Harnabsonderung.\nsehen den hier zu Blindein geordneten geraden Harncan\u00e4lchen, umgeben von dem schmalen absteigenden Schenkel der \u00dcENLE schen Schleifen, abw\u00e4rts (Arteriolae rectae spuriae, r) und bilden, indem sie sich in kurzen Zwischenr\u00e4umen vielfach dichotomisch in Zweige theilen, die ebenfalls die Richtung nach der Pyramide hin beibehalten, zierlich in die Pyramide herabh\u00e4ngende B\u00fcschel oder Quasten von Gef\u00e4ssen (.#), welche sich in das Capillarnetz der Tubuli recti aufl\u00f6sen. Der abwechselnden Lagerung dieser Gef\u00e4ssb\u00fcndel und der B\u00fcndel von Harncan\u00e4lchen verdankt die Grenzschicht ihr roth und weiss gestreiftes Aussehen.\nDie Vasa efferentia der \u00fcbrigen, der Grenzschicht ferner gelegnen Kapseln l\u00f6sen sich nach kurzem Laufe in das Netz der Rindencapil-laren auf.\nDa die Vasa efferentia somit \u00fcberall zwischen zwei Capillar-systeme eingeschaltet sind \u2014 das der MALPiam\u2019schen Kn\u00e4uel und das die Harncan\u00e4lchen umspinnende \u2014 vergleicht Bowman sie nicht mit Unrecht mit inneren Pfortadern der Nieren.\nB) Directe arterielle Zufl\u00fcsse des Capillarsystems\nVielfach bestritten, kommen solche sowohl dem Capillarsystem der Pyramide als der Rinde zu.\nF\u00fcr die Pyramide gehen sie aus den an ihrer Basalfl\u00e4che verlaufenden arteriellen Bogen oder aus den f\u00fcr die innersten (tiefsten) Kapseln bestimmten Vasa afferentia hervor. Sie dringen als Arteriolae rectae verae (U) in die Grenzschicht ein und verhalten sich hier \u00e4hnlich, wie die Arteriolae rectae spuriae (r), d. h. sie bilden zwischen den B\u00fcndeln der Harncan\u00e4lchen \u00e4hnliche Gef\u00e4ssb\u00fcschel, welche sich in die Pyramidencapillaren aufl\u00f6sen.\nDie eben besprochenen Arteriolae rectae geh\u00f6ren zu den controver-sesten Gebilden in der Anatomie der Niere. Die einen Autoren kennen nur arterielle Vasa recta (d. h. Arteriolae rectae verae): so Fr. Arnold, Chrzonszgzewski 4, Virchow-, welcher letztere zwar den Pyramidencapillaren auch Blut aus den untersten MALPiGHTschen Kn\u00e4ueln und den Rinden-capillaren zufliessen l\u00e4sst, aber nicht auf Bahnen von dem Charakter der Vasa recta. Andere Autoren lassen f\u00fcr die Pyramidencapillaren keinerlei directe arterielle Zufl\u00fcsse zu, sondern kennen nur Arteriolae rectae spuriae : so Bowman3, K\u00f6lliker4, Ludwig5 in seinen fr\u00fcheren Arbeiten. Noch An-\nS.\n14.\n1\tChrzonszczewski, Arch. f. pathol. Anat. XXXI. S. ITT. 1864.\n2\tVirchow, Ebenda. XII. S. 310. u. Tab. XL 185T.\n3\tW. Bowman,Philos. Transact. I. p. 61. 1842.\n4\tK\u00f6lliker, Gewebelehre. 5. Aufl. S. 50T. 186T.\n5\tLudwig & Zawarykin, Sitzgsber. d.Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. XL\u2019S III.\n1S63.","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Blutgef\u00e4sse der Niere.\n293\ndere nehmen beiderlei Vasa recta an, so Colberg1 2 (der freilich nur von den arteriellen Zufl\u00fcssen spricht, ohne indess die anderen zu bestreiten), Steudener-, Schweigger-Seidel3, in seiner neuesten Arbeit Ludwig4 5. Endlich giebt es noch Stimmen, welche die Vasa recta weder aus den Mal-piGHi\u2019schen Kapseln, noch aus den Arterienzweigen, sondern aus den Rindencapillaren sieh entwickeln lassen, so dass das Nierenblut drei Ca-pillarsysteme hinter einander zu durchsetzen h\u00e4tte (Gef\u00e4sskn\u00e4uel, Rinden-und Pyramidencapillaren): so Huschker>, Henle6, Kollmann7 8, HyrtlL\nIch glaube mich auf das Allerbestimmteste von der im Texte gegebenen Darstellung, welche \u00fcbrigens mehr und mehr Eingang findet, \u00fcberzeugt zu haben.\nAber nicht blos zu dem Capillargebiete der Pyramiden, sondern auch zu dem der Rinde kann das Blut theilweise gelangen, ohne die Gef\u00e4sskn\u00e4uel zu durchsetzen. Nach Ludwig9 steigen die Art. radiatae zur Nierenoberfl\u00e4che empor und l\u00f6sen sich in ein engmaschiges Netz auf, welches einerseits mit dem Capillarnetze der Rinde communieirt, andrerseits Zufl\u00fcsse aus Arterien der Nierenkapsel erh\u00e4lt, die nicht aus der Nierenarterie stammen. Ebenso beschreiben directe arterielle Zufl\u00fcsse zu den Rindencapillaren Gerlacii, Isaacs (welcher das Vas afferens jeder Kapsel vor seinem Eintritte in dieselbe einen Zweig zu den Capillaren abgeben l\u00e4sst) und besonders genau Schweigger-Seidel, welche solche directen arteriellen Zuflussbahnen der Rindencapillaren nicht blos in den peripherischen, sondern auch in den tieferen Rindenschichten fand, zum Theil aus den zuf\u00fchrenden Kap-selgef\u00e4ssen hervorgehend.\nAus dieser Darstellung der Blutbahnen, welche die Nierencapil-laren versorgen, ergiebt sich das physiologisch wichtige Verh\u00e4ltniss, dass den MALPiGmschen Kn\u00e4ueln wechselnde Mengen von Blut zugef\u00fchrt werden k\u00f6nnen, je nachdem die directen arteriellen Zufl\u00fcsse zu den umspinnenden Capillaren sich verengen oder erweitern; der Zustand der letzteren Bahnen wird also mitbestimmend auf den Druck und die Geschwindigkeit des Blutes in den Kn\u00e4uelgef\u00e4ssen wirken. Die wesentlichste regulatorische Rolle wird den Arteriolae rectae verae zufallen, da sie bei ihrer Verengerung offenbar mehr\n1\tColberg, Allg. med. Centralztg. 1863. No. 4S u. 49.\n2\tSteudener, Nonnulla de penitiore renum structura, p. 24. Halis 1864.\n3\tSchweigger-Seidel, Die Nieren etc. Sv 63. Halle 1865.\n4\tLudwig, Strieker\u2019s Gewebelehre. Art. Nieren. S. 502.\n5\tHuschke, Oken\u2019s Isis. XXL S. 563. 1828.\n6\tHenle. Eingeweidelehre. 2. Aufl. S. 33!. 1873.\nKollmann, Ztschr. f. wissensch. Zool. XIV. S. 136. Tab. XVI. Fig. 1. 1864.\n8\tHyrtl, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. XL VIL (I) S. 200.\n9\tLudwig, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. IL S. 629. 1844. \u2014 Vgl. auch Ludwig & Zawarykin, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. LXVIII. S. 13.","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294 Heidexhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nBlut nach der Rinde hin\u00fcberdr\u00e4ngen, hei ihrer Erweiterung die Rinde mehr weniger entlasten.\nEs ist nicht unwichtig zu bemerken, dass die Niere ausser der Art. renalis noch andere, freilich untergeordnete arterielle Zufl\u00fcsse erh\u00e4lt. Sie dringen zum gr\u00f6ssten Tlieile durch die Kapsel ein, der Art. supra-renalis, vielleicht auch benachbarten Lumbalarterien entstammend. Wenn man die Nierenarterien unterbindet, gelingt es, von der Aorta aus noch einen mehr oder weniger grossen Tlieil der Rindencapillaren zu f\u00fcllen.1 Nach gleichzeitiger Unterbindung der Art. und Vena renalis schwillt die Niere in lfg\u2014 2 Stunden auf ihr ! fg\u20142 f\u00e2ches Volumen an, auch dann noch, wenn nach der Unterbindung die Kapsel abgezogen, dagegen nicht mehr, wenn gleichzeitig der Harnleiter unterbunden wird.2 3 Es m\u00fcssen also auch von letzterem her Gef\u00e4ssverbindungen zur Niere f\u00fchren, welche aus den Art. spermaticae stammen. Die durch die Kapsel vermittelten Communicationen sind unter Umst\u00e4nden so ergiebig, dass nach Unterbindung der Nierenarterie die Harnabsonderung unvermindert fortdauert. In der Regel aber beschr\u00e4nkt sich die Blutzufuhr durch jene Kapsel-und Harnleiterarterien auf die directe Versorgung kleiner Bezirke des Nierenparenchyms unter der Kapsel und an der Grenze zwischen Rinde und Mark, innerhalb deren sich das arterielle Blut in Capillaren ergiesst, welche mit dem aus der Art. renalis hervorgehenden Capillarnetze com-municiren (Litten).\nC) Ven\u00f6se Abfl\u00fcsse.\nDie Venen der Nieren folgen im Allgemeinen den Bahnen der das Blut zuf\u00fchrenden Arterien. Die gr\u00f6sseren Venenst\u00e4mme verlaufen mit den an der Basalfl\u00e4che der Pyramiden hinziehenden arteriellen Bogen (vgl. Fig. 71 D) und nehmen St\u00e4mmchen aus Mark und Rinde auf.\nDie St\u00e4mmchen des Markes setzen sich entsprechend zusammen, wie die Arteriolae rectae. Ihre fernsten Wurzeln reichen bis zur Papille herab, wo ein Plexus {\u00e6) die auf ihr m\u00fcndenden Ausflussrohren umgiebt. Zu den von hier entspringenden St\u00e4mmchen gesellen sich bei ihrem Wege nach aufw\u00e4rts neue aus der Pyramide, welche gleich den Arterien in den Zwischenr\u00e4umen der Harncanalb\u00fcndel verlaufen und in der Grenzschicht b\u00fcschelf\u00f6rmig zu den Venae rectae (o) zusammenfliessen.\nDie Venen der Rinde sammeln sich zum Tlieil an ihrer Oberfl\u00e4che unter der Gestalt sternf\u00f6rmig sich zusammensetzender Wurzeln (Stellulae Verheynii st), welche die Anf\u00e4nge gr\u00f6sserer, in dem Laby-\n1\tLudwig & Zawarykin, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XL 5 III. S. 13. Anm. LS63.\n2\tM. Litten, Berliner klin. Wochenschr. 1S78. No. 45. S. 673: Untersuckungen \u00fcber den h\u00e4morrhagischen Infarct. S. 3 u. fg. Berlin 1879.\n3\tMax Heermann, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLV. S. 325. 1861.","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Blutgef\u00e4sse der Niere.\n295\nrintlie neben den Art. radiatae yerlanfender Stammelten (Venae ra-diatae, o') darstellen. Letztere nehmen das Blut aus den Capillaren der tieferen Rindenschichten auf und senken sich schliesslich in die an der Pyramidenbasis verlaufenden Arcus venosi ein.\nD) Nierenpfortader bei niedern Wirbeltliieren.\nBei den Fischen, Batrachiern und Ophidiern besitzt die Niere ausser ihrer Arterie ein zweites zuf\u00fchrendes Gef\u00e4ss, Vena renalis advehens oder Nierenpfortader, dessen anatomisches Verhalten zuerst Bowman1 bei Boa genauer beschrieb. Die Arterien bilden hier, wie, \u00fcberall, die Glomeruli. Die Vasa efferentia der letzteren wenden sich zur Oberfl\u00e4che der Niere und treten daselbst in Verbindung mit Zweigen der Pfortader, welche durch ihre Aeste die umspinnenden Capillaren der Harncan\u00e4lchen versorgen. Aus diesem Capillarnetze gehen die Venae renales revehentes hervor.\nGanz entsprechende Anordnungen beschrieb neuerdings Nussbaum2 bei Batrachiern. Auch hier werden die Glomeruli von den Arterien, die umspinnenden Capillaren von der Pfortader gespeist. In das Netz derselben gehen mitunter directe Arterienzweige, h\u00e4ufig die Vasa efferentia der Glomeruli \u00fcber, welche jedoch auch unmittelbar in eine ableitende Vene m\u00fcnden k\u00f6nnen. Unterbindet man also die Nierenarterien, so h\u00f6rt der Blutlauf in den Glomerulis auf, w\u00e4hrend er in den umspinnenden Capillaren Dank der Vena renalis advehens fortdauert, \u2014 ein f\u00fcr die Entscheidung gewisser physiologischer Fragen, wie N\u00fcssbaum's interessante Untersuchungen gezeigt haben, sehr wichtiges Verh\u00e4ltniss.\n2. Der Bau der Malpighi'sehen Gef\u00e4sskn\u00e4uel.\nAls der Niere eigent\u00fcmliche und f\u00fcr die Harnabsonderung ganz besonders wichtige Gef\u00e4ssvorrichtungen erheischen die Malpighi\u2019-schen Kn\u00e4uel eine eingehendere Besprechung.\nDas zuf\u00fchrende Arterienst\u00e4mmchen zerf\u00e4llt, nachdem es die Wand der M\u00fcLLER\u2019schen Kapsel durchbohrt hat, in mehrere Zweige, von denen ein jeder durch wiederholte Theilungen ein aus einer Anzahl collateraler Gef\u00e4sse zusammengesetztes L\u00e4ppchen bildet. Nach 0. Drasch3 erfolgt diese Theilung in den gr\u00f6sseren, der Grenzschicht n\u00e4heren Kn\u00e4ueln, deren Vas efferens zu einer Arteriola recta spuria\n1\tW. Bowman, Pliilos. Transact. I. p. 64. 1842.\n2\tNussbaum. Arch. f. d. ges. Physiol. XYI. S. 139. 187s :\tIL S. 5S0. 1879.\n3\t0. Drasch. Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. CI. LXXVI. 1877.","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. G. Abschn. Harnabsonderung.\nwird, nach anderem Typus erfolgen, als in den kleineren, der Grenzschicht ferneren Kn\u00e4ueln. Die letzteren setzen sich zun\u00e4chst aus zwei gr\u00f6sseren, jeder derselben wieder aus zwei kleineren L\u00e4ppchen zusammen, so dass also der gesammte Kn\u00e4uel in vier L\u00e4ppchen zerf\u00e4llt. Die gr\u00f6sseren Kn\u00e4uel dagegen zerfallen in viele kleine L\u00e4ppchen. \u2014 Die gesammten Gef\u00e4sse, in welche das Vas afferens sich\nFig. 72. Epitheldecke des Glomerulus der Kaninchen. Niere. Nach Drasch.\nsuccessive aufl\u00f6st, verlaufen isolirt von einander, ohne zu anastomo-siren, und vereinigen sich schliesslich zu einem einfachen Vas efferens, dessen Anfang in der Mitte des Kn\u00e4uels liegt. Der letztere stellt also ein bipolares V undernetz mit einem peripherisch und einem central gelagerten Pole dar.\nDie Kn\u00e4uelgef\u00e4sse besitzen eine einfache Wandung, in welcher zwar Kerne liegen, aber durch Silbereinwirkung nicht Endothelzeichnungen hervorgerufen werden k\u00f6nnen (Drasch); sie verhalten sich also \u00e4hnlich den Capillaren der Hyaloi-dea des Frosches.1\nIn vereinzelten F\u00e4llen sah Drasch an den Gef\u00e4ssen des Kn\u00e4uels eine Zeichnung, welche auf eine por\u00f6se Beschaffenheit derselben hindeutete; doch konnten derartige Bilder nicht constant erhalten werden.\nDie Gef\u00e4ssschlingen des Kn\u00e4uels sind von platten kernhaltigen Zellen bedeckt, welche nicht blos an seiner Oberfl\u00e4che eine con-\nFig. 73. Epithel der Kapsel und des Glomerulus beim neugebornen Menschen. Nach von Seng.\n1 Golubev, Arch. f. microscop. Anat. V. S. 84. 1S69.","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"MALPiGHi\u2019sche Kn\u00e4uel.\n297\ntinuirliche Schicht bilden, sondern auch in sein Inneres eindringend die L\u00e4ppchen, ja sogar die einzelnen Schlingen \u00fcberziehen, \u2014 eine oft bezweifelte, aber durchaus sicher gestellte Thatsache. Am leichtesten sichtbar ist das Glomerulus-Epithel beim Embryo und Neu-gebornen, wo seine Elemente noch nicht platte, sondern kubische Zellen darstellen (s. Fig. 73); doch kann dasselbe auch beim Erwachsenen als zusammenh\u00e4ngende H\u00fclle des Kn\u00e4uels isolirt werden (s. Fig. 72), deren untere Fl\u00e4che concave grubenartige Eindr\u00fccke von den Kn\u00e4uelgef\u00e4ssen erh\u00e4lt. Die Zellen haben nach Runeberg oft unregelm\u00e4ssige Formen, \u00e4hnlich der Gestalt von Bindegewebszellen in sofern, als von der Gegend des excentrisch gelegnen Kernes blatt\u00e4hnliche, ungleich dicke Ausl\u00e4ufer ausgehen, bestehend aus einer klaren oder \u00e4usserst fein granulirten, ziemlich lockeren Substanz. Oft sind drei Hauptbl\u00e4tter vorhanden, von denen je eines eine Ge-f\u00e4ssschlinge umfasst, w\u00e4hrend das dritte sich in die Tiefe senkt. Durch Zerzupfen injieirter Kn\u00e4uel konnte Runeberg St\u00fccke von Gef\u00e4ssscklingen isoliren, die noch mit Zellen umgeben und bekleidet sind, wie die Binclegewebsbalken der Arachnoidea von Endothelzellen.\nDie Annahme Bowman's, dass die Gef\u00e4sse des Kn\u00e4uels nackt seien, wird unter den neueren Autoren nur noch von Henle1 2 unterst\u00fctzt. K\u00f6l-liker - ist mit R\u00fccksicht auf vergleichend anatomische (bei Triton sei das Kn\u00e4uelepithel unzweifelhaft) und entwicklungsgeschichtliche (er fand, wie Schweioger-Seidel3 und neuerdings Seng, auf dem Kn\u00e4uel von Embryonen eine continuirliche Lage von Zellen) Thatsaclien zwar geneigt, auch f\u00fcr den Erwachsenen eine Epithellage auf dem Kn\u00e4uel anzunehmen, gelangt aber doch nicht zu sicherem Entscheid. Nach positiven Angaben von Gerlach4, Isaacs5 6 7 (dessen Abbildungen allerdings den wirklichen Verh\u00e4ltnissen durchaus nicht entsprechen), Beckmann0 (der freilich auf und zwischen den Kn\u00e4uelgef\u00e4ssen nicht Epithelien, sondern bindegewebige Elemente vermuthete), Chrzoxszczewski\" (Darstellung einer continuirlichen Epithellage auf Durchschnitten gefrorener Nieren), Ludwig8, R. Heidenhain9, Langhans10 11, Runeberg h, Riemer12 kann weder die Existenz einer geschlossenen Epithellage auf der Oberfl\u00e4che des Kn\u00e4uels, noch ihr Eindringen zwischen die einzelnen Schlingen desselben im Mindesten be-\n1\tHenle. Eingeweidelehre. 2. Aufl. S. 329. Braunschweig 1S73.\n2\tIv\u00f6lliker. Gewebelehre. 5. Aufl. S. 5o4. 1S67.\n3\tSchweigger-Seidel, Die Nieren des Menschen. S. 76. Tab. Ill, D. Halle 1S65.\n4\tGerlach, Gewebelehre. S. 303. 1850.\n5\tIsaacs, Journ. d. 1. physiol. I. p.595. 1S5S.\n6\tBeckmann, Arch. f. pathol. Anat. XX. S. 515. 1861.\n7\tChrzonszczewski, Ebenda XXXI. S. 171. 1864.\n8\tLudwig, Strieker's Gewebelehre. S. 501. 1871.\n9\tR. Heidenhain, Arch. f. microscop. Anat. X. S. 3. 1874.\n10\tLanghans, Arch. f. pathol. Anat. LXXYI. S. 87. 1878.\n11\tRuneberg, Deutsch. Arch. f. klin. Med. XXIII. S. 5. 1879; Nord. med. Ark. XI. S. 2. No. 13 : Referat in Schmidt\u2019s Jahrb\u00fcchern. CLXXXIII. S. 8. 1879.\n12\tRiemer. Arch. d. Heilkunde. XVII. S. 348. 1876.","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4iige. G. Abschn. Harnabsonderung.\nzweifelt werden. Ob, wie Drasch1 angiebt, nur die H\u00fclle der grossen Kn\u00e4uel kernhaltig\u2019, die der kleineren kernlos sei, bedarf weiterer Untersuchung.\nIII. Interstitielles Bindegewebe. Lyrnplibahnen.\nDas erst durch Beer2 genauer beschriebene interstitielle Bindegewebe der Niere ist am st\u00e4rksten in der Papille entwickelt, wo es als alleinige H\u00fclle das Epithel der Ausflussrohren umgiebt. \u2014 Die Can\u00e4le der Pyramide sind in Maschen eines zarten kernhaltigen Netzwerkes eingebettet, welches auf Querschnitten nach Auspinselung des Epithels der Can\u00e4lchen leicht sichtbar wird. \u2014 Von der Kapsel her dringt fibrill\u00e4res Bindegewebe in die \u00e4ussersten Schichten der Rinde ein; in ihren tieferen Schichten findet es sich vorzugsweise um die M\u00fcLLER\u2019schen Kapseln gelagert, wo es unter pathologischen Bedingungen m\u00e4chtig wuchernd dicke concentrische Lagen bilden kann.3 Zwischen den gewundenen Can\u00e4lchen fehlt das Bindegewebe ganz4 oder ist doch auf vereinzelte kleine spindelf\u00f6rmige Zellen reducirt, welche senkrecht zur Oberfl\u00e4che der Can\u00e4lchen stehen, ohne jedoch die Windungen derselben fest zu fixiren.\nDie Lymphbahnen5 6 des Nierenparenchyms sind in den Spaltr\u00e4umen gegeben, welche zwischen den Harncan\u00e4lchen, den Blutgef\u00e4ssen und dem sp\u00e4rlichen Bindegewebe \u00fcbrig bleiben. Sie sind im Labyrinthe weiter als in den Markstrahlen, innerhalb der Pyramide um die Blutgef\u00e4sse weiter als in den Harncanalb\u00fcndeln. Die Abfl\u00fcsse geschehen theils durch Gelasse der Kapsel, theils durch Ge-f\u00e4sse des Hilus. \u2014 Die aus zwei Bl\u00e4ttern sich zusammensetzende Kapsel schliesst nach A. Budge0 zwischen denselben einen von Endothel ausgekleideten Lymphraum ein, welcher sowohl mit den Lymph-gef\u00e4ssen der Kapsel als mit denen des Hilus communicirt, mit letzteren durch grosse im Nierenparenchym gelegene Lymphst\u00e4mme.\n1\t0. Drasch, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXXt I. 1877. 12. Juli.\n2\tA. Beer. Die Bindesubstanz der Kiere im gesunden und im pathologischen Zustande. Berlin 1859.\n3\tM. Litten. Charit\u00e9-Annalen. 1STS. S. 35 u. 36.\n4\tLudwig, Strickers Gewebelehre. S. 505. 1871.\n5\tLudwig & Zawarykin, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLJ III. S. 16. 1863.\n6\tE. Budge, Deutsche med. Wochensehr. 1 STS. Xo. 51.","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"299\nZWEITES CAPITEL.\nDie wesentlichen specifisclien Harnbestandtheile werden von der Niere nicht gebildet, sondern\nnur ausgeschieden.\nI. Der Harnstoff.1\nSchon zu einer Zeit, als die chemische Analyse noch nicht im Stande war, in dem normalen Blute Harnstoff aufzufinden, gelang dieser Nachweis doch nach Exstirpation beider Nieren. Zuerst suchten und fanden Pr\u00e9vost und Dumas2 3 nach dieser Operation Anh\u00e4ufung von Harnstoff im Blute von Hunden, Katzen und Kaninchen. F\u00fcnf Unzen Blut eines Hundes, der zwei Tage ohne Niere gelebt hatte, gaben \u00fcber 20 Gran Harnstoff, zwei Unzen Katzenblut unter gleichen Umst\u00e4nden \u00fcber 10 Gran, \u2014 Ziffern, die kaum richtig sein k\u00f6nnen, da sie einem Procentgehalte von nicht weniger als 0,S3 bis 1,04 % Harnstoff entsprechen w\u00fcrden.\nIndess fand die Thatsache selbst bald Best\u00e4tigung, zuerst durch S \u00e9galas ', der aus dem Blute weder normaler, noch einseitig nephro-tomirter Hunde, wohl aber 60 Stunden nach doppelseitiger Nephrotomie Harnstoff darstellte (etwa 0,25%); zw\u00f6lf Jahre sp\u00e4ter durch L. Gmelin und F. Tiedemann im Verein mit E. Mitscherlich4, welche nicht blos im Blute mit Sicherheit, sondern auch in erbrochenem Mageninhalte mit Wahrscheinlichkeit Harnstoff nachwiesen. Die letzteren Forscher betonten, dass aus ihren Beobachtungen nicht ohne Weiteres der Schluss auf Nichtbetheiligung der Nieren an der Harnstoffbildung gezogen werden d\u00fcrfe. Denn es sei immerhin m\u00f6glich, dass unter normalen Verh\u00e4ltnissen jene Dr\u00fcsen, nach ihrer Ausrottung vicariirend andere dr\u00fcsige Organe den Harnstoff bereiteten. Die rein eliminirende Function der Nieren k\u00f6nne erst durch den Nachweis\n1\tDie Frage nach den chemischen Vorg\u00e4ngen hei der Bildung der einzelnen Harnhestandtheile und dem Orte ihres Entstehens geh\u00f6rt einem andern Theile dieses Lehrbuchs an. In dem vorliegenden Capitel handelt es sich nur um die Frage, nach der etwaigen Betheiligung der Niere an der Bildung der Harnhestandtheile.\n2\tPr\u00e9vost & Dumas, Biblioth\u00e8que universelle de Gen\u00e8ve. NA III. p. 20S. 1S22: Meckel\u2019s Arch. Vin. S. 325. 1823.\n3\tS\u00e9galas, Magendie\u2019s journ. de physiol. II. p. 354. 1S22. DieAVrsuche wurden in Gemeinschaft mit AAuquelin angestel\u00eft.\n4\tI.. Gmelin A F. Tiedemann. Ann. d. Physik. XXXI. S. 2S9. 1834.","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nvon Harnstoff im normalen Blute dargethan werden, den jene Forscher trotz Verwendung- von 10 Pfund Kalbsblut vergeblich erstrebten, obschon sie bei Controllversuehen einen Harnstoffgehalt von 0,4 \u00b0/o im Blute mit Sicherheit nachweisen konnten. Zu \u00e4hnlich negativen Ergebnissen bez\u00fcglich des normalen Blutes gelangte auch Marchand1. Da er aber Harnstoff im Blute nicht wiederfinden konnte, wenn er weniger als 0,25 \u00b0/o hinzusetzte und da er sich weiter durch eine \u00fcberschl\u00e4gige Rechnung \u00fcberzeugt glaubte, dass die t\u00e4gliche Ausscheidungsgr\u00f6sse noch bei einem viel geringeren Gehalte des Blutes gedeckt werkle, hielt er die Annahme pr\u00e4existirenden Harnstoffes im normalen Blute durch seine negativen Ergebnisse nicht f\u00fcr widerlegt. Uebrigens fand Marchand Harnstoff im Blute eines Hammels (angeblich 0,5 o/o), dem 15 Tage vorher die beiderseitigen Nierengef\u00e4sse behufs Durchquetschung ihrer Nerven vor\u00fcbergehend unterbunden worden waren. Ebenso traf er ihn in hydropischen Fl\u00fcssigkeiten an.\nUnter den die Anwesenheit von Harnstoff im Blute Nephroto-mirter best\u00e4tigenden Forschern brachte Stannius2 3 nichts Neues, dagegen machten Bernard und Barre swill 3 darauf aufmerksam, dass die Anh\u00e4ufung von Harnstoff nicht selten dadurch verhindert werde, dass die operirten Thiere reichlich Magen- und Darmsecrete lieferten, in welchen Ammoniaksalze als Umsetzungsproducte des Harnstoffes auftreten. Deshalb komme es erst dann zu einem gr\u00f6sseren Harnstoffgehalte des Blutes, wenn einige Tage nach der Operation die Darmabsonderungen nachliessen, welche \u00fcbrigens das Leben der Thiere durch Elimination des Harnstoffes verl\u00e4ngerten. Zu ganz \u00e4hnlichen Ergebnissen gelangte Hammond4.\nInzwischen war mit der Verfeinerung der analytischen Methoden auch der Nachweis von Harnstoff im normalen Blute gelungen: durch Franz Simon5 im Kalbsblute, durch Strahl6 7 im Hundeblute, durch Verdeil und Dollfuss7 wie durch Lehmann8 im Ochsenblute. Von nun an wurde derselbe allm\u00e4hlich im Blute aller S\u00e4ugethiere entdeckt, ferner in Chylus, Lymphe, in einer grossen Anzahl sonstiger thierischer Fl\u00fcssigkeiten, tlieils normalen und pathologischen Trans-\n1\tR. F. Marchand. Erdmann\u2019s Journ. f. pract. Chemie. II. S. 440. 1837.\n2\tStannius, Arch. f. physiol. Heilk. IX. 1850.\n3\tBernard & Barreswill, Arch, g\u00e9n\u00e9r. de medicine. April 1847. \u2014 Cl. Bernard, Le\u00e7ons sur les propri\u00e9t\u00e9s physiologiques et les alterations pathologiques des liquides de l\u2019organisme. II. p. 36\u201452. 1859.\n4\tHammond, American journal of medical sciences. XLI. 1861: Meissner\u2019s Jahresber. 1861. S. 70.\n5\tFranz Simon, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1841. S. 454.\n6\tStrahl, Heller\u2019s Arch. 1847. S. 558.\n7\tVerdeil & Dollfass, Ann. d. Chemie u. Pharmacie. LXXIV. S. 214. 1849.\n8\tLehmann, Lehrbuch der physiologischen Chemie. I. S. 170. 1850.","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Ursprung des Harnstoffs.\n301\nsudaten (Humor aqueus, Liquor cerebrospinalis, Hydrocele-, Periton\u00e4al-fllissig\u2019keit), tlieils Secreten (Scbweiss, Speichel u. s. f.).\nAls zu diesen Erfahrungen, welche den Harnstoff als normalen Bestandtheil des Blutes und zahlreicher anderer Fl\u00fcssigkeiten dar-gethan und seine Vermehrung nach der Nephrotomie nachgewiesen hatten, noch das weitere Ergehniss von Picard1 2 hinzukam, dass das Blut der Nierenvene erheblich weniger reich an Harnstoff sei (0,0186 %), als das Blut der Nierenarterie (0,0365 \u00b0,o), schien nicht mehr der geringste Zweifel daran zul\u00e4ssig, dass die Niere nicht St\u00e4tte der Bereitung, sondern nur Organ der Ausscheidung des Harnstoffes aus dem Blute sein k\u00f6nne.\nIndess sollte es an Anregung zur Wiederaufnahme der scheinbar erledigten Frage nicht fehlen.\nBei Versuchen, die im Interesse der Theorie der ur\u00e4mischen Erkrankung von Oppler- unter Hoppe-Seyler\u2019s Leitung unternommen worden waren, fand jener Forscher nach Unterbindung der Harnleiter eine sehr viel erheblichere Anh\u00e4ufung von Harnstoff in Blut und Muskeln, als nach Ausrottung der Nieren. Er schloss daraus, dass die Nieren mindestens sehr bedeutenden Antheil an der Bildung des Harnstoffes nehmen m\u00fcssten. Als Material f\u00fcr seine Bildung diene das Kreatin, welches sich, umgekehrt wie der Harnstoff, im Muskelfleische nach Nephrotomie viel st\u00e4rker anh\u00e4ufe, als nach Verschluss der Ureteren.\nAuch Peres3 konnte bei Kaninchen nach Ausrottung der Nieren kaum Spuren, nach Harnleiterunterbindung erhebliche Mengen von Harnstoff in den Muskeln finden, w\u00e4hrend Ph. Munk4 nach beiderlei Operationen in Blut und Muskeln bedeutende Harnstoffspeicherung antraf. Als aber N. Zalesky5 6 in einer sehr ausf\u00fchrlichen Experimentaluntersuchung den Harnstoffgehalt im Blute nephrotomirter Hunde (0,00102 \u2014 0,0019 \u00b0/o) nicht gr\u00f6sser, sondern sogar geringer fand, als im Blute normaler Thiere (0,00298\u20140,00503 \u00b0;o), w\u00e4hrend er nach Lreterenunterbindung gesteigert war (0,0456\u20140,0585 \u00b0/o) und entsprechende Ziffern f\u00fcr die Muskeln sich ergaben (normal 0,00104 bis 0,00214 0o'3, nephrotomirt 0,0012\u20140,0028 \u00b0/o, Ureterenunterbin-\n1\tPicard. De la pr\u00e9sence de Pur\u00e9e dans le sang etc. Strassbourg 1S5G.\n2\tG. Oppler. Arch. f. pathol. Anat. XXL S. 260. 1861.\n3\tM. Perls. Qna via insufticientia renum symptomata nraemica efliciat. Diss. K\u00f6nigsberg 1864; K\u00f6nigsberger med. Jahrb. IV. S. 56. 1864.\n4\tPh. M\u00fcxk. Berliner klin. Wochenschr. 1864. S. 112.\n5\tX. Zalesky, Untersuchungen \u00fcber den ur\u00e4mischen Process und die Function der Nieren. T\u00fcbingen 1865.\n6\tBis dahin hatte in den Muskeln normaler Thiere Niemand Harnstoff gefunden.","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4iige. G. Abschn. Harnabsonderung.\ndung 0,0345 \u2014 0,0528 %), schien der Niere eine sehr erhebliche active Rolle bei der Harnstoffbildung\u2019 gesichert, und zwar in dem Sinne von Oppler unter Benutzung von Kroatin, denn auch Zalesky fand nach Nephrotomie den Kreatingehalt der Muskeln gesteigert und viel bedeutender als nach der Vergleichsoperation. Den directen Beweis f\u00fcr die Harnstoffbildung aus Kreatin durch die Nieren glaubte bald darauf Ssubotin1 erbracht zu haben, indem er durch Digestion von Kreatin mit dem w\u00e4ssrigen Extracte frischer Nieren Harnstoff bereitete, \u2014 ein sp\u00e4ter von Voit und von Gsciieidlen mit durchaus negativem Resultate wiederholter Versuch.\nAlle jene Beobachtungen von Oppler ab fanden aber in sorgsamen Nachuntersuchungen keine Best\u00e4tigung.\nZuerst sprach sich Meissner'2 nach Versuchen von Ehlers und Goemann mit Bestimmtheit gegen die Verschiedenheit des Erfolges der Nephrotomie und der Harnleiterunterbindung f\u00fcr die Harnstoffspeicherung im Kaninchenblute aus. In beiden F\u00e4llen stieg zweifellos der Harnstoffgehalt, was auch bei Hunden nach Ausrottung der Nieren ausser Frage gestellt wurde. W\u00e4hrend diese Versuche sich aber nur auf eine Sch\u00e4tzungsmethode des Harnstoffnachweises st\u00fctzten, lieferte Voit3 genaue quantitative Bestimmungen in gr\u00f6sserer Zahl mit dem Resultate, dass der Harnstoffgehalt des Blutes in derselben Weise wachse, gleichviel ob die Nieren exstirpirt oder die Harnleiter unterbunden seien. Die H\u00f6he seines Ansteigens im Blute und in den Muskeln von Kaninchen sei nur abh\u00e4ngig von der Zeit, welche seit der einen oder der anderen Operation verflossen. Es enthielten die Muskeln\nbei Nephrotomie nach 22 St. .\t. \u2019 . 0,08%\n\u201e Ureterenunterbindung nach 30 St. 0,12%\n\u201e Nephrotomie nach 46 St. .\t.\t.0,15%\n\u201e Ureterenunterbindung nach 7 0 St. 0,20%\nBei Hunden fand ebenfalls nach beiden Operationen in allen Organen und Fl\u00fcssigkeiten des K\u00f6rpers (mit Ausnahme des Darmes und seines Inhaltes) Aufspeicherung statt, doch ging sie nicht immer der verflossenen Zeit parallel, weil, wie schon Bernard und Barreswill und Hammond gesehen, bei Eintritt von Erbrechen und Diarrhoe ein mehr weniger grosser Theil des Harnstoffes eliminirt wurde. Die von Oppler behauptete Vermehrung des Kreatins im Muskel konnte Voit nach keiner der beiderlei Operationen best\u00e4tigen.\n1\tSsubotin, Ztschr. f. rat. Med. (3) XXVHI. S. 114. 1866.\n2\tMeissner, Ebenda. (3) XXVI. S. 225. 1866.\n3\tVoit, Ztschr. f. Biologie. IV. S. 116. 1866.","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Ursprung des Harnstoffs.\n3U3\nMit diesen Ergebnissen stimmt es tiberein, wenn Grehant1 an Blutproben nephrotomirter Hunde ein stetiges Ansteigen des Harnstoffes fand, z. B.:\nGehalt des Arterienblutes\nVor der\tOperation\t0,0880\t%\n3\" 40' nachher\t.\t0,0932\t\u00b0(o\n21\" 20'\t\u201e\t.\t.\t0,2518%\n27\"\t\u201e\t.\t.\t0,2760\t%\nWenn freilich Grehant zu dem Ergebnisse gelangt, dass die Menge von Harnstoff, welche sich nach Unterdr\u00fcckung der Nierenfunctionen in gegebener Zeit im Blute ansammelt, genau gleich derjenigen Menge sei, die in gleicher Zeit durch die Nieren entleert worden sein w\u00fcrde, so kann dies Rechnungsergebniss nur ein zuf\u00e4llig zutreffendes sein, da seine Unterlagen falsche sind. Grehant nimmt die Blutmenge des Hundes nach den l\u00e4ngst beseitigten Ziffern Valentin\u2019s zu 15 des K\u00f6rpergewichtes an!\nEine genaue Bestimmung, welche Mengen von Harnstoff nach Nephrotomie im K\u00f6rper angesammelt werden, und eine \\ ergleichung dieser Quantit\u00e4t mit der normalen Excretionsgr\u00f6sse w\u00e4re freilich sehr erw\u00fcnscht, weil damit entschieden werden k\u00f6nnte, ob das Gewebe der Nieren, wie das so vieler anderer Organe des K\u00f6rpers, an der Harnstoffproduction Theil nimmt. Allein auf einen entscheidenden Vergleich der Art ist kaum zu rechnen, da das mit der Nephrotomie einhergehende Fieber sehr wahrscheinlich die Harnstoffproduction im gesummten K\u00f6rper \u00e4ndert. Wenigstens sah Gscheidlen bei Hunden, die durch Eiterinjection in Fieberzustand versetzt worden waren, den Harnstoffgehalt des Blutes vermehrt,2\nWie dem auch sei, so giebt die ganze Reihe der in diesem Abschnitte mitgetheilten Beobachtungen die zweifellose Sicherheit, dass im K\u00f6rper auch ohne Mith\u00fclfe der Nieren reichlich Harnstoff gebildet wird, welchen diese auszuscheiden die Aufgabe haben. Sollten sie sich auch in dem Maasse, wie sonstige Organe des K\u00f6rpers, durch ihren eigenen Stoffwechsel in gewissem Umfange an der Production jenes Stoffes betheiligen, so w\u00fcrde damit doch nicht eine specifische Function derselben f\u00fcr die Harnstoffbildung dargethan, sondern nur gesagt sein, dass die in ihrem Gewebe ja zweifellos statttindende Umsetzung von Eiweissk\u00f6rpern auch bei ihnen keine Ausnahme von der Regel macht, dass sie unter Abspaltung von Harnstoff erfolgt.\n1\tGr\u00e9hant, Journ. tl. l\u2019anat. et d. 1. physiol. 1870\u201471. p. 3 LS.\n2\tGscheidlen. Studien \u00fcber den Ursprung des Harnstoffs im Thierk\u00f6rper. S. 33. Leipzig 1871.","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304 Heidenhain. Physiol, d. AbsonderungsVorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nII. Die Harns\u00e4ure.\nF\u00fcr die Harns\u00e4ure wiederholen sich die eben bei dem Harnstoffe ausf\u00fchrlicher discutirten Fragen ; die experimentelle Beantwortung derselben ist aber nicht in gleichem Umfange geschehen.\nDass normales Blut von S\u00e4ugethieren Harns\u00e4ure in kleinen Mengen enth\u00e4lt, wird mehrfach angegeben1 ; wenn auch kaum absolut sichere directe Nachweise vorliegen, ist die Thatsache nicht zu bezweifeln, denn die Harns\u00e4ure findet sich in einer Reihe von Organen und Fl\u00fcssigkeiten in erheblicher Menge. So in der Milz, Leber, Lunge, im Gehirn, Pankreas, in pathologischen Fl\u00fcssigkeiten von ser\u00f6ser wie von eitriger Beschaffenheit.2 3\nF\u00fcr das Blut von V\u00f6geln hat trotz Strahl und Lieberk\u00fciinV wie Zalesky\u2019s4 Zweifeln Meissner5 6 bei reichlicher F\u00fctterung von H\u00fchnern mit Gerste wie mit Fleisch den Nachweis der Harns\u00e4ure geliefert, wenn hinreichende Mengen von Blut in Arbeit genommen wurden. Ausserdem fand er sie reichlich in der Leber (0,62 pro Mille), dagegen nur spurweise in den Muskeln. Ebenso gelangte Pawlinoff zu positiven Resultatenk Da nach seinen Controllversuchen ein Gehalt von 0,136 pro Mille Harns\u00e4ure im Blute der Analyse noch entgeht, sind negative Befunde wenig befremdlich.\nIm Anschl\u00fcsse an den durch Pr\u00e9vost und Dumas gelieferten Nachweis von Harnstoff im Blute nephrotomirter Hunde hatten bereits Strahl und Lieberk\u00fchn bei nephrotomirten Fr\u00f6schen, Hunden und Katzen Harns\u00e4ure im Blute gesucht und bei den letzteren Thieren mittelst der Murexidprobe gefunden.\nDen Ort der Harns\u00e4urebildung sicherer zu ermitteln, schritt Zalesky zu der Harnleiterunterbindung bei V\u00f6geln7 und der Exstirpation der Nieren bei Schlangen. Nach dem ersteren Eingriffe trat zuerst (bereits nach S Stunden) Anf\u00fcllung der Harnean\u00e4lchen\n1\tLehmann, Zoochemie. S. 172. Heidelberg 1S5S.\n2\tScherer, Ann. d. Chemie u. Pharmacie. LXXIII. S. 328. 1849. \u2014 v. Gorup-Besanez, Ebenda. XCVIII. S. 1. 1856. \u2014 Cloetta, Ebenda. XCIX. S. 289. 1856. \u2014 Stokvis, Arch. f. d. Holland. Beitr. IL S. 260. 1861. \u2014 Naunyn, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1865. S. 166.\n3\tDie Schrift dieser Autoren habe ich mir nicht verschaffen k\u00f6nnen.\n4\tX. Zalesky. Untersuchungen \u00fcber den ur\u00e4mischen Process. S. 37. T\u00fcbingen\n1865.\n5\tMeissner, Ztschr. f. rat. Med. XXXI. S. 148. 1868.\n6\tPawlinoff, Arch. f. pathol. Anat. LXII. S. 64. 1875.\n7\tNach einem interessanten historischen Nachweise du Bois-Reymond\u2019s hat bereits Galvani die Harnleiter bei H\u00fchnern durch Umstechung unterbunden und als Folge davon die weit verbreitete Ablagerung einer ..Alba terrestris materies-' beobachtet, in gr\u00f6sster Menge auf der Oberfl\u00e4che der Leber und dem Pericardium (Arch. f. Anat. u. Physiol. S. 408. 1865.)","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Ursprung der Harns\u00e4ure.\n305\nmit barnsauren Salzen ein (von denen jedoch die M\u00fcLLER\u2019schen Kapseln stets frei blieben), sp\u00e4ter massenhafte Ablagerung derselben ganz namentlich auf der Oberfl\u00e4che aller ser\u00f6sen H\u00e4ute, deren Lymph-gef\u00e4sse durch amorphe Niederschl\u00e4ge fast ganz verstopft wurden, an den Gelenkenden der Knochen, im Parenchym der Lungen, des Herzmuskels u. s. f. Das Blut, im Normalzust\u00e4nde angeblich harns\u00e4urefrei, enthielt jetzt um so mehr Urate, je l\u00e4ngere Zeit seit der Operation verstrichen.\nDen Parallel versuch der Nierenexstirpation stellte Zalesky an Schlangen an. W\u00e4hrend die Unterbindung der Harnleiter zu \u00e4hnlich ausgedehnter Harns\u00e4ureablagerung namentlich auf der Oberfl\u00e4che aller Eingeweide f\u00fchrte, erschienen nach der Nephrotomie nur sp\u00e4rlich harnsaure Salze tlieils in der Operationsnarbe, theils in der Gegend der exstirpirten Nieren. Die chemische Untersuchung von Muskeln, Leber, Lunge war erfolglos, nur in den Eingeweiden eine sehr kleine Menge Harns\u00e4ure anzutreffen. Da also im Blute der V\u00f6gel im Normalzust\u00e4nde keine Harns\u00e4ure vorhanden sei, dieselbe dagegen nach Ureterenunterbindung weit verbreitet auftrete, da ferner bei Schlangen nach Nephrotomie dieselbe nur an begrenzten Orten, nach Ureterenunterbindung dagegen an vielen Stellen des K\u00f6rpers reichlich sich finde, schliesst Zalesky, dass die Nieren wo nicht der ausschliessliche, doch der haupts\u00e4chlichste Bildungsort der Harns\u00e4ure seien.\nAllein Nachuntersuchungen sind dieser Ansicht wenig g\u00fcnstig gewesen. Denn erstens fand Meissner wie Pawlinoff die von Zalesky vermisste Harns\u00e4ure auch im Blute normaler V\u00f6gel. Wenn zweitens Zalesky sich auf den Gang der Ausscheidung der Harns\u00e4ure nach Unterbindung der Harnleiter st\u00fctzte (sie sollte von den Nieren aus sich allm\u00e4hlich verbreiten und an den einzelnen Stellen um so dichter auftreten, je n\u00e4her die betreffenden Stellen der Niere gelegen sind), so fanden Ciirzonszczewski 1 und Pawlinoff1 2, dass n\u00e4chst der Niere die Ablagerungen zuerst in den Lymphgef\u00e4ssen nebst den mit ihnen in Zusammenhang stehenden Bindegewebsk\u00f6r-perchen stattfinden, also nicht von den Nieren aus excentrisch fortschreiten. Da endlich Pawlinoff bei Tauben nach Verschluss der Nierengef\u00e4sse durch Umstechung dieselbe reichliche Ansammlung von Harns\u00e4ure im K\u00f6rper constatirte, wie sie Zalesky nach der Unterbindung der Harnleiter fand, ist wenigstens f\u00fcr die V\u00f6gel die extrarenale Bildung der Harns\u00e4ure wohl sicher erwiesen. Da ferner\nO\n1\tChrzonszczewski, Arch. f. pathol. Anat. XXXV. S. L74. IS66.\n2\tPawlinoff, Ebenda. LXII. S. <>6. 1875.\nHandbuch der Physiologie. Bd. V.\t20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306 Heidenhain, Physiol, d. Absondernngsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nbei Schlangen nach Ausrottung der Nieren die Harns\u00e4uredeposita keineswegs fehlen, sondern nur sp\u00e4rlicher auftreten als nach Harn-leiterverschluss, k\u00f6nnen auch hier die Nieren mindestens nicht der einzige Bildungsort fur die Harns\u00e4ure sein.\nIII. Die Hippurs\u00e4ure.\nSie entsteht bekanntlich als gepaarte Verbindung aus Benzoes\u00e4ure und Amidoessigs\u00e4ure (Glycocoll):\nO\tN v\t'\n1 Benzoes\u00e4ure -f-\nC*Hh{COOH)\nAmidoessigs\u00e4ure rff NH-i LmCOOH ~\n1 Hippurs\u00e4ure -f- 1 Wasser\nra AH.C-HiO 2 COOH\n+\nIhO.\nW\u00e4hrend Harnstoff und Harns\u00e4ure, der Niere pr\u00e4formirt zugef\u00fchrt, in derselben nur die St\u00e4tte ihrer Ausscheidung linden, ist f\u00fcr die Hippurs\u00e4ure dieses Organ der wirkliche und wenigstens bei Fleischfressern alleinige Geburtsort, wie \u00e4ltere Beobachtungen von Meissner und Shepard1, ganz namentlich aber fundamentale Versuche aus Schmiedeberg\u2019s2 Laboratorio, k\u00fcrzlich von Kochs3 best\u00e4tigt, auf das Zweifelloseste gezeigt haben.\nFr\u00fcherhiii verlegten K\u00fchne und Hallwachs4 die Hippurs\u00e4urebildung in die Leber. 1. W\u00e4hrend bei Injection von Benzoes\u00e4ure in den Magen Hippurs\u00e4ure im Harne in grosser Menge auftritt, geht bei Einf\u00fchrung in den grossen Kreislauf die Benzoes\u00e4ure massenhaft als solche in den Harn \u00fcber, das Erscheinen von Hippurs\u00e4ure dagegen blieb jenen Forschern zweifelhaft. Die Verschiedenheit des Erfolges beider Versuche sahen K. u. H. darin begr\u00fcndet, dass bei ihrer Resorption vom Magen aus die Benzoes\u00e4ure ganz und gar, bei der Injection in Gef\u00e4sse des grossen Kreislaufes nur zum sehr kleinen Tlieile die Leber durchsetzt. Allein Meissner und Shepard sahen bei subcutaner Injection von Benzoes\u00e4ure im Harne sehr reichlich Hippurs\u00e4ure auftreten; ja selbst bei Einspritzung in die V. jugu-laris von Kaninchen trat zwar anfangs unver\u00e4nderte Benzoes\u00e4ure, allm\u00e4hlich aber mehr und mehr Hippurs\u00e4ure und zuletzt diese allein auf. Der unver\u00e4nderte Uebergang findet immer bei pl\u00f6tzlicher Ueberschwem-mung des Blutes mit grossen Mengen Benzoes\u00e4ure statt. 2. Wenn nach Unterbindung aller zu- und abf\u00fchrenden Blutgef\u00e4sse der Leber Benzoes\u00e4ure in den Magen injicirt wurde, fand sie sich im Harn als solche vor, Hippurs\u00e4ure dagegen wurde vermisst. Meissner und Shepard, wie Schmiedeberg und Bunge konnten bei Wiederholung dieses Versuches keinen Harn erhalten, fanden aber im Blute fast immer Hippurs\u00e4ure, wennschon in geringer Menge.\n1\tMeissner & Shepard, Untersuchungen \u00fcber das Entstehen der Hippurs\u00e4ure im thierischen Organismus. Hannover 1866.\n2\tBunge & Schmiedeberg, Arch. f. exper. Pathol. VI. S. 233. 1876. \u2014 A. Hofmann, Ebenda. VIL S. 233. 1877.\n3\tW. Kochs, Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 64. 1879.\n4\tW. K\u00fchne & W. Hallwachs, Arch. f. pathol. Anat. XII. S. 336. 1857.;","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Bildimgsort der Hippurs\u00e4ure.\n307\nDie Beweise f\u00fcr die Hippurs\u00e4urebildung in der Niere sind folgende:\nL. W\u00e4hrend der Harn der Herbivoren bei gew\u00f6hnlicher Grasf\u00fctterung sehr reich an Hippurs\u00e4ure ist, enth\u00e4lt das Blut derselben, entgegen einer fr\u00fcheren Angabe von Verdeil und Dollfuss1, nach Meissner und Shepard keine Spur (Kaninchen, Pferd, Rind, Ziege), weder unter normalen Umst\u00e4nden, noch nach Exstirpation der Nieren. In der Niere selbst trafen Meissner und. Shepard Hippurs\u00e4ure an, w\u00e4hrend Kochs sie in der Kalbsniere ganz vermisste und in der Ochsenniere nur unw\u00e4gbare Mengen fand.\n2.\tSelbst nach Injection von Benzoes\u00e4ure in den Magen von Kaninchen und Hunden fanden Meissner und Shepard zu einer Zeit, wo der Harn stark hippurs\u00e4urehaltig war, weder im Blute, noch in irgend einem Secrete eine Spur jenes K\u00f6rpers vor. Bei gleichzeitiger Injection von Benzoes\u00e4ure und Glycocoll in das Blut von Hunden begegneten Schmiedeberg und Bunge der Hippurs\u00e4ure in demselben zwar unter normalen Verh\u00e4ltnissen in geringer, nach Ureterenunter-bindung in gr\u00f6sserer Menge, nach Verschluss der Nierengef\u00e4sse aber nicht in den geringsten Spuren, ebenso wenig in den Muskeln und der Leber.\nIm Gegens\u00e4tze hierzu ist die Beobachtung von Meissner und Shepard sehr merkw\u00fcrdig, dass bei Kaninchen, denen nach Unterbindung der Nierengef\u00e4sse Benzoes\u00e4ure in den Magen injicirt wird, im Blute neben dieser S\u00e4ure auch Hippurs\u00e4ure mit Evidenz erscheint, eine von W. Salomon2 best\u00e4tigte Thatsache. Wenn der letztere Forscher nephrotomirten Kaninchen Benzoes\u00e4ure in den Magen injicirte, konnte er aus den Muskeln, der Leber, dem Blute Hippurs\u00e4ure in nicht unbedeutender Menge gewinnen. Beim Kaninchen m\u00fcssen also noch andere Gewebe, als die Niere, die Synthese der Hippurs\u00e4ure vollziehen.\n3.\tWird durch eine ausgeschnittene Hundeniere sauerstoffhaltiges, mit Benzoes\u00e4ure und Glycocoll oder selbst mit Benzoes\u00e4ure allein versetztes Blut geleitet, so entsteht Hippurs\u00e4ure. Die Niere ist zu dieser Synthese noch 48 Stunden nach der Exstirpation bef\u00e4higt, wenn sie bei k\u00fchler Temperatur aufbewahrt wird.\n4.\tAuch durch gr\u00f6blichere Zerkleinerung der Niere wird die F\u00e4higkeit ihrer Zellen, bei Digestion mit benzoes\u00e4ure- und glycocoll-haltigem Blute unter Sauerstoffzutritt Hippurs\u00e4ure zu bilden, nicht aufgehoben. Durch Zerstampfen oder Ausfrieren v\u00f6llig zerst\u00f6rt, werden die Zellen unwirksam.\n1\tVekdeil & Dollfuss, Ann. d. Chemie u. Pharmacie. LXXIV. S. 214. 1850.\n2\tW. Salomon. Ztschr. f. physiol. Chemie III. S. 365. 1879.\n20*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\n5. F\u00fcr die Synthese der Hippurs\u00e4nre durch die Niere ist Sauerstoffzufuhr noting. Denn wird mit den Ingredientien zu ihrer Bildung Kohlenoxydblut oder Serum durchgeleitet, so tritt die Bildung gar nicht (Kohlenoxydblutl oder doch nur in Spuren ein (Serum). Die Nierenzellen selbst werden durch Kohlenoxyd nicht vergiftet.\nKein Zweifel also, dass die Nierenzellen die Paarung der Ilippur-s\u00e4ure und des Glycocolls -vollziehen. Damit ist die Niere aus der Stellung eines blossen Harntilters zu der einer bei dem Absonderungs-processe durch einen specifischen Stoffwechsel betheiligten Dr\u00fcse erhoben. Woher sie ihr Material f\u00fcr die Hippurs\u00e4urebildung bezieht, bleibt noch zu ermitteln, denn in dem Blute ist bisher weder Benzoes\u00e4ure, noch Gdycocoll nachgewiesen.\nBei Fr\u00f6schen entsteht Hippurs\u00e4ure aus Benzoes\u00e4ure und Glyco-coll noch nach Exstirpation der Leber wie der Nieren (Sciimiede-berg und Bunge); hier m\u00fcssen also noch andere Gewebe jene merkw\u00fcrdige Synthese vollziehen.\nIV. Sonstige Harnbestaiidtlieile.\nEine Pr\u00fcfung der Niere bez\u00fcglich ihrer rein excretorischen oder secretorischen Function steht bez\u00fcglich der sonstigen Harnbestand-theile noch aus. Einige, wie z. B. das Kreatin, gelangen in der Niere wohl nur zur Ausscheidung. Denn nach C. Voit und G. Meissner steigt und sinkt die Menge des Kreatins resp. Kreatinins im Harne mit dem Gehalte der Nahrung an denselben. Bei Zufuhr von Kreatin, subcutan oder durch den Magen, wird nahezu die gesammte Menge unver\u00e4ndert oder als Kreatinin ausgeschieden. Die Excretions-gr\u00f6sse steigt auf ein Maximum bei reichlicher Fleischnahrung und sinkt auf ein Minimum bei stickstoffhaltiger, aber Kreatin-freier Di\u00e4t (z. B. Eier), welche den Umsatz des eignen K\u00f6rperfleisches der Thiere m\u00f6glichst herabdr\u00fcckt, \u2014 lauter Hinweise auf einen Parallelismus zwischen Ausscheidung und Zufuhr. M\u00f6glicher Weise tr\u00e4gt aber die Niere doch auch zur Kreatinlieferung f\u00fcr den Harn selbstst\u00e4ndig bei, denn in ihrem Gewebe findet sich stets Kreatin vor und der durch Ureterenunterbindung l\u00e4ngere Zeit gestaute Harn wird auffallend reich an Kreatin.1\nDie k\u00fcnftige Forschung wird sich namentlich der Frage zuzu-wenden haben, ob die interessanten Synthesen der Schwefels\u00e4ure mit Gliedern der aromatischen Reihe, welche neuerdings bekannt geworden, in der Niere selbst stattfindet, was alle Wahrscheinlichkeit f\u00fcr sich hat.\n1 Max Heremann. Sitzgsber. cl. Wiener Acad. XXXVI. S. 364 u. fg. 1859.","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"309\nDRITTES CAPITEL.\nbie Wasserabsonderung in der Niere.\nI. Allgemeine Vorbemerkungen.\nJ. Die Theorien Bowman s und Ludw\u00fcfs.\nAbweichend von allen anderen Absonderungsorganen, besitzen die Nieren in den MALPiGin\u2019scken Gef\u00e4sskn\u00e4ueln einen Ort, an welchem der Blntstrom ohne Zwischenschaltung von Lymphr\u00e4umen unmittelbar an den Binnenraum der Dr\u00fcse grenzt, von demselben nur durch die Capillarwand und die dieselbe aussen \u00fcberdeckende Epithelialschicht getrennt. Dass eine solche eigenartige Einrichtung, wie sie sich nur noch in den Alveolen der Lunge vorfindet, in besonderer Beziehung zu der besonderen secretorischen Function des Organes stehen m\u00fcsse, kann von vornherein nicht bezweifelt werden. So kommen denn auch alle Theorieen der Harnabsonderung darin \u00fcberein, in jenen Vorrichtungen die wesentliche Quelle f\u00fcr den Strom des Harnwassers zu sehen.\nBis vor Kurzem sogar die einzige. Es sei aber schon hier bemerkt, dass diese Annahme den thats\u00e4clilichen Verh\u00e4ltnissen nicht ganz entspricht. Denn die sp\u00e4ter ausf\u00fchrlicher zu berichtende Beobachtung, dass die Einf\u00fchrung gewisser Substanzen (des Harnstoffes, harnsaurer Salze, des Kochsalzes, Salpeters u. s. f.) in das Blut Harn-secretion unter Bedingungen herbeizuf\u00fchren im Stande ist, unter welchen dieselbe ohne jene Zus\u00e4tze zu dem Blute nicht zu Stande kommt, legte die Vermutliung nahe1, dass durch diese Substanzen Wasserabsonderung in merklicher Menge an Orten zu Stande gebracht werde, die f\u00fcr gew\u00f6hnlich sich kaum oder doch nur in geringem Maasse an der Wasserlieferung betheiligen, n\u00e4mlich in dem gewundenen Theile der Harncan\u00e4lchen selbst. Interessante Beobach-tungen von Nussbaum2 haben diesen Verdacht best\u00e4tigt. Denn wenn man bei Fr\u00f6schen den Blutstrom in den MALPiGHi\u2019schen Kn\u00e4ueln durch Unterbindung der Nierenarterien unterbricht (s. oben Erstes Capitel, 1, d) und dadurch die Wasserabsonderung vollst\u00e4ndig aufhebt, tritt dieselbe nach Harnstoflfinjection wieder ein, offenbar Dank\n1\tR. Heidexhain. Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 26. 1S75.\n2\tM. Nussbaem, Ebenda. XVI. S. 139. IS7S: X^ II. S. 5S0. 1S79.","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 0. Abschn. Harnabsonderung.\nsecretorischer Tli\u00e4tig\u2019keit der Harncan\u00e4lchen, deren Capillaren von der Yena renalis advehens aus mit Blut versorgt werden. Es ist aber wohl kein Zweifel, dass f\u00fcr gew\u00f6hnlich dieser Wasserzufluss hinter dem aus den Kn\u00e4ueln hervorbrechenden weit zur\u00fccksteht. Wir werden deshalb zun\u00e4chst dem letzteren unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden haben.\nTritt hier das Wasser allein zu Tage? Oder f\u00fchrt es bereits die gesammten Bestandtheile des Harnes mit sich ? \u2014 Fragen, \u00fcber deren Beantwortung noch bis heute die Meinungen weit auseinander gehen.\nNach der Vorstellung, welche zuerst W. Bowman1 in seiner bahnbrechenden Abhandlung \u00fcber die MALPiGHi\u2019schen K\u00f6rperchen ausgesprochen, sollen diese im normalen Zustande nur das Wasser und allenfalls die Salze des Harnes ausscheiden, die Absonderung der specifischen Harnbestandtheile (Harnstoff, Harns\u00e4ure u. s. f.) dagegen Function der Epithelien der Harncan\u00e4lchen sein, aus deren Innerem der von den Kapseln her vorbeistreichende Wasserstrom jene Substanzen ausschwemme. So seien die Harncan\u00e4lchen der eigentliche Dr\u00fcsenapparat, welcher die den Harn charakterisirenden Bestandtheile aus dem Blute entfernt, die MALPiGHi\u2019schen Kn\u00e4uel dagegen eine Vorrichtung zur Regulirung des Wassergehaltes im Blute und dadurch in dem gesammten Organismus.\nDiese Anschauungen sind bei Bowman mehr aus einer k\u00fcnstlerischen Intuition, hervorgegangen aus der Betrachtung des mikroskopischen Bildes der Niere, als aus der Kenntniss positiver Thatsachen entsprungen. Die Bedeutung, welche jene Theorie gewonnen, rechtfertigt ihre Motivirung durch den Autor selbst. Die Harncan\u00e4lchen besitzen r\u00fccksichtlich der Ausdehnung ihrer Oberfl\u00e4che, welche durch ihre Windungen erheblich vergr\u00f6ssert wird, r\u00fccksichtlich ihrer Structur, welche in ihrer Wand eine mit dem Epithel sonstiger Dr\u00fcsen sehr \u00e4hnliche, dunkelk\u00f6rnige' Epithelialbekleidung aufweist, und r\u00fccksichtlich der Anordnung ihrer Capillaren, welche auf der Aussenfl\u00e4che derselben, \u00e4hnlich wie auf den Hodencan\u00e4l-clien, ein engmaschiges, viefach anastomosirendes Netz bilden, die gr\u00f6sste Aehnlichkeit mit den secernirenden Can\u00e4len andrer Absonderungsorgane. Die MALPiGHi\u2019schen K\u00f6rperchen, welche nur einen sehr kleinen Theil der innern Oberfl\u00e4che der Niere ausmachen, haben dagegen eine dem Dr\u00fcsenepithel v\u00f6llig un\u00e4hnliche zellige Bekleidung: Die Zellen sind hell, bestimmt begrenzt, tragen \u2014 wenigstens bei den Amphibien \u2014 Cilien und scheinen in manchen F\u00e4llen die Kapsel sogar nur auf ein kurzes St\u00fcck von ihrem Halse aus zu bekleiden. Die Blutgef\u00e4sse, statt die Membran auf ihrer Aussenfl\u00e4che zu umspinnen, durchbrechen dieselbe und bilden einen Kn\u00e4uel mit freier Oberfl\u00e4che, dessen einzelne Gef\u00e4sse nicht mit einander anastomosiren, \u2014 eine den secernirenden Fl\u00e4chen andrer Drti-\n1 W. Bowman, Philos. Transact. I. p. 57. 73 u. fg. 1842.","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Theoriecn Bowman\u2019s und Lu wig's.\n311\nsen durchaus un\u00e4hnliche Anordnung. Der Bau des Kn\u00e4uels bedingt ^ er-z\u00f6gerung des Blutstromes in seinen Gef\u00e4ssen. Das aus ihnen austretende Wasser wird durch die Cilien des Kapselepithels nach den Harncan\u00e4l-clien hin getrieben , so dass jeder Druck auf die Aussenfl\u00e4che der Ge-f\u00e4sse vermieden wird. \u201e Why is so a wonderful apparatus placed at the extremity of each uriniferous tubus, if not to furnish water, to aid in the separation and solution of the urinous products from the epithelium of the tubes?