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{"created":"2022-01-31T16:44:25.371872+00:00","id":"lit37393","links":{},"metadata":{"alternative":"Handbuch der Physiologie. Band 5: Handbuch der Physiologie der Absonderung und Aufsaugung","contributors":[{"name":"Wittich, W.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"In: Handbuch der Physiologie. Band 5: Handbuch der Physiologie der Absonderung und Aufsaugung, edited by Ludimar Hermann, 255-398. Leipzig: F. C. W. Vogel","fulltext":[{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"PHYSIOLOGIE\nDER\nAUFSAUGUNG, LYMPHBILDUNG\nASSIMILATION\nYON\nProf. \\Y. von WITTICH in K\u00f6nigsberg.","page":255},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Unter Aufsaugung (Absorption) versteht man zun\u00e4chst die Aufnahme meistens gel\u00f6ster oder doch l\u00f6slicher, fester wie gasf\u00f6rmiger Substanzen durch den K\u00f6rper und Fortf\u00fchrung derselben in die S\u00e4ftemasse; dann aber auch die R\u00fcckaufnahme (Resorption) von Stoffen, welche bereits Bestandteile des physiologisch fungi-renden K\u00f6rpers, oder als Producte eines physiologischen oder pathologischen Processes an irgend einer Stelle in den Geweben ausgeschieden oder abgelagert waren.\nJene erstere umfasst die normalen Ern\u00e4hrungsvorg\u00e4nge, diese die Erscheinungen der in Folge \u00f6rtlicher oder allgemeiner Bedingungen, normal oder abnorm eintretenden Verk\u00fcmmerungen (Atrophie) oder die Aufnahme pathologischer Producte in die S\u00e4ftemasse.\nERSTES CAPITEL.\nDer Ort der Aufsaugung.\nUeberall wo das Blut direct oder indirect durch Vermittelung der Gewebe mit gel\u00f6sten Stoffen oder Gasen in Beziehung tritt, kann Aufsaugung d. h. Uebergang dieser in die S\u00e4ftemasse stattfinden, nur ist bei der indirecten Ueberf\u00fchrung die Menge dieser, d. h. die Leichtigkeit, mit welcher die Aufsaugung geschieht, eine nach dem histologischen Baue verschiedene.\nI. Die Aufsaugung durch die Haut.\nDer Streit dar\u00fcber, ob wir durch unsere Hautdecken Substanzen aufzunehmen im Stande sind, ist, wenn auch practisch von grosser\nHandbuch der Physiologie. Bd. Va. -\t1 /","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258 v. Wittich, Physiologie der Aufsaugung etc. l.Cap. Ort der Aufsaugung.\nBedeutung, physiologisch ein durchaus m\u00fcssiger. Es zweifelt Niemand, dass durch die Haut ein, wenn auch nur geringer, Gasaustausch stattfinde, dass wir Kohlens\u00e4ure und Wasser durch sie verlieren, Sauerstoff und andere gasf\u00f6rmige K\u00f6rper aufnehmen, es fragt sich nur, ob auch fl\u00fcssige Substanzen oder in Fl\u00fcssigkeiten gel\u00f6ste K\u00f6rper in ihr \u00fcberzugehen verm\u00f6gen, und auf die Beantwortung dieser Frage st\u00fctzt sich die ganze Balneotherapie. Die Versuche, die man zur Beantwortung dieser Frage angestellt hat, haben es sich zur Aufgabe gestellt: 1. die Gewichtszu- oder -abnahme durch die Waage zu bestimmen, die ein K\u00f6rper w\u00e4hrend seines Aufenthaltes im Warmbade erf\u00e4hrt; 2. den Uebergang im Wasser l\u00f6slicher Substanzen, die im K\u00f6rper normal Vorkommen oder ihm fehlen, in das Blut und dann im Harn zu pr\u00fcfen; 3. den Uebergang von medi-cament\u00f6s wirkenden Stoffen, die im Wasser l\u00f6slich, durch ihre physiologische Wirkung zu erproben. Und zwar hat man hierzu tlieils Voll- theils Localb\u00e4der benutzt.1\nWir m\u00fcssen gestehen, dass die Versuche, die man mit B\u00e4dern angestellt, deren Gewicht man vorher und nachher bestimmte, wie schon R\u00f6hrig richtig angiebt, wenig den Anforderungen entsprechen, welche wir an eine exacte experimentelle Pr\u00fcfung der Frage zu machen berechtigt sind. Nicht weniger ungenau ist das Verfahren, den in das Bad zu tauchenden K\u00f6rper vor und nachher auf seine eventuelle Gewichtszu- oder -abnahme zu bestimmen. Man denke nur daran, dass durch den Aufenthalt die Lockerung der Oberhaut beg\u00fcnstigt, bei dem Abtrocknen eine nicht unbetr\u00e4chtliche Menge derselben abgerieben, dass ein Verlust an Hautsecreten nicht zu verhindern, dass alle diese gar wohl die Zunahme wie etwaige Abnahme des K\u00f6rpergewichts verbergen, oder doch wenigstens f\u00e4lschen k\u00f6nnen, also die gr\u00f6bste Unsicherheit der Methode bei einer doch sehr empfindlichen Frage bedingen. Es darf uns daher nicht wundern , dass wir selbst von durchaus zuverl\u00e4ssigen Beobachtern die widersprechendsten Angaben erhalten. Es darf aber auch nicht \u00fcbersehen werden, dass es selbst fraglich erscheint, ob, abgesehen\n1 R\u00f6hrig, die Physiologie der Plaut. Berlin 1S76; Arch. d. Heilkunde 1S72. \u2014 Kletzinsky, Wiener med. Wochenschr. 1853. No. 28 u. 29; Prager Viertel]ahrschr. 1854.\u2014 Lehmann, Arch. f. wissensch. Heilkunde II. 1; Arch. f. pathol. Anat. XXII. S. 22. 1861. \u2014 Falk, Arch. f. Heilkunde XI. 1852. \u2014 Poulet, l\u2019Union m\u00e9d. 1856. \u2014 Young, I)e cutis inhalatione. Edinburgh 1813. \u2014 Collard, Magendie\u2019s Journ. d. physiol, exp\u00e9r. et pathol. XI. \u2014 Madden, Anexperment. inquiry into the physiology of cutaneous absorption. Edinburgh 1838. \u2014 Berthold. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1838. \u2014 K\u00fcrschner, Einsaugung in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. I. 2. \u2014 Ueber die \u00fcbrige Literatur vergleiche das Verzeichniss derselben bei Fleischer, Untersuchungen \u00fcber das Resorptionsverm\u00f6gen der menschlichen Haut. Erlangen 1877.","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"Die Aufsaugung durch die Haut.\n259\nvon dieser Unvollkommenheit, unsere Messungsmethode, die in so einfachster Form uns sich bietet, das zu leisten imStande sei, was von ihr verlangt wird. Wir tauchen einen K\u00f6rper ganz oder zum Tlieil zeitweise in Wasser, von ann\u00e4hernd der K\u00f6rpertemperatur, und setzen voraus, dass Gewinnst wie Verlust desselben durch das Gewicht sich bestimmen lassen werden. Uebersehen aber, welchen Einfluss das ver\u00e4nderte \u00e4ussere Verh\u00e4ltniss auf die Haut und die Gef\u00e4sse in ihr haben m\u00f6gen, vergessen auch wohl, dass die H\u00e4ute verschiedener Personen sich verschieden verhalten; die Haut des einen feuchter, des andern trockener, daher wohl weniger oder mehr geeignet zur Durchtr\u00e4nkung, die Haut des andern dagegen reicher an fettigem Secret, daher weniger geeignet zur Aufnahme von w\u00e4ssrigen Fl\u00fcssigkeiten sein mag, dass die Aufnahme und Abgabe gasf\u00f6rmiger Perspirationsproducte w\u00e4hrend des Verweilens im Wasser ver\u00e4ndert werde, dass die Lungenathmung eine andre sei, als unter sonst gewohnten Bedingungen, dass ein nicht unerheblicher Verlust aber schon allein durch die bef\u00f6rderte Abschuppung der Haut ein-tritt, dass also im Ganzen der Versuch ein complicirterer ist, als es auf den ersten Blick scheinen will. Sicherlich ist unter normalen ruhigen Verh\u00e4ltnissen die Haut nicht ad maximum mit Wasser im-bibirt, es wird daher jedenfalls ein weniges von ihr imbibirt, und der Zustand der H\u00e4nde unserer Waschfrauen lehrt unzweifelhaft, dass eine solche Imbibition stattfinde. Aber auch Versuche von viel k\u00fcrzerer Dauer lehren, dass die Haut zu imbibiren im Stande sei; daher eine gewisse Gewichtszunahme der K\u00f6rper stattfinden m\u00fcsse, welche nur durch die unzweifelhaft gleichzeitigen Gewichtsverluste (Abschuppung) verdeckt wird, oder dessen Fehlen wohl gar allein auf die Unvollkommenheit unserer W\u00e4gung zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, welche es nicht gestattet, bei so hoher Belastung einen so minimalen Ausschlag zu finden. Ich halte daher die sich so widersprechenden Angaben, wenn auch durchaus f\u00fcr thats\u00e4chlich begr\u00fcndet, vermag ihnen aber nicht den Werth und die Schlussf\u00e4higkeit zuzuschreiben, die ihnen zugeschrieben wird.\nEine viel zuverl\u00e4ssigere Methode ist die von Fleischer1 an-aeaebene, welche die Niveauschwankungen der Fl\u00fcssigkeiten, in\no o\t'\nwelche einzelne K\u00f6rpertheile getaucht wurden, als Maass f\u00fcr die Aufsaugung durch die Haut nimmt. Es werden hier weder die in der Abtrocknung noch die in der Unsicherheit der W\u00e4gung gegebenen Fehlerquellen ins Gewicht fallen. Fleischer f\u00fchrt den Arm\n1 Fleischer 1. c. S. 51 ff.\n17*","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260 v. AVittich, Physiologie der Aufsaugung etc. 1. Cap. Ort der Aufsaugung.\nin eine Mosso\u2019sche Glash\u00fclse ein, verschliesst ihn luft- und wasserdicht, f\u00fcllt jene mit Wasser, welches er m\u00f6glichst auf gleicher Temperatur zu erhalten sucht, oder zur Contr\u00f4le des Ergebnisses bald erw\u00e4rmt bald abk\u00fchlt, und f\u00fchrt in die eine Glash\u00fclse eine Pipette ein, die in Vioo Ccm. getheilt, sehr wohl noch geringere Schwankungen absch\u00e4tzen l\u00e4sst. Unter der Voraussetzung, dass alles von der Plaut aufgenommene auch gleich fortgef\u00fchrt werde, muss das Niveau in der sehr empfindlichen Pipette sinken (die Verdunstung in ihr wird durch Oel\u00fcbersch\u00fcttung verhindert). Aehnliche Versuche wurden auch mit luftdicht schliessenden Glasglocken, welche auf gr\u00f6ssere K\u00f6rperfl\u00e4chen aufgesetzt wurden, angestellt, die ebenfalls mit einer die Niveauschwankungen markirenden Pipette communi-cirten. In allen diesen Versuchen waren die Schwankungen so \u00e4us-serst gering, dass Fleischer sie zum Theil auf die unvermeidlichen Temperaturschwankungen zur\u00fcckf\u00fchrt, und zu dem Schl\u00fcsse kommt, die Haut nehme kein Wasser auf, wohl aber werde von der Epidermis solches imbibirt. Unzweifelhaft sind die Versuche Fleischer\u2019s die vorwurfsfreiesten, welche nach dieser Richtung hin angestellt wurden, doch aber werden sich einige Bedenken gegen ihre Schlussf\u00e4higkeit Vorbringen lassen. Zun\u00e4chst ist jene Voraussetzung wirklich zu machen, dass mit der Aufnahme durch die Haut das Niveau geringer werden m\u00fcsse ? Jedenfalls imbibirt selbst die oberfl\u00e4chlichste Epidermisschicht Wasser (wie Fleischer ja selbst zu-giebt); sicherlich aber ungemein langsam, und es bleibt fraglich und kaum zu entscheiden, ob dieses sich den darunter gelegenen Schichten, dem Stratum pellucidum, der MALPiam\u2019schen Zellschicht mittheile und so der Cutis zugef\u00fchrt werde. Ob dies aber in dem doch immer kurzen Zeitraum von 2\u20143 Stunden geschehe, ist jedenfalls sehr fraglich. Es wird also trotz aller Feinheit und Sicherheit der Methode das nicht bewiesen, was beabsichtigt wurde. Therapeutisch hat der Versuch den Werth, dass er nachweist, dass die kurze Zeit eines Warmbades kaum ausreicht, um erhebliche Mengen zu resor-biren, die Aufnahmef\u00e4higkeit der Haut f\u00fcr Wasser widerlegt er nicht. Eine noch l\u00e4ngere Dauer des Versuches w\u00fcrde vielleicht ein ganz anderes Resultat geben.\nWas die zweite Methode betrifft, den Nachweis des \u00fcbergegangenen Wassers und der in ihm gel\u00f6sten Substanzen in den Harn zu f\u00fchren, so kann ich ihr eben so wenig Beweiskraft zuschreiben. Die w\u00e4sserige Beschaffenheit des Harns unmittelbar nach dem Bade (die unzweifelhaft auftritt), gestattet sehr wohl eine Erkl\u00e4rung durch die ver\u00e4nderten Circulationsverh\u00e4ltnisse, ohne die Resorption durch","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"Die Aufsaugung durch die Haut.