\u201c\nEine auf so allgemeine Reflexionen gest\u00fctzte Theorie konnte unm\u00f6glich befriedigen, zumal in einer Zeit, in welcher die Physiologie sich eben angeschickt hatte, an Stelle theoretischer Erw\u00e4gungen das Experiment, an Stelle unsicherer Vermuthungen sicher beobachtete Thatsachen zu setzen. Auf Grund der Thatsachen, welche die Physik bez\u00fcglich der Vorg\u00e4nge der Filtration und Diffusion ermittelt hatte, ersann C. Ludwig eine neue, streng mechanische Theorie der Harnabsonderung, zu deren n\u00e4herer Begr\u00fcndung von ihm und seinen Sch\u00fc-lern im Laufe der Zeit eine grosse Zahl werthvollster Beobachtungen angestellt wurde.1 Der Blutdruck ist es, welcher nach dieser Theorie in den MALPiGHi\u2019schen Kn\u00e4ueln Fl\u00fcssigkeitsfiltration herbeif\u00fchrt. Das Filtrat enth\u00e4lt bereits s\u00e4mmtliche Harnbestandtlieile in sehr verd\u00fcnnter L\u00f6sung. Indem diese L\u00f6sung sich durch die Harncan\u00e4lchen bewegt, tritt sie in Diffusionsaustausch mit den die Aussenfl\u00e4che der letzteren umsp\u00fclenden Fl\u00fcssigkeiten. Als solche sah Ludwig fr\u00fcher-hin das Blut in dem die Harncan\u00e4lchen umspinnenden Capillarnetze an, sp\u00e4ter, seit er mit Zawakykin die Lymphbahnen der Niere untersuchte, den Inhalt der letzteren. Da nun nach bekannten Diffusionsgesetzen bei dem Vorg\u00e4nge' der Diffusion der Wasserstrom von der verd\u00fcnnteren zu der concentrirteren Fl\u00fcssigkeit gerichtet ist, da ferner der hypothetische Harn der Harncan\u00e4lchen gehalts\u00e4rmer ist, als die sie umsp\u00fclende Fl\u00fcssigkeit, trete f\u00fcr den Harn auf seinem Wege durch die Can\u00e4lchen eine allm\u00e4hliche Concentration durch Wasserabgabe ein, so dass er die Eigenschaften des fertigen Harnes erlange.\nDie Entscheidung zwischen den Theorieen Bowman\u2019s und Ludwig\u2019s ist nur unter Zugrundelegung eingehender Er\u00f6rterung aller \u00fcber die Harnbildung bekannt gewordener Thatsachen m\u00f6glich.\nUm das reiche Erfahrungsmaterial \u00fcbersichtlich zu ordnen, ist daran zu erinnern, dass Ludwig\u2019s Theorie drei Hauptmomente in sich schliesst: 1. die Annahme, dass die Wasserabsonderung in den\n1 C. Ludwig, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. IL S. 637. IS44; Lehrbuch der Physiologie. IL S. 274. 1S56. \u2014 F. Goll, Ztschr. f. rat. Med. N. F. IY. S. 86. 1854. \u2014 Max Herrmann, Sitzgsber. d. Wiener Ac ad. Math.-naturw. Cl. XXXVI. S. 349. 1859: XLY. S. 317. 1861. \u2014 C. Ludwig. Ebenda. XLVHI. S. 1. 1S63; Wiener med. Wochenschr. 1S64. Xo. 13. 14. 15. \u2014 C. USTiMOwitsch. Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1870. S. 340.","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 0. Abschn. Harnabsondcrung.\nKn\u00e4ueln ein von dem Blutdr\u00fccke abh\u00e4ngiger mechanischer Filtrationsvorgang sei; 2. die Hypothese, dass an jener Stelle mit dem Wasser auch die festen Harnbestandtheile, und zwar in verd\u00fcnnter L\u00f6sung austreten; 3. die Aufstellung, dass dieser verd\u00fcnnte Harn in den Can\u00e4lchen durch Wasserabgabe concentrirter werde.\nDemnach werde ich zun\u00e4chst die Wasserabsonderung, dann die Absonderung der festen Harnbestandtheile, zuletzt die Zusammensetzung des fertigen Harnes besprechen. Vorher ist aber eine kurze Er\u00f6rterung der Beobachtungsmethoden nothwendig.\n2. Be ob a chtu ngsm eth o den.\nA) Gewinnung des Harnes.\nUm den abgesonderten Harn zu gewinnen, gen\u00fcgt bei Kaninchen das Ausdr\u00fccken der Harnblase, welches man bei einiger Uebung ohne innere Verletzungen leicht ausf\u00fchren lernt. Neuerdings hat K\u00f6hler1 statt dessen eine k\u00fcnstliche Ectopie der Blase benutzt. Die Bauchwandungen werden in der Mittellinie vom Schambeine an in der L\u00e4nge von ungef\u00e4hr 3 Cm. gespalten, die Blase hervorgezogen, entleert und an ihrer Vorderwand ebenfalls der L\u00e4nge nach aufgeschnitten, sodann die Wundr\u00e4nder der Blase und der Bauchwand durch Sutur vereinigt. In Folge pressender Bewegungen, welche das Thier vornimmt, st\u00fclpt die Blase sich bald heraus, so dass man die Harnleiterm\u00fcndungen unmittelbar vor sich hat und den Harn direct aus ihnen auflangen kann. So operirte Thiere bleiben zu Beobachtungen nur einige Tage brauchbar; sp\u00e4ter leiden sie unter der dauernden Durchn\u00e4ssung, h\u00f6ren auf zu fressen und gehen zu Grunde. Immerhin hat diese Beobachtungsweise vor dem Auspressen der Blase den Vorzug, dass sie Schwankungen der Harnabsonderung innerhalb k\u00fcrzerer Zeitr\u00e4ume zu verfolgen gestattet.\nBei Hunden ist, wo es sich um derartige Beobachtungen handelt, die Anlegung von Harnleiterfisteln unerl\u00e4sslich. Ich ziehe zu dem Zwecke die Blase durch einen kleinen \u00fcber der Schambeinsymphyse angelegten L\u00e4ngsschnitt hervor, unterbinde die Harnleiter dicht vor ihrer Einm\u00fcndung in die Blase und f\u00fchre durch einen L\u00e4ngsschlitz in der Ureteren-wand einen graden silbernen Catheter von passender St\u00e4rke, dessen vorderes Ende ge\u00f6ffnet ist, in den Harnleiter ein, um ihn bis gegen das Nierenbecken vorzuschieben. Der Harn fliesst unmittelbar aus dem Becken in die R\u00f6hre und seine Entleerung wird unabh\u00e4ngig von den peristaltischen Contractionen des Harnleiters. Die Anwendung dieser Methode setzt Immobilisirung der Thiere durch Narcose voraus, da bei heltigeren Bewegungen die Harnleiter leicht durch die eingef\u00fchrten R\u00f6hren verletzt werden k\u00f6nnen. \u2014 Max Herrmann2 f\u00fchrt zur Aufsuchung der Harnleiter jederseits durch die Seitentheile der Bauchwand gegen\u00fcber der Symphysis saero-iliaca zwei L\u00e4ngsschnitte, gross genug, um zwei Finger hin-\n1\tAlfred K\u00f6hler, Recherches sur quelques diur\u00e9tiques. Diss. Genf 1S7S.\n2\tM. Herrmann. Wiener Sitzgsber. XXXVI. S. 350. 1859.","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Beobachtungsmethoden.\n313\ndurchzulassen. Mittelst derselben wird der Harnleiter an seiner Kreuzungsstelle mit der Art. iliaca durch Tasten aufgesucht, hervorgezogen und in denselben eine T-f\u00f6rmige Cantile eingebunden, deren horizontaler Schenkel an dem Blasenende geschlossen, an dem Nierende offen ist und dazu dient, den Harnleiter ohne Knickungen in seiner nat\u00fcrlichen Lage zu erhalten, w\u00e4hrend der verticale Schenkel, in die Bauchwunde eingen\u00e4ht, den Harn frei ablaufen l\u00e4sst.\nB) Aufsuchung der Nierengef\u00e4sse und Nierennerven.\nDer Hund wird nach M. Herrmann1, behufs Erreichung der Nierengef\u00e4sse, im narcotisirten Zustande auf eine erh\u00f6hte Unterlage gebracht, um die Baucheingeweide nach oben zu dr\u00e4ngen. Der Hautschnitt beginnt an der letzten falschen Rippe und erstreckt sich, entsprechend dem \u00e4ussern Rande des M. sacrolumbalis, etwa 1 U2 Zoll nach unten. Das obere Blatt der Scheide dieses Muskels wird gespalten, der Finger im Scheidenraume unter dem Muskel bis zu den Querforts\u00e4tzen gef\u00fchrt und hier das untere Scheidenblatt ebenfalls gespalten. Man gelangt hier zu der nach dem Nierenhilus ziehenden Fettmasse und findet innerhalb derselben die Nierengef\u00e4sse. Behufs einer f\u00fcr gewisse Versuche noth wendigen Verengerung der Nierenarterien wird dieselbe in die Arme der beistehenden\nFig. 74. Klemme zur Verengerung der Xierenarterie. (Aus Cron's Methodik.)\nKlemme gelegt und dieselbe successive verengt, nachdem durch Vorversuche am lebenden Thiere wie an ausgeschnittenen Nieren derjenige Grad der Ann\u00e4herung beider Zangenarme festgestellt worden, bei welchem Verlangsamung des Blutstromes eintritt.\nDer Ursprung der Nierennerven aus dem Grenzstrange des Sympathies ist beim Hunde nach der genauen Beschreibung von F. N\u00f6llner2 ziemlich ver\u00e4nderlich. Im Allgemeinen l\u00e4sst sich sagen, dass, von dem in der Gegend des K\u00f6pfchens der 13. Rippe gelegenen Ganglion oder auch schon etwas fr\u00fcher anfangend und bis zu den n\u00e4chst gelegenen 2 bis 3 Ganglien unterw\u00e4rts reichend, zuerst ein dickerer, sp\u00e4ter 3\u20144 kleinere Nervenst\u00e4mmchen abgehen, welche s\u00e4mmtlich zu einem hinter der Nebenniere gelegenen Geflechte ziehen. Der oberste dieser Nerven entspricht dem Splanchnicus major, die unteren dem Splanclmicus minor, doch deckt sich diese Einteilung nicht mit der aus der menschlichen Anatomie gebr\u00e4uchlichen. Aus jenem Netze nun treten die f\u00fcr die Niere\n\u00ee Max Herrmann, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLV. S. 321. 1861. 2 N\u00f6llner, Eckhard\u2019s Beitr. IV. S. 1 39 u. fg. Tab. 4. 1S69.","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314 Heidenhain. Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Absckn. Harnabsonderung.\nbestimmten Nerven durch den Raum zwischen dem untern Ende der Nebenniere und den Nierengef\u00e4ssen, in Bindegewebe eingebettet. Um zu diesen\nNerven zu\ngelangen,\nmuss die ('s. oben) f\u00fcr die Erreichung der Nieren-\ngef\u00e4sse angelegte Wunde nach oben hin erweitert werden, n\u00f6thigenfalls nach Unterbindung der Art. und Yen. lumbalis prima. Man l\u00e4sst dieselbe behufs Gewinnung des n\u00f6thigen Operationsraumes durch das beistehende, einem Scheidenspiegel \u00e4hnliche Instrument erweitern und zer-reisst die von der Nebenniere herabziehenden Nerven einzeln. Das Gelingen muss nachtr\u00e4glich durch Necropsie verificirt werden.\nPhysiologische Erfahrungen, welche weiter unten zu besprechen sein werden, machen es fraglich, ob jene durch die Pr\u00e4paration unschwer erreichbaren Nerven wirklich die einzigen sind, welche zu den Functionen der Niere in Beziehung\nFis. 75.\nSpeuilum zur Pr\u00e4paratien der Xierennerren. (Aus Cyok\u2019s Methodik.)\nstehen, und ob nicht vielmehr in den Wandungen der Gef\u00e4sse noch andere belangreiche Bahnen f\u00fcr die Nierennerven vorliegen.\nNach v. Wittich1 sollen die Nierennerven bei Kaninchen, Hunden, K\u00e4lbern und dem Menschen aus zwei Theilen bestehen : erstens aus einem die Art. renalis enge umspinnenden Nervennetze, zweitens aus einem oder mehreren St\u00e4mmchen, die parallel mit den Gef\u00e4ssen in die Niere eindrin-gen und sich l\u00e4ngs der Arterien bis in die Nierenrinde\nverfolgen lassen.\nII. Die Bedingungen der TTasserabsonderung in der Niere.\n1. Abh\u00e4ngigkeit der Wasserabsonderung von dem Blutstrome\nin den Vieren.\nA) Der Nierenblutlauf.\nDie Nierenarterie besitzt im Verh\u00e4ltniss zu dem Umfange des Organes, welches sie versorgt, einen auffallend weiten Durchmesser. Derselbe kann bei Hunden bis auf V-2 Mm. verengt werden, ohne dass die die Niere durchstr\u00f6mende Blutmenge sich merklich verringerte.2 Selbst bei 0,2 Mm. Durchmesser tritt zwar erhebliche Verlangsamung ein, aber die in die Vene gelangende Blutmenge bleibt noch immer ziemlich bedeutend. Demgem\u00e4ss ist die letztere in weiten Grenzen unabh\u00e4ngig von der Gr\u00f6sse des Arterienlumens, also nur abh\u00e4ngig von der H\u00f6he des Aortendruckes und den Stromwiderst\u00e4nden innerhalb des Organes selbst und jenseits desselben.\n1\tv. Wittich, K\u00f6nigsberger mecl. Jahrb. III. S. 52. I860.\n2\tMax Herrmann, Sitzgsber. d.Wiener Acad. Matli.-phys. Cl. XIA . S. 329 u. fg. 1861. \u2014 C. Ludwig, Wiener med. Wochenschr. 1S64. No. 13\u201415.","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"Der Nierenblutlauf.\n315\nVor dem Eintritte in die MALPiGHi\u2019schen Kn\u00e4uel steht dem Blute ein Seitenweg zu dem Capillarnetze des Markes durch die direct aus den Ver\u00e4stlungen der Nierenarterie hervorgehenden Ar-teriolae rectae offen (s. oben). Je geringer die Widerst\u00e4nde auf dieser Collateralbahn, desto weniger Blut wird den Kn\u00e4ueln Zustr\u00f6men; Druck und Geschwindigkeit in den letzteren kann also durch Ver\u00e4nderung des Lumens jener Arteriolae rectae innerhalb gewisser Grenzen regulirt werden.\nUm die Stromverh\u00e4ltnisse in den Kn\u00e4uelgef\u00e4ssen zu beurtheilen, ist zu ber\u00fccksichtigen, dass das Vas efferens jener Wundernetze erstens durchschnittlich enger ist, als das Vas afferens (Bowman) und zweitens sich in das umspinnende Capillarnetz der Harncan\u00e4lchen aufl\u00f6st. Stromabw\u00e4rts von den Kn\u00e4ueln liegt also eine erhebliche Summe von Widerst\u00e4nden, welche den Druck innerhalb jener steigern, die Geschwindigkeit herabsetzen m\u00fcssen. Eine Verlangsamung des Blutstromes wird aber dort ganz namentlich durch die ausserordentliche Verbreiterung des Strombettes bedingt, welche aus der vielfachen Spaltung des zuf\u00fchrenden Gef\u00e4sses in collaterale Bahnen hervorgeht. \u2014 Von Wichtigkeit ist ferner die Lagerung der Gef\u00e4sse innerhalb des Kn\u00e4uels1: die aus dem Vas afferens hervorgehenden Gef\u00e4sse haben ihre Lage an der Peripherie, w\u00e4hrend das Vas efferens aus den centralen Kn\u00e4uelgef\u00e4ssen entspringt. In Folge dieser r\u00e4umlichen Disposition wird bei Steigerung des Druckes in dem ^ as afferens und den damit zusammenh\u00e4ngenden peripherischen Kn\u00e4uel-gelassen durch die Ausdehnung der letzteren der Kn\u00e4uel auseinandergezogen und der Strom in seinen centralen Gef\u00e4ssen, wie in ihrem Abzugscanale freier. Geht dagegen die Spannung in dem Vas efferens in die H\u00f6he, so werden mit ihm die Centralgef\u00e4sse des Kn\u00e4uels erweitert, in Folge dessen die peripherischen gegen die Kapsel gedr\u00e4ngt und dadurch der Strom in dem Vas afferens beengt. Die In-jectoren wissen lange, dass man wohl mit Leichtigkeit von arterieller, nicht aber von ven\u00f6ser Seite her Injectionsmasse durch die Gef\u00e4sse des Glomerulus hindurch treiben kann.\nEndlich, und das ist der wesentlichste Punct bez\u00fcglich der Kn\u00e4uelbildung, ist zu ber\u00fccksichtigen, dass durch die Verth eilung des Blutes in viele Einzelb\u00e4che eine sehr grosse freie Oberfl\u00e4che behufs der Absonderung hergestellt wird.\nIn den umspinnenden Capillaren der Rinde wird der Blutstrom unter verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringer Spannung stehen, weil einerseits der\n1 C. Ludwig, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-natunv. Cl. XLYIII. 5. Nov. 1S63.","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4iige. 6. Abschn. Harnabsonderung.\ngr\u00f6sste Tlieil des in dieselben einstr\u00f6menden Blutes bereits die Widerstande der Gef\u00e4sskn\u00e4uel \u00fcberwunden, also an Triebkraft sehr ein-geb\u00fcsst hat, andererseits in der Anordnung der Venen besondere Widerstandsursachen nicht vorliegen. Bei ihrer grossen Zahl und ihren vielfachen Anastomosen d\u00fcrften die Rindencapillaren dem Blut-strome minder grosse Widerst\u00e4nde darbieten, als die des Markes mit ihren langgestreckten Maschen und weniger zahlreichen Anastomosen.\nIn der Grenzschicht liegen die aus den Vasis rectis hervorgehenden Gef\u00e4ssb\u00fcschel bekanntlich alternirend mit B\u00fcndeln von Harn-can\u00e4lcken gelagert. Der F\u00fcllungsgrad der B\u00f6hren des einen Systems wirkt demzufolge bestimmend auf die Weite der benachbarten R\u00f6hren des anderen Systems, der Art, dass starke Erweiterung der Venen die Harncan\u00e4leken verengt und umgekehrt.\nAus der eben er\u00f6rterten Anordnung des Blutstromes ergeben sich folgende Schl\u00fcsse bez\u00fcglich der Einwirkung, welche Aenderungen des Blutzuflusses oder Blutabflusses zu resp. von der Niere auf die einzelnen Abschnitte des intrarenalen Gef\u00e4ssgebietes haben muss.\nSteigerung des arteriellen Druckes wird unter allen Umst\u00e4nden, so lange nicht compensatorische Momente durch Gef\u00e4ssverengerung innerhalb der Niere eingef\u00fchrt werden, die Spannung wie die Geschwindigkeit des Blutes innerhalb der Kn\u00e4uel in die H\u00f6he treiben, in um so h\u00f6herem Grade, je enger die arteriellen Bahnen sind, welche das Blut mit Umgehung der Kn\u00e4uel direct in die umspinnenden Capillaren f\u00fchren. In den letzteren wird der Druckzuwachs geringer sein als in den Glomerulis, weil ja der Zuwachs an Triebkraft, mit welchem das Blut in die Kn\u00e4uel eintritt, auf der widerstandsreichen Bahn der letzteren zum guten Theile verbraucht wird.\nUmgekehrt wird Verringerung des ven\u00f6sen Abflusses aus der Niere bei unge\u00e4ndertem Zuflusse in erster Linie auf die umspinnenden Capillaren drucksteigernd wirken, jedenfalls in h\u00f6herem Maasse als auf die Kn\u00e4uelgef\u00e4sse. Denn auf der einen Seite werden entsprechend der Spannungszunahme die Capillaren sich ausdehnen und diese Verbreiterung der Strombahn, wie Ludwig1 hervorhebt, dem Abfl\u00fcsse des Blutes aus den Kn\u00e4ueln zu Gute kommen, wodurch die Stromhemmung, welche aus der intracapillaren Drucksteigerung re-sultirt, zum Theil compensirt wird. Andrerseits ist im Auge zu behalten, dass die umspinnenden Capillaren mit den Arterien ausser durch die l\u00e4ngere und widerstandsreichere Kn\u00e4uelbahn noch durch die k\u00fcrzere und deshalb widerstands\u00e4rmere Bahn directer arterieller\n1 C. Ludwig, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Matb.-naturw. Cl. XL VIH. 1S63. 5. Nov.","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"Der Nierenblutlauf.\n317\nZufl\u00fcsse verkn\u00fcpft ist. Von den Capillaren aus r\u00fcckw\u00e4rts bis zu demjenigen Orte der Arterien, wo diese beiden eollateralen Bahnen auseinander gehen , muss der Druck offenbar schneller auf der k\u00fcrzeren als auf der l\u00e4ngeren Bahn anwachsen. Der Druckzuwachs auf der letzteren wird also bei Hemmung des ven\u00f6sen Abflusses geringer ausfallen, als wenn sie den einzigen Verbindungsweg zwischen Capillaren und Arterien darstellte. Doch kann trotz dieser theilweisen Compensationen ein Druckzuwachs in den Kn\u00e4ueln niemals fehlen, der diesmal, entgegen einem von arterieller Drucksteigerung herr\u00fchrenden, mit Verlangsamung des Blutstromes verkn\u00fcpft sein muss. Es ist jedenfalls ein Missverst\u00e4ndnis, wenn Runeberg1 annimmt, dass bei einer derartigen ven\u00f6sen Stauung der Druck in den Kn\u00e4uel-gef\u00e4ssen bedeutend sinken k\u00f6nne.\nVen\u00f6se Stauung hat aber noch besondere Folgen f\u00fcr die Grenzschicht. Indem ihre Venenb\u00fcndel sich erweitern, verengen oder ver-sehliessen sie' selbst vollst\u00e4ndig die zwischen ihnen b\u00fcndelweise gelagerten Harncan\u00e4lchen, wie Ludwig theils durch anatomische Untersuchung von Hundenieren mit w\u00e4hrend des Lebens unterbundenen Venen, theils durch hydraulische Versuche feststellte. Wurde durch die Arterie einer ausgeschnittenen Niere eine Fl\u00fcssigkeit, in welchen das Gewebe nicht quillt, unter hinreichendem Drucke geleitet, so str\u00f6mte dieselbe aus der Vene continuirlich, aus dem Harnleiter tropfenweise ab; nach Verschluss der Vene h\u00f6rt das Abtropfen auf.\nUmgekehrt wird durch Harnstauung Hemmung des Venenblutstromes herbeigef\u00fchrt. Max Herrmann setzte in die Nierenvene eines narcotisirten Hundes eine Can\u00fcle zum Auffangen des Blutes. So oft gleichzeitig der Harnleiter unter einem Druck von 35 Mm. Quecksilber mit Wasser gef\u00fcllt wurde, verlangsamte sich jedes Mal der ven\u00f6se Ausfluss.2 Harnstauung setzt also ven\u00f6se Stauung durch Compression der Venenb\u00fcndel des Markes, in zweiter Linie Steigerung des Druckes in den umspinnenden Capillaren und damit Stauungs\u00f6dem durch vermehrte Lymphtiltration. Indem sich die Harnstauung bis zu den Kapseln fortsetzt, wird auf die Aussenfl\u00e4che der Kn\u00e4uel ein Gegendruck gegen den in ihrem Innern herrschenden Blutdruck ausge\u00fcbt, welcher letztere selbst in Folge der ven\u00f6sen Stauung eine Steigerung erfahren muss.\n1\tRuneberg, Deutsch. Arch. f. klin. Med. XXIII. S. 41 u. 42. 1S79.\n2\tMax Herrmann. Sitzgsher. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. XLY. S. 345.\n1861.","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderimg.\nW\u00e4hrend st\u00e4rkerer Beth\u00e4tigung der Nierenabsonderung sah Cl. Bernard1 das Blut der Nierenvene, gleich dem der Speichelvenen bei Reizung der Chorda tympani, hellroth werden, also die Geschwindigkeit des Blutstromes in dem Organe so erheblich steigen, dass der Sauerstoffgehalt des Blutes w\u00e4hrend des Durchganges kaum vermindert erschien, wie auch directe Bestimmungen desselben lehrten. Bei Verfolgung der BERNARD\u2019schen Angaben konnte aber Fleischhauer2 nicht durch Steigerung der Absonderungsgeschwindigkeit eine Steigerung der Helligkeit des Venenblutes erzielen, wenn schon er bei v\u00f6lligem Absonderungsstillstand das Venenblut dunkelroth sah.\nB) Einfluss des Blutstromes auf die Wasserabsonderung.\nDie mechanischen Merkmale, durch welche der Blutstrom in den verschiedenen Abtheilungen des Gef\u00e4sssystems charakterisirt wird, liegen in dem Drucke, unter welchem, und in der Geschwindigkeit mit welcher das Blut sich bewegt. Beide Werthe h\u00e4ngen f\u00fcr den Strom in den Gef\u00e4sskn\u00e4ueln ab: 1. von dem Drucke in der Aorta; 2. von den Widerst\u00e4nden auf den arteriellen Zuflussbahnen zu den Kn\u00e4ueln; 3. von den Widerst\u00e4nden auf den ven\u00f6sen Auflussbahnen von den Kn\u00e4ueln.\nEine grosse Zahl von Thatsachen, deren Kenntniss wir den bahnbrechenden Arbeiten Ludwig\u2019s und seiner Sch\u00fcler verdanken, schien sich zu vereinigen, um die Beziehungen des Blutstromes in der Niere zu der Wasserabsonderung dahin auszudr\u00fccken, dass die Geschwindigkeit derselben Function des Druckes in den Kn\u00e4uelgef\u00e4ssen sei, unter \u00fcbrigens gleichen Umst\u00e4nden mit diesem steigend und sinkend. Damit schien sich die Wasserahsonderung als ein durch den Blutdruck hergestellter mechanischer Filtrationsvorgang zu charakterisiren.\nWenn ich die Sicherheit dieser meines Wissens bisher allgemein getheilten Auffassung, die in ihrer einfachen Verst\u00e4ndlichkeit als einer der klarsten Puncte der Secretionslehre gilt, dennoch anzuzweifeln wage, so spreche ich diese Zweifel nur nach langem Z\u00f6gern aus. Aber ich weiss die Gr\u00fcnde, welche mir dieselben aufdr\u00e4ngen, vorl\u00e4ufig nicht zu beseitigen. Eine eingehendere Discussion im Laufe der n\u00e4chsten Capitel wird jedenfalls dazu beitragen, entweder die Filtrationstheorie zu befestigen, wenn meine Bedenken sp\u00e4terhin entkr\u00e4ftet werden sollten, oder jene allerdings f\u00fcr eine grosse Reihe von Thatsachen, aber nicht f\u00fcr die Gesammtheit derselben ausreichende\n1\tCl. Bernurd, Le\u00e7ons sur les propri\u00e9t\u00e9s physiologiques etc. des liquides de l'organisme. II. p. 146 u. fg. 1859.\n2\tJ. Fleischhauer, Eckhard\u2019s Beitr. VI. S. 105 u. fg. 1872.","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Blutstromes auf die Absonderung.\n319\nTheorie durch eine andere Vorstellungsweise zu ersetzen, welche gr\u00f6ssere Allgemeing\u00fcltigkeit beanspruchen darf.\nUm es schon hier auszusprechen, will es mir n\u00e4mlich scheinen, als ob nicht der Druck des Blutes in den Kn\u00e4uelgef\u00e4ssen, sondern seine Geschwindigkeit es sei, welche die Secretionsgeschwin-digkeit des Harnwassers bestimmt, sofern von dieser die Schnelligkeit der Erneuerung des Blutes in den Kn\u00e4uelcapillaren abh\u00e4ngt. Doch kann erst die fernere Darstellung lehren, welche Ihat-saelien mir jene Vorstellung nahe legen. F\u00fcr den Augenblick erw\u00e4chst die Aufgabe, das gesammte Beobachtungsmaterial dem Leser vorzuf\u00fchren.\n1. Abh\u00e4ngigkeit der Wasserabsonderung von dem Aortendrucke.\nUnterhalb eines gewissen Werthes des Aortendruckes (40\u201450 Mm.) h\u00f6rt die Wasserabsonderung in der Niere vollst\u00e4ndig auf; oberhalb dieses Werthes \u00e4ndert sie sich gleichsinnig mit den Schwankungen des mittleren Druckes.\nAenderung des Aortendruckes durch verlangsamte Schlagfolge des Herzens.\nBei Reizung des peripherischen Vagusendes sinkt, sobald eine hinreichende Abnahme der Pulsfrequenz erzielt wird, der Aortendruck und mit ihm die Absonderungsgeschwindigkeit des Harnes.1\nSo erhielt Goll in Ludwig\u2019s Laboratorio bei einem Hunde\n\tIn 30 Min. aus beiden Harnleitern\tBei einem Carotidendruck von\n, .... l Vor der Durchschneidung beider Nv. vagi ....\t9,03 \u2014 15,27 Grm.\t134,1\nNach der Durchschneidung\t10,23\t\u201e\t129,2\nW\u00e4hrend der Vagusreizung\t2,36\t.,\t105,7\nNach\t7.22\t,.\t126,6\nh. Aenderung des Aortendruckes durch Blutentziehung und darauf folgende Wiedereinspritzung des entzogenen Blutes.\nBei Herabsetzung des Aortendruckes durch starke Blutentzie-lmngen nimmt die Harnmenge ab, nach Zur\u00fcckf\u00fchrung des entzogenen Blutes geht sie mit dem Aortendrucke wieder in die H\u00f6he.\nI F. Goll, Ztschr. f. rat. Med. N. F. IV. S. S6 u. fg. 1854. Vgl. Cl. Bernard, Le\u00e7ons sur les liquides de l\u2019organisme. II. p. 157. 1859.","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nG oll erhielt bei einem starken Hunde\n\tHarnmenge in 30 Secunden\tCarotiden- druck\nVor dem Aderlass .\t.\t.\t8,65\u20141 1.28 Grm.\t134.4\nNach Entziehung von 530\t\t\nGrm. Blut\t\t4.92\t..\t119,2\nNach Wiedereinspritzung\t\t\nvon 498 Grm. Blut .\t.\t7,66\t124,9\nIn Folge des Sinkens des Blutdruckes, bedingt durch starken Fl\u00fcssigkeitsverlust, versiegt w\u00e4hrend des Stad, algidum der Cholera der Harn, noch bevor irgend welche Structurver\u00e4nderungen in der Niere eingetreten sind.1\nc. Aenderung des Aortendruckes durch Schliessung einer gr\u00f6sseren Zahl\num fan greicher Arterien.\nWird der Aortendruck durch Schliessung einer gr\u00f6sseren Zahl\no\tc?\nvon Arterien gesteigert, so nimmt die Harnmenge zu.\nGoll beobachtete bei einem Hunde\n\tHarnmenge in 30 Secunden\tCarotiden- druck\nVor der Unterbindung . Nach Unterbindung von\t8,76\t127,5\n6 Arterien2\t\t21,22\t142,0\nNach L\u00f6sung der Ligaturen\t12.54\t121,6\nWenn in den ersten Stadien cirrhotischer Erkrankung der Niere eine Anzahl von Kn\u00e4ueln und Harncan\u00e4lchen durch interstitielle Bindegewebswucherung ver\u00f6det, tritt Polyurie ein.3 Hier spielt die Verdr\u00e4ngung des Blutes aus den unwegsam gewordenen Kn\u00e4ueln in die erhaltenen eine \u00e4hnliche Rolle, wie in jenem Goufschen Versuche die Verdr\u00e4ngung des Blutes aus der Bahn der unterbundenen Arterien in die Nierenarterien. Die Steigerung der Blutzufuhr zu den erhaltenen Kn\u00e4ueln \u00fcbercompensirt f\u00fcr die Wasserabsonderung die Verkleinerung der secernirenden Fl\u00e4che.\nVon der Verdr\u00e4ngung von Blut aus der K\u00f6rperperipherie nach den innern Organen h\u00e4ngt es auch wohl ab, dass die Harnsecretion bei starker Abk\u00fchlung der K\u00f6rperoberfl\u00e4che sich beschleunigt, w\u00e4hrend umgekehrt Erw\u00e4rmung derselben Verlangsamung der Wasserabsonderung in der Niere nach sicli zieht.4\n1\tBartels, Ziemssen\u2019s Handbuch der spec. Pathologie. IX. (I) S. 15. 1S75.\n2\tBeide Carotiden, Crurales und Cervicales adscendentes.\n3\tBartels, Ziemssen\u2019s Handbuch der spec. Pathologie. IX. (1) S. 391. 1875.\n1 Kolomann M\u00fcller, Arch. f. exper. Pathol. 1. S. 429 u. fg. 1873.","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Blutstromes auf die Absonderung.\n321\nd. Herabsetzung des Aortendrucks durch R\u00fcckenmarksdurchschneidung.\nDass nach Durchschneidung des R\u00fcckenmarkes in seinem Hals-tlieile die Harnabsonderung auf h\u00f6rt, hat zuerst Cl. Bernard beobachtet. 1 Genauer aber ist der Einfluss dieser Operation von Eckhard'2, sp\u00e4ter von Ustimowitsch3 und Gr\u00fctzner4 untersucht worden. Die Hemmung der Absonderung tritt nach dem ersteren Forscher am Entschiedensten ein, wenn die Durchtrennung im Bereiche des Halsmarkes bis zum Niveau des 7. Halswirbels geschieht; tiefer abw\u00e4rts wird der Erfolg unsicherer, Durchschneidung unterhalb des 12. Brustwirbels f\u00fchrt mitunter sogar Vermehrung des Harnes herbei. Eckhard hielt die Harnstockung f\u00fcr bedingt durch die Trennung specifiseher Absonderungsnerven. Ustimowitsch hat auf das Schlagendste gezeigt, dass die Hypothese besonderer Absonderungsnerven unn\u00f6thig sei und die Erniedrigung des Aortendruckes zur Erkl\u00e4rung vollst\u00e4ndig ausreiche. Sie wird bekanntlich um so erheblicher, je h\u00f6her die Trennung geschieht. Der tiefste Werth des Aortendruckes, bei welchem noch Absonderung beobachtet wird, betr\u00e4gt nach Ustimowitsch 40\u201450 Mm.; nach Gr\u00fctzner ist unter g\u00fcnstigen Bedingungen selbst noch bei 30 Mm. Secretion m\u00f6glich.\n2. Abh\u00e4ngigkeit der Wasserabsonderung von der Gr\u00f6sse der Stromwiderst\u00e4nde in den arteriellen Zuflussbahnen der Glomeruli.\nErniedrigung des Aortendruckes setzt unter \u00fcbrigens gleichen Umst\u00e4nden Druck und Geschwindigkeit des Blutes in den Gef\u00e4ss-kn\u00e4ueln herab. Beide Werthe werden aber auch bei unver\u00e4ndertem Aortendrucke beeinflusst durch die Widerst\u00e4nde, welche der Blutstrom von der Aorta bis zu den Kn\u00e4ueln findet, Erh\u00f6hung derselben erniedrigt den Druck wie die Geschwindigkeit und mit ihnen die Wassersecretion, Herabsetzung hat den umgekehrten Erfolg.\na. K\u00fcnstliche Verengerung der Nierenarterie.\nWenn Max Herrmann mittelst der oben sub I, 2, b besprochenen Methode die Nierenarterie hinreichend verengte, um den Ausfluss des Blutes aus der Nierenvene zu verlangsamen, trat regelm\u00e4ssig erhebliche Verringerung der Harnabsonderung ein ; sie stockte bei fortschreitender Verengerung ganz, noch bevor die Blutzufuhr zur Niere vollst\u00e4ndig versiegt war. Doch kamen bei diesen Beobachtungen drei merkw\u00fcrdige Ausnahmen vor, in denen selbst bei v\u00f6lliger Schliessung\n1\tCl. Bernard, Le\u00e7ons sur les liquides de l\u2019organisme. IL p. 153. 1859.\n2\tG. Eckhard, Beitr\u00e4ge zur Anatomie und Physiologie. \\ . S. 153. 1870.\n3\tC. Ustimowitsch, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1870. 12. Dec.\n4\tP. Gr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. XL S. 372. 1875.\nHandbuch der Physiologie. Bd. Y.\n21","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nder Nierenarterie der Harnstrom unvermindert fortdauerte, Dank der Anwesenheit ausserge wohnlich er arterieller Zufl\u00fcsse durch die Nierenkapsel von solcher Weite, dass sie f\u00fcr die Nierenarterie eintreten konnten.\nIst die Nierenarterie auch nur kurze Zeit vollst\u00e4ndig verschlossen gewesen, so stellt sich bei Wiederer\u00f6ffnung die Absonderung nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit wieder her. Die Secretions-pause kann bis gegen 45 Minuten dauern (M. Herrmann).\nb. Durchschneidung der Gef\u00e4ssnerven der hSiere hat Steigerung, Reizung derselben Herabsetzung der Wasserabsonderung im Gefolge.\nAuch in Bezug auf diese Eingriffe r\u00fchren die ersten Beobachtungen von Cl. Bernard', die gr\u00fcndlicheren von Eckhard- her. Beim Hunde beginnt nach der Trennung der Nierennerven die Polyurie langsam, mitunter nach kurzer Absonderungspause, und steigt im Laufe von V2\u20141 Stunde zu einem maximalen Werthe, auf welchem sie sich l\u00e4ngere Zeit h\u00e4lt. Von allen zu dem Nierengeflechte tretenden Nerven soll nach Eckhard nur der oberste (Splanchnicus major, s. oben I, 2, b) den beregten Einfluss besitzen, die Durchschneidung der tieferen vom Sympathicus zum Nierengeflechte tretenden F\u00e4den einflusslos sein. Bei der Heizung des Splanchnicus tritt v\u00f6lliger Secretionsstillstand ein.\nWenn Eckhard bei Kaninchen den Erfolg der Splanchnicus-Trennung sehr zweifelhaft fand, so erkl\u00e4rt sich diese Wahrnehmung nach einer Bemerkung von Ustimowitsch3 aus der bekannten That-sache, dass bei diesen Thieren die Trennung der Splanchnici den Aortendruck in viel erheblicherem Maasse herabsetzt, als bei Hunden, wodurch nat\u00fcrlich die Erweiterung der arteriellen Nierenschleusen f\u00fcr die Glomeruli unwirksam gemacht werden kann.\nFr\u00fchere Beobachter haben nach Durchschneidung der Nierennerven den Harn h\u00e4ufig eiweisshaltig und blutfarbstoffhaltig werden sehen, so Krimer4, nach welchem in Folge jener Operation der Harn \u00e4rmer an Harnstoff, Harns\u00e4ure, Phosphors\u00e4ure, Salzen werden, dagegen Eiweiss und Blutfarbstoff1 2 aufnehmen sollte; \u00e4hnlich Br\u00e4chet5, welcher damit nicht zufrieden war, die Nierennerven zu zerreissen, worauf er ebenfalls blutigen Harn erhielt, sondern zum Zwecke der Trennung aller in der Arterienwand verlaufenden Nervenf\u00e4den die Arterie selbst durchschnitt und in dieselbe zur Wiederherstellung des Blutlaufes ein R\u00f6hrchen einsetzte, wo-\n1\tCl. Bernard, Le\u00e7ons sur les liquides de l\u2019organisme. II. p. 163. 169. 1859.\n2\tEckhard, Beitr\u00e4ge zur Anatomie und Physiologie. IV. S. 164 u. fg. 1869.\n3\tC. USTiMOwitsch, Ber. d. Leipziger Ges. 1870. S. 441.\n4\tKrimer, Physiologische Untersuchungen. S. 1\u201460. Leipzig 1820.\n5\tBr\u00e4chet, Untersuchungen \u00fcber d. Vorrichtungen d. Ganglicnnervensystems. Deutsch von Flies. S. 198 u. fg. Quedlinburg und Leipzig 1836.","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Blutstromes auf die Absonderung.\n323\nrauf die Harnabsonderung ganz auf h\u00f6rte. Hierher geh\u00f6ren auch Beobachtungen von Jon. M\u00fcller1 2, welcher mit Peipers die Nierengef\u00e4sse behufs Trennung s\u00e4mmtlicher Nierennerven unterband und darauf die Ligatur wieder l\u00f6ste. In den meisten F\u00e4llen h\u00f6rte die Harnabsonderung\u2019 ganz auf, nur in einem einzigen Falle dauerte sie fort und wurde blutig. \u2014 Wittich- sah nach Exstirpation der eigentlichen Dr\u00fcsennerven (s. oben seine anatomische Beschreibung) weder bei Kaninchen noch bei Hunden H\u00e4maturie und bei letzteren auch nicht Albuminurie auftreten. Lnzweifel-haft trat dagegen Albuminurie nach Zerreissung der die Arterie umspinnenden Gef\u00e4ssnerven ein.\nDer Uebergang von Eiweiss und Blutfarbstoff in den Harn wird, wie es scheint, immer nur dann bemerkt, wenn bei der Nerventrennung durch Insultation der Gef\u00e4sse gr\u00f6bere Circulationsst\u00f6rungen hervorgerufen worden sind. Wie zuerst M. Herrmann zeigte3, kann bei vorsichtigem Operiren die Trennung aller erreichbaren Nerven vorgenommen werden, ohne dass Eiweiss in dem Harn auftritt. Doch kommen allerdings auch in seinen Versuchen solche vor, in denen Albuminurie bald oder nach einiger Zeit sich zeigte. Da aber Knoll4 5 den Hundeharn mitunter von vornherein vor jeder Nerventrennung eiweisshaltig fand, ist auf die Beobachtungen, in denen nach der Trennung das Eiweiss fehlte, gr\u00f6sseres Gewicht zu legen.\nc. Reizung des R\u00fcckenmarkes:\nWie die unmittelbare Reizung der Splanchnici, so hemmt auch Erregung des verl\u00e4ngerten Markes resp. R\u00fcckenmarkes, sei es elec-triscli', sei es durch Atlimungssuspension6, die Wasserabsonderung in der Niere vollst\u00e4ndig: trotz des erheblichen Ansteigens des Aortendruckes verringert sich der Blutzufluss zu den Gef\u00e4sskn\u00e4ueln der Niere wegen nachweisbarer Verengerung der Art. renalis.7 8 Die Spannungserh\u00f6hung in der Aorta pflanzt sich aber mit stark harntreibender Wirkung auf die Nierengef\u00e4sse fort, wenn die Nierennerven getrennt sind. Ist dies einseitig geschehen, so fliesst auf dieser Seite bei den genannten Eingriffen der Harn schneller, w\u00e4hrend er andersseitig vollst\u00e4ndig stockt (Gr\u00fctzner).\nBekanntlich f\u00fchrt Injection von Strychnin in das Blut weit verbreitete Verengerung der Arterien mit consecutiver Steigerung des Aortendruckes herbei.s Man durfte deshalb unter dem Einfl\u00fcsse des Strychnin\n1\tJoh. M\u00fcller, Handbuch der Physiologie. I. S. 384. 1844. \u2014 Peipers, De nervorum in secretiones actione. Diss. Berolini 1834.\n2\tv. Wittich, K\u00f6nigsberger med. Jahrb. III. S. 52 u. fg. 1860.\n3\tMax Herrmann, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLV. S. 319 u. fg. 1861.\n4\tKnoll, Eckhard\u2019s Beitr\u00e4ge. VI. S. 45. Vers. 4. 1872.\n5\tEckhard, Beitr\u00e4ge. V. S. 157. 1870.\n6\tP. Gr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 377. 1875.\n7\tLudwig & Thiry, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. XLIX. S. 5. 1864. \u2014 Gr\u00fctzner a. a. O. S. 379.\n8\tS. Mayer, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXIV. 1871. 9. Nov.\n21*","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nein \u00e4hnliches Verhalten der Harnabsonderung erwarten, wie bei electri-scher oder dyspnoetischer Reizung des Markes: Stockung bei normaler Innervation der Niere, Steigerung nach Durchschneidung ihrer Nerven. Allein \u00fcberraschender Weise versiegt auch in dem letzteren Falle der Harn vollst\u00e4ndig, so lange der Aortendruck hochgradig gesteigert ist (Gr\u00fctzner). Das Strychnin muss mithin die Nierengef\u00e4sse unmittelbar ohne Beih\u00fclfe der Centra zur Verengerung veranlassen. Aelmlich verh\u00e4lt sich w\u00e4hrend der Periode der arteriellen Drucksteigerung die Digitalis ; ihre in der \u00e4rztlichen Praxis ger\u00fchmte harntreibende Wirkung tritt erst um die Zeit zu Tage, wo nach anf\u00e4nglicher Steigerung der Aortendruck wieder zu sinken beginnt, wo die Arterien sich also wieder erweitern.1 2\n3. Abh\u00e4ngigkeit der Wasserabsonderung von den Stromwiderst\u00e4nden innerhalb der\nven\u00f6sen Abflussbahnen der Niere.\nAenderungen des Aortendruckes, wie der Widerst\u00e4nde innerhalb der arteriellen Zufl\u00fcsse beeinflussen den Druck und die Stromge-schwindigkeit in den Kn\u00e4uelgef\u00e4ssen in gleicher Richtung: beide steigen und sinken Hand in Hand. Wenn ihren positiven oder negativen Schwankungen der Wasserstrom der Niere gleichsinnig folgt, so bleibt es zun\u00e4chst offenbar zweifelhaft, ob sich darin eine Abh\u00e4ngigkeit von dem Drucke des Blutes oder von seiner Geschwindigkeit andeutet. Dass man sich f\u00fcr den Druck als treibendes Moment entschied, ist sehr erkl\u00e4rlich, weil sich mit dieser Auffassung die physikalisch verst\u00e4ndliche Annahme einer mechanischen Filtration des Harnwassers in den Nierenkn\u00e4ueln verkn\u00fcpfte.\nAllein wenn eine solche wirklich vorliegt, muss die Wasserabsonderung ausnahmslos mit dem Drucke anwacksen. Eine lange bekannte Erfahrung lehrt, dass diese Consequenz nicht zutrifft. Denn wenn der Druck in den Kn\u00e4ueln durch Verengerung oder Verschliess-ung der Nierenvenen gesteigert wird, tritt nach Uebereinstimmung aller Beobachter ohne Ausnahme sofortige Abnahme des Harnes ein-, wobei der letztere gleichzeitig eiweisshaltig wird.\nDiese Thatsache steht, soweit ich sehe, in schroffstem Widerspruche mit der Druckhypothese, welcher von dem j\u00fcngsten Verteidiger3 derselben auch so schwer empfunden wird, dass er sogar zu dem Schl\u00fcsse sich gedr\u00e4ngt f\u00fchlt, der Druck in den Glomerulis sei -\u2014 die verringerte Absonderung beweise es schon f\u00fcr sich \u2014 bei\n1\tLauder Brunton & Power, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1874. S. 498. \u2014 P. Gr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 383. 1875.\n2\tVgl. z. B. H. Meyer, Arch. f. physiol. Heilk. III. S. 116\u2014118. 1844. \u2014 Fre-richs , Die Bright\u2019sche Nierenkrankheit. S. 276. Braunschweig 1851. \u2014 Pn. Munk, Berliner klin. Wochenschr. 1864. No. 34. S. 334. \u2014 C. Ludwig, Lehrbuch der Physiologie IL S. 275. 1856.\n3\tRuneberg, Deutsch. Arch. f. klin. Med. XXIII. S. 16. 1879.","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Blutstromes auf die Absonderung.\n325\nven\u00f6ser Stauung erheblich vermindert. Es versteht sich von selbst, dass davon keine Rede sein kann, so lange der arterielle Zufluss w\u00e4hrend der ven\u00f6sen Hemmung unge\u00e4ndert bleibt, wie es ja bei Verengerung der Nierenvene der Fall ist.1\nZur L\u00f6sung dieses Widerspruches k\u00f6nnte man sich darauf berufen, dass (vgl. oben II, 1, a) nach den Untersuchungen von Ludwig die Unterbindung der Nierenvene eine hochgradige Anschwellung der Venenb\u00fcndel in der Grenzschicht zur Folge hat, durch welche die Lichtung der zwischen ihnen gelegenen Harncan\u00e4lchen vollst\u00e4ndig verschlossen wird. Man k\u00f6nnte demzufolge annehmen wollen, dass nicht sowohl die Secretion des Harnes, als der Abfluss aus seinem Quellengebiete gehemmt werde. Allein eine derartige colossale Ausdehnung der Venen der Grenzschicht erfordert doch eine gewisse Zeit, w\u00e4hrend der Harn sofort nach Schliessung der \\ene fast vollst\u00e4ndig und in k\u00fcrzester Zeit wirklich vollst\u00e4ndig versiegt. Wer derartige Beobachtungen gemacht', gewinnt die Ueberzeugung, dass es sich um schnelle Unterbrechung der Absonderung selbst handelt. Erw\u00e4gt man nun, dass einerseits Steigerung des Aortendruckes um nur wenige Millimeter oft genug erhebliche Beschleunigung des Harnstromes herbeif\u00fchrt, dass andrerseits bei Verengerung oder gar Verschliessung der Nierenvene eine zweifellos nicht unerhebliche Steigerung des Druckes innerhalb der Kn\u00e4uelgef\u00e4sse stattfinden muss, so scheint hier eine f\u00fcr die Filtrationshypothese v\u00f6llig unverst\u00e4ndliche Erscheinung vorzuliegen.\nWodurch unterscheidet sich denn aber eine durch vermehrten arteriellen Zufluss und eine durch verminderten ven\u00f6sen Abfluss herbeigef\u00fchrte DrucksteigerungV So weit ich sehe, nur dadurch, dass erstere mit vermehrter, letztere mit verminderter Stromgeschwindigkeit verkn\u00fcpft ist. Es wird mithin der Gedanke nahe gelegt, dass nicht sowohl der Druck des Blutes in den.Kn\u00e4uelgef\u00e4ssen, als seine Geschwindigkeit es sei, welche auf den Vorgang der Wasserabsonderung bestimmend wirkt.\nBevor ich diese Folgerung eingehender er\u00f6rtere, sind aber noch weitere Erfahrungen zu besprechen.\n(/. Abh\u00e4ngigkeit der Ausflussgeschwindigkeit des Harnes von dem Drucke\nin den Harnwegen.\nUnter normalen Verh\u00e4ltnissen steht der Harn in den Nieren-can\u00e4lchen wohl zweifellos unter geringem Drucke, da er frei aus der\n1 Bei pathologischen Stauungen, die durch Herzfehler u. s. f. herbeigef\u00fchrt werden, ist das Yerh\u00e4ltniss nat\u00fcrlich ein anderes, wenn gleichzeitig der Aortendruck wesentlich herabgesetzt ist.","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326 Heidenhain. Physiol, d. Ab.iondorungs Vorg\u00e4nge. 6. Absehn. Harnabsonderung.\nPapillennmndung der Haracan\u00e4lchen abstr\u00f6mt. Man kann aber die Spannung in den Harnwegen erh\u00f6hen, wenn man in dem Harnleiter einen Gegendruck anbringt. Ein Quecksilbermanometer, welches in den Ureter gesetzt wird, steigt h\u00f6chstens bis zu der H\u00f6he von 6<> Mm. an.1 Fr\u00fch er hin sind niedrigere Wertlie angegeben worden, denn Loebell2 fand die maximale Spannung in einem l\u00e4ngere Zeit unterbundenen Harnleiter nur zu 7\u201410 Mm. Quecksilber, Herrmann selbst in einer fr\u00fcheren Arbeit3 zu 40 Mm. Meine eignen Wahrnehmungen schliessen sich der ersten Ziffer an. Ich beobachtete einen Maximaldruck von 64 Mm. bei einem gleichzeitigen Aortendrucke von 100 bis 105 Mm.; bei geringeren Wertken des Blutdruckes wurden ungleich niedrigere Werthe des Harndruckes erreicht.\nDas Ansteigen des Manometers geschieht nicht mit gleich massiger Geschwindigkeit, sondern anfangs schneller, sp\u00e4ter langsamer. Daraus folgt, dass der Inhalt der Harnwege anfangs schneller, sp\u00e4ter langsamer zunimmt. Liess Herrmann den Harn unter Druckwerken, welche geringer als jener Maximal druck waren, aus dem Harnleiter ausstr\u00f6men, so ergab sich, dass die Ausflussgeschwindigkeit um so geringer war, je h\u00f6her die Spannung des Uretereninkaltes (und mit ihr die des Inhaltes der Haracan\u00e4lchen).\nDiese Erfahrungen geben der Druckhypothese zun\u00e4chst eine nicht zu untersch\u00e4tzende Unterst\u00fctzung. Ausgehend von der Vorstellung, dass die Wasserabsonderung in den Kn\u00e4ueln rein mechanische Filtration sei, muss sie, wie C. Ludwig so klar dargelegt, abh\u00e4ngig sein von dem Unterschiede des Blutdruckes {II) und der Spannung der Fl\u00fcssigkeit in den Harnwegen (A), also mit dem Werthe der Differenz {II\u2014h) steigen und sinken, \u2014 mit dem erfahrungs-m\u00e4ssigen Zusatze, dass, wenn der absolute Werth von II auf 40 bis 50 Mm. II(j gesunken oder der Werth von h auf 60 Mm. gestiegen ist, die Wasserabsonderung aufh\u00f6rt. Das Alles scheint einfach und verst\u00e4ndlich.\nAber bei genauerem Eingehen sind diese Deutungen der Tkat-sachen doch keineswegs strenge erwiesen.\nSicher und unzweifelhaft darf man allerdings annehmen, dass, wenn wirklich in den Kn\u00e4ueln ein mechanischer I iltrationsvorgang vorliegt, die Menge des in der Zeiteinheit gelieferten Filtrates ab-h\u00e4ngen muss von dem Unterschiede des Blutdruckes {II) und des Gegendruckes (A). \n1\tMax Herrmann, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLA . S. 345. 1861.\n2\tC. F. Loebell, He conditionibus, quibus secretiones in glandulis perficiuntur. Marburgi 1849.\n3\tMax Herrmann, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XXXYI. S. 349. 1859.","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Druckes in den Harnwegen.\n327\nNicht sicher aber ist der R\u00fcckschluss, dass, wenn die Ausflussge-schwindigkeit des Harnes mit der Differenz der empirisch gemessenen Werthe // und h steigt und sinkt, in den Kn\u00e4ueln die Wasserabsonderung auf mechanischer Filtration beruhen m\u00fcsse; denn dieses Verhalten kann noch andere Gr\u00fcnde haben. Die Ausflussgesch windig-keit des Harnes ist ja nicht seine Secretionsgeschwindigkeit. Die Filtrationshypothese nimmt an, dass schon unter gew\u00f6hnlichen Verh\u00e4ltnissen ein mehr oder weniger grosser Theil des Kn\u00e4uelfiltrates in den Harncan\u00e4lchen zur Resorption gelangt. Wer daran zweifeln wollte, wird doch zugeben, dass, wenn der Inhalt der Harncan\u00e4lchen unter merkliche Spannung gesetzt wird, in den Can\u00e4lchen eine Resorption von Wasser durch ihre Wandungen nach aussen stattfinden m\u00fcsse, und dass sie mit der H\u00f6he des Inhaltsdruckes wachsen werde, bis sie schliesslich bei einem gewissen Drucke (/?) die Gr\u00f6sse der Absonderung in den Kn\u00e4ueln erreicht. So liegen die Verh\u00e4ltnisse, wie fr\u00fcher nachgewiesen worden, in den Speicheldr\u00fcsen, in der Leber, im Pankreas, so auch in der Niere: die Druckh\u00f6he (//) giebt diejenige Gr\u00f6sse des Inhaltsdruckes an, bei welcher Absonderung und Aufsaugung im Gleichgewichte stehen. Die letztere findet ihren that-s\u00e4chlichen Ausdruck in dem bei jeder Harnstauung sich entwickelnden Nieren\u00f6dem, welches zum Theil allerdings reines lymphatisches Stauungs\u00f6dem im Gebiete der umspinnenden Capillaren sein mag, zum anderen Theile sicher auf R\u00fcckfiltration des in den Gefasskn\u00e4ueln abgeschiedenen Harnwassers durch die Wandungen der Harncan\u00e4lchen in die Lvmphr\u00e4ume beruht.\nAus dem Er\u00f6rterten geht hervor, dass die Ausflussgeschwindig-keit, welche der Harn bei Gegendruck in dem Ureter besitzt, kein Maass ist f\u00fcr seine Absonderungsgeschwindigkeit, denn jene h\u00e4ngt nicht blos von der letzteren, sondern auch von der Geschwindigkeit der durch den Gegendruck herbeigef\u00fchrten Resorption in den Can\u00e4lchen ab. Es ergiebt sich ferner, dass der Druck k, bei welchem das Harnleitermanometer zu steigen auf h\u00f6rt, kein Maass abgiebt f\u00fcr den Werth der Triebkr\u00e4fte, welche das Harnwasser in die Can\u00e4lchen \u00fcberf\u00fchren, sondern zun\u00e4chst nur den Inhaltsdruck bezeichnet, bei welchem der Inhalt der Harnwege nicht mehr w\u00e4chst, weil in jedem Augenblicke in dieselben ebenso viel Fl\u00fcssigkeit eintritt, als aus ihnen austritt, wobei \u00fcber die absoluten Mengen der ein- und austretenden Fl\u00fcssigkeitsmengen gar Nichts auszusagen ist. Dass bei jenem Druck-werthe die Wasserabsonderung wirklich aufgeh\u00f6rt habe, ist eine un-erwiesene und nach allen Erfahrungen an anderen Dr\u00fcsen nicht wahrscheinliche Voraussetzung.","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nWenn diese Betrachtung richtig ist, \u2014 und ich sehe in derselben keinen Punct, der angezweifelt werden k\u00f6nnte, \u2014 so ist der Schluss unvermeidlich, dass, wenn auch thats\u00e4chlich mit der Gr\u00f6sse der Differenz {H\u2014h) die Ausflussgeschwindigkeit des Harnes steigt und sinkt und wenn auch bei dem Werthe h = 60 Mm. Hg das Steigen des Harnmanometers aufh\u00f6rt, daraus weder mit Nothwendigkeit folgt, dass der Process, welcher das Wasser in die Harnwege \u00fcberf\u00fchrt, eine mechanische Filtration sei, noch dass die Triebkraft, welche diese Ueberf\u00fchrung bewirkt, in dem Druckwerthe von 60 Mm. Hg ihr Maass findet.\ne. Vergleich der Gallen- und Harnabsonderung.\nAuf die in den vorigen Abschnitten ausgesprochenen Bedenken gegen die Erweise f\u00fcr die Druckhypothese bin ich nicht von ungef\u00e4hr gekommen, sondern durch einen Vergleich der Gallen- und der Harnabsonderung geleitet worden.\nBeide Absonderungsprocesse steigen und sinken mit dem Aortendrucke, wenn schon die Gallenabsonderung noch bei sehr niedrigen Werthen desselben fortbesteht, bei welchen die Harnabsonderung bereits aufh\u00f6rt.\nBeide Secretionen nehmen ab bei mechanischer Verengerung der zuf\u00fchrenden Blutgef\u00e4sse (Nierenarterie und Pfortader), und h\u00f6ren bei v\u00f6lligem Verschluss derselben auf, um nach Wiederer\u00f6ffnung nur langsam sich wieder herzustellen.\nBeide Absonderungen erniedrigen sich nach Durchschneidung des R\u00fcckenmarkes.\nBeide Absonderungen verlangsamen sich oder stehen still bei Reizung des R\u00fcckenmarkes und der Nv. splancknici.\nBeide steigen nach Durchschneidung der Nv. splanchnici.\nBeide Secrete fliessen langsamer aus, wenn in den ableitenden We gen ein Gegendruck angebracht wird; ein Manometer, in die Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge der Niere resp. Leber eingesetzt, h\u00f6rt bei bestimmten Druckwerthen zu steigen auf.\nIn der Leber, wie in der Niere w\u00e4chst und sinkt also die Absonderungsgeschwindigkeit des Secretwassers mit dem Anschwellen und Abschwellen des Blutstromes innerhalb des Absonderungsorganes. Zieht man nur die bisher aufgef\u00fchrten Thatsachen in Betracht, so f\u00fchrt die physikalische Logik fast mit Nothwendigkeit zu dem Schl\u00fcsse, dass der Blutdruck die Wasserfiltration als mechanischen Vorgang herbeif\u00fchre. Diese Deutung kn\u00fcpft an gel\u00e4ufige physikalische Vor-","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"Vergleich der Gallen- und Harnabsonderung.\n329\ngange an; die Blutgeschwindigkeit in Betracht zu ziehen, liegt zun\u00e4chst kein Grund vor.\nAber es entsteht schon eine gewisse Verlegenheit, wenn man das Verhalten der Blutcapillaren gegen\u00fcber einer arteriellen Drucksteigerung an anderen Orten des K\u00f6rpers in Betracht zieht. Paschutin1 hat unter Ludwig\u2019s Leitung gezeigt, dass in den Capillaren der Vorderextremit\u00e4t des Hundes keine merkliche Steigerung der Fl\u00fcssigkeits-liltration (Lymphbildung) herbeigef\u00fchrt werden kann, wenn man den Druck in ihnen durch Trennung des Plex. brachialis und gleichzeitige B\u00fcckenmarksreizung auch noch so hoch steigert. Dasselbe negative Ergebniss hat Emminghaus2 an der Hinterextremit\u00e4t des Hundes erlangt. Es sei ferner daran erinnert, dass ich an der Speicheldr\u00fcse (s. oben Abschnitt I) bei gleichzeitiger Reizung der Chorda und des R\u00fcckenmarkes nicht die geringste Vermehrung der Lymphbildung (bei atropinisirten Hunden) constatiren konnte, trotzdem dass der Druck in den Capillaren bei diesem Verfahren nahezu die H\u00f6he des vollen, durch die R\u00fcckenmarksreizung enorm gesteigerten Carotiden-druckes erreichen muss.\nEs ist also mindestens keine allgemeine Eigenschaft der Capillaren, bei Steigerung des Druckes durch vermehrte arterielle Blutzufuhr gr\u00f6sseren Fl\u00fcssigkeitsmengen durch ihre Wandung den Durchgang zu gestatten.\nSollen sich die Capillaren der Nierenkn\u00e4uel anders verhalten, so m\u00fcssen sie specifische Einrichtungen besitzen. Sie haben nun allerdings die besondere anatomische Eigenth\u00fcmlichkeit, dass ihre Aussenfl\u00e4che mit einer Epithelialschicht \u00fcberkleidet ist. Allein diese kann, rein mechanisch betrachtet, offenbar die Widerstandsf\u00e4higkeit gegen den Filtrationsdruck nur steigern. Wissen wir doch aus den interessanten Beobachtungen Leber\u2019s3 an der Hornhaut, dass diese ihre F\u00e4higkeit, einem Filtrationsdrucke von 200 Mm. Quecksilber Widerstand zu leisten, nur der einfachen Epithellage der Descemet\u2019-schen Membran verdankt, nach deren Abpinselung Fl\u00fcssigkeit mit Leichtigkeit hindurch getrieben wird. Im lebenden Auge ist es allein jenes Epithel, welches das Hornhautgewebe vor dem Eindringen des Kammerwassers sch\u00fctzt; nach localer Entfernung der Zellen findet sofort Imbibition mit Humor aqueus statt. Es ist also aller Analogie nach nur zu erwarten, dass das Aussenepithel des Glomerulus die\n1\tPaschutin, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1S73. S. 95.\n2\tEmminghaus, Ebenda. 1873. 26. Juli.\n3\tLeber. Arch. f. Ophthalmologie. XIX. 2. S. 125.","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330 Heidenhain. Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nmechanische Widerstandsf\u00e4higkeit der Capillarwand gegen den Blutdruck verst\u00e4rke.\nAlle diese Erfahrungen m\u00fcssen es bedenklich erscheinen lassen, in der Beschleunigung der Leber- und Nierenabsonderung bei Beschleunigung des eapillaren Blutstromes eine A irkung der mit der letzteren verbundenen eapillaren Drucksteigerung zu sehen.