\n261\ndie Haut zu H\u00fclfe nehmen zu m\u00fcssen. Das Mehrauftreten aber von Salzverbindung im Harn, welche in diesem bereits normal vorhanden, l\u00e4sst sich wohl nur sehr schwer f\u00fcr einen Beweis f\u00fcr oder wider benutzen, da die Menge des ausgeschiedenen Salzes ja noch von der durch die Nahrung aufgenommenen Menge, wie von der Menge des ausgeschiedenen Wassers, abh\u00e4ngig erscheint, jenen Momenten also vor allem Rechnung getragen werden m\u00fcsste, wenn man aus seinem Steigen oder Fallen irgend welchen Schluss ziehen wollte. Selbst aber bei der geregeltesten Nahrung d\u00fcrften Schwankungen des Salzgehaltes derselben Vorkommen, die Gewichtsbestimmungen also illusorisch machen. Es blieben also noch \u00fcbrig die B\u00e4der mit Stoffen, die dem K\u00f6rper unsch\u00e4dlich, normal ihm aber fehlen. Allerdings begegnen wir auch hier denselben Widerspr\u00fcchen, obwohl sich wohl die Mehrzahl der Autoren f\u00fcr die negativen Resultate aussprechen, allein sowohl bejahende wie verneinende Angaben treffen wir hier an. Den bejahenden wird stets der Vorwurf gemacht, dass die Aufnahme durch nicht geh\u00f6rigen Abschluss besonders zarter und deshalb resorptionsf\u00e4higerer Partien (Praeputium, Regio umbilicalis, Anus) oder durch gasf\u00f6rmige Inhalation von der Respirationsschleimhaut aus geschah. Ich glaube den Versuchen ist der gleiche Vorwurf zu machen der nicht gen\u00fcgenden Genauigkeit, die nicht zu umgehende Ber\u00fccksichtigung des verschiedenen Zustandes der Haut, verschiedener Experimentatoren, wie die chemische Einwirkung der Stoffe auf die Haut. Dass Letzteres von Werth, ersehen wir ja schon daraus, dass gewisse Stoffe, die corrodirend wirken, durch Lockerung der Hautoberfl\u00e4che resorbirt werden k\u00f6nnen, w\u00e4hrend andere von Oberfl\u00e4chen, welche unzweifelhaft resor-biren (Eisensalze), nicht aufgenommen werden, weil ihre chemische Einwirkung die Oberfl\u00e4che undurchg\u00e4ngig macht.\nAm vorwurfsfreiesten scheinen noch die von R\u00f6hrig angestellten Zerst\u00e4ubungsversuche. Von der Thatsache ausgehend, dass alle gasf\u00f6rmigen oder bei bestimmten Temperaturen gasf\u00f6rmig werdenden Substanzen, d. h. also in m\u00f6glichst fein vertheiltem Zustande, unzweifelhaft \u00fcbergehen, versuchte er, ob im Wasser gel\u00f6ste Stoffe, die er durch einen Zerst\u00e4uber auf sich oder auf die Haut von Thieren, deren Lungeneinathmungsluft er sorf\u00e4ltigst gegen die directe Aufnahme sch\u00fctzte, wirken Hess, von der Haut absorbirt werden. An sich beobachtete er den Uebergang von Jod nach Best\u00e4ubung mit Jodkalium, das nach 20 Minuten im Speichel und im Harn nachgewiesen wurde; ebenso Hess sich 1\u20142 Stunden nach der Besprengung mit Kaliumeisencyan\u00fcr dasselbe im Harn wiederfinden. In beiden","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262 y. Wittich. Physiologie der Aufsaugung etc. l.Cap. Ort der Aufsaugung.\nF\u00e4llen hatte er sich vor einer Einathmung sorgf\u00e4ltigst dadurch gesch\u00fctzt, dass er selbst in einem besonderen Raume war, durch eine Th\u00fcr von jenem getrennt, in welchem sein Vorderarm, der durch einen Th\u00fcrausschnitt in das andere Zimmer reichte, best\u00e4ubt wurde. Kaninchen, welche durch eine Traehealr\u00f6hre mit Kautschukschlauch die Respirationsluft von Aussen aufnahmen, narkotisirte er durch eine Best\u00e4ubung mit m\u00e4ssiger Morphiuml\u00f6sung, vergiftete sie mit Curare und einer L\u00f6sung von Digitalin.\nIch habe selbst Zerst\u00e4ubungsversuche an mir angestellt, und zwar gleichfalls mit dem von R\u00f6hrig verwendeten WENDLER\u2019schen Apparat. Nur in einer Beziehung habe ich die Versuche abge\u00e4ndert. R\u00fchrig liess, bevor er den Harn untersuchte, die Haut auf dem Arm trocknen. Es schien nun dies Verfahren dem ziemlich gleichzukommen, in welchem man den ganzen Vorderarm in eine L\u00f6sung tauchte. Wenn nun auch hierin f\u00fcr die Entscheidung unserer Frage kein Fehler liegt, so l\u00e4sst sich doch nicht entnehmen, wieviel hierbei die Zerst\u00e4ubung, wieviel die dauernde Benetzung thut, wieviel endlich bei der Verdunstung eingeathmet wird. Ich liess daher die Zerst\u00e4ubung ziemlich lange wirken, und benutzte eine starke oder schw\u00e4chere L\u00f6sung. (25 Gramm oder 1 Gramm auf 100 Ccm. Wasser. R\u00fchrig giebt den Concentrationsgrad nicht an.) Nach Beendigung, etwa nach (2 bis 3/i Stunde, wurde der Arm abgetrocknet und in demselben Zimmer (nicht in dem, in welchem der Zerst\u00e4uber stand) der Harn von 15 zu 15 Minuten untersucht; mir ist es jedoch nie gegl\u00fcckt, auch nur eine Spur von Jod nachzuweisen. Der Nachweis wurde zum Th eil durch Chlorwasser und Amylonkleister, zum Theil durch Eindampfen des alkoholischen Extracts und Behandlung desselben mit Amylonkleister gef\u00fchrt. Mir gelang es aber auch nicht, wenn ich mich in demselben Zimmer, in welchem der Zerst\u00e4uber arbeitete, befand, mich aber vor einer directen Inspiration der zerst\u00e4ubten L\u00f6sung h\u00fctete.\nEs kann mir nicht beikommen, die positiven Resultate R\u00fchrig\u2019s in Zweifel zu ziehen, allein meine negativen sprechen doch daf\u00fcr, dass noch ein anderes Moment dabei in Frage kommt, welches die Resorption unterst\u00fctzt oder hemmt.\nSo wenig sicher nun auch die Angaben \u00fcber die Versuche an sich selbst sein m\u00f6gen, so wenig beweisend scheinen mir die mit toxisch wirkenden Substanzen an Kaninchen. Thiere, die lange aufgebunden liegen, sind nur zu oft nach der Befreiung oft Stunden lang wie gel\u00e4hmt. Es l\u00e4sst sich aber dieser Zustand nicht als Folge toxischer Wirkung auffassen. Etwas anderes ist\u2019s dagegen mit der","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"Die Aufsaugung durch die Haut.\n263\nWirkung zerst\u00e4ubten Digitalins, die sich nach R\u00f6hrig\u2019s Angaben in einer deutlichen Herabsetzung der Pulsfrequenz zu erkennen gab (302 auf 175; 280 auf 150; 300 auf J75). So lange nur ein wenig oder mehr ohne bestimmte Werthangaben zur Beobachtung gelangt, wie bei den ersteren, beweisen die Versuche daher sehr wenig, bestimmte Zahlenangaben steigern aber den Werth der Resultate. Ich habe die Versuche an weissen Ratten und Kaninchen mit Strychnin wiederholt, in der Hoffnung, dass sich auch eine minimale Wirkung durch Steigerung der Reflexibilit\u00e4t der so vergifteten Thiere kennzeichnen werde, allein ohne jeden Erfolg, selbst wenn concentrirte L\u00f6sungen und in nicht unbetr\u00e4chtlicher Menge durch einen Wend-LER\u2019schen Zerst\u00e4uber zur Verwendung kamen. Nie trat auch nur die leiseste Reflexerh\u00f6hung ein. Wohl m\u00f6glich, dass dieser durchaus negative Erfolg seinen Grund darin fand, dass ich das Thier zu fr\u00fch vor vollst\u00e4ndiger Trocknung der \u00fcberrieselten Hautpartie und nach m\u00f6glichster Reinigung derselben (um das Ab- und Auflecken des Giftes zu verhindern) befreite.\nR\u00f6hriCt giebt ausdr\u00fccklich an, dass er, wenigstens bei den an sich angestellten Versuchen, die vollkommene Verdunstung abwartete. Versuche, die oft in meinem Laboratorium mit Zerst\u00e4ubung von Jodkaliuml\u00f6sung auf Kaninchenhaut angestellt wurden, und welche ich selbst unter allen m\u00f6glichen Cautelen wiederholte, gaben stets positive Resultate, schon nach V2 bis ganzen Stunde wies Amy-lon das Jod im Harn nach; in einem Falle starb ein nur wenige Wochen altes Thier andern Tags, ob durch das Jodkalium vergiftet? Der Harn, welcher sich in der Blase fand, reagirte noch auf Amylon-kleister.\nAber selbst wenn die Versuche unzweifelhaft die Resorptionsf\u00e4higkeit der Haut kleinerer Thiere bewiesen, so w\u00fcrde das noch kaum einen Schluss auf die F\u00e4higkeit menschlicher Haut gestatten. Die Resorptionsf\u00e4higkeit der Haut ist bei kleinen S\u00e4ugethieren und V\u00f6geln gewiss gr\u00f6sser als bei gr\u00f6sseren. Die Haut jener ist d\u00fcnner, zarter, bietet weniger Widerstand. Das Hautdr\u00fcsensecret von Kr\u00f6ten und Salamandern, das der intacten menschlichen Haut gegen\u00fcber vollst\u00e4ndig unsch\u00e4dlich scheint, wirkt \u00e4tzend auf die Conjunctiva oculi; giftig, wenn man es kleinen V\u00f6geln in die Haut der Achselgrube einreibt.1 Das Hautskelett der Schildkr\u00f6ten, die Schuppen der Reptilien bilden einen viel sichereren Schutz gegen das Eindringen von Substanzen in die unverletzte Haut, als die weichere zartere\n1 Geatiolet et Clo\u00ebs . Gaz. ra\u00e9d. de Paris. 26. Avril. \u2014 Froriep\u2019s neue Not No. 322.","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264 v. Wittich, Physiologie der Aufsaugung etc. 1. Cap. Ort der Aufsaugung.\nHaut der imgeschw\u00e4nzten Amphibien, der Tritonen und Salamander, von denen ersteren 1 es nachgewiesen, dass sie nicht nur in Aether gel\u00f6ste giftige Substanzen, sondern auch andere w\u00e4sserige, giftige wie indifferente, aber chemisch leicht nachweisbare Substanzen durch die Haut aufnehmen. Bekannt ist ja auch die \u00f6rtliche Wirkung von Aether und Chloroform, Terpentin, kurz aller jener Substanzen, welche bei niedriger Temperatur in Gasform \u00fcbergehen. Parisot 2 sah die Wirkung des Atropin auf die Pupille eintreten, wenn er Watte mit chloroformiger L\u00f6sung desselben auf die Haut der Stirne legte, w\u00e4hrend ein Atropinbad vollkommen wirkungslos blieb. Nicht die Gasform aber ist es, sondern die Leichtfl\u00fcssigkeit, welche alle diese Substanzen ja auch in die lufthaltigen Knochenk\u00f6rperchen ein-dringen l\u00e4sst. Wir werden sp\u00e4ter sehen, dass allerdings in der Epidermis pr\u00e4formirte Wege \u00e4hnlicher Art gegeben sind, welche das Eindringen leicht fl\u00fcssiger Stoffe erm\u00f6glichen, es aber den schwerer fl\u00fcssigen fast unm\u00f6glich machen oder doch sehr erschweren. Ebenso wenig wie Wasser oder w\u00e4sserige L\u00f6sungen die Luft aus den Knochenzellen zu verdr\u00e4ngen verm\u00f6gen, verm\u00f6gen sie auch in die Haut einzudringen; d. h. sie dringen allerdings ein, aber sehr langsam, und ihr Fortschreiten wird wohl noch durch das Aufquellen der sich mit Wasser imbibirenden Schichten erschwert, welche die Spaltr\u00e4ume, die unzweifelhaft zwischen den Sch\u00fcppchen der Epidermis existiren, nur noch verengern. Man hat auf die leichtere Resorbir-barkeit durch die Innenfl\u00e4chen des Praeputium, durch die d\u00fcnnen Hautdecken des Umbilicus hingewiesen. In beiden F\u00e4llen hat man es mit Hautpartien zu thun, die sehr zart einer trockenen Epidermis entbehren, sie sind also vor allem geeignet, die Resorptionsf\u00e4higkeit der Haut zu beweisen; ein wesentlicher Unterschied im Bau d\u00fcrfte hier nicht vorliegen, wohl nur der gesch\u00fctzteren Lage wegen eine gr\u00f6ssere Feuchtigkeit des Praeputium wie der Nabelfalte.\nII. Hie Aufsaugung durch die Bindehaut des Auges.\nAls eine unmittelbare Fortsetzung der Oberhaut ist auch wohl die Conjunctivalauskleidung der Lidspalte anzusehen. Ueber ihren von ersteren abweichenden Bau sprechen wir sp\u00e4ter, \u00fcber ihre Aufnahmef\u00e4higkeit kann aber kein Zweifel bestehen. Nach de Ruiter\n1\tStirling, Journ. of anat. and physiol. X. p. 329. \u2014 P. Guttmann, Berl. klin. Wochenschr. 1S65 u. 1866. ; Arch. f. pathol. Anat. XXXV u. XXXXI. ; Centralbl. f. d. med. Wiss. 1867. No. 22. \u2014 v. Wolkenstein, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1875. No. 26. \u2014 v. Wittich, Mittheilnngen ans dem physiolog. Laboratorium. K\u00f6nigsberg 1878.\n2\tParisot, Compt. rend. LYIL 1863.","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Aufsaugung durch die Schleimh\u00e4ute des Mundes etc.\n265\ngen\u00fcgt ein Tropfen einer L\u00f6sung von Atropinsulphat von 1 : 129,000, um einem Hunde eine 20 Stunden dauernde Mydriasis zu bereiten, dass aber liier das Atropin nicht auf anderem Wege dem K\u00f6rper zugef\u00fchrt, daf\u00fcr spricht nicht nur das Fehlen aller allgemeinen Erscheinungen bei so minuti\u00f6ser Instillation, sondern auch der Umstand, dass es de Ruiter1 gelang, die mydriatische Wirksamkeit des Humor aqueus eines atropinisirten Indiyiduums an dem Auge eines andern zu constatiren. Nicht minder beweisend sind ferner auch die in der praktischen Ophthalmologie so oft verwendeten Eintr\u00e4ufelungen oder \u00f6rtlichen Applicationen von Physostigminl\u00f6sung in den Conjunctivalraum.\nIII. Die Aufsaugung* durch die Schleimh\u00e4ute des Mundes\nund Schlundes.