\nDiese Bedenken gegen die Druckhypothese verst\u00e4rken sich An-gesichts der Thatsache, dass Verengerung der unteren Hohlvene oberhalb des Zwerchfelles oder oberhalb der Nierenvene die Secre-tionsgeschwindigkeit in der Leber, wie in der Niere herabsetzt, trotzdem dass der Blutdruck in den Capillaren des Secretionsbezirkes steigt. Diese Beobachtung ist mit der Druckhypothese unvereinbar.\nVollends wird sie f\u00fcr die Leber unhaltbar, wenn man erf\u00e4hrt, dass ein in den Duct, choledochus gesetztes Manometer ungef\u00e4hr doppelt so hoch steigt, als in einem Pfortaderzweige1 : danach kann der Druck des Blutes in den Lebercapillaren nicht das Bestimmende oder vielmehr Treibende f\u00fcr die Gallenabsonderung sein. Die oben mitgetheilten Thatsachen verlangen eine andere Deutung.\nDie Leberzellen bewirken, wie schon fr\u00fcherhin besprochen, die Absonderung durch eine active, mit ihren Lebenseigenschaften verkn\u00fcpfte Th\u00e4tigkeit, deren Intensit\u00e4t innerhalb gewisser Grenzen von der Blutmenge abh\u00e4ngt, welche in der Zeiteinheit die Leberl\u00e4ppchen durchsetzt; \u2014 diese Vorstellung leistet allen Thatsachen Gen\u00fcge.\nUnd nun die Niere? Sie hebt zwar ein Harnleitermanometer nie \u00fcber die H\u00f6he des Aortendruckes. Allein der Maximaldruck des Harnleitermanometers giebt kein Maass f\u00fcr die Secretionskraft, sondern h\u00f6chstens eine untere Grenze, \u00fcber welche dieselbe vielleicht weit hinausgeht.\nWenn nun einerseits die Gesammtheit aller Thatsachen zwar nicht den Blutdruck als treibende Kraft f\u00fcr das Harnwasser ansehen l\u00e4sst, weil unter Umst\u00e4nden trotz steigenden Capillardruckes die Absonderungsgeschwindigkeit sinkt, andrerseits aber ausnahmslos die Secretionsgeschwindigkeit mit der Blutgeschwindigkeit in den Kn\u00e4ueln auf- und abschwankend sich erweist, so wird doch die Erw\u00e4gung ernstlich nahe ger\u00fcckt, ob nicht, wie in der Leber, so auch in der Niere die Geschwindigkeit als das die Wasserabsonderung beeinflussende Moment anzusehen sei. Wenn aber diese Folgerung, welche Nichts ist, als ein die unmittelbar beobachteten Thatsachen zusammenfassender Ausdruck als richtig angesehen werden sollte, so wird, so\nl Vgl. oben S. 269.","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"Die Waseerabsonderimg beruht auf activer Thatigkeit der Kn\u00e4uelgef\u00e4sse. 331\nviel ich sehe, cler weitere Schluss unvermeidlich, dass die Wasserabsonderung in der Niere auf einer activen Thatigkeit der Zellen d e r K n \u00e4 u el g e fil s s e beruht, deren Maass d u r c h d i e Menge des in der Zeiteinheit sie tr\u00e4nkenden Blutes bestimmt wird.\nIch verkenne keinen Augenblick das Wagniss, neben die bisherige einfache und ihrer klaren Verst\u00e4ndlichkeit halber allgemein bereitwilligst aufgenommenen Vorstellung, nach welcher die Wasserabsonderung in den Kn\u00e4ueln auf einfacher mechanischer Filtration beruhen solle, die nichts weniger als mechanisch verst\u00e4ndliche Annahme zu setzen, dass es active Zellth\u00e4tigkeit sei, welche das Wasser aus dem Blute herausbef\u00f6rdere. Diese Annahme ist, so wird man mir entgegnen, nicht eine Erkl\u00e4rung, sondern eine Verlegung der Schwierigkeit des Verst\u00e4ndnisses an einen andren Ort; denn was die Th\u00e4tigkeit einer Absonderungszelle sei, worauf sie beruhe, wissen wir an keiner Stelle. Allein wenn eine physikalische Deutung nur auf eine gewisse Zahl von Erscheinungen passt, andre unerkl\u00e4rt l\u00e4sst, so wird ihre Berechtigung zweifelhaft. Es hilft Nichts, vorl\u00e4ufig \u00fcber den Mangel hinwegzusehen; es ist f\u00f6rderlicher ihn offen anzuerkennen und den Punct zu bezeichnen, wo die fernere Forschung anzusetzen hat.\nF\u00fcr alle \u00fcbrigen Dr\u00fcsen ohne Ausnahme wissen wir bereits mit Sicherheit, dass die Wasserbewegung aus dem Blute in die Secretions-r\u00e4ume nicht auf einfacher Filtration beruht. Die Vorg\u00e4nge in der lebenden Zelle treten uns \u00fcberall ohne Ausnahme als das Object entgegen, dessen Erforschung zun\u00e4chst die Mittel der Chemie und Physik beansprucht, weil die Zelle \u00fcberall die Vermittlerin der Absonderung ist. Wenn ich zu dieser Auffassung auch f\u00fcr die Niere gelange, so treibt mich dazu die Unzul\u00e4nglichkeit der Filtrationstheorie, die sich in dein Folgenden noch an manchen Stellen zeigen wird.\nBevor ich aber meine Auffassung weiter begr\u00fcnde, ist es erforderlich, auf andre, die Wasserabsonderung betreffende Thatsachen einzugehn.\n3. Abh\u00e4ngigkeit der Wasserabsonderung von der Zusammensetzung\ndes Blutes.\nA) Der Wassergehalt des Blutes.\nI. Thats\u00e4chliches.\nDass Verminderung lind Vermehrung des Wassergehaltes des Blutes in hohem Maasse auf die Wasserabsonderung durch die Nieren wirkt, daf\u00fcr giebt schon die allt\u00e4gliche Erfahrung zahlreiche und bekannte Beweise: jede Zufuhr von Wasser l\u00e4sst die Harnfluth anschwellen, jeder Wasserverlust des Blutes auf anderen Wegen (Ausscheidungen durch Haut und Darm) den Harnstrom sinken.","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nDoch hat der Parallelismus zwischen dem Wassergehalte des Blutes und dem Harnwasser seine Grenze. Bei v\u00f6lliger Abstinenz geht zwar in den allerersten Tagen die Harnabsonderung schnell herunter, sehr bald aber wird sie f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit constant, um erst kurz vor dem Tode wieder nochmals abzunehmen.\nSo schied z. B. eine verhungernde Katze, welche Bidder und Scrmidt 1 beobachteten, pro Kilogramm in 24 Stunden aus: am ersten Hungertage 37,09 Grm., am zweiten Hungertage 22,00 Grm. Von da ab schwankten die Wassermengen bis zum 16. Hungertage zwischen 18 und 26 Grm. regellos hin und her. Aehnlich bewegte sich die Harnmenge einer verhungernden Katze bei Voit2 vom 2.\u201413. Hungertage gleichm\u00e4ssig zwischen 35\u201448 Grm.\nDaraus ergiebt sich, dass, wenn der Wassergehalt des Blutes unter eine gewisse Grenze sinkt, die Absonderung durch die Nieren ann\u00e4hernd gleichm\u00e4ssig und unabh\u00e4ngig von der Blutconeentration wird. Das Blut der Vorr\u2019schen Katze war am Ende der Hungerperiode reicher an festen Bestandtheilen als beim Beginne.\nGegen eine Vermehrung des Blutwassers ist die Niere in hohem Grade empfindlich. Bald nachdem sie eingetreten, beginnt vermehrte Harnabsonderung, durch welche der Ueberschuss fortgeschafft wird. Nach reichlichem Wassertrinken erreicht die Harnfluth in 2 \u2014 3 Stunden ihr Maximum, in 5\u20146 Stunden ihr Ende3] wobei nach Falk die ganze \u00fcbersch\u00fcssige Wassermenge durch die Nieren, nach Ferber ein Theil derselben durch Hautausd\u00fcnstung entfernt wird.\nDas Bem\u00fchen, bestimmte zahlenm\u00e4ssige Beziehungen zwischen der Steigerung des Blut- und Harnwassers zu finden, hat nicht zu wesentlichen Ergebnissen gef\u00fchrt. Injicirt man unmittelbar in das Blut gr\u00f6ssere Mengen Wassers, so wird der Harn in Folge massenhafter L\u00f6sung von Blutk\u00f6rperchen eiweiss- und h\u00e4moglobinhaltig.4 Die St\u00f6rung der normalen Absonderung l\u00e4sst sich vermeiden, wenn man das Wasser successive in kleinen Portionen5 oder statt desselben einprocentige Kochsalzl\u00f6sung6 einspritzt. Auffallend genug, geht nach derartigen directen Einf\u00fchrungen in das Blut die Harnabsonderung\n1\tBidder & Schmidt, Die Verdauungss\u00e4fte und der Stoffwechsel. S. 313. Mitau und Leipzig 1852. Es wurde der Wassergehalt des Harnes und der Faces zusammen bestimmt ; doch war der letztere verschwindend gering.\n2\tVoit, Ztschr. f. Biologie. II. S. 365. 1866.\n3\tC. Ph. Falck, Virchow\u2019s Arch. d. Heilk. XL S. 139. 1852. \u2014 Ferber, Ebenda. S. 244. 1860.\n4\tKjerulf, Ztschr. f. rat. Med. N. F. III. S. 279. 1853. \u2014 Max Herrmann, Arch, f. pathol. Anat. XVII. S. 456. 1859.\n5\tWestphal, Arch. f. pathol. Anat. XVIII. S. 516. 1860.\n6\tBock & Hoffmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1871. S. 556. \u2014 Kllz, Eckhard's Beitr\u00e4ge. VI. S. 119. 1872.","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Wassergehaltes des Elutes.\n333\nnicht unter allen Umst\u00e4nden der Vermehrung\u2019 des Blutwassers parallel. Die Steigerung derselben kann nach wenigen Minuten (Beispiele bei K\u00fclz) oder erst nach Stunden (Westphal) beginnen und vielfach auf- und abschwanken, bevor sie zur Norm zur\u00fcckkehrt, auch wenn die Nervi splanchnici durchschnitten sind (Beispiele bei K\u00fclz). Daraus folgt, dass die Absonderung nicht blos durch die mechanischen Bedingungen der Blutstr\u00f6mung und die chemische Zusammensetzung des Blutes bestimmt wird, sondern noch von anderen, in wechselnden Zust\u00e4nden der Niere liegenden Momenten beeinflusst wird.\nDie erstaunliche Leistungsf\u00e4higkeit der Niere beim Fortschaffen von Wasser beweisen Zahlenergebnisse von Bock und Hoffmann, wie von K\u00fclz. Erstere Hessen z. B. einem Kaninchen im Laufe von 9 Stunden allm\u00e4hlich 3200 Ccm. einprocentiger Kochsalzl\u00f6sung in das Blut fliessen; die Nieren secernirten in dieser Zeit nicht weniger als 2304 Ccm., d. h. 256 Ccm. pro Stunde! Der Harn beh\u00e4lt bis zuletzt seine normale qualitative Zusammensetzung, wie K\u00fclz ausdr\u00fccklich nachwies.\n2. Theoretisches.\nDie Deutung der Thatsache, dass bei Wasserzufuhr zum Blute die Wasserabsonderung in der Niere steigt, st\u00f6sst f\u00fcr die Filtrationstheorie auf nicht geringe Schwierigkeiten. Es liegt vom Standpuncte derselben aus am N\u00e4chsten, die Vermehrung des Gef\u00e4ssinhaltes anzuklagen, sofern damit in erster Linie Drucksteigerung, in Folge der letzteren Steigerung der Filtrationsgeschwindigkeit verkn\u00fcpft sei.\nAllein wir wissen aus einer grossen Zahl neuerer Untersuchungen, dass Vergr\u00f6sserung des Fl\u00fcssigkeitsvolumens innerhalb des Gef\u00e4ss-svstems lange nicht in dem fr\u00fcherhin vermutheten Maasse Drucksteigerung herbeif\u00fchrt1: regulatorische Vorrichtungen innerhalb des Gef\u00e4sssystems passen dasselbe erheblich gesteigerten Fl\u00fcssigkeitsmengen der Art an, dass der mittlere Arteriendruck so gut wie unver\u00e4ndert bleibt.\nEin weiterer Beweis daf\u00fcr, dass nicht die Aenderung des Fl\u00fcssigkeitsvolumens an sich zur Erkl\u00e4rung herbeigezogen werden darf, liegt in der Beobachtung Ponfick\u2019s2, dass man Hunden sehr bedeutende Mengen von Serum oder Hundeblut ohne merkliches Ansteigen der Harnabsonderung injiciren darf. \u201eEs fehlt der Harnsecretion, so recht im Gegens\u00e4tze zu allen landl\u00e4ufigen Voraussetzungen, jede Analogie mit den Erscheinungen, wie sie nach Aufnahme von Wasser in die\n1\tYgl. u. a. Worm M\u00fcller, Ber. d. s\u00e4clis. Ges. d. Wiss. 1873. 12. Dcc. \u2014 Cohn-heim & Lichtheim, Arch. f. pathol. Anat. LXIX. S. 114. 1S77. \u2014 K\u00fclz. Eckhard\u2019s Beitr\u00e4ge. VI. S. 166. 1S72.\n2\tPonfick, Arch. f. pathol. Anat. LXII. S. 277 u. fg. 1S75.","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"J\n334 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nBlutbahn von Seiten des Verdauungstractus constant zum Ausdrucke gelangen. Trotz reichlicher und pl\u00f6tzlicher Zufuhr nimmt im Laufe der n\u00e4chsten 24 Stunden die Menge des Urins gar nicht oder doch nur ganz unerheblich zu. \u201c\nUebereinstimmend hat neuerdings J. Pawlow 1 gezeigt, dass, wenn vom Magen aus sehr grosse Fl\u00fcssigkeitsmengen resorbirt sind, wobei die Harnabsonderung sich erheblich verst\u00e4rkt, der Blutdruck keineswegs steigt, sondern sogar eher sinkt.\nEs ist also nicht die Vermehrung des Blutvolumens mit ihren mechanischen Folgen, welche bei Wasserzufuhr zum Blute die Steigerung der Nierenabsonderung herbeif\u00fchrt.\nZur Deutung derselben hat man ferner auf physikalische Erfahrungen znr\u00fcekgegriffen, nach welchen bei Filtration von Fl\u00fcssigkeiten durch thierische Membranen die Filtrationsmenge bei gleichem Drucke w\u00e4chst, wenn die Concentration sinkt.\nSo sah Weickart1 2 durch Kalbsblase in derselben Zeit, in welcher 100 Vol. Wasser filtrirten, bei gleichem Drucke (5\u20149\" Quecksilber) und gleicher Temperatur hindurchgehen\nVon einer L\u00f6sung von\tBei einem Gehalte von 2%\t1 von 4\u00b0 o\t\nK\u00f6hlens. Kali....\t99,69\t75,16\nK\u00f6hlens. Natron .\t.\t.\t88,42\t76,31\nChlorkalium .\t.\t. '.\t72,72\t56,36\nSchwefels. Natron .\t.\t68,33\t44,44\nHarnstoff\t\t93,50\t89,61\nZucker\t\t90.37\t68.04\nu. s. f.\nAllein dieses durch Versuche mit todten thierischen Membranen ermittelte Gesetz hat mindestens keine Allgemeing\u00fcltigkeit f\u00fcr die Capillarmembranen des thierischen Organismus. Denn nach den sch\u00f6nen Versuchen von Cohnheim und Liciitheim3 beobachtet man bei Thieren, deren Blut durch massenhafte Einf\u00fchrung einprocen-tiger Kochsalzl\u00f6sung in solchem Grade verd\u00fcnnt wird, dass sein Gehalt an festen Theilen bis gegen 11 Qo heruntersinkt, nur an gewissen Orten vermehrten Wasseraustritt durch die Capillarw\u00e4nde, an anderen dagegen keine Spur gesteigerter Fl\u00fcssigkeitsausscheidung. W\u00e4hrend z. B. in dem Bindegewebe der Darm- und Magenschleim-\n1\tJ. Pawlow, Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 215. 222. 1879.\n2\tWeickart, Arch. d. He\u00fck. I860. S. 69. Vgl. auch AV. Schmidt, Ann. d. Physik. XCIX. 1856.\n3\tCohnheim & Lichtheim, Arch. f. pathol. Anat. LX1X. S. 114. 1877.","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Wassergehaltes des Blutes.\n335\nhaut, der Mesenterialdr\u00fcsen, des Pankreas, der Speicheldr\u00fcsen hochgradige Oedeme auftraten, w\u00e4hrend gleichzeitig starker Ascites sich einstellte, fand sich niemals eine Spur von Oedem in der Haut und in dem Bindegewebe der Muskeln, niemals gesteigerte Lymphbildung an den Extremit\u00e4ten, niemals eine Spur von Fl\u00fcssigkeit in dem Herzbeutel und den Pleuralh\u00f6hlen.\nDie Capillarmembranen verhalten sich also anders als todte thie-rische H\u00e4ute: sie gestatten oder verwehren dem Wasser den Durchtritt nach Maassgabe von Bedingungen, welche bisher kein k\u00fcnstlicher Filtrationsversuch dargestellt oder nachgeahmt hat.\nDiese Bedingungen sind aber mit dem lebenden Zustande der Zellen verkn\u00fcpft; denn noch niemals ist es gelungen, der ausgeschnittenen, sorgf\u00e4ltig von ihrer Arterie aus durchbluteten Niere Harn oder auch nur ein eiweissfreies w\u00e4ssriges Filtrat zu entlocken: aus dem Harnleiter Hiesst nur eine dem Blutserum \u00e4hnliche Fl\u00fcssigkeit.1\nUnd so weisen die Erfahrungen \u00fcber die Regulation, welche der Wassergehalt des Blutes durch die Th\u00e4tigkeit der Nieren erf\u00e4hrt, auf die Wirksamkeit von Umst\u00e4nden hin, welche sich vorl\u00e4ufig einer einfachen physikalischen Definition entziehen, weil sie sich an Eigenschaften kn\u00fcpfen, welche die Zellen des Gef\u00e4sskn\u00e4uels w\u00e4hrend des Lebens besitzen und durch welche diese vor denen anderer Gef\u00e4ss-territorien wesentlich charakterisirt werden.\n3. Zur physiologischen Charakteristik der Glomerulusepithelien.\nAber welcher Zellen? Und welches sind ihre charakteristischen Eigenschaften?\nUnfraglich kann es sich, wie schon oben ausgef\u00fchrt worden, zun\u00e4chst nur um diejenigen Zellen handeln, welche in zusammenh\u00e4ngender Lage die Kn\u00e4uelcapillaren an ihrer Aussenfl\u00e4che \u00fcberziehen. Die Blutgef\u00e4sse als besondere Beigabe begleitend, wie sie nirgends anders an Capillaren vorkommt, m\u00fcssen sie offenbar in besonderer Beziehung zu den Leistungen der Kn\u00e4uelgef\u00e4sse stehen, \u2014 trotz ihrer scheinbar \u00fcberaus einfachen Structur, die sie als platte, helle, kernhaltige, bis zu gewissem Grade Endothelien nicht un\u00e4hnliche Gebilde charakterisirt.\nMan fiat fr\u00fcherhin die mechanischen Eigenschaften und Leistungen derartig einfach gestalteter epithelialer Gebilde untersch\u00e4tzt und f\u00e4lschlicher AVeise ihre Filtrations- und Diffusionseigenthiimlichkeiten nach den an todten Thieren gemachten Erfahrungen beurtheilt. Wie wenig zu-\n1 Loebell. De conditionnais, quibus secretiones in glandulis perficiuntur. Mar-burgi 1 '\u25a049. \u2014 E. Bieder. Beitr\u00e4ge zur Lehre von der Function der \u00fcsiere. Dorpat 1S62.","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nverl\u00e4ssig ein solcher Maassstab ist, zeigen die schon oben erw\u00e4hnten Erfahrungen Leber\u2019s1 \u00fcber die enormen Filtrationswiderst\u00e4nde, welche das Epithel der DESCEMET\u2019schen Membran im lebenden Zustande entwickelt, die Erfahrungen Meissner\u2019s'2 \u00fcber die Undurchg\u00e4ngigkeit des frischen Epithels der Linsenkapsel f\u00fcr das so leicht diffundirende Kaliumeisencyan\u00fcr u. s. f.\nF\u00fcr die Charakteristik des Glomerulusepithels geben nun physiologische und pathologische Thatsachen einige Hinweise.\n1.\tDie Lage desselben ist undurchdringlich f\u00fcr kleine feste Partikelchen, welche die Membran der Capillarschlingen durchsetzen; die Epithelhaut besitzt also eine gr\u00f6ssere Dichte als die Capillarhaut. Den Beweis daf\u00fcr liefern interessante Beobachtungen \u00fcber Argyria, bei welchem Zustande sehr feine K\u00f6rnchen schwarzen Silbers den Glomerulis eine tief dunkle F\u00e4rbung ertheilen. Sie liegen aussen von den Capillarschlingen in oder an der umsclieidenden Epithelialmembran3, m\u00fcssen also mit dem Wasserstrome die Capillarmembran durchsetzt haben, um von der Epithelialmembran zur\u00fcckgehalten zu werden.\n2.\tJene Epithelien sind undurchg\u00e4ngig \u2014 im normalen Zustande\n\u2014\tf\u00fcr Serumeiweiss. Wenn man fr\u00fcherhin den Eiweissmangel im normalen Harne schwer erkl\u00e4rlich fand und nur durch die verwickelt-sten Theorieen zu deuten versuchte, so fallen diese Bem\u00fchungen in eine Periode, in welcher einerseits Graham\u2019s ber\u00fchmte Untersuchungen \u00fcber die Verschiedenheiten des Diffusionsverhaltens colloider und krystalloider Substanzen noch nicht bekannt waren, andrerseits die Kn\u00e4ueleapillaren f\u00fcr nackt gehalten wurden. Da man nun durch sonstige Capillarw\u00e4nde Eiweiss mit Leichtigkeit hindurchgehen sah\n\u2014\twie der Eiweissgehalt der Lymphe beweist \u2014 und besondere Einrichtungen an den Kn\u00e4ueleapillaren nicht kannte, schien der Mangel des Albumins im Harne r\u00e4thselhaft. Die zweifellose Anwesenheit einer continuirlichen Schicht von Aussenepitkel r\u00e4umt jede Schwierigkeit hinweg: sie ist eben im Normalzust\u00e4nde f\u00fcr gewisse Colloidsubstanzen undurchg\u00e4ngig.\n3.\tBei Reizungszust\u00e4nden gehen die Glomerulusepithelien schnell Ver\u00e4nderungen ein4: ihr Zusammenhang lockert sich, so dass sie sich leicht von einander und von der Capillarwand l\u00f6sen lassen, sie\nt Leber, Arch. f. Ophthalmologie. XIX. 2. S. 125.\n2\tMeissner, Jahresber. \u00fcb. Physiol, f. 1868; Ztschr. f. rat. Med. (3) XXXV. S. 269. 1869.\n3\tRiemer, Arch. d. Heilk. XVII. S.344 u. fg. 1876. Vgl. auch Frommann, Arch, f. pathol. Anat. XVII. S. 141. 1859.\n4\tVgl. u. a. Langhans. Arch. f. pathol. Anat. LXXVI. S. 89. 1879.","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"Eigenschaften der Kn\u00e4uelepithelien.\n33\nschwellen namentlich in der Kerngegend an, vermehren sich durch Abschn\u00fcrung u. s. f.\n4.\tIhre Eigenschaften \u00e4ndern sich mit Unterbrechungen des Blutstromes.\nWie nach meinen Beobachtungen die Epithelien der Speicheldr\u00fcsen, wie nach B\u00f6hrig\u2019s Wahrnehmungen die secernirenden Zellen der Leber bei Verschluss der zuf\u00fchrenden Blutgef\u00e4sse wegen Sauerstoffmangels ihre Erregbarkeit einb\u00fcssen und bei Wiederer\u00f6ffnung der Blutbahnen erst allm\u00e4hlich zu secerniren wieder beginnen, so auch die Glomerulusepithelien. Denn Overbeck1 2 stellte fest, dass, wenn die Aorta oberhalb der Nierenarterien oder die letzteren selbst verschlossen gewesen sind, selbst nur 1 V2 Minute lang, bei der Wiederer\u00f6ffnung die Harnsecretion l\u00e4ngere Zeit, bis zu drei Viertelstunden, ganz ausbleibt. Handelte es sich bei der Harnbildung um einfache physikalische Filtration, so m\u00fcsste ja mit Wiederherstellung des Filtrationsdruckes auch der Filtrationsvorgang sofort wieder beginnen, da eine selbst viel l\u00e4nger dauernde Schliessung der Nierenarterien die Circulationsverh\u00e4ltnisse beim Wiedereintritte des Blutes nicht alterirt.-\nWie die Speichel- und die Leberzellen, sind die Glomerulusepithelien w\u00e4hrend der An\u00e4mie erstickt, d. h. durch Sauerstoffmangel functionsunf\u00e4hig geworden. Die Ver\u00e4nderungen, welche sie durch diese Athmungsst\u00f6rung erleiden, \u00e4ussern sich weiterhin auch darin, dass sie eine Zeit lang Eiweiss durchtreten lassen, bis sich die St\u00f6rung allm\u00e4hlich wieder ausgeglichen hat.\n5.\tIhre f\u00fcr die Function der Niere wesentlichste Eigenschaft besteht in der F\u00e4higkeit, der Capillarwand und in zweiter Linie dem durchstr\u00f6menden Blute AVasser zu entziehen und dasselbe an ihrer freien, dem Kapselraume zugewandten Seite wieder abzugeben. Diese Th\u00e4tigkeit wechselt in hohem Grade mit der Concentration des Blutes, welches die Gef\u00e4sskn\u00e4uel durchstr\u00f6mt. Wenn bei langsamer Bewegung der Wassergehalt der AVandschicht des Blutes durch Fl\u00fcssigkeitsabgabe sinkt, secerniren die Zellen weniger, als wenn bei schneller Str\u00f6mung die an AVasser verarmten Blutschichten fort und fort durch neue ersetzt werden. Steigt der AVassergehalt des Blutes durch Zufuhr, so arbeiten die Zellen ergiebiger, sinkt er durch AA'asserentziehung oder durch anderweitig localisirte Ausscheidungen, so bef\u00f6rdern sie geringere Wassermengen nach aussen. Schon gegen geringe Concen-\n1\tOverbeck, Sitzgsber. cl. Wiener Acad. XLVII. (2) S. 199 u. fg. IS63.\n2\tLitten. Untersuchungen \u00fcber den h\u00e4morrhagischen Infarct. S. 26. 30. Berlin\n1S79.\nHandbuch der Physiologic. Bd. V.\n00","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Absehn. Harnabsonderung.\ntrationsunterschiede sind die Epithelien in hohem Maasse empfindlich. \u2014 So l\u00e4sst sich der Einfluss vermehrter Str\u00f6mungsgeschwindigkeit des Blutes in den Kn\u00e4uelgef\u00e4ssen und vermehrten Wassergehaltes auf die Secretionsgeschwindigkeit des Harnes unter gleichem Ge-sichtspuncte auffassen: beide Momente wirken dahin, den Kn\u00e4uelwandungen reichlichere Mengen von Secretionswasser zuzuf\u00fchren, die Wasserbereicherung des Blutes unmittelbar, sein schnelleres Str\u00f6men mittelbar, indem wasser\u00e4rmere Schichten durch wasserreichere fort und fort ersetzt werden.\nDie Eigenschaft, schon durch geringe Aenderungen ihres Wassergehaltes in ihrer Th\u00e4tigkeit bestimmt zu werden, theilen jene Epithelialgebilde mit vielen andern Zellen. Bekannt ist der Einfluss, welchen massige Schwankungen des Wassergehaltes auf die Bewegungen der am\u00f6boiden Zellen, auf das Schlagen der Flimmerzellen aus\u00fcben, weil beide Zellenarten den Concentrations\u00e4nderungen ihrer fl\u00fcssigen Umgebung durch Wasserabgabe resp. Aufnahme auf das Genaueste in ihrer Th\u00e4tigkeit folgen. Und ist nicht das Gef\u00fchl des Durstes ein Ausdruck feiner Reaction der sensiblen Nerven auf Wasserverarmung des Blutes? \u2014 Unter den Dr\u00fcsenzellen giebt es wohl keine weiteren, die in solchem Maasse unter dem Einfl\u00fcsse der Blutconcentration st\u00e4nden, wie die Kn\u00e4uelepithe-lien der Niere. Denn bei reichlichen Injectionen einprocentiger Kochsalzl\u00f6sung, welche einen m\u00e4chtigen Harnstrom hervorrufen, fliesst die Galle nur wenig, der Speichel kaum ergiebiger, w\u00e4hrend Magen- und Darmdr\u00fcsen lebhaftere Th\u00e4tigkeit entfalten, die aber doch hinter der Nierenleistung weit zur\u00fccksteht.\nB) Der Gehalt des Blutes an \u201eharnf\u00e4higen\u201c Substanzen.\nEs ist eine alte Erfahrung, dass Bereicherung des Blutes an gewissen normalen Harnbestandtheilen, z. B. an Harnstoff1, harnsauren Verbindungen, anorganischen Salzen u. s. f., die Harnabsonderung beschleunigt. Eine n\u00e4here Beleuchtung hat diese Beobachtung erst durch neuere Untersuchungen erfahren.2\nNach \u00fcbereinstimmenden Beobachtungen von Ustimowitsch und von Gr\u00fctzner, denen ich auf Grund eigner Erfahrungen durchaus beistimmen muss, geht nach Injection einiger Gramm jener Substanzen die Wassersecretion in der Niere in die H\u00f6he, und zwar auch dann, wenn nach voraufgehender Halsmarksdurchschneidung der Aortendruck so weit gesunken ist, dass vor der Einspritzung die Absonderung v\u00f6llig stockte. Gleichzeitig steigt der Blutdruck. Beide Vor-\n1\tS\u00e9galas, Meckel\u2019s Arch. VIII. S. 231. 1S23.\n2\tC. Ustimowitsch, Leipziger Berichte vom 12. Dec. 1ST0. S. 442. \u2014 R. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 23u.fg. 1874. \u2014 P. Gr\u00fctzner, Ebenda. XI. S. 370. 1875. \u2014 M. Nussbaum, Ebenda. XVI. S. 139. 187S; XVII. S. 580. 1879.","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Gebalt des Blutes an \u201eharnf\u00e4bigen\u201c Substanzen.\n339\ngauge nehmen einen ann\u00e4hernd gleichen zeitlichen Verlaut ; mit dem Wiederabsinken des Druckes geht ein Wiederabsinken der Harnfluth Hand in Hand.\nDer nahe liegende Schluss, dass die vermehrte W asserabsonde-rung unmittelbare Folge der Circulations\u00e4nderung sei, findet aber in einer genaueren Erw\u00e4gung der Thatsachen keine ausreichende Rechtfertigung. Denn erstens habe ich mit vollster Betimmtheit F\u00e4lle beobachtet, in denen Vermehrung der Harnabsonderung ohne Blutdrucksteigerung eintrat, wenn ich gleichzeitig mit salpetersaurem Natron einige Gramm Chloralhydrat injicirte. Zweitens tritt oft nach Injection von Harnstoff, von Salzen u. s. f. Absonderung schon bei Druckwerthen geringer Gr\u00f6sse ein, welche sie ohne jene Injection niemals zu Stande kommen lassen. Drittens bedingt bei gleichen Mittelwerthen des Aortendruckes Reichthum des Blutes an jenen Substanzen sehr viel lebhaftere Absonderung, als sie bei Armuth des Blutes stattfindet.\nDiese Beobachtungsresultate dr\u00fcckte Ustimowitsch durch einen Zusatz zu der Filtrationstheorie aus: die Wirksamkeit des Filtrationsdruckes stehe in Abh\u00e4ngigkeit von dem Gehalte des Blutes an harnf\u00e4higen Substanzen, der Art, dass eine gegebene Differenz der Fl\u00fcssigkeitsspannungen in den Blutgef\u00e4ssen des Kn\u00e4uels und in den Harnwegen erst bei einem bestimmten Gehalte des Blutes an Harn-bestaudtheilen wirksam werden, beziehungsweise um so mehr Harn liefern k\u00f6nne, je gr\u00f6sser die Anh\u00e4ufung von Harnbestandtheilen im Blute sei.\nDer Leser wird, wenn er sich auf den Standpunct der Druckhypothese stellt, von diesem Standpuncte aus mit mir das Unbefriedigende jener Deutung empfinden, welche eine an sich einfache und klare physikalische Vorstellung, den von dem Blutdrucke abh\u00e4ngigen Filtrationsvorgang, durch einen Hilfssatz erweitert, der, physikalisch schwer verst\u00e4ndlich, in bekannten Thatsachen keine Ankn\u00fcpfung findet. Denn die letzteren weisen darauf hin, dass mit der Concentrationszunahme der filtrirenden Fl\u00fcssigkeit bei gleichem Filtrationsdrucke die Filtrationsmenge sinkt.\nDiese Erw\u00e4gungen veranlassten mich, in Ankn\u00fcpfung an die sp\u00e4ter ausf\u00fchrlich zu besprechende Thatsache, dass gewisse feste Harnbestandtheile durch die Epithelien der gewundenen Harncan\u00e4l-chen ausgeschieden werden, die Vermuthung auszusprechen, es m\u00f6chte die durch die \u201eharnf\u00e4higen\u201c Substanzen angeregte Wasserabsonderung an anderem Orte stattfinden, als in den Gef\u00e4sskn\u00e4ueln, n\u00e4mlich in der obengenannten Abtheilung der Can\u00e4lchen als Product der Th\u00e4tig-\n99 *","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. \u00df. Ab^chii. Harnabsonderiing.\nkeit ihrer Epithelien zu Tage treten. Durchschlagende Versuche Nussbaum\u2019s in seinen oft citirten Aufs\u00e4tzen haben jene Ansicht best\u00e4tigt. Er benutzte die friiherhin erw\u00e4hnte gl\u00fcckliche Gef\u00e4ssdispo-sition bei Fr\u00f6schen (bei welchen die Kn\u00e4uel ihr Blut durch die Nierenarterie, die Harncan\u00e4lchen nur zum Theil durch die Vasa efferentia der Glomeruli, zum anderen Theil durch die Vena renalis advehens erhalten), um die Kn\u00e4uel durch Unterbindung der Arterien von dem Kreisl\u00e4ufe auszuschliessen, w\u00e4hrend die umspinnenden Ca-pillaren der Can\u00e4lchen in voller Circulation bleiben. Unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden h\u00f6rt nach diesen Vorbereitungen die Harnabsonderung auf, selbst dann, wenn die Fr\u00f6sche dauernd in Wasser gesetzt werden, wobei sonst lebhafte Wasserabsonderung in der Niere zu Stande kommt. Wird aber einem derartig operirten Frosche Harnstoffl\u00f6sung eingespritzt (ein Cubikcentimeter einer zehnprocentigen L\u00f6sung), so f\u00fcllt sich die vorher entleerte Harnblase in 2\u20143 Stunden vollst\u00e4ndig an.\nWenn hiernach unzweifelhaft auch die Harncan\u00e4lchen in ge-wissen Abschnitten an der Wasserabsonderung sich betheiligen k\u00f6nnen, so wird diese Quelle doch f\u00fcr gew\u00f6hnlich hinter dem aus den Gef\u00e4sskn\u00e4ueln hervorbrechenden Strome an M\u00e4chtigkeit weit Zur\u00fcck-Stehen. Daf\u00fcr b\u00fcrgt, dass sie ohne das Reizmittel ungewohnter Mengen von Harnbestandtheilen, welche das Blut zuf\u00fchrt, zu versiegen scheint, daf\u00fcr spricht ferner, dass die nach R\u00fcckenmarks-durchschneidung bei tiefem Aortendrucke durch Harnstoff, Salpeter u. s. f. angeregte Absonderung lange erlischt, bevor der dem Blute zugef\u00fchrte Ueberschuss jener Substanzen in den Harn \u00fcbergef\u00fchrt ist.\nWeitere Erw\u00e4gung und Untersuchung verdient die Frage, ob die reichlichere Anwesenheit \u201eharnf\u00e4higer\u201c Substanzen im Blute nur die Epithelien der Tubuli contorti zur Wasserabsonderung veranlasse', oder ob nicht etwa auch die Kn\u00e4uelepithelien durch die diuretiseh wirksamen Substanzen zu erh\u00f6hter Th\u00e4tigkeit angeregt werden.","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"341\nVIERTES CAPITEL.\nOie Absonderung der festen Harnbestandtlieile.\nI. Bedenken gegen die Theorie Ludwig\u2019s.\nLudwig's Theorie der Harnabsonderung verlegt (s. Drittes Capitel, 1,1) nicht blos die Absonderung des Wassers in die Glomeruli, sondern l\u00e4sst mit dem Wasser auch die gesummten festen Harnbestandtlieile bereits in der Kapsel in sehr verd\u00fcnnter L\u00f6sung auftreten, welche bei ihrer langsamen Bewegung durch die Harncan\u00e4lchen Wasser an die umsp\u00fclenden Fl\u00fcssigkeiten (Lymphe) abgeben und dadurch allm\u00e4hlich die Concentration des aus der Papille hervortrenden Secretes erlangen soll. Verfolgt man diese Auffassung zun\u00e4chst in ihre Con-sequenzen, so ergeben sich von vornherein einige schwer wiegende Bedenken gegen dieselbe.\n1. Ein erwachsener Mensch scheidet bei gew\u00f6hnlicher gemischter Di\u00e4t in 28 Stunden ungef\u00e4hr 35 Grm. Harnstoff aus.\nDas Blut enth\u00e4lt, wenn ich auf die h\u00f6chsten Werthe, die in genauen Blutanalysen von Gscheidlen1 enthalten sind, eingehen will, nur 0,025 % an Harnstoff.\nVon dem Procentgehalte des Filtrates an Harnstoff haben wir, von der Vorstellung ausgehend, dass es sich um eine physikalische Filtration handle, kaum Grund anzunehmen, dass er sich wesentlich anders verhalte. Freilich liegen einige Angaben vor, dass bei Filtration von salzhaltigen Gummi- oder Eiweissl\u00f6sungen der Salzgehalt des Filtrates ein wenig gr\u00f6sser gewesen sei, als der der urspr\u00fcnglichen Fl\u00fcssigkeit.\nHoppe-Seyler2 rindet bei Filtration von Blutserum durch die Wandung des Harnleiters den Salzgehalt von Serum und Filtrat ziemlich gleich. Ein Serum von 6,27 p. AL Aschengehalt gab zwei Transsudatportionen von 7,05 p. M. und 6,33 p. AL Gehalt. Der Aschengehalt beider Portionen unterscheidet sich mehr, als der Aschengehalt des Serums und der zweiten Portion, so dass Hoppe-Seyler mit Recht auf diese Differenzen kein Gewicht legt. Dagegen fand W. Schmidt3 bei Filtration von Gummi und Kochsalz resp. Gummi und Harnstoff das Filtrat an Kochsalz resp. Harnstoff reicher, als die Alutterfl\u00fcssigkeit. Da aber die Unterschiede beider\n1\tGscheidlen, Studien \u00fcber den Ursprung des Harnstoffes. Leipzig 1 ST 1.\n2\tF. Hoppe, Arch. f. pathol. Anat. IX. S. 202. 1S50.\n3\tAY. Schmidt. Ann. d. Physik. CXIY. S. 364 u. 3S1. 1861.","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nFl\u00fcssigkeiten sieb f\u00fcr Kochsalz in den Grenzen von 0,02\u20140,07 % bewegen, welche durch Titriren mit Silber, und f\u00fcr Harnstoff in den Grenzen von 0,006\u20140,08%, welche durch Titriren nach Liebig\u2019s Methode bestimmt wurden, d\u00fcrfte es doch bedenklich sein, auf diese Br\u00fccke zu treten. \u2014 Endlich fand Runeberg1 bei Filtration von Eiweissl\u00f6sungen den Aschengehalt des Filtrates h\u00f6her, als den Gehalt der Mntterfl\u00fcssig-keit, und zwar um 0,04% bei einem urspr\u00fcnglichen Gehalte von 0,46% und um 0,15% bei einem urspr\u00fcnglichen Gehalte von 1,56o'0 (d. i. um 10 % des urspr\u00fcnglichen Gehaltes).\nMit R\u00fccksicht auf die letzteren Angaben wollen wir eine Steigerung des Gehaltes des Kn\u00e4uelfiltrates zulassen, und zwar zu Gunsten der Filtrationshypothese um volle hundert Procent des urspr\u00fcnglichen Gehaltes, so dass also das Filtrat 0,05 % an Harnstoff enthalten mag, eine gewiss reichliche Concession.\nBei dieser Annahme m\u00fcssen in 24 Stunden durch die Kn\u00e4uel der beiden Nieren nicht weniger als 70000 Ccm. Fl\u00fcssigkeit tiltriren, um die t\u00e4gliche Harnstoffmenge aus dem Blute herauszuschaffen, und von diesem ungeheuren Wasserstrome m\u00fcssten, da die t\u00e4gliche Harnmenge hoch veranschlagt sich auf 2000 Ccm. beziffert, 68000 Ccm. in den Harncan\u00e4lchen wieder zur Resorption gelangen!\n2. Diese Schlussfolgerung, an sich schon bedenklich, wird es in noch h\u00f6herem Maasse durch die folgende Ueberlegung. Die ge-sammte Blutmenge eines Menschen von 75 Kgrm. betr\u00e4gt in runder Zahl 6 Kgrm. In der Minute vollenden sich etwa drei Kreisl\u00e4ufe des Blutes; es werden also in 24 Stunden 4320 (3 x 60 X 24) Kreisl\u00e4ufe vollendet oder 6 X 4320 = 25920 Kgrm. Blut innerhalb einer Tagesperiode durch den Gesammtk\u00f6rper getrieben.\nDas Gewicht der Nieren betr\u00e4gt\tdes gesammten K\u00f6rper-\ngewichtes. Bei der Annahme gleiehm\u00e4ssiger Vertheilung des Blutstromes durch den K\u00f6rper w\u00fcrden mithin in 24 Stunden durch die 25920\nNieren\t= 130 Kgrm. Blut \u00dciessen. Das Blut soll aber nach\nder obigen Berechnung in den Glomerulis 70 Kgrm. Fl\u00fcssigkeit abgeben, d. h. dasselbe m\u00fcsste mehr als die H\u00e4lfte seines Gewichtes an Wasser in den Kn\u00e4ueln verlieren. Ihre Paradoxie verlieren diese Zahlen dadurch nicht, dass der gr\u00f6sste Tlieil des Wassers auf Umwegen in das Blut zur\u00fcckkehrt, ebenso wenig, wenn man f\u00fcr die Nieren nicht blos eine ihrem Gewichte proportionale, sondern eine viel st\u00e4rkere Durchblutung annimmt. So lange man sich bei dieser\n1 Runeberg, Arch. f. Heilk. 1877. S. 55.","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"Bedenken gegen Ludwig\u2019s Theorie.\n343\nAnnahme innerhalb m\u00f6glicher Grenzen h\u00e4lt, werden immer noch schwer glaubliche Zahlen f\u00fcr das Verh\u00e4ltniss des Blutfiltrates der Kn\u00e4uel zu der sie durchsetzenden Blutmenge herauskommen.\nWill man unter Festhaltung der LuDwiG\u2019schen Hypothese den obigen unliebsamen Consequenzen entgehen, so bleibt Nichts \u00fcbrig als die Annahme, dass der Procentgehalt des Kn\u00e4uelfiltrates an Harnstoff ein ausserordentlich viel h\u00f6herer sei, als der des Blutes.\nIn der That hat Max Herrmann1 2 sich aus ganz anderen Gr\u00fcn-den, auf die ich sp\u00e4ter zur\u00fcckkomme, zu der Annahme gedr\u00e4ngt gesehen, dass unter Umst\u00e4nden die urspr\u00fcnglich abgesonderte Harn-stoffl\u00f6sung eine \u201esehr concentrirte\u201c sei. Damit w\u00e4re aber offenbar gesagt, dass es sich nicht mehr um einen mechanischen Filtrationsvorgang handelt. Man m\u00fcsste den Membranen, sei es der Kn\u00e4uelcapil-laren, sei es der Epitheldecke, die F\u00e4higkeit zuschreiben, entweder bei der Filtration das Wasser viel st\u00e4rker zur\u00fcckzuhalten, als den in ihm gel\u00f6sten Harnstoff, oder den Harnstoff aus dem Blute viel schneller herauszuschaffen als das Wasser, \u2014 eine nach dem Tode sofort erl\u00f6schende, also von dem lebenden Zustande der Zellen abh\u00e4ngige F\u00e4higkeit. Man k\u00e4me also mit anderen Worten auf eine active secretorische Th\u00e4tigkeit der Zellen hinaus. Daf\u00fcr, dass eine solche den Epithelien gewisser Abtheilungen der Harncan\u00e4lchen bez\u00fcglich der festen Harnbestandtheile zukommt, werden sp\u00e4ter Beweise geliefert werden.\n3. ln nothwendiger Consequenz der behandelten Hypothese muss die Dichte des Harnes ihre Grenze an der Dichte des Blutes oder vielmehr der die Harncan\u00e4lchen umsp\u00fclenden Lymphe finden, da ja das Kn\u00e4uelfiltrat innerhalb der Harncan\u00e4lchen nach den Diffusionsgesetzen als wasserreichere L\u00f6sung Wasser an die Lymphe behufs seiner Concentrirung abgeben soll. Es liegen aber Beobachtungen vor, nach welchen die Dichte des Harnes weit \u00fcber die der Blut-fl\u00fcssigkeit hinausgehen-, also nat\u00fcrlich noch vielmehr die der Lymphe \u00fcbertreffen kann. Auf diesen physikalischen Widerspruch gegen Ludwig\u2019s Theorie ist \u00fcbrigens bereits vor Jahren aufmerksam gemacht und gezeigt worden, dass bei Diffusion von Hundeharn gegen Hundeblutserum der Wasserstrom zu dem Harne, nicht zu dem Serum gerichtet ist.3\nc\n1\tMax Herrmann, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLY. S. 349. 1861.\n2\tBartels,Deutsch. Arch. f. klin. Med. IX. (I) S. 340. 1875. Bartels fand z. B. bei einem Patienten das specilische Gewicht des Blutserums zu 1016,8, das des Harnes zu 1044.\n3\tF. HorPE, Arch. f. pathol. Anat. XVI. S. 412. 1859.","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nII. Thatsaclien zu Gfunsten der Theorie Bowman\u2019s.\nW\u00e4hrend die Theorie Ludwig\u2019s von vornherein auf sehr erhebliche Bedenken st\u00f6sst, hat sich im Laufe der Zeit eine immer gr\u00f6ssere Anzahl von Thatsaehen gefunden, welche der Ansicht Bowman\u2019s das Wort reden. Nach derselben soll (s. oben Drittes Capitel, I, 1) bekanntlich die Absonderung der specitischen Harnbestandtheile durch die Epithelien der gewundenen Harncan\u00e4lchen erfolgen.\n1. Beobachtwujen an den Nieren Wirbelloser.\nNachdem zuerst meines Wissens Henle1 in der Niere von Helix pomatia Concremente von Harns\u00e4ure innerhalb der Zellen gesehen, beschrieb elf Jahre sp\u00e4ter Heinrich Meckel2 in der Niere von Lungenschnecken Epithelzellen, welche in ihrem Innern, und zwar angeblich innerhalb eines besonderen Secretbl\u00e4schens (Vacuole?) theils K\u00f6rnchen, theils gr\u00f6ssere Concremente von harnsaurem Ammoniak enthielten. Sp\u00e4ter best\u00e4tigte W. Busch3 die MECKEL\u2019sche Beobachtung mit dem Zusatze, dass das MECKEL\u2019sche Secretbl\u00e4schen kein nothwendiger Bestandtheil der Zellen sei, denn die amorphen K\u00f6rnchen kommen oft schon zerstreut in allen Zellen vor, ehe das Bl\u00e4schen entstanden ist. Busch nimmt an, dass das harnsaure Salz nicht bereits pr\u00e4formirt den secernirenden Zellen durch die S\u00e4fte des Tliie-res zugef\u00fchrt werde, sondern erst an Ort und Stelle entstehe. Denn um den in der Niere deponirten Vorrath des Salzes zu l\u00f6sen, bedurfte Busch einer Wassermenge gleich dem 51 fachen Gewichte der ganzen Schnecke. Indess scheint mir der hieraus abgeleitete Schluss keineswegs zwingend, denn m\u00f6glicher Weise ist in den S\u00e4ften die Harns\u00e4ure in alkalischer L\u00f6sung vorhanden und wird erst in den Zellen in das schwer l\u00f6sliche saure Salz verwandelt. Wie dem auch sei, \u2014 in jedem Falle ist durch das \u00fcbereinstimmende Zeugniss dreier von einander unabh\u00e4ngiger Beobachter die Anwesenheit harnsaurer Verbindungen in den Epithelzellen des als Niere fungirenden Organes festgestellt.\n1\tJ. Henle, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1835. S. 60U. Aiim. u. Tab. X1Y. Fig. 13. Bei der Bezifferung der Tafeln zu Henle\u2019s Abhandlung muss ein Versehen vorliegen, da der Text bez\u00fcglich des in Bede stehenden Gegenstandes auf Tab. XV. Fig. 9, die Erkl\u00e4rung der Abbildungen auf Tab. XIV. Fig. 13 verweist. Letztere Hinweisung ist die richtige.\n2\tH. Meckel. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1846. S. 14.\n3\tW. Busch. Ebenda. 1855. S. 364.","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"Thatsachen zu Gunsten der Theorie Bowman\u2019s.\n345\n2. Beobachtungen an der Vogelniere.\nNach \u00fcbereinstimmenden Beobachtungen von Wittich\\ Meissner1 2 und Zalesky3 ist die MALPiGHi\u2019sche Kapsel der Yogelniere stets von Ablagerungen harnsaurer Salze frei, selbst nach l\u00e4ngerer Unterbindung der Harnleiter (Zalesky), w\u00e4hrend die Epithelzellen der Harncan\u00e4lchen (Wittich) in ihrem gewundenen, nicht in ihrem geraden Theile (Meissner4) Harns\u00e4ure theils in Gestalt von K\u00f6rnchen, die in dem peripherischen Theile der Zelle abgelagert sind, theils in Gestalt compacterer, den Kern verdeckender Massen enthalten. Die Harns\u00e4ure ist nach Wittich an Natron gebunden, nach Meissner zum Theil frei und nur mit einer organischen eiweissreichen Substanz impr\u00e4gnirt. Bei dem Acte der Secretion scheinen die Zellen zum Theil zu Grunde zu gehen. Ihre Tr\u00fcmmer treten als z\u00e4he, fadenziehende, eiweisshaltige Einbettungsmasse der Harn-s\u00e4ure-Concremente in das Secret \u00fcber, imbibirt mit dem in den auffallend kleinen Kapseln wahrscheinlich nur sp\u00e4rlich zu Tage tretenden Wasser.\n\u2022j. Beobachtungen an S\u00e4ugethiernieren.\nA) Ausscheidung- von indigschwefelsaurem Natron.\nAuch f\u00fcr die S\u00e4ugethierniere l\u00e4sst sich der experimentelle Beweis f\u00fchren, dass die Epithelien gewisser Abtheilungen der Harncan\u00e4lchen mit der Absonderung der meisten festen Harnbestandtheile betraut sind. Die Beobachtung gestaltet sich am Bequemsten und Schlagendsten, wenn man leicht kenntliche gef\u00e4rbte Substanzen durch die Niere secerniren l\u00e4sst, die man auf ihren Wegen unmittelbar verfolgen kann.\nEine von mir durchgef\u00fchrte l\u00e4ngere Untersuchungsreihe5 hat ergeben, dass indigschwefelsaures Natron bei noch so massenhaftem Uebertritte in den Harn niemals auch nur spurweise in den Mal-\n1\tv.A\\ ITTICH, Arch. f. pathol. Anat. X. S. 325. 1S56. Ygl. auch Arch. f. microscop. Anat. XL S. SI. 1875.\n2\tMeissner, Ztscbr. f. rat. Med. (3) XXXI. S. 1S3. 1S67.\n3\tZalesky, Untersuchungen \u00fcber den ur\u00e4mischen Process und die Function der Xieren. S. 48. T\u00fcbingen I8G5.\n4\tWittich verlegte die Abscheidung der harnsauren Salze in die Epithelien der graden Can\u00e4lchen. Es scheint bei ihm ein Irrthum stattgefunden zu haben, denn Meissner hebt ausdr\u00fccklich hervor, dass der betreffende Abschnitt der Can\u00e4lchen jedenfalls zwischen der Kapsel und den graden Can\u00e4lchen gelegen und wahrscheinlich der gewundene Theil allein sei.\n5\tK. Heldenhain. Arch. f. microscop. Anat. X. S. 30.1874: Arch, f.d.ges. Physiol. IX. S. I. 1875.","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nPiGHi\u2019schen Kapseln, sondern ganz ausschliesslich und allein in den Harncan\u00e4lchen auftritt.\nF\u00fcr das Gelingen der Beobachtungen ist es unumg\u00e4nglich erforderlich, chemisch reines indigschwefelsaures Natron anzuwenden. Das sog. Indigcarmin des Handels ist in der Kegel das Kalisalz der Indigblau-schwefels\u00e4ure und Indigblauunterschwefels\u00e4ure, oft auch noch mit Beimengungen von Ph\u00f6nicinscliwefels\u00e4ure. Seine Anwendung f\u00fchrt zu gr\u00f6bsten Irrth\u00fcmern. Reines indigschwefelsaures Natron ist in Wasser leicht, in absolutem Alkohol so gut wie unl\u00f6slich, leichter l\u00f6slich in wasserhaltigem Alkohol. Aus der w\u00e4ssrigen L\u00f6sung wird es durch Neutralsalze vollst\u00e4ndig gef\u00e4llt. Hat eine Niere dieses Salz abgesondert, so kann man dasselbe durch Ausspritzen der Nierenarterie mit ges\u00e4ttigter L\u00f6sung von Chlorkalium (Chronszczewski) oder Chlorcalcium (Wittich) oder am Besten mit absolutem Alkohol am Ausscheidungsorte durch F\u00e4llung iixiren, so dass jeder postmortalen Diffusion vorgebeugt wird. Ist das unterschwefelsaure Salz beigemischt, so gelingt eine solche Fixation nicht, weil dasselbe in absolutem Alkohol wie in Neutralsalzl\u00f6sungen leicht l\u00f6slich ist; damit ist aber postmortaler Diffusion Th\u00fcr und Thor ge\u00f6ffnet. Ueberdies wird das unterschwefelsaure Salz durch die thierischen Gewebe viel leichter reducirt, als das schwefelsaure.\nFig. 76. Tubuli contorti der Kaninelieiiniere. Injection von 5 Ccm. kalt ges\u00e4ttigter L\u00f6sung von indigscbwefelsaurem Natron in das Blut.\nFig. 77. Kaninelieiiniere. R\u00fcckenmarks durchschneidung. Injection von indig-scliwefelsaurem Natron in das Blut.\nDass nun die Absonderung des indigschwefelsauren Natrons ohne alle Betheiligung der Gef\u00e4sskn\u00e4uel nur durch die Zellen der Tubuli contorti und theilweise der HENLE\u2019schen Schleifen geschieht, l\u00e4sst sich am Zweifellosesten erweisen, wenn man die A\\ asserabsonderung der Kn\u00e4uel durch Trennung des Halsmarkes unterdr\u00fcckt. Werden einem Kaninchen einige Zeit nach der Markdurchschneidung, sobald der Blutdruck hinreichend gesunken ist, geringe Mengen des Salzes (5 Ccm. einer kalt ges\u00e4ttigten L\u00f6sung) in die Vena jugularis injicirt,","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung von indigschwefelsaurem Natron.\n347\nso sind bereits nach wenigen Minuten die Epithelien der gewundenen Can\u00e4lchen gebl\u00e4ut, haben also aus der umsp\u00fclenden Lymphe, deren Farbstoffgehalt so gering ist, dass sie farblos erscheint, das Pigment aufgesammelt. Nach einer Stunde hat sich das Epithel wieder ent-bl\u00e4ut; das blaue Salz liegt in fester Form, in K\u00f6rnchen oder Krv-st\u00e4llchen, im Lumen der Harncan\u00e4lehen ausgeschieden, und zwar nur in den gewundenen Can\u00e4lchen der Rinde und den breiten Schlei-fenschenkeln. Die Epithelien haben also das aufgenommene Salz wieder abgegeben. Dass die Aufnahme nicht fortdauert, liegt an der geringen Menge des injicirten Farbstoffes; der Vorrath des Blutes ist durch die Absonderung theils der Niere, theils der Leber ersch\u00f6pft. Dabei hat keine merkliche Wassersecretion stattgefunden, denn nicht blos die Blase ist leer, sondern auch die Pyramide v\u00f6llig farbstofffrei, wie schon ein L\u00e4ngsdurchschnitt der Niere zeigt und eine mikroskopische Untersuchung der Sammelr\u00f6hren noch zweifelloser dartlmt. In die letzteren h\u00e4tte aber der Farbstoff doch hinabgef\u00fchrt werden m\u00fcssen, wenn von den Kn\u00e4ueln her im Laufe einer Stunde nur so viel Wasser abgesondert worden w\u00e4re, um \u00fcber die HENLE\u2019schen Schleifen hinaus zu gelangen. Bei Injectionen gr\u00f6sserer Mengen von Farbstoff \u00e4ndert sich das Bild nur in so weit, als die Epithelien der secernirenden Can\u00e4lchen sich st\u00e4rker mit demselben beladen: ihre Kerne erscheinen noch dunkler gef\u00e4rbt als die Zellk\u00f6rper ; letztere k\u00f6nnen ausnahmsweise das Pigment schon wieder abgegeben haben und farblos erscheinen, w\u00e4hrend die Kerne noch tingirt sind. Hier und da enthalten auch die schmalen Theile der Schleifen in ihrem Lumen sp\u00e4rliche Pigmentschollen.\nEs hat also, w\u00e4hrend die Wasserabsonderung in den Kn\u00e4ueln stockt, Ausscheidung des indigschwefelsauren Salzes durch die Epithelien der Tubuli contorti und der Schleife stattgefunden.\nMan hat gegen diese Deutung der Filtrationshypothese zu Liebe eingewandt1, es sei wahrscheinlich, dass nach Durchschneidung des R\u00fcckenmarkes die Wasserabsonderung in den Kn\u00e4ueln noch fortgehe, aber das Wasser bei dem langsamen Durchg\u00e4nge durch die Harncan\u00e4lehen wieder vollst\u00e4ndig resorbirt werde. Deshalb sei der Farbstoff in dem \u00e4usserst verd\u00fcnnten Kn\u00e4uelfiltrate nicht sichtbar, werde es aber im ferneren Verlaufe der Harncan\u00e4lehen durch allm\u00e4hliche Concentration im Sinne der L\u00fcDwio\u2019schen Hypothese. Diese Annahme enth\u00e4lt aber viele Ungereimtheiten. Wenn ich einem Kaninchen nur 5 Ccm. der kalt ges\u00e4ttigten L\u00f6sung injicire, erscheint das Blutserum vollst\u00e4ndig farblos, so gering ist sein Pigmentgehalt. Sollen nun die grossen Massen Farbstoff, welche im Laufe einer Stunde in der Rinde sich anh\u00e4ufen, durch Filtration einer\n1 Runeberg. Deutsch. Arch. f. klin. Med. XXIII. S. 11. FS79.","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"34b Heidenhain, Physiol, d. Absonderimgsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nL\u00f6sung1 von solcher Verd\u00fcnnung, dass sie farblos erscheint, aus dem Blute geschaht werden, so muss diese Filtratmenge enorm gross sein, jedenfalls so gross, dass sie unm\u00f6glich auf der Strecke der Can\u00e4lchen ois zu den Sammelr\u00f6hren zur Resorption gelangen k\u00f6nnte, vielmehr aus der Dr\u00fcse in ihren Ausf\u00fchrungsgang ablaufen m\u00fcsste. Die Annahme sehr geringer und sehr diluirter Filtratmengen ist also gegen\u00fcber der vollst\u00e4ndigen Erf\u00fcllung der Rindencan\u00e4lchen mit Pigment absolut unm\u00f6glich. Dazu kommt, dass die Tubuli contorti von ihrem Urspr\u00fcnge aus der Kapsel an mit k\u00f6rnigem Pigment auf das Dichteste erf\u00fcllt sind; von einem allm\u00e4hlichen Auftreten des Farbstoffes im Laufe der Can\u00e4lchen ist gar keine Rede. Er erscheint mit einem Schlage von der Grenze an, von welcher das St\u00e4bchenepithel beginnt.\nVollends werden diese Einwendungen unm\u00f6glich gegen\u00fcber gewissen Beobachtungen Nussbaum\u2019s 1 an Fr\u00f6schen, welcher den Uebergang des Indigcarmins in die Harncan\u00e4lchen, und zwar in die dem Tubulus contortus entsprechende Abtheilung auch nach Unterbindung der Nierenarterien, also nach Ausschliessung der Gef\u00e4sskn\u00e4uel vor dem Kreisl\u00e4ufe, feststellte.\nNat\u00fcrlich gestaltet sich das Bild der Indigoniere wesentlich anders, wenn unter normalen Verh\u00e4ltnissen die MALPiGm'schen Kn\u00e4uel lebhaft Wasser secerniren. Ist nur wenig Pigment in das Blut eingef\u00fchrt, so wird dasselbe von seiner Secretionsst\u00e4tte in der Rinde durch den abundanten Wasserstrom schnell fortgef\u00fchrt; es kann also zu einer erheblichen Anh\u00e4ufung in derselben nicht kommen. Eine solche tritt erst da ein, wo das in dem breiten Gebiete der Rinde\na\nFig. 78* a Durchschnitt der Kaninchenniere im Normalzust\u00e4nde nach Injection von sehr wenig indigschwefelsaurem Natron, b F\u00e4rbung der Tubuli contorti.\nsp\u00e4rlich auftretende Pigment auf einen engeren Raum zusammengeschwemmt wird, d. h. in der Pyramide und Papille. Die mikroskopische Untersuchung zeigt die Labyrinthean\u00e4lchen theils ganz farblos, theils das Epithel selbst schw\u00e4cher oder st\u00e4rker gef\u00e4rbt, jedoch stets ohne hervorstechende Kernf\u00e4rbung, endlich hier und da geringe Ausscheidungen im Lumen. Die Pyramidencan\u00e4le dagegen sind mit Pigmentschollen dicht erf\u00fcllt.\nNach Injection gr\u00f6sserer Pigmentmengen dagegen erscheinen nach 20\u201425 Minuten Rinde und Pyramide tief blau, die Grenzschicht\nl M. Xcssbaoi, Arch. f. d. ges. Physiol. XVI. S. 141. 1878.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung von indigschwefelsaurem Natron.\n349\nim Allgemeinen heller wegen der b\u00fcndelweisen Lagerung von Blutgef\u00e4ssen und Harncan\u00e4lchen. Mikroskopisch findet man oft im Labyrinthe, aber nie in der Pyramide, die Epithelien, besonders tief ihre Kerne, blau tingirt. in dem Lumen der Harncan\u00e4lchen reichliches Pigment ausgef\u00e4llt, ganz besonders dicht in den Sammelr\u00f6hren der Markstrahlen und in den Pyramidencan\u00e4lchen.\nFig. 79. a Durchscliiiitt der Kaninehenniere im Normalzust\u00e4nde nach Injection von viel indigschwefelsaurem Natron, b F\u00e4rbung des Epithels der Tub. contorti und Ausscheidung im Lumen.\nAm Interessantesten gestaltet sich das Bild einer Niere, auf deren Oberfl\u00e4che eine oder zwei einige Millimeter breite Zonen mit H\u00f6llenstein so tief ge\u00e4tzt sind, dass etwa zwei Kapselreihen der Nierenrinde zerst\u00f6rt sind. In den Aetzbezirken h\u00f6rt die Wasserabsonderung innerhalb der Kapseln auf, nicht so die Abscheidung des Indigblau durch die Rindencan\u00e4lchen. Man erh\u00e4lt demzufolge in den Aetzbezirken da> Bild der Fig. 77, in dem normalen Bezirke das Bild der Fig. 79 a.\nAus dem Verhalten des indigschwefelsauren Natrons l\u00e4sst sich schon mit hoher Wahrscheinlichkeit ein R\u00fcckschluss auf die Ausscheidung der specifischen Harnbestand-tlieile machen. Denn Leber und Niere verhalten sich gegen jenes Salz als specifische Secretionsorgane. Die Niere sammelt aus dem Blute, auch wenn dasselbe nur minimale Quantit\u00e4ten enth\u00e4lt, das Pigment auf, so dass der Harn fr\u00fcher und st\u00e4rker tingirt erscheint, als (mit Ausnahme der Galle) irgend eine andere Fl\u00fcssigkeit, ganz wie sie aus dem harnstoffarmen Blute ein harnstoffreiches Secret bildet. Dass diese Analogie eine gerechtfertigte ist. ergiebt sich aus der Untersuchung anderer Ilarnbestandtheile.\nC__________ff\nFig. SU. Lurcbsohnitt durch die Kaninebenniere. Aetzung zwischen cg und hd. Normale Absonderung in den Bezirken bc, g!i,df; Aufhebung der Wasserabsonderung in den Bezirken cg, fui.","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 0. Abschn. Harnabsonderung.