\nUm vieles leichter erfolgt die Aufsaugung durch die Oberfl\u00e4che des Mundes, schon die Geschmackserregung, die wir uns ja auch nicht wohl ohne ein Durchdringen der oberfl\u00e4chlichen Schicht der Zunge denken k\u00f6nnen, mehr aber noch scheint der directe Versuch daf\u00fcr zu sprechen.2\nVersuch.\nEiner Albinoratte wurde die Trachea freigelegt, durchschnitten und in dem untern den Lungen zugekehrten St\u00fcck ein feiner Federkiel als Athemkan\u00fcle eingef\u00fchrt; alsdann das obere St\u00fcck der Trachea zusammen mit Oesophagus fest zugebunden und dem Thiere ein St\u00fcckchen Cyankalium auf die Zunge gelegt; dabei aber jede Verletzung der Innenfl\u00e4che vermieden. In wenigen Minuten war das Thier todt.\nDie praktische Erfahrung lehrt freilich, dass die Aufnahmef\u00e4higkeit von Mund und Pharynx aus nicht sehr lebhaft sei, da bei Oeso-phagusstricturen die Zuf\u00fchrung von Nahrungsmiteln durch Mund und Pharynx meistens ohne allen Erfolg f\u00fcr die Ern\u00e4hrung des Individuums bleibt. Es scheint, als ob nur leicht diffusible (Salz-) L\u00f6sungen vom Oesophagus aus resorbirt werden.\nAuch die Oberfl\u00e4che des Oesophagus bis zur Cardia nimmt bereits bei dem Herabschlingen der Speisebissen einen Theil der gel\u00f6sten oder l\u00f6slichen Substanzen auf. Die Untersuchung des Mageninhaltes unmittelbar nach der Speiseaufnahme l\u00e4sst stets einen Mangel\n1\tde Ruiter, Nederlandsch Lancet III. und onderzoekingen Gedaan in het physiol. Laborator, der Utrecht\u2019schen Hoogcschool. YI. ; Hermann, Lehrbuch der experimentellen Toxicologie S. 333.\n2\tVgl. Canstatt\u2019s Jahresber. I. S. 140. 1ST3. \u2014 Karmel, Versuche \u00fcber Resorption durch die Mundh\u00f6hle.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266 v. Wittich, Physiologie der Aufsaugung etc. 1. Cap. Ort der Aufsaugung.\nan Substanzen erkennen, die mit jenen gleichzeitig deglutirt wurden; oder w\u00e4hrend ihres Durchtrittes durch den Mund und Pharynx sich bildeten, und zwar wird ein Theil derselben wohl w\u00e4hrend der Deglutition im Oesophagus anderweitig ver\u00e4ndert und entgeht so nur scheinbar dem Nachweis; ein anderer Theil dagegen wird unzweifelhaft bei ihrem langsamen Vorschreiten von der Innenfl\u00e4che der Speiser\u00f6hre aufgesogen.\nIV. Die Aufsaugung clureli Magen und Darm.\nUnzweifelhaft fest steht die Resorptionsf\u00e4higkeit der Magen- und Darmoberfl\u00e4che, und doch scheint auch hier ein weniger oder mehr in den verschiedenen Abschnitten des Darmtractus zu bestehen, was zum Theil wohl von der chemischen Wirksamkeit der verschiedenen hier zufliessenden Sekrete abh\u00e4ngen mag. Hieraus wird es sich wohl erkl\u00e4ren, dass die Wirksamkeit bestimmter Stoffe auf den Gesammt-organismus von der Magen- oder Darmoberfl\u00e4che so ungemein viel geringer ist als die subcutane Injection derselben. Bekannt ist es, dass viele sonst sehr energisch wirkende Gifte vom Magen aus kaum oder doch eine viel geringere Wirksamkeit entfalten. Gr\u00fcndet sich doch auch hierauf die ganze endermatische Applicationsmethode ; sie wirkt unzweifelhaft schneller und ist bei Verwendung sehr viel geringerer Dosen bereits wirksamer als bei innerlichem Gebrauch gleich grosser Gaben derselben Substanz.\nDas Gift der Rabies canina und der Schlangen soll bekanntlich ausgesaugt unsch\u00e4dlich sein. Bekannt ist ferner die um vieles geringere Wirksamkeit des sonst so sicher und schnell t\u00f6dtenden Urari und anderer Gifte vom Magen aus, welches erstere nach Richaud Schomburgk1 von amerikanischen St\u00e4mmen als Antifebrile innerlich genommen wird. Bekannt ist ferner, dass viele Farbstoffe, welche, lebenden Thieren direct ins Blut oder in die Lymphwege injicirt, nicht nur allgemeine F\u00e4rbung bewirken (Carminammoniak, Indigo), sondern auch enorm schnell durch den Harn wieder ausgeschieden werden, durch die sauere Beschaffenheit des Magensaftes zersetzt oder aus ihrer L\u00f6sung ausscheiden, daher in den K\u00f6rper nicht \u00fcbergehen, also auch im Harn nicht oder doch viel sp\u00e4ter wiederkehren.\nDass aber Substanzen, welche vom Magensaft nicht anderweitig ver\u00e4ndert werden, als dass sie in l\u00f6sliche Formen durch die Verdauung \u00fcbergef\u00fchrt werden, geht allein schon aus dem von Busch2 in\n1\tR. Schomburgk, Reise in British Guiana in den Jahren 1 s40\u2014-1S44.\n2\tBusch, Beitrag zur Physiologie der Verdaungsorgane. Arch. f. pathol. Anat. XIV. S. 171 ff. 1S5S.","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Aufsaugung durch Magen u. Darm; durch die Lungen.\n267\nder Bonnenser chirurgischen Klinik beobachteten Falle hervor. So gering* auch sonst die resorbirende Kraft des oberen Theils des ^ er-dauungsapparates (Magen und Darm) war, so wurde doch bei F\u00fctterung der Patientin mit gel\u00f6stem Eiweiss 5,s der eingef\u00fchrten Masse resorbirt, w\u00e4hrend 3s durch den Anus praeternaturalis abgingen. Von Gelatine wurde circa 1 2/3 resorbirt.\nDie bedeutendste Rolle f\u00fcr die Resorption spielt unzweifelhaft die Oberfl\u00e4che des Darms, dessen eigentliche Function es ja ist, die Verdauungsproducte aufzunehmen und sie als Ersatz f\u00fcr die beim Stoffwechsel verbrauchte K\u00f6rpermasse dem Organismus zuzuf\u00fchren.\nV. Die Aufsaugung\u2019 durch, die Lungen.\nUnzweifelhaft ferner ist die Aufnahmef\u00e4higkeit durch die Oberfl\u00e4che der Lunge, und zwar scheint diese nach Beobachtungen von Du. Wasbutzky 1 eine unendlich viel energischere, schneller und durch geringere Gaben wirkende zu sein als irgend eine andere (subcutane oder vom Magen aus). Ohne allen Zweifel ist die Aufnahmef\u00e4higkeit gasf\u00f6rmiger K\u00f6rper durch die Lungenoberfl\u00e4che, die nicht nur unter normalen Verh\u00e4ltnissen bei den Vorg\u00e4ngen der Respiration eine gewichtige Rolle spielt, sondern auch (wie bei der Vergiftung durch CO) die Aufnahme f\u00fcr den K\u00f6rper sch\u00e4dlicher Stoffe bewirkt. Endlich ist auch noch der Rolle zu gedenken, welche die innere Oberfl\u00e4che der Lungen bei der Inhalation inficirender, theils gasf\u00f6rmiger, theils fester Stoffe (Bact\u00e9rien) spielt, wie der therapeutischen Verwendung, welche diese Resorptionsf\u00e4higkeit bei der Inhalation medicament\u00f6s wirkender oder krankmachender Stoffe findet, dass es sich aber hierbei nicht einfach nur um eine Aufsaugung durch die Schleimhaut des Mundes und des Larynx handelt, lehrt die ja oft momentan erfolgende styptische Wirkung bestimmter Stoffe bei Lungenblutungen.\nVersuche, welche auf meine Veranlassung Herr Dr. Wasbutzky angestellt hat, lehren ausserdem experimentell die ungemein schnelle oft fast momentane Wirkung gewisser in Wasser l\u00f6slicher giftiger und ungiftiger Stoffe in ungleich geringerer Gabe als bei subcutaner Injection bei ihrer Einspritzung in die Lungen, wie der ungemein schnelle Uebergang bestimmter Farbstoffe in die Lymphbahnen.\nEs scheint in dieser leichten Resorptionsf\u00e4higkeit durch die innere Oberfl\u00e4che der Athmungsorgane der Grund gegeben zu sein, woher\n1 I. Wasbutzky, Ueber die Resorption durch die Lunge. Dissertation. K\u00f6nigs-\nberg t S79.","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268 y. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 2. Cap. Die wirksamen Kr\u00e4fte.\nso viele krankmachende Sch\u00e4dlichkeiten gerade dadurch ihre Wirksamkeit entfalten, dass sie mit der Athmungsluft von uns aufgesogen werden. Wir sind ja l\u00e4ngst dar\u00fcber hinaus, anzunehmen, dass nur gasf\u00f6rmige K\u00f6rper von unserer Innenfl\u00e4che aufgenommen werden; auch in Wasserd\u00e4mpfe fein vertheilte, theils l\u00f6slich, theils selbst unl\u00f6sliche K\u00f6rper (fein vertheilte Kohle) werden aufgesogen, und ge-rathen so in unsere S\u00e4ftemasse, um ihre acute oder chronische gute oder sch\u00e4dliche Wirkung im ganzen K\u00f6rper zu entfalten.\nL\u00e4sst man feinvertheilte Kohlpartikelchen inhaliren, oder injicirt man sie in Wasser suspendirt in die Trachea, so kann man fast unmittelbar darauf den Uebertritt derselben in die Epithelien der Alveolen verfolgen; und untersucht man ein so behandeltes Thier etliche Stunden danach, so findet man die Hauptmasse in dem interstitiellen Lungengewebe, wenig nur noch in den Epithelien. Beweises genug, dass selbst die z\u00e4hfl\u00fcssige Beschaffenheit der Epithelien kein absolutes Hinderniss f\u00fcr ein Eindringen fester K\u00f6rperchen bietet.\nZWEITES CAPITEL.\nDie bei der Resorption wirksamen Kr\u00e4fte und das anatomische Verhalten der resorbirenden\nFl\u00e4chen.\nDie Kr\u00e4fte, welche den Vorgang der Aufnahme erkl\u00e4ren sollen, sind: 1) die Imbibition organischer Gewebe durch Fl\u00fcssigkeiten bestimmter Zusammensetzung; 2) die Filtration derselben durch die Oberfl\u00e4chen in die Parenchyme hinein, und 3) die Erscheinungen, welche wir unter der Gesammtbezeichnung Hydrodiffusion zusammenfassen.\nUm jedoch beurtheilen zu k\u00f6nnen, welche dieser Kr\u00e4fte in jedem speciellen Falle (wir sprechen hier vorl\u00e4ufig nur von der Oberfl\u00e4chenresorption) wirksam sind, bedarf es einer histologischen wie pliysi-calischen Kenntniss der Oberfl\u00e4chen.\nDieselben sind durchweg mit einem je nach dem Orte verschieden gestalteten Epithel bedeckt, welches aus dicht an einander ge-","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Die aufsaugenden Gebilde der Plaut.\n2G9\nlagerten, mit einer mehr oder weniger leicht nachweisbaren, bald festeren, bald weicheren Kittmasse an einander gef\u00fcgt ist.\nSpeciell gestalten sich die Verh\u00e4ltnisse wie folgt:\nI. Die aufs \u00e4ugenden Gebilde der Haut.\nDie menschliche Epidermis1 besteht aus einer mehrfachen Schicht platter Zellen, die an der palma manus, wie an der planta pedis vor allem dick und aus einer gr\u00f6sseren Zahl von Schichten zusammengesetzt, an der Streckseite des K\u00f6rpers dagegen aus einer bedeutend d\u00fcnneren, doch aber immer noch aus einer gr\u00f6sseren Reihe von Zellenschichten besteht. Die oberfl\u00e4chlichsten Lagen bilden Sch\u00fcppchen verhornter, keine Kerne mehr f\u00fchrender Zellen, die aber ebensowenig wie die tieferen Lagen einfache Schichten der Zellen darstellen, die alle in einer Ebene zu liegen kommen, sondern die vielfach in die oberen und unteren Schichten einzugreifen scheinen und selbst bei schwacher Vergr\u00f6sserung doppelte Contouren, wie ein Netzwerk, dessen Maschen von den Zellen erf\u00fcllt werden, zeigen; die tieferen Schichten liegen viel fester bei einander, w\u00e4hrend die oberfl\u00e4chlichen selbst bei v\u00f6llig intacter Haut leicht abbl\u00e4ttern. Der oberfl\u00e4chlichen Hornschicht folgt ein System von meist noch kernhaltigen Zellen, die aber auch durch doppelte Contouren von einander gesondert sind. Die Zellen des Rete Malpighi zeigen die soeben geschilderten doppelten Grenzen viel weniger deutlich, wohl aber jene von Sgiir\u00f6x , M. Schultze und Bizzozero 2 beschriebenen Stacheln, die von Letzterem als die Begrenzungen von gewissen R\u00e4umen, Saft-kan\u00e4lchen, gedeutet wurden. Die doppelt contourirten Maschen zwischen den Zellen sieht man am besten, wenn man sich die Fingerhaut ganz oberfl\u00e4chlich mit schwacher H\u00f6llensteinl\u00f6sung (0,5 : 100) betupft und einige Zeit nach dem Trocknen der Stelle mit einem Rasirmesser leichte oberfl\u00e4chliche Schnitte anfertigt. W\u00e4hrend die Stelle einen gleichm\u00e4ssigen schw\u00e4rzlichen Flecken zeigt, erscheinen mikroskopisch die einzelnen Zellen farblos oder doch nur sehr schwach gef\u00e4rbt, sind aber stets von einer gebr\u00e4unten Masse 3 umgeben, die meistens als eine fein- oder grobk\u00f6rnige Substanz erscheint, d. h. die sich\n\\ Es ist hier nur vom Bau der menschlichen Epidermis die Rede; die der verschiedenen Thiere ist im Wesentlichen auf sie zur\u00fcckzuf\u00fchren.\n- Schrox. Molesch. I liters. IX. S. 93. 1SG5. \u2014 Bizzozero, Molesch. Unters. XI. S. 30. 1 STG. \u2014 M. Schultze, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1S64. Ko. 12. ; Arch. f. nathol Anat. XXX. S. 260. 