\nB) Verhalten sonstiger Substanzen, welche in dem Harne auftreten.\nDie Absonderung des indigschwefelsauren Natrons habe ich ausf\u00fchrlicher behandelt, weil diese Substanz sich auf ihren Wegen in den Harn genauer verfolgen l\u00e4sst. Bez\u00fcglich der sonstigen Harn-bestandtheile wird eine k\u00fcrzere Aufz\u00e4hlung m\u00f6glich.\nSchon Bowman nahm an, dass in den Kn\u00e4ueln mit dem Wasser die Salze des Harnes ausgeschieden werden. Der directe Beweis ist f\u00fcr das carminsaure Ammoniak von Chrzonsczewski1 und namentlich von Wittich2 geliefert worden; Beide sahen nach Injection der Verbindung in das Blut die Aussenfl\u00e4che der Gef\u00e4sskn\u00e4uel roth gef\u00e4rbt. Ob aber die gesammte Menge der Harnsalze mit dem Glome-ruluswasser austritt, m\u00f6chte ich bezweifeln. Ich habe bei Gelegenheit der Versuche mit indigschwefelsaurem Natron an Thieren, deren Kn\u00e4uel durch R\u00fcckenmarksdurchschneidung trocken gelegt waren, das Auftreten von Salzniederschl\u00e4gen in den gewundenen Harncan\u00e4l-cken direct nachgewiesen, und wenn wir nicht daran zweifeln k\u00f6nnen, dass die Epithelien derselben sich unter Umst\u00e4nden an der Wasserabsonderung betheiligen, so wird dieses Wasser nat\u00fcrlich nicht salzfrei aus der Lymphe in den Harn bef\u00f6rdert werden.\nHarnsaure Salze finden sich auch bei reichlichster Absonderung niemals in den Kapseln, sondern nur in den Harncan\u00e4lchen vor3, welche demnach ihre Secretionsst\u00e4tte bezeichnen. Sie veranlassen hier aber gleichzeitig Wasserabsonderung, denn in einer Niere mit Oberfl\u00e4chen\u00e4tzung, deren Kn\u00e4uel ausser Function gesetzt werden, finden sich innerhalb des Aetzbezirkes die harnsauren Salze nicht blos in den Can\u00e4lchen der Rinde, sondern auch in denen der Pyramide, wohin sie ja nur durch Wasserabsonderung transportirt sein k\u00f6nnen.\nDass der Harnstoff4 sich \u00e4hnlich verh\u00e4lt, d. h. unter gleichzeitigem Wasseraustritt von den Can\u00e4lchen secernirt wird, haben die schon oben erw\u00e4hnten interessanten Beobachtungen Nussbaum\u2019s an Fr\u00f6schen gezeigt.\nUm Einw\u00fcrfen zuvorzukommen, m\u00f6chte ich bemerken, dass f\u00fcr den Harnstoff seine g\u00e4nzliche Abwesenheit in dem Kn\u00e4uelfiltrate nicht nachgewiesen werden kann, wie es f\u00fcr das indigschwefelsaure Salz, die harn-sauren Salze u. s. f. durch unmittelbare Untersuchung der Nieren m\u00f6glich ist. Bei der grossen Diffusibilit\u00e4t des Harnstoffes, bei seinem Er-\n1\tChrzonsczewski, Arch. f. pathol. Anat. XXXI. S. 189. 1864.\n2\tWittich, Arch. f. microscop. Anat. XI. S. 77. 1875.\n3\tR. Heidenhain, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 23. 1875.\n4\tNussbaum, Ebenda. XVI. S. 142. 1878.","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"Ausscheidung von Harnstoff, Harns\u00e4ure, Blutfarbstoff u. s. f.\n351\nscheinen in fast allen Fl\u00fcssigkeiten des K\u00f6rpers, wie in dem Humor aqueus, Humor vitreus, der Cerebrospinalfliissigkeit, den ser\u00f6sen Transsudaten u. s. f. ist es immerhin m\u00f6glich, dass auch das Kn\u00e4uelfiltrat Spuren desselben enth\u00e4lt. W\u00e4re aber die Niere auf diese Harnstoffquelle ang.ewiesen, so w\u00fcrde sie nur eine Wasserdr\u00fcse sein, deren Secret unter anderm auch Harnstoff in \u00e4hnlicher Menge, wie den oben genannten Fl\u00fcssigkeiten, beigemischt w\u00e4re, aber nimmermehr ein specifisches Absonderungsorgan f\u00fcr den in ihrem Secrete in so grossem Procentverh\u00e4ltnisse vorkommenden Harnstoff. Um sie dazu zu machen, gen\u00fcgen meiner Ansicht nach die Kn\u00e4uel nicht; hier treten die Harncan\u00e4lchen als speci-fische Sammlungs- und Absonderungsapparate ein.\nDa die Hip pur s\u00e4ure den Nieren nicht fertig zugef\u00fchrt wird, sondern erst in ihnen entsteht, wird ihr Abscheidungsort schwerlich in die Kn\u00e4uel verlegt werden d\u00fcrfen, sondern in den Can\u00e4lchen gesucht werden m\u00fcssen.\nVon unter ungew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden im Harne erscheinenden Substanzen wissen wir durch M\u00f6bius1 2, dass der Gallenfarbstoff niemals aus den Kapseln stammt, sondern erst in den gewundenen Can\u00e4lchen und der HENLE\u2019schen Schleife auftritt.\nGleiches gilt nach freundlichen Privatmittheilungen Ponfick\u2019s von dem Blutfarbstoffe, welcher auf seinem Wege durch die Epithelien der gewundenen Can\u00e4lchen unmittelbar in flagranti ertappt werden kann, wie bald zu hoffende ausf\u00fchrliche Ver\u00f6ffentlichungen meines geehrten Collegen zeigen werden.\nGegen\u00fcber diesen letzteren Thatsaehen ist es in h\u00f6chstem Maasse \u00fcberraschend, dass eine von Bowman- ausgesprochene Vermuthung, Zucker und Eiweiss w\u00fcrden durch die Gef\u00e4sskn\u00e4uel transsudiren, in directen Versuchen Nussbaum\u2019s3 ihre Best\u00e4tigung gefunden. So leicht Hiihnereiweiss und Zucker unter normalen Umst\u00e4nden bei Fr\u00f6schen aus dem Blute in den Harn \u00fcbertreten, so vermisste Nussbaum beide K\u00f6rper in dem nach Unterbindung der Nierenarterien bei Harnstoff-injection in das Blut von den Harncan\u00e4lchen gelieferten Secrete.\nBereits vor Jahren hat Isaacs4 den Wegen, welche in das Blut in-jicirte Substanzen innerhalb der Nieren nehmen, durch eine grosse Reihe von Versuchen nach gesp\u00fcrt. Wenn man aber in seiner Abhandlung liest, dass nach Einbringung pulverisirter Kohle in den Magen die Gef\u00e4sskn\u00e4uel innerhalb 24 Stunden schwarz geworden sein sollen, so entsteht ein wohl gerechtfertigtes Misstrauen gegen\u00fcber seinen \u00fcbrigen Angaben. Er will 24 Stunden nach Unterbindung des Choledochus die Malpighi\u2019-sehen Kapseln gelb, nach Einbringung von Kaliumeisencyan\u00fcr in eine\n1\tM\u00f6bius, Arch. d. Hcilk. XVIIf. S. 84. 1877.\n2\tBowman, Philos. Transact. I. p. 77. 1842.\n3\tNussbaum, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 583. 1878.\n4\tIsaacs, Journ. d. 1. physiol. I. p. 377. 1858.","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352 Heidenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Absclin. Harnabsonderung.\nund Eisensulphat in eine andre Darmschlinge blau, nach Injection von fein pulverisirtem Indigo mit Wasser in den Darm ebenfalls blau gesehen haben u. s. f., lauter Angaben, die den Stempel ihrer Unrichtigkeit an der Stirn tragen.\nDie Zahl der im Harne auftretenden Substanzen, deren Ausscheidungsort bisher mit Sicherheit bestimmt ist, ist dem Gesagten zufolge noch gering und der Zukunft bleibt hier noch ein weites Detailstudium Vorbehalten. Doch reichen die bisherigen Erfahrungen wohl aus, um mit Sicherheit zu behaupten, dass das Epithel gewisser Abtheilungen der Harncan\u00e4lchen bei der Bildung des Harnes eine wesentliche Rolle spielt, indem dasselbe die haupts\u00e4chlichsten specifisehen organischen Bestandtheile des normalen Harnes \u2014 und aller Wahrscheinlichkeit nach auch einen Theil der Harnsalze \u2014 aus der Lymphe sammelt und in das Secret der MALPictHi'schen Kn\u00e4uel \u00fcberf\u00fchrt.\nIII. Zur Charakteristik der absondernden Epitlielien\nder Harncan\u00e4lchen.\nDie in einer absondernden Zelle stattfindenden Stoffwechselvorg\u00e4nge genauer ins Einzelne zu verfolgen, ist noch an keiner Stelle des K\u00f6rpers m\u00f6glich. Aber aus dem Verhalten der Zellen und des Secretes lassen sich f\u00fcr manche Dr\u00fcsen doch gewisse allgemeine Schlussfolgerungen ableiten, die einige Einsicht in den Verlauf des Absonderungsvorganges gestatten. Bez\u00fcglich der secernirenden Zellen der Nierenepithelien kann man etwa folgende Puncte hervorheben:\n1.\tWie niedere Meeresorganismen aus dem Ocean den in \u00e4usserst geringem Procentverh\u00e4ltnisse in Wasser gel\u00f6sten Kalk oder die Kiesels\u00e4ure sammeln, um sie an ihrer Oberfl\u00e4che als Geh\u00e4use abzuscheiden, so sammeln die Epitlielien gewisser Abtheilungen der Harncan\u00e4lchen gewisse in der umsp\u00fclenden Lymphe in geringen relativen Mengen enthaltene Substanzen, z. B. Harnstoff, Harns\u00e4ure, um sie an ihrer inneren Oberfl\u00e4che wieder abzugeben.\n2.\tDieses Aufsammlungsverm\u00f6gen ist jedoch f\u00fcr die meisten Substanzen in so fern ein begrenztes, als es nicht zu gr\u00f6sseren Anh\u00e4ufungen derselben in den Zellen kommt. Das Nierengewebe enth\u00e4lt ja niemals gr\u00f6ssere Mengen Harnstoff in promptu. Wie also die Leberzellen die in ihnen bereiteten Gallenbestandtheile in dem Maasse, als sie entstehen, auch sofort nach aussen bef\u00f6rdern, so dass man in ihrem Innern weder Gallenfarbstoffe noch Gallens\u00e4uren im Normalzust\u00e4nde antrifft, so l\u00e4sst sich auch in den secernirenden Zellen","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"Physiologische Charakteristik der Epithelien der Tubuli contorti. 353\nder Niere nie Harnstoff in gr\u00f6sserer Quantit\u00e4t auffinden. Die Capa-cit\u00e4t der Zellen f\u00fcr den Harnstoff ist also trotzdem, dass sie ihn der Lymphe entziehen, eine sehr geringe. Der Secretionshergang gestaltet sich der Art, dass Aufnahme und Abgabe von Harnstoff durch die Epithelien mit einander gleichen Schritt halten, wie in den Leberzellen Bildung und Abgabe von Gallenbestandtheilen. F\u00fcr die Harns\u00e4ure scheint es in der Niere von Wirbellosen wie von V\u00f6geln allerdings zu gr\u00f6sseren Ansammlungen durch Ausf\u00fcllung zu kommen, damit scheinen aber die Zellen mindestens theilweise destruirt zu werden.\n3.\tDemzufolge h\u00e4ngt die Menge von Harnstoff, welche die Nierenzellen absondern, erstens ab von der Menge, die durch das Blut resp. die Lymphe ihnen zugef\u00fchrt wird, zweitens von der Geschwindigkeit, mit welcher sie die aufgenommenen Mengen wieder abzugeben Gelegenheit haben. Die Gr\u00f6sse der Zufuhr wird bedingt theils durch die Geschwindigkeit des Blutstromes in der Niere, theils durch seinen Gehalt an Harnstoff; die Abfuhr durch die Wassermenge, welche von den Kapseln her an den Zellen vor\u00fcberstr\u00f6mt. In dem Maasse, als die Zellen durch das Wasser entlastet werden, nehmen sie aus den S\u00e4ften neue Quantit\u00e4ten auf, um sie von Neuem abzugeben.\n4.\tDabei handelt es sich aber nicht um einen einfachen Diffusionsvorgang, wie daraus hervorgeht, dass der Gehalt des Blutes resp. der Lymphe an Harnstoff stets ausserordentlich viel geringer ist, als der des Harnes, sondern um eine active Zellenth\u00e4tigkeit, die sich zwar, wie jede Zellenth\u00e4tigkeit, einer physikalischen Definition bis jetzt durchaus entzieht, f\u00fcr welche wir aber vielfach im Organismus Analogieen finden.\n5.\tDie Geschwindigkeit des Blutstromes hat f\u00fcr die secernirenden Zellen wahrscheinlich nicht blos den Werth beschleunigter Zufuhr des Absonderungsmaterials, sondern auch ihre Bedeutung in der Sauerstoff Versorgung derselben. Denn auch in allen \u00fcbrigen Dr\u00fcsen erlahmt die absondernde Th\u00e4tigkeit sehr bald, wenn die Geschwindigkeit der Blutstr\u00f6mung unter eine gewisse Grenze sinkt, weil der f\u00fcr die Arbeitsleistung der Zellen erforderliche Sauerstoff zu mangeln beginnt. Ist die Nierenarterie eine Zeit lang geschlossen gewesen, so wird bei der immer erst l\u00e4ngere Zeit nach der Wiederer\u00f6ffnung beginnenden Secretion in der Regel in der Zeiteinheit weniger Harnstoff secernirt, als vor der Compression.1 Dauert der Arterienschluss l\u00e4ngere Zeit ( 1 b2\u20142 Stunden), so h\u00f6rt die secretorische Th\u00e4tigkeit der Zellen definitiv auf, obschon sie in der ersten Zeit nach Wie-\n1 Overbeck, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLVII. (2) S. 221 u. fg. 1863. Handbuch der Physiologie. Bd. V.\t23","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4iige. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nderer\u00f6ffnung der Blutbahnen anatomische L\u00e4sionen nicht erkennen lassen.1\n6. Als specihseher Reiz f\u00fcr die absondernden Epithelien wirkt jede st\u00e4rkere Steigerung des Gehaltes des Blutes an harnf\u00e4higen Substanzen (Harnstoff, Harns\u00e4ure, Neutralsalze u. s. f.). Ihre Absonde-rungsth\u00e4tigkeit wird dabei so intensiv, dass sie mit jenen Substanzen merkliche Wassermengen in die Harncan\u00e4lchen \u00fcberf\u00fchren (Nussbaum).\nF\u00dcNFTES CARTEL.\nDie Zusammensetzung des Gesammtliarus mit Kticksiclit auf die Absonderungsvorg\u00e4nge. Zusammenfassung der Thatsaclien.\nI. Die saure Reaction des Harnes.\nBekanntlich reagirt bei hungernden S\u00e4ugethieren der Harn constant sauer, bei normal sich ern\u00e4hrenden, wenn sie animalische Di\u00e4t f\u00fchren. Dass aus dem alkalischen Blute saure Fl\u00fcssigkeiten bereitet werden k\u00f6nnen, schien so lange schwer deutbar, als man die Abson-derungsprocesse auf die physikalischen Vorg\u00e4nge der Filtration und Diffusion, wie sie an todten thierischen Membranen beobachtet werden, zur\u00fcckf\u00fchren wollte. Wenn man aber nach den im letzten Capitel mitgetheilten Erfahrungen zugeben muss, dass die Absonderung der festen organischen Bestandtheile des Harnes durch eine active secretorische Th\u00e4tigkeit der Zellen erfolgt, so f\u00e4llt jede Deutungsschwierigkeit weg \u2014 es sei denn, dass man den heute noch g\u00e4nzlich unerf\u00fcllbaren Anspruch stellt, die in einer Secretionszelle Platz greifenden verwickelten Vorg\u00e4nge chemischer Natur genauer zu definiren. Die Epithelien der Tubuli contorti und HuNLE\u2019schen Schleifen (in ihrem breiten Theile) sammeln aus der Lymphe die in \u00e4usserst verd\u00fcnntem Zustande enthaltene Harns\u00e4ure und scheiden sie in das vor\u00fcberstr\u00f6mende Secret der MALPiGHi\u2019schen Kn\u00e4uel ab. So lange von dorther nicht so viel Alkalien oder alkalische Salze mitgebracht werden, um die gesammte Harns\u00e4ure in neutrales Salz\n1 Litten. Untersuchungen \u00fcber den h\u00e4morrhagischen Infarct. S. 48. Berlin 1879.","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"Die saure Reaction des sauren Harnes.\n355\nzu verwandeln, bleibt die Reaction der Fl\u00fcssigkeit sauer, weil sich saure pliosphorsaure Alkalien neben saurem harnsaurem Alkali bilden. Schwillt die Alkalifluth an, wie z. B. wenn w\u00e4hrend der Verdauung durch Zerlegung der Chloride des Blutes und Ausscheidung des Chlors als Salzs\u00e4ure im Magen das Blut an kohlensauren Alkalien reicher wird, so nimmt die saure Reaction des Harnes ab oder geht selbst in die alkalische \u00fcber.\nNeuerdings hat Maly1 den sehr interessanten Versuch gemacht, die Abscheidung freier S\u00e4uren aus dem Blute auf dem Wege der physikalischen Diffusion zu deuten. Nach Beobachtungen seines Sch\u00fclers Posch geht aus einem L\u00f6sungsgemenge von alkalischem Dinatriumphosphat (PO^Na^H) und saurem Mononatriumphosphat (PCP Na Ui) bei der Dialyse durch tinerische Membranen oder Pergamentpapier das letztere Salz in vorwiegender Menge hindurch. Da nun in dem Blute unter der Einwirkung von Kohlens\u00e4ure, Harns\u00e4ure, Hippurs\u00e4ure2 u. s. f. aus dem Di-natriumphosphate saures Phosphat entsteht, also im Serum beide Salze gleichzeitig Vorkommen, sei die saure Reaction des Harnes durch blosse Membrandiffusion erkl\u00e4rlich. Selbst das Auftreten kleiner Mengen freier Harns\u00e4ure resp. Hippurs\u00e4ure im Harn lasse sich durch Dialyse deuten. Denn Dinatriumphosphat bildet mit Hippurs\u00e4ure Natriumhippurat und Mononatriumphosphat. Beim Abdampfen oder beim Sch\u00fctteln mit Aether werde wieder freie Hippurs\u00e4ure abgeschieden, wahrscheinlich ebenso durch Dialyse. Im Blutserum ferner, weist Maly durch belehrende Versuche und Reflexionen nach, m\u00fcssen sich nothwendig unter der grossen Zahl unbekannter Combinationen von Basen und S\u00e4uren auch saure Salze finden. Da ihre Diffusionsgeschwindigkeit gr\u00f6sser ist, als die der neutralen, diffun-diren sie aus dem Blute schneller in die Secrete ab. \u2014 So weittragend Maly\u2019s Anschauungen \u00fcber die innere Constitution eines L\u00f6sungsgemenges von Salzen f\u00fcr die chemische Statik und so wichtig seine Diffusionsbeob-achtungen sind, halte ich sie f\u00fcr die Absonderungslehre nicht unmittelbar verwendbar. Denn man fragt sich vergeblich, weshalb denn Lymphe, Speichel, Thr\u00e4nen, Pankreassaft, Schweiss \u2014 nach den neueren Beobachtungen von Luchsinger \u2014 alkalisch reagiren, die doch alle aus demselben Blute hervorgehen. Wenn durch todte thierische Membranen k\u00fcnstliche L\u00f6sungsgemenge von Salzen sauer reagirende Diffusate geben k\u00f6nnen, so fehlt der Beweis, dass das Blutserum sich eben so verh\u00e4lt, und sollte das auch der Fall sein, so w\u00fcrde die verschiedenartige Reaction der verschiedenen Transsudate und Secrete darauf liinweisen, dass eben in den lebenden Dr\u00fcsen Bedingungen vorliegen, welche f\u00fcr eine jede andersartig sind und deshalb nach den Versuchen \u00fcber Membrandiffusion nicht ohne AVeiteres beurtheilt werden k\u00f6nnen. Dass vollends f\u00fcr die Niere die Abstellung der Bildung ihres Secretes durch einfache Diffusion auf keine AATise ausreicht, ist oben gezeigt worden.\n1\tR. Maly, Ztschr. f. physiol. Chemie. 1. S. 174. 1S77.\n2\tMaly kannte noch nicht die Untersuchungen von Bunge und Schmiele-eerc. nach welchen die Hippurs\u00e4ure im Blute nicht existirt.\n23*","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"356 Heidexhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. G. Abschn. Harnabsonderung.\nII. Die absoluten und relativen Mengen, in welchen Wasser und Harnstoff im Harne auftret en.\nAusf\u00fchrlichere Untersuchungen \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit der Zusammensetzung des G-esammtharnes von den Absonderungsbedingun-gen liegen nur bez\u00fcglich des Verhaltens des Wassers und des Harnstoffes vor.\n1.\tIn der Mehrzahl der F\u00e4lle steigt und sinkt mit der Absonderungsgeschwindigkeit des Wassers auch die des Harnstoffes, d. h. die absoluten, in der Zeiteinheit ausgeschiednen Harnstoffmengen gehen mit den Wassermengen auf und ab.\nWird z. B. durch Trennung der Splanchnici Hydrurie erzeugt, so tritt gleichzeitig mit den gr\u00f6sseren Wassermengen auch eine gr\u00f6ssere Harnstoff menge aus1. Bei mechanischer Verengerung der Nierenarterie sinken beide Gr\u00f6ssen.2 Vergleicht man den Harn, welchen die beiderseitigen Nieren gleichzeitig liefern, so ergiebt sich, dass das Verh\u00e4ltnis der beiderseitigen Absonderungsgeschwindigkeit wechselt, aber die ergiebigere Harnfluth auch immer mit st\u00e4rkerer Harnstoffabsonderung einhergeht.3 Reichliches Wassertrinken bedingt nach Uebereinstimmung vieler Beobachter nicht blos Vermehrung des Harnvolumens, sondern auch Vermehrung der absoluten 24 st\u00e4ndigen Harnstoffmengen.\nF\u00fcr die Filtrationstheorie ist dieses Gesetz selbstverst\u00e4ndlich. Denn da das in den Kn\u00e4ueln filtrirte Wasser bereits harnstoffhaltig ist, muss mit der absoluten Menge desselben auch die absolute Harnstoffmenge zunehmen. \u2014 Aber auch die von mir vertheidigten Anschauungen finden in jener Thatsache keine Schwierigkeit. Denn im Allgemeinen wird ja die gr\u00f6ssere oder geringere Wasserabsonderung bedingt durch beschleunigtere oder verlangsamte Circulation in der Niere. Der schnellere Dr\u00fcsenblutlauf beg\u00fcnstigt aber die absondernde Th\u00e4tigkeit aller Dr\u00fcsenzellen, also auch der Zellen der Harncan\u00e4l-chen. Dazu kommt, dass diese bei beschleunigter Wasserabsonderung auch schneller ihres Harnstoffvorrathes entlastet und dadurch zu schnellerer Wiederaufnahme aus der Lymphe bef\u00e4higt werden, welches Moment die Harnstoffsteigerung bei vermehrter Wassereinfuhr schon allein erkl\u00e4rt.\n2.\tDas Verh\u00e4ltniss, in welchem sich die Absonderungsgeschwindigkeit des Wassers und die des Harnstoffes \u00e4ndert, ist nicht immer das gleiche.\na) In manchen F\u00e4llen sinkt bei verlangsamter W asserabsonde-\n1\tKnoll, Eckhard\u2019s Beitr\u00e4ge. VI. S. 41. 1872.\n2\tMax Herrmann, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLV. S. 333 u. fg. 18G1.\n3\tDerselbe, Ebenda. XXXVI. S. 357. 1859.","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Relative Mengen von Wasser und Harnstoff im Harne.\n357\nrung die Harnstoffabsonderung weniger schnell, d. h. der Procentgehalt an Harnstoff steigt; umgekehrt nimmt bei beschleunigter Wasserabsonderung die Harnstoffsecretion weniger schnell zu, d. h. der Procentgehalt sinkt. So geht er herunter bei der durch Trennung der Nierennerven erzeugten Polyurie, bei der Secretionsbeschleunigung durch Vermehrung des Wassergehaltes des Blutes u. s. f. \u2014 Diese Erscheinung erkl\u00e4rt die Filtrationshypothese sehr einfach daraus, dass bei Secretionsbeschleunigung das Kn\u00e4uelfiltrat schneller die Harn-can\u00e4lchen durcheilt und deshalb weniger Zeit hat, sich durch Wasserabgabe zu concentriren, bei Secretionsverlangsamung l\u00e4ngeren Aufenthalt in den Can\u00e4lchen nimmt und deshalb eines gr\u00f6sseren Wasser-antheiles entlastet wird.\nAber auch die BowMAN\u2019sche Vorstellung ist gegen\u00fcber jener Thatsache nicht in Verlegenheit. Das schneller fliessende Wasser kann in den Can\u00e4lchen nat\u00fcrlich von ihren Epithelien nur eine ver-h\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringere Beigabe von Harnstoff erhalten, als das langsamer fliessende.\nb) In andern F\u00e4llen geht bei verlangsamter Absonderung der Procentgehalt an Harnstoff herunter; so bei mechanischer Verengerung der Nierenarterieh Dieser Thatsache gegen\u00fcber ist die Filtrationshypothese in Verlegenheit. Sie sieht sich zu der ganz unwahrscheinlichen und durch Nichts unterst\u00fctzten H\u00fclfs-hypothese gen\u00f6thigt, dass in jenen F\u00e4llen das Kn\u00e4uelfiltrat eine \u201esehr concentrirte\u201c Harnstoffl\u00f6sung gewesen sei, welche bei ihrer durch die Arterienverengerung herbeigef\u00fchrten Verz\u00f6gerung in den Harn-can\u00e4lchen Harnstoff an das Blut zur\u00fcckgegeben habe. Wie in den Kn\u00e4ueln, so lange es sich um einen rein mechanischen Filtrationsvorgang handelt, durch diesen eine concentrirte Harnstoffl\u00f6sung aus dem Blute herausgeschafft werden solle, bleibt durchaus r\u00e4thselhaft.\nNimmt man mit mir an, dass Wasser und Harnstoff an verschiedenen Stellen und durch verschiedene Apparate abgesondert werden, welche beide mit steigender und sinkender Blutgeschwindigkeit lebhafter oder weniger lebhaft arbeiten, so ist es sehr einfach, das wechselnde Verhalten des Procentgehaltes an Harnstoff aus dem zwar gleichsinnigen, aber nat\u00fcrlich nicht nothwendig gleichgradigen Einfl\u00fcsse der Str\u00f6mungsgeschwindigkeit des Blutes auf die Zellenarbeit an den verschiedenen Orten abzuleiten.\n3. Verlangsamt sich der Ausfluss des Harnes durch Gegendruck,\n1 Max Herrmann, Sitzgsber. d. Wiener Acad. XLY. S. 333 u. fg. 1S61. \u2014 Has oben Gesagte gilt von der Mehrzahl der H.\u2019sehen Versuche. In einigen, bei denen Wasser in die V. jugularis injicirt worden war. ist das Verhalten anders.","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"\u00d65S Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nso treten nach dem von M. Heremann in seinen beiden oft citirten Abhandlungen gemachten Erfahrungen verwickelte Folgen ein.\na)\tBei massiger Gr\u00f6sse des Gegendruckes sinkt mit der verlangsamten Ausflussgeschwindigkeit die absolute, wie die relative Harnstoffmenge.\nDie Filtrationshypothese scheint ausser Stande, diese Thatsache zu erkl\u00e4ren. Meine Voraussetzungen geben eine leichte Deutung. Denn bei Harnstauung tritt gleichzeitig wegen der oben er\u00f6rterten mechanischen Verh\u00e4ltnisse ven\u00f6se Stauung und mit ihr Verlangsamung des Blutstromes ein. Dadurch wird, wie schon oft erw\u00e4hnt, die Th\u00e4tigkeit der den Harnstoff secernirenden Zellen beeintr\u00e4chtigt.\nb)\tBei vollst\u00e4ndiger Schliessung des Harnleiters einer Seite wird, wenn sie nur k\u00fcrzere Zeit (bis zu 60') dauert, nach der Wiederer\u00f6ffnung mit beschleunigter Geschwindigkeit ein Harn entleert, der zwar procentisch \u00e4rmer an Harnstoff ist, als der gleichzeitige Harn der andern Niere, aber die absoluten Harnstoffmengen fallen dort doch viel gr\u00f6sser aus, als in der letzteren. Dies Verhalten ist von dem Standpuncte beider Theorien aus leicht verst\u00e4ndlich.\nDauert dagegen die Verschliessung des Harnleiters l\u00e4ngere Zeit, so wird der nach der Wiederer\u00f6ffnung secernirte Harn mit der Dauer der Schliessungszeit an Harnstoff immer \u00e4rmer, bis zuletzt das Secret wie das Gewebe der Niere kaum noch Spuren von Harnstoff aufweist. Aus dieser Erscheinung hat Herrmann einen Widerspruch gegen die BowMAN\u2019sche Auffassung ableiten wollen, da nach derselben w\u00e4hrend der Secretionsstockung die Zellen der Harncan\u00e4lchen Harnstoff aufspeichern m\u00fcssten. Allein ein Widerspruch d\u00fcrfte nur so lange bestehen, als man annimmt, dass w\u00e4hrend der Harnstauung die Wasserabsonderung in den Kn\u00e4ueln wirklich aufh\u00f6rt. Die Filtrationstheorie ist zu dieser durch keine Thatsache gerechtfertigten Annahme gen\u00f6thigt, nicht so die Theorie, welche in der Wasserabsonderung einen von den Epithelien der Kn\u00e4uel abh\u00e4ngigen activen Secretionsvorgang sieht, der, wie in allen andern Dr\u00fcsen, so auch in den Nieren w\u00e4hrend der Stauung fortgeht. Mit der Dauer derselben stellt sich unter dem Ueberdrucke des stauenden Secretes eine Filtration des Wassers durch die Wandung der Harncan\u00e4lchen in die Lymphr\u00e4ume her, welche den Harnstoff aus den Epithelien ausschwemmt und auf den Lymphwegen abf\u00fchrt. Es entsteht also eine Fl\u00fcssigkeitsbewegung von abnormer Richtung in der Niere. Sobald nach Aufhebung der Stauung die normale Circulation der Fl\u00fcssigkeiten wieder in Gang gekommen ist, wird, wie Herrmann beobachtete, auch wieder Harn von gew\u00f6hnlichem Gehalte an Harnstoff entleert.","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Curaranarcose.\n359\n4. Endlich ist die Filtrationstheorie ausser Stande, die verwickelten Folgen zu deuten, welche nach den eingehenden Untersuchungen von USTiMOwitsch die Curara-Nareose auf ihrem H\u00f6he-stadium f\u00fcr die Harnabsonderung herbeif\u00fchrt1. Sie werden verst\u00e4ndlich unter der Annahme, dass das Curara erstens eine Gef\u00e4ssverengerung der Niere durch Erregung der Vasomotoren herbeif\u00fchrt und zweitens die Erregbarkeit der den Harnstoff absondernden Epithelien herabsetzt. Aus der ersteren Voraussetzung erkl\u00e4rt es sich, dass nach der Curarisirung die Wasserabsonderung, nicht selten bis zum v\u00f6lligen Versiegen des Harns, heruntergeht, aber durch Durchschneidung der Nierennerven fast immer wieder beschleunigt wird. Aus der zweiten Annahme erkl\u00e4rt es sich, dass nach Ustimowitsch die Harnstoffabsonderung nach der Nervendurchschneidung in der Regel trotz der Zunahme der Wasserabsonderung nicht steigt, dass die Injection von Harnstoff ihre gewohnte Folge, das Harnwasser wie die Harnstoffmenge in die H\u00f6he zu treiben, nicht nach sich zieht, dass vielmehr diese Wirkung des in das Blut injicirten Harnstoffes erst eintritt, wenn gleichzeitig die Nerven durchschnitten werden. Die Nervendurchschneidung f\u00fcr sich ist unter normalen Umst\u00e4nden, bei normaler Erregbarkeit der Epithelien, schon ausreichend, um die durch dieselbe gesteigerte Stromgeschwindigkeit des Blutes in einer gesteigerten Harnstoffausscheidung zum Ausdruck zu bringen; beim curarisirten Thiere reicht dieses Anregungsmittel nicht aus; trotz der Steigerung der Wasserabsonderung geht die Harnstoffmenge sogar nicht selten noch herunter. Die Erregbarkeit der den Harnstoff absondernden Epithelien ist tief deprimirt, nicht so die der Wasser spendenden Kn\u00e4uelepithelien. \u2014 Beim normalen Thiere f\u00fchrt Bereicherung des Blutes an Harnstoff die Epithelien der Harncan\u00e4lchen in eine so hochgradig gesteigerte Th\u00e4tigkeit \u00fcber, dass sie mit dem \u00fcbersch\u00fcssig ihnen zugef\u00fchrten Harnstoffe gleichzeitig merkliche Wassermengen absondern; beim curarisirten Thiere fehlen beide Folgen wegen der herabgesetzten Erregbarkeit jener Epithelien, die erst dann \u00fcberwunden wird, wenn die Nerventrennung und die Harnstoffzufuhr zusammen wirken. \u2014\nAlle diese Erscheinungen des mangelnden Parallelismus zwischen Wasser- und Harnstoffabsonderung bleiben, so weit ich sehe, unerkl\u00e4rt, wenn man den Harnstoff einfach in dem Filtratwasser der Kn\u00e4uel gel\u00f6st zur Ausscheidung gelangen l\u00e4sst, denn mit steigender Wassermenge m\u00fcsste ja auch die Harnstoffmenge steigen; sie f\u00fchren\n1 C. U STiMO witsch, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1870. S. 454 u. fg.","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\nmit Nothwendigkeit zu der Annahme, dass Wasser- und Harnstoff-secretion unter ganz verschiedenen Bedingungen stehen, wie sie die von mir als m\u00f6glich vertheidigte Anschauung einf\u00fchrt.\nAlles Gesagte bezieht sich nur auf das H\u00f6hestadium der Curaraver-giftung. Bei der w\u00e4hrend der k\u00fcnstlichen Athniung allm\u00e4hlich eintretenden Entgiftung \u00e4ndern sich die Erscheinungen; wenn die Tliiere wieder spontan zu atlimen beginnen, tritt Hydrurie ein, die jedoch nicht lange anh\u00e4lt.1 Ebenso steigt die Harnmenge bei Anwendung sehr kleiner Dosen Curara, welche noch nicht zur Aufhebung der willk\u00fcrlichen Bewegungen ausreichen, wie Beobachtungen von Voisin und Lionville am Menschen1 und von A. K\u00f6hler2 an Thieren zeigen. Da nach Eckhard diese Steigerung der Absonderung auch noch nach Durchschneidung des Splanch-nicus zu Stande kommt, kann sie nicht auf Parese der Gef\u00e4ssverengerer beruhen.\nIII. Zusammenfassung der die Absonderungstlieorie betreifenden Tliatsaclien.\nBei der Verwicklung der bisherigen Er\u00f6rterungen erscheint es zweckm\u00e4ssig, die Schwierigkeiten, welchen die Filtrationstheorie begegnet, in K\u00fcrze zusammenzufassen.\n1.\tDie Voraussetzung, dass mit steigendem arteriellem Drucke durch die Capillarwandungen gr\u00f6ssere Fl\u00fcssigkeitsmengen filtriren, findet sich an den Capillaren sonstiger K\u00f6rpertheile (Extremit\u00e4ten, Speicheldr\u00fcsen) nicht best\u00e4tigt.\n2.\tSie wird f\u00fcr die Nieren um so unwahrscheinlicher, als die Capillaren der Gef\u00e4sskn\u00e4uel von einem Aussenepithel umkleidet sind und erfahrungsm\u00e4ssig einfache Epithellagen einen hohen Filtrationswiderstand bieten k\u00f6nnen (Hornhaut).\n3.\tDie Filtrationshypothese f\u00fchrt zu der Consequent, dass in den Nieren behufs Entfernung des thats\u00e4cblichen t\u00e4glichen Harnstoffquantums aus dem Blute Fl\u00fcssigkeitsmengen (beim Menschen etwa 70 Kgrm.) filtriren und wieder resorbirt werden m\u00fcssen, welche jede denkbare Grenze weit \u00fcberschreiten.\n4.\tSofern die Filtrationshypothese dieser Schlussfolgerung entgehen will, ist sie zu der allerdings f\u00fcr einzelne F\u00e4lle wirklich von ihr ausgesprochenen H\u00fclfshypothese gen\u00f6thigt, dass das Kn\u00e4uelfiltrat bereits einen Harnstoffgehalt von hohen Procenten besitze. Ganz abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit dieser Annahme ist sie mit\n1\tC. Eckhard, Beitr\u00e4ge zur Anatomie. V. S. 163 u. fg. 1870.\n2\tA. K\u00f6hler, recherches sur quelques diur\u00e9tiques. Gen\u00e8ve 1878. Hier sind auch die Beobachtungen von Voisin & Liolwille excerpirt.","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Zusammenfassung der die Absonderungstheorie betreffenden Ibatsachen. 361\nder Vorstellung eines einfachen mechanischen Filtrationsvorganges unvereinbar.\n5.\tIn Consequenz der Filtrationshypothese m\u00fcsste die Harnmenge ausnahmslos mit dem Drucke wachsen, was erfahrungsm\u00e4ssig nicht der Fall ist (ven\u00f6se Stauung).\n6.\tDie Voraussetzung der Filtrationshypothese, dass der Harn auf seinem Wege durch die Can\u00e4lchen in Folge von Diffusion con-centrirter werde, ist nicht zutreffend, weil seine Dichte gr\u00f6sser werden kann, als die des Blutserums, vollends als die der Lymphe, welche die Harncan\u00e4lchen zun\u00e4chst umsp\u00fclt.\n7.\tDie Filtrationshypothese ist ausser Stande zu erkl\u00e4ren, weshalb unter Umst\u00e4nden mit sinkender Absonderungsgeschwindigkeit des Harnes sein Procentgehalt an Harnstoff heruntergeht (Verengerung der Nierenarterie).\n8.\tDie Filtrationshypothese l\u00e4sst es im Unklaren, weshalb mit dem Wassergehalte des Blutes und mit seinem Gehalte an \u201eharn-f\u00e4higen41 Substanzen die Secretionsgeschwindigkeit w\u00e4chst.\nDiese zahlreichen Bedenken k\u00f6nnen, so scheint es, umgangen werden, wenn man f\u00fcr die Nieren, im Anschl\u00fcsse an die bei allen \u00fcbrigen Dr\u00fcsen gemachten Erfahrungen, folgende Annahmen zul\u00e4sst:\n1.\tWie in allen \u00fcbrigen Dr\u00fcsen, so beruht auch in der Niere die Absonderung auf einer activen Th\u00e4tigkeit besondrer Secretions-zellen.\n2.\tAls solche fungiren erstens die in einfacher Lage die Gef\u00e4ss-schlingen des MALPiGHi\u2019schen Kn\u00e4uels \u00fcberdeckenden Zellen, welche die Aufgabe haben, Wasser und diejenigen Salze des Harnes abzusondern, welche \u00fcberall im Organismus die Begleiter des Wassers sind, wie Kochsalz u. s. f.\n3.\tEin andres System von Secretionszellen, die gewundenen Schl\u00e4uche und die breiten Schleifentheile bekleidend, dient der Absonderung der specitischen Harnbestandtheile; unter Umst\u00e4nden wird gleichzeitig mit diesen ebenfalls eine gewisse Wassermenge secernirt.\n4.\tDer Grad der Th\u00e4tigkeit der beiderlei Secretionszellen wird bestimmt:\na)\tdurch den Gehalt des Blutes an V asser resp. festen Harn-bestandtheilen ;\nb)\tdurch die Blutgeschwindigkeit in den Nierencapillaren, sofern von der letzteren die Versorgung der betreffenden Zellen theils mit dem f\u00fcr sie bestimmten Absonderungsmaterial, theils mit Sauerstoff abh\u00e4ngt.","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362 Heldenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\n3. Die grosse Ver\u00e4nderlichkeit der Zusammensetzung des Harnes erkl\u00e4rt sich aus den Schwankungen in der Absonderungstk\u00e4tigkeit der beiderlei Zellen, deren relatives Verh\u00e4ltnis in breiten Grenzen wechselt.\nSECHSTES CAPITEL.\nEinfluss des Nervensystems auf die Harnabsonderung'.\nDass die Harnabsonderung in so weit unter dem Einfl\u00fcsse des Nervensystems steht, als Druck und Geschwindigkeit des Blutstromes in der Niere durch dasselbe beherrscht werden, ist in dem vierten Capitel ausreichend gezeigt worden. Ob es aber auch directe spe-ciflsche Secretionsnerven gebe, ist eine heute von den meisten Seiten verneinte Frage. Gewisse noch unklare Erscheinungen machen eine ausf\u00fchrlichere Besprechung derselben nothwendig.\nFest steht seit Cl. Bernard, dass nach Stichverletzung gewisser Gegenden des verl\u00e4ngerten Markes Vermehrung der Harnseeretion eintritt, die in der Regel, aber nicht ausnahmslos, von dem Auftreten von Zucker im Harne begleitet ist. Die Bedingungen, unter welchen Zucker mit der Harnflutk erscheint oder ausbleibt, sind noch nicht sicher ermittelt. Cl. Bernard1 machte sie von dem Orte der Verletzung in folgender Weise abh\u00e4ngig:\n\u201eQuand on pique sur la ligne m\u00e9diane du plancher du quatri\u00e8me ventricule, exactement au milieu de l'espace compris entre l'origine des nerfs acoustiques et l\u2019origine des nerfs pneumogastriques, on produit \u00e0 la fois l'exag\u00e9ration des deux s\u00e9cr\u00e9tions h\u00e9patique et renale ; si la piq\u00fbre atteint un plus haut, on ne produit tr\u00e8s souvent que l'augmentation dans la quantit\u00e9 des urines, qui sont alors souvent charg\u00e9es de mati\u00e8res albu-minoides ; au dessous du point pr\u00e9c\u00e9demment signal\u00e9, le passage du sucre seulement s\u2019observe et les urines restent troubles et peu abondantes. 11 nous a donc paru, qu'il pouvait y avoir possibilit\u00e9 de distinguer l\u00e0 deux points correspondants, l'inf\u00e9rieur \u00e0 la secretion du foie, le sup\u00e9rieur \u00e0 celle du rein. Seulement comme ces deux points sont tr\u00e8s rapproch\u00e9s d\u2019un de l\u2019autre, il arrivera le plus souvent, qu\u2019en traversant la r\u00e9gion oil ils se trouvent, d'une mani\u00e8re oblique, et c\u2019est l\u00e0 le cas le plus frequent, on les blesse tous deux ensemble et que l'on produise les deux effets simultan\u00e9ment; de sorte que l\u2019animal est \u00e0 la fois diab\u00e9tique et polyurique.\u201c\nI Cl. Bernard, Le\u00e7ons de physiologie. I. p. 339. 1835.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Nervensystems.\n363\nAllein Eckhard1 konnte bei Verfolgung der Beobachtungen Bernard\u2019s zu einem so bestimmt definirbaren Zusammenhang zwischen dem Orte der Verletzung und dem Auftreten reiner oder von Zuckerharnen begleiteter Polyurie nicht gelangen; zuckerfreie Hydr-urie kam ihm \u00fcberhaupt bei Kaninchen sehr selten vor (IV, 163).\nDagegen beobachtete Eckhard, dass bei Kaninchen (VI, 61 \u2014 80), aber nicht bei Hunden (VI, 190), durch Reizung gewisser Stellen des kleinen Gehirns, vor Allem desjenigen Lappens des Wurmes, welcher bei der Ansicht von hinten unmittelbar auf dem verl\u00e4ngerten Marke auf liegt, Hydrurie mit Melliturie sich erzeugen lasse, wenn die Reizung mechanisch oder chemisch (Eisenchlorid, Essigs\u00e4ure, Kali causticum, Argentum nitricum) oder durch einen constanten Strom geschieht, dass dagegen reine Hydrurie auftritt, wenn jene Eingriffe nach vor-e'\u00e4imm'er Durchschneidung der Lebernerven oder wenn sie sehr ober-fl\u00e4ch lieh geschehen.\nWie experimentell Hydrurie erzeugt werden kann, so tritt auch pathologisch reine Polyurie (Diabetes insipidus) bei Heerderkrankun-gen im Bereiche des verl\u00e4ngerten Markes (entz\u00fcndlichen Processen, Tumoren u. s. f.), nach Commotio cerebri, bei epileptischen und hysterischen Krampfanf\u00e4llen auf.2\nAus allen diesen Beobachtungen geht so viel mit Sicherheit hervor, dass Seitens der Centralorgane eine Steigerung der Wasserabsonderung in der Niere herbeigef\u00fchrt werden kann, auch ohne dass gleichzeitig Zucker im Harne erscheint.3\nAuf welchem Wege und auf welche Art geschieht nun die Einwirkung jener Centraltheile auf die Harnabsonderung?\nDie Hydrurie scheint nicht abh\u00e4ngig von irgend welchen allgemeinen Wirkungen in dem K\u00f6rper, sondern von Einwirkungen auf die Niere, denn bei einseitigen Verletzungen des verl\u00e4ngerten Markes tritt sie nicht in beiden Nieren gleichm\u00e4ssig, sondern auf der Seite der Verletzung schw\u00e4cher, auf der gesunden Seite st\u00e4rker auf (IV, 171). Man ist also auf die zu den Nieren tretenden Nerven als Vermittler hingewiesen.\nDa Durchschneidung des Splanchnicus ebenfalls Polyurie erzeugt\n1\tEckhard\u2019s \u00f6fter zu citirende Arbeiten befinden sich in seinen Beitr\u00e4gen zur Anat. u.Physiol. IV. S. 1 \u2014 32 und S. 153\u2014193. IS69 ; Y.S. 147\u2014ITS. 1870; VI.S. 1 \u201418 und 51 \u2014 94. 1 872. Der K\u00fcrze halber werde ich in dem Texte des vorliegenden Capi-tels bei den k\u00fcnftig nothwendig werdenden Citaten nur Band und Seitenzahl mit r\u00f6mischen resp. deutschen Ziffern in Klammern anf\u00fchren.\n2\tVgl. die Zusammenstellung von W. Ebstein im Deutsch. Arch. f. klin. Med. XI. S. 344. 1872.\n3\tDie Lehre von dem k\u00fcnstlichen Diabetes wird in einem andern Theile dieses Werkes bei Gelegenheit der Glycogenbildung in der Leber abgehandelt.","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonderung.\n(s. oben Cap. IV), liegt die Annahme nahe, dass die Stichverletzung des verl\u00e4ngerten Markes die flir die Nierengef\u00e4sse bestimmten Splanch-nicusfasern l\u00e4hme. Allein hiergegen spricht nach Eckhard schon der Charakter der durch Trennung der Splanchnici und der durch den Markstich hervorgerufenen Hydrurie. Denn beide haben einen ver-schiednen zeitlichen Verlauf. Die Splanchnicus-Hydrurie steigt bald zu einem massigen Maximo an und h\u00e4lt sich auf diesem l\u00e4ngere Zeit, jedenfalls mehrere Stunden. Der Stichhydrurie geht zuerst eine mehr oder weniger starke Herabsetzung der Absonderung vorauf, und zwar bei einseitigem Stich beiderseitig (IV, 181), darauf steigt sie schnell zu einem h\u00f6heren Maximo an und sinkt schnell wieder herab. Vollst\u00e4ndig schlagend beweist die Unabh\u00e4ngigkeit der Stichhydrurie von dem Splanchnicus der von Eckhard durch zahlreiche Versuche erh\u00e4rtete Umstand, dass der Stich bei einseitiger Durchschneidung des Splanchnicus die schon durch Trennung des Nerven vermehrte Secretion von Neuem in die H\u00f6he treibt. Ja Eckhard fand den Stich auch noch wirksam, wenn ausser dem Splanchnicus die \u00fcbrigen Nierennerven, so weit sie anatomisch erreichbar sind (s. oben S. 313 die anatomische Beschreibung nach N\u00f6llner) und alle andern Nervenbahnen, von denen irgend ein Zusammenhang mit den Nieren vermuthet werden konnte, durchschnitten worden waren (Phrenieus, Vagus, Zweige vom ersten Brustganglion zum Vago-Sympathicus des Hundes, Zweige vom Plex. hypogastricus zum Bauchgeflecht, Exstirpation des Gangl. coeliacum, der hinter der Nebenniere liegenden Ganglien und der \u00fcbrigen Ganglien des Grenzstranges, V, 150).\nWenn diese Beobachtungen richtig sind, und bei der Genauigkeit, mit welcher Eckhard sie in grosser Zahl anstellte, l\u00e4sst sich wohl kaum daran zweifeln, \u2014 so bleibt Nichts \u00fcbrig, als entweder die Annahme, dass die nach Trennung jener Nervenbahnen von dem verl\u00e4ngerten Marke aus herstellbare Secretionssteigerung einer Steigerung des Aortendruckes ihren Ursprung verdankt, oder die Voraussetzung, dass von der Aorta her mit der Nierenarterie Nerven in das Innere der Dr\u00fcse gelangen, welche sich wegen ihrer Feinheit der Pr\u00e4paration entziehen.\nDie erstere Annahme hat Eckhard wenigstens bez\u00fcglich der durch Verletzung des Wurmes bei Kaninchen herstellbaren Hydrurie gepr\u00fcft und ist dabei zu negativen Resultaten gekommen : der Aortendruck war w\u00e4hrend der Secretionssteigerung nicht h\u00f6her, als vor der centralen Verwundung (VI, 86). Deshalb entscheidet er sich f\u00fcr die zweite Annahme solcher heimlicher Nervenbahnen, die in der That kaum zu umgehen sein wird.","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Nervensystems auf die Absonderung.\n365\nWelcher Art aber sollen diese Nerven sein? Eckhard h\u00e4lt dieselben f\u00fcr specilische Absonderungsnerven, deren Verlauf nach der Medulla oblongata hin er durch systematische R\u00fcckenmarks-durchschneidungen zu ermitteln sucht. Seine schliessliche Ansicht geht dahin, dass in dem Hirn, und zwar wahrscheinlich in dem verl\u00e4ngerten Marke, ein Secretionscentrum f\u00fcr die Niere gelegen sei, von welchem aus Fasern abw\u00e4rts zum Brusttheile des R\u00fcckenmarkes gelangen, um hier durch gewisse Brustnerven auszutreten, mit sympathischen F\u00e4den zur Brustaorta zu ziehen und diese bis zur Nierenarterie zu begleiten.\nAber die Beobachtungen Eckhard\u2019s, welche zu jener Vorstellung f\u00fchrten, sind zum gr\u00f6ssten Theile einer andern Deutung f\u00e4hig. Wenn, wie Eckhard gefunden, nach hoher Durchschneidung des Markes die Nierenabsonderung aufh\u00f6rt, so ist darin nur eine Folge der Herabsetzung des Aortendruckes zu sehen, wie bereits Ustimowitsch1 gezeigt. Eckhard wendet zwar gegen diese Erkl\u00e4rung ein, dass durch Reizung des untern R\u00fcckenmarksabschnittes die Absonderung nicht wieder hervorgerufen werden k\u00f6nne, trotzdem dass der Arteriendruck wieder erheblich ansteige, aber dieses Verhalten ist sehr erkl\u00e4rlich, weil durch die R\u00fcckenmarksreizung die Nierengef\u00e4sse vermittelst der auf der Bahn des Splanchnicus verlaufenden Fasern verengt werden und dadurch die Aortendrucksteigerung f\u00fcr die Niere nat\u00fcrlich unwirksam gemacht wird. Kommt man diesem Absonderungshemmniss durch die Trennung der Nierennerven zuvor, so f\u00fchrt Reizung des R\u00fcckenmarkes entsprechend der Aortendrucksteigerung eine sehr erhebliche Secretionsbeschleunigung herbei.2 Es ist also nicht n\u00f6tliig, mit Eckhard seine negativen Reizerfolge in der Anwesenheit eines besondern die Harnabsonderung hemmenden Svstems von Nieren-nerven neben den die Secretion unterhaltenden Fasern innerhalb des Markes zu suchen ; die Aenderung des Nierenblutlaufes reicht zur Erkl\u00e4rung vollst\u00e4ndig aus.\nObschon sich nun die Erfolge der Durchschneidung des Markes und der Splanchnici, wie die Folgen der Reizung dieser Theile s\u00e4mmt-lieh aus ihren Wirkungen auf die Circulation in den Nieren erkl\u00e4ren, so bleiben doch zwei Thatsachen vorl\u00e4ufig unerledigt und bed\u00fcrfen weiterer Untersuchung, durch welche Eckhard die Annahme speci-tischer Secretionsnerven unterst\u00fctzt.\nErstens gelang es ihm zwei Mal bei Hunden, deren Harnsecretion\n1\tC. Ustimowitsch, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. Math.-phys. CI. 1870. 12. Dec. Vgl. bes. S. 441.\n2\tGr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 380. 3S1. Vers. VIII. u. IX.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"3(36 Hetdenhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Absehn. Harnabsonderimg.\nnach Durchschneidung des R\u00fcckenmarkes IA/2\u20142V2 Stunden unterbrochen gewesen war, durch mechanische (aber nicht electrische) Reizung des untern Markabschnittes von Neuem mehr oder weniger ergiebige Absonderung hervorzurufen. Vielleicht ist hier an eine massige Erregung der Vasomotoren zu denken, welche gen\u00fcgte, den Blutdruck bis zu der f\u00fcr die Harnabsonderung erforderlichen H\u00f6he von ca. 50 Mm. in der Aorta zu steigern, ohne die Nierengef\u00e4sse v\u00f6llig zu schliessen.\nZweitens geh\u00f6rt hierher die schon oben erw\u00e4hnte Wirksamkeit des Stiches in das verl\u00e4ngerte Mark nach Durchtrennung s\u00e4mmtlicher pr\u00e4parirbarer Nierennerven, die auf in den Gef\u00e4ssw\u00e4nden verlaufende Nerven hinweist. Aber diese brauchen nicht specifische Absonderungsnerven zu sein, sondern k\u00f6nnen gef\u00e4sserweiternde Nerven sein, welche durch den Stich erregt werden. Damit stimmt der Charakter der hierbei auftretenden Polyurie \u00fcberein, von welcher Eckhard betont, sie sei in ihrem zeitlichen Verlaufe durchaus einer Reizerscheinung \u00e4hnlich: sofern sie schnelles Ansteigen bis zu einem hohen Maximo und schnelles Sinken zeige.\nDass auch die letzterw\u00e4hnten beiden Beobachtungen bei genauerer\no\to\nErforschung ihrer Bedingungen sich als von dem Blutlaufe in den Nieren und nicht von specifischen Absonderungsnerven abh\u00e4ngig erweisen werden, wird sehr wahrscheinlich, wenn man Erfahrungen zu H\u00fclfe nimmt, welche schon vor langer Zeit von Bidder1 an Fr\u00f6schen gemacht worden sind. Es gelang ihm, eine gr\u00f6ssere Anzahl von Thie-ren nach g\u00e4nzlicher Zerst\u00f6rung des R\u00fcckenmarkes vom 2. Wirbel ab viele Wochen lang am Leben zu erhalten, nach Zerst\u00f6rung von R\u00fcckenmark und Hirn (mit Schonung des verl\u00e4ngerten Markes) bis zu 5 Tagen. Bei solchen Thieren dauerte die Harnabsonderung trotz jener Zerst\u00f6rungen fort, \u2014 zum Beweise, dass die Nierenth\u00e4tigkeit auch ohne einen specifischen Einfluss der grossen Nervencentren zu Stande kommen kann.\n1 F. Bidder, Arch. f. Anat. u. Physiol. I S44. S. 376.","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"367\nANHANG.\nEinige Bemerkungen \u00fcber Albuminurie.\nWenn das Auftreten von Eiweiss in dem Harne auch nur ausnahmsweise unter normalen Verh\u00e4ltnissen beobachtet wird, so sind die Bedingungen, unter denen vor\u00fcbergehend Albumin in den Nieren abgesondert wird, doch interessant genug, um einer Er\u00f6rterung unterzogen zu werden.\nLeube1 hat k\u00fcrzlich mitgetheilt, dass geringe Mengen von Eiweiss im Harne v\u00f6llig gesunder Menschen auftreten k\u00f6nnen. Eine Pr\u00fcfung von 1 19 Soldaten ergab in 1C Procent der F\u00e4lle Eiweissgehalt im Mittagsurin nach anstrengendem Marsche, in 5 Procent der F\u00e4lle im Morgenharn, ohne dass irgend welche pathologischen Zust\u00e4nde der Nieren sich constatiren Hessen.\nWie zuerst Berzelius2 beobachtete und sp\u00e4ter Cl. Bernard ;, Stockvis4, J. C. Lehmann5 u. A. best\u00e4tigten, geht H\u00fchnereiweiss, welches in das Blut oder unter die Haut gespritzt oder in ungekochtem Zustande in gr\u00f6sserer Menge in den Magen (Bernard, Stockvis) gebracht wird, mit Leichtigkeit in den Harn \u00fcber, und zwar nach Nussbaum (vgl. oben Viertes Capitel II, 3, b) durch die Gef\u00e4sskn\u00e4uel. Da die Wandungen der letzteren f\u00fcr Serumeiweiss unter normalen Verh\u00e4ltnissen undurchg\u00e4ngig sind, ist ihre Durchl\u00e4ssigkeit f\u00fcr H\u00fchnereiweiss im hohen Maasse auffallend. Runeberg6 sucht den Grund in der leichteren Filtrirbarkeit des letzteren, welche er durch Versuche mit todten thierischen Membranen7 festgestellt. Allein wenn es richtig ist, was \u00fcbereinstimmend Stockvis und J. C. Lehmann versichern, dass mit dem Harne nicht selten erheblich mehr Eiweiss ausgeschieden wird, als in das Blut eingespritzt worden ist, d\u00fcrfte jene einfache Erkl\u00e4rung schwerlich zureichend sein.\nBei Weitem am Interessantesten ist diejenige Albuminurie, welche bei Circulationsst\u00f6rungen in den Nieren, sowohl nach Hemmung des\n1\tLeube, Arch. f. pathol. Anat. LXXII. S. 145. 1S7S.\n2\tIch finde diese Angabe hei mehreren Autoren ohne n\u00e4heres Cit\u00e2t.\n3\tCl. Bernard. Le\u00e7ons sur les propri\u00e9t\u00e9s physioloques et les alterations pathologiques des liquides de l'organisme. IL Cinqui\u00e8me le\u00e7on. 1859.\n4\tStockvis. Recherches exp\u00e9rimentales sur les conditions patliogeniques de l'albuminurie. Bruxelles 1897.\n5\tJ. C. Lehmann, Arch. f. pathol. Anat. XXX. S. 593. 1864.\n6\tRuneberg, Deutsch. Arch. f. klin. Med. XXIII. S. 28. 1S79.\n7\tDerselbe. Arch. d. Heilk. XVIII. S. 39\u201453. 1878.","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"36S Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Abschn. Harnabsonclerung.\narteriellen Blutzuflusses, als bei Erschwerung des ven\u00f6sen Abflusses, zu Stande kommt. Sowohl \u00fcber den Ort, als die n\u00e4heren Bedingungen der Eiweissausscheidung unter jenen Umst\u00e4nden herrschen die gr\u00f6ssten Meinungsverschiedenheiten. Einzelne sehen die Harn-can\u00e4lchen1, die Mehrzahl die MALPiGHi\u2019schen Kn\u00e4uel als Durchtrittsstelle des Eiweiss an. Die Meisten sehen den Grund in einer abnormen Drucksteigerung innerhalb der Nierengef\u00e4sse, Runeberg'2 in einer abnormen Druckherabsetzung. Tot capita, tot sensus!\nDie interessanten Beobachtungen Runeberg\u2019s \u00fcber Filtration von Eiweissl\u00f6sungen sind von ihm selbst und andern Forschern in Beziehung zu den Theorieen der Albuminurie gesetzt worden ; deshalb ist es nothwendig, einen Augenblick auf dieselben einzugehen, wenigstens auf die f\u00fcr das Folgende wichtigen Resultate. Runeberg findet: 1. dass eine Membran, welche unter constantem Drucke Eiweissl\u00f6sung filtrirt, mit der Zeit eine immer gr\u00f6ssere Dichtigkeit bekommt, so dass die Filtrationsgeschwindigkeit sinkt; die Durchl\u00e4ssigkeit f\u00fcr das Eiweiss nimmt schneller ab, als die Durchl\u00e4ssigkeit f\u00fcr Wasser, der Procentgehalt des Filtrates an Eiweiss geht also herunter. 2. Wird die Membran eine Zeit lang vom Drucke entlastet, so filtrirt sie, wenn der fr\u00fchere Druck wieder einwirkt, anfangs schneller als vor der Entlastung; die Geschwindigkeit sinkt mit der Zeit wieder ab. 3. Runeberg behauptet weiter, dass f\u00fcr Eiweiss Membranen bei h\u00f6herem Druck weniger permeabel seien, als bei niedrigerem Druck. Dieser wichtige Punct bedarf einer Beleuchtung durch ein Zahlenbeispiel, da meiner Ansicht nach Runeberg\u2019s Ergebnisse etwas anders aufzufassen sind, als R. selbst sie auffasst. Pferdeblutserum von 8,4 % Eiweissgelialt wurde durch Schafdarm filtrirt; zu den RuNEBERG\u2019schen Ziffern f\u00fcge ich die Berechnung der absoluten filtrirten Eiweissmengen.\n\tDruck in Cm. Wasser- hohe\t\u00ab 2h r-^\tO-, \u00a3 O 03\t^\t\u2014 o o . \u00a3 bCR S 3 sg \u25a1\tr\u2014 Ul c3 CD \u00a3 O r- 'S \u00a3 g \u00a3 W \u00a7 K s S\tJ. \u00c9 ^ \u00ce 5 a A A u\tli ^ W CD\t\u00a33 \u00b0 A S \u00b0 \u0153 5.- S \u25a1 U -4-3\tBemerkungen\n1.\t100\t472\ts\t37,76\tBeginn des Versuchs.\n2.\t100\t90\t6,54\t5,88\tNachdem die Memhran 3 Stunden unter\n\t\t\t\t\tgleichem Druck gestanden.\n3.\t10\t24\t7,8\t1,87\tNach 2 st\u00fcndiger Einwirkung des gerin-\n\t\t\t\t\tgeren Druckes.\n4.\t10\t14\t6,84\t0,95\tAm n\u00e4chsten Morgen, nachdem die Mem-\n\t\t\t\t\tbran die ganze Nacht unter 10 Cm.\n\t\t\t\t\tDruck gestanden.\n5.\t40\t25\t5,2\t1,30\t\n6.\t100\t30\t3,84\t1,15\tAm n\u00e4chsten Morgen\n7.\t100\t29\t3,88\t1,12\t\n8.\t40\t16\t4,52\t0,72\t\n9.\t10\t8\t6,54\t0,52\t\n1\tz. B. Senator, Arch f. patkol. Anat. LX. S. 23. \u2014 Bartels, v. Ziemssen\u2019s Handbuch der spec. Pathologie. IX. (I ) S. 41. 1875.\n2\tRuneberg, Deutsch. Arch. f. klin. Med. XXIII. S. 13 u. fg. 187s.","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Uebergang von Eiweiss in den Harn.\n369\nDer Vergleich von 1. und 2. oder 3. und 4. ergiebt ohne Zweifel die Richtigkeit des RuNEBERG\u2019schen Satzes, dass bei constantem Drucke die Durchl\u00e4ssigkeit der Membran f\u00fcr Wasser und in noch h\u00f6herem Maasse f\u00fcr Eiweiss abnimmt. Vergleicht man weiter 4. 