1864.\t1\n3 In \u00e4hnlicher Weise schildert \u00fcbrigens schon Krause eine zwischen den Zellen lagernde durch H\u00f6llenstein sich schw\u00e4rzende Masse (vgl. Wao-ner\u2019s Hand-w\u00f6rterb. II. 2. S. 119).\t\u00b0","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270 v.Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 2. Cap. Die wirksamen Kr\u00e4fte.\naus einzelnen gebr\u00e4unten K\u00f6rnchen zusammensetzt, keine continuir-liclie Schicht bildet. Legt man Schnitte von m\u00f6glichst frischer todter\nHaut\nganz vor\u00fcbergehend\nFig. 1. Fl\u00e4chenschnitt der Haut (Finger) nacli Betupfen mit schwacher L\u00f6sung von Arg. nitricum.\nFig. 2. Schnitt senkrecht durch die Haut nach Impr\u00e4gnation you Argent, nitricum.\nin eine schwache Solution von Argentum nitricum (1 : 300) oder betupft sie nur stellenweise mit derselben, so erscheint die Zwischenmasse in Form jenes oben beschriebenen Netzes, welches in den oberfl\u00e4chlichen abbl\u00e4tternden Schichten zu fehlen scheint, nach den tiefem zu jedoch immer dichter und dichter, daher immer dunkler wird, und in eine continuirlieke Masse \u00fcbergeht. Vornehmlich in diesen dem Stratum lucidum zugeh\u00f6rigen Schichten scheinen die feinen Netze viel dichter und von gemeinsamen Knotenpunkten auszugehen, die ihnen dann eine frappante Aehnliehkeit mit den gesternten Pigment-zellen geben.1 Die Zellen des Rete Malpighi selbst sind bei dieser sehr schwachen Impr\u00e4gnation nicht gef\u00e4rbt, h\u00f6chstens ein wenig gleichm\u00e4ssig gebr\u00e4unt, ebenso-die der Cutis aufsitzenden fast\nwenig\ncylinderf\u00f6rmigen Zellen. Diese sternf\u00f6r-\nmigen Anh\u00e4ufungen\ngeschw\u00e4rzter Massen\nerinnern gar sehr an jene oft beschriebenen Wanderzellen der tieferen Epider-misschichten, die nach Biesiadecki 2 mit ihren Ausl\u00e4ufern noch bis in die Cutis hineinragen sollen, aus ihr also sicher herzustammen scheinen.\nDiese\nden R\u00e4ume,\ndie einzelnen Zellen umgebensich\ndeckt, communiciren sind von einer die\n,, von den schuppenf\u00f6rmi deckenden Hornzellen nach aussen ver-muthmasslich mit den Saftkan\u00e4len der Cutis, H\u00f6llensteinl\u00f6sung aufnehmenden Masse erf\u00fcllt\n1\tGanz anders verh\u00e4lt sich die Substanz des Nagels gegen die Betupfung mit Argentum nitricum. Die Zellen selbst erscheinen unter dem Einfluss des Tageslichtes gleichm\u00e4ssig gebr\u00e4unt, sie sind dicht an einander gelagert, und sind nicht durch eine sich durch ihr eigenth\u00fcmliches Verhalten gegen das Silbersalz kennzeichnende Zwischen- (oder Kitt-) Substanz getrennt, bilden vielmehr eine viel derbere continuirliche Schicht.\n2\tBiesiadecki , Haut, Haare und Nagel in Strieker\u2019s Handbuch der mikroskop. Anatomie.","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Die aufsaugenden Gebilde der Haut.\n271\nund vermitteln so durch diese die Verbindung der Oberfl\u00e4che mit den K\u00f6rpers\u00e4ften ; sie f\u00fchren die Ern\u00e4hrungsmaterie von Innen nach Aussen, vermitteln auch wohl die Abgabe von Wasser und gasf\u00f6rmigen Gebilden der Perspiration, k\u00f6nnen aber auch die Vermittelung von Aussen nach Innen \u00fcbernehmen, d. h. die Resorption von Fl\u00fcssigkeiten und von in denselben gel\u00f6sten Substanzen bewirken, wie sie andererseits auch die pathologische Blasenbildung in der Haut erm\u00f6glichen.\nKkause1 hat die Frage nach der Permeabilit\u00e4t der Haut dadurch zu entscheiden gesucht, dass er die todte Haut auf ihre Filtrationsf\u00e4higkeit, wie auf die durch sie vermittelte Hydrodiffusion pr\u00fcfte. Seine Antwort lautet durchaus negativ; weder l\u00e4sst sich Wasser durch sie pressen (filtriren), noch findet er irgend welche Erscheinungen, welche sich f\u00fcr eine endosmotische Durchg\u00e4ngigkeit, vor Allem der Epidermis, anf\u00fchren lassen.\nIm Allgemeinen kann ich die Resultate dieser Versuche bis zu einer gewissen Grenze hin best\u00e4tigen, ohne jedoch die Schlussf\u00e4higkeit in ihrem ganzen Umfange zuzugestehen.\nWas zun\u00e4chst die Filtrationsf\u00e4higkeit betrifft, so habe ich mich bei einer Fl\u00e4che der Scheidewand von 12 Mm. Durchmesser davon \u00fcberzeugt, dass nicht nur bei einem Druck von 32 Cm., sondern selbst bei 67 Cm. Quecksilber nicht ein Tropfen weder von Aussen nach Innen, noch in umgekehrter Richtung durchgepresst wird, aber auch weder eine Zerreissung der blasig sich erhebenden Epidermis, noch \u00fcberhaupt eine Blasenbildung erfolgt, wenn man die schliessende Membran von beiden Seiten her feucht erh\u00e4lt.\nIch richtete meine Versuche so ein, dass ich ein manometerartig gebogenes Glasrohr an dem k\u00fcrzeren Rohre durch menschliche Haut nach Abpr\u00e4pariren des Pannieulus adiposus verschloss und es dann mit Wasser und Quecksilber f\u00fcllte, den unteren Theil der Vorrichtung aber in ein mit destillirtem Wasser gef\u00fclltes Becherglas stellte, so dass die nach oben gekehrte Haut etwa eine zwei bis drei Cm. hohe Wasserschicht \u00fcber sich hatte. Beim Beginn des Versuches unterliess ich diese Vorsicht und \u00fcberzeugte mich, dass die Oberfl\u00e4che bald eintrocknete, die Dehnbarkeit der Epidermis daher immer geringer wurde.\nAus dieser Ver\u00e4nderung der Hautoberfl\u00e4che erkl\u00e4re ich mir auch, dass Krause bei einem nur m\u00e4ssig h\u00f6heren Quecksilberdruck schon Blasenbildung und Zerreissung einzelner dieser Blasen beobachtete,\n1 Krause, Haut; in Wagner\u2019s Handw\u00fcrterb. d. Physiol. II. 2.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272 v. Wittich, Physiol, cl. Aufsaugung etc. 2. Cap. Die wirksamen Kr\u00e4fte.\nw\u00e4hrend wunderbarer Weise die kleineren Bl\u00e4schen geschlossen blieben. Schon der Umstand, dass die durchfiltrirte Wassermasse nicht eine continuirliche Schicht zwischen Rete Malpighi und Epidermis bildete, sondern sich in gesonderten Bl\u00e4schen sammelte, die nicht direct mit einander communicirten, spricht daf\u00fcr, dass das Filtrat bestimmte pr\u00e4formirte Bahnen durch die Cutis und das Rete Malpighi einschlug oder doch an der Stelle sich ansammelte, woselbst es den geringsten Widerstand vorfand. Nur einmal habe ich, und noch dazu bei sehr viel niedrigerem Druck (ca. 10\u201413 Cm. Wasser, also etwa 1 Cm. Hg)7 blasige oder continuirliche Erhebung der Epidermis bei einer Gr\u00f6sse der Scheidewand von 3,5 Cm. gesehen, aber erst nach mehrfachem Gebrauch der Membran zu den verschiedensten Diffusionsversuchen, und nachdem ich den ganzen Apparat, d. h. den durch die Haut abgeschlossenen Cylinder, mit Wasser gef\u00fcllt hatte, um ihn auszusp\u00fclen und ihn so stehen liess. Etwa nach zwei Tagen (wohl mochte die Zersetzung daran Schuld sein), fand ich die Epidermis wie eine grosse, dicke, mit milchiger Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllte Blase; jene bestand nur aus zeitigem Detritus und wohl erhaltenen Zellen der tieferen Schichten, die von einander gelockert waren ; die vorsichtig abgenommene Epidermis filtrirte bei massigem Wasserdruck absolut nicht, obwohl das Mikroskop grosse Mengen von Schweissdr\u00fcsen\u00f6ffnungen zeigte. Der pfropfenzieherf\u00f6rmige Verlauf ihrer Ausf\u00fchrungsg\u00e4nge mochte jedoch die Filtration durch diese unzweifelhaften Poren verhindert haben. Wohl aber diffundirte Kochsalz wie Schwefelcyankalium durch dieselbe, als ich einen Glascylin-der von etwa 1,5 Cm. Durchmesser mit der isolirten Epidermis verschloss und mit der fraglichen L\u00f6sung gef\u00fcllt in Wasser oder Eisenchloridl\u00f6sung stellte.\nWurde durch die ganze Haut (Cutis und Epidermis) nach sorgf\u00e4ltigstem Abpr\u00e4pariren des Panniculus adiposus der Glascylinder geschlossen, so diffundirte in den ersten vierundzwanzig Stunden kaum eine Spur von CI Na in destillirtes Wasser ; zwar tr\u00fcbte sich letzteres ein wenig bei Zusatz von Argent, nitric., aber das bis zur Trockne ^unged\u00e4mpfte Wasser zeigte keine Spuren der sonst so charakteristischen Kochsalzkrystalle, wohl aber nicht unbetr\u00e4chtliche kleine Krystalldrusen, deren Natur ich nicht zu bestimmen im Stande war und die, in Aether unl\u00f6slich, sich nicht als Fetts\u00e4uren dokumentirten.\nDie Gesammtfl\u00fcssigkeit eines Diffusionsversuches (Aqua destillata) wurde nach vierundzwanzigstiindiger Diffusion eingedampft und der R\u00fcckstand verbrannt; er kohlte hierbei deutlich, roch aber nicht nach gebrannten Albuminaten. Der geringe Aschenr\u00fcckstand l\u00f6ste sich in","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Die aufsaugenden Gebilde der Haut.\n273\nWasser und wurde durch Argent, nitric, leicht getr\u00fcbt (ich hatte mich von der Reinheit meines vorher aufgekochten destillirten Wassers \u00fcberzeugt) es lehrte also der Versuch, dass unzweifelhaft eine chemische Auslaugung der Membran durch das destillirte Wasser erfolgt, sie also jedenfalls nicht constant genug zu Diffusionsversuchen sei.\nIn einem anderen Versuche diffundirte CI Na concentr. durch menschliche Haut (Palma manus) sicher geschieden in destillirtes Wasser (SO Ccm.). Nach 2 mal 24 Stunden tr\u00fcbte sich das Wasser bei Zusatz von Argentum nitricum erheblich, und gab, in einem Porzellantiegel eingedampft, einen lufttrockenen R\u00fcckstand = 0,004 Grm., der verbrannt noch eine Asche = 0,002 Grm. zur\u00fcckliess. Sowohl die w\u00e4sserige L\u00f6sung der Asche, wie des unverbrannten R\u00fcckstandes wurde durch Argentum nitricum getr\u00fcbt.\nBeim Ein\u00e4schern entwickelte sich unter brenzlichem Geruch eine ziemlich starke Kohle; in dem lufttrockenen R\u00fcckstand fanden sich eine Menge Kochsalzkrystalle.\nNicht weniger sicher liess sich die Diffusion von Schwefelcyankalium in Eisenchlorid durch die menschliche Haut nachweisen, und zwar wie jene (Kochsalz) von Aussen nach Innen, wie in umgekehrter Richtung, nur erfolgen alle diese Diffusions\u00fcberg\u00e4nge \u00e4usserst langsam, oft erst nach 2\u20143 Tagen. Von dem sicheren Verschluss durch die Haut hatte ich mich stets vorher \u00fcberzeugt. Allein bedenkt man die Dicke der Diffusionsschichten, die in meinen Versuchen oft 4\u20145 Mm. betrug, so Hesse sich wohl aus dieser Dicke die Verz\u00f6gerung des ganzen Vorganges deuten.\nFolgender einfache Versuch lehrt aber zur Gen\u00fcge den Einfluss der Dicke der Scheidewand auf die Schnelligkeit des Vorganges :\nZwei Glascylinder (ihres Bodens beraubte Reagenzgl\u00e4ser) werden mit einer Schicht feinmaschigen Futtermuslins geschlossen und dann mit einem nicht fl\u00fcssigen, sondern gallertartigen H\u00fchnereiweiss bedeckt; die eine betrug 3 Mm., die andere 24 Mm. Beide wurden dem Dampf siedenden Wassers ausgesetzt, das dadurch coagulirende Eiweiss bildete nun gest\u00fctzt durch den Futtermuslin die Diffusionsmembranen. Nat\u00fcrlich hatte ich mich vorher von dem vollkommen dichten Verschluss der Cylinder durch diese Schichten \u00fcberzeugt, indem ich mehrst\u00fcndig etwa 4 Cm. hoch Wasser dar\u00fcber stehen liess. Nicht ein Tropfen war durchfiltrirt. Gef\u00fcllt wurden beide mit concentrirter Kochsalzl\u00f6sung, in dem Aussen-gef\u00e4ss befand sich destillirtes Wasser; nach etlichen Stunden tr\u00fcbte sich eine Probe des letzteren bei dem Versuch mit d\u00fcnner Scheideschicht auf Zusatz von Argentum nitricum, und zeigte nach 24 Stunden einen volumin\u00f6sen Niederschlag, w\u00e4hrend in der Aussenfl\u00fcssigkeit des andern Versuches kaum eine Spur Kochsalz sich nachweisen liess ; und erst nach 36 Stunden tr\u00fcbte sich die Fl\u00fcssigkeit sichtlich durch Argent, nitricum.\nHandbuch der Physiologie. Bd. Y a.\t18","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274 v. Wittich, Physiol, cl. Aufsaugung etc. 2. Cap. Die wirksamen Kr\u00e4fte.\nUmgekehrt zeigt die Verwendung einer um vieles d\u00fcnneren Membran einen unendlich viel schnelleren endosmotischen Austausch. Die Haut junger und \u00e4lterer kleiner Individuen (neugeborener menschlicher), junger Kaninchen und Ratten zeigt bereits nach Verlauf weniger Stunden den unzweifelhaften Uebergang diffundirender Stoffe.