5. 6. oder 7. 8. 9., so ist das zweifellose Resultat, dass bei h\u00f6herem Drucke mehr Eiweiss durchgeht, als bei niederem Drucke, wie ein Blick auf die letzte von mir berechnete Columne lehrt. Nur die Eiweissziffer bei No. 6 macht eine Ausnahme. Wenn Runeberg umgekehrt das Gesetz aus seinen Zahlen ableitet und in der Theorie der Albuminurie verwerthet, dass Membranen bei geringerem Drucke f\u00fcr Eiweiss permeabler seien, als bei h\u00f6herem, so hat er sich dabei durch die Procentgehalte des Filtrates an Eiweiss bei den verschiedenen Druckgraden leiten lassen. Allein dass der Procentgehalt bei h\u00f6herem Drucke geringer ist, sagt nichts weiter, als dass die Filtrationsmenge des Wassers mit steigendem Drucke schneller zunimmt, als die des Eiweisses. Mit andern Worten lassen sich also die von Runeberg ermittelten Thatsachen in folgender Weise ausdriieken: Bei steigendem Drucke geht durch thierische Membranen bei Filtrationen von Eiweissl\u00f6sungen sowohl mehr Eiweiss, als mehr Wasser; der Eiweissstrom w\u00e4chst aber langsamer als der Wasserstrom, so dass der Pro-c entgehalt des Filtrates an Eiweiss mit steigendem Druck abnimmt.\nTreten wir nun der Albuminurie bei .Circulationsst\u00f6rungen in der Niere n\u00e4her, so hat zun\u00e4chst starke Verengerung oder Verschluss der Nierenarterie selbst w\u00e4hrend kurzer Zeit bei der darauf folgenden Wiederer\u00f6ffnung Eiweissharnen zur Folge1 2.\nAus 0Verbecks Versuchen geht hervor, dass nach Wiederer\u00f6ffnung der auch nur 112 Minuten verschlossenen Arterie die Harnabsonderung nur langsam wieder ansteigt ; zun\u00e4chst bleibt sie k\u00fcrzere oder l\u00e4ngere Zeit, selbst bis gegen 3/4 Stunden ganz aus, wenn sie wieder beginnt, wird anfangs viel Eiweiss entleert, das aber, w\u00e4hrend der zuerst sp\u00e4rliche Harn mit der Zeit reichlicher fliesst, allm\u00e4hlich abnimmt.\nDie Ursache der Eiweissabsonderung ist Hermann geneigt, in einer \u00fcberm\u00e4ssigen Steigerung des Blutdruckes zu suchen, welche nach Wiederer\u00f6ffnung der Arterie dadurch herbeigef\u00fchrt wird, dass w\u00e4hrend der Blutstromshemmung innerhalb der Capillaren Blutk\u00f6rperchen sich zusammenballen und dadurch ungew\u00f6hnliche Widerst\u00e4nde f\u00fcr den Blutstrom entstehen sollen. Allein diese Hypothese ist ein offenbarer Nothbehelf, f\u00fcr welchen alle Erweise mangeln. Litten fand selbst nach l\u00e4ngerer Compression der Nierenarterie bei Wiederer\u00f6ffnung das gesammte Stromgebiet \u00fcberall f\u00fcr das Blut in normaler Weise durchg\u00e4ngig.\n1\tMax Herrmann. Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-phys. Cl. LXV. 1861. Vgl. \"\\ ors. 1 \u2014 5.\n2\tR. Overbeck. Ebenda. XLVII. (2) S. 1S9 u. fg. 1863.\nHandbueh der Physiologie. Bd. V.\n24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370 Heidenhain, Physiol, d. Absoiiderungsvorg\u00e4nge. C. Ab sehn. Harnabsonderimg.\nRuneberg sucht den Grund der Albuminurie in dem f\u00fcr einige Zeit verminderten oder aufgehobenen Druck innerhalb der Glomeruli. Mir scheint jedoch diese Deutung nach Runeberg\u2019s eignen Versuchen aus mehreren Gr\u00fcnden unstatthaft. Denn erstens haben die von ihm benutzten Membranen v\u00f6llig andere Filtrationseigenschaften als die Glomeruluswandungen, wie daraus hervorgeht, dass erstere H\u00e4moglobin mit grosser Leichtigkeit liltrirten, w\u00e4hrend in den Nieren das H\u00e4moglobin nach Ponfick nicht durch die Glomeruli geht, sondern von den Epithelieu der Harncan\u00e4lchen abgesondert wird. Zweitens besagen Runeber\u2019g Versuche gar nicht, dass bei geringerem Drucke mehr Eiweiss durch die Membranen durchgeht (s. oben), sondern die durchgehende Albuminatmenge nimmt mit sinkendem Drucke ab. Wenn drittens sich Runeberg auf seine Erfahrung beruft, dass tliie-rische H\u00e4ute nach vorg\u00e4ngiger Entlastung von Druck bei neuer Belastung f\u00fcr Wasser wie f\u00fcr Eiweiss permeabler sind als vorher, so zeigen die Beobachtungen an der Niere ganz andre Verh\u00e4ltnisse. Denn in der ersten Zeit nach der Arteriener\u00f6ffnung sind die Kn\u00e4uel f\u00fcr Wasser gar nicht permeabel, d. h. die Secretion stockt ganz, und diese Unterbrechung dauert unter Umst\u00e4nden bis gegen i Stun-den fort; nach Wiederbeginn nimmt die Secretionsmenge allm\u00e4hlich zu. Bei den Filtrationsversuchen aber ist die Filtrationsmenge zu Beginn am Gr\u00f6ssten und nimmt allm\u00e4hlich ab. Die Membran ver-liert also mit der Zeit an Permeabilit\u00e4t sowohl f\u00fcr Wasser als f\u00fcr Eiweiss, w\u00e4hrend durch die Wandung der Glomeruli mit der Zeit mehr und mehr Wasser \u2014 nat\u00fcrlich bis zu einer gewissen Grenze \u2014 abgesondert wird. Der physikalische \"\\ ersuch und der physiologische Vorgang sind also grundverschiedne Erscheinungen, die nicht mehr als eine oberfl\u00e4chliche \u00e4ussere Aehnlichkeit mit einander gemein haben.\nBevor eine Deutung der unter den obigen Umst\u00e4nden eintretenden Albuminurie versucht wird, ist es nothwendig zu erw\u00e4hnen, dass Eiweiss auch bei Hemmungen des Blutabflusses aus der Nierenvene regelm\u00e4ssig in den Harn \u00fcbergeht. Unter diesen Umst\u00e4nden steigt der Druck in den Kn\u00e4ueln an; die grosse Mehrzahl sieht in dieser Drucksteigerung die Ursache des Eiweissdurchtrittes, Runeberg in einer angeblich in den Kn\u00e4ueln stattfindenden Druckverminderung, deren Wirkung noch dadurch steige, dass gleichzeitig jede ven\u00f6se Stauung eine Harnstauung in den Can\u00e4lchen oberhalb der Grenzschicht und damit eine Abnahme des Druckunterschiedes zwischen dem Gef\u00e4ssinhalte und dem Inhalte der Harncan\u00e4lchen bedinge. Aber von einer absoluten Druckabnahme in den Kn\u00e4ueln kann bei ven\u00f6ser","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Uebergang von Eiweiss in den Harn.\n371\nStauung nicht die Rede sein, und wenn sie selbst vorhanden w\u00e4re, w\u00fcrde sie, wie ich die Zahlen in Runeberg\u2019s Filtrationsversuchen lese, einen Eiweissdurchtritt nicht erkl\u00e4ren k\u00f6nnen, da vorher die Permeabilit\u00e4t der Kn\u00e4uelwandungen f\u00fcr Eiweiss gleich Null war, und nach Runeberg\u2019s Versuchen bei geringem Drucke weniger Eiweiss tiltrirt als bei h\u00f6herem, wenn auch der Procentgehalt des Filtrates an Eiweiss steigt.\nDass eine durch vermehrte arterielle Blutzufuhr herbeigef\u00fchrte Drucksteigerung innerhalb der Kn\u00e4uel zur Albuminurie f\u00fchren k\u00f6nne, ist wenigstens f\u00fcr den Normalzustand der Nieren nicht wahrscheinlich. Zwar gab H. Meyer1 2 3 an, dass nach Unterbindung der Aorta unterhalb der Nierenarterien der Harn eiweisshaltig werde, allein Frericiis- kam zu einem negativen Resultate und fand Eiweiss im Harne nur dann, wenn mit der Aortenligatur die Exstirpation einer Niere verbunden wurde. Da aber Pu. Munk auch unter diesen Umst\u00e4nden das Eiweiss nur vor\u00fcbergehend im Harne antraf, scheint sein Uebergang nur Folge vor\u00fcbergehender St\u00f6rungen durch die eingreifende Operation gewesen zu sein.\nUeberlegt man, welche Umst\u00e4nde der Hemmung der Zufuhr von Arterienblut und der Hemmung der Abfuhr von Venenblut gemeinsam sind, so ist es die Abnahme der Stromgeschwindigkeit in der Niere. Wie ich fr\u00fcherhin wahrscheinlich gemacht habe, dass sie es sei, vor welcher die Absonderungsgeschwindigkeit des Harnes abh\u00e4ngt, so scheint es mir auch in Bezug auf die Albuminurie am Wahrschein-\nlichsten, dass sie immer dann eintritt, wenn die Blutgeschwindigkeit in der Niere unter diejenige Grenze sinkt, welche f\u00fcr die normale Ern\u00e4hrung der Kn\u00e4uelepithelien nothwendig ist. Schon eine kurze Unterbrechung der arteriellen Zufuhr gen\u00fcgt, um sie ihre Function f\u00fcr l\u00e4ngere Zeit ganz einstellen zu lassen, d. h. Stockung der Absonderung herbeizuf\u00fchren. Sie sind also bez\u00fcglich ihrer normalen Eigenschaften ungemein empfindlich gegen jede Vorenthaltung des Blutes. Zwischen dem Zustande, in welchem sie normal fun-giren, und demjenigen, in welchem sie ihre Function ganz einstellen, giebt es ein Zwischenstadium, in welchem sie statt des normalen Absonderungsproductes ein eiweisshaltiges liefern. In diesen Zustand gerathen sie jedes Mal bei zu langsamem Blutstrome oder nach zeitweiliger, wenn auch kurzer Unterbrechung desselben; bei Wieder-\n1\tH. Meyer. Arch. f. physiol. Heilk. III. S. I 19. IS44.\n2\tFrerichs. Hie Bright\u2019sche Nierenkrankheit und deren Behandlung. S. 277 Braunschweig 1851.\n3\tPn. Munk. Berl. klin. Wochenschr. 1864. No. 34. S. 333.\n24*","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 6. Ab sehn. Harnabsonderung.\nherstellung des normalen Blutlaufes schwindet die St\u00f6rung in nicht langer Zeit. Bei l\u00e4ngerer Abklemmung der Nierenarterie hat Ribbert1 die Epithelzellen hochgradig ver\u00e4ndert gesehn: jede Zelle springt als hoher Buckel in das Lumen der Kapsel vor.\nSo w\u00fcrde sich leicht die vor\u00fcbergehende Albuminurie bei Er-stickun\u00b0'sanf\u00e4llen und bei Strychninintoxication erkl\u00e4ren, denn bei starker Dyspnoe tritt unter meist v\u00f6lligem Versiegen der Harnabsonderung hochgradige Verengerung der Nierenarterie ein; \u00e4hnlich der von Overbeck durch zeitweilige Obturation des rechten Herzens herbeigef\u00fchrte Uebertritt von Eiweiss, weil f\u00fcr die Zeit der Circu-lationsunterbrechung die Blutzufuhr zu den Nieren auf ein Minimum sinkt u. s. f.\nM\u00f6glicher Weise h\u00e4ngt es damit auch zusammen, dass bei Harn-stauung nicht selten Albuminurie beobachtet worden ist. Denn wenn nach Ludwig\u2019s wichtigen Nachweisen mit jeder st\u00e4rkeren Harnstauung auch Erschwerung des Blutabflusses durch die Nierenvenen verbunden ist, so verkn\u00fcpft sich damit noth wendiger Weise auch Verlangsamung des Blutstromes in den Kn\u00e4ueln. Indess kommt bei der Harnstauung noch ein andrer Umstand in Betracht, der, bisher nicht gew\u00fcrdigt, doch alle Beachtung zu verdienen scheint. W\u00e4hrend n\u00e4mlich im Normalzust\u00e4nde die Oberfl\u00e4che des Gef\u00e4sskn\u00e4uels unmittelbar der Innenfl\u00e4che der Kapsel anliegt und die von den Kn\u00e4ueln abgesonderte Fl\u00fcssigkeit in dem Maasse, als sie entsteht, durch die Harncan\u00e4lchen abfliesst, so dass es zu keiner wesentlichen Fl\u00fcssigkeitsansammlung innerhalb der Kapsel kommt, wird bei der Harnstauung der Kn\u00e4uel von der Kapsel durch die sich stauende Fl\u00fcssigkeit abgedr\u00e4ngt. Dadurch ist die M\u00f6glichkeit zur Etablirung eines Diffusionsstromes zwischen dem Blute in den Kn\u00e4uelgef\u00e4ssen und der Aussenfl\u00fcssigkeit gegeben, welcher im Normalzust\u00e4nde nicht Vorkommen kann, weil es keine wesentlichen Mengen von Aussenfl\u00fcssigkeit giebt. Diese abnormen Verh\u00e4ltnisse \u00e4ndern aber, wie ich aus bestimmten Erfahrungen weiss, die Eigenschaften der Kn\u00e4uelepithelien. W\u00e4hrend letztere z. B. im Normalzust\u00e4nde durchaus kein indigschwefelsaures Natron aufnehmen, wie ja ihre v\u00f6llige Farblosigkeit bei Ueberschwemmung des Blutes mit jenem Pigmente beweist, tritt an ihnen blaue F\u00e4rbung auf, wenn man zuerst starke Absonderung blauen Harnes einleitet und daraut durch l\u00e4ngere Schliessung des Ureters R\u00fcckstau des Harnes in die Kapsel herbeif\u00fchrt. Dass die F\u00e4rbung der Kn\u00e4uelwandung nur auf diesem R\u00fcckstau beruht, l\u00e4sst sich auf das Sicherste beweisen, denn sie beschr\u00e4nkt sich auf denjenigen Theil des Kn\u00e4uelumfanges, welcher nahe dem l ebergange der Kapsel in das Harncan\u00e4lchen gelegen ist, w\u00e4hrend die andersseitige H\u00e4lfte des Kn\u00e4uels vollst\u00e4ndig farblos bleibt. Werden die Epi-thelien aber bei der Harnstauung f\u00fcr Indigblau imbibirbar, so scheint damit eine Aenderung ihrer normalen Beschaftenheit erwiesen, welche leicht zu anderweitigen Anomalieen Veranlassung geben kann.\n1 Ribbekt, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1879. S. S3S.","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Uebergang von Eiweiss in den Harn.\n373\nDoch habe ich mich vielleicht schon zu weit auf das mir ferne liegende Gebiet pathologischer Verh\u00e4ltnisse gewagt. Dass unter abnormen Bedingungen, bei schwereren Structurver\u00e4nderungen des Nierenparenchyms, noch aus vielerlei andern Gr\u00fcnden als den oben besprochenen Albuminurie eintreten k\u00f6nne, liegt auf der Hand. Wo sie aber ohne solche ernsteren anatomischen L\u00e4sionen als vor\u00fcbergehende Erscheinung auftritt, scheint mir in der Mehrzahl der F\u00e4lle eine irgendwie herbeigef\u00fchrte Herabsetzung der Blutgeschwindigkeit in den Kn\u00e4ueln das gemeinsame Moment und deshalb auch mit Wahrscheinlichkeit die veranlassende Ursache zu sein.","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"SIEBENTER ABSCHNITT.\nDIE MILCHABSONDERUNG.\nERSTES CAPITEL.\nMorphologie der Milchabsonderung.\nI. Die mikroskopischen Bestandtlieile der Milch.\n1. iJie Milchk\u00fcgelchen.\nDie an Zahl bei Weitem am Meisten vorwiegenden, fl\u00fcchtiger Untersuchung allein entgegentretenden mikroskopischen Gebilde der Milch sind die bereits von Leuwenhoek1 2 entdeckten Milchk\u00fcgelchen: Fetttr\u00f6pfchen von den bekannten optischen Charakteren, deren Durchmesser weiten Schwankungen unterliegt. Die Grenzen betragen in der Kuhmilch 0,0016 \u2014 0,01 Mm.-; die am Meisten vertretenen Gr\u00f6ssen in der menschlichen Milch d\u00fcrften zwischen 0,002\u20140,005 Mm. liegen.\nNasse3 glaubt zwei Formen von Milchk\u00fcgelchen unterscheiden zu m\u00fcssen: Oelk\u00fcgelchen, d. h. Tropfen fl\u00fcssigen Fettes, und Rahmk\u00fcgelchen , welche letztere nach seiner Beschreibung weiter nichts sind, als Tropfen in der K\u00e4lte erstarrten Fettes. Sie sind an ihrer Oberfl\u00e4che weniger glatt, mehr facettirt, l\u00f6sen sich schwerer in Aether, bilden sich auf\u00bb dem Objecttr\u00e4ger des Mikroskopes beim Erkalten des Irisch untersuchten Milchtropfens und verlieren ihren Charakter wieder beim Erw\u00e4rmen. In der That finden sich in der menschlichen Milch der NASSE\u2019schen Beschreibung entsprechende Gebilde in freilich nur geringer Anzahl vor.\nDie Oberfl\u00e4chenconstitution der Milchk\u00fcgelchen hat seit langer Zeit Fragen veranlasst, deren einm\u00fcthige Beantwortung noch aussteht.\n1\tLeuwenhoek, Philos. Transact. IX. p. 23. 1644.\n2\tFleischmann, Das Molkereiwesen. S. 206. Braunschweig 1ST5.\n3\tNasse, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1840. S. 261.","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"Die Milchk\u00fcgelchen.\n375\nDie bekannte Thatsache, dass in Wasser durch Sch\u00fctteln fein vei-theiltes Fett bald wieder zusammenfliesst, w\u00e4hrend die Fetttropfen der Milch in emnlgirtem Zustande auf unbegrenzte Zeit verharren, verlangte eine Deutung, welche verschiedne Forscher in verschiednen Umst\u00e4nden gefunden zu haben glauben. Die Einen nehmen an, dass jedes Fetttr\u00f6pfchen von einer \u00e4usserst d\u00fcnnen Caseinmembran umgeben sei, Andre suchen den Grund der Emulgirung in dei Constitution der Milchfl\u00fcssigkeit, welche durch das nicht sov ohl gel\u00f6ste, als nur stark gequollene Casein eine zur \\ erkinderung der Confluenz der Fetttropfen ausreichende Z\u00e4higkeit erhalte.\nDie Membran the orie scheint unleugbar beg\u00fcnstigt durch die Entdeckung Ascherson\u2019s1 * 3, dass Fetttr\u00f6pfchen in alkalischen Eiweissl\u00f6sungen sich mit einer feinen H\u00fclle geronnenen Albuminates (Haptogenmembran) umgeben, \u2014 ein \\ organg, welcher nach von A ittichs* Unteisuchungen darauf beruht, dass an der Grenze von Fett und Eiweissl\u00f6sung ein 1 heil des ersteren durch das Alkali des letzteren verseift und in Folge dieser Alkalientziehung Eiweiss gef\u00e4llt wird. Die M\u00f6glichkeit einer Bildung von Haptogenmembranen um die Milchk\u00fcgelchen wird hierdurch allerdings ei-\u00d6lfnet; ob sie aber wirklich stattfindet, ist durch jene Beobachtungen noch nicht erwiesen und muss im Hinblick auf die Erfahrung K\u00fchneV, dass Kalialbuminuti\u00f6sungen zur Bildung von Haptogenmembranen wenig Neigung zeigen, bezweifelt worden.\nEine Reihe von Forschern4 will die Membranen der Milchk\u00fcgelchen durch gewisse Behandlungsweisen unmittelbar sichtbar gemacht haben. Alle angewandten Methoden lassen aber, weil sie chemische Einwirkungen benutzen, durch welche das Casein gef\u00e4llt wird, den Einwand zu, dass die dargestellten Membranen Kunstproducte seien. An Pr\u00e4paraten von in Alkohol erh\u00e4rteten Milchdr\u00fcsen, die passend tingirt sind, sehe ich nach Behandlung mit Terpentin\u00f6l und Canadabalsam die Acini sehr oft mit runden fettfreien (das Fett ist durch das Terpentin\u00f6l gel\u00f6st) Bl\u00e4schen erf\u00fcllt. F\u00fcr die nat\u00fcrliche Pr\u00e4existenz der Membranen sind aber solche Pr\u00e4parate durchaus nicht beweisend.\nDiesen Einwand hat bereits de Sin\u00e9ty5 erhoben. Bei Behandlung ganz frischer Milch mit w\u00e4ssriger L\u00f6sung von Anilinroth, welches einerseits keine Albumingerinnung hervorruft, andrerseits geronnene Albuminate f\u00e4rbt, bemerkte er keine rothe H\u00fclle der Milchk\u00fcgelchen; beim l\u00e4ngeren Aufbewahren der Milch traten an einer mit der Zeit immer mehr wachsenden Anzahl der Fetttr\u00f6pfchen rothe Begrenzungen auf. Da sie sich aber auch an grossen, durch Confluenz entstandenen h etttroplen bil-\n1 Ascherson, Arch. f. Anat. u. Fhysiol. 1840. b. 53.\n'2 von Wittich. De hvmenogonia albummis. Regiomonti p). Die Jahreszahl ist nicht angegeben.\n3\tW. K\u00fchne, Physiologische Chemie. S. 562. Leipzig 1868.\n4\tY gl. F. Simon/ Handbuch der angewandten medicinischen Chemie. I. S. 75. Berlin 1840. \u2014 J. Moleschott, Arch. f. physiol. Heilk. XI. S. 703. 1852. \u2014 Schwalbe, Arch. f. microscop. Anat. VIII. S. 269. IS72.\n5\tDe Sin\u00e9ty. Arch, de physiol. 1S74. p. 479.","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 7. Abscbn. Milchabsonderung.\nden, k\u00f6nnen sie nur auf eine erst in der entleerten Milch nach einiger Zeit auftretende, nicht auf eine in der frischen Milch bereits bestandene Albuminatf\u00e4llung an der Grenze des Fettes bezogen werden.\nWenn hiernach in der frischen Milch Haptogenmembranen um die Fetttropfen nicht sichtbar gemacht werden k\u00f6nnen, so hat eine Reihe anderer Forscher aus gewissen chemischen Erscheinungen trotzdem auf ihre Existenz schliessen zu d\u00fcrfen gemeint. Zuerst meines Wissens IIenle1. Die gr\u00f6ssere Leichtigkeit, mit welcher die Milchk\u00fcgelchen nach Behandlung der Milch mit concentrirter Essigs\u00e4ure zu umfangreicheren Fetttropfen zusammenfliessen, der geringere Widerstand, welchen sie der L\u00f6sung durch Aether nach vorg\u00e4ngigem Zusatz von Essigs\u00e4ure, kaustischen oder kohlensauren Alkalien, phosphorsaurem oder schwefelsaurem Natron'2 entgegensetzen, f\u00fchrt mit Nothwendigkeit zu der Annahme, dass unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden irgend ein durch jene chemischen Agentien zu beseitigendes Hinderniss die Confluenz resp. die L\u00f6slichkeit der Fetttr\u00f6pfchen erschwert. Damit ist aber doch noch nicht gesagt, was Henle und viele Andre aus jenen Erfahrungen schlossen, dass dieses Hinderniss in Eiweissh\u00fcllen um die Fetttropfen bestehen m\u00fcsse. Uebrigens ist der Widerstand der letzteren gegen den Aether durchaus kein absoluter: bei Einwirkung grosser Mengen von Aether auf kleine Milchmengen l\u00f6sen sich die Fetttropfen vollst\u00e4ndig auf.\nDie Unzul\u00e4nglichkeit der Beweise f\u00fcr die Caseinmembranen hat nun andre Forscher bewogen, den Grund f\u00fcr die Haltbarkeit der Milchemulsion in der Constitution der Zwischenfl\u00fcssigkeit zu suchen. Die Annahme von Donn\u00e93, dass das Casein nur zum Tlieil gel\u00f6st, zum andern Theile in feink\u00f6rnigem oder schleimig gequollenem Zustande in der Milch enthalten sei, schien eine unwiderlegliche St\u00fctze in den Beobachtungen von Zahn4 gefunden zu haben, nach welchen bei Filtration von Milch durch Thonzellen ein caseinfreies Filtrat erhalten wird. Allein Soxhlet5 hat gezeigt, dass in w\u00e4ssriger L\u00f6sung durch Thonzellen leicht filtrirbares Kali-albuminat seine Filtrirbarkeit verliert, wenn in der L\u00f6sung Fett emulgirt wird. Es liegt also die M\u00f6glichkeit vor, dass das Milchcasein nur durch das Milchfett an dem Durchg\u00e4nge durch por\u00f6se Thonw\u00e4nde verhindert wird.\nAm Entschiedensten ist gegen die Annahme wirklicher L\u00f6sung des Caseins und f\u00fcr die Annahme einer blossen hochgradigen Quellung Kehrer6 eingetreten. Die Milchk\u00fcgelchen seien nach Ausweis des Mikroskopes nicht frei gegen einander verschiebbar, sondern durch ein freilich unsichtbares Bindemittel in ihrer relativen Lage gegen einander so fixirt, dass bei Str\u00f6mungen ganze Gruppen fortgeschwemmt w\u00fcrden, ohne ihre gegenseitigen r\u00e4umlichen Beziehungen zu \u00e4ndern. Das Bindemittel, durch Zusatz coagulirender Agentien unter der Gestalt zahlreicher kleiner, in eine zarte schwach lichtbrechende Substanz eingebetteter K\u00f6rnchen sicht-\n1\tHenle, Froriep\u2019s Notizen. XI. S. 35. 1S39. \u2014- Allgemeine Anatomie. S. 942. Braunschweig.\n2\tLehmann, Physiologische Chemie. I. S. 394. 1850.\n3\tAl. Donn\u00e9, Cours de microscopie, p. 361. Paris 1S44.\n4\tZahn, Arch. f. d. ges. Phys. II. S. 598. 1866.\n5\tSoxhlet, Journ. f. pract. Chemie. VI. S. 38. 1842.\n6\tKehrer, Arch. f. Gyn\u00e4cologie. II. S. 1. 1871.","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"H\u00fclle der Milchk\u00fcgelchen.\n377\nbar zu machen, sei Nichts als eine aus schleimig gequollenem Casein bestellende \u201eInterglobularsubstanz\u201c. Ich bin aber ausser Stande, in ganz frischer, der menschlichen Brustdr\u00fcse entnommener Milch (ich spreche nicht von dem Colostrum, in welchem die Verh\u00e4ltnisse andeis liegen) die von Kehrer beschriebenen Erscheinungen des Aneinanderhaftens zu bemerken. Sie treten erst auf, wenn Milch einige Zeit gestanden hat und sind deshalb wohl eine erste Andeutung der beginnenden Gerinnung.\nGleichwohl scheint es zweifellos, dass das Casein es ist, welches die Emulgirung der Milchfette bedingt. Wenn ich nach der Zahn-schen Filtrationsmethode caseinfreies Milchserum herstelle, in welchem das Serumalbumin der Milch noch gel\u00f6st ist, gelingt es schlechterdings nicht, Mandel\u00f6l oder geschmolzene Butter in demselben zu emulgiren. auch nicht nach Zusatz kohlensaurer oder caustischer Alkalien. Da aber durch die Filtration die Milchfl\u00fcssigkeit sich nicht weiter ver\u00e4ndert, sondern nur ihr Casein und ihre bette verloren hat, folgt aus dieser Beobachtung mit Sicherheit, dass unter allen Milchbestandtheilen nur das Casein es ist, welches die Emulgirung des Fettes bedingt. Damit stimmt \u00fcberein, dass Soxhlet1 der AliIch durch Aether alles Fett entziehen konnte, wenn er das Casein durch K\u00e4lberlab oder Alkohol oder eine sehr geringe Menge von Essigs\u00e4ure und nachfolgende Behandlung mit Kohlens\u00e4ure f\u00e4llte.\nDas Casein bewirkt aber die Suspension der Fetttr\u00f6pfchen nicht durch Bildung von Haptogenmembranen um dieselben, \u2014 denn solche sind nicht nachweisbar \u2014, sondern in derselben Weise wie der Gummi in den k\u00fcnstlichen Emulsionen der Apotheken. Nach G. Quincke s2 Untersuchungen ist hier jede kleine Fettkugel durch eine sehr d\u00fcnne Schicht Gummil\u00f6sung, welche an der Oberfl\u00e4che des Fettes durch Molecularattraction haftet, von dem Wasser getrennt. Der physikalische Grund dieser Anordnung liegt darin, dass an der Grenzfl\u00e4che von fetten Oelen und Gummil\u00f6sung eine geringere Oberfl\u00e4chenspannung: herrscht, als an der Grenzfl\u00e4che von Oel und Wasser. Reisst in die Gummischicht ein Loch, so vergr\u00f6ssert sich an der dadurch geschaffenen Ber\u00fchrungsfl\u00e4che zwischen Oel und Wasser die Oberfl\u00e4chenspannung, wodurch die Oeffnung wieder geschlossen wird. Wie in jenem Falle der Gummi, so bewirkt in der Milch das Casein die Emulgirung durch Bildung nicht geronnener Oberfl\u00e4chenmembranen. sondern fl\u00fcssiger Oberfl\u00e4chenschichten um die Fetttropfen. Alle chemischen und mechanischen Einwirkungen auf die Milch, welche Confluenz der Fetttropfen oder leichtere L\u00f6slichkeit derselben\n1\tSoxhlet, Landwirthschaftl. Versuchsstat. XIX. S. US. 1ST6.\n2\tQuincke, Arch. f. d. ges. Physiol. XIX. S. 129. IS79.","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"378 Heidexhain. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. T. Abschn. Milchabsonderung.\nin Aether bedingen, bewirken dies durch Zerst\u00f6rung jener H\u00fcllen von Caseinl\u00f6sung.\no\n2. Sonstige morphologische Bcstandlheile der Milch.\nAusser den Milchk\u00fcgelchen kommen in der Milch, freilich Uusserst sparsam, aber trotzdem in Bezug auf die Theorie der Milchbildung recht wuchtig, noch gewisse andre Gebilde vor, die man am Leichtesten in den letzten Tropfen der menschlichen Milch nach Entleerung der Brustdr\u00fcse findet:\n1. Fetttropfen von der Gestalt gew\u00f6hnlicher Milchk\u00fcgelchen, denen aussen an einer Seite eine halbmondf\u00f6rmige, schm\u00e4lere (Fig. Sla) oder breitere (Fig. 81 b, c), scharf begrenzte Kappe feingranulirter Substanz\naufsitzt.\n2. Hier und da helle Zellen, welche einen oder , , zwei Fetttropfen und mitunter einen excentrisch ge-T lagerten Kern einsehliessen.\npo\t3. Kunde, helle, mitunter schwach granulirte\ndurch Picrocarmin und Eosin leicht f\u00e4rbbare Ge-Fig. si. Morpiioiogi- bilde, welche ich f\u00fcr nichts Andres als freie Kerne\nsehe Bestandtheile der\nMilch.\thalten kann.\nLetztere K\u00f6rperchen scheinen es zu sein, welche deSin\u00e9ty1 in dem Bodens\u00e4tze von entbnttertem Rahm, wie in der Butter selbst gesehen und als lymphoide K\u00f6rperchen beschrieben hat. \u2014 In dem Bodens\u00e4tze der Kuhmilch fand H. Schmid2 Kernfragmente und fettgef\u00fcllte Zellen mit platt an die Wand gedr\u00fccktem Kern.\nII. Die mikroskopischen Bestandtheile des Colostrum.\nDie vor und in den ersten Tagen nach der Geburt abgesonderte Milch zeigt ausser den Milchk\u00fcgelchen, die hier sehr oft zu unregelm\u00e4ssigen Gruppen verklebt sind, noch in grosser Zahl eigent\u00fcmliche Gebilde, welche ihr Entdecker Al. Donn\u00e93 als \u201ecorps granuleux\u201c bezeichnete, Henle4 mit dem heute allgemein eingeb\u00fcrgerten Kamen der \u201eColostrumk\u00f6rperchen\u201c benannte. Die Mehrzahl derselben ist von rundlicher, maulbeerartiger Gestalt und besteht aus einer An-\n1\tDe Sin\u00e9ty, Arch, de physiol. 1874. p. 479.\n2\tH. Schmid, Zur Lehre von der Milchsecretion. Diss. S. 8 u. Abbildung. W\u00fcrzburg 1877.\n3\tAl. Donn\u00e9, Du lait, en particulier celui des nourrices. Paris 1837. \u2014 F. Simon, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1839. S. 10. \u2014 Al. Donn\u00e9, Ebenda. S. 182. \u2014 G\u00fcterbock, Ebenda. S. 184. \u2014 F. Simon, Ebenda. S. 187.\n4\tJ. Henle, Froriep\u2019s Notizen. 1839. No. 223. S. 30.","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"Morphologische Bestandtheile des Colostrum.\n379\nzahl kleinerer oder gr\u00f6sserer Fetttr\u00f6pfchen, die durch ein hyalines, in Essigs\u00e4ure und Alkalien quellendes Bindemittel zusammengehalten werden. Letzteres verh\u00e4lt sich nicht \u00fcberall gleich : bei den einen K\u00f6rperchen f\u00e4rbt es sich in Anilinroth schnell und intensiv, bei den andern langsam und kaum merklich.\nDie Colostrumk\u00f6rperchen haben ohne Zweifel ,, den Werth von Zellen. Denn einerseits l\u00e4sst Zusatz\tb\n.\t. a\nvon Essigs\u00e4ure1 2 oder Carminf\u00e4rbung- einen Kern m ihnen erkennen, andrerseits haben Stricker3 und Schwarz4 5 auf dem heizbaren Objecttische am\u00f6boide Bewegungen an ihnen auftreten sehen, durch welche sie sowohl Fetttropfen zu entleeren als Car-mink\u00f6rnehen aufzunehmen im Stande sind. Doch\nd\n\\K-1/\nF\nFig. 82. Bestandtheile des Colostrum, a, b Co-lostrumk\u00f6rperchen mit feineren und gr\u00f6beren Fetttropfen, c, d, e Blasse fettfreie Zellen des Colostrum.\nzeigt nur eine gewisse Anzahl von K\u00f6rperchen Con-tractilit\u00e4t, w\u00e4hrend andre, scheinbar gleichgebaute, bei der Erw\u00e4rmung unver\u00e4ndert bleiben. Theils diese Verschiedenheit, theils das verschiedne Tinctionsverm\u00f6gen scheint auf allm\u00e4hliche Ver\u00e4nderungen der Constitution der Gebilde innerhalb des Secretes hinzuweisen.\nAusser den typischen Colostrumk\u00f6rperchen (Fig. 82 a, b) finden sich in der Erstlingsmilch noch andersartige morphologische Gebilde, weniger zahlreich und nicht constant, aber doch h\u00e4ufig genug, um Erw\u00e4hnung zu verdienen.\n1.\tZellen von der Gr\u00f6sse der Colostrumk\u00f6rperchen, die aber nur wenige Fetttr\u00f6pfchen enthalten und deshalb als helle Gebilde mit deutlichem Kern erscheinen.\n2.\tIhnen an Gr\u00f6sse \u00e4hnliche helle, runde, schwach contourirte Gebilde, die kein Fett, dagegen 1\u20142 Kerne einschliessen, letztere von einer kleinen Menge granulirter Substanz umgeben (Fig. 82 c, d, e).\n3.\tDie oben sub I, 1. und 3. erw\u00e4hnten Gebilde der Milch.\nBereits vor der Geburt in der Milch auftretend, verschwinden\ndie Colostrumk\u00f6rperchen beim Menschen nach Angabe der meisten Autoren in ungef\u00e4hr f\u00fcnf Tagen nach derselben, wenn das S\u00e4ugegesch\u00e4ft nicht unterbleibt. Im letzteren Falle lassen sie sich nach-weisen, so lange die Dr\u00fcsen \u00fcberhaupt absondern, vom 1.\u20143. Tage in abnehmender, sp\u00e4ter bis zum Ende der Secretion (etwa nach 16 Tagen) wieder in steigender Menge.3 Bei Thieren (Kuh) kom-\n1\tReinhardt. Arch. f. pathol. Anat. I. S. 52. 1S47.\n2\tBeigel. Ebenda. XL1I. S. 442. 1S6S.\n3\tStricker. Sitzgsber. d. Wiener Acad. LUI. (2) S. S4. 1S66.\n4\tSchwarz. Ebenda. LIY. Juni IS66.\n5\tW. Buchholz. Das Verhalten der Colostrumk\u00f6rperchen bei unterlassener S\u00e4ugling. Diss. S. 9 u. fg. G\u00f6ttingen IST\u201c.","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. T. Absehn. Milchabsonderung.\nmen ganz vereinzelte Colostrumk\u00f6rperchen noch w\u00e4hrend sp\u00e4terer Perioden der Lactation vor, die am Leichtesten in dem Bodens\u00e4tze l\u00e4nger gestandener Milch zu finden sind.\nIII. Der secretorisclie Apparat.\n1. Das secernirende Parenchym.\nA) Anordnung der Alveolen.\nx\n- ..\nNicht ganz mit Recht wird die Milchdr\u00fcse in der Regel schlechthin zu den aein\u00f6sen Dr\u00fcsen gestellt. Denn das Verh\u00e4ltniss ihrer secernirenden Endr\u00e4ume zu den G\u00e4ngen ist ein andres, als z. B. das Verh\u00e4ltniss der Acini der Speicheldr\u00fcsen zu den ableitenden Wegen.\nDie Alveolen der Milchdr\u00fcse bilden laterale und terminale Ausbuchtungen der G\u00e4nge, welche sich weder durch ihre Durchmesser, noch durch ihr Epithel wesentlich von den G\u00e4ngen unterscheiden, in welche sie \u00fcbergehn. Die Anordnung hat eine gewisse Aehn-lichkeit mit der Lagerung der Lungenalveolen ; hier wie dort werden die benachbarten Alveolen durch d\u00fcnne, beiderseits mit Epithel L\u00e4ppchen der Milchdr\u00fcse des Ka- bekleidete Septen von einander\nnvnc.nemfi fnam na.fi n nam Yvnrt\u00dfi.\t^\nund m\u00fcnden in gr\u00f6ssere Hohlr\u00e4ume welche sich in die (Luft- resp. Milch-) G\u00e4nge fortsetzen, giebt von diesem Verhalten ein anschauliches Bild.\nA\n- g. W- . ^ \u00abBvJ\u00ef\n.... '* *\nFig. 83. Durchschnitt durch ein L\u00e4ppchf\nninchens (bald nach dem Wurfe).\ngeschieden\nDie Fig.\nein,\n83\nB) Tunica propria.\nDie Alveolen besitzen eine geschlossene Tunica propria, welche sich von dem zelligen Inhalte blasenartig abhebt, wenn man mit zehnprocentiger Kochsalzl\u00f6sung behandelte Dr\u00fcsenst\u00fcckchen in Wasser zerzupft. Die Membran erscheint bei einer derartigen Darstellungsweise structurlos. Pinselt man aber in RANViE\u00df\u2019schem Alkohol ma-cerirte Dr\u00fcsenst\u00fcckchen aus, so erh\u00e4lt man in der Alveolenwandung ein namentlich nach Eosinf\u00e4rbung zierlich hervortretendes Netz ver\u00e4stelter Zellen von demselben Charakter, wie es in Abschn. I. S. 17, Fig. 2 aus der Orbitaldr\u00fcse abgebildet ist. Die Zellen lassen sich\n1 Der Bau der Milchdr\u00fcse kann hier nur so weit besprochen werden, als derselbe Aufkl\u00e4rung \u00fcber die Absonderungsvorg\u00e4nge w\u00e4hrend der Lactationsperiode giebt. Die dieser Zeit voraufgehenden Vorg\u00e4nge der Entwicklung und die ihr folgenden Processe der R\u00fcckbildung bleiben ausser Betracht.","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"Bau der Milchdr\u00fcse. Tunica propria. Secernirende Zellen.\n381\ndurch Zerzupfen von Dr\u00fcsenst\u00fcckchen, welche einige Minuten in 33 procentiger Kalilauge oder einen Tag in RANviER\u2019schem Alkohol gelegen haben, massenweise isoliren. Wenn ich mich \u00fcber das Verh\u00e4ltnis der \u201eKorbzellen\u201c zu der T. propria bei Gelegenheit der Speicheldr\u00fcsen (S. 17) zweifelhaft ausdr\u00fcckte, so scheint mir die Milchdr\u00fcse eine Best\u00e4tigung der an jenem fr\u00fcheren Orte erw\u00e4hnten Annahme von Krause und Afannasiew zu ergeben, nach welcher das Zellennetz an der Innenfl\u00e4che der an sich structurlosen Membran gelegen ist. Denn auf sehr feinen Durchschnitten der in Alkohol erh\u00e4rteten und mit Bismarekbraun oder Picrocarmin gef\u00e4rbten Dr\u00fcse sieht man die Kerne jener Zellen stets an der Innenseite der Membr. propria, welche sich als sehr zarte Grenzlinie der Alveolen darstellt.\nDie fr\u00fcheren Angaben bez\u00fcglich der Wandung der Milchdr\u00fcsenalveolen lauten ungemein verschieden. F\u00fcrstenberg 1 beschreibt sie einfach als structurlos. Langer'2 fand in der H\u00fclle eine structurlose Membran wie ver\u00e4stelte Zellen, ohne das Verh\u00e4ltniss beider Elemente genauer zu defmiren. Langerhans3 4 sah die sternf\u00f6rmigen Zellen nicht constant. Winkler1 beschreibt die Membran als pellucide Schicht, in welche Forts\u00e4tze von dem interalveolaren Bindegewebe angeh\u00f6rigen Zellen hineinragen sollen; Kolessnikow5 h\u00e4lt die sternf\u00f6rmigen Zellen f\u00fcr Membranverdickungen. R\u00e4uber6 will sowohl auf der Innen- als der Aussenfl\u00e4che der hier und da Kerne enthaltenden Membran eine Endothellage gesehn haben. \u2014 Wenn Wendt7 die sternf\u00f6rmigen Zellen der Dr\u00fcsenwandungen f\u00fcr k\u00fcnstlich abgesprengte Folgen der T. propria erkl\u00e4rt, so befindet er sich sicher im Irrthume. Isolationspr\u00e4parate aus RANviER\u2019schem Alkohol oder concentrirter Kalilauge, wie Pinselpr\u00e4parate lassen \u00fcber die Pr\u00e4-existenz keinen Zweifel.\nC) Secernirende Zellen.\n1. Nachdem das Stadium der Colostrumbildung vor\u00fcber ist.\nDie Innenfl\u00e4che der Alveolen, wie der G\u00e4nge, in welche dieselben einm\u00fcnden, ist von einer einfachen Lage von Zellen bedeckt, deren Gestaltung je nach den Zust\u00e4nden der Dr\u00fcse ausserordentlich wechselt.\n1. In einem ersten Zustande sind die Zellen senkrecht gegen\n1\tF\u00fcrstenberg. Die Milchdr\u00fcsen der Kuh. S. 22. Leipzig 1S6S.\n2\tLanger. Strieker\u2019s Gewebelehre. S. G2S. u. 629. Leipzig 1871.\n3\tLangerhans, Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. IM III. S. 132. 1S73.\n4\tMTnkler, Arch. f. Gyn\u00e4col. XL S. 2S5. 1877.\n5\tKolessnikow, Arch. f. pathol. Anat. ls~7. S. 532.\n6\tR\u00e4uber, Ueber den Ursprung der Milch. S. 44. Leipzig 1S79.\n7\tM endt. Die Harder\u2019sche Dr\u00fcse. S. 20. Strassburg 1877.","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. T. Abschn. Milchabsonderung.\ndie Alveolarwand ungemein stark abgeflackt. Auf einem durch die Mitte der Alveolen gef\u00fchrten Querschnitte (Fig. 84 a u. b) erscheint die Lage derselben als schmaler Protoplasmasaum, die Gestalt der Kerne spindelf\u00f6rmig. Die Zellgrenzen sind kaum sichtbar. Liegt dagegen\ni ' sy %\n\n\u2018 \u2022: .\nFig. 84. a, b. Durchschnitt durcii die Mitte zweier Alveolen der Milchdr\u00fcse des Hundes. hpithel-zellen im Profil, c Fl\u00e4chenansicht des Epithels. Dr\u00fcse in dem ersten im Texte beschriebenen\nZustande.\ndie Fl\u00e4che der Alveolarwand in der Schnittebene (Fig. 84 c), so zeigen die Zellen polygonale Begrenzungen und runde Kerne. Die Combination beider Bilder ergiebt, dass die Zellen sehr flache polygonale Platten mit kreisrunden platten Kernen darstellen. In dem Zellenleibe sind immer einige gr\u00f6ssere und kleinere kreisrunde L\u00fccken bemerklich. Sie entsprechen eingelagerten, durch die Behandlung mit Terpenthin\u00f6l und Canadabalsam gel\u00f6sten Fetttropfen. An aus 33 procentiger Kalilauge, oder Ban vier\u2019sch em Alcohol isolirten Zellen sieht man die Fetttropfen selbst innerhalb der Zelle. \u2014\nIm Innern der Alveolen liegen eingebettet in k\u00f6rnige Caseingerinnsel, ausser zahlreichen freien Fetttropfen andre, welche die oben in Fig. 81 abgebildeten kappenf\u00f6rmigen, an mit Bismarkbraun behandelten Pr\u00e4paraten sich lebhaft tingirenden und deshalb scharf hervortretenden Anh\u00e4nge tragen, ausserdem hier und da eine helle, mattgranulirte, kernhaltige Zelle.\n2. Ein Bild von ganz und gar ver\u00e4ndertem Charakter ist das folgende, welches ich nach Pr\u00e4paraten von einer H\u00fcndin in seiner h\u00f6chsten Ausbildung beschreibe: Alle Zellen stellen mehr oder weniger hohe Gebilde dar, die der Alveolarwand bald mit breiter Basis aufsitzen, bald sich nach Aussen hin verschm\u00e4lern, so dass sie mit der Wandung nur durch einen schmalen Fortsatz zusammen h\u00e4ngen. H\u00e4ufig liegt in dem Cylinder nicht blos ein einzelner runder oder ovaler Kern, sondern 2\u20143 Kerne hinter einander. In dem freien, dem Lumen zugekehrten Ende der Zellen sind oft Fetttropfen befindlich, von der Lichtung der Alveole nur durch eine schmale Substanzbr\u00fccke getrennt oder selbst mit der H\u00e4lfte ihres Umfanges noch","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Secernirende Zellen.\n383\nin dem Zellenleibe lagernd, mit der andern H\u00e4lfte frei in das Lumen liineinragend. Hier und da schn\u00fcrt sich ein kernhaltiger Protoplasma-theil von der Zelle ab, um in den Hohlraum der Alveole zu gelangen.\nFis;. 85. Milchdr\u00fcse des Hundes, zweiter Zustand. Fi?. 86. Milchdr\u00fcse des Hundes,\n(S. d. Text.)\tmittlerer Zustand. (S. d. Text.)\n3. Zwischen diesen beiden extremen Zust\u00e4nden kommen alle denkbaren Ueberg\u00e4nge vor. Eine solche mittlere Form des Epithels, wie sie sehr h\u00e4ufig auftritt, zeigt Fig. 86. Die Zellen erscheinen niedrig cvlindrisch oder cubisch, mit runden Kernen, an dem freien Ende mit eingelagerten, oft frei aus ihnen hervorragenden Fetttropfen. Die Grenze des Innenendes ist h\u00e4utig nicht glatt, sondern unregelm\u00e4ssig ausgefranzt. \u2014\no\to\nDie Substanz des Zellenleibes quillt in Alkalien und in Essigs\u00e4ure stark auf, f\u00e4rbt sich in Picrocarmin nicht, dagegen in Bismarkbraun und Eosin leicht und stark, in Osmiums\u00e4ure nur grau, nicht schwarz. R\u00e4uber will in den Zellen eine den St\u00e4bchenepithelien \u00e4hnliche Structur gefunden haben. Ich linde in meinen fr\u00fcheren Notizen eine \u00e4hnliche Angabe, habe dieselbe jedoch neuerdings trotz aller M\u00fche nicht verificiren k\u00f6nnen.\nIn den geschilderten Zust\u00e4nden der Alveolarepithelien kennzeichnet sich die Entwicklungsgeschichte der morphologischen Milch-bestandtheile. Fig. 85 stellt den h\u00f6chsten Entwicklungsgrad der Milchzellen dar. Im Leibe der Zellen bilden sich, mit Vorliebe in der Innenh\u00e4lfte, einzelne Fetttropfen. Es ist unrichtig, wenn man in den Colostrumk\u00f6rperchen den Tvpus der Verfettung der Epithelien sieht. Denn Zellen, welche gleich jenen Gebilden mit Fetttr\u00f6pfchen ganz und gar durchsetzt w\u00e4ren, kommen innerhalb des Epithels nie vor. Man findet in jeder Zelle nur eine massige Zahl von Fetttropfen. Bei der Secretion wird der vordere Theil der Zelle sammt dein in ihm enthaltenen Fett abgestossen; die zerfallende Substanz der Zelle l\u00f6st, sich in der Milch, die Fetttropfen werden frei; oft\n1 Rauher. lieber den Ursprung der Hilch. Tab. II. Fig. 20. Leipzig 1879.","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 7. Ab sehn. Milchabsonderung.\nh\u00e4ngt ihnen noch auf einer Seite ein St\u00fcck des Zellenleibes kappenartig an, das allm\u00e4hlich aber auch gel\u00f6st wird. Sind in dem sich abstossenden Theile der Zelle Kerne vorhanden, so gehen auch diese in das Secret \u00fcber. Man findet sie nicht selten in dem Alveolarinhalbe, dagegen sehr selten in der entleerten Milch.\nDaraus folgt, dass auch sie allm\u00e4hlich zerfallen \u2014, eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr den Nucleingehalt der Milch. Ist der Abstossungsprocess sehr weit gediehen, so bleibt von den Zellen nur ein kleiner Eest \u00fcbrig: das Bild der Fig. 85 geht in das der Fig. 84 \u00fcber. Hier sieht man kenntliche Beste der abgestossenen Zellh\u00e4lften in den zahlreichen mit Albuminatkappen versehenen Fetttropfen. Der mittlere Zustand Fig. 86 kennzeichnet die Degeneration der Zellen bis zu einem m\u00e4ssigen Grade. Es ist dabei bemerkenswert!!, dass Fettbildung auch in den auf ein Minimum reducirten Zellen stattfinden kann, so dass sich dieser Process nicht an eine bestimmte Gr\u00f6sse der Zelle kn\u00fcpft.\nDie Bildung der Milchbestandtkeile unterscheidet sich also ganz wesentlich von der Bildung des Hauttalges, mit welcher sie oft verglichen worden ist. Bei der letzteren (s. sp\u00e4ter den Anhang) entsteht durch Wucherung der Dr\u00fcsenzellen ein vielschichtiges Epithel, dessen Elemente in dem Maasse verfetten, als sie nach dem Lumen der Dr\u00fcse vorr\u00fccken, um hier zu Grunde zu gehen. Die Epithelzellen der Alveolen sind stets nur in einer Schicht vorhanden. An ihrem Innenende geht bei der Secretion Abstossung und Verfl\u00fcssigung des Zellenleibes vor sich, der sich von dem Aussenende her regenerirt. Die Fettbildung in den Milchzellen hat mit der Verfettung der Talgzellen nicht die mindeste Aelmlichkeit. \u2014\nWenn \u00fcber die Deutung und den inneren Zusammenhang der Bilder, welche die Alveolen der Milchdr\u00fcsen zeigen, kaum ein Zweifel obwalten d\u00fcrfte, so ist es \u00fcberaus schwierig zu bestimmen, von welchen Bedingungen der eine oder der andre Zustand der Epithelien abh\u00e4ngt.\nDa die Alveolen je nach der Menge ihres fl\u00fcssigen Inhaltes an Umfang zu- und abnehmen, liegt der Gedanke nahe, es k\u00f6nnte die platte oder hohe Form des Epithels auf rein mechanischen Ursachen beruhen, je mehr die Alveole sich durch steigenden Inhaltsdruck ausweitet, desto mehr sind die Zellen gezwungen, um den vergr\u00f6sserten Umfang zu decken, sich auf Kosten ihrer H\u00f6he in die Breite zu dehnen und umgekehrt. Allein so einfach liegen die Dinge nicht. Denn man findet unter Umst\u00e4nden in Alveolen von sehr grossem Umfange sehr hohes und in Alveolen von geringem Umfange niedriges Epithel, ja sogar mitunter in derselben Alveole das Epithel an der einen Stelle hoch, an der andern","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss der Entleerung der Milchdr\u00fcse und der Ern\u00e4hrung.\n3S5\nniedrig. Nat\u00fcrlich muss man bei solchen Vergleichungen den \u00e4ussern Umfang der Alveolen und nicht die Weite ihres Lumens ber\u00fccksichtigen; die letztere wird begreiflicher Weise um so geringer, je h\u00f6her die Zellen.\nDie Schwierigkeit, \u00fcber jene Frage ins Klare zu kommen, liegt zum Tlieil darin, dass in derselben Milchdr\u00fcse niemals alle Alveolen gleiches Epithel zeigen. So viel ich bemerkt, scheinen die Alveolen desselben L\u00e4ppchens allerdings stets gleich beschaffen zu sein, wogegen das Bild derselben in verschiedenen Gegenden der Dr\u00fcse sehr verschieden sein kann. Man muss also dieselbe Dr\u00fcse in sehr verschiedenen Theilen untersuchen, um ein Durchschnittsbild zu gewinnen.\nSo weit nun meine Erfahrungen reichen, die zwar an einer nicht unerheblichen Zahl von Thieren gewonnen sind, die ich aber trotzdem wegen der Verwicklungen der Processe nicht als abschliessende ansehen kann, h\u00e4ngt der jeweilige Zustand, in welchem man die Mehrzahl der Alveolen in derselben Dr\u00fcse findet, ganz wesentlich von zwei Bedingungen ab: von der Entleerung der Dr\u00fcse durch das Saugen, und zwar von dem Grade und der H\u00e4ufigkeit des Saugens einerseits, von dem Ern\u00e4hrungszust\u00e4nde der Thiere andrerseits.\nBei ge w\u00f6 h n 1 icher, zureichender Di\u00e4t sind die Epithelien von mittlerer Hohe, wenn einige Zeit nicht gesogen worden ist, dagegen flach und niedrig bald nach dem Absaugen (erster Zustand). Es scheint also, dass w\u00e4hrend des Saugactes der innere Theil der Zellen f\u00fcr die Milchbildung verwerthet wird.\nWenn aber das Absaugen ungew\u00f6hnlich h\u00e4ufig und energisch geschieht und dabei die Thiere sehr reichlich ern\u00e4hrt werden, findet man die Zellen im Zustande h\u00f6chsten Wachsthums. Fig. 85 stammt von der Milchdr\u00fcse einer H\u00fcndin, welcher ich zu ihren eigenen 4 Jungen noch 3 andere gesetzt hatte, dabei aber soviel Fleisch als sie irgend wollte als Nahrung reichte. Die sieben schon 14 Tage alten Thierchen hatten die Dr\u00fcsen so stark in Anspruch genommen, dass in denselben nur eine \u00e4usserst geringe Menge von Milch vorhanden war. Ebenso sah Partsch1, wenn die Milchdr\u00fcsen einer Seite in kurzen Pausen sehr wiederholt und energisch benutzt worden waren, die Zellen hier h\u00f6her, als die der nicht beanspruchten Dr\u00fcsen.\nMan kann also nur sagen, dass die Metamorphosen, welche die Zellen der Alveolen bei der Milchbildung durchmachen, durch das Saugen beschleunigt werden. Unter gew\u00f6hnlichen, naturgem\u00e4ssen Umst\u00e4nden wachsen w\u00e4hrend der Pausen des Saugens die Zellen\n1 C. Partsch. Ueber den feineren Ban der Milchdr\u00fcse. Breslau ISSO. Handbuch der Physiologie. Bd. V.\t25","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"3S6 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. T.Abschn. Milchabsonderung.\nmassig heran und speichern Fette und Albuminate auf, weil die Se-cretbildung langsam vor sich geht und deshalb der Zerfall an ihrem innern Ende massig bleibt, um w\u00e4hrend des Saugens den Vorrath in Folge beschleunigter Seeretbildung und beschleunigten Zerfalls herzugeben. Wird aber die Dr\u00fcse fortw\u00e4hrend energisch beansprucht, so beschleunigt sich auch die Regeneration der Zellen und wird dem Umfange nach erheblicher, als unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden, wie die aussergew\u00f6lmliche L\u00e4nge der Zellen bezeugt.\nUebrigens muss ich ausdr\u00fccklich hervorheben, dass das Saugen keineswegs die einzige Bedingung des Zerfalls des vordem Zellenendes ist. Schon der Umstand, dass nach vollst\u00e4ndiger Entleerung der Dr\u00fcse allm\u00e4hlich wieder Anf\u00fcllung erfolgt, beweist ja, dass w\u00e4hrend die Zellen in der Pause sich vergr\u00f6ssern, doch gleichzeitig auch Abgabe an das Secret stattfindet, nur dass das Waclisthum den Verlust iibercompensirt. Wird aber die Entleerung ungew\u00f6hnlich lange unterlassen, so scheint schliesslich die Regeneration der Zellen aufzuh\u00f6ren. Eine sehr reichlich ern\u00e4hrte H\u00fcndin, deren Dr\u00fcsen 4S Stunden lang nicht entleert waren und in Folge dessen von Milch strotzten, hatte sehr niedrige Zellen : die hohe Spannung des Alveolarinhaltes scheint also ein das Wachsthum der Zellen beeintr\u00e4chtigendes Moment zu setzen. \u2014\nAusser den obigen kann ich nur noch einen Gesichtspunct als wichtig f\u00fcr das Verhalten der Zellen hervorheben: die Gr\u00f6sse der Blutzufuhr zu den Milchdr\u00fcsen. C. Bartsch stellte einige Beobachtungen an, in denen bei curarisirten Hunden die Dr\u00fcsennerven fs. sp\u00e4ter) einer Seite durchschnitten worden waren, liier trat in manchen F\u00e4llen, aber nicht immer, bei starker Erweiterung der Dr\u00fcsengefasse sehr reichliche Absonderung ein und gleichzeitig fanden sich die Zellen der Alveolen viel h\u00f6her, als auf der andern Seite mit undurchschnittenen Nerven.\nNeben den L\u00e4ppchen von dem geschilderten Bau habe ich ab und zu, doch im Ganzen selten, andre gefunden, die ein ganz und gar abweichendes Bild darbieten. Sie fallen durch sehr reichliche Entwicklung des interalveolaren Bindegewebes und durch \u00e4usserst niedrige Epithelien auf, von denen man kaum mehr als die Kerne sieht und in denen man keine Spur von Fetttr\u00f6pfchen bemerkt. Ob es sich hier um L\u00e4ppchen im Zustande mangelhafter Entwicklung oder vorzeitiger R\u00fcckbildung handelt, habe ich nicht untersucht.\n2. Das Epithel w\u00e4hrend der Colostrumbildung.\nVor und in den ersten Tagen nach dem Wurfe sind die Alveolen im Allgemeinen noch weniger weit, als zur Zeit der vollen Entwicklung der Dr\u00fcsen, die Zellen von mittlerer H\u00f6he, ln dem Inhalte der Alveolen finden sich in der Regel ziemlich zahlreiche","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Colostrumbil dung.\n387\nKerne. Von den Epitkelialzellen geht eine gewisse Zahl einen Entwicklungsgang ein, der sp\u00e4ter zwar nicht absolut fehlt, aber doch nur \u00e4usserst selten und vereinzelt vorkommt. Diese Zellen werden rund, hell oder doch nur matt granulirt und zeigen einen in der Regel excentrisch gelegnen Kern (Fig. 87 a). Sie kommen auch in dem entleerten Secrete vor, nicht selten einen oder einige Fetttropfen enthaltend, neben den typischen, von Fetttr\u00f6pfchen ganz und gar durchsetzten Colostrumk\u00f6rperchen.\nDie letzteren habe ich in dem Epithel ebenso wenig auffinden k\u00f6nnen, wie irgend ein fr\u00fcherer Fig. 87. Colostrumdr\u00fcse\n7\t\u00b0\t_\tdes Hundes, a Zellen,\nForscher; sie sind nur in dem Alveolarinhalte und aus denen die coiostrum-\nk\u00f6rperehen hervorgehen.\nin der entleerten Milch nachzuweisen.\nDieser negative Befund scheint \u00fcberaus r\u00e4thselhaft. Dass die Colostrumk\u00f6rperchen mit jenen hellen Zellen in genetischem Zusammenh\u00e4nge stehen, ist kaum zweifelhaft. Die allgemeine Ansicht geht dahin, sie als fettig degenerirte Zellen anzusehen und Reinhardt1 hat die Uebergangsstufen von den Epithelzellen zu jenen hellen, fein gra-nulirten Zellen und von diesen zu den angeblich durch fettige Metamorphose aus ihnen hervorgehenden Colostrumk\u00f6rperchen geschildert. Allein das Fett tritt in den Epithelien absolut niemals so massenhaft auf wie in den Colostrumk\u00f6rperchen; die Bildung der letzteren scheint mir auf ganz andre Weise zu Stande zu kommen. Stricker hat an denselben, wie oben berichtet, Contractilit\u00e4t entdeckt. Wir wissen aber, dass am\u00f6boide Zellen im Stande sind, Fetttropfen in ihr Inneres aufzunehmen. Wenn ich einem Frosche einen Cubikcentimeter Milch in den dorsalen Lymphsack injicire, finde ich nach 24 und noch mehr nach 48 Stunden einen grossen Theil der weissen Blutk\u00f6rperchen mit Fetttr\u00f6pfchen beladen. Die eineu enthalten nur 1\u20142 Tr\u00f6pfchen, die andern eine gr\u00f6ssere Zahl bis zu solchen, -welche ganz und gar damit erf\u00fcllt und den Colostrumk\u00f6rperchen so vollkommen \u00e4hnlich sind, dass sie mit denselben verwechselt werden k\u00f6nnen. Auf dieselbe Weise entstehen die fetterf\u00fcllten Zellen des Colostrums, indem die oben beschriebenen blassen Gebilde Fetttr\u00f6pfchen intussuscipiren. Die Colostrumk\u00f6rperchen haben also schlechterdings keine Bedeutung f\u00fcr die Morphologie der Milchbildung. Weshalb aber die Umwandlung der Alveolarepithelien in jene blassen mattgranulirten Zellen haupts\u00e4chlich nur in der ersten Zeit der Dr\u00fc-senth\u00e4tigkeit zu Stande kommt und sp\u00e4ter ganz fehlt oder doch \u00e4usserst selten auftritt, ist eine noch nicht beantwortete Frage.\n1 Reinhardt, Arch. f. pathol. Anat. I. S. 52. 1S47.","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"358 Heldenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 7. Abschn. Milchabsonderung.\nDie obige Darstellung der Bildung der morphologischen Milclibestand-tlieile gr\u00fcndet sich auf Untersuchungen, welche C. Partsch1 2 in meinem Institute begonnen hat und ich fortgesetzt habe. Wenn wir zu Ergebnissen gelangt sind, welche von den bisherigen Auffassungen vielfach abweichen, so glaube ich doch, mit R\u00fccksicht auf ein recht grosses Untersuchungsmaterial, welches Thieren bei verschiedner F\u00fctterungsweise und unter den verschiedensten Bedingungen des S\u00e4ugens entnommen ist, jene Abweichungen rechtfertigen zu k\u00f6nnen. \u2014 Die Colostrumk\u00f6rperchen hielten bisher die meisten Forscher f\u00fcr fettig degenerirte Abk\u00f6mmlinge der Alveolarepithelien. - Ganz neuerdings hat sich eine andre Hypothese geltend gemacht. Schon Winkler3 deutete die M\u00f6glichkeit an, dass bei der Milchbildung die Einwanderung von Lymphk\u00f6rperchen in die Alveolen eine Rolle spiele. R\u00e4uber4 ist f\u00fcr denselben Gedanken eingetreten: er h\u00e4lt die Colostrumk\u00f6rperchen f\u00fcr weisse Blutk\u00f6rperchen, welche in die Alveolen eingewandert, gequollen und fettig degenerirt sind. Die Epithelelemente der Colostrumdr\u00fcse, welche ich oben beschrieben habe, scheinen ihm entgangen zu sein.