\nWas beweisen nun diese Thatsachen? Ich glaube nicht, dass sie gegen die Permeabilit\u00e4t der lebenden Haut sprechen. Allerdings widersteht diese einem ziemlich hohen Filtrationsdruck, allein schon die Thatsache, dass bei den Anordnungen des Versuchs die unzweifelhaften mikroskopisch nachweisbaren Poren offenbar durch die Fixation der Membran verzogen und verschoben und dadurch verdeckt werden (sie gehen ja auch nicht direct, sondern schraubenf\u00f6rmig durch die Dicke), den Durchtritt der Fl\u00fcssigkeit verhindern, lehrt uns wohl schon, dass die Verh\u00e4ltnisse nicht dazu angethan erscheinen, um direct auf die lebende Haut \u00fcbertragen zu werden, wenigstens nicht gegen die Durchg\u00e4nglichkeit dieser f\u00fcr in Wasser l\u00f6sliche Be-standtheile.\nNoch ein Umstand spricht gegen die Stichhaltigkeit der Filtrationsversuche. Die Haut der Fr\u00f6sche, obwohl ein bedeutendes d\u00fcnner als die menschliche, tr\u00e4gt in der Richtung von Aussen nach Innen einen gleich hohen Druck, ohne dass sie einen Tropfen durchl\u00e4sst oder an irgend einer Stelle reisst, und doch zeigt nicht nur die oberfl\u00e4chlichste Schicht der Epidermis, sondern auch die tiefere eine Anzahl von ziemlich dicht stehenden Oeffnungen1, die mit den sehr zarten einzelligen Hautdr\u00fcsen communiciren, und doch ist nicht nur die Froschhaut unter normalen Verh\u00e4ltnissen stets feucht (selbst bei Verweilen an der Luft) von durchtretender Feuchtigkeit, die nicht von jenem mehr milchigen Secret der gr\u00f6sseren Hautdr\u00fcsen herr\u00fchrt und ist der stetige Verlust des Tkieres an Feuchtigkeit bei trockener Umgebung so erheblich, dass sie ungemein schnell mumificiren. Und doch nimmt die Froschhaut unzweifelhaft bei vollst\u00e4ndiger Integrit\u00e4t selbst durch ihre Wirkung gekennzeichnete Gifte und andere im Harn leicht nachweisbare Bestandtheile auf. In umgekehrter Richtung, d. h. von Innen nach Aussen, filtrirt die Froschhaut dagegen leicht; selbst bei niederem Druck (bei 85 Cm. Wasser) war in 7 Stunden etwa 1/2 Cm. hohe Schicht durchgepresst. Die Epidermis (es wurde nicht unter Wasser filtrirt) erhob sich zu einer Blase, aus deren Oberfl\u00e4che punktf\u00f6rmig kleine Tropfen Wasser hervorquollen. Die Blase wurde mit einer feinen Scheere abgetragen und erwies sich mikro-\n1 F. E. Schulze, Arch. f. mieroscop. Anat. III. S. 166. 1S67.","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"Die aufsaugenden Gebilde der Haut.\n275\nskopiscli aus einer meistens doppelten Lage von Epidermiszellen. Die punktf\u00f6rmigen Austrittstellen entsprachen jenen \u00e4usserst zahlreichen Oeffnungen, welche mit den von F. E. Schulze beschriebenen einzelligen Dr\u00fcsen communiciren oder vielmehr deren Oeffnungen bilden.\nFassen wir noch einmal das \u00fcber den Bau der menschlichen Haut, wie \u00fcber ihre Permeabilit\u00e4t Gesagte kurz zusammen, so besteht dieselbe aus einer verschieden m\u00e4chtigen Lage von Zellen, die, durch Zwischenr\u00e4ume von einander getrennt, wiederum theilweise mit einer wohl z\u00e4hen Kittmasse an einander geheftet, ein Maschennetz unter einander communicirender B\u00e4ume bilden. Nach der Oberfl\u00e4che zu trocknet diese anfangs z\u00e4hfl\u00fcssige Kittmasse allm\u00e4hlich ein (mit beginnender Desquamation). In den tieferen Lagen dieser R\u00e4ume befinden sich nun die von den Saftbahnen der Cutis herr\u00fchrenden\n\u00bb\nWanderzellen und vermitteln den Zusammenhang der Lymphbahnen der Lederhaut mit der Oberfl\u00e4che.\nEs scheint mir sehr wahrscheinlich, dass die so meistens trockene Aneinanderf\u00fcgung der oberfl\u00e4chlichsten Epidermisschuppen den Grund abgeben f\u00fcr die geringe Filtrationsf\u00e4higkeit gerade dieser Schichten, denn die, wenn auch langsame, aber doch immer sicher erfolgende Durchdringung der tieferen Schichten bis zur Hornschicht ist unzweifelhaft, und die blasenf\u00f6rmige Erhebung jener spricht ebenfalls\n* entschieden daf\u00fcr, dass die tieferen Schichten durchg\u00e4ngiger, die Zellen dieser auch nur durch das durchdringende Wasser von einander gelockert werden. Auch die pathologische Bildung von Blasen, die Ansammlung von Lymphe (oder Eiter) in diesen pr\u00e4for-mirten und pathologisch erweiterten Bahnen erkl\u00e4ren sich wohl am einfachsten durch die Annahme derartiger, auch normal bereits vorhandener Wege, deren Verbindung mit den Lymphbahnen der Haut ja auch bereits pr\u00e4formirt zu sein scheint1.\n:\tAuch die wohl gelegentlich bei k\u00fcnstlicher Injection von den\nBlutgef\u00e4ssen her, deren normale Verbindung mit den Saftkan\u00e4len fest zu stehen scheint, erfolgende blasige Erhebung der Epidermis erkl\u00e4rt\n1 Hierher geh\u00f6ren die von Gubler und Quevexxe , Amussat, Hexsen und Daenhardt beschriebenen und zu besonderer Analyse benutzten F\u00e4lle von Lymph -listeln, die an Oberfl\u00e4chen (Haut des Oberschenkels, Scrotum. Penis) durch Er\u00f6ffnung kleiner reactionslos aufgetretener, nur von der Epidermis bedeckter Bl\u00e4schen entstanden, und welche dauernd oder zeitweise eine dem Chylus sich hin-sichts seiner milchigen Beschaffenheit, seines Fettgehaltes sehr nahestellenden Lymphe entstr\u00f6men Hess. Hexsex erw\u00e4hnt hierbei, das> derartige oft dehiscirende Lymphbl\u00e4schen die gew\u00f6hn\u00fcchen Vorl\u00e4ufer einer Elephantiasis seien, die in tropischen Gegenden endemisch vorkomme. (Arch. f. pathol. Anat. XXXVII. \u2014 Gubler und Queyexxe, Gaz. m\u00e9d. de Paris 1854. Ko. 24, 27, 30, 34.)\n18 *","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276 v. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 2. Cap. Die wirksamen Kr\u00e4fte.\nsich sehr wohl aus den vorerw\u00e4hnten Thatsachen. Die Betupfung der Haut mit schwacher H\u00f6llensteinl\u00f6sung zeigt uns viel sicherer die physiologische Resorptionsf\u00e4higkeit durch dieselbe, wie die Bahnen, welche eine in dieselbe eindringende Masse einschl\u00e4gt, als alle \u00fcbrigen Versuche ; sie beweist aber auch, woher dieser Uebergang immer nur ein sehr schwacher und minimaler sein kann, dass er unter Umst\u00e4nden auch wohl noch dadurch behindert werden k\u00f6nne, dass er durch die chemische Wirkung auf die Kittmasse zwischen den Epi-dermiszellen diese gerinnen mache und so das fernere Fortschreiten verhindere ; dass dagegen, wenn das L\u00f6sungsmittel ein schnellfl\u00fcssiges ist, die Aufnahme wesentlich bef\u00f6rdert werden k\u00f6nne, da dieses, besonders wenn es sich chemisch indifferent gegen die Kittmasse verh\u00e4lt, ungemein schnell in die oberfl\u00e4chlich lufthaltigen Zwischenr\u00e4ume zwischen den Zellen eindringt. Substanzen, welche durch die oberfl\u00e4chlichen Schichten hindurch bis in die tieferen gerathen, linden hier bereits in den mit z\u00e4hfl\u00fcssiger Kittmasse gef\u00fcllten pr\u00e4formirten Bahnen einen Weg, der ihre Ueberf\u00fchrung in die Lymph- und von diesen weiter in die Blutgef\u00e4sse vermitteln kann. Daher erkl\u00e4ren sich auch die vielfach bekannten Thatsachen, dass medicament\u00f6s wirkende Substanzen leichter ihre Wirkung zeigen, wenn durch ein Blasenpflaster die Hornschicht der Haut abgehoben und das Medicament auf die darunter liegenden Schichten aufgetragen wird, dass Stoffe, wie kaustische Alkalien, anorganische S\u00e4uren, wenn sie die Oberfl\u00e4che lockern oder angreifen, die Permeabilit\u00e4t der Haut unterst\u00fctzen.\nDie Lederhaut selbst ist reich an Lymphgef\u00e4ssen und an oberfl\u00e4chlich verlaufenden Saftbahnen, welche die Vermittelung mit dem Blutgef\u00e4sssystem unterhalten, und deshalb die Aufsaugung wesentlich zu f\u00f6rdern bef\u00e4higt sind. Die ungemein schnelle und intensive Wirkung subcutaner Einspritzungen, die man sich wohl auch nur als ein directes Eindringen der Stoffe in die Saftkan\u00e4le zu denken hat, sprechen zur Gen\u00fcge f\u00fcr die Aufsaugungsf\u00e4higkeit des Unterhautgewebes.\nII. Die aufsaugenden Gebilde der Bindehaut des Auges.\nDer Oberhaut anatomisch am n\u00e4chsten steht die Conjunctiva oculi ; sie geht nicht nur in dieselbe unmittelbar \u00fcber, sondern auch hinsichts ihres Baues sind beide nahe verwandt. Auch an der Hornhaut wie an der scleralen Epithelschicht l\u00e4sst sich wie bei der \u00e4usseren Haut mittelst Argentum nitricum der Weg feststellen, den eine resorbirte L\u00f6sung nehmen k\u00f6nnte. Auch hier sieht man bei schwacher","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"Die aufsaugenden Gebilde der Bindebant; des Darmtractus.\nWirkung zuweilen, wenigstens wenn die Cauterisirung nur oberfl\u00e4chlich erfolgte, haupts\u00e4chlich nur die Kittmassen zwischen den Epithelzellen geschw\u00e4rzt, obwohl makroskopisch sichtbar ganze Flecken gleichm\u00e4ssig gef\u00e4rbt erscheinen. Eine Schwierigkeit w\u00fcrde nur die vordere (BowMAN\u2019sche) Glasmembran, die keinerlei Durchl\u00e4sse, sondern ein durchweg gleichm\u00e4ssiges Gef\u00fcge zeigt, der Ueberfiihrung resorbirter Substanzen durch Vermittelung der Kittsubstanz machen.\nEs scheint mir aber mehr als wahrscheinlich, dass hier die Resorption vorwiegend durch die epitheliale Bedeckung der angrenzenden Sclera und der Lider, nicht durch die Cornea, erfolgt, aber selbst von dem Cornealepithel aufgenommene Substanzen k\u00f6nnen gar wohl zun\u00e4chst unter Umgehung jener Scheidewand (der Glasmembran) in die sclerale Epithelschicht und von hier in die Saftkan\u00e4le der Sclerotica \u00fcbergehen, um so in das Wasser der vorderen Augen-kannner zu gerathen, wenn man nicht den ganzen Vorgang, d. h. den schnellen Uebergang von in Wasser l\u00f6slichen Substanzen in die vordere Kammer weniger als eine Filtration als vielmehr als einen Diffusionsvorgang deuten will.1 2 Was hier nur gezeigt werden sollte, ist, dass anatomisch pr\u00e4formirte Bahnen bestehen, welche unter Umst\u00e4nden als Filtrationswege dienen k\u00f6nnen.\nAuch die Epithelzellen der Conjunctiva palpebrarum sind unter einander durch eine Kittmasse verbunden, die ihrer L\u00f6slichkeit in (10%) Kochsalzl\u00f6sung wegen-, wie ja auch die Kittmasse des Epithels des Bulbus aus einer dem Myosin nahe verwandten, d. h. z\u00e4hfl\u00fcssigen Substanz besteht, die aber wohl als nachgiebig und f\u00fcr eine Filtration permeabel zu betrachten ist.\nIII. Die aufsaugeiiden Gebilde des Darmtractus.\nFinden wir somit in allen bisher besprochenen Stellen die anatomisch pr\u00e4formirten Filtrationswege zur Ueberfiihrung von S\u00e4ften und fester Partikel in die Lymph- und Blutbahnen, so erscheinen die anatomischen Bedingungen f\u00fcr die Ueberfiihrung von Substanzen im Bereich des ganzen Darmtractus noch unendlich viel g\u00fcnstiger. Die ganze Oberfl\u00e4che vom Magen an ist mit einem ungemein zarten, weichen, sehr leicht vernichtbaren Cylinderepithel bedeckt, das nach\n1\tKr\u00fckowund Leber (Arch. f. Ophthalmologie XX. S. 205. 1879) erweisen die endosmotische Durchg\u00e4ngigkeit der Cornea am todten wie lebenden Auge ohne Betheiligung der Saftkan\u00e4lchen (Recklinghausen), wie die Hemmung durch das Epithel.\n2\tRollett , Ueber die Hornhaut in Strieker\u2019s Ilandb. der microscop. Anatomie S. 1091. \u2014 Schweigger-Seydel, Ber. d. s\u00e4ehs. Ges. d. Wiss. 1866. S. 589.","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 2. Cap. Die wirksamen Kr\u00e4fte.\nAngabe einiger sogar eines .vollst\u00e4ndigen basalen Verschlusses1 entbehrt und nur mit einem schleimigen Secret nach oben zu bedeckt werde (D\u00f6nitz) nach Angabe Anderer mit einem durch eine grosse Zahl capillarer R\u00f6hren durchzogen, jedoch nach Anderen geradezu mit einem aus einzelnen st\u00e4bchenf\u00f6rmigen Cilien zusammengesetzten Saum bedeckt werden. Es d\u00fcrfte schwer sein, die Richtigkeit einer dieser verschiedenen Anschauungen hier zu entscheiden, alle drei haben aber das Gemeinschaftliche, dass sie pr\u00e4formirte Bahnen annehmen, welche die Resorption durch Filtration erm\u00f6glichen. Auch hier stehen die einzelnen Cylinderzellen durchaus nicht dicht bei einander, sondern sind durch eine z\u00e4hfl\u00fcssige Kittmasse von einander getrennt, die ja auch als der allein m\u00f6gliche Weg f\u00fcr die Filtration angesehen worden ist.