\nDie Bildung der Milchk\u00fcgelchen sehen die meisten Forscher als eine Fortsetzung der Colostrumbildung an. Nicht so Reinhardt, welcher die Colostrumbildung f\u00fcr eine w\u00e4hrend der Schwangerschaft erfolgende R\u00fcckbildung und Abstossung der vor der Conception die Alveolen auskleidenden Epithelzellen h\u00e4lt. Zuerst sprach sich vermuthungsweise Nasse5, sp\u00e4ter mit Bestimmtheit H. Meyer6, Will, K\u00f6lliker in seinen Lehrb\u00fcchern (wie die \u00fcbrigen Lehrb\u00fccher der Histologie) dahin aus, die Milchk\u00fcgelchen entst\u00e4nden in Abk\u00f6mmlingen der durch Wucherung sich vervielf\u00e4ltigenden Epithelzellen und fettige Degeneration \u00e4hnlich den Colostrumk\u00f6rperchen, nur dass bei v\u00f6llig entwickelter Absonderung der Zerfall der fettig entarteten Zellen bereits vollst\u00e4ndig innerhalb der Alveolen zu Stande komme. Man verglich dabei in der Regel den Wucherungs-process der Milchdr\u00fcsenepithelien mit dem angeblich \u00e4hnlichen Vorg\u00e4nge in den Talgdr\u00fcsen.\nVon den neueren Schriftstellern \u00fcber die Milchbildung stehen mehrere auf demselben Standpuncte. So Kolessnikow7, welcher ein mehrschichtiges Epithel der Alveolen abbildet, \u2014 offenbar, weil seine .Schnitte zu dick waren und nicht durch die Mitte der Alveolen gingen, \u2014 ebenso Kehrer in seiner oft citirten Arbeit, trotzdem dass er in der menschlichen Brustdr\u00fcse und in dem Kuheuter nur einschichtiges Epithel vorfand. Eine Ann\u00e4herung an die von mir gegebene Darstellung findet\n1\tC. Partsch, Breslauer \u00e4rztl. Ztsckr. 1879. No. 20. \u2014 Ueber den feineren Bau der Milchdr\u00fcse. Hiss. Breslau 1SS0.\n2\tReinhardt, Arch. f. pathol. Anat. I. S. 52. 1847. \u2014 W ill, Ueber die Milchabsonderung. S. 7. Erlangen 1850. \u2014 Lammerts van Bueren, Nederl. Lancet. 2. S\u00e9r. 4. Jaarg. S. 277 ; 5. Jaarg. S. 11. Biese Abhandlungen habe ich im Originale nicht ein-sehen k\u00f6nnen. \u2014 K\u00f6lliker, Microscp. Anat. II. (2) S. 470. 1854.\n3\tWinkler, Arch. f. Gyn\u00e4c. XI. S. 297. 1877.\n4\tR\u00e4uber. \u00dceber den Ursprung der Milch. S. 34. Leipzig 1879.\n5\tNasse, Arch. f. Anat. u. Physiol. S. 264. 1840.\n6\tH. Meyer, Verh. der naturforschenden Ges. zu Z\u00fcrich 1848. No. 18.\n7\tKolessnikow, Arch. f. pathol. Anat. LXX. S. 531. 1S77.","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Verschiedene Ansichten \u00fcber Bildung der Milchk\u00fcgelchen.\n389\nsicdi bei H. Schmid der zwar auch eine den Talgdr\u00fcsenzellen \u00e4hnliche Epitheliaiwucherimg beschreibt und abbildet, aber doch richtig die vereinzelten und mit Vorliebe dem Innenende der Zellen nahe liegenden Fetttropfen schildert und zeichnet.\nInzwischen hatte bereits vor mehr als zehn Jahren Stricker- aut Grund seiner Beobachtung, dass die Colostrumk\u00f6rperchen auf dem heizbaren Objecttische durch am\u00f6boide Bewegungen Fetttr\u00f6pfchen ausstossen k\u00f6nnen, darauf aufmerksam gemacht, dass mit der Feststellung dieser Thatsache die Nothwendigkeit, einen Zerfall der Zellen behufs Befreiung der Milchk\u00fcgelchen anzunehmen, fortfalle. Sehr richtig beschrieb Langer1 2 3 in den Epithelien gr\u00f6ssere Fetttropfen gegen den Hohlraum der Alveole hin. Er vermuthet, dass die Zellen durch Berstung ihre Fetttropfen entleeren und nicht gleich zu Grunde gehn, sondern wiederholt Fetttropfen produciren.\nVollst\u00e4ndig neue Anschauungen entwickelte R\u00e4uber4. Die Fetttropfen sollen innerhalb in die Alveolen gewanderter und fettig degenerirender und zerfallender Lymphk\u00f6rperchen entstehen. Auf diese Vermuthung ist R\u00e4uber durch die Anwesenheit zahlreicher Lymphk\u00f6rperchen in dem Inter-stitialgewebe, sowie vereinzelter jenen Gebilden \u00e4hnlicher K\u00f6rperchen im Innern der Alveolen und innerhalb des Epithels geleitet worden. Hierzu muss ich erstens bemerken, dass in dem Zwischengewebe aller lebhaft secernirenden Dr\u00fcsen Lymphk\u00f6rperchen in gr\u00f6sserer Zahl, als w\u00e4hrend des Ruhezustandes Vorkommen, dass zweitens die lymphoiden Elemente in der Brustdr\u00fcse zum grossen Theile nicht wirkliche Lymphk\u00f6rperchen, sondern durch Dahlia f\u00e4rbbare WALDEYER\u2019sche Plasmazellen sind (Partsch), dass drittens bei lebhaftester Milclisecretion die Zahl jener Elemente in dem Interstitialgewebe oft genug durchaus nicht auffallend gross ist. Andrerseits gebe ich zu, dass hier und da in dem Epithel wie in den Alveolen den Lymphk\u00f6rperchen \u00e4hnliche, aber doch nicht mit ihnen identische K\u00f6rperchen vorhanden sind. Nicht identisch, denn die K\u00f6rperchen ausserhalb der Alveolen f\u00e4rben sich in Bismarckbraun tief braun, die des Epithels und des Alveoleninhaltes mit Ausnahme ihrer Kerne nicht merklich. Letztere sehen am Meisten denjenigen Zellen \u00e4hnlich, die w\u00e4hrend der Colostrumperiode in gr\u00f6sserer Zahl im Epithel entstehen, nur sind sie in der Regel kleiner. Die Bedeutung und das Schicksal jener Elemente zu verfolgen habe ich weiter keine Veranlassung genommen, da sie mit der Bildung der Milchk\u00fcgelchen nach meiner obigen Darstellung nicht in Zusammenhang stehen.\nD) Interstitielles Gewebe, Blutgef\u00e4sse, Lymphgef\u00e4sse.\nZwischen den Alveolen findet sich nur sp\u00e4rliches Bindegewebe, zwischen den L\u00e4ppchen ist dasselbe reichlicher entwickelt, ebenso um die Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge. In dem Bindegewebe sind bald sparsamer, bald reich-\n1\tII. Schmid, Zur Lehre von der Milclisecretion. S. 16 u. 17. W\u00fcrzburg 1877.\n2\tStricker, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LIII. (2) 1866. S. 184.\n3\tLanger, Strieker\u2019s Handbuch der Lehre von den Geweben. S. 632. Leinzig\ni87 !.\n4\tR\u00e4uber, Leber den Ursprung der Milch. Leipzig 1879.","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. 7. Absckn. Milchabsonderung.\nlieber lymplioide Elemente bemerkbar, von denen nur ein Tlieil wirkliche Lymphk\u00f6rperchen darstellt, ein andrer nicht unerheblicher, wie C. Partsch gefunden, den WALDEYE\u00df\u2019schen Plasmazellen angeh\u00f6rt. In den interalveolaren Bindegewebsbalken verlaufen die die Bl\u00e4schen umspinnenden Capil-laren, sowie perialveol\u00e4re Lymphr\u00e4ume1, die ich mitunter durch Lymphe ausserordentlich weit ausgedehnt gesehen habe.\nGlatte Muskeln beschreibt Kolessnikow in dem die L\u00e4ppchen ein-hiillenden Bindegewebe ; ich habe sie weder hier, noch in der Wandung der Milchg\u00e4nge (mit Ausnahme der gr\u00f6ssten) gesehen, so wenig wie K\u00f6lliker2, Langer3, neuerdings Partsch u. A. Dagegen finden sich innerhalb der Brustwarze in dem die Ausfiihrungsg\u00e4nge umgebenden Bindegewebe glatte Muskeln von circularer Anordnung, die jedoch nach Partsch nicht eine continuirliche Lage bilden und nahe der M\u00fcndung der Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge am st\u00e4rksten entwickelt sind.\nZWEITES CAPITEL.\nSteht die Milchabsonderung unter dem Einfl\u00fcsse\ndes Nervensystems?\nOb die Th\u00e4tigkeit der Milchdr\u00fcsen unter dem Einfl\u00fcsse des Nervensystems steht, sei es direct, wie die Absonderung der Speicheldr\u00fcsen, sei es indirect, wie die Secretion der Niere, ist eine oft aufgeworfene, aber keineswegs mit der w\u00fcnsehenswerthen Sicherheit erledigte Frage.\nIst es doch bis jetzt noch nicht m\u00f6glich, den Typus der Absonderung mit Bestimmtheit anzugeben. Wann sie eintritt und auf-h\u00f6rt, ob sie stetig oder mit Unterbrechungen erfolgt, welche Schwankungen ihrer Geschwindigkeiten stattfinden, das alles sind Puncte, die noch der klaren Erledigung harren.\nWenn ich vom Anfang und Ende der Dr\u00fcsenth\u00e4tigkeit spreche, so meine ich nicht den Beginn und das Erl\u00f6schen der P unctions-f\u00e4higkeit der Dr\u00fcse, sondern Beginn und Schluss der einzelnen Absonderungsperiode, \u2014 wenn anders die Secretion wirklich periodenweise stattfindet. In dieser Beziehung wissen wir nur so viel, dass die Unterhaltung der Absonderung an zeitweilige Entleerung der\nt Coyne, Centralbl.-f. d. med.Wiss. 1875. S. 110. \u2014 Kolessnikow, Arch. f. path. Anat. LXX. S. 534. 1877. \u2014 Kauber, Ursprung der Milch. S. 37. Leipzig 1870.\n2\tK\u00f6lliker, Handbuch der Gewebelehre. 5. Aufl. S. 571. 1867.\n3\tLanger, Strieker\u2019s Gewebelehre. S. 628. Leipzig 1871.","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Nervensystems.\n391\nDr\u00fcse (durch Saugen oder Melken) gekn\u00fcpft ist. Welche Rolle spielt aber die Entlastung des Organs bez\u00fcglich der Anregung der secre-torischen Th\u00e4tigkeit? Bildet der Zustand der relativen Leere oder der Herabminderung des Inhaltsdruckes die wesentliche Bedingung der Absonderung? Oder wirkt der Act des Saugens resp. Melkens als Reiz, welcher die Dr\u00fcsenth\u00e4tigkeit anregt ?\nSicher darf man annehmen, dass mit steigender F\u00fclle der Dr\u00fcsenr\u00e4ume die Absonderung abnimmt und zuletzt von einer gewissen Grenze an stockt. Nach geschehener Entleerung f\u00fcllt sich die Dr\u00fcse anfangs schneller, sp\u00e4ter langsamer, so dass die sich ansammelnde Secretmenge nicht proportional der seit der Entleerung verflossenen Zeit, sondern in geringerem und schnell abnehmendem Verh\u00e4ltnisse bis zu einem nicht \u00fcberschreitbaren Maximo w\u00e4chst. Dagegen ist es schon weniger klar, ob durch das Saugen resp. Melken nur der in den Dr\u00fcsenr\u00e4umen angesammelte Vorrath von Milch entleert oder nicht vielmehr gleichzeitig ein Reiz ausge\u00fcbt wird, welcher den Eintritt neuer Absonderung zur Folge hat.\nEinen Anhaltspunct zur Beurtheilung dieser Frage giebt folgende\nUeberlegung1.\nDas Gesammtvolumen, welches die Milchdr\u00fcsen des Kuheuters innerhalb ihrer Kapsel einnehmen, betr\u00e4gt einschliesslich der Cisternen 6700 Ccm., wovon 15 \u00b0/o auf die Hohlr\u00e4ume (Alveolen, G\u00e4nge u. s. f.) zu rechnen sind. Die Binnenr\u00e4ume der Dr\u00fcse haben also einen Rauminhalt von 3000 Ccm. Gute K\u00fche liefern aber w\u00e4hrend der ersten Zeit der Lactationsperiode erheblich mehr als drei Liter Milch. Demnach scheint die Annahme nicht zu umgehen, dass w\u00e4hrend des Abmelkens und in Folge desselben neue Secretion angeregt wird.\nDarauf wird es wohl auch beruhen, dass vermehrte H\u00e4ufigkeit des Melkens den Milchertrag der K\u00fche steigert.\nWenn aber der Act des Saugens als Absonderungsreiz wirkt, so ist daraus mit Wahrscheinlichkeit zu folgern, dass die Uebertragung dieser Erregung auf den secretorischen Apparat durch reflectorische Nebenwirkungen geschieht, wobei zun\u00e4chst ganz unentschieden bleibt, ob es sich um reflectorische Erregung eigentlich secretorischer Nerven handelt, welche die Absonderung direct beeinflussen, oder dem Ge-f\u00e4sssystem der Dr\u00fcse ungeh\u00f6riger Nerven, welche einen indirecten Einfluss auf dieselbe ausilben.\nNat\u00fcrlich liegt in diesen Erw\u00e4gungen nur ein Hinweis sehr allgemeiner Natur auf einen Antheil des Nervensystems an dem Ab-\nl Fleischmann. Das Molkereiwesen. S. 48. Braunschweig 4S75.","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392 Heidexhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 7. Abschn. Milchabsonderung.\nsonderungsvorgange. Einen \u00e4hnlichen Fingerzeig geben oft ange-zweifelte, aber dennoch durch vertrauensw\u00fcrdige Beobachter wohl verb\u00fcrgte \u00e4rztliche Erfahrungen, nach welchen pl\u00f6tzliche Gem\u00fcths-affecte der Mutter das Absonderungsproduct ihrer Br\u00fcste quantitativ und qualitativ beeinflussen.\nDer durch die erw\u00e4hnten T\u2019hatsachen gestellten Forderung, den Einfluss der Dr\u00fcsennerven auf die Secretion genauer zu deflniren, ist die physiologische Untersuchung bis jetzt noch nicht gerecht geworden. Es liegen nur zwei Beobachtungsreihen \u00fcber die Milchabsonderung der Ziege vor1 2, deren Resultate, weil einander direct widersprechend, Alles im Unklaren lassen.\nDie Nerven des Ziegeneuters stammen, abgesehn von dem die Haut versorgenden Nv. ileo-inguinalis, aus dem Nv. spermaticus externus. Ein Ramus superior desselben innervirt die Bauchmuskeln. Ein mittlerer Zweig sendet 1. den Ramus papillaris zur Zitze; 2. F\u00e4den zu den Befassen; 3. einen oder zwei st\u00e4rkere Rami glandul\u00e4res zur Dr\u00fcsensubstanz selbst. Endlich ein unterer Ast geht als reiner Gef\u00e4ssnerv zu den Dr\u00fcsengef\u00e4ssen. Die Verzweigung des Nv. spermaticus zeigt \u00fcbrigens im Einzelnen manniclifache Verschiedenheiten.- \u2014 Bei mikroskopischer Untersuchung des Nerven Verlaufes konnte Winkler3 nur Ver\u00e4stlungen an den Blutgef\u00e4ssen, dagegen durchaus keine Beziehungen der Nervenfasern zu dem Dr\u00fcsengewebe auffinden.\nEckhard\u2019s Beobachtungen bezogen sieh auf Durchschneidung der Dr\u00fcsennerven, welche keine merklichen quantitativen oder qualitativen Aenderungen der Absonderung im Gefolge hatten.\nR\u00f6hrig dagegen glaubt zu einer Reihe positiver Ergebnisse gelangt zu sein. Der Ramus papillaris f\u00fchrt nach seinen Beobachtungen theils motorische Fasern f\u00fcr die Musculatur der Zitze, welche bei Reizung desselben erigirt wird, theils sensible Fasern, deren Erregung den Milchausfluss beschleunigt. Den Ramus glandularis h\u00e4lt R\u00f6hrig nur f\u00fcr den motorischen Nerven der glatten Musculatur der Milchg\u00e4nge, dagegen wird der zu den Gef\u00e4ssen tretende Ramus inferior maassgebend f\u00fcr die Absonderung, weil er den \u00f6rtlichen Blutdruck in der Dr\u00fcse und dadurch die Gr\u00f6sse der Absonderung beherrsche. Durchschneidung f\u00fchrt Beschleunigung, Reizung Verlangsamung der Absonderung herbei \u2014 Beides, weil die letztere von dem Drucke in den Dr\u00fcsencapillaren abh\u00e4ngig sei und deshalb mit der Erweiterung der Befasse steige, mit ihrer Verengerung sinke.\n1\tC. Eckhard, Beitr\u00e4ge z. Anat. u. Physiol. I. S. 12. 1855. \u2014 R\u00f6hrig. Arch. f. pathol. Anat. LXVIL 1876.\n2\tC. Eckhard, Beitr\u00e4ge z. Anat. u. Physiol. VIII. S. 1 17. 1877.\n3\tWinkler, Arch. f. Gyn\u00e4c. XL S. 294. 1877.","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Nervensystems.\n393\nEine Entscheidung \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit der Milchabsonderung vom Nervensystem wird erst die Zukunft bringen m\u00fcssen. Die von R\u00f6iirig in seiner Abhandlung angef\u00fchrten Versuchsbeispiele erscheinen weder zahlreich, noch eindeutig genug, um seine Schl\u00fcsse in zweifelloser Weise zu rechtfertigen. Der den Milchausfluss beschleunigende Erfolg der Durchschneidung des Ramus inferior ist so vor\u00fcbergehend, dass es mir \u2014 wie bereits fr\u00fcher Eckhard \u2014 schwer wird, an eine wirkliche Secretions-steigerung\u2019 zu glauben. Man darf nicht \u00fcbersehn, dass, wenn in folge der Nerventrennung die Gef\u00e4ssflille in der Dr\u00fcse steigt, damit zugleich die Spannung im Innern des Dr\u00fcsenk\u00f6rpers zunimmt, womit sich sehr leicht eine theilweise Austreibung des in den Dr\u00fcseng\u00e4ngen vorhandenen Secretes verbinden kann. Die wesentliche Beschleunigung des Ausflusses beschr\u00e4nkt sich in Rohrig\u2019s \"\\ ersuchen auf die ersten Minuten nach der Trennung, w\u00e4hrend z. B. in der Niere oder in der Leber nach Durchschneidung der Gef\u00e4ssnerven die Beschleunigung der Absonderung erst in einigen Minuten beginnt und lange anh\u00e4lt. Dass bei Reizung der Gef\u00e4ssnerven die Absonderung schnell erlahmt, beweist nicht ihre Abh\u00e4ngigkeit von dem Blutdrucke, sondern nur die Nothwendigkeit steter Blutversorgung des secretorischen Apparates f\u00fcr seine Th\u00e4tigkeit. Uebrigens war die Sistirung des Milchausflusses bei jener Reizung immer nur von kurzer Dauer und deshalb vielleicht von rein mechanischen Verh\u00e4ltnissen abh\u00e4ngig; denn bei pl\u00f6tzlicher An\u00e4mie der Dr\u00fcse geht offenbar die Spannung in ihrem Innern herunter, was schon f\u00fcr sich eine vor\u00fcbergehende Verlangsamung des Milchausflusses erkl\u00e4rlich macht.\nDie Annahme einer Abh\u00e4ngigkeit der Absonderung vom Blutdrucke sieht R\u00f6iirig unterst\u00fctzt durch die Beobachtung, dass Steigerung des Aortendruckes durch Injection von Strychnin (auch nach Durchschneidung der Dr\u00fcsennerven), Digitalin, Coffein, Pilocarpin, ferner durch Athmungs-suspension und durch Reizung des centralen Vagusstumpfes den Milchausfluss beschleunigt, Herabsetzung des Aortendruckes durch Chloralhydrat, durch Reizung des peripherischen Vagusendes denselben verlangsamt. Es fehlt aber \u00fcberall der Nachweis, dass es sich wirklich um Beeinflussung der Absonderung und nicht blos um Beeinflussung der Austreibung des Secretes gehandelt habe.\nIch selbst besitze nur vereinzelte Erfahrungen an Hunden1, bei welchen sich durch Trennung des Nv. spermaticus mitunter zweifellose erhebliche Beschleunigung des Milchausflusses erzielen liess, wenn gleichzeitig Curara in das Blut injicirt wurde. Doch reichen diese sp\u00e4rlichen, von Herrn C. Bartsch in meinem Institute angestellten Beobachtungen nicht aus, um die schwierige Frage nach dem Nerveneinflusse der Entscheidung nahe zu bringen.\nI C. Partsch, Breslauer \u00e4rztl. Ztschr. 1ST9. No. 20.","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 7. Abschn. Milchabsonderung.\nDRITTES CAPITEL.\nUrsprung und Absonderung der organischen Bestandteile der Milch.\nI. Sind die gesammten organischen Bestandtlieile der 3Iiicli Zerfallsproducte der Dr\u00fcsenzellen?\nDie mikroskopische Durchforschung der Milchdr\u00fcse in den verschiedenen Phasen ihrer Th\u00e4tigkeit l\u00e4sst zwar keinen Zweifel dar\u00fcber, dass Wachsthum und Schwinden ihrer Zellen den wesentlichsten An-theil an der Bildung der organischen Secretbestandtheile hat. Sie ist aber nicht im Stande, dar\u00fcber Aufschluss zu geben, ob der Zerfall des Zellenleibes allein gen\u00fcgt, um der Milch ihre gesummten Albuminate, Fette und Kohlenhydrate zu liefern, oder ob nicht vielmehr ein gr\u00f6sserer oder geringerer Theil derselben unmittelbar aus der Lymphe in das Secret der Dr\u00fcse \u00fcbergeht.\nWer die Milchzellen als alleinige Quelle f\u00fcr die wesentlichen Milehbestandtheile ansieht, wird zu gewissen Consequenzen gedr\u00e4ngt, die zwar nicht schlechtweg widerlegt werden k\u00f6nnen, aber doch immerhin ernsthafte Bedenken hervorrufen.\nNach Fleischmann1 giebt es K\u00fche, welche t\u00e4glich 25 Kgrm. Milch liefern. Den Gesammtgehalt der Milch an Albuminaten, Fett und Zucker zu 10 % gerechnet, w\u00fcrde die t\u00e4gliche Secretmenge 2,5 Kgrm. jener Substanzen enthalten.\nDas h\u00f6chste Gewicht der Milchdr\u00fcsen betr\u00e4gt 4,8 Kgrm., ihr Parenchym enth\u00e4lt 24,2% an Trockensubstanz, die gesummten Dr\u00fcsen (Kapsel, Bindegewebe, Blutgef\u00e4sse eingerechnet) disponiren also \u00fcber 1,16 Kgrm. fester Bestandtheile. Mithin m\u00fcsste die Dr\u00fcse im Laufe eines Tages sich 2,09mal erneuern, um die organischen Milchbestand-theile zu liefern, wenn sie aus Nichts als secernirenden Zellen best\u00e4nde. Da aber ein erheblicher Theil der Euter aus indifferenten Geweben (Bindegewebe, Muskeln, Blutgef\u00e4ssen mit ihrem Inhalte u. s. f.) sich zusammensetzt, m\u00fcsste der Aufbau und Zerfall der Zellen noch viel rapider sein, wenn dieser Vorgang allein die specitischen Milehbestandtheile hersteilen soll.\nMan wird mit mir den Eindruck haben, dass es geboten ist, wo\n1 Fleischmann, Das Molkereiwesen. S. 7. Braunschweig LS75.","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Absonderung der Albuminate.\n395\nm\u00f6glich andre Beurtheilungsmomente herbeizusckaffen, um sich zu vergewissern, ob in der That eine so \u00fcppige, \u00fcbrigens wohl beispiellose Zellwucherung in der Dr\u00fcse anzunehmen sei.\nII. Absonderung der Albuminate.\nDie Milch enth\u00e4lt bekanntlich als vorwiegenden Eiweissk\u00f6rper Casein (die Kuhmilch im Mittel etwa 3\u00b0/o), daneben in geringerer Menge Serumeiweiss (die Kuhmilch 0,75 \u00b0/o).\nDass der K\u00e4sestoff erst innerhalb der Milchdr\u00fcse entsteht, geht aus der Abwesenheit desselben im Blute hervor. Ob die Umwandlung des Eiweiss in Casein sich bereits innerhalb der Milchzellen oder erst in dem Secrete vollzieht, dar\u00fcber geben die vorliegenden Beobachtungen nur in beschr\u00e4nkter Weise Aufschluss.\nUntersuchungen von Kemmerich1 2 haben dargethan, dass noch in der entleerten Milch Caseinbildung auf Kosten ihres Eiweiss geschieht: bei der Digestion in der W\u00e4rme sinkt der Gehalt an letzterem, w\u00e4hrend der Gehalt an ersterem steigt. Die Umwandlung geschieht nach D\u00e4hnhardt- unter dem Einfl\u00fcsse eines in den Milchdr\u00fcsen entstehenden und aus ihrem Parenchym durch Glycerin extra-hirbaren Fermentes. Die M\u00f6glichkeit der Caseinbildung im fertigen Secrete steht also ausser Zweifel : ob sie bereits innerhalb der Dr\u00fcsenzellen beginnt, ist unentschieden.\nDen Uebergang von Albumin in Casein innerhalb der Milch wies Kemmerich theils durch quantitative Bestimmung beider K\u00f6rper in der frisch entleerten und in der mehrere Stunden bei K\u00f6rpertemperatur dige-rirten Fl\u00fcssigkeit (auch in dem Colostrum) nach, theils demonstrirte er jene Umsetzung unmittelbar, indem er ganz frische Milch durch verd\u00fcnnte Essigs\u00e4ure von ihrem Casein vollst\u00e4ndig befreite und das klare Filtrat in der Hand oder in der Br\u00fctmaschine erw\u00e4rmte: nach kurzer Zeit traten Caseinfl\u00f6ckchen auf.\nDie Caseinbildung geht nicht ins Unbegrenzte fort, sondern h\u00f6rt nach einiger Zeit auf. Beim Kochen der Milch scheint das Albumin sich vollst\u00e4ndig in Casein umzusetzen, denn aus gekochter Milch konnte Kemmerich die gesummten Albuminate durch Essigs\u00e4ure f\u00e4llen, w\u00e4hrend das Eiweiss der frischen Milch durch jene S\u00e4ure nat\u00fcrlich nicht ausgeschieden wird.\nDass die Umwandlung von Eiweiss in Casein bei geringem Alkaligehalt der L\u00f6sung (0,04\u20140,08%) oder selbst bei neutraler Reaction durch Fermente beg\u00fcnstigt werde, wies schon J. C. Lehmann3 nach. Am g\u00fcnstigsten wirkte Darmsaft, schw\u00e4cher k\u00fcnstlicher Magen- und Pankreas-\n1\tKemmerich, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 401. 1869.\n2\tD\u00e4hnhardt, Ebenda. III. S. 586. 1870.\n3\tLehmann, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1864. S. 530.","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 7. Abschn. Milchabsonderung.\nsaft sowie Speichel. D\u00e4iinhardt stellte aus den Milchdr\u00fcsen des Meerschweinchens durch Glycerinextraction und Alkoholf\u00e4llung ein die Caseinbildung einleitendes Ferment dar, welches sich in verd\u00fcnnter L\u00f6sung von H\u00fchnereiweiss bei Zusatz geringer Mengen kohlensaurer Alkalien wirksam erwies.\nIII. Absonderung der Milclifette.\nDas Fett der Milch entstammt nach Ausweis des Mikroskopes den Zellen der Dr\u00fcse. Da mit der Milch mehr Fett entleert wird, als in der Nahrung enthalten ist1 2, muss dasselbe mindestens zum Theil innerhalb des Organismus, und zwar nach den Versuchen Kemmerigh\u2019s aus Eiweissk\u00f6rpern, entstehen. Ob diese Spaltung der Albuminate innerhalb der Zellen der Milchdr\u00fcse stattlindet, oder ob ihnen das Fett von aussen zugef\u00fchrt wird, \u2014 sei es als neutrales Fett, sei es unter der Form von Fettseifen, die erst innerhalb der Zellen eine Umsetzung in Triglyceride erfahren, \u2014 bedarf eing\u00e4ngiger Erw\u00e4gung.\nOertliche Bildung des Fettes in den Milchzellen wird allgemein mit Sicherheit angenommen. Die Gr\u00fcnde daf\u00fcr liegen tlieils in der Analogie der Milchdr\u00fcsen mit den ihnen verwandten Talgdr\u00fcsen, welche freilich mehr auf genetischen Beziehungen als auf functioneller Aehnlichkeit beruht, \u2014 tlieils in der weiter unten zu besprechenden, in breiten Grenzen bestehenden Unabh\u00e4ngigkeit des Fettgehaltes der Milch von der Fettzufuhr in der Nahrung. Bei Dr\u00fcsen, welche im Blute pr\u00e4formirte Substanzen auszuscheiden die Aufgabe haben, nimmt die Menge der Excretionsproducte mit ihrer Zufuhr durch das Blut in schnellem Verh\u00e4ltniss zu, was bei der Milch bez\u00fcglich des Fettes keineswegs der Fall ist.\nZur Unterst\u00fctzung der \u00f6rtlichen Fettbildung in den Dr\u00fcsenzellen k\u00f6nnte man sich ferner darauf berufen, dass die Butter die Triglyceride mehrerer in dem Blute nicht vorhandener Fetts\u00e4uren enth\u00e4lt: der Butter-, Capron-, Capryl- und Caprins\u00e4ure. Doch ist es nicht \u00fcber allen Zweifel festgestellt, dass die Fette dieser S\u00e4uren bereits in der ganz frischen Milch pr\u00e4formirt sind. M\u00f6glich, dass sie erst durch Zersetzung der h\u00f6heren Fetts\u00e4uren in der Butter entstehen. Fand doch Heintz-, entgegen fr\u00fcheren Angaben, in der Kuhbutter nur die Fette der Oels\u00e4ure, Butins\u00e4ure, Stearins\u00e4ure, Palmitins\u00e4ure und Myristins\u00e4ure.\nWeiter k\u00f6nnte man die von Hoppe-Seyler3 sehr wahrscheinlich gemachte Thatsache herbeiziehen, dass bei l\u00e4ngerem Stehen der Milch ihr Gehalt an Fetten unter Bildung von Kohlens\u00e4ure auf Kosten des Caseins\n1\tKemmerich, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1SG6. S. 465.\n2\tW. Heintz, Ann. d. Chemie u. Pharmacie. LXXXV1II. S. 300.\n3\tHoppe-Seyler, Arch. f. pathol. Anat. XVII. S. 440 u. fg. 1859.","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Absonderung der Fette und des Zuckers.\n397\nsteigt, wenn nicht Kemmerich1 den Einwand erhoben h\u00e4tte, dass die Zunahme des Fettes nicht sowohl auf einem physiologischen l organge beruhe, als auf der Entwicklung von Pilzsporen in der Milch.\nAndrerseits sprechen aber auch gewisse Thatsachen daf\u00fcr, dass ein Theil der Milchfette von dem Blute aus in das Secret gelangt. Eine von C. Voit genauer auf ihren Stoffwechsel und ihre Milch-production untersuchte Kuh lieferte in 6 Tagen 2024 Grm. Fett und zersetzte in derselben Zeit nach Ausweis des Stickstofifgekaltes ihrer Excrete 3(302 Grm. Eiweiss, die nur 1S51 Grm. Fett zu liefern im Stande sind. Es ist also nach Voit\u2019s'2 Beobachtungen unm\u00f6glich, das gesammte Fett der Milch bei Pflanzenfressern aus dem in der Driise zersetzten Eiweiss abzuleiten, denn es reicht nicht einmal die gesammte in dem ganzen Thierk\u00f6rper zersetzte Eiweissmenge f\u00fcr die Fettbildung aus und man kann doch f\u00fcglich nicht annehmen, dass alles Eiweiss in der Brustdr\u00fcse zersetzt wird. Der Fett\u00fcbergang aus dem Blute in die Milch ist sonach mindestens f\u00fcr Herbivoren zweifellos. Dieser Fettantheil der Milch kann nur entweder aus der Nahrung, oder von Albuminaten stammen, die in dem \u00fcbrigen K\u00f6rper umgesetzt worden sind. Das Mengenverh\u00e4ltnis des \u00f6rtlich gebildeten und des von aussen zugef\u00fchrten Fettes zu sch\u00e4tzen, fehlt jeder Anhalt.\nF\u00fcr die M\u00f6glichkeit des Ueberganges von Nahmngsfetten in die Milch spricht auch die Thatsache, dass die Butter bei F\u00fctterung mit an \u00e4therischen Gelen reichen Nahrungsmitteln nach den letzteren riecht.3 4\nIY. Absonderung des Milchzuckers.\nDa Milchzucker nirgends ausserhalb der Milchdr\u00fcse vorkommt, muss er ein Product der Arbeit der Dr\u00fcsenzellen sein.\nWenn im Harne von W\u00f6chnerinnen Milchzucker beobachtet worden ist1, so r\u00fchrt derselbe nur von einer Resorption innerhalb der Milchdr\u00fcse her.5\nlieber den chemischen Process der Zuckerbildung ist nichts Bestimmtes ermittelt. Doch scheint so viel unzweifelhaft, dass der Milchzucker mindestens zum grossen Theile von den Albuminaten abstammt. Denn auf reine Fleischdi\u00e4t gesetzte Carnivoren haben in ihrer Milch einen erheblichen Zuckergehalt.\n1\tKemmerich, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 409. 1869.\n2\tC. Voit, Ztschr. f. Biologie. Y. S. 144. 1869.\n3\tFleischmann. Das Molkereiwesen. S. 78. Braunschweig 1875.\n4\tHofmeister . Ztschr. f. physiol. Chemie. I. S. 101. 1878.\n5\tJohannovsky. Arch. f. Gyn\u00e4c. XII. 1878.","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398 Heidenhain, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. T. Abschn. Milchabsonderung.\nDumas1 wollte allerdings bei Hunden, die nur mit Fleisch gef\u00fcttert wurden, den Milchzucker ganz vermisst haben. Allein Bensch2 fand ihn in der Milch einer H\u00fcndin am 8., 12. und 27. Tage ausschliesslicher Fleischdi\u00e4t, und Ss\u00fcbbotin3 bestimmte den Zuckergehalt der Hundemilch bei Kartoffelf\u00fctterung zu 3,41 \u00b0/'o, bei Fleischf\u00fctterung zu 2,49 \u00b0,o. Aus den letzteren Ziffern darf nicht geschlossen werden, dass die Milchzucker-production bei Fleischf\u00fctterung sinkt, da sie nur den relativen Gehalt der Milch, aber nicht die absoluten producirten Zuckermengen angeben. Die letzteren werden bei animalischer Nahrung in Ssubbotins Versuchen gr\u00f6sser gewesen sein, als bei vegetabilischer Kost, da die gesammte Milchmenge bei der ersteren Di\u00e4t sehr viel gr\u00f6sser ausfiel, als bei der letzteren.\nVIERTES CAPITEL.\nEinfluss einiger besondrer Bedingungen auf die Milchabsouderung.\nI. Einfluss der Ern\u00e4hrung,4\n1. Ein\u00dfuss des Xahrungseiweiss.\nNicht bloss die Quantit\u00e4t der Nahrung, sondern auch ihre Zusammensetzung hat einen erheblichen Einfluss auf den Absonderungsvorgang in den Milchdr\u00fcsen. Bei knapper Nahrung erlahmt die Arbeit der Dr\u00fcse, die Milchmengen sinken, der Gehalt des Secretes an festen Bestandtheilen nimmt ab. Bei reichlicher Ern\u00e4hrung steigt der Milchertrag, wie der Gehalt an organischem Material in der Fl\u00fcssigkeit. Im Allgemeinen wirkt der 'Wechsel der Di\u00e4t schneller auf die Menge der Milch, als auf ihre Zusammensetzung ein.\n1\tDumas, Ann. d. sc. natur. III. s\u00e9rie. Zoologie. IV. p. 1S5. 1S45.\n2\tBensch, Ann. d. Chemie u. Pharmacie. LXI. S. 221. 1 874.\n3\tSs\u00fcbbotin, Arch. f. pathol. x\\nat. XXX^ I. S. 561. 1S66.\n4\tUeber den Einfluss der Ern\u00e4hrung auf die Milchabsonderung finden sich in der landwirtschaftlichen Literatur \u00fcberaus zahlreiche und ausgedehnte Untersuchungen. Die Einzelnheiten ihrer Ergebnisse geh\u00f6ren nicht dem vorstehenden Abschnitte dieses Handbuches, sondern der physiologischen Chemie der Secrete an. Hier kann auf diesen Gegenstand nur so weit eingegangen werden, als derselbe ein Streiflicht auf den Absonderungsvorgang wirft. \u2014 Die ausf\u00fchrlichsten landwirtschaftlichen Versuche sind folgende : G. K\u00fchn, Journ. f. Landwirtschaft. 1874. S. 168 u. 295; 1875. S. 481; 1876. S. 173 u. 381 ; 1S77. S. 332. \u2014 M.Fleischer, Ebenda. 1871. S. 371; 1872. S. 395. \u2014 Stohmann, Ztschr. f. Biologie. 1S70.J3. 204; Biologische Studien. Braunschweig 1873. \u2014V eiske, Journ. 1. Landwirtschaft. 1878. S. 447. Vgl. auch E. Wolfe, Die Ern\u00e4hrung der landwirtschaftlichen Nutzthiere. Berlin 1876. \u2014 J. K\u00f6nig, Die menschlichen Nahrungs- und Genussmittel. II. Berlin 1880.","page":398},{"file":"p0399.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Nahrungseiweiss.\n399\nInteressanter, als dieses allgemeine Resultat, bez\u00fcglich dessen alle Beobachter \u00fcbereinstimmen, ist die weitere, durchgehends best\u00e4tigte Thatsache, dass den vorwiegendsten Einfluss auf die Quantit\u00e4t und Qualit\u00e4t der Milch die Zufuhr von Albuminaten in der Nahrung bedingt. Steigerung derselben wirkt sowohl auf die Gr\u00f6sse des Milchertrages im Ganzen, als auf den Gehalt der Milch an ihren wesentlichen Bestandtheilen, und zwar in erster Linie auf ihren Gehalt an Fetten, weniger auf den Reichthum an Eiweissk\u00f6rpern ein.\nF\u00fcr den Einfluss der Albuminate in der Nahrung auf die Gr\u00f6sse des Mil chert rages stehen zahlreiche Beobachtungsreiben in den unten citirten Arbeiten ein. Wie bedeutend derselbe ist, lehrt z.B. eine Versuchsreihe von Weiske an einer Ziege, die in einer ersten F\u00fctterungsperiode t\u00e4glich 1500 Grm. Kartoffeln und 375 Grm. Strohh\u00e4cksel erhielt und dabei 7 39 Grm. Milch lieferte, in einer darauf folgenden Periode bei Zusatz von 250 Grm. Fleischmehl zu dem fr\u00fcheren Futter dagegen 1054 Grm. Milch gab.\nNicht minder hervorstechend, wie bei Herbivoren, ist die Einwirkung des Nahrungseiweiss bei Carnivoren. Ssubbotin1 fand bei einer mit Fleisch gef\u00fctterten H\u00fcndin die Milchdr\u00fcsen so prall gef\u00fcllt, dass er leicht 40 bis 100 Ccm. Secret entleeren konnte, w\u00e4hrend dasselbe Thier bei Kartoffeldi\u00e4t schlaffe Dr\u00fcsen hatte und kaum die f\u00fcr die Analyse hinreichende Menge Fl\u00fcssigkeit hergab.\nMit der Milchmenge steigt bei reichlicher Albuminatzufuhr der Ge-sammtgehalt an festen Theilen, ganz vorzugsweise aber der Gehalt an Fetten. So fand Franz Simon'2 in der menschlichen Milch\nWasser\tFeste Th eile\tButter\tCasein\tZucker u. Extractiv-stoffe\nI. Bei sehr sp\u00e4rlicher Di\u00e4t\t914,0\t86,0\t8,0\t35,5\t39,5\n11. EineWoche sp\u00e4ter nach\t\t\t\t\nsehr fleischreicher Nah-\t\t\t\t\nrung\t 880,0\t119,4\t34.0\t37,5\t45,4\nW\u00e4hrend der Belagerung von Paris untersuchte E. Decaisne3 die Milch mehrerer Frauen bei sehr sp\u00e4rlicher und nach mehrt\u00e4giger reichlicher Kost und fand im Mittel\n\tWasser\tAlbu- minate\tFette\tZucker ;\tSalze\nI. Bei \u00e4rmlicher Nahrung II. Bei reichlicher Nahrung\t88,3 85,79\t2.41 2,65\t2,98 4,46\t6,07\ti\t0,24 6,71\t!\t0,39\n1 Ssebbotin, Arch. f. pathol. Anat. NXXYI\t\t\tS. 567. 1866. Vgl. auch C. Voit,\t\nZtschr. f. Biologie V. S. 144. LS69.\n2\tF. Simon, Handbuch der med. Chemie. II. S. 2SG. Berlin 1840.\n3\tE. Decaisne, Compt. rend. 1873. S. 119.","page":399},{"file":"p0400.txt","language":"de","ocr_de":"400 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 7. Abschn. Milchabsonderung.\nDie von Ssubbotin untersuchte Hundemilcli enthielt\n\tBei Kartoffel- nahrung\tBei Fleisch- nahrung\nFeste Theile ....\t170,47\t227,39\nWasser\t\t829,53\t772,61\nAlbumin \t\t\t39,24\t39,67\nCasein\t\t42,51\t51,99\nFett\t\t49,82\t106,39\nZucker\t\t34,15\t24.92\nSalze und Extractivstoffe\t4.75\t4.42\nBei Weiske\u2019s Ziege stieg in den schon oben erw\u00e4hnten F\u00fctterungsreihen der Procentgelmlt der Milch an Fett nach Zusatz des Fleischmehls zur Nahrung von 2,71% auf 3,14% und die t\u00e4gliche absolute Fettmenge von 19,96 auf 33,21 Grm. Sonach verh\u00e4lt sich die Milch des Menschen, der Carnivoren und Herbivoren gegen\u00fcber Vermehrung des Nahrungseiweisses im Wesentlichen gleich : die vermehrte Zufuhr kommt ausser der Milchmenge im Ganzen in erster Linie dem Fettgehalte zu Gute. Bei K\u00fchen scheint nach zahlreichen Beobachtungsreihen von G. K\u00fchn1 das relative Verh\u00e4ltniss von Casein und Fett nicht in so hohem Grade durch die Albuminatzufuhr beeinflusst zu werden und ganz namentlich der Erfolg der Nahrungs\u00e4nderung tlieils durch die Individualit\u00e4t der Thiere, tlieils durch ihren allgemeinen Ern\u00e4hrungszustand und die Periode der Lactation, in welcher sich dieselben befinden, beeinflusst zu werden.\nF\u00fcr die Vorstellung von dem Absonderungsvorgange sind diese Erfahrungen von hohem Interesse. Sie w\u00fcrden v\u00f6llig unverst\u00e4ndlich sein, wenn die Milch, liier und da in fr\u00fcherer Zeit ge\u00e4usserten Auffassungen gem\u00e4ss, ein Blut- oder Lymphtranssudat darstellte. Wir wissen aber, dass die Bildung des Secretes zu dem Wachsen und Schwinden der Dr\u00fcsenzellen in Beziehung steht. Der Aufbau von Zellen setzt Albuminate als Baumaterial voraus ; mit der reichlicheren Zufuhr des letzteren steigt nach Ausweis der Versuche offenbar die Productivit\u00e4t der secernirenden Elemente. (Vgl. Erstes Capitel II, c.) Aber diese von vornherein sich aufdr\u00e4ngenden Bemerkungen ersch\u00f6pfen doch noch keineswegs den Sachverhalt. Wenn die Albuminate den gesammten Milchertrag in hohem Maasse steigern, so heisst das zun\u00e4chst nichts Anderes, als dass sie vermehrte Wasserabsonderung veranlassen. Secernirt nun die einzelne Zelle st\u00e4rker in dem Maasse, als sie reichlicher ern\u00e4hrt wird? Oder vermehrt sich die Zahl der secernirenden Elemente? F\u00fcr die erstere Annahme, die ich nicht bestreiten will, d\u00fcrfte es doch jedenfalls an bestimmten\nl Vgl. die Discussion der Versuche im Journ. f. Landwirthschaft. Jahrg. 1877.","page":400},{"file":"p0401.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Nahrungseiweiss.\n401\nAnhaltspuncten fehlen, nicht so f\u00fcr die zweite. Denn ich glaube mich nicht darin zu t\u00e4uschen, dass wenigstens in der ersten Zeit der Lactation die Dr\u00fcse bei reichlicher Ern\u00e4hrung wirklich w\u00e4chst, indem sich durch Sprossung neue Alveolen aus den vorhandenen bilden, mit deren Entstehen nat\u00fcrlich die Menge des Absonderungs-productes zunehmen muss. Damit stimmt \u00fcberein, dass der Einfluss ver\u00e4nderter Ern\u00e4hrung sich nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit geltend macht, dass er nach Gr. K\u00fchn in der ersten Periode der Lactation wirksamer ist, als in der sp\u00e4tem, in welcher die Dr\u00fcse sich ja zur Involution anschickt, also neue Alveolen zu bilden nicht mehr Neigung hat, dass endlich ebenfalls nach den genauen Beobachtungen K\u00fchn\u2019s die durch gesteigerte Albuminatzufuhr herbeigef\u00fchrte Aenderung der Absonderung h\u00e4ufig nicht wieder r\u00fcckg\u00e4ngig wird, wenn die Albuminatzufuhr wieder sinkt, \u2014 vorausgesetzt, dass sie f\u00fcr die Erhaltung ordentlichen Ern\u00e4hrungszustandes ausreichend bleibt. Ist erst die Yergr\u00f6sserung des Absonderungsorganes erreicht, so gen\u00fcgen zur Unterhaltung seiner Function geringere Eiweissmengen.\nWenn ferner mit der Menge des Secretes sein Gehalt an Trocken-Substanz in die H\u00f6he geht, so beweist diese Thatsache, dass die Albuminatzufuhr auch auf den Stoffwandel der einzelnen Zelle wirkt, indem sie schnellere Erneuerung des durch die Absonderung zum Theil verbrauchten Zellenleibes m\u00f6glich macht. Da endlich beim Menschen, den Carnivoren und gewissen Herbivoren in sehr ausgesprochener, bei K\u00fchen in minder auffallender, aber immerhin doch unzweifelhafter Weise das Verh\u00e4ltniss der organischen Secretbestand-theile zu Gunsten des Fettes ge\u00e4ndert wird, ergiebt sich der Schluss, dass nicht blos der Grad, sondern auch die Art des Stoffwechsels in den Zellen durch die Albuminatzufuhr beeinflusst wird. Je schneller sie bei Steigerung derselben wachsen und schwinden, desto gr\u00f6sser wird verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig der in ihnen zur Fettbildung verwandte An-theil der Eiweissk\u00f6rper.\nDer Gehalt der Milch an Zucker ging in den Versuchen K\u00fchn\u2019s1 an K\u00fchen bei Steigerung der Albuminatzufuhr in der Regel herunter, \u00e4nderte sich also in entgegengesetztem Sinne wie der Fettgehalt. Die Hundemilch enth\u00e4lt ebenfalls bei Fleischnahrung trotz gr\u00f6sserer Fettmengen weniger Zucker, als bei Kartoffelnahrung (s. oben die Tabelle von Ssubbotin.)\nI Ygl. namentlich K\u00fchn, Journ. f. Landwirtlischaft. 1ST7. S. 350 u. fg. Handbuch der Physiologie. Bd. V.\t26","page":401},{"file":"p0402.txt","language":"de","ocr_de":"402 Heidenhain, Physiol, d. Absonderwigsvorg\u00e4nge. 7. Abschn. Milchabsonderung.\n2. Einfluss des Xahnmgsfettes.\nViel weniger klar ausgesprochen, als der Einfluss gesteigerter Albuminatzufuhr stellt sich der Einfluss einer Vermehrung des Nahrungsfettes auf die Milchabsonderung.\nSSubbotin 1 bemerkte bei Hunden eine erhebliche Abnahme der Milchabsonderung, wenn er dem Futter betr\u00e4chtliche Fettmengen zusetzte. Doch fand sich diese ung\u00fcnstige Einwirkung des Fettes auf den Gesammtertrag an Milch in Beobachtungen von Voit2 nicht best\u00e4tigt.\nEine gr\u00f6ssere Reihe von Untersuchungen besch\u00e4ftigt sich mit der Frage, ob Zusatz von Fett zur Nahrung den Fettgehalt der Milch zu steigern im Stande sei. Ber\u00fccksichtigt man, dass nach den sch\u00f6nen Beobachtungen von Pettenkofer und Voit, deren Ergebnisse in einem andern Theile dieses Handbuches zur Besprechung gelangen, das Fett auf die Gesammtern\u00e4hrung den Einfluss hat, die Zersetzung der Albuminate herabzumindern und dadurch die Ausnutzung des Nahrungseiweisses f\u00fcr den K\u00f6rper zu steigern, so l\u00e4sst sich von vornherein mit Sicherheit annehmen, dass auch f\u00fcr die Milchabsonderung unter Umst\u00e4nden Hinzuf\u00fcgung von Fett zur Nahrung von Vortheil sein wird, sofern dadurch ein gr\u00f6sserer Tlieil des Nahrungs-eiweiss f\u00fcr den Aufbau der Dr\u00fcsenzellen und dadurch mittelbar f\u00fcr die Fettbildung in der Dr\u00fcse disponibel wird. Das Fett wird also unter Umst\u00e4nden, d. h. bei einer gewissen Mischung der Nahrung, wie f\u00fcr die Ern\u00e4hrung des K\u00f6rpers im Allgemeinen, so auch f\u00fcr die der Milchdr\u00fcse und dadurch f\u00fcr die Milchbereitung selbst von Wichtigkeit werden k\u00f6nnen, namentlich dann, wenn die Albuminate der Nahrung f\u00fcr sich zur Erhaltung des Eiweissbestandes am K\u00f6rper und des Eiweissbed\u00fcrfnisses der Milchdr\u00fcse nicht ausreichen.\nUeber diese allgemeine Bedeutung des Fettes als Nahrungsmittel hinausgehend, l\u00e4sst sich aber die weitere Frage aufwerfen ob Zusatz von Fett zu einer an sich ausreichenden Nahrung die Fettabsonderung in der Milch durch directen Uebergang in dieselbe zu steigern verm\u00f6ge.\nAusgedehnte Beobachtungen von K\u00fchn scheinen diese Frage zu verneinen. Bei K\u00fchen wurde zu ihrem Normalfutter in einer Reihe von Versuchen ein Beifutter aus Malzkeimen, in einer andern Reihe von Versuchen ein Beifutter aus Palmkernmehl gegeben, beide Beifutter von ungef\u00e4hr gleichem Albuminatgehalt, letzteres aber von\n1 SsrBBOTiN, Arch. f. pathol. Anat. XXXVI. S. 569. 1S66. 1 C. Voit, Ztschr. f. Biologie. Y. S. 139. 1S66.","page":402},{"file":"p0403.txt","language":"de","ocr_de":"Einfluss des Nahrungsfettes.\n403\nerheblich h\u00f6herem Fettgehalt. Die durchschnittlich in der t\u00e4glichen Milch ausgeschiednen Fettmengen stiegen in beiden F\u00e4llen, aber bei dem fettreichen Palmkernfutter nicht mehr, als bei dem fett\u00e4rmeren Malzkeimfutter, so dass offenbar die Steigerung nur auf die Mehrzufuhr von Albuminaten zu beziehen war1.\nNur in scheinbarem Widerspruche mit diesen Resultaten stehen Ergebnisse von Weiske2 an Ziegen, in denen allerdings bei fettreicher Nahrung der Procentgehalt der Milch an Fett stieg, aber die absoluten t\u00e4glichen Mengen merklich sanken, weil die t\u00e4glichen Milch quanta heruntergingen, \u2014 \u00e4hnlich wie es in Ssubbotin\u2019s Versuchen an Hunden der Fall war. Man darf also wohl annehmen, dass die t\u00e4glich in der Milch ausgeschiednen Fettmengen in hohem Grade unabh\u00e4ngig von der Menge des Nahrungsfettes sind und dass die letztere erst dann von Wichtigkeit wird, wenn die \u00fcbrigen Nah-rungsbestandtheile ohne den Fettzusatz f\u00fcr die Erhaltung eines kr\u00e4ftigen Ern\u00e4hrungszustandes im Allgemeinen ungen\u00fcgend werden.\nIn der lehrreichen Versuchsreihe von Weiske an einer Ziege wurden folgende Ziffern f\u00fcr die procentischen und absoluten Fettmengen gewonnen:\nT\u00e4gliches Futter\tMilch- menge\tFett \u00b0/o\tT\u00e4gliche Fettmenge der Milch\n1500 Kartoffeln + 375 Strohh\u00e4cksel\t739,0\t2,7\t19,96\nDasselbe -f- 250 Fleischmehl .\t.\t. Statt des Fleischmehls 250 Kleie T\t1054\t3,14\t33,21\n125 Oel\t\t\t5,09\t29,74\nStatt des Oels 85 Stearin .... i\t506,2\t4,40\t22,3\nF\u00fcr die Theorie der Milchabsonderung ergiebt sich aus jenen Erfahrungen der schon durch anderweitige, oben besprochene Beobachtungen unterst\u00fctzte Schluss, dass ein unmittelbarer Uebergang von Nahrungsfett in das Secret nur unter besondern Umst\u00e4nden und sicher nur innerhalb enger Grenzen stattfindet.\nII. Einfluss der Entleerung der Milchdr\u00fcse auf die Zusammensetzung des Secretes.\nIn einer mir nicht zug\u00e4nglichen Arbeit von Parmentier und Deyeux3 findet sich zuerst die seitdem allseitig best\u00e4tigte Angabe, dass die Zusammensetzung der Milch w\u00e4hrend der Entleerung der\n1\tG. K\u00fchn, Journ. f. Landwirthschaft. 1ST6. S. 381\u20143S9.\n2\tWeiske. Ebenda. 1878. S. 447.\n3\tParmentier & Deyeux. Trait\u00e9 sur le lait.\n26*","page":403},{"file":"p0404.txt","language":"de","ocr_de":"404 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. T. Absehn. Milchabsonderung.\nDr\u00fcse sich \u00e4ndert: der Wassergehalt sinkt, der Gehalt an festen Bestandtheilen steigt.\nSo fand J. Reiset1 den Procentgehalt der menschlichen Milch an festen Bestandtheilen in einer Reihe von Untersuchungen\nYor\tnach\ndem Anlegen des Kindes\t\n10,5S %. 12,78% 13,46 %\t12,93 \u00b0o 15,52 0 o 14,57 \u00b0/0\nBei dem Wachsen des Gehaltes ist ganz vorzugsweise das Fett interessirt, in minderem Grade (nach einigen Angaben sogar gar nicht) das Casein.\nPeligot1 2 liess die Milch einer Eselin in drei Portionen auffangen und erhielt bei der Analyse die folgenden Ziffern\n\tI. Portion\tII. Portion\tIII. Portion\nButter\t\t0,96\t1,02\t1,52\nMilchzucker .\t.\t.\t6,50\t6,48\t6,50\nCasein\t\t1,76\t1,95\t2,95\nFeste Theile .\t.\t.\t9,22\t10,45\t10.94\nWasser\t\t90,78\t89,55\tS9.66\nW\u00e4hrend hier der Fett- und Caseingehalt gleichzeitig in die H\u00f6he geht, findet in andern Untersuchungen vorzugsweise Steigerung des Fettgehaltes statt.3\nEs ist vielfach versucht worden, diese Erscheinung rein mechanisch zu erkl\u00e4ren: die Fettk\u00fcgelchen der in der Dr\u00fcse stagnirenden Milch stiegen in den Hohlr\u00e4umen derselben in \u00e4hnlicher Weise aufw\u00e4rts, wie bei der Aufrahmung in der entleerten Milch, so dass die fett\u00e4rmsten Portionen zuerst, die fettreichsten zuletzt entleert w\u00fcrden. Allein diese Deutung trifft sicherlich nicht das Richtige, schon deshalb nicht, weil sie f\u00fcr die menschliche Milch der ann\u00e4hernd horizontalen Lagerung der Brustdr\u00fcse wegen unm\u00f6glich wird. Es ist schon oben darauf hingewiesen worden, dass bei dem Melken nicht blos die bereits fertige Milch entleert, sondern w\u00e4hrend des Melkens neues Secret gebildet wird, wobei neuer Zerfall von Dr\u00fcsenzellen und neue Ueberf\u00fchrung fester Bestandteile in das Secret stattfindet. Die ersten Portionen enthalten vorzugsweise die bereits fertige Milch, den letzten Portionen'wird frisch gebildete Milch zugemischt. Man\n1\tJ. Reiset. Annales de chimie et de physique. III. s\u00e9rie. XXY. 1849.\n2\tPeligot, Annales de chimie et de physique. LXII. p. 432. 1836.\n3\tYgl. J. K\u00f6nig, Die Nahrungsmittel. II. S. 210. Berlin 1860.","page":404},{"file":"p0405.txt","language":"de","ocr_de":"Einriii ss der Entleerung der Milchdr\u00fcse.\n405\nmuss sich den zeitlichen Verlauf des Absonderungsvorganges so vorstellen, dass in der Melkpause, in welcher nach Ausweis der mikroskopischen Untersuchung die Dr\u00fcsenzellen wachsen, verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig wenig feste Bestandtheile neben verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig vielem Wasser abgesondert werden, w\u00e4hrend im Ablaufe des Melkens ebenfalls nach Ausweis der mikroskopischen Untersuchung beschleunigter Zerfall der Milchzellen und damit beschleunigte Absonderung der festen Bestandtheile neben allm\u00e4hlich versiegendem Wasserstrome stattfindet. Mit dieser Auffassung stimmt es \u00fcberein, dass nach Reiset der Unterschied der Anfangs- und Endmilch um so erheblicher ausf\u00e4llt, je l\u00e4nger die Pause zwischen je zwei Abmelkungen ist, denn um so gr\u00f6ssere Ausbildung werden die Milchzellen erreichen.\nReiset fand die Procentgehalte bei seiner Kuh No. I in folgender Weise abh\u00e4ngig von den Melkpausen:\nZeit seit dem\tProcentgehalt\t\nletzten Melken\tder Anfangs-\tder Endmilch\n12h\t9,33 12,80\t16,04\n6\"\t\t16,06\n2h 30'\t12,84\t13,08\nEs entspricht ferner der obigen Darstellung, welche annimmt, dass in den Melkpausen relativ mehr Wasser abgesondert wird, die von Peligot festgestellte Thatsache, dass die Gesammtmilch um so wasserreicher wird, je l\u00e4ngere Zeit seit dem letzten Melken verflossen ist. W\u00fcrden in den Pausen Wasser und feste Bestandtheile in fortdauernd gleichem Verh\u00e4ltnisse abgesondert, so m\u00fcsste ja die Zusammensetzung der Milch von der L\u00e4nge der Pausen unabh\u00e4ngig sein.\nIn Peligots Beobachtungen enthielt die Eselsmilch\nMelkpause\t1 V\u20182 St.\t6 St.\t24 St.\nButter\t\t1.55\t1,40\t1,23\nZucker\t\t6.65\t6,40\t6,33\nCasein\t\t3,46\t1,55\t1,01\nWasser\t\t88,34\t90,63\t91.44\nIII. Einfluss der Lactationsd\u00e0uer.\nAbgesehen von den schnellen Ver\u00e4nderungen, welche das Secret der Milchdr\u00fcsen in den ersten Tagen nach der Geburt erf\u00e4hrt, stellt sich im Laufe der Lactation eine allm\u00e4hliche Zunahme des Albuminatgehaltes bei gleichzeitiger Abnahme des Fett- und Zuckergehaltes heraus. Es l\u00e4sst sich erwarten, dass eine \u00fcber die Lactationszeit sich erstreckende systematische Untersuchung der Milchdr\u00fcsen entsprechende Aenderungen ihrer","page":405},{"file":"p0406.txt","language":"de","ocr_de":"406\nHeidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. Anhang.\nZellen, d. h. geringgradigere Verfettung, nachweisen w\u00fcrde. Derartige Be-obachtungsreihen bleiben zuk\u00fcnftiger Forschung anheimgestellt. \u2014 Die durch Analyse festgestellten Einwirkungen des Alters, der Tageszeit, der Menstruation u. s. f. lassen sich f\u00fcr die Theorie der Absonderung bis jetzt noch nicht verwerthen.\nANHANG.\nPie Absonderung des Hauttalges.\nDie Absonderung des Hauttalges hat zwar an sieh kein tiefer gehendes physiologisches Interesse, verdient aber doch eine gewisse Ber\u00fccksichtigung, weil dieselbe oft als ein Analogon der Milchabsonderung betrachtet und zur Erl\u00e4uterung der bei der letzteren stattlindenden physiologischen Processe herangezogen worden ist.\nDie bekanntlich meistentheils in Gemeinschaft mit den Haaren, an einzelnen Hautstellen aber auch selbstst\u00e4ndig vorkommenden Talgdr\u00fcsen stellen bimf\u00f6rmige, einfache oder mehrfach getheilte S\u00e4ckchen dar. Diese besitzen eine bindegewebige Wandung, auf deren Innenfl\u00e4che einige Autoren eine besondre Tunica propria aufgefunden, w\u00e4hrend andre dieselbe vermisst haben.\nFig. 88. Drei Durchschnitte durch verschiedene Gegenden einer MEiBOM\u2019schen Dr\u00fcse. (Vgl. den Text.)\nW\u00e4hrend K\u00f6lliker1 eine T. propria bestreitet, beschreibt Biesiadecki2 dieselbe als anscheinend glashelle, mit Kernen versehene Membran, welche nach Behandlung mit Argentum nitricum Zellengruppen erkennen lasse, \u2014 \u00e4hnliche W. Krause3, w\u00e4hrend Toldt4 die Haut vollkommen structurlos sah.\nDas Innere des S\u00e4ckchens ist mit Zellen nach Art eines geschichteten Epithels erf\u00fcllt, welche nur ein kleines, nach dem Dr\u00fcsengange sich erweiterndes Lumen frei lassen. Ein Einblick\nin ihre Structur ist nur an entfetteten Pr\u00e4paraten (Alkohol, Terpentin\u00f6l, Canadabalsam) m\u00f6glich. Fig. S8 giebt drei Durchschnitte durch ver-\n1\tK\u00f6lliker, Microscop. Anat. II. (1) S. 186. Leipzig 1850 ; Gewebelehre. 5. Aufl. S. 179. Leipzig 1867.\n2\tBiesiadecki, Strieker\u2019s Gewebelehre. S. 596. Leipzig 1871.\n3\tW. Krause, Allgemeine und microscopische Anatomie. S. 112. Hannover 1870.\n4\tToldt, Gewebelehre. S. 531. Stuttgart 1877.","page":406},{"file":"p0407.txt","language":"de","ocr_de":"Die Absonderung des Ilauttalges.\n407\nscliiedne Gegenden der S\u00e4ckchen der MEiBOM\u2019schen Dr\u00fcsen, welche Nichts als Aggregate von Talgdr\u00fcsen sind, die in einen gemeinschaftlichen Gang m\u00fcnden. Der Schnitt a geht durch den breitesten tiefsten Tlieil des S\u00e4ckchens; er zeigt polygonale Zellen mit runden Kernen und feink\u00f6rnigem, in Carmin f\u00e4rbbarem Protoplasma. Der durch einen h\u00f6heren Tlieil des S\u00e4ckchens gelegte Schnitt b zeigt nur an der Peripherie den fr\u00fcheren \u00e4hnliche Zellen; in der Mitte sind sie in Folge der Umsetzung der Albuminate in Fett durchsichtiger geworden. Gleichzeitig sind die Kerne geschrumpft. Der durch den Ausgang gelegte Schnitt c zeigt in der Mitte das aus zerfallenen Zellen bestehende Secret, an der Peripherie die in den Ausf\u00fchrungsgang eingest\u00fclpte Epidermis.\nVon einer eigentlichen Absonderung ist also in diesen Dr\u00fcsen nicht die Rede: Wucherung des Epithels und fortschreitende Verfettung der Zellen ist das Wesentliche des Vorganges.\nAehnlich verh\u00e4lt sich nach Robbt Kossmann1 2 die B\u00fcrzeldr\u00fcse der V\u00f6gel. Sie setzt sich aus in eine gemeinschaftliche H\u00f6hle m\u00fcndenden Schl\u00e4uchen zusammen, innerhalb deren ebenfalls durch Zellwucherung und Verfettung das Secret entsteht. Wenn Kossmann einen Einfluss des Nervensystems auf die Absonderung beobachtet haben will (er sah bei Reizung der Dr\u00fcsennerven das Secret aus-fliessen), so handelt es sich dabei wohl nur um ein Auspressen durch die in der Dr\u00fcsenh\u00fclle gelegnen glatten Muskeln.\nAnders dagegen und \u00e4hnlicher den bei der Milchbildung statt-flndenden Vorg\u00e4ngen geschieht die Bildung des Secretes in der Ha\u00fc-DEidschen Dr\u00fcse.1 Nach den interessanten Untersuchungen von Wendt bildet sich hier das fettige Absonderungsproduct durch Ausstossung der innerhalb hoher cylindrischer Zellen entstehenden Fetttr\u00f6pfchen, w\u00e4hrend die Zelle selbst, d. h. ihr Protoplasma und Kern, in der Regel erhalten bleibt und nur bei st\u00fcrmischer Secretion zu Grunde geht.\n1\tHobby Kossmann, Ztschr. f. wissensch. Zool. XXL S. 56S. 593. 1871.\n2\tE. Wendt. Die Harder'scIic Dr\u00fcse. Strassburg 1S77.","page":407},{"file":"p0408.txt","language":"de","ocr_de":"Schlussbemerkungen.