\nv. TAnhofer 2 schildert die Epithelzellen des Magens und Darmes geradezu als Flimmerzellen. Ich kann ihm Recht geben (es stimmen damit auch die Angaben PIeidexhain\u2019s und Anderer \u00fcberein), dass man mitunter Zellen mit so deutlichen von einander abgesperrten cilienartigen St\u00e4bchen auf ihrer Basalfl\u00e4che zu sehen bekommt, und dass besonders bestimmte Macerationsmethoden das Zustandekommen derartiger Pr\u00e4parate beg\u00fcnstigen (so vor allen die Maceration des Pr\u00e4parates in Salicyl- oder Oxals\u00e4ure (1:300), muss aber doch gestehen, dass ich zweifelhaft bin, ob wir es hier mit wirklichen Flimmerzellen zu tliun haben. Ich habe mich vergeblich, besonders an Fr\u00f6schen, wie an kleinen S\u00e4ugetkieren, abgem\u00fcht, in ganz frischen Pr\u00e4paraten die Zellen in Th\u00e4tigkeit zu sehen (Funke) und habe mich dabei der verschiedensten Fl\u00fcssigkeiten als Zus\u00e4tze bedient. Chlornatr. 0,7 0o, Acid, muriat. beim Magen 0,2 \u00b0o. Kali causticum in der von Virchow f\u00fcr die Wiederbelebung der Flimmerzellen empfohlenen Art. Beim Frosch flimmert bekanntlich der ganze Oesophagus, es ist daher eine T\u00e4uschung wohl m\u00f6glich, ist es mir doch nicht selten passirt, dass ich beim Abstreifen des frischen\n1\tBR\u00fcCKe. Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. AI. S. 10t ff. 1852. \u2014 Brettauer u. Steinach. Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. XXIII. 1857. \u2014 K\u00f6lliker, W\u00fcrzb. Yerhandl. VI. 1855. VII. 1856. \u2014 Donders, Nederl. Lancet VI. 3. Ser. undMolesch. Unters. IL S. 102. 1857. \u2014 Moleschott u. Marfeli, Wiener med. Wochenschr. 1834. und Moleschott, Unters. II. S. 119. 1857. \u2014 Funke, Ztschr. f. wissensch. Zoologie VII. S. 315. 1856. \u2014 Eberth, W\u00fcrzb. naturw. Ztschr. V. S.23. 1864.\u2014 D\u00f6nitz, Arch, f. Anat. u. Physiol. 1866. S. 757 ff. \u2022\u2014 Erdmann. Beobachtungen \u00fcber die Resorptionswege der Schleimhaut des D\u00fcnndarmes. Dissert. Dorpat. 1867.\n2\tv. Tanhofer, Arch. f. d. ges. Physiologie VIII. S. 391 ff. 1874. \u2014 Funke (1. c. S. 322) sah auch bereits dieses scheinbare Flimmerepithel der Darmmucosa. Er sagt dar\u00fcber: Bei 3 Kaninchen bot die gesammte Darmschleimhaut unter dem Mikroskop ein Bild dar, dass auf den ersten Blick sich die \u00fcberraschende Ueber-zeugung aufdr\u00e4ngte, die Zellen seien mit dem sch\u00f6nsten Flimmerepithel \u00fcberkleidet (vgl. Abbildungen ebendaselbst).","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"Die aufsaugenden Gebilde des Darmtractus.\n279\nMagenepithels wohl ein wenig \u00fcber die Oesopbagusgrenze gekommen war, dann allerdings erhielt ich das herrlichste Flimmerepithel \u2014 aber das geh\u00f6rte dem Oesophagus an. Jedenfalls m\u00fcssten es Flim-merzellen von \u00e4usserst verg\u00e4nglicher Functionsf\u00e4higkeit oder leichter Zerst\u00f6rbarkeit sein, die wir im Magen und Darm finden.\nDer Uebergang von Substanzen, die in Wasser unl\u00f6slich, sich optisch auch von letzterem trennen lassen, haben von jeher die Gelegenheit geboten, den Gang, den dieselben durch die Darmwand zur\u00fccklegen, zu verfolgen. Man hat die Fetttropfen nach ergiebiger Fettf\u00fctterung mikroskopisch in den Cylinderzellen, aber auch in den Zwischenr\u00e4umen zwischen den einzelnen Zellen verfolgt, und danach bald hierhin bald dorthin die ausschliesslichen Filtrationsbahnen verlegt. Bei gewissen Pr\u00e4parationsmethoden findet man bei Fr\u00f6schen (chromsaures Kali) die einzelnen Zellen stets mit ungemein langen Ausl\u00e4ufern versehen, von denen einige Autoren angeben, dass sie hohle Kan\u00e4le 1 mit den Bindegewebszellen der Zottensubstanz des Darmkanales communiciren ; andere bezweifeln diese Communication, w\u00e4hrend doch die Constanz der Forts\u00e4tze unzweifelhaft eine Verbindung der z\u00e4hfl\u00fcssigen Zellensubstanz, die nur durch die Einwirkung bestimmter chemisch wirkender Stoffe starr und fest wird, im Leben aber z\u00e4hfl\u00fcssig ist, mit der darunter gelegenen Masse annehmen lassen, wobei es \u00fcbrigens ganz gleiehwerthig bleibt, ob jene tiefer gelegenen R\u00e4ume in ebenfalls hohlen Bindegewebsk\u00f6rpern oder in den R\u00e4umen des Adenoidgewebes zu finden seien. Man mag sich einer Auffassung zuwenden welcher man will, jedenfalls kommen wir zu der Annahme einer z\u00e4hen aber weichen, einem Drucke leicht nachgebenden, einem Schwamme wohl vergleichbaren Decke, die auf einem, im Leben wenigstens jedenfalls nachgiebigen Gewebe, dem Grundgewebe der Schleimhaut, ruht, die also sehr wohl einem Filtrationsdrucke nachzugeben im Stande ist. Das Grundgewebe der Schleimhaut des Darmkanales bildet die Anf\u00e4nge der Chylusgef\u00e4sse, und somit haben wir dann auch hier die pr\u00e4formirten Bedingungen f\u00fcr eine Filtration.\nNach eigener Erfahrung k\u00f6nnte ich mich in Bezug auf die Basals\u00e4ume nur den von D\u00f6nitz gemachten Angaben anschliessen, der dieselben als durchaus inconstante Secrete der Epithelzellen ansieht. Im Wesentlichen habe ich bereits im Jahre 18572, also lange vor D\u00f6nitz, dieselben Angaben \u00fcber das inconstante Vorkommen\nt Heidenhain, Molesch. Unters. I\\ . S. 251. 1S5S.\n2 y. Wittich, Arch. f. pathol. Anat. XI. S. 37. 1S57.","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 2. Cap. Die wirksamen Kr\u00e4fte.\ndieser Gebilde, das h\u00e4ufige Fehlen der Querstreifung (dass sie wirklich oft vorkommt, kann ich heute nur best\u00e4tigen), ihre continuirliche Abziehbarkeit von der Basis der einzelnen Zellen, \u00fcber das Ver-k\u00f6mmen \u00e4hnlicher postmortaler Gebilde an Orten (Niere bei V\u00f6geln), wo man sie sonst kaum erwarten d\u00fcrfte. Nur darin kann ich D\u00f6-nitz nicht beistimmen, dass die Zelle allseitig geschlossen, d. h. mit einer schliessenden Membran umgeben sei. Sowohl das Yer-halten derselben im frischen Zustande wie gegen erh\u00e4rtende Mittel spricht, so scheint es mir, daf\u00fcr, dass der basale Theil unvergleichlich widerstandsunf\u00e4higer sei als der seitliche, dass es daher unendlich viel leichter gelingt, das Protoplasma aus der basalen Begrenzung heraus zu pressen, als die scharf seitliche Contour zu zer-reissen. Die Hinf\u00e4lligkeit der frischen Zellen, ihre ungemein leichte Zerst\u00f6rbarkeit l\u00e4sst es mir \u00fcberhaupt zweifelhaft erscheinen, ob derselben \u00fcberhaupt eine selbst\u00e4ndige Umh\u00fcllung, eine vom Protoplasma gesonderte Zellenmembran zukommt, ob das, was wir unzweifelhaft in abgestorbenen Pr\u00e4paraten, in welchen wohl das Myosin des Protoplasma geronnen d. h. starr geworden ist, oder nach Anwendung besonderer Methoden zu sehen bekommen, nicht vielleicht die resistenteste Schicht des Protoplasma ist, welche zun\u00e4chst starr geworden den Inhalt herauspresst. Ebenso wenig haben wir, glaube ich, ein Reckt dazu, die starren festen Ausl\u00e4ufer, die, wenn auch lange nicht so evident bei V\u00f6geln und S\u00e4ugern sich nach weisen lassen wie bei Amphibien, als r\u00f6hrige Elemente zu betrachten; es sind dieselben im lebenden Zustande eben ein z\u00e4hweiches Protoplasma, welches in der L\u00e4ngsrichtung der Cylinderzelle am innigsten zusammenh\u00e4lt, und von den Nachbarzellen nur durch eine d\u00fcnnfl\u00fcssigere Masse getrennt, daher auch unter Momenten, welche das Protoplasma erstarren machen, in dieser Richtung hin fest werden. Von einer siebf\u00f6rmig durchl\u00f6cherten Umgrenzungsmembran der Zelle, wie sie D\u00f6nitz beschreibt, habe ich mich nicht \u00fcberzeugen k\u00f6nnen, obwohl ich zugeben muss, dass das Zottenparenchym nach dem Epithel zu immer dichter wird, also eine viel festere Begrenzung zeigt, wie sie nach Heidenhain\u2019s Angabe haben soll.\nHinsichts der von Letzerich 1 f\u00fcr die Fettresorption besonders in Anspruch genommenen Becherzellen glaube ich, dass sie uns nur verschiedene Entwicklungsstadien ein und derselben Zellenform dar-\n1 Letzerich. Arch. f. pathol. Anat. XXXVII. S. 232ff. 1866.\u2014 Eimer, Ebendas. XXXVIII. S. 428ff. 1867. \u2014 Letzerich sieht nur die Becherzellen als die fettresor-birenden an, w\u00e4hrend Eimer diese letzteren nur als secretorisch fungirende Organe betrachtet.","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"Respirationstractus ; Imbibition. Filtration und Hydrodiffusion.\n281\nstellen, und in sofern als secretoriscke Organe aufzufassen sind, und scheint mir der Umstand, dass man oft in frischen Pr\u00e4paraten gar keine, nach Behandlung anderer St\u00fccke desselben Darmes mit doppeltchromsaurem Kali dagegen Becherzellen in grosser Menge auf-tinclet, daf\u00fcr zu sprechen, dass dieselben nicht Zellen eigener Art und Form bilden, sondern dass jede Epithelzelle unter dem Einfluss einer Schleimmetamorphose ihres Inhaltes in eine Becherzelle umgewandelt werden k\u00f6nne. Oft findet man ja auch die Becherform in noch frischen dem Thiere entnommenen Darmzellen, in andern F\u00e4llen dagegen kennzeichnet sich die Umwandlung durch ein verschiedenes Verhalten derselben gegen Beagentien, also wohl durch eine chemische Verschiedenheit.1\nIV. Die aufsaugenclen Gebilde des Respirationstractus.\nNicht minder g\u00fcnstig sind die Verh\u00e4ltnisse f\u00fcr eine durch Fil-tration bedingte Aufsaugung in der Trachealschleimhaut und der Innenfl\u00e4che der Lungen; jene ist von einem zarten, leicht zerst\u00f6rbaren, d. h. ja einem Druck leicht nachgebenden flimmernden Cylin-derepithel, diese von einer einzelligen Schicht durch eine weiche Kittmasse getrennter Epithelzellen bedeckt. Hier wie dort finden sich die Anf\u00e4nge der Lymphbahnen in unmittelbarer Nachbarschaft und lassen sich wohl gar durch die Kittmasse hindurch k\u00fcnstlich injiiciren.2\nV. Die Betheiligung der Imbibition, Filtration und Hydro-\ndiffusion bei der Aufsaugung.\nFinden wir somit in den Resorptionsfl\u00e4chen \u00fcberall die Bahnen f\u00fcr eine Filtration vorgebildet, wobei es sich nicht um wirkliche Substanzl\u00fccken (L\u00f6cher), sondern nur um Wege und Bahnen handelt, die mit einer z\u00e4hfl\u00fcssigen verschiebbaren Masse erf\u00fcllt, einem Filtrationsdrucke nach geben kann, sei es nun, dass dieser durch positive Pression oder durch Adspiration ausge\u00fcbt werde: so fragt es sich, ob nicht auch auf andere Weise L\u00f6sungen \u00fcbergef\u00fchrt werden k\u00f6nnen. Wir hatten anf\u00e4nglich als die hierbei in Frage kommenden Erscheinungen die der Imbibition, der Filtration und der Hydrodiffusion aufgef\u00fchrt.\n1\tSehr lehrreich waren f\u00fcr mich Epithelzellen, welche in Oxals\u00e4ure aufbe-wahrt waren. Fast alle Zellen eines so behandelten Darmes hatten Becherform, w\u00e4hrend ihnen der Basalsaum vollst\u00e4ndig fehlte. Vgl. auch Fig. 3.\n2\tJ. Sikorsky, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1870. No. 52. \u2014 v. Wittich, Mittheilungen a. d. physiol. Laboratorium. K\u00f6nigsberg 1878. \u2014 K\u00fcttner, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1875. S. 41.","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282 y. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 2. Cap. Die wirksamen Kr\u00e4fte.