\nDie in den vorstehenden Bl\u00e4ttern enthaltene Darstellung der Absonderungsvorg\u00e4nge kann bei dem Leser nur den Eindruck einer ausserordentlichen L\u00fcckenhaftigkeit unsrer erst in den Anf\u00e4ngen befindlichen Kenntnisse hinterlassen. Der Nutzen eines zusammenfassenden R\u00fcckblickes auf ein Gebiet, auf welchem noch nirgends ein fertiger Bau steht, sondern \u00fcberall nur Bausteine herumliegen, muss deshalb fraglich erscheinen. Wenn ich mich dennoch zu einem solchen entschliesse, so wird er sehr kurz ausfallen, nicht von dem Gedanken eines theoretischen Versuches, sondern nur von der Absicht dictirt, Winke und Gesichtspuncte f\u00fcr die fernere Forschung zusammen zu stellen, welche die Fr\u00fcchte auch der bisherigen Bestrebungen zu ernten haben wird.\nIn den Dr\u00fcsen laufen behufs Herstellung ihrer Absonderungs-producte zwei Reihen von Vorg\u00e4ngen ab, die nicht in noth wendigem Zusammenh\u00e4nge mit einander stehen: 1. die Bildung resp. Absonderung der specifischen Secretbestandtheile einerseits, 2. die Absonderung des Wassers andrerseits.\nI. F\u00fcr diejenigen Dr\u00fcsen, innerhalb deren die specifischen Secretbestandtheile entstehen, \u2014 und das sind ja die meisten \u2014, l\u00e4sst sich der zeitliche und \u00f6rtliche Verlauf dieses Processes zum Theil mikroskopisch verfolgen, in solchen F\u00e4llen n\u00e4mlich, wo die Absonderung nicht continuirlich, sondern nur zu bestimmten Zeiten stattfindet. Aus dem Protoplasma bilden sich w\u00e4hrend des Ruhezustandes der Dr\u00fcsen Substanzen, welche sich in den Zellen an bestimmten Stellen ansammeln, um bei Eintritt der Absonderung f\u00fcr die Bildung des Secretes verwerthet zu werden. Diese Substanzen sind nicht immer bereits fertige specifische Secretbestandtheile, sondern h\u00e4ufig Vorstufen derselben: so das Mucigen der Schleimzellen, die helle, nicht f\u00e4rbbare Substanz in den Zellen der Eiweissdr\u00fcsen, das Pro-","page":408},{"file":"p0409.txt","language":"de","ocr_de":"Bildung der specifischen Secretbestandtheile.\n409\npepsin (pepsinogene Substanz) in den Zellen der Pylorus- und den Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen, das Zymogen in den Zellen des Pankreas. Bei dem Eintritt der Absonderung setzen sich jene Secretions-materialien in die specifischen Secretbestandtheile um und gehen als solche in das Secret \u00fcber. Diese Umwandlung und Ueberf\u00fchrung steht nachweislich in den Schleimdr\u00fcsen und Eiweissdr\u00fcsen, wie in dem Pankreas, wahrscheinlich auch noch in andern Dr\u00fcsen, unter dem Einfl\u00fcsse specifischer Nerven. In andern F\u00e4llen scheinen in der ruhenden Dr\u00fcse bereits die specifischen Absonderungsproducte selbst bereitet zu werden und sich anzusammeln: so das Fett in den Zellen der Milchdr\u00fcsen, das diastatische Ferment in gewissen Speicheldr\u00fcsen u. s. f.\nWenn unter dein Einfl\u00fcsse bestimmter Bedingungen die Absonderung beginnt und die Dr\u00fcsenzellen allm\u00e4hlich ihren Vorrath an Absonderungsmaterialien hergeben, gestaltet sich gleichzeitig ein andrer Vorgang: die Masse des Protoplasmas w\u00e4chst, Dank der Zufuhr von Albuminaten von aussen, w\u00e4hrend der Zellkern eine \u00fcberall wiederkehrende Umgestaltung erkennen l\u00e4sst. Die Bildung neuer Secretionsmaterialien aus dem gewucherten Protoplasma h\u00e4lt mit dem Verbrauche derselben f\u00fcr das Secret, so lange die Absonderung lebhaft andauert, nicht gleichen Schritt, deshalb verarmt die Dr\u00fcse allm\u00e4hlich an ihrem Vorrathe von Absonderungsstoffen, w\u00e4hrend ihre Zellen sich durch Protoplasmaregeneration auf Ersatz des Verlustes vorbereiten; der Ersatz tritt ein, sobald die Absonderung erlahmt oder erlischt. Wo die Regeneration des Protoplasmas bei anhaltender und lebhafter Absonderung nicht schnell genug erfolgt, um den durch die Th\u00e4tigkeit herbeigef\u00fchrten Verlust ausreichend zu decken, gehen die Zellen zu Grunde (Schleimdr\u00fcsen).\nDie Grundz\u00fcge dieses Geschehens sind mit H\u00fclfe des Mikro-skopes f\u00fcr eine grosse Zahl von Dr\u00fcsen in den voraufgehenden Schilderungen verfolgt worden. F\u00fcr die Leber liegen bisher nur Andeutungen \u00e4hnlicher Verh\u00e4ltnisse vor; in der Niere aber sind entsprechende morphologische Vorg\u00e4nge kaum zu erwarten, weil die specifischen Bestandtheile des Harnes nicht aus dem Protoplasma der Zellen entstehen, sondern nur vermittelst einer eigenth\u00fcmlichen Th\u00e4tigkeit aus der Lymphe in das Secret \u00fcbergef\u00fchrt werden.\nEin geistreicher englischer Forscher, Lionel Beale, sprach vor fast zwei Jahrzehnten die Ansicht aus, dass in jeder lebenden Zelle zweierlei Substanzen zu unterscheiden seien: die Keimsubstanz (germinal matter), \u2014 der Theil, welchen wir heute als Protoplasma bezeichnen \u2014, begabt mit unbegrenzter Wachsthumsf\u00e4higkeit, und","page":409},{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"410 Heidenhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. Schlussbemerkungen.\ndie geformte Substanz (formed matter), welche, durch chemische Umwandlung jener ersteren gebildet, in versckiednen Zellen ein verschiednes Schicksal habe. In den Dr\u00fcsenzellen werde dieselbe schliesslich zu Bestandtheilen des Secretes, in den Geweben zu dauernden Elementartheilen des letzteren. Secretion weicht daher von der Bildung der Gewebe nur darin ab, dass, w\u00e4hrend das Lebensende eines Keimsubstanzpartikels eines secernirenden Elementartheiles die Erzeugung von geformter Substanz ist, welche bald in die Bestandteile des Secretes aufgel\u00f6st wird, das Ende des gewebebildenden Theilchens die Erzeugung von geformter Substanz ist, welche viel l\u00e4ngere Zeit bestehen bleibt1.\nUm diese Anschauung f\u00fcr die Absonderungsprocesse durchzuf\u00fchren. fehlte es dem gedankenreichen Gelehrten noch an Erfahrungsmaterial. Heute liegt dasselbe reichlich vor. In der grossen Mehrzahl der Absonderungszellen ist ein nie fehlender, periodisch wachsender und periodisch wieder schwindender Bestandteil nachgewiesen, aus dem sich die Absonderungsmaterialien erzeugen. Er tritt meist unter der Gestalt netzf\u00f6rmig angeordneten feink\u00f6rnigen Protoplasmas auf; in der Pankreaszelle abweichend als helle Aussenzone ihres Leibes. Wie von ihm die Bildung der Absonderungsproducte ausgeht, ist weitl\u00e4ufig er\u00f6rtert worden.\nII. Aber freilich ist damit der Vorgang der Absonderung nicht ersch\u00f6pft. Ein zweites Glied desselben besteht in der Secretion des L\u00f6sungswassers f\u00fcr die Secretbestandtheile, welche unabh\u00e4ngig von der Bildung und Absonderung der letzteren vor sich geht.\nSo weit bis jetzt zu \u00fcbersehen, beruht die Wasserabsonderung nirgends auf einfacher mechanischer Filtration durch den Druck des Blutes oder der Lymphe, oder auf einer ihren Bedingungen nach physikalisch definirbaren einfachen Diffusion, sondern \u00fcberall auf der activen Th\u00e4tigkeit lebender Zellen, betreffs welcher andere als rein\nhypothetische Vorstellungen (vgl. Absclin. I) noch nicht m\u00f6glich sind. F\u00fcr die meisten Dr\u00fcsen ist diese Auffassung allgemein unbestritten ; f\u00fcr die Nieren habe ich sie durch eine Reihe von Gr\u00fcnden zu unterst\u00fctzen versucht.\nSelbstverst\u00e4ndlich sind die Mittel, welche in den Dr\u00fcsen zur Herstellung des Wasserstromes aufgeboten werden, nicht andrer als chemischer und physikalischer Natur. Aber wir sind bis jetzt ausser Stande, die chemischen und physikalischen H\u00fclfsmittel zu bezeichnen, welche in der absondernden Dr\u00fcse in Wirksamkeit treten. Wie wir\n1 L. Beale, Die Structur clcr einfachen Gewebe des menschlichen K\u00f6rpers. Deutsch von J. Victor Carus. S. 93. Leipzig 1S62.","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"Wasserabsonderung.\n411\ndem Muskel vorl\u00e4ufig Contractilit\u00e4t oder contractile Kr\u00e4fte zuschreiben, um damit auszudr\u00fccken, dass es eine im Einzelnen noch nicht genau gekannte Summe physikalischer und chemischer Vorg\u00e4nge ist, welche sich in seinem Innern behufs seiner Verk\u00fcrzung und der damit einhergehenden Entwicklung lebendiger Kr\u00e4fte vollziehen, so kann man der Dr\u00fcse vorl\u00e4ufig secretorische Kr\u00e4fte beilegen, deren Wesen die Zukunft genauer zu ergr\u00fcnden und zu bezeichnen haben wird. Freilich steht eine Theorie der Secretionskraft noch in viel weiterer Ferne, als eine Theorie der contraetilen Kraft, f\u00fcr welche so umfangreiche Vorarbeiten in der Erforschung der chemischen und physikalischen Eigenschaften des ruhenden und des th\u00e4tigen Muskeln vorliegen, dass der Versuch einer solchen schon nicht mehr aussichtslos erscheint.\nBei dem Mangel eingehender Kenntnisse ist die Bezeichnung der Punkte, auf welche die Zukunft ihr Augenmerk zu richten haben wird, ein kaum dankbares Unternehmen.\n1.\tDer Sitz der Secretionskraft ist in den Dr\u00fcsenzellen gegeben. Wenn fr\u00fcherhin hier und da der Gedanke ausgesprochen worden ist, die Membranae propriae m\u00f6chten die Fl\u00fcssigkeitsabsonderung hersteilen, so scheint zwar die constante Anwesenheit dieser Dr\u00fcsenh\u00fcllen bei den h\u00f6heren Thieren denselben eine functioneile Bedeutung beizumessen; allein zahlreiche Beispiele secretorischer Apparate bei niederen Thieren beweisen, dass Absonderung auch ohne Tunicae propriae zu Stande kommt.\nDa die Dr\u00fcsenzellen sich aus morphologischen Bestandtheilen verschiedner Art zusammensetzen, von denen [die einen best\u00e4ndig vorhanden sind, die andren zeitweise fehlen k\u00f6nnen, wird die Secretionskraft nur den constanten Theilen der Zellen zugeschrieben werden d\u00fcrfen.\nIn der That, die El\u00fcssigkeitsabsonderung im Pankreas kann lebhaft stattfinden, w\u00e4hrend die k\u00f6rnigen Innenzonen seiner Zellen geschwunden sind, der Wasserstrom der Submaxillaris unvermindert fortdauern, wenn ihr Mucigen bis auf ein Minimum verbraucht ist. Dort wird also die helle Aussenzone, hier das netzartig angeordnete Protoplasma f\u00fcr die Wasserabsonderung verantwortlich gemacht werden m\u00fcssen. Von den Magendr\u00fcsen sondern nur die des Fundus gr\u00f6ssere Mengen d\u00fcnner Fl\u00fcssigkeit ab; die Ursache wird in den Belegzellen zu suchen sein, deren die ein z\u00e4hes Secret bildenden Fundusdr\u00fcsen entbehren.\n2.\tIn gewissen Dr\u00fcsen beth\u00e4tigt sich die Secretionskraft nur unter dem Einfl\u00fcsse von Nerven, die von Aussen her an die Organe herantreten (Speichel-, Schleim-, Thr\u00e4nen-, Schweissdriisen u. s. f.), in","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"412 Heidexhain, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. Schlussbemerkungen.\nandern wirkt der secretoriscke Apparat automatisch (Leber, Niere), wobei freilich dahin gestellt bleiben muss, ob die Automatic auf intraglandul\u00e4re nerv\u00f6se Vorrichtungen oder auf die Secretionszellen selbst zu beziehen sei. Wahrscheinlich ist die erstere Annahme nicht, am allerwenigsten nothwendig, wie die seit Darwin genauer studirten pflanzlichen Absonderungsvorg\u00e4nge lehren.\n3.\tInnerhalb gewisser, f\u00fcr verschiedne Dr\u00fcsen verschieden weit gesteckter, Grenzen steigt und sinkt die Leistung der Secretionskraft mit der Blutmenge, welche in der Zeiteinheit an den Dr\u00fcsenzellen\nvor\u00fcberstr\u00f6mt.\nIn ausgepr\u00e4gtester Weise tritt diese Abh\u00e4ngigkeit bei der Niere hervor, bei welcher jede Beschleunigung oder Verlangsamung des Blutstromes entsprechende Aenderungen der Wasserabsonderung herbeif\u00fchrt. Auffallend genug macht sich dasselbe Verh\u00e4ltniss auch noch bei der Leber geltend, am wenigsten auffallend bei den Speicheldr\u00fcsen. Doch ist auch hier baldige Erlahmung der Th\u00e4tigkeit unverkennbar, wenn die Blutdurchfuhr unter eine gewisse Grenze sinkt.\nIn diesem Verh\u00e4ltnisse liegt der teleologische Sinn der Einrichtung, dass \u00fcberall w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit der Dr\u00fcsen ihre Gef\u00e4sse \u2014 unter der Einwirkung vasodilatatoriscker Nerven \u2014 sich hocli-o\u2019radie; erweitern. Es sollen die Zellen w\u00e4hrend der Absonderung\no\to\nunter m\u00f6glichst g\u00fcnstige Bedingungen ihrer Function gesetzt werden, durch m\u00f6glichst reichliche Versorgung mit Absonderungs- und Ern\u00e4hrungsmaterial, wie mit dem unentbehrlichen Sauerstoff.\nVor\u00fcbergehende Unterbrechung des Blutstromes hat f\u00fcr alle Dr\u00fcsen vor\u00fcbergehende St\u00f6rung der Absonderungsf\u00e4higkeit ihrer Zellen zur Folge, welche bei Wiederherstellung des Kreislaufes sich erst allm\u00e4hlich wieder ausgleicht.\n4.\tIn der Kegel ist mit der Dr\u00fcsenth\u00e4tigkeit lebhafte Bildung von Kohlens\u00e4ure verbunden, wie der reiche Kohlens\u00e4uregehalt der Secrete (Speichel, Galle, Pankreassaft u. s. f.) lehrt, welcher weit \u00fcber den des Blutes hinausgeht. Fraglich muss es freilich bleiben, ob die Kohlens\u00e4urebildung durch diejenigen Vorg\u00e4nge bedingt ist, welche die Wasserabsonderung einleiten, oder durch die chemischen Processe innerhalb der Dr\u00fcsenzellen, welche die Bildung der Ab-sonderungsproducte und das Wachsthum des Protoplasma\u2019s begleiten.\n5.\tDer gleiche Zweifel gilt in Bezug auf die w\u00e4hrend der Absonderung eintretende W\u00e4rmebildung, welche durch den Vergleich der Temperatur des zufliessenden Blutes und der dem Organ entstr\u00f6menden Fl\u00fcssigkeiten (Venenblut, Secret) nach gewiesen wird.\n(vgl. Abschnitt VIII) sind Erfah-\n6. Bez\u00fcglich gewisser Dr\u00fcsen","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"Die Wasserabsonderung.\n413\nrungen \u00fcber ihr elektrisches Verhalten w\u00e4hrend der Ruhe und der Th\u00e4tigkeit gemacht worden, welche Aenderungen desselben bei Eintritt der Absonderung nackwei\u00dfen.\n7. Endlich sind in ganz vereinzelten F\u00e4llen an den Dr\u00fcsenzellen w\u00e4hrend ihrer Th\u00e4tigkeit Formver\u00e4nderungen wahrgenommen worden. So, wie oben berichtet, durch K\u00fchne und Lea an dem Pankreas, so xranz neuerdings durch Stricker an den Dr\u00fcsen der Haut und Eickhaut des Frosches1. Hier ist schon an den ruhenden Zellen ein langsames Wogen im Innern wahrzunehmen. Bei der Reizung verst\u00e4rkt sich dasselbe, gleichzeitig vergr\u00f6ssern sich die Zellen so sehr, dass die in dem Lumen der Dr\u00fcsen vorhandene Fl\u00fcssigkeit nach Aussen gedr\u00e4ngt wird. Stricker bezeichnet auf Grund dieser Beobachtung die secretorischen Dr\u00fcsennerven als motorische. Nach Schluss der Reizung kehren die Zellen zu ihrer urspr\u00fcnglichen Gestalt zur\u00fcck. So interessant seine Beobachtung, so scheint mir die Deutung derselben doch zweifelhaft, wenn anders ich dieselbe im Sinne jenes Forschers auf Grund seiner sehr kurzen vorl\u00e4ufigen Mittheilung richtig dahin auffasse, dass er in einem durch die Nervenreizung angeregten activen Vergr\u00f6sserungsbestreben des Zellenleibes das Wesentliche des Absonderungsvorganges sieht. Es w\u00e4re ja doch ebenso gut denkbar, dass durch irgend welche unbekannte Kraft Fl\u00fcssigkeit in die Zelle \u00fcbergef\u00fchrt w\u00fcrde und die Vergr\u00f6sserung die Folge der hierdurch nothwendig bedingten Volumszunahme darstellte.\nMit den aufgez\u00e4hlten Punkten, deren Begr\u00fcndung die vorausgehende Darstellung enth\u00e4lt, ist Alles erw\u00e4hnt, was bisher die Forschung bez\u00fcglich der allgemeine n Bedingungen der Wasserabsonderung in den Dr\u00fcsen zu ermitteln im Stande gewesen ist. Der positive Gewinn ist bisher gering genug. Die k\u00fcnftige Untersuchung wird, wenn ich mich nicht t\u00e4usche, zun\u00e4chst sich einerseits nach dem Vorg\u00e4nge von K\u00fchne und Stricker der directen Beobachtung lebender Dr\u00fcsen zuzuwenden, andrerseits die bisher fast ganz vernachl\u00e4ssigte Chemie der Dr\u00fcsen im ruhenden und im th\u00e4tigen Zustande ins Auge zu fassen haben, falls eine genauere Bestimmung der secretorischen Kr\u00e4fte erm\u00f6glicht werden soll.\n1 S. Stricker in einem Separatabzuge einer vorliegenden Mittheilung, deren Ort nicht angegeben ist: sp\u00e4ter in den W iener medic. Bl\u00e4ttern. 1879. No. 43. S. 1039.","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"414 Heidexhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. Nachtr\u00e4ge.\nNACHTR\u00c4GE.\nW\u00e4hrend des Druckes der vorstehenden Arbeit sind einige neue, die Absonderungsvorg\u00e4nge betreffende Untersuchungen erschienen, welche nachtr\u00e4gliche Ber\u00fccksichtigung verdienen.\n1. Zur Theorie der Speichelabsonderung.\nStricker und Spina1 haben auf Grund interessanter Beobachtungen an den Dr\u00fcsen der Froschhaut eine allgemeine Theorie der Absonderungsvorg\u00e4nge in den acin\u00f6sen Dr\u00fcsen entwickelt, welche einige Bemerkungen nothwendig macht.\nDie Dr\u00fcsen der Nickhaut und Schwimmhaut haben im Ruhezust\u00e4nde eine Auskleidung von sehr flachen und niedrigen Zellen. Bei directer oder indirecter (vom Nerven aus) electrischer Reizung tritt einerseits eine Verkleinerung der Dr\u00fcsen durch Einschn\u00fcrungen an ihrem Umfange, andrerseits eine so erhebliche Vergr\u00f6sserung der Zellen ein, dass im g\u00fcnstigen Falle das urspr\u00fcnglich sehr weite Lumen ganz verschwindet. Dadurch wird das in dem Lumen der Dr\u00fcse vorhandene Secret nach aussen getrieben. Nach Unterbrechung des Reizes kehren die Zellen allm\u00e4hlich zu ihrer urspr\u00fcnglich flachen und niedrigen Gestalt mehr oder minder vollst\u00e4ndig zur\u00fcck und geben dabei die w\u00e4hrend der Reizung von aussen her aufgenommene Fl\u00fcssigkeit an das Lumen ab. \u2014 Die Vergr\u00f6sserung der Zellen bei der Reizung, welche bereits Engelmann2 beschrieben, halten Stricker und Spina f\u00fcr eine active Expansion, in Folge deren Fl\u00fcssigkeit durch die Dr\u00fcsenwand angesogen wird; doch geben sie die M\u00f6glichkeit zu, dass die Vergr\u00f6sserung auch Folge einer auf irgend eine andre Weise herbeigef\u00fchrte Ueberf\u00fchrung von Fl\u00fcssigkeit in die Zelle sein k\u00f6nne.\nGewiss werden die Untersuchungen f\u00fcr die Weiterentwicklung der Secretionslehre von Bedeutung werden. Vorl\u00e4ufig indess scheinen mir die Verfasser mit ihren Schl\u00fcssen weiter zu gehen, als die Beobachtungen es rechtfertigen.\nSelbst wenn man mit Stricker und Spina die Vergr\u00f6sserung der Zellen bei der Reizung als prim\u00e4ren activen Vorgang und das Eindringen von Fl\u00fcssigkeit in dieselben als Folge eines in ihrem Innern durch die active Vergr\u00f6sserung erzeugten negativen Druckes ansehen will, erkl\u00e4rt diese Auffassung f\u00fcr sich, soweit ich sehe, keineswegs die Fl\u00fcssigkeitsbewegung bei der Absonderung, welche ja aus der Umgebung der Dr\u00fcse nach ihrem Lumen gerichtet ist. Denn es ist nicht abzusehen, weshalb die activ sich vergr\u00f6ssernden Zellen nicht die in dem Lumen der Dr\u00fcse bereits vorhandene Fl\u00fcssigkeit aufsaugen, mit welcher sie ja in unmittelbarer Ber\u00fchrung stehen, sondern die ausserhalb der Dr\u00fcsenwand befind-\n1\tStpjcker & Spina, Sitzgsber. d. AViener Acad. LXXX. 3. Abth. Juliheft 1879.\n2\tEngelmann, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 513 u. fg. 1872.","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Stricker und Spina, Theorie der Speichelabsonderung.\n415\nliehe Fl\u00fcssigkeit, die ja doch, um in die Zellen zu gelangen, erst den Widerstand der Wand zu \u00fcberwinden hat. Man m\u00fcsste die Hypothese von Stricker und Spina behufs einer Beantwortung jener Frage durch eine Hilfshypothese erg\u00e4nzen, n\u00e4mlich annehmen, dass die Innengrenze der Zellen verm\u00f6ge irgend welcher Eigenthtimlichkeiten ihres Baues der Fl\u00fcssigkeitsbewegung nach dem Innern der Zellen Hin gr\u00f6ssere Widerst\u00e4nde entgegensetzt, als die Summe der durch die Aussengrenze der Zellen und die dicke Dr\u00fcsen wand gesetzten Widerst\u00e4nde. Wenn aber in der That die \u00e4usseren Widerst\u00e4nde f\u00fcr die Fl\u00fcssigkeitsbewegung geringer sind als die inneren, so m\u00fcsste bei der Wiederverkleinerung der Zellen die in ihnen enthaltene Fl\u00fcssigkeit nach aussen, statt in das Dr\u00fcseninnere gepresst werden, wenn man nicht noch eine dritte Hypothese zu Hilfe nehmen will, darin bestehend, dass f\u00fcr die Bewegung von Fl\u00fcssigkeit in die Zelle hinein die Aussenwiderst\u00e4nde, f\u00fcr die Bewegung von Fl\u00fcssigkeit aus der Zelle heraus dagegen die Innenwiderst\u00e4nde die kleineren seien. Es kann nun freilich gar nicht anders sein, als dass durch irgend welche Einrichtung in den Dr\u00fcsenzellen der Bewegung der Fl\u00fcssigkeit durch dieselben eine bestimmte Richtung ertheilt wird. Die Hypothese von Stricker und Spina giebt aber von solchen Einrichtungen, so weit ich sehe, keine Andeutung und deutet deshalb nicht ohne Weiteres den Hergang bei der Wasserabsonderung.\nJene Hypothese ist aber auch aus einem zweiten Grunde nicht zureichend. Wenn nach derselben die Zellen w\u00e4hrend der Nervenreizung sich vergr\u00f6ssern und dadurch Fl\u00fcssigkeit aus der Dr\u00fcse verdr\u00e4ngen, nach Unterbrechung der Reizung sich wieder verkleinern, so wird bei lange anhaltender Reizung die Entleerung sich auf die erste Zeit derselben beschr\u00e4nken m\u00fcssen, da ja w\u00e4hrend der Dauer der Erregung die Zellen vergr\u00f6ssert bleiben. Aus einer Speicheldr\u00fcse tropft aber bei passender Reizung das Secret einen ganzen Tag hindurch ununterbrochen ab. Soll also der von Stricker und Spina angenommene Mechanismus auch hier Geltung haben, so m\u00fcssen die Zellen der Speicheldr\u00fcsen im Sinne jener Vorstellung sich w\u00e4hrend der ganzen Reizungsdauer abwechselnd vergr\u00f6ssern und verkleinern, also wie rhythmisch arbeitende Pumpen wirken.\nWenn aus ihren Beobachtungen an den Froschhautdr\u00fcsen Stricker und Spina gewisse R\u00fcckschl\u00fcsse auf von mir gemachte Beobachtungen an den Speicheldr\u00fcsen ableiten, so kann ich ihnen in vielen Beziehungen nicht beitreten. Aus einer Reihe von verschiedenartigen Wahrnehmungen habe ich die Hypothese besondrer \u201etrophischer Dr\u00fcsennerven abgeleitet (Abschnitt I). Zu diesen Beobachtungen geh\u00f6rte unter andern die Thatsache, dass bei verst\u00e4rkter Reizung der cerebralen Absonderungsnerven das Secret nicht blos erheblich schneller fliesst, sondern auch erheblich reicher an organischen Bestandtheilen wird. Ich w\u00fcrde der Erste sein, die unbequeme und verwickelte Hypothese der \u201e trophischen \u201c Nerven fallen zu lassen, wenn sich irgend eine einfachere Erkl\u00e4rung f\u00fcr die Erscheinungen erg\u00e4be, die mich zu derselben gef\u00fchrt haben. Stricker und Spina glauben nun f\u00fcr die eben angef\u00fchrte Thatsache eine ungezwungenere Deutung gefunden zu haben; ich muss aber doch entgegnen, dass so einfach die Dinge nicht liegen, wie jene Forscher meinen. Sie sagen n\u00e4mlich : Ein starker Reiz k\u00f6nne eine energische Contraction der Acini be-","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nHeidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. Nachtr\u00e4ge.\nwirken, bei welcher Massen ausgepresst w\u00fcrden, die mit den Zellen in unmittelbarer Ber\u00fchrung und deshalb concentrirter waren; ein geringerer Reiz bringe eine weniger starke Contraction, eine unvollkommenere Entleerung der Acini zu Wege und f\u00f6rdere Massen zu Tage, die nicht in unmittelbarer Ber\u00fchrung mit den Zellen und deshalb weniger concentrirt sind. \u2014 An den Speicheldr\u00fcsen, deren Acini keine glatten Muskeln in ihrer Wand haben, wie die Froschdr\u00fcsen, hat noch Niemand eine Contraction der Acini w\u00e4hrend der Reizung gesehen. Und doch ist ganz neuerdings (s. den folgenden Nachtrag) die Parotis w\u00e4hrend der Absonderung direct beobachtet worden. Best\u00e4nde eine Contraction der Acini, so m\u00fcsste die gesummte Dr\u00fcse bei Beginn der Reizung sich verkleinern, wovon auch nicht im Entferntesten die Rede ist ; bei Fortdauer der Reizung, die ja continuirliche Absonderung zur Folge hat, m\u00fcssten alternirende An- und Abschwellungen eintreten, die Niemand beobachtet hat. Die Entleerung concentrirten Speichels m\u00fcsste bei der Deutung von Stricker und Spina sich auf den im Lumen im Momente der Reizverst\u00e4rkung vorhandenen Inhalt beschr\u00e4nken, denn nur dieser hat mit den Zellen l\u00e4ngere Zeit in Ber\u00fchrung gestanden. Thats\u00e4chlich wird aber concentrirtes Secret in solchen Mengen entleert, dass dieselben ganz unm\u00f6glich als pr\u00e4for-mirter Acinusinhalt angesehen werden k\u00f6nnen, sondern als w\u00e4hrend der starken Reizung von den Zellen frisch und mit grosser Geschwindigkeit gebildetes und abtiiessendes Absonderungsproduct gelten m\u00fcssen. Endlich kann man bei sehr schwacher Reizung Stunden lang sehr d\u00fcnnes Secret gewinnen, in so grosser Menge, dass dasselbe ganz unm\u00f6glich nur centrale Acinusfliissigkeit sein kann, sondern Fl\u00fcssigkeit darstellen muss, die bei der sehr langsamen Absonderung auch sehr langsam durch die Zellen bef\u00f6rdert ist und sehr viel l\u00e4nger mit ihnen in Ber\u00fchrung gestanden hat, als das bei starker Reizung rapide ausfliessende Secret. Ich sehe also nicht die M\u00f6glichkeit, auf Grund der Betrachtungen von Stricker und Spina die \u201etrophischen\u201c Nerven aufzugeben, zumal da ja die Annahme derselben noch auf einer Reihe andrer wichtiger Tliatsachen beruht.\nStricker und Spina deuten ferner die functioneilen Ver\u00e4nderungen, welche ich an den Dr\u00fcsenzellen beschrieben, ganz anders als ich selbst : sie betrachten die Zellen, wie ich sie nach l\u00e4ngerer Dr\u00fcsenruhe gefunden, als th\u00e4tige, und die Zellen, die ich nach l\u00e4ngerer Dr\u00fcsenarbeit beobachtet habe, als ruhende, weil die erstem verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig gross sind, wie die Zellen der Froschdr\u00fcsen w\u00e4hrend der Nervenreizung, und die letztem verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig klein, wie die Zellen der Hautdr\u00fcsen vor und nach der Nervenreizung.\nIch habe hierzu zun\u00e4chst zu bemerken, dass ich niemals ruhende und th\u00e4tige Zellen beschrieben habe, denn th\u00e4tige habe ich nie gesehen, sondern nur ruhende Zellen vor ihrer Arbeit und ruhende Zellen nach angestrengter Arbeit. Beiderlei Zellen unterscheiden sich aber nicht Idos durch die Gr\u00f6sse, sondern auch durch viele andre Eigenschaften, die ich in den einzelnen Abschnitten ausf\u00fchrlich geschildert habe. Die durch die Th\u00e4tigkeit ver\u00e4nderte Zelle hat namentlich gewisse Bestandteile verloren, welche die Zelle vor der Th\u00e4tigkeit besitzt. Die Uebertragung der Beobachtungen von den ruhenden und t\u00e4tigen Zellen der Froschdr\u00fcsen auf andre Dr\u00fcsen in dem Umfange, wie Stricker und Spina es","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"Langley. Ver\u00e4nderungen der Eiweissdr\u00fcsen. *\n417\nwollen, scheint mir ganz und gar unstatthaft. Noch Niemand hat an den Speicheldr\u00fcsen Acini von so weitem Lumen und mit so flachen Epithelien gesehen, wie Stricker und Spina es an den Froschdr\u00fcsen beschreiben. Diese Forscher behaupten nun, der Identit\u00e4t der Schleim- und der Froschhautdr\u00fcsen zu Liebe, dass die Zellen der ersteren Dr\u00fcsen bei der \u00fcblichen Erh\u00e4rtung in Alkohol durch diesen gereizt, in Th\u00e4tigkeit versetzt, durch active Expansion vergr\u00f6ssert und in dem th\u00e4tigen Zustande con-servirt w\u00fcrden. Aber absoluter Alkohol bringt, wie kaum ein zweites Erh\u00e4rtungsmittel, die Gewebe, auf die er wirkt, momentan zum Absterben, so dass an eine voraufgehende derartige Einwirkung, wie Stricker und Spina sie annehmen, ganz gewiss nicht zu denken ist. Ich spreche dies mit voller Sicherheit aus, weil ich sehr oft Speicheldr\u00fcsen so zubereitet habe, dass ich in dieselben vom Gange oder den Gelassen aus Alkohol injicirt habe, wobei der Tod der Zellen nat\u00fcrlich sofort eintritt. Vor Allem aber liegt ein sehr einfacher Gegenbeweis gegen die k\u00fcnstliche Hypothese von Stricker und Spina darin, dass Dr\u00fcsen, welche der vollst\u00e4ndig erstarrten Leiche entnommen werden, nach Alkoholerh\u00e4rtung dieselben grossen Zellen zeigen, wie unmittelbar nach dem Tode in Alkohol eingelegte Dr\u00fcsen. Man wird doch wohl schwerlich annehmen wollen, dass alle Dr\u00fcsenzellen im th\u00e4tigen Zustande absterben! Endlich ist zu bemerken, dass Schleimzellen (Becherzellen) auf der Haut niederer Wirbel-tliiere schon h\u00e4ufig w\u00e4hrend der Absonderung beobachtet worden sind, ohne dass irgend Jemand solche Wechsel der Zellgestalt gesehen h\u00e4tte, wie sie die Zellen der Froschdr\u00fcsen zeigen. Bis mir also Jemand die Acini der Speicheldr\u00fcsen im Ruhezust\u00e4nde mit flachen Zellen und grossem Lumen zeigt, werde ich annehmen, dass sie hohe Zellen und ein kleines Lumen haben, und ich werde die verkleinerten Zellen der \u00fcberanstrengten Dr\u00fcsen so lange als durch die voraufgegangene Th\u00e4tigkeit ver\u00e4ndert betrachten, bis mir auf andre Weise als durch eine blosse auf das Beispiel einer andern Dr\u00fcsenart gegr\u00fcndete Analogie bewiesen wird, dass sie ruhende Zellen der ruhenden Dr\u00fcse darstellen.\n2. 1 er\u00e4nderungen der Zellen der Eiweissdr\u00fcsen bei ihrer Th\u00e4tigkeit.\nLangley1 hat die Ver\u00e4nderungen der Eiweissdr\u00fcsen w\u00e4hrend ihrer Th\u00e4tigkeit an frischen Pr\u00e4paraten untersucht. Er findet an der Parotis des Kaninchens, welche er auch im lebenden Zustande bei erhaltener Circulation beobachten konnte, nicht die von Stricker und Spina an den Froschdr\u00fcsen beobachteten Gestaltsver\u00e4nderungen. Dagegen bemerkt er, dass die auf S. 18 von mir beschriebenen, die ganzen Zellen durchsetzenden K\u00f6rnchen w\u00e4hrend der Absonderung allm\u00e4hlich schwinden, und zwar von der peripherischen Seite der Zelle her, so dass an dieser eine helle Zone auftritt, welche sich allm\u00e4hlich nach der Innenseite der Zellen ausbreitet. Die th\u00e4tige Zelle zeigt also im frischen Zustande eine helle Aussen- und eine k\u00f6rnige Innenzone, welche letztere mit der Dauer der Absonderung immer mehr sich verkleinert, so dass die Zellen zuletzt nur noch an ihren\nl Langley. Journ. of physiol. IL p. 2(31. 1879.\nHandbuch der Physiologie. Bd. V.\n27","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418 Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. Nachtr\u00e4ge.\nGrenzen feine S\u00e4ume von K\u00f6rnchen enthalten. \u2014 Diese Beobachtung\u2019 f\u00fchrt offenbar zu \u00e4hnlichen Schl\u00fcssen , wie ich sie aus meinen Untersuchungen von Alkohol - Carminpr\u00e4paraten abgeleitet: in den ruhenden Zellen wird Secretionsmaterial gebildet, welches im frischen Zustande unter der Form dunkler K\u00f6rnchen erscheint und f\u00fcr die Absonderung verbraucht wird. Bei der Alkohol-Glycerinbehandlung fliessen diese K\u00f6rnchen zu der von mir beschriebenen hellen Substanz, die ich als Secretionsmaterial bezeichnet habe, zusammen. Der Gehalt der Dr\u00fcsenzellen an der letzteren in den Alkoliolpr\u00e4parateii und an dunkeln K\u00f6rnchen an frischen Pr\u00e4paraten ist durchaus einander entsprechend. Langley\u2019s Untersuchungsmethode lehrt aber, was bei der meinigen zu finden unm\u00f6glich war, dass die Abf\u00fchrung des Absonderungsmaterials in das Secret \u00e4hnlich wie im Pankreas durch allm\u00e4hliches Vorr\u00fccken von dem \u00e4ussern nach dem innern Ende der Zellen geschieht. Die sonstigen von mir beschriebenen Ver\u00e4nderungen der Zelle (Zunahme des Protoplasmas, Aenderung des Kernes) lassen sich an den frischen Zellen nicht wahrnehmen. \u2014 In der Hauptsache \u00e4hnlich wie an der Parotis des Kaninchens, fand L. die Ver\u00e4nderungen an den \u00fcbrigen von ihm untersuchten Eiweissdriisen (Parotis der Katze, Ratte, Submaxillaris, Infraorbitalis und Lacrymalis des Kaninchens). Bez\u00fcglich der Parotis des Hundes liegt nur ein Versuch vor, der offenbar eine nicht normale Dr\u00fcse betraf, denn L. erhielt ein sehr consistentes, schleimhaltiges Secret (vgl. S. 25), wie es mir \u00f6fters ebenfalls vorgekommen, aber keineswegs die Regel ist.\nEine Differenz zwischen meinen Beobachtungen und denen Langley s liegt darin, dass dieser Forscher die Kaninchenparotis nach Pilocarpin-Injection ebenfalls hochgradig ver\u00e4ndert fand, w\u00e4hrend ich nach Absonderung von 12\u201415 Ccm. Pilocarpin-Speichel noch kaum eine Wandlung constat!ren konnte, die doch nach Entleerung von 2\u20143 Ccm. sympathischen Speichels so sehr auff\u00e4llig ist. Allein ich habe schon oben (S. \u00f6l) bemerkt, dass die Einwirkung des cerebralen Secretionsnerven oder des Pilocarpin in l\u00e4ngerer Zeit \u00e4hnliche Ver\u00e4nderungen hervorruft, wie der Sympathies in k\u00fcrzerer Zeit, und die schnellere Einwirkung des letzteren hat auch L. constatirt.\nu. Morphologische Ver\u00e4nderungen der Zellen der Fylorusdr\u00fcsen und der llaupizellen der Fundusdr\u00fcsen bei der Th\u00e4tigkeit.\nLangley und SewaliA finden denselben Unterschied zwischen den Zellen der Pylorusdr\u00fcsen und den Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen, auf welchen ich auf S. 96 aufmerksam gemacht habe.\nDie dunkeln groben K\u00f6rnchen der Hauptzellen schwinden nach im\u00bb n Beobachtungen allm\u00e4hlich w\u00e4hrend der Verdauung, gleichzeitig nimmt, in Uebereinstimmung mit Gr\u00fctzner, der Pepsingehalt ab. V ie bez\u00fcglich der Zellen der Eiweissdriisen, so f\u00fchren auch bez\u00fcglich der Hauptzellen der Fundusdr\u00fcsen ihre Untersuchungen an frischen Pr\u00e4paraten zu demselben Resultate, wie die meinigen an Alkoholpr\u00e4paraten: lm llungei-\nL Langley & Sew all, Journ. of physiol. IL p. 282. 1879.","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"Zellen der Pylorusdr\u00fcsen. Pepsinbildung.\n419\nzustande sammelt sich in den Zellen Absonderungsmaterial an, welches an Objecten ersterer Art unter der Form grober dunkler K\u00f6rnchen, an Objecten der zweiten Art, an welchen die K\u00f6rnchen in Folge der Pr\u00e4paration zusammengellossen sind, als helle, nicht f\u00e4rbbare Substanz in den Zellen auftritt. Bei der Absonderung geht dieses Secretionsmaterial den Zellen mehr oder weniger vollst\u00e4ndig verloren. Die sonstigen, an Alkoholpr\u00e4paraten gewinnbaren Erfahrungen (Wachsthum des Protoplasmas, Aenderungen des Kernes) sind an frischen Pr\u00e4paraten nicht sichtbar.\nGanz \u00e4hnliche Beobachtungen \u00fcber das Verhalten der Pepsin bildenden Zellen haben die Verfasser an den Dr\u00fcsen der Speiser\u00f6hre des Frosches und des Magens von Tritonen angestellt.\n4. Unabh\u00e4ngigkeit der Pepsinbildung von den Belegzellen der\nFundusdr\u00fcsen.\nLangley und Sewall haben an dem Magen des Kaninchens einen neuen Beweis f\u00fcr die Unabh\u00e4ngigkeit der Pepsinbildung von den Belegzellen gefunden. Die Dr\u00fcsen der grossen Curvatur enthalten bei diesem Thiere sehr viele, die der kleinen Curvatur fast gar keine Belegzellen ; trotzdem ist der Pepsingehalt der Schleimhaut beider Regionen fast gleich. Die Hauptzellen in beiden Gegenden sind, wie die Zellen der Pylorusdr\u00fcsen beim Hunde, fein granulirt, die Hauptzellen der Dr\u00fcsen des eigentlichen Fundus sehr grob granulirt. Der Pepsingehalt ist hier viel h\u00f6her als in der Gegend der grossen und kleinen Curvatur; w\u00e4hrend der Verdauung schwinden die groben K\u00f6rnchen mehr oder weniger und damit sinkt der Fermentreichthum. Die Pepsinbildung bindet sich also zwar nicht an die grobe Granulirung der Zellen, denn die Hauptzellen der kleinen und grossen Curvatur sind, obschon fein granulirt, doch pepsinhaltig; aber hoher Pepsinreichthum ist immer durch die Anwesenheit grober K\u00f6rnchen ausgezeichnet. Die Verfasser gelangen zu dem von mir vertheidigten Schl\u00fcsse, dass die Zellen der Pylorus- und die der Fundusdr\u00fcsen im Wesentlichen gleicher Natur seien.\n5. Billige sonstige in der Zwischenzeit erschienene Arbeiten.\nPicard, sur la secr\u00e9tion biliaire. Gaz. med. de Paris 1S79. Nr. 41. p. 522. (Einige Versuche \u00fcber den Einfluss der Chloroform- und Morphiumnarcose auf die Gallenabsonderung, \u00fcber den Secretionsdruck \u201c und \u00fcber Resorption in der Leber.)\nVossius, Quantitative spectralanalytische Bestimmungen des Gallenfarb-stoffes in der Galle. Giessener Dissertation. Leipzig 1879. (Bestimmung des Farbstoffgehaltes der Galle mittelst der ViERORDx\u2019schen Methode bei Hunden. Nach Injection von Bilirubin in das Blut steigt der relative Gehalt der Galle an Farbstoff wie die st\u00fcndliche absolute Excretions-menge. Nach Injection von H\u00e4moglobin tritt im Allgemeinen keine Steigerung ein ; wenn danach die Secretionsgesehwindigkeit der Galle in die H\u00f6he geht, nimmt auch die absolute st\u00fcndliche Farbstoffmenge\n27*","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\nHeidenhain. Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge. Nachtr\u00e4ge.\nzu, nicht aber der Procentgehalt des Secretes an Farbstofl. Der Harn blieb frei von Gallenfarbstoff. Aehnlich wirkte Injection von destillirtem Wasser oder einprocentiger Kochsalzl\u00f6sung.) de Sin\u00e8ty, de l\u2019innervation de la mamelle. Gaz. med. de Paris S. Nov. 1879. p. 593. (Durchschneidung oder Reizung der Nerven der Milchdr\u00fcse bei Meerschweinchen ist ohne Einfluss auf die Absonderung ; ebenso einflusslos ist die Trennung jener Nerven bei tr\u00e4chtigen Thieren bez\u00fcglich der Entwicklung der Dr\u00fcse und des Eintrittes der Absonderung.)","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"ACHTER ABSCHNITT.\nDIE SCHWEISSABSONDERUNG UND EISIGE VERWANDTE SECRETIONEN BEI THIEREN\nVON\nProf. Dr. B. LUCHSINGER in Bern.\nERSTES CAPITEL.\nDie Schweissabsonderung.\nI. Einleitung.\nDie Haut des Menschen und mancher S\u00e4uger besitzt das Verm\u00f6gen, unter bestimmten Bedingungen einen reichlichen Strom von Fl\u00fcssigkeit auf ihre Oberfl\u00e4che zu ergiessen. Die nat\u00fcrliche Oeko-nomie des Thieres bedient sich, soweit ersichtlich, solcher fast ausschliesslich zum Zwecke, \u00fcberm\u00e4ssig angestaute W\u00e4rme zu eliminiren. Damit wenigstens ist die vorwiegend w\u00e4ssrige, schwach alkalische 1 Beschaffenheit der Absonderung, das Fehlen spezifischer Bestandteile, das nur zeitweilige, dann aber reichliche Auftreten der Fl\u00fcssigkeit verst\u00e4ndlich.\nBestimmte dr\u00fcsige Elemente \u2014 die Schweissdr\u00fcsen oder Kn\u00e4ueldr\u00fcsen gelten seit langem als Sitz dieser F\u00e4higkeit, als Quellen \u00e4chter Secretion.\nDoch es fehlte auch nicht an Widerspruch. So sollte nach Meissner2 die Schweissabsonderung vielmehr gleiclim\u00e4ssig von der gesammten Haut, speziell von deren Gef\u00e4sspapillen als einfache Transsudation besorgt werden und h\u00e4tten insbesondere die Schweissdr\u00fcsen durchweg jene ganz andere Function der Talgbereitung. Im Folgenden findet sich eine Reihe von Thatsachen, denen gegen\u00fcber solche Lehre unhaltbar wird. Der Irrthum lag z. Th. in einer Verwechslung wahrer Secretion mit sog.\n1\tYgl. Tr\u00fcmpy & Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XA III. S. 4S4\u2014500. 187S.\n2\tMeissner, Jahresber. f. Anat. u. Physiol. 1S56. S. 2S5 ff.","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422 Luchsinger, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. S. Abschn.Schweissabsonderg.\nDunstschweiss, der ja nur nach einfachen, physikalischen Gesetzen ab-dunstendes Wasser vorstellt, z. Th. in der irrigen Verallgemeinerung, weil einige Knaueldriisen ausschliesslich als Talgdr\u00fcsen fungiren, so m\u00fcssten \u00fcberhaupt alle diess tliun.\nSchon Malpighi 1 bekannt, dann aber wieder vergessen, wurden die Schweissdr\u00fcsen erst durch die Untersuchungen von Brechet & Roussel de Vauz\u00e8me1 2 1834 am Menschen, ein Jahr darauf von Gurlt3 4 bei verschiedenen Hauss\u00e4ugethieren wieder entdeckt.\nJe nach dem verschiedenen Schwitzverm\u00f6gen der Thiere, je nach dem verschiedenen Schwitzverm\u00f6gen verschiedener Hautstellen desselben Thieres zeigen die Dr\u00fcsen nach Zahl, Form wie Gr\u00f6sse wechselnde Entwicklung. In einfachster Art als kleine, ovale S\u00e4ckchen fand sie Gurlt 3 beim Rind, als nur wenig geschl\u00e4ngelte Schl\u00e4uche Redtel4 bei der Fledermaus; zeigen sie sich dagegen beim Menschen, beim Pferd, sowie in der nackten Pfotenhaut von Hund und Katze, in der R\u00fcsselscheibe vom Schwein in langen, zu wirrem Kn\u00e4uel gewundenen Schl\u00e4uchen, die nur in vor\u00fcbergehender Embryonalform an jene einfacheren Gestalten erinnern.\nDie gr\u00f6sseren Kn\u00e4ueldr\u00fcsen besitzen meist einen Belag glatter Muskulatur, den kleineren geht solcher ab5 6.\nIn neuester Zeit ist es Coyne '5 an der Katzenpfote gelungen, nach Anwendung der Goldmethode Nerven an die Dr\u00fcsen herantreten zu sehen, ein Resultat, zu welchem auch ich schon nach eigener, aber noch nicht publicirter Untersuchung gelangt war. Dock \u00fcber einen n\u00e4heren Zusammenhang der Nerven mit den Dr\u00fcsenzellen selbst geben weder Coyne\u2019s noch meine Untersuchungen befriedigenden Aufschluss.\nMit der Form der Kn\u00e4ueldr\u00fcse ist nun aber keineswegs deren wasserabsondernde Function untrennbar gegeben. Denn es gibt Kn\u00e4ueldr\u00fcsen der entwickeltsten Art, die gleichwol zeitlebens der Schweissabsonderung ermangeln. Solche Dr\u00fcsen scheinen dann ganz nach Art der Talgdr\u00fcsen zu fungiren. Die Ohrenschmalzdr\u00fcsen sind ein typisches Beispiel, die Kn\u00e4ueldr\u00fcsen in der Sohle der meisten Hunde (vgl. unten S. 427), in der Sohle mancher nicht schwitzender Nager, die von Meissner (a. a. 0.) in den Zehenballen vieler 4 \u00f6gel\n1\tMalpighi, De externo tactus organo in Opera omnia 16S7. p. 203, 208.\n2\tBrechet & Roussel de Vauz\u00e8me, Ann. d. sc. nat. sec. s\u00e9r. II. 1834.\n3\tGurlt, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1S35.\n4\tRedtel, Ztschr. f. wiss. Zool. XXIII. S. 254. 1873.\n5\tVgl. K\u00f6lliker, Gewebelehre S. 162. 1855. \u2014 Heynold, Arch. f. pathol. Anat. LXI. 1874. -\u2014 H\u00f6rschelmann, Diss. Dorpat 1875. \u2014 Hesse, Arch. f. Anat. (u. Physiol.) 1876.\n6\tCoyne, Compt. rend. LXXXVI. p. 1276\u20141278. 1878.","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"Anatomische Einleitung, Geschichte.\n423\ngefundenen Dr\u00fcsen geh\u00f6ren gewiss hierhin, voraussichtlich auch die von Manz & Meissner 1 in der Conjunctiva des Rindes nachgewiesenen, den Schweissdr\u00fcsen vollkommen \u00e4hnlichen Gebilde. Schon Henle1 2 unterscheidet mit Recht je nach Ne r venein fl uss Kn\u00e4ueldr\u00fcsen doppelter Function.\nDamit Schweisssecretion wirklich eintrete, sind bestimmte, pl\u00f6tzliche Reize erforderlich und im gemeinen Leben sind diese auch f\u00fcr die Schweissdr\u00fcsen, wie f\u00fcr andere Apparate prompter Action stets nerv\u00f6se.\nII. Die Nerven der Schweissdr\u00fcsen und ihre Reize.\nZur Geschichte. Schon l\u00e4ngst waren Beobachtungen genug bekannt, welche eine Beziehung des Nervensystems zur Schweisssecretion deutlich erwiesen. In Gefolge von L\u00e4hmungen sah man auch die Schweisssecretion schwinden, in Begleit anderweitiger Reizzust\u00e4nde dagegen in reichlichem Maasse eintreten.\nOrgane, deren Nerven durchschnitten sind, werden welk, erhalten ungew\u00f6hnliche Bl\u00e4sse und verliert die Haut das Verm\u00f6gen zu schwitzen.3\nNach plastischen Operationen der Nase sah Dieffenbach4 das Schwitzen erst mit der R\u00fcckkehr der Sensibilit\u00e4t wiederkehren.\nEntsprechend sahen Stannius5, Brown-S\u00e9quard6 u. A. sowohl beim Kauen, wie bei irgendwelcher Reizung der Mundh\u00f6hle bald nur einseitig, bald aber beidseitig reichlichen Schweiss auf Wange, Nase, Stirn auftreten, zugleich aber stets auch starke R\u00f6thung der Haut.\nDoch alle diese Beziehungen k\u00f6nnten sehr wohl nur indirecte, durch die ver\u00e4nderte Gef\u00e4ssfiille allein bedingte sein; speziell k\u00f6nnte das Schwitzen in diesen F\u00e4llen nur eine einfache Folge erh\u00f6hten Capillardruckes, eine dadurch allein vermehrte Transsudation vorstellen \u2014 eine Auffassung, die in der That durchweg auch die herrschende blieb7 8; die sich nur um so sicherer f\u00fchlen durfte, als sie anscheinend experimentell vollauf bewiesen war. Denn schon 1816 sah Dupuys, in der Folge Mayer9 u. v. A. nach Durchschneidung des Halssympathicus beim Pferd gleichzeitig mit starker Hyper\u00e4mie auch starkes Schwitzen jener Seite folgen.\nAllerdings passten nicht alle F\u00e4lle in solches Schema. Der Angst-schweiss, der Todesschweiss sind ja im Gegentheil mit An\u00e4mie der Haut\n1\tManz & Meissner, Ztschr. f. rat. Med. V. S. 122. 1858.\n2\tHenle, Handb. d. system. Anat. II. 1862. Die Art solchen Einflusses, ob directe oder nur indirecte, durch die Gelasse bedingte Beziehung, Hess Henle allerdings noch offen.\n3\tYgl. Volkmann, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. IL S. 619. 1844.\n4\tDieffenbach, Chirurg. Erfahrungen. 2. Abth. S. 170. 187.\n5\tStannius, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. S. 477. 1842.\n6\tBrown-S\u00e9quard, Journ. de physiol. II. p. 449. 1S59.\n7\tVgl. z. B. R\u00fchrig, Physiol, d. Haut. Berlin 1S76.\n8\tDupuy, Journ. dem\u00e9d. XXXVII. 1816.\n9\tMayer, Tiedemann\u2019s Ztschr. f. Physiol. II. S. 65. 1826.","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424 Luchsinger, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. S. Abschn. Scbweissabsonderg.\nverkn\u00fcpft; ja Nitzelnadel 1 fand bei electrischer Reizung des X. ulnaris am Menschen Auftreten von Schweiss mit gleichzeitigem Sinken der Temperatur. Mit Recht schloss schon Nitzelnadel daraus auf directe Beziehungen der Nerven zu den Sch weissdr\u00fcsen. Aber es blieb eben gleich-wol noch gestattet, auch an eine andere Erkl\u00e4rung zu denken, wie solche u. A. Eckhard'1 2 schon fr\u00fcher andeutete: es k\u00f6nnten in jenen Versuchen eben einfach die glatten Muskeln der Dr\u00fcse schon vorher bereitetes Secret nur aus dem Dr\u00fcseninnern ausgedr\u00fcckt haben.\nAuf die erfolgreiche Bahn experimenteller Forschung am lebenden Thier lenkte erst 1S7 5 eine zuf\u00e4llige Beobachtung von Goltz3; in seinen Versuchen \u00fcber die gef\u00e4sserweiternden Nerven der Hinterpfote sah dieser Forscher bei einigen jungen K\u00e4tzchen nach Reizung des H\u00fcftnerven gleichzeitig mit starker Hyper\u00e4mie auch Schweisstropfen auf der Haut erscheinen.\nNeuere experimentelle Ergebnisse. Das wesentliche der Beobachtung von Goltz zu best\u00e4tigen gelang leicht. Die Folge aller sp\u00e4teren Untersuchungen ergab dies mit voller Uebereinstimmung.\nReizung des peripheren Stumpfes eines durchschnittenen N. ischia-dicus oder PL brachialis l\u00e4sst in kurzem grosse Schweisstropfen auf der unbehaarten Haut der Pfote erscheinen.\nAber keineswegs ist diese Secretion nothwendig mit einer R\u00f6-thung der Haut verbunden; vielmehr sieht man, besonders bei Anwendung nicht zu starker Reize, ein deutliches Blasswerden nicht pigmentirter Stellen und ein Sinken der Temperatur, wenn man vorher ein feines Thermometer in einer Schwimmhautfalte befestigt hat4.\nSchwitzen kann also sehr wohl auch neben vermindertem Blutzufluss bestehen; ja Kendall & Luchsinger (a. a. 0.) konnten selbst noch volle 20 Minuten nach Amputation eines Beines durch Nerven-reizung kr\u00e4ftige Secretion erregen.\nDamit ist in der That eine volle Unabh\u00e4ngigkeit der Secretion von Blutdruck wie Kreislauf erwiesen; wird solcher Thatsache gegen\u00fcber eine Transsudationshypothese vollkommen ohnm\u00e4chtig. Aber auch die Meinung, als handle es sich bei der Nervenreizung um ein blosses Ausstossen schon vorher gebildeten Secretes f\u00e4llt dahin, denn ich konnte \u2014 sowie ich nur mit schwachen Reizen begann \u2014 durch Nervenerregung ein viele Stunden andauerndes Schwitzen unterhalten.5\nNach Allem ist vielmehr das Schwitzen dure h N e r -\n1\tNitzelnadel, Dissert. Jena 1867.\n2\tEckhard. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1849. S. 427.\n3\tGoltz, Arch. f. d. ges. Physiol. XI. S. 71, 72. 1875.\n4\tVgl. Kendall & Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 212. 1S76. -Gr\u00fctzner & Heidenhain, Ebenda XVI. S. II. 1878.\n5\tNach 5 Stunden wurde die Beobachtung abgebrochen. (Nicht publicirte Untersuchung.)","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"Die Nerven der Schweissdr\u00fcsen, ihre Reize.\n425\nv e n e r r e g un g eine \u00e4chte Secretion, die T h \u00e4 t i g k e i t der Dr\u00fcsenzellen eine directe Function nerv\u00f6ser Erregung.\nDie weitaus gr\u00f6sste Zahl schweisserregender Bedingungen wirkt in der That ganz ausschliesslich durch diese Nerven. Die Angriffsweise selbst ist ganz entsprechend den bekannten Analogien eine vorwiegend centrale, versagt demgem\u00e4ss in solchem Falle jede Wirkung, sobald die Verbindung mit dem Centralnervensystem getrennt ist.\nGanz allgemein scheint aber jeder Eingriff, jedes Agens, welches \u00fcberhaupt das Centralmark erregt, auch schweisstreibend zu wirken. Die Schweisse psychischer Erregung werden so leicht verst\u00e4ndlich, nicht weniger das Auftreten re fl ecto rischer Schweisse als Folge sensibler Reizung1 oder das Schwitzen als Begleiterscheinung kr\u00e4ftiger Muskelbewegung. Eine grosse Reihe anderer Einfl\u00fcsse wirkt in gleicher Art ausschliesslich central.\nF\u00fcr flitze und Dyspnoe, Strychnin und Pikrotoxin hatte ich'2 3 solches Verhalten gepr\u00fcft, Marm\u00e9 3 dann Camp her, Ammonium aceticum mit gleichem Erfolge hinzugef\u00fcgt und Nawrocki4 alle diese Befunde best\u00e4tigt.\nDagegen wirkt eine kleine Gruppe von Mitteln auch trotz der Trennung vom Centralnervensystem gleichwol immer noch kr\u00e4ftig erregend auf die Schweissdr\u00fcsen ein. Pilocarpin5, Muscarin6 sind beste Repr\u00e4sentanten solcher Wirkung, in geringerem Maasse geh\u00f6ren auch Nicotin7 und Physostigmin 7 hierhin. Wie bei den ganz analogen Wirkungen dieser Stoffe auf die Speicheldr\u00fcsen handelt es sich offenbar auch hier um periphere Reizung. Dieselbe beschl\u00e4gt voraussichtlich die letzten Nervenenden, vielleicht auch die Dr\u00fcsenzellen selbst,7\nImmerhin schliesst aber solch periphere Wirksamkeit nebenhergehende centrale Erregung keineswegs aus. Schon der blosse Vergleich der normalen und entnervten Seite beweist solche f\u00fcr Nicotin und Physostigmin und konnten i c h sowohl wie Marm\u00e9 auch f\u00fcr das peripher so kr\u00e4ftig wirkende Pilocarpin den Nacli-\nl Von den sensiblen Reizen scheint die W\u00e4rme vorzugsweise wirksam zu sein. (Adamkiewicz, Die Secretion des Schweisses S. 2(3\u201435. Berlin 1S7S.)\n2. Luchsinger. Arch. f. d. ges. Physiol. XIY. S. 369. 1876; ebenda XYI. S. 510.\n1S78.\n3\tMarm\u00e9, G\u00f6ttinger Nachrichten 1878. S. 106.\n4\tNawrocki, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878. Nr. 1 ; 1879. Nr. 19.\n5\tLuchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XY. S. 482. 1877. \u2014 Nawrocki. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878. Nr. 6. \u2014 Marm\u00e9 a. a. O.\n6\tYgl. Tr\u00fcmpy & Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XYIII. S. 503. 187S. \u2014 J. Ott & Wood Field. Journ. of physiol. I. p. 193. 1878. \u2014 Nawrocki, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1879. Nr. 19.\n7\tYgl. Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XY. S. 482. 1877.","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426 Luchsinger, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. S. Abschn. Schweissabsonderg.\nweis f\u00fchren, nachdem wir nur zuvor das vergiftete Blut von den Dr\u00fcsen selbst absperrten.1 2\nNeben diesen jetzt so sicher erwiesenen Secretionsnerven der Schweiss-dr\u00fcsen wurde auch hin und wieder noch von besonderen Hemmungsnerven gesprochen.\nEine Beobachtung von Schuh -, wo einer Resection des N. frontalis immerw\u00e4hrendes Schwitzen auf der Stirn folgte, wird schon von Nitzel-nadel3 in dieser Weise gedeutet.\nAuch der schon citirte Versuch Dupuy\u2019s (vgl. S. 423) wird nun von Vulpian4 in solchem Sinne erkl\u00e4rt, und f\u00fcgt derselbe als neue experimentelle St\u00fctze noch hinzu, der Pilocarpinschweiss w\u00fcrde auf jener Pfote reichlicher fliessen, deren sympathische Fasern vorher durchtrennt w\u00e4ren; denn wie nach Dupuy\u2019s Versuch die Hemmungsnerven f\u00fcr die Schweiss-driisen des Gesichts im Halsstrang des Sympatbicus liegen sollten, so w\u00e4ren dieselben hier f\u00fcr die Hinterpfoten der Katze im Bauchstrang enthalten.\nDie Beobachtung von Schuh ist aber keineswegs eindeutiger Art; denn man weiss bei der so wechselnden Ver\u00e4stelung jenes Nerven offenbar nicht, ob denn auch alle Zweige durchtrennt waren. Es liegt in der That nahe, auch an reflectorische von der Narbe ausgehende Erregung noch verschont gebliebener Aeste zu denken. Die Versuche von Vulpian aber d\u00fcrften doch in der gleichzeitig so stark beschleunigten Circulation eine gen\u00fcgende Erkl\u00e4rung finden, denn wenn auch Secretion ohne Kreislauf bestehen kann, so ist eine Verst\u00e4rkung derselben durch raschere Circulation gleichwol verst\u00e4ndlich genug.\nIn diesem Sinne liegt auch eine Erkl\u00e4rung von Dupuy\u2019s Erfahrung nicht fern (vgl. jedoch noch unten S. 434).