\nImbibition ist nur denkbar, wenn der hierbei in Frage kommende Tkeil noch nicht das Maximum seiner Aufnahmsf\u00e4higkeit f\u00fcr ein bestimmtes Medium erreicht hat und nun mit demselben in Ber\u00fchrung tritt. Wohl alle thierischen Gewebe sind dem Wasser und w\u00e4sserigen L\u00f6sungen gegen\u00fcber imbibitionsf\u00e4hig, selbst die sonst ja ziemlich starren und trocknen epidermoidalen Gebilde (Nagel, Haare, Epidermis) entziehen ihrer Umgebung Wasser. Man benutzt aus diesem Grunde Haare, Hornsp\u00e4ne zu Hygrometern, um aus ihrer Volumenzu- oder -abnahme auf die Feuchtigkeit der Umgebung zu schliessen; aber auch die Ver\u00e4nderung, die unsere Haut nach l\u00e4ngerem Verweilen besonders in lauwarmem Wasser erf\u00e4hrt, das verbesserte elektrische Leitungsverm\u00f6gen einfach angefeuchteter Haut, spricht unzweifelhaft f\u00fcr das Stattfinden einer Imbibition. Die blasenf\u00f6rmig sich in ziemlicher Ausdehnung abgehobene Epidermis eines einer frischen Leiche entnommenen St\u00fcckes menschlicher Haut zeigte mir in trockenem nicht k\u00fcnstlich getrocknetem Zustande eine Dicke von 0,2 Mm. und wog 0;071 Gramm, sie wurde 18 Stunden lang in destillirtes Wasser gelegt, herausgenommen, zwischen Fliesspapier, behufs der Abtrocknung von dem losen, \u00e4usserlick anhaftenden Wasser gepresst, wog sie 0,149 Gramm, hatte also mehr als das gleiche Gewicht imbibirt. Wie von der Oberhaut, so ist es von allen Oberfl\u00e4chen anzunehmen, dass sie verm\u00f6ge ihrer Beschaffenheit wohl im Stande sind, Fl\u00fcssigkeiten zu imbibiren, wie ja \u00fcberhaupt eine jede Filtration eine vorg\u00e4ngige Durchtr\u00e4nkung mit der zu filtrirenden Fl\u00fcssigkeit voraussetzt, und um so mehr, als wir wohl berechtigt sind anzunehmen, dass die einzelnen Gewebe verm\u00f6ge der Z\u00e4higkeit der sie zusammensetzenden Gewebe sich nicht im Maximum der Imbibition befinden.\nDie Versuche Liebig\u2019s1 \u00fcber Imbibition thierischer H\u00e4ute lehren ausserdem, dass jene je nach der verwendeten Fl\u00fcssigkeit einen anderen Werth erh\u00e4lt, dass dieser, bestimmt durch die Gewichtszunahme, anders ausf\u00e4llt f\u00fcr die eine, wie f\u00fcr die andere Fl\u00fcssigkeit. Hierbei ist ferner noch zu bedenken, dass ein Theil der Fl\u00fcssigkeit wie die in ihr gel\u00f6sten Stoffe aufnimmt, so auch seinerseits Stoffe abzugeben wohl im Stande ist. Das Wasser, in welches ich ein St\u00fcck freie Epidermis, welche ich vorher sorgf\u00e4ltig abgesp\u00fclt hatte, mehrst\u00fcndig gelegt hatte, reagirte am Ende des Versuchs gegen Argentum nitricum durch eine leichte wolkige Tr\u00fcbung, die vor dem Ver-\n\u00ce Liebig, Untersuchungen \u00fcber die Ursache der S\u00e4ftebewegung. Braunschweig 1S48. ; vgl auch Ludwig, Lehrbuch d. Physiol. I. S. 73. 1S5S.","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"Die Betheiligimg d. Imbition, Filtration u. Hydrodiffusion bei d. Aufsaugung. 283\nsuch au einer Probe desselben Wassers absolut fehlte. Ebenso gibt auch die lebende Haut Substanzen dem Wasser ab. Ich hatte den Mittelfinger meiner rechten Hand m\u00f6glichst sorgf\u00e4ltig mit destillirtem Wasser, Alkohol und Aether ges\u00e4ubert, abgetrocknet, so dass das einige Minuten lange Eintauchen desselben in Wasser diesem kaum Spuren einer durch Argentum nitricum zu tr\u00fcbenden Substanz ab-gaben. Hierauf hielt ich den Finger 12 st\u00fcndlich in ein mit Cti\\ a (26 Proc.) gef\u00fclltes Glas; herausgenommen, ward er so lange unter einen Strom destillirten Wassers gebracht, bis letzteres durch Argentum nitricum nicht weiter getr\u00fcbt ward. Hierauf hielt ich den vorher nat\u00fcrlich sorgf\u00e4ltigst abgeriebenen und durch Alkohol abgetrock-neteu Finger in ein Gef\u00e4ss mit vorher ausgekochtem und dann abgek\u00fchltem destillirtem Wasser. Nach etwa V-i\u2014V2 st\u00fcndlichem Verweilen brachte hinzugesetztes Argentum nitricum eine ziemlich volumin\u00f6se Tr\u00fcbung hervor. Dieser Versuch zeigt die Imbibitionsf\u00e4higkeit der Epidermis, wie auch die Auslaugbarkeit derselben durch destil-lirtes Wasser. Aber auch bereits fr\u00fcher angegebene Versuche zeigen, dass die Epidermis einen Theil der in ihr enthaltenen, in Wasser l\u00f6slichen organischen Substanzen abzugeben im Stande ist.\nWas die Hydrodiffusion betrifft, so hat man sie seit ihrer Entdeckung durch Dutrochet und Parrot lange Zeit hindurch als die einzige und alleinige bei der Aufsaugung wirksame Kraft angesehen, bis erst das genauere Studium dieser Erscheinungen lehrte, dass durch sie die wenigsten Thatsachen ihre Erkl\u00e4rung zu finden verm\u00f6gen.\nDie wichtigste und wesentlichste physiologische Thatsache, die wir aus ihr sch\u00f6pfen, die M\u00f6glichkeit einer gesetzm\u00e4ssigen, vom Druck unabh\u00e4ngigen Durchmischung zweier direct in Ber\u00fchrung tretender oder durch eine Scheidewand getrennter L\u00f6sungen verschiedener Salze oder Substanzen bei vorhandener Mischbarkeit der L\u00f6sungsmittel, findet sicherlich auch im lebenden Organismus statt, wenn Fl\u00fcssigkeiten verschiedener Zusammensetzung direct oder durch irgend eine membran\u00f6se Scheidewand von einander getrennt, mit einander in Ber\u00fchrung treten, aber immer w\u00fcrde es doch auf die chemische Zusammensetzung derselben, ihre Indifferenz gegen einander (d. h. ihre chemische Unwirksamkeit auf einander) vor allem aber auf die Diffusibilit\u00e4t der gel\u00f6sten Substanzen, d. h. auf ihre Durchdringbarkeit ank0mmen.\nSeit den Untersuchungen Graham's1 wissen wir, dass sich die Stoffe in leicht und schwer diffusible scheiden lassen, jene die soge-\n1 Graham, Ann. d. Chem. u. Pharm. LXXYII. u. LXXX.","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 2. Cap. Die wirksamen Kr\u00e4fte.\nnannten krystalloiden, diese die colloiden Substanzen. Als der Hanpt-repr\u00e4sentant der letzteren gilt der thierische Leim. Bei unver\u00e4nderlichen Scheidew\u00e4nden diffundirt derselbe unzersetzt kaum. Zu ihm z\u00e4hlen aber auch eine ganze Reihe von thierischen Gebilden, die eine ungemein wichtige Rolle bei der Ern\u00e4hrung spielen, deren Aufnahme durch Hydrodiflusion mindestens doch gewaltige Schwierigkeiten zu \u00fcberwinden hat. Denn selbst wenn wir annehmen, dass die Darmoberfl\u00e4che hinsichts ihres physikalischen Verhaltens durchaus nicht jenen starren, wenig ver\u00e4nderlichen Scheidew\u00e4nden gleich zu setzen sei, welche Graham sich aus vegetabilischem Pergament construirte, wenn der stetige lebende Stoffwechsel in den einzelnen Gewebselementen durch seine chemischen Beziehungen zur Scheidewand und Fl\u00fcssigkeit auch um \\ ieles leichter einen Austausch erm\u00f6glichen mag, so ist doch auch bei der Benutzung todter thierischer H\u00e4ute zu \u00e4hnlichen Versuchen der Uebergang der Eiweissk\u00f6rper ein stets ungemein tr\u00e4ger, w\u00e4hrend wir uns bei der Complicirtheit der \\ erh\u00e4ltnisse andererseits, die Grundbedingung einer Hydrodiffusion, die heterogene Zusammensetzung beider Fl\u00fcssigkeiten kaum recht zu denken verm\u00f6gen. Doch alle Bedingungen als vollkommen vorausgesetzt, so w\u00fcrde muthmasslich immer nicht jene f\u00fcr die Erhaltung des Organismus erforderliche Menge zu diffundiren im Stande sein. Ganz abgesehen davon, dass zu einem solchen Vorg\u00e4nge immer doch 2 Fl\u00fcssigkeiten und noch dazu qualitativ oder quantitativ verschiedener Zusammensetzung, erfordert werden ; w\u00e4hrend beim Beginn der Chylusresorption im Darmkanal uranf\u00e4nglich Leere oder doch wenigstens mangelhafte Erf\u00fcllung der Anf\u00e4nge der Chylusgef\u00e4sse mit der eigentlichen Darmlymphe vorausgesetzt werden m\u00fcsste, die noch dazu, man mag \u00fcbrigens Lymphe oder Blut daraus aufsaugen lassen, fast vollkommen gleiche Zusammensetzung mit den neu aufzunehmenden Fl\u00fcssigkeiten zeigen d\u00fcrfte.\nGenug, die Hydrodiffusion reicht in keiner Weise aus, um uns die Vorg\u00e4nge der Ern\u00e4hrung zu erkl\u00e4ren; es l\u00e4sst sich sogar mit Bestimmtheit behaupten, dass f\u00fcr viele Stoffe die Bedingungen f\u00fcr ihr Zustandekommen fehlen. Immerhin l\u00e4sst es sich nicht fortleugnen, dass manche Substanzen, Salze, Zucker u. dgl., deren leichte Diffu-sibilit\u00e4t feststeht, auf diesem Wege in die Blutmasse direct \u00fcbergehen.\nDas Wesentlichste und Wichtigste bei der Hydrodiffusion ist, dass keine Druckdifferenz zwischen den beiden in Contact tretenden Fl\u00fcssigkeiten erfordert wird, und gerade dieser Umstand ist es wohl, welcher bei scheinbarem Mangel aller Druckdifferenzen die Hydro-diffusion zur Erkl\u00e4rung der Resorptionsvorg\u00e4nge zu Hilfe rief.","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"Resorption von Wasser, Salzen etc.\n285\nVon Wichtigkeit ferner schien es, dass die eine der Fl\u00fcssigkeiten, welche hierbei in Betracht kommen (Blut oder Lymphe), in steter Bewegung bei der resorbirenden Fl\u00e4che vor\u00fcberstr\u00f6me, es also nicht zu einer Gleichgewichtsmischung kommen lasse, sondern immer neue f\u00fcr die Hydrodiffusion g\u00fcnstige Fl\u00fcssigkeiten vor\u00fcberf\u00fchre.\nDRITTES CAPITEL.\nSpecielles \u00fcber Resorption von Wasser, Salzen,\nKohlenhydraten, Fetten und Albuminaten.\n\u20ac/ '\nWir haben bisher nur von den bei der Resorption zur Verwendung kommenden Kr\u00e4ften gesprochen, der Imbibition, Endosmose (Hydrodiffusion) und Filtration. Es ist unzweifelhaft, dass, wo wir die physicalischen Vorbedingungen f\u00fcr einen uns aus dem Experiment verst\u00e4ndlichen Vorgang in unserem K\u00f6rper vorfinden, wir auch das Recht haben, die hierbei wirksamen Kr\u00e4fte f\u00fcr seine Erkl\u00e4rung zu Hilfe zu nehmen.\nI. Die Resorption des Wassers und der Salze.\nDie Aufnahme des Wassers und der in ihm gel\u00f6sten Salze in die Darmmucosa geschieht unzweifelhaft durch Hydrodiffusion, denn eine Fl\u00fcssigkeit wird zun\u00e4chst die Epithelien durchtr\u00e4nken, welche, unzweifelhaft normal, nicht das Maximum ihrer Imbibition haben, und da Blut und Chylus in steter Bewegung bei der Darmoberfl\u00e4che vor\u00fcberstr\u00f6men, es also besonders bei der doch immer grossen Oberfl\u00e4che kaum zu einem Gleichgewicht der Mischung kommen kann, immer neue Mengen geringeren Wassergehaltes oder h\u00f6heren Eiweissgehaltes vor\u00fcberstr\u00f6men in ziemlich unbegrenzter Menge. Die im Wasser gel\u00f6sten anorganischen Salze werden nat\u00fcrlich, 1) wenn sie in gleicher Concentration im Blute vorhanden sind, unver\u00e4ndert den Darm passiren ; 2) sind sie in st\u00e4rkerer Concentration vorhanden oder fehlen sie im Blute ganz, so gehen sie zum Theil nach endosmotischen Gesetzen in die Epithelien und von da in die Blutmasse \u00fcber, entziehen aber dem Blute eine seinem endosmotischen Aequivalente entsprechende Menge L\u00f6sungswassers, oder 3) werden sie in sehr","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"28G y. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 3. Cap. Resorpt. v. Wasser, Salzen etc.\nconcentrirtem Zustande in den Darm eingef\u00fchrt, so \u00fcberwiegen die Wasserstr\u00f6me von Blut zum Darm so bedeutend, dass die Erf\u00fcllung des Darmrohres mit Fl\u00fcssigkeiten, \u2014 Entleerung diarrkoiscker St\u00fchle die Folge ist. Wir haben uns also ein stetes Plin- und Herstr\u00f6men von Wasser zu denken, einen Strom zu dem Eiweiss des Blutes, dessen hohes endosmotisches Aequivalent eine nicht unerhebliche Menge Wasser erfordert und einen Gegenstrom zu dem in dem Darm sich vorfindenden Salze, der nach endosmotischen Gesetzen ungehindert jenen kreuzt. Pr\u00e4valirt ersterer, so wird der Verlust der K\u00f6rperfl\u00fcssigkeiten an Wasser wohl durch den Wassereiweissstrom compensirt; pr\u00e4valirt letzterer, wie es z. B. nach innerlicher Gabe von schwefelsaurem Natron, schwefelsaurer Magnesia geschieht, so erfolgt w\u00e4sserige Entleerung, und zwar wirken diejenigen Salze am kr\u00e4ftigsten, deren hohes endosmotisches Aequivalent den Erguss einer grossen Menge Wassers erfordert, die aber selbst sehr langsam in das Blut \u00fcbergehen. Versuche, die man mit dem leichter diffusiblen Kochsalz und dem schwereren Glaubersalz gemacht hat, lehren, wie viel schneller jenes durch den Harn wieder ausgeschieden wird, wie viel schneller es also ins Blut \u00dcbertritt, als dieses, welches seiner geringeren Diffusibilit\u00e4t wegen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig wenig aufgenommen, aber eine gr\u00f6ssere Menge Fl\u00fcssigkeit im Darm ansammelt. Einspritzung einer abf\u00fchrenden Menge Glaubersalzes in die Vene bewirkte in den Versuchen Buchheim\u2019s1 fast immer Trockenheit der Faeces, aber nicht Durchf\u00e4lle. Das jetzt concentrirtere Blut entzog dem Darm Fl\u00fcssigkeit.\nII. Die Desorption der Kohlenhydrate.\nDie im Wasser leicht l\u00f6slichen Kohlenhydrate z\u00e4hlen n\u00e4chst den krystalloiden anorganischen Salzen unzweifelhaft zu den leicht resor-birbaren Substanzen. Ihre immer doch leichte Diffusibilit\u00e4t unterst\u00fctzt nat\u00fcrlich, so sollte man meinen, ihren Uebergang in die S\u00e4ftemasse. Nichts nat\u00fcrlicher daher, dass der Zucker, wie die Salze schon vom Munde an, im Pharynx, Oesophagus und so ferner resor-birt werden. Um so auffallender sind daher die Angaben, dass trotz Genusses relativ grosser Mengen von Amylon und Zucker, doch so wenig von letzterem nicht nur in den Verdauungswegen, sondern auch in dem von ihnen abfliessenden Blut und Chylus gefunden wird. Amylon wird bekanntlich durch Mundspeichel, Pylorusschleim, pan-\n1 Aubert, Ztschr. f. rat. Med. (N. F.) IL S. 225. 1852. \u2014 Buchheim, Arch. f. physiol. Heilkunle XIII. 1857. \u2014 Donders, Nederl. Lancet \u2019S II. 3.","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Die Resorption der Kohlenhydrate.\n287\nkreatischen lind Darmsaft, wie durch Galle, zum Theil wenigstens in Zucker und ihm verwandte Substanzen umgewandelt. Ich habe daher mit vollem Rechte sein Verhalten w\u00e4hrend der Resorption hierhergezogen. Bekanntlich wird (Musculus1) das Amylon durch die Wirkung des Ferments im Mundspeichel in Dextrin und Maltose (nicht Traubenzucker) gespalten nach der Gleichung\n3 Cg //io Ob -f- 7C 0 = 2 Cg //io Cs Cq Z/t2 Cg\nSt\u00e4rke\tDextrin\tZucker\nDiese der \u00e4lteren Anschauung, welche das Dextrin als eine Vorstufe des Zuckers betrachtete, die sich bei weiterer Einwirkung in Zucker verwandelte, widersprechende Angabe wird von v. Merino best\u00e4tigt, nur dass, wie E. Schulze und M\u00e4rker2 3 nachwiesen, nicht 2 Molecule Dextrin, sondern gleiche Molecule Dextrin und Zucker sich als Spaltproducte bilden. Erst nach weiterer Zersetzung des abgespaltenen Zuckers wird auch das Dextrin weiter ver\u00e4ndert. Das Dextrin selbst aber (und darauf begr\u00fcnden sich die so verschiedenen Angaben \u00fcber seine reducirende Eigenschaft, sowie sein A erhalten gegen Jod) besteht nach den Untersuchungen Br\u00fccke\u2019s 3 aus einem durch Jod sich f\u00e4rbenden \u2014 Erythrodextrin und einem unf\u00e4rbbaren \u2014 Achroodextrin. \u2014 Jenes, das Erythrodextrin, besitzt ausserdem nach dem \u00fcbereinstimmenden Urtheil Br\u00fccke\u2019s und v. Merixg\u2019s keine redueirenden Eigenschaften, w\u00e4hrend das Achroodextrin nach Musculus\u2019 Angaben sowohl als reducirender wie nicht reducirender K\u00f6rper vorkommt.\nAus diesen Thatsachen ist es klar, dass bei der Untersuchung des Mageninhaltes auf die Verdauungsproducte des Amylons, der alleinige Nachweis oder der Mangel desselben an Zucker, d. h. an einer Kupfer redueirenden Substanz nicht gen\u00fcgt.\nDie \u00e4ltere Angabe von Bidder und Schmidt4, die nie Zucker im Magen fanden, ist bereits durch Frerichs5 6 und Br\u00fccke 6 widerlegt, welche fast constant (wenn auch nur Spuren) Zucker vorfanden. Schon jene beiden ersten Forscher machten auf das Auftreten geringer Quantit\u00e4ten weiterer Zersetzungsproducte des Zuckers \u2014 vor allem auf das Vorkommen der Milchs\u00e4ure \u2014 aufmerksam, auch\n1\tMusculus, Ann. d. Chim. et phys. LX. (3) p. 203. 1S60.\n2\tE. Schulze u. M\u00e4rker in Dingeist, polytechn. Journ.\n3\tBr\u00fccke, Sitzgsber. d. Wiener Acad. April 1ST2.\n4\tBidder u. Schmidt, Die Yerdauungss\u00e4fte S. 27.\n5\tFrerichs. Verdauung in Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. III. 2. S 803 ff.\n6\tBr\u00fccke, Sitzgsber. d. \u00c4\\ iener Acad. XLV. 1S72.","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288 v. WiTTicH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 3. Cap. Eesorpt. v. Wasser, Salzen etc.\nBr\u00fccke sowie Bouchard at und Sandras1 best\u00e4tigten das Auftreten der Milchs\u00e4ure als ein Verdauungsproduct des St\u00e4rkemehls, w\u00e4hrend Frerichs und v. Merino2 ihr Auftreten von gewissen pathologischen Zust\u00e4nden des Magens (Magenkatarrh) abh\u00e4ngig sein lassen, sie normal im Mageninhalt vermissen, sie aber sehr wohl im Darmkanal finden.\nDer Einfluss des Mundspeichels auf das Amvlon ist ein verh\u00e4lt-nissm\u00e4ssig sehr geringer bei Menschen und pflanzenfressenden S\u00e4uge-thieren, bei Hunden scheint er ganz zu fehlen (Gr\u00fctzner3). Die geringe Wirkung wird noch bei dem Verschlucken von Speichel und Amylon durch die freie S\u00e4ure des Magens beschr\u00e4nkt, oft ganz aufgehoben, w\u00e4hrend diese letztere wohl hinreicht, durch saure G\u00e4hrung jene in Erythrodextrin, Zucker und Milchs\u00e4ure zu zersetzen und sie so f\u00fcr die fermentirende Wirkung durch die Fl\u00fcssigkeiten des Darmkanals vorzubereiten. Zum Theil wird der hier nur aus dem Amylon und Dextrin abgespaltene Zucker als solcher resorbirt, zum Theil aber durch G\u00e4hrung in Milchs\u00e4ure und Butters\u00e4ure umgewandelt.\nDie Frage, ob der so gebildete Zucker von dem Chylus oder durch Hydrodiffusion vom Blute aus direct aufgenommen wird, ist oft gestellt und durch die Untersuchung beider Fl\u00fcssigkeiten auf ihren Zuckergehalt beantwortet. Das Vorkommen von Zucker im Chylus und der Lymphe wird von Tiedemann4 und Gmelin, Lehmann, Krause, Genersich, Poisseuille und Lefort, Gubler und Que-venne und zuletzt auch von y. Mering best\u00e4tigt, w\u00e4hrend Frerichs sein Vorkommen selbst nach amylonreicher Nahrung bestreitet, y. Mering kommt aus seinen Versuchen \u00fcbrigens zu dem Schl\u00fcsse, dass seine mittlere Menge durchaus unabh\u00e4ngig von der Qualit\u00e4t der Nahrung sei: er schliesst daraus, dass wenig oder gar kein Zucker durch den Chylus aufgenommen werde, selbst bei glycogenfreier Leber findet er bei Kaninchen den gleichen Gehalt des Chylus an Zucker, wohl aber fand sich nach F\u00fctterung mit St\u00e4rke und Zucker ein, wenn auch nur geringer Milchs\u00e4uregehalt. Der Zuckergehalt des Chylus r\u00fchrt (so schliesst y. Mering) von der sich ihm beimischenden Lymphe her, und ist nicht vom Darme her aufgenommen; da-\n1\tBouchardat u. Sandras, Compt. rend. XX. p. 143. 1845.\n2\tv. Mering, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1877. S. 394. \u2014 Heintz, Zoochemie S. 252.\n3\tGr\u00fctzner, Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 285. 1876.\n4\tTiedemann u. Gmelin, Die Verdauung nach Versuchen. Heidelberg 1826. II. S. 186. \u2014 Lehmann, Handbuch d. physiol. Chemie II. S. 234. 1850. \u2014 Genersich, Arbeiten aus d. physiol. Institut. Leipzig 1870. \u2014 Gubler u. Quevenne , Gaz. m\u00e9d. de Paris 1854. a. a. 0.. \u2014 Lefort, Compt. rend. XL VI. p. 565 u. 677. \u2014 v. Mering a. a. 0. S. 396.","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Die Resorption der Kohlenhydrate.\n289\ngegen scheinen v. Mering\u2019s Versuche f\u00fcr die Absorption des Zuckers durch die Blutgef\u00e4sse des Darmkanals zu sprechen. Der Gehalt des Blutes an Zucker ist selbst bei l\u00e4ngerem Hungern, also auch bei gly-cogenfreier Leber in allen von v. Mering untersuchten Gef\u00e4ssbezirken ein ziemlich gleicher, nur das Blut der Pfortader zeigt w\u00e4hrend der Amylonverdauung eine gewisse Zunahme, welche jedoch in der Leber wieder durch Glycogenbildung verloren geht. Die letztere Angabe leugnet Beeile1 2, er fand in der Vena hepatica (nach Abschluss der Vena cava) mehr Zucker als im Pfortaderblute.\nBedenkt man jedoch den histologischen Bau der Mucosa des Darmkanals, so sind die von v. Mering aus den Thatsacken gezogenen Schl\u00fcsse doch nicht ohne Weiteres zul\u00e4ssig. Die Blutgef\u00e4sse des Darmes sind durchweg durch das Epithel und das Adenoidgewebe der Schleimhaut bedeckt; jeder aufgesogene (durch Filtration oder durch Hydrodiffusion) Zucker muss also zun\u00e4chst diese beiden Schichten passiren, bevor er in das Blut aufgenommen wird, und es bleibt schwer verst\u00e4ndlich, woher derselbe nicht hier von dem Chy-lus festgehalten werde, sondern eine ganz bestimmte verwandtschaftliche Beziehung zum Blute zeige. Ich glaube, dass die Thatsachen sich sehr wohl dahin deuten lassen, dass der an sich leicht diffusible Zucker in alle die Zotten und Mucosa constituirenden Gewebe und Fl\u00fcssigkeiten diffundirt, dass aber dort die gr\u00f6sste Ansammlung statt-linde, wo, wie durch die schnelle Vorbeibewegung des Blutes, die g\u00fcnstigsten Bedingungen f\u00fcr die Hydrodiffusion geboten werden. Ist diese Deutung haltbar, so beantwortet sich die Frage nach der Resorption, ob durch Chylus oder durch Blut, etwas anders, als es von v. Mering geschieht. Resorbirt wird der Zucker allerdings von den Anf\u00e4ngen des Chylusgef\u00e4ssnetzes, um dann schnell per diffusionem in die Blutmasse \u00fcberzugehen.\nDirecte Messungen \u00fcber die Resorptionsf\u00e4higkeit der Darmmucosa dem Zucker gegen\u00fcber sind zuerst von Funke - und nach ihm von v. Becker3 angestellt worden. Einspritzung bestimmter Mengen bekannt concentrirter L\u00f6sungen in abgebundene Darmschlingen hat die directe Abh\u00e4ngigkeit der Resorptionsgr\u00f6sse von der Concentration, der Gr\u00f6sse der Ber\u00fchrungsfl\u00e4che, indirect, d. h. sie nimmt ab mit der Zeitdauer, w\u00e4hrend von einer 0,242 Gramm Zucker enthaltenden L\u00f6sung in der ersten Stunde 0,123 Gramm resorbirt wurden, so\n1\tBleile, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1879. S. 59 ff.\n2\tFunke, Lehrb. d. Physiol 1. S. 243. 1855.^\n3\tv. Becker, Ztschr. f. wissensch. Zool. . S. 123. 1854.\nHandbuch der Physiologie. Bd. Va.\t19","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290 v. Wittich, Physiol, cl. Aufsaugung etc. 3. Cap. Resorpt. v. Wasser. Salzen etc.\nin\tder\tzweiten\t0,144\tGramm,\td.\th.\talso\t0,021\tGramm,\nin\tder\tdritten\t0,193\t\u201e\td.\th.\talso\t0,049\t\u201e\nin\tder\tvierten\t0,199\t\u201e\td.\th.\talso\t0,006\t\u201e\nWenn die Resultate der Versuche auch nicht absolut, so stimmen sie doch genau genug mit den Gesetzen der Hydrodiffusion, man bedenke nur, dass der Vorgang hier ein viel complicirterer ist als bei einem rein endosmotischen Versuche, dass demgem\u00e4ss die etwaigen immer doch nur geringen Abweichungen von dem Gesetz hierin ihre Erkl\u00e4rung finden.\nWie der Zucker, so werden auch wohl dessen weitere Oxydationsstufen, die sich bildenden leicht l\u00f6slichen milchsauren Salze, durch Endosmose dem K\u00f6rper (d. h. seinem Blute) mittheilen, v. Mering macht auf ihr Vorkommen nach Amylonf\u00dctterung im Chylus aufmerksam, Beweises genug, dass auch letzterer die Producte der Amylon-verdauung resorbire.1\nIII. Die Resorption der Fette.\nEinige Schwierigkeiten bietet die Erkl\u00e4rung der Fettresorption durch die Darmoberfl\u00e4che. Die Schleimhaut ist eine mit Wasser durchtr\u00e4nkte Membran, welche gerade deshalb f\u00fcr Fette impermeabel sein sollte; ein endosmotischer Austausch findet nur zwischen zwei mit einander mischbaren Fl\u00fcssigkeiten statt, aber ebenso filtrirt Fett nicht durch eine mit Wasser durchtr\u00e4nkte Scheidewand, wie umgekehrt letzteres nicht durch ge\u00f6ltes Papier. Cl. Bernard war der erste, welcher in dem eigenth\u00fcmlichen Verhalten des pankreatischen Saftes gegen neutrale Fette den Grund ihrer Uebergangsf\u00e4higkeit in den Chylus suchte.2 Zwar best\u00e4tigten sich seine experimentellen Angaben \u00fcber das Fehlen des Fettes im Chylus nach Unterbindung des Ductus pancreaticus, wenigstens nicht in dem von ihm gegebenen Umfange, doch aber liess sich die emulgirende Kraft, sowie seine Wirkung den Fetten gegen\u00fcber, nicht