\nF\u00fcr die Existenz von besonderen Hemmungsnerven der Schweiss-secretion fehlt bis jetzt ein zwingender Beweis.\nIII. Das Schwitzverm\u00f6gen verschiedener S\u00e4uger.\nDas Schwitzverm\u00f6gen ist bekanntlich beim Menschen zu ganz vorz\u00fcglicher Ausbildung gelangt; in allerdings wechselnder St\u00e4rke kommt es der ganzen Haut zu, als Pr\u00e4dilectionsstellen aber w\u00e4ren zu nennen die Gesichtshaut (Stirn), die Vola und Planta von Hand und Fuss.\nAm Affen (Cebus capucinus) zeigte sich nach kleiner Dosis Pilocarpin eine starke Secretion an Vola und Planta, eine erheblich geringere auf dem Nasenr\u00fccken.5\nEbenso waren beim Pferd Pilocarpin wie Nervenreizung (N.\n1\tVgl. Luchsinger. Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S. 4S2. 1877. \u2014 Marm\u00e9. G\u00f6ttinger Nachrichten 1878. S. 110. 111.\n2\tSchuh, Chirurg. Abhandlung. Wien 1S67.\n3\tNitzelnadel, Dissert. Jena 1867.\n4\tVulpian. Compt. rend. LXXXVI. p. 1233. 1878.\n5\tNach nicht publicirter Beobachtung.","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"Verbreitung des Schwitz Verm\u00f6gens.\n427\ninfraorbitalis f\u00fcr die Haut der Wange) sehr wirksam ; erheblich viel weniger aber beim Rind, gar nicht bei der Ziege.\nGar nicht schwitzen ferner Kaninchen, Ratten, M\u00e4use. Deutliche Secretion konnte ich dagegen beim Igel auf dessen nackter Pfotenhaut durch Reizung des Hiiftnerven erzielen.\nDas unstreitig g\u00fcnstigste Feld ist wohl die unbehaarte Sohlenfl\u00e4che der Katze; aber am \u00fcbrigen K\u00f6rper derselben habe ich trotz wiederholter Bem\u00fchungen und sorgf\u00e4ltigsten Rasirens der Haut nach den verschiedensten Eingriffen keine Spur von Schweiss beobachten k\u00f6nnen. Doch auch an der Pfote trifft man auf Ausnahmen. Neu-geborne K\u00e4tzchen reagiren w\u00e4hrend der ersten beiden Wochen auf die verschiedensten Eingriffe durchaus nicht; aber auch ganz alte Katzen sind h\u00e4utig ung\u00fcnstig; die schwielige Wucherung ihrer Epidermis d\u00fcrfte hier Schuld tragen, denn oft ist in solchen F\u00e4llen Schwitzen an den Vorderpfoten noch vorhanden, w\u00e4hrend an den schwieligeren Hinterpfoten solches ausbleibt.\nHunde schwitzen an der behaarten Haut ebenfalls nicht, sehr selten sogar an ihren nackten Pfoten; die schwieligere Beschaffenheit derselben d\u00fcrfte auch hier das Unverm\u00f6gen verschulden.\nVor Kurzem erst habe ich endlich auch in der R\u00fcsselscheibe des Schweines ein ausgezeichnetes Object der Untersuchung gewonnen. Reizung des N. infraorbitalis, sowie Pilocarpin erregten grosse, stark alkalisch reagirende Tropfen auf derselben, sind aber schon von Gurlt ganz besonders gut entwickelte Sckweissdr\u00fcsen an diesem Orte gefunden worden.\nEin Blick auf diese kurze Uebersickt mag die so sp\u00e4te Entwicklung experimenteller Untersuchung genugsam erkl\u00e4ren.\nIV. Die Erregbarkeit der Scliweissdr\u00fcsen und ihre\nBedingungen.\nDie Erregbarkeit der Sckweissdr\u00fcsen folgt in ihren Aenderungen zum grossen Tlieil den bekannten allgemeinen Gesetzen.\nVon grossem Einfluss ist vor Allem die Temperatur der Dr\u00fcsen. Grosse K\u00e4lte l\u00e4sst die Nervenreizung erfolglos; mit Wachsen der Temperatur steigt dann die Erregbarkeit bis zu einem Optimum an, sinkt aber bei noch st\u00e4rkerem Erw\u00e4rmen (Eintauchen der Haut in Wasser von ca. 50 \u00fc) bis auf Null, um dann nach baldigem Abk\u00fchlen sich rasch wieder zu restituiren1.\nVon wesentlicher Bedeutung ist ferner die Durchflut hung\nl Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. ITS. 1878.","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428 Luchsinger. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. S. Abschn. Schweissabsonderg.\nder Dr\u00fcse mit arteriellem Blute. Unterbinden wir die A. aorta, so bleibt allerdings die Erregbarkeit noch ca. 20 Min. erhalten, sinkt dann aber im Verlauf von weiteren 5\u201410 Min. auf Null. Sobald selbst st\u00e4rkste tetanisirende Str\u00f6me ihre Wirkung versagen, pflegt auch das Pilocarpin unwirksam geworden zu sein. Doch in kurzem steigt mit L\u00fcften des Blutstroms die Erregbarkeit wieder, um so rascher, je k\u00fcrzere Zeit die Erstickung anhielt b\nBei langwierigen Operationen d\u00fcrfte so in zu festem Binden der Thiere eine Quelle negativer Resultate zu suchen sein.\nDie Erregbarkeit nimmt weiterhin ab durch lange Tli\u00e4tig-keit, aber wahrscheinlich auch durch lange Ruhe. (Vgl. wenigstens oben S. 422.)\nSie sinkt nach der Trennung der Dr\u00fcsen vom Centralnervensystem. Schon nach wenigen Tagen wird selbst st\u00e4rkste Nervenreizung erfolglos1 2, aber auch die Reiz Wirkung von Pilocarpin nimmt wesentlich ab.\nIch selbst fand in erster Untersuchung Pilocarpin schon 6 Tage nach Durchschneidung des H\u00fcftnerven vollkommen wirkungslos und haben Nawrocki, Vulpian und Ott solche Angabe auch vollkommen best\u00e4tigt3.\nDagegen wies Marm\u00e94 das keineswegs Konstante dieses Verhaltens nach ; denn er stiess auch auf F\u00e4lle mit weit l\u00e4ngerer Fortdauer der Erregbarkeit. In erneuter, noch nicht publicirter Untersuchung habe ich nun selbst ebenfalls solche F\u00e4lle gesehen, wo selbst 2, 3 Wochen nach der H\u00fcftnervdurchschneidung und ohne nachherige Verwachsung das Pilocarpin noch wirksam war. Allerdings war stets die Wirkung-wesentlich geringer wie normal und fiel mir ganz besonders ein stark verl\u00e4ngertes, bis zu 20 Minuten andauerndes Latenzstadium auf.\nDas Uebersehen solch langen Latenzstadiums hat offenbar schon \u00f6fters get\u00e4uscht; es mag auch jene seltsame Angabe Vulpian\u2019s 3 erkl\u00e4ren, dass Pilocarpin die Reizung eines acht Tage vorher durchschnittenen, also f\u00fcr sich unwirksamen Nerven wieder erfolgreich mache.\nDiese lange Wirksamkeit des Pilocarpin nach Abtrennung der Pfote vom Centralnervensystem mag sich durch eine erst sp\u00e4t eintretende Degeneration der letzten Nervenenden, oder durch eine directe Reizung der Dr\u00fcsensubstanz selbst erkl\u00e4ren. \u2014\n1\tEigene, noch nicht publicirte Untersuchung.\n2\tVgl. Nawrocki, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878. Nr. 40. \u2014 Vulpian, Comnt rend. LXXXVII. p. 311. 1878.\n3\tVgl. Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S.483. 1877. \u2014 Nawrocki, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878. Nr. 6. \u2014 Vulpian, Compt. rend. LXXXVII. p. 311. 1878. \u2014 Ott, Journ. of physiol. IL p. 42\u201466. 1879.\n4\tMarm\u00e9, G\u00f6ttinger Nachrichten 1878. S. 106.","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"Bedingungen der Erregbarkeit der Schweissdr\u00fcsen.\n429\nVon den Giften endlich ist vor Allem zu erw\u00e4hnen die Wirkung* des A trop in.\nSchon kleinste Dosen bewirken eine L\u00e4hmung der Schweiss-dr\u00fcsen ; bei Katzen fand ich nach subcutaner Injection von nur 0,0015 gm. selbst st\u00e4rkste Reizung des H\u00fcftnerven1 erfolglos -. Finden Menschen machte Straus3 entsprechende Angaben. Subcutane Dosen von nur 0,001 Milligramm heben local das Schwitzverm\u00f6-gen auf.\nGanz im Gegens\u00e4tze hiezu bewirken die schon oben als directe Reizmittel erkannten Pilocarpin, Muscar in auch ein kr\u00e4ftiges Anwachsen der Erregbarkeit.\nDenn nur so wird es verst\u00e4ndlich, wenn selbst bei starker Atropinvergiftung, wo jede Nervenreizung versagt, subcutane Application gen\u00fcgender Mengen Pilocarpin local wenigstens wieder Secretion erregen kann.4 Zuerst sah ich die Nervenreizung wieder wirksam werden, dann erfolgte spontane Absonderung.\nF\u00fcr Muscar in fanden Tr\u00fcmpy & Luchsinger 5 ein dem Pilocarpin vollkommen gleiches Verhalten. Die fr\u00fcherhin von Marm\u00e9'1 gemachte Opposition f\u00e4llt nach brieflicher Mittheilung dieses Forschers nunmehr dahin.\nAtropin und die Gruppe des P i 1 o c a r p i n wirken offenbar auf einunddasselbe Organ, dessen Erregbarkeit in verschiedenem Sinne modificirend, in ihrer Wirkung aber heben sie sich gegenseitig wie Plus und Minus auf und h\u00e4ngt das Resultat nur ab von dem Verh\u00e4ltniss der gegebenen Quantit\u00e4ten. Damit ist ein durchsichtiger Fall von wahrem, wechselseitigem Antagonismus gegeben'.\nNoch ist kurz einer Anzahl Mittel von mehr physiologisch-practischer Wichtigkeit zu gedenken. Narkosen mit Chloroform, Aether sind\n! Auch directe Beizung der Pfote mit tetanisirenden Str\u00f6men war in solchen F\u00e4llen unwirksam, vielleicht d\u00fcrften Erregungen durch Kettenstr\u00f6me sich hier anders verhalten.\n2\tYgl. L., Arch. f. d. ges. Phys. XIV. S. 369. 1876; ebenda XV. S. 482. 1877. \u2014 Ostroumow in Jahresber. v. Hoffmann & Schwalbe 1876. \u2014 Marm\u00e9. a. a. O.\n3\tStraus, Compt. rend. LXXXIX. 1879.\n4\tVgl. L., Arch. f. d. ges. Physiol. XV. S.487. 1877. \u2014 Tr\u00fcmpy & Luchsinger, Arch. f. d^ges. Physiol. XVIIL S. 501. 1878. \u2014 Straus, Compt. rend. LXXXIX. 1879.\n5\tTr\u00fcmpy & Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 503. 1878.\n6\tMarm\u00e9, G\u00f6ttinger Nachrichten 1S78. S. 115.\n7\tGanz neuerdings ist aber noch eine andere Auffassung dieser Verh\u00e4ltnisse geltend gemacht worden. Um die Annahme eines wechselseitigen Antagonismus zu vermeiden. trennt Rossbach den von uns einheitlich gedachten Apparat in einen nerv\u00f6sen und einen dr\u00fcsigen Antheil. und schreibt beiden verschiedene Empf\u00e4nglichkeit gegen Atropin zu. Kleine Dosen Atropin w\u00fcrden nur den nerv\u00f6sen l\u00e4hmen, und w\u00fcrden gr\u00f6ssere Dosen Pilocarpin dann immerhin den dr\u00fcsigen Theil noch reizen k\u00f6nnen, bliebe dann aber, unserer Angabe entgegen, die Nervenreizung auch weiterhin erfolglos. Vgl. Rossbach, Arch. t. d. ges. Physiol. XXL S. 1\u201436. 1880.","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430 Luchsinger, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. S.Abschn. Scbweissabsonderg.\nv\u00f6llig unsch\u00e4dlich; ebenso l\u00e4sst das Chloral selbst in t\u00f6dlichen Dosen die Erregbarkeit der Schweissdr\u00fcsen fast ungeschw\u00e4cht; auch Curare l\u00e4hmt nicht in Dosen, welche die motorische Leitung selbst f\u00fcr st\u00e4rkste Reize unterbrechen. Dagegen scheint Morphium in grosser Dose die Erregbarkeit bedeutend zu sch\u00e4digen. (Luchsinger.)\nV. Die Ver\u00e4nderungen der Dr\u00fcsen w\u00e4hrend ihrer Tli\u00e4tigkeit.\nErst in j\u00fcngster Zeit wurde von Renaut 1 eine anatomische Ver\u00e4nderung berichtet.\nBei ruhenden Pferden seien die cylindrischen Zellen regelm\u00e4ssig hell mit grundst\u00e4ndigem, nach mehrst\u00fcndigem Schwitzen aber gra-nulirt mit in die Mitte gelagertem Kern.\nThermische Erscheinungen sind noch nicht untersucht.\nGalvanische Ver\u00e4nderungen sollen unten im Zusammenh\u00e4nge mit dem an andern Dr\u00fcsen Beobachteten vorgef\u00fchrt werden.\no\nVI. Zum Verlauf der Sehweissnerveu.\nIn ihrem peripheren Endst\u00fccke sind die Schweissfasern allgemein gr\u00f6sseren Nervenst\u00e4mmen zugesellt, f\u00fcr die Vorderpfote der Katze dem N. mediauus und ulnaris, f\u00fcr die Hinterpfote dem N. ischiadicus, f\u00fcr die Gesichtsnerven des Pferdes und des Schweines Aesten des N. trigeminus.\nAber es fragt sich, ob diesen Fasern auch von Hause aus gleicher Ursprung zukommt, oder ob nicht auch f\u00fcr die Sehweissnerveu wie f\u00fcr die Gef\u00e4ssnerven noch ganz andere Innervationsquellen existiren.\nDie Methoden der Reizung und Durchschneidung einzelner Nerven m\u00fcssen auch hier entscheiden.\nDie Untersuchung aber wird sich auf alle \u00fcberhaupt zug\u00e4nglichen Hautgebiete zu erstrecken haben, da sehr wohl f\u00fcr verschiedene Gegenden differentes Verhalten zu erwarten steht.\nDen folgenden Angaben liegen vornehmlich Untersuchungen \u00fcber die Innervation der Katzenpfote und des Schweiner\u00fcssels zu Grunde.\n1. Die Schweissncrven der Katzenpfote.\na) Der sympathische Verlauf. Durchschnitt ich1 2 einer Katze das Lendenmark in der H\u00f6he des letzten Brustwirbels und\n1\tRenaut, Gaz. m\u00e9d. de Paris. 1878. p. 295. Vgl. auch noch J. Ott, Journ. of physiol. IL S. 42\u201466. 1879; die tb\u00e4tige Dr\u00fcse sei durch Carmin leichter zu f\u00e4rben, doch w\u00e4ren beweisendere Controlversuche zu w\u00fcnschen.\n2\tLuchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 372. 1876.","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"Ver\u00e4nderungen w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit; Verlauf der Schweissnerven.\n431\nexstirpirte darauf das hintere St\u00fcck Centralmark g\u00e4nzlich, so trat gleichwol durch Hitze wie Dyspnoe noch starkes Schwitzen auf den Hinterpfoten auf, fand ebenso Adamkiewicz l sensible Reizung des Vorderthieres von gleicher Wirkung begleitet. Also m\u00fcssen hier noch besondere nerv\u00f6se Nebenwege existiren, dies sind die sympathischen Bahnen.\nDenn durchschnitt ich nun auch noch den Bauchstrang, dann versagte jede Wirkung centraler Reize vollkommen, trat aber umgekehrt in eigenen Versuchen, wie in jenen von Nawrocki und Ostrou-mow starke Secretion wieder auf bei k\u00fcnstlicher Reizung der sympathischen Fasern2 3. Gefahren vor Stromesschleifen auf den benachbarten H\u00fcftnerven waren dabei sicher gen\u00fcgend Vermieden ; diess bezeugte gewiss das Ausbleiben jeglicher Muskelzuckung.\nGanz \u00fcbereinstimmende Verh\u00e4ltnisse fanden gleichzeitig Nawrocki und ich an den VorderpfotenL Reizung des Bruststranges dicht unterhalb des Sternknotens machte starke Secretion, aber durchaus keine Muskelzuckung. Vulpian und Ott best\u00e4tigten dies.1'\nDoch diese sympathischen Fasern benutzen den Grenzstrang als blossen Durchgang; ihr eigentlicher Ursprung ist im R\u00fcckenmark.\nSpeziellere Versuche ergaben mir die drei unteren Brust-, die vier oberen Lendenwurzeln als Quellen des Bauchstranges; w\u00e4hrend Vulpian nur die zwei ersten Lendenwurzeln wirksam findet, sich aber damit in directen Widerspruch zu der Eingangs citirten Erfahrung stellt. F\u00fcr die sympathischen Fasern der Vorderpfote fand Nawrocki die IV. Dorsalwurzel als Ursprung4.\nb) Zur Existenz direct er Bahnen. Hier fehlt noch befriedigende Uebereinstimmung. Denn w\u00e4hrend Adamkiewicz und Vulpian gerade f\u00fcr den directen Verlauf in den Stammfasern als der wesentlichsten Quelle der Schweissnerven einer Pfote eintreten5 6, l\u00e4ugnet Nawrocki solchen auch in erneuter Untersuchung immer noch vollkommen und hindern mich nur wenige F\u00e4lle, auch jetzt wie fr\u00fcher unbedingt mit diesem Forscher zu stimmen0. Die sym-\n1\tAdamkiewicz, Die Secretion des Schweisses. S. 53. 54. Berlin IS7S.\n2\tLuchsinger a. a. 0. \u2014 Ostroumow in Jakresber. von Ho\u00f6mann & Schwalbe 1876. \u2014Nawrocki, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878. Nr. 1.\n3\tVgl. Nawrocki, Centralbl. f. d. med.Wiss. 1878. Nr. 2. \u2014 Luchsinger, ebenda. I87v Nr. 3; Arch. f. d. ges. Physiol. 187s. XVI. S. 545. \u2014 Vulpian, Compt. rend. LXXXVI. p. 1434. \u2014 Ott, Journ. of Physiol. IL p. 42. 1870.\n4\tVgl. L., Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 373. 1876. \u2014 Vulpian* Compt. rend. LXXXVI. p. 1308. 1878. \u2014 Nawrocki, Centralbl. f. d. med. AViss. 1878. Nr. 2.\n5\tAdamkiewicz, a. a. 0. S. 51.\u2014 A'ulpian, Compt. rend. LXXXA7!. p. 1233,1308, 1334. 1878.\n6\tA7gl. Luchsinger, Arch. f. d.ges. Physiol. XIV. S.372. 1876 : XAN. S. 545.1878; XA\u2019III. S. 4S3. 1878; Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878. Nr. 3. \u2014 Nawrocki. ebenda.\n1878. Nr. I. 2. 40.","page":431},{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"432 Luchsixger, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. 8. Abschn. Schweissabsonderg.\npathischen Bahnen fand ich stets von kr\u00e4ftiger Wirkling; nur eine kleine Minorit\u00e4t eigner, neuer Versuche zwingt mich, jetzt wenigstens auch die M\u00f6glichkeit directen Verlaufes anzuerkennen.\nDiese Verschiedenheit der Resultate h\u00e4ngt offenbar mit dem verschiedenen Werth der angewandten Methoden zusammen.\nDie erstgenannten Untersucher bedienten sich entweder ausschliesslich, oder doch ganz vorz\u00fcglich k\u00fcnstlicher, electrischer Reizung.\nDer Uebergang wirksamer Stromesschleifen auf den so benachbarten, schon sympathische Fasern f\u00fchrenden PL ischiadicus liegt aber bei Reizung des gesummten Sacralmarkes auf der Hand ja auch die Versuche von Vulpian1 2 mit Reizung einzelner Wurzeln bleiben keineswegs frei von solchem Verdacht.\n(Vulpian hatte so die letzte Lendenwurzel und erste Sacral Wurzel vorz\u00fcglich wirksam gefunden.)\nDoch ganz abgesehen von meinen eigenen Reizversuchen, die fast ausschliesslich ein negatives Resultat ergaben, fallen hier die beinahe v\u00f6llig \u00fcbereinstimmenden Aussagen der L\u00e4hmungsversuche von Nawrocki und mir schwer ins Gewicht.\nIn der That, exstirpirte ich den Bauchstrang einer Seite in der H\u00f6he des VII. Lendenwirbels, nat\u00fcrlich mit peinlichster Schonung des Plexus ischiadicus, so trat in zahlreichen F\u00e4llen weder durch Hitze noch durch Dyspnoe Schwitzen auf jener Pfote auf, obschon die anderen Pfoten gutes Schwitzverm\u00f6gen bewiesen und das Thier im Gebrauch seiner Glieder durchaus Nichts verloren hatte. \u2014 Nur zweimal war dagegen allerdings trotz gelungener Operation noch Schwitzen zur\u00fcckgeblieben. Ebenso konnte ich in entsprechenden Versuchen an den Vorderpfoten nach Exstirpation des Sternknotens nur einmal noch Fortdauer des Schwitzens beobachten. Ja in Naw-rocki\u2019s Versuchen war geradezu stets jegliche Wirkung verschwunden, sowie nur die sympathischen F\u00e4den durchtrennt waren, w\u00e4hrend auch hier die anderen Pfoten noch ungeschw\u00e4chtes Schwitzverm\u00f6gen bekundeten.\nDie Wirksamkeit der intacten Pfoten bezeugt doch eine vitale Erregbarkeit der Sch weissfasern aufs Beste ; f\u00e4llt also nach sauberer Durchschneidung eines bestimmten Nerven gerade nur an der entsprechenden Pfote central erregtes Schwitzen aus, so ist damit die ausschliessliche Bahn der Secretionsfasern in jenem Nerven jedenfalls deut-lichst erwiesen. Fehlerquellen f\u00fcr einigermassen sauber ausgef\u00fchrte\n1\tVgl. Adamkiewicz, Die Secretion des Schweisses S. 51. Berlin 1STS.\n2\tVulpian, Compt. rend. LXXXVI. p. 1308. 1878.","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"Verlauf der Schvrcissnerven.\n433\nL\u00e4hmungs versuche sind mir nicht ersinnlich ; aber auch die Reizversuche k\u00f6nnte man von dem Verdachte miterregter Sympathicuszweige befreien. In der That, l\u00e4sst Naaveocki vorerst die durchschnittenen sympathischen F\u00e4den degeneriren, so ist nach wenigen Tagen weder Reizung des Hiiftnerven noch der Armnerven mehr wirksam ; offenbar ein bester Beweis, dass in jenen F\u00e4llen wenigstens s\u00e4mmtliche Sch weissnerven in den nun unerregbar gevrordenen sympathischen Bahnen sich befanden.\n2. Die Sehweissnerven der R\u00fcsselseheibe vom Schwein.\nReizung des peripheren Stumpfes vom durchschnittenen X. infra -orbitalis ist von ausgezeichnetem Erfolge begleitet; dagegen fand ich1 2 Reizung des X. facialis nach seinem Austritt aus dem Foramen stylo-mastoideum ohne irgend Avelehe secretorische Wirkung.\no\to\nReizt man den Halsstrang des X. sympathicus oder auch jenen von unten her in den Sternknoten eintretenden Faden des Bruststranges, so tritt ebenfalls starke Secretion auf, verschwindet diese aber mit der Durchschneidung des N. infraorbitalis.\nDamit stammt also jedenfalls ein grosser Theil der Sch weissfasern f\u00fcr die R\u00fcsselscheibe aus dem Bruststrang des Sympathicus -, und gesellt sich den Trigeminusfasern erst nachtr\u00e4glich zu, es w\u00fcrde sich fragen, ob jene sympathischen Schweissfasern nicht etAva \u00fcberhaupt die einzigen w\u00e4ren, die der Trigeminus besitzt.\nHat man den X. infraorbitalis einer Seite durchschnitten, und regt nun durch Erstickung oder Reflexe centrale Reizung an, so sieht man auf jener Seite keine Secretion mehr erfolgen, w\u00e4hrend die gesunde kr\u00e4ftig schwitzt.\nMacht man gleiche Versuche an Thieren, denen nur der Halsstrang durchschnitten ist, so bleibt in manchen F\u00e4llen der Effect vollkommen der gleiche, tritt dagegen bei anderen Thieren deutliche, wenn auch schwache Secretion noch auf, selbst wenn auch noch das Ggl. cervicale supremum exstirpirt worden ist.\nMan h\u00e4tte sich also auch noch nach direct verlaufenden Fasern n\u00e4her umzusehen.\nEinige Reizversuche machten mir Avahrscheinlich, dass sich solche schon von Hause aus im Trigeminus befinden.\n1\tVgl. Luchsinger. Tage\u00fcl. d. 52. deutsch. Naturforschervers. in Baden-Baden\n1879.\n2\tHeber ihre weitere Herkunft vgl. unten die entsprechenden Verh\u00e4ltnisse bei den Flotzmauldr\u00fcsen.\nHandbuch der Physiologie. Bd. AT\t28","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"434 Luchsinger, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. S. Abschn. Schweissabsonderg.\n3. Die Nerven der Gesichtshaut beim Pferd b\nAuch hier hat sich mir in mehreren Versuchen Reizung von Aesten des Trigeminus als besonders wirksam gezeigt die Haut war zur bessern Beobachtung der Tr\u00f6pfchen sauber rasirt , dagegen war auch hier Reizung des N. facialis g\u00e4nzlich erfolglos.\nBlosse Durchschneidung des Sympathicus rief hier ganz auffallenderweise auch schon starken Schweiss hervor, land ich also die alte Angabe von Dupuy durchaus best\u00e4tigt.\nZur Erkl\u00e4rung dieser seltsamen Erscheinung hat Yulpian die Annahme besonderer Hemmungsnerven der Schweissdrtisen aufgestellt (vgl. oben S. 426), wollte Adamkiewicz (a. a. O.) an eine lange Nachdauer der reizenden Wirkung des Schnittes glauben. W\u00fcrde man aber hier neben den sympathischen auch noch andere, direct verlaufende Schweissfasern annehmen, so d\u00fcrfte sich leicht eine befriedigende Erkl\u00e4rung ergeben.\nDie einer Durchschneidung des Halssympathicus folgende Blutf\u00e4lle bringt der Dr\u00fcse enorm viel mehr Material, setzt sie weiterhin in g\u00fcnstigste Temperaturbedingungen, durch die Aufregung des 4 hieres aber wird sicherlich eine erhebliche centrale Reizung gesetzt.\nZur definitiven L\u00f6sung der Frage sind weitere Versuche w\u00fcn-schenswertli, \u00e4ussere Gr\u00fcnde machen solche allerdings besonders schwierig.\n4. Die Schice issuer ven der Gesichtshaut beim Menschen.\nEntsprechend den Verh\u00e4ltnissen an der R\u00fcsselscheibe des Schweines und der Gesichtshaut des Pferdes d\u00fcrften auch hier zweierlei Bahnen, directe und sympathische anzunehmen sein.\nDie F\u00e4lle von partieller Hyperidrosis und Anidrosis d\u00fcrften hier einigen Anhalt geben 1 2.\nGanz entsprechend dem alten D\u00fcPuv\u2019schen Versuche finden wir bei frischer Sympathicusl\u00e4hmung Neigung zum Schwitzen auf der l\u00e4dirten Seite, in alten F\u00e4llen dagegen aber fast v\u00f6llige Unf\u00e4higkeit zu dieser Secretion.\nDie Hyper\u00e4mie der ersten Stadien, die starke Contractin' der Gef\u00e4sse in sp\u00e4terer Zeit m\u00f6gen hier zur Erkl\u00e4rung heranzuziehen sein.\nDer periphere Verlauf d\u00fcrfte auch hier in den Bahnen des Trigeminus zu finden sein.\n1\tL., nicht publicirte Untersuchung.\n2\tVgl. Nitzelnadel, Dissert. Jena 1S67. \u2014 Nicati, Dissert. Z\u00fcrich 18<3.","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"Verlauf der Schweissnerven ; centrale Innervation.\n435\nEinige Reizversucbe von Adamkiewicz (a. a. 0.) am intacten Menschen sollten den Facialis als Hanptschweissnerv des Gesichtes feststellen, wegen der absoluten Unm\u00f6glichkeit isolirter Reizung k\u00f6nnen solche Versuche aber nat\u00fcrlich Nichts beweisen.\nVII. Zur centralen Innervation.\nDer schweisstreibende Einfluss psychischer Erregungen war schon den \u00e4ltesten Zeiten bekannt. Schon blosses Aufbinden der Thiere auf das Versuchsbrett l\u00e4sst erhebliche Secretion auftreten (A n g s t s c h w e i s s). Damit ist ein m\u00e4chtiger Einfluss des Grosshirns auf die centrale Erregung der Schweissnerven augenf\u00e4llig. Will man also durch Thierversuche die schweisserregende Wirkung irgend eines Agens experimentell untersuchen, so ist vor Allem solch * tr\u00fcbender Einfluss der Psyche fernzuhalten, der Versuch mit einer Abtrennung des R\u00fcckenmarkes zu er\u00f6ffnen.\nDenn die R\u00fcckenmarksnerven finden schon im R\u00fcckenmarke selbst ihr n\u00e4chstes physiologisches Centrum (Legallois, Volkmann, Pfl\u00fcger, Goltz). In der That auch f\u00fcr die Schweissnerven des Rumpfes ist das R\u00fcckenmark ein n\u00e4chster vitaler Erregungsherd (Luchsinger, I. 2. 3.; Adamkiewicz a. a. 0.). Re fleet or i sell e Erregung \u2019, gleichwie Aenderungen in der Blutbeschaffenheit durch Hitze1 2 und Erstickung2 werden auch vom blossen R\u00fcckenmarke mit Secretion erwidert, ganz entsprechend wirkt eine Reihe von Giften: Strychnin, Pikrotoxin2, Nicotin2, Pilocarpin3 reizend auf diese spinalen Schweisscentren ein.\nDurchtrennen wir einer jungen4 5 Katze in k\u00fcnstlicher Respiration das R\u00fcckenmark dicht unter der Med. oblongata \u2019; halten wir darauf die Respiration an, so sehen wir oft schon nach einer Minute, fast ausnahmslos aber im Verlauf der zweiten oder dritten Schweiss auf allen Pfoten erscheinen, deren Schweissnerven intact; und wird die\n1\tVgl. L., Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 377. 1876 und Adamkiewicz S. 50, 51 seiner Schrift. Doch ist von diesem Autor in den Versuchen an den Hinterpfoten der Angstschweiss keineswegs gen\u00fcgend ausgeschlossen, und in den Versuchen an den Vorderpfoten vielleicht mehr Suffocation wie reflectorische Erregung im Spiele, da von k\u00fcnstlicher Respiration Nichts gesagt wird.\n2\tVgl. L., Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 377. LS76; ebenda XVI. S. 537\u2014544.\n1S 7 S.\n3\tL., ebenda. XV, S. 485. L77 Leber die bei den auch peripher wirksamen Giften n\u00f6thige Vorsicht vgl. oben S. 420.\n4\tJunge Thiere leiden viel weniger von der chocartigen Wirkung des Schnittes.\n5\tEntweder direct oder noch besser nach vorhergehender Unterbindung der vier Halsarterien; vgl. Mayer & J. J. Friedrich. Arch. f. exper. Pathol. V. S. 55\u201485. 1875; sowie L.. Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 375. 1876.","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436 Luchsinger, Physiol, cl. Absonderungsvorg\u00e4nge. S. Absehn. Schweissabsonderg.\nSecretion mit Wiederaufnahme der Athmung in der Regel anfangs noch erheblich verst\u00e4rkt. Ott, aber weniger h\u00e4ufig sind auch sensible Reize im Stande, gleichfalls Absonderung hervorzurufen. Aber stets zeigte sich Pikrotoxin in gr\u00f6sserer Dosis von vorz\u00fcglichem Erfolge begleitet.\nIn gleicher Art, aber mit noch besserer Aussicht auf Erfolg l\u00e4sst sich die spinale Innervation f\u00fcr die blossen Hinterpfoten beweisen.\nDenn hier haben wir nicht schon sofort nach der eingreifenden Operation den Versuch zu beginnen, wir k\u00f6nnen die erste Zeit verstreichen lassen, bis die Chocwirkung des Schnittes sich abgeglichen hat.\nDurchschneiden wir einer jungen Katze das R\u00fcckenmark in der H\u00f6he des IX. Brustwirbels, \u2014 bis zum X. reichen ja die spinalen Wurzeln f\u00fcr die Schweissnerven der Hinterpfoten (s. o. S.431) \u2014 so ist allerdings auch hier meist schon sofort durch Hitze wie Dyspnoe Secretion an den Hinterpfoten zu erzielen, aber der Erfolg wird noch wesentlich besser, wenn wir noch zwei bis drei Tage warten, bis auch das Reflexverm\u00f6gen des Hinterthieres sich wieder gekr\u00e4ftigt.\nBios auf die Hinterpfote beschr\u00e4nkte Versuche erm\u00f6glichen aber weiterhin, die directe Reizwirkung von Hitze und Dyspnoe auf die graue Masse des R\u00fcckenmarkes zu beweisen, es w\u00e4re ja immerhin auch eine nur reflectorische Wirkungsweise dieser Agentien denkbar. Aber der Versuch gelang mir noch nach Durchschneidung aller hintern Wurzeln des abgetrennten Markes, versagte erst mit v\u00f6lliger Zerst\u00f6rung desselben1.\nDoch keineswegs unbestritten blieben diese Versuche. Denn Naavrocki sowohl wie Marm\u00e9 fanden Anfangs wenigstens die besprochenen Mittel g\u00e4nzlich unwirksam, sobald das R\u00fcckenmark von dem verl\u00e4ngerten getrennt war'2 3.\nAllein schon jede einzelne jener centralen Functionen des R\u00fcckenmarks hat mannigfachste Angriffe erfahren. Nicht-Eintreten der untersuchten Leistung nach Durchschneidung des R\u00fcckenmarkes war oft Grund genug den Sitz vitaler Erregung in Puncte oberhalb des Schnittes, zumeist in Herde des verl\u00e4ngerten Markes zu verlegen. Auf den hier waltenden Fehler hat bekanntlich Goltz 3 zuerst mit Nachdruck hingewiesen. Denn der durch das Centralnervensystem\n1\tVgl. Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 37S. 187(1: in theoretischer Beziehung auch Rosenthal, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1865. S. 191.\n2\tVgl. Nawrocki, Centralbl. f. tl. med. Wiss. 1878. Nr. 2. \u2014 Marm\u00e9, a. a. O.\n3\tGoltz. Arch. f. d. ges. Physiol. VIII. S. 460\u2014498. 1873.","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"Centrale Innervation; Orte derselben.\n437\ngef\u00fchrte Schnitt bewirkt nicht nur Trennung, sondern f\u00fcr die n\u00e4chste Zeit auch einen ohnmacht\u00e4hnlichen Zustand der getrennten Theile.\nWir m\u00fcssen also diese erste Zeit vor\u00fcbergehen lassen oder dann m\u00f6glichst starke Reize anwenden, um selbst zu Beginn ein positives Ergebniss erwarten zu d\u00fcrfen.\nIn der That erfahre ich erst neulich noch von Marm\u00e9 in brieflicher Mittheilung von dem nunmehrigen Gelingen seiner Versuche, man m\u00fcsse die Thiere nur lange genug ersticken, nur stark genug erhitzen.\nAuch von Nawrocki 1 werden in einer sp\u00e4teren Mittheilung, allerdings neben einer grossen Reihe negativer, nun auch einige positive Erfolge anhaltender Erstickung berichtet.\nDamit scheint nun gegenw\u00e4rtig die Existenz spinaler Schweiss-centren von allen Untersuchern \u00fcbereinstimmend dargethan; und wenn nun auch in neuester Darstellung Nawrocki1 2 3 f\u00fcr eine Reihe von Giften, f\u00fcr Campher, Ammoniak, Physostigmin, ja auch f\u00fcr Pikrotoxin Wirkungen vom blossen R\u00fcckenmark wiederum leugnet, so bleibt doch auch hier ein positives Resultat bei gr\u00f6sserer Dosis und besserer Erregbarkeit des R\u00fcckenmarkes zu hoffen, stossen aber jedenfalls auch alle weiteren negativen Befunde von Nawrocki dessen eigene, allerdings nicht sehr zahlreiche positive Beobachtungen keineswegs um.\nF\u00fcr das Misslingen der Versuche sind wohl eine Reihe von M\u00f6glichkeiten denkbar, dagegen kenne ich keine Fehlerquellen, die ein positives Resultat nur Vort\u00e4uschen k\u00f6nnten.\nNach allen Analogien scheint auch f\u00fcr die spinalen Sehweiss-centren ein zusammenfassendes, allgemeineres Centrum in der Med. oblongata zu existiren x Aber es fehlen zur Zeit noch vorwurfsfreie Versuche, die sich auf dasselbe bez\u00f6gen. \u2014\n1\tNawrocki, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878. Nr. 40.\n2\tN., ebenda. 1879. Nr. 19.\n3\tYgl. L., Arch. f. d. ges. Physiol. XYI. S. 510. 1878. \u2014 AdAMKiEwicz, a. a, 0. S. 56. 1S78. \u2014 YuLriAN, Compt. rend. LXXXYI. p. 1233. 1878.","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438 Luchsinger, Physiol, d Absonderungsvorg\u00e4nge. S.Abschn. Sehweissabsonderg,\nZWEITES CAPITEL.\nEinige verwandte Absonderungen bei Tliieren.\ni. Die Secretion der Flotzmauldriisen.\nAn der Nase und Oberlippe der Wiederk\u00e4uer, des Hundes und der Katze findet sieb eine in vielen Beziehungen der Schweiss-secretion verwandte Absonderung. Deren Quelle ist aber ein massiges Lager traubiger Dr\u00fcsen.\nDas Secret ist wasserklar, nicht fadenziehend, bald schwach, bald stark alkalisch.\nZu Versuchen eignen sich ganz besonders j u n g e Z i e g e n. Hitze, Dyspnoe, sensible Reizung, psychische Erregung beschleunigen die Secretion; versagen aber diese Mittel v\u00f6llig, sowie wir die Nn. infra orbital is und nasal is ex tern us durchschnei-den; w\u00e4hrend directe Reizung dieser Nerven wieder starke Absonderung hervorruft. G\u00e4nzlich unwirksam ist dagegen Reizung des N. facialis ausserhalb des foramen stylo-mastoideum.\nDer Verlauf der Secretionsfasern ist zu grossem Theil, oft ausschliesslich ein sympathischer, in andern F\u00e4llen sind daneben auch directe, cerebrale Fasern vorhanden. Dieselben geh\u00f6ren mit grosser Wahrscheinlichkeit dem Trigeminus schon von Hause aus zu.\nAuch hier ist im R\u00fcckenmark der Ursprung der sympathischen Bahnen. Die II., III., IV. vordere Brustwurzel sind deren Quellen. Ganz im Einklang mit jener schon oben entwickelten Auffassung findet sich dann auch im oberen Brustmarke das n\u00e4chste physiologische Centrum dieser Nerven. Denn auch vom blossen R\u00fcckenmarke aus ist sowohl durch Hitze wie Dyspnoe und sensible Reizung m\u00e4chtige Secretion zu erregen, solange nur der Sympathicus intact ist.\nGiften gegen\u00fcber zeigt sich \u2014 soweit untersucht (Chloral, Curare, Atropin, Pilocarpin) \u2014 ein den Schweissdr\u00fcsen vollkommen gleiches Verhalten.\nUeber die galvanischen Erscheinungen w\u00e4hrend ihrer Th\u00e4tigkeit vgl. unten S. 445; andere active Ver\u00e4nderungen sind noch nicht untersucht (Luchsinger) b\n1 Luchsinger. Ta^ehl. d. Naturforschervers. in Baden-Baden 1ST9.\n/ o","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"Secretion der Flotzmauldr\u00fcsen : Hautdr\u00fcsen der Amphibien.\n439\nII. Die Hautdr\u00fcsen der Amphibien.\nAnatomisches1 2. Sehen wir von spezielleren Verh\u00e4ltnissen ab, so kommen wesentlich zwei Arten von Dr\u00fcsen vor, die durch feineren Bau, gleichwie durch Beschaffenheit ihres Secrets sich wesentlich von einander unterscheiden: die grossen K\u00f6rnerdr\u00fcsen, die bedeutend kleineren Schlei m d r \u00fc s e n.\nIn der Form \u2014 dickbauchige, kurzhalsige Flaschen \u2014 wie in oberfl\u00e4chlicher Lagerung stimmen beide \u00fcberein. Aber das Lumen der erstem ist mit zahllosen, stark lichtbrechenden K\u00f6rnchen erf\u00fcllt, das der andern mit wasserklarer, schleimiger Fl\u00fcssigkeit.\nDie grossen Dr\u00fcsen besitzen eine starke Muskelh\u00fclle, bei den kleineren ist oft nur mit M\u00fche ein d\u00fcnner, contractiler Belag zu demonstriren. Bis zu diesen Muskeln hin sind auch Nervenfasern verfolgt -, aber ein Zusammenhang mit dem secernirenden Epithel nicht bekannt. Das Vorkommen der beiderlei Dr\u00fcsen ist wesentlich different; die Schleimdr\u00fcsen finden sich dichtgedr\u00e4ngt auf der ganzen Haut; die K\u00f6rnerdr\u00fcsen dagegen vorz\u00fcglich an besonderen Pr\u00e4dilectionsstellen: in den Seitenw\u00fclsten, an der dorsalen Unterschenkelhaut der Fr\u00f6sche; in der R\u00fcckenlinie, in der sog. Parotis der Molche.\nSchon 1849 sah Eckhard3 4 an den grossen Dr\u00fcsen der Kr\u00f6te einer Reizung vorderer R\u00fcckenmarkswurzeln Ausspritzen milchigen Secretes folgen, wie er meint, als einfache V irkung der contraetilen H\u00fclle; hatte schon fr\u00fcher Asciierson4 in der Schwimmhaut des Frosches auf ein g\u00fcnstiges Object zu directer Beobachtung der Lebensvorg\u00e4nge an secretorischen Elementen aufmerksam gemacht; verfolgte aber erst 1872 Engelmann5 in solcher Weise bei den kleinen Dr\u00fcsen Einfl\u00fcsse verschiedenster Art.\nReizung des Ischiadicus am curarisirten Thier bewirkte kr\u00e4ftige Contraction der Muskelh\u00fclle, auch reflectorische Reize waren gut wirksam, ebenso hatte verschiedenartigste directe Erregung an Schwimmh\u00e4uten, deren Nerv Monate vorher durchschnitten, immer noch positiven Erfolg.\nAber nach Engelmann \u00fc wird durch all diese Reize die Secretion selbst nicht merklich verst\u00e4rkt, er l\u00e4sst w\u00e4hrend einer Reizung einfach schon vorhergebildeten Inhalt durch die contractile H\u00fclle ausstossen;\n1\tLeber anatomische Daten vgl. namentlich : Leydig , Lehrb. d. Histologie 1857 ; Ders.. Arch. f. Naturgesch. 1S67 : Ders., Batrachier der deutschen Fauna. Bonn ! s79. \u2014 Eberth. Unters, d. norm. u. pathol. Anat. d. Froschhaut. Leipzig 1S69, sowie Exgelmann, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 500\u2014513. 1872.\n2\tVgl. Engelmann, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 510. 1S72.\n3\tEckhard. Arch. f. Anat. u. Physiol. IS49. S. 425.\n4\tAscherson, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1S40. S. 15\u201423.\n5\tEngelmann, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 498\u2014537, VI. S. 97 \u2014 157. 1872.\n0 Engelmann, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S. 150\u2014150. 1872.","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"44\u00fc Luchsinger, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. S. Abschn. Schweissabsonderg.\nja nach seiner eigenth\u00fcmlichen electromechanischen Theorie der Secretion w\u00fcrde solche in Folge der Muskelcontraction geradezu sistirt, und w\u00e4ren die Dr\u00fcsennerven durch ihre motorischen Beziehungen zur Dr\u00fcsenwand somit f\u00f6rmliche Hemmungsnerven der in der Ruhe durch electromotorische Wirkungen der Dr\u00fcsenmuskeln unterhaltenen Absonderung l.\nUnsere an den Schweissdr\u00fcsen erlangten Kenntnisse, nicht weniger die Resultate der galvanischen Untersuchung (s. unten S. 4-12 u. flgd.) sind solcher Auffassung keineswegs g\u00fcnstig2.\nVon besonderer Bedeutung erscheint die Reaction dieser Secrete. Dieselbe d\u00fcrfte nach einer Reihe von Untersuchungen in beiderlei Dr\u00fcsen eine wesentlich verschiedene sein3.\nLegt man die R\u00fcckenhaut des Frosches auf abwechselnd ziegelartig \u00fcber einander gelagerte, rothe und blaue Lacmuspapierchen und reizt die feinen R\u00fcckennerven, so sieht man meist nur auf den rothen Papierchen blaue, nicht aber auf den blauen rothe Flecke auftreten. Dagegen zeigen die Seitenw\u00fclste gleichwie die Haut der Unterschenkel ein anderes Verhalten. Stets werden nicht nur die rothen Streifen gebl\u00e4ut, sondern auch die blauen ger\u00f6thet4.\nIn der R\u00fcckenhaut kommen nun gerade fast ausschliesslich nur die kleinen Schleimdr\u00fcsen vor. Ihr Secret reagirt also alkalisch ; dann aber m\u00fcssen die sauren Flecke von der Unterschenkelhaut und den Seitenw\u00fclsten mit den dort gerade vorz\u00fcglich vorkommenden K\u00f6rnerdr\u00fcsen Zusammenh\u00e4ngen.\no\n1\tEngelmann, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S. 150\u2014156. 1872.\n2\tAuf Engelmann\u2019s electrische Theorie der Secretion k\u00f6nnen wir hier nicht n\u00e4her eingeh en. Sie w\u00fcrde im g\u00fcnstigsten Falle nur f\u00fcr Dr\u00fcsen gelten k\u00f6nnen, die eine muskul\u00f6se H\u00fclle besitzen, aber auch f\u00fcr solche ist ihre G\u00fcltigkeit von Hermann bestritten und hat Engelmann selbst die Grundlagen durch eigene, neuere Untersuchung wesentlich ersch\u00fcttert (vgl. Hermann, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S. 555\u2014570. 1872; Engelmann, EbendaXV. S. 116\u2014148. 1877.)\n3\tUeber die \u00e4ltere Literatur vgl. nu Bois-Reymond , Untersuchungen II. 2. S. 17. I860 und Engelmann, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S 505. 1872.\n4\tVgl. Hermann, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 304\u2014307. 1878.","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"Reaction der Hautsecrete ; galvanisches Verhalten der ruhenden Dr\u00fcsen. 441\nANHANG.\nDie galvanischen Beziehungen der Dr\u00fcsen.\nDie galvanischen Beziehungen sind fast durchweg nur an Hautdr\u00fcsen n\u00e4her untersucht, die Kenntniss der Erscheinungen entwickelte sich in gewissem inneren Zusammenh\u00e4nge ; deshalb seien sie auch zusammen in besonderem Abschnitt behandelt. Das von anderen Dr\u00fcsen Bekannte l\u00e4sst sich leicht anf\u00fcgen.\nI. Der Ruhestrom der Haut und der Schleimh\u00e4ute.\nDie erste grundlegende Thatsache fand 1857 du Bois-Reymond l. Die Froschhaut zeigte sich als Sitz einer von Aussen nach Innen gerichteten electromotorischen Kraft. Er selbst schloss schon auf eine vitale Quelle der Erscheinung. Denn w\u00e4hrend indifferente B\u00e4usche den Strom auf lange bestehen Hessen, vernichtete eine Ableitung durch \u00e4tzende Mittel denselben \u00e4usserst rasch.\nOffenbar ist die Dr\u00fcsenschicht der Sitz dieser electromotorischen Kraft. Abkratzen der oberfl\u00e4chlichen Hautlage l\u00e4sst den Strom verschwinden; noch mehr, die Hautstr\u00f6me fehlen in der so \u00e4usserst dr\u00fcsenarmen Haut vieler Fische2.\nGleiche, d. h. ebenfalls von Aussen nach Innen, von dem Ausf\u00fchrungsgang nach dem Dr\u00fcsengrund gerichtete Str\u00f6me sind in der Folge von Rosenthal3 am Magen und Darm, von Engelmann4 5 6 an der Rachenschleimhaut, von Hermann & Luchsinger3 an der Zunge des Frosches gefunden worden. Eine Erkl\u00e4rung dieser Ruhestr\u00f6me fehlt.\nHermann \u00fc deutet bei Gelegenheit seiner Beobachtung, dass die Se-cretionsstr\u00f6me der Haut gleiche Richtung wie der Ruhestrom haben (s.\n1\tE. du Bois-Reymond, Unters. II. 2. S. 7\u201422. I860; auch in Moleschott\u2019s Unters. 1857.\n2\tE. du Bois-Reymond. Unters. II. 2. S. 17. 1860.\n3\tRosenthal, Arch. f. Anat. u. Physiol. I 865. S. 301.\n1 Engelmann, Gentralbl. f. d. med. Wiss. 1868. S. 465.\n5\tHermann & Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 460. 1878.\n6\tHermann, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 302. 1878.","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442 Luchsinger. Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. S. Absclin. Schweissabsonderg.\nunten), die M\u00f6glichkeit an, dass auch letzterer ein Secretionsstrom ist, d. h. auf gewissen, die Secretion vorbereitenden Processen beruht, die schon in der Ruhe vor sich gehen und w\u00e4hrend der Reizung sich einfach verst\u00e4rken. Die fr\u00fcher von Engelmann 1 versuchte Reduction der Haut-str\u00f6me auf einfache Muskelstr\u00f6me der Drtisenhillle d\u00fcrfte von ihrem Autor jetzt wohl kaum mehr aufrecht erhalten werden, w\u00e4re zudem f\u00fcr die muskelfreien Dr\u00fcsen doch noch eine andere Erkl\u00e4rung n\u00f6tliig.\nAuch an der Haut der Warmbl\u00fcter fand du Bois-Reymond 2 3 zuerst electromotoriscke Wirkungen ; er erkannte ein nahezu gleiches Verhalten symmetrischer, ein verschiedenes Verhalten verschiedener Hautstellen, er untersuchte die Einfl\u00fcsse der Temperatur, der Dehnung, des ungleichzeitigen Eintauchens u. s. w. ; aber er verzichtete wiederholt \u201eauf eine Erkl\u00e4rung in dem Labyrinth der menschlichen Hautstr\u00f6meu.\nSolche scheint jedenfalls nicht aus einem einfachen Principe zu folgen. Die nunmehr erwiesenen Actionsstr\u00f6me der Schweissdriisen (s. unten S. 443) sind jedenfalls in vielfachen F\u00e4llen mitbetheiligt1'*; in anderen, den sog. Ungleichzeitigkeitsstr\u00f6men, d\u00fcrften Fl\u00fcssigkeitsketten eine wesentliche Rolle spielen, denn diese Str\u00f6me verhalten sich verschieden je nach der Natur der ableitenden Fl\u00fcssigkeit; doch muss auch hier erneute, eingehende Untersuchung entscheiden.\nII. Die galvanischen Ver\u00e4nderungen w\u00e4hrend der Tli\u00e4tigkeit\nder Dr\u00fcsen.\n/. Die Seeretionsstr\u00f6me der Froschhaut.\nDie ersten Untersuchungen \u00fcber die Wirkung der Nervenreizung auf den Hautstrom wurden an der Unterschenkelhaut des Frosches von Roebee4 5 unter Rosenthal\u2019s Leitung angestellt. Derselbe sah als Effect der Reizung meist negative, hin und wieder \u2014 anscheinend als Ausnahmen \u2014 aber auch positive Schwankungen des Stromes ; am gleichen Objecte sah auch Engelmann 5 negative Schwankung, meist aber starke positive Nachwirkung. Nach Analogie der negativen Schwankung- des ruhenden Muskel- und Nervenstromes schienen diese\n1\tEngelmann. Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S. 97\u2014103. 1872; dagegen aber auch ebenda XV. S. 116 \u2014 148.1877.\n2\tdu Bois-Reymond, Unters. II. 2. S. 187\u2014275. 1860.\n3\tVgl. Luchsinger. Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 478\u20144S3. 187S.\n4\tRoeber, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1869. S. 633.\n5\tEngelmann, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S. 126\u2014144. 1S72.","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"Galvanische Ver\u00e4nderungen w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit der Dr\u00fcsen.\n443\nBeobachtungen v\u00f6llig in der Ordnung, und die positiven Ausschl\u00e4ge erschienen als die Folge fremder, st\u00f6render Einfl\u00fcsse.\nHermann 1 unterwarf diesen Gegenstand einer erneuten Untersuchung, nachdem er bez\u00fcglich jener negativen Schwankungen zu einer wesentlich anderen Anschauung gelangt war (vgl. Bd. I. und II. dieses Handbuchs). Er w\u00e4hlte als Object in erster Linie die R\u00fcckenhaut des Frosches (zwischen den beiden Seitenw\u00fclsten), deren Nervenf\u00e4den mit einem medianen St\u00fcck der Wirbels\u00e4ule in Verbindung blieben. Es fand sich als Wirkung der Nervenreizung fast ausnahmslos ein kr\u00e4ftiger, von aussen nach innen gerichteter (einsteigender), also dem Ruhestrom gleichsinniger Secretionsstrom.\nAber auch in Versuchen an der Unterschenkelhaut war sehr h\u00e4ufig ebenfalls rein positive Schwankung vorhanden, in vielen F\u00e4llen jedoch ging ein schwacher negativer Vorschlag voran, ja \u2014 allerdings h\u00f6chst selten \u2014 wurde auch rein negative Schwankung bemerkt.\nUm die beiden Richtungen des Secretionsstromes und ihre Verschiedenheit an verschiedenen Hautstellen zu erkl\u00e4ren, macht Hermann auf die M\u00f6glichkeit aufmerksam, dass die beiden Richtungen verschiedenen Dr\u00fcsengattungen angeh\u00f6ren, n\u00e4mlich der einsteigende Secretionsstrom den kleinen, \u00fcberall gleichm\u00e4ssig vertheilten Schleimdr\u00fcsen, der aussteigende den gr\u00f6sseren, ungleichm\u00e4ssig vertheilten Dr\u00fcsen. Im mittleren R\u00fcckenblatt sind bei Rana esculenta die erste-ren fast ausschliesslich vorhanden, w\u00e4hrend an anderen Hautstellen, besonders in den Seitenw\u00fclsten, auch letztere reichlich Vorkommen. Da das Secret des R\u00fcckens von Hermann rein alkalisch, das anderer Hautstellen sauerfleckig gefunden wurde, so ist es nach Hermann\u2019s Ansicht m\u00f6glich, dass die Richtung des Secretionsstromes mit der Reaction des Secrets der Dr\u00fcsengattung in tieferem Zusammenhang steht, d. h. dass die alkalisch secernirenden Dr\u00fcsen mit einsteigen-dem Secretionsstrom begabt sind '-.\nDiese Auffasung wird nun wesentlich unterst\u00fctzt durch Versuche an Warmbl\u00fctern. Denn auch hier sehen wir w\u00e4hrend der Th\u00e4tig-keit der alkalisch secernirenden Schweissdriisen und Flotzmauldr\u00fcsen eine gleiche Entwicklung einsteigend gerichteter Str\u00f6me.\n! Herm ann. Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 291\u2014310. 187S.\n2\tBei dieser Vermutliung ist keineswegs nur an grob clectrochemische Wirkungen von Fl\u00fcssigkeitsketten zu denken: deren Bedeutung ist wohl eine sehr nebens\u00e4chliche (vgl. unten Schweissdriisen). vielmehr d\u00fcrften in den Dr\u00fcsen selbst mit der Bildung verschieden reagirenden Secretes auch physikalisch verschiedenartige Processe sich abspielen und deren Folge erst w\u00e4ren die wahrgenommenen Str\u00f6me.\n3\tVgl. Tr\u00fcmpy & Luchsinger. Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 494. 1S7>.","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444 Luchsinger, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. S. Abschn. Schweissabsonderg.\n2. Der Seerelionsstrom der Schweissdr\u00fcsen.\nDie Vermuthung Hermann\u2019s, dass auch die Haut der Warmbl\u00fcter einen von aussen nach innen gerichteten Secretionsstrom zeigen w\u00fcrde (Hermann glaubte in diesem Verhalten die Erkl\u00e4rung des bekannten du Bois\u2019schen Willk\u00fcrversuchs zu finden, dessen Ableitung von muscul\u00e4ren Actionsstr\u00f6men er widerlegt hatte L,' best\u00e4tigte sich sofort in folgenden Versuchen von Hermann & Luchsinger 1 2 3:\nWird eine Katze curarisirt, dann beide H\u00fcftnerven durchschnitten, und von beiden Hinterpfoten mit unpolarisirbaren Electroden zur Boussole abgeleitet, so tritt mit Tetanisiren eines H\u00fcftnerven in absoluter Regelm\u00e4ssigkeit im gereizten Bein ein von aussen nach innen gerichteter Strom auf.\nDieser Strom ist selbst noch empfindlicher als die directe Beobachtung der Secretion. Denn schon auf geringste Reizung, der noch keine wahrnehmbare Absonderung folgt, wird gleichwol eine geringe Ablenkung im richtigen Sinne beobachtet.\nBei starker Reizung kann die Kraft Werthe von 0,04 Daniell erreichen.\nBedingungen, welche die Secretion schw\u00e4chen, hindern auch das Auftreten eines Secretionsstromes.\nBeim atropinisirten Thier fehlt jegliche galvanische Ver\u00e4nderung, ebenso sind Versuche an ganz jungen Katzen erfolglos, offenbar da ihre Schweissdr\u00fcsen noch nicht functionsf\u00e4hig sind.\nGenau gleiche Erfolge beobachtete ich' weiterhin an der R\u00fcsselscheibe des Schweines. Reizung des Halssympathicus oder des N. infraorbitalis einer Seite bewirkte einen starken, einsteigend gerichteten Strom. Dieser Strom behielt seine Richtung bei, gleichg\u00fcltig\nO\t7 O\tO\tO\nob S\u00e4uren oder Alkalien zur Ableitung dienten, verschwand nach Vergiftung mit Atropin.\nDie Ursache des Stromes ist entweder in der directen Wirkung des alkalischen Secretes selbst oder aber in eigenth\u00fcmlichen vitalen Processen der Dr\u00fcse zu suchen. Die so grosse Empfindlichkeit dieser Str\u00f6me, die schon auftreten, bevor eine sichtbare Secretion erscheint, nicht weniger die grosse Kraft derselben machen erstere Vorstellung nicht sehr wahrscheinlich ; sie f\u00e4llt aber vollends, da diese Str\u00f6me\n1\tVgl. Band I. dieses Handbuchs, 1. Tkeil, S. 222 ff., wo auch die Literatur-\ncitate.\n2\tHermann & Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XVII. S. 310. 187S.\n3\tLuchsinger, Tagebl. d. 52. deutsch. Xaturforschervers. in Baden-Baden 1879.","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"Galvanisches Verhalten w\u00e4hrend der Th\u00e4tigkeit der Dr\u00fcsen.\no\n445\ngleiche Richtung behalten, wie immer ob sauer oder alkalisch die ableitenden Fl\u00fcssigkeiten seien h\nDer du Bois-REYMON\u00fc\u2019sche \u2019Willk\u00fcrversuch ist offenbar nichts anderes, als der durch Miterregung der Sch weissnerven hervorgerufene Secretionsstrom der Hand, resp. des Fusses; freilich wohl in anderem Sinne als wie Becquerel zuerst vermuth et hatte (s. die Citate und weitere Beweise bei Hermann, a. a. 0.).\n3. Der Secretionsstrom des Flotzmuuls.\n5 or Kurzem noch beobachtete ich'1 2 an diesem Objecte Folgendes:\nWird von der K\u00e4se einer curarisirten Ziege beidseitig durch unpolarisirbare Electroden abgeleitet, so tritt jedesmal auf Reizung des Halsstranges einer Seite ein kr\u00e4ftiger, einsteigender Strom auf der gereizten Seite auf. Stets macht sich ein oft langdauerndes Latenzstadium bemerkbar. Atropin unterdr\u00fcckt auch hier den Strom.\nGleiche A erh\u00e4ltnisse gelten f\u00fcr die Schnauze von Hund und Katze ; nur sind entsprechend dem hier geringeren Secretionsver-m\u00f6gen auch die Secretionsstr\u00f6me weniger kr\u00e4ftig entwickelt.\n4. Secretionsstr\u00f6me in der Zungensehleimhaut des Frosches.\nHermann & Luchsinger3 leiteten beim Frosch von beiden Seiten der Zunge mit unpolarisirbaren Electroden zur Boussole ab und reizten den N. glossopharyngeus einer Seite; es tritt nach kurzem Latenzstadium zuerst ein auf der gereizten Seite einsteigender Strom aut, folgt diesem meist eine kr\u00e4ftige aussteigende Bewegung und wird solche endlich wiederum durch eine dann lang andauernde, m\u00e4chtige, einsteigende Richtung \u00dcberboten.\n.Vtropin schw\u00e4cht auch diese galvanischen Ver\u00e4nderungen gleich wie die Secretion. Zuerst zeigt sich nur Verl\u00e4ngerung des Latenzstadiums, dann v\u00f6llige L\u00e4hmung.\nDie erste und dritte Phase unserer Erscheinung sind offenbar St\u00fccke eines einzigen starken, die Reizung lange \u00fcberdauernden, einsteigenden Stromes. Dessen Deutung wird jedenfalls \u00fcbereinstimmen mit der Erkl\u00e4rung des gleichfalls einsteigenden Stromes der Schleimdr\u00fcsen des Frosches, der Schweissdriisen der Katze und des Schweins, sowie der Flotzmauldr\u00fcsen der Ziese.\n1 Nach nicht publicirter Untersuchung.\n- Luchsinger. Tagebl. d. 52.deutsch. Naturforschervers. in Baden-Baden 1879.\n3 Hermann & Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 460. 1S7S.","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446 Luchsinger, Physiol, d. Absonderungsvorg\u00e4nge. ^ Abschn. Schweissabsonderg.\nDieser Strom wird nun kurz nach seiner Entstehung durch eine zweite entgegengesetzt gerichtete, aber rasch wieder verschwindende Schwankung gewisse Zeit \u00fcbertroffen, und so die zweite, aussteigende Phase geschaffen. Aber die Deutung dieses zweiten Gegenstromes ist g\u00e4nzlich r\u00e4thselhaft.\nEin Versuch von Hermann & Luchsinger, an der Speicheldr\u00fcse des Hundes Secretionsstr\u00f6me nachzuweisen, misslang. (Vgl. Archiv f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 471. 1S7S.)","page":446}],"identifier":"lit37391","issued":"1883","language":"de","pages":"1-446","startpages":"1","title":"Erster  Theil: Physiologie der Absonderungsvorg\u00e4nge","type":"Book Section","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:41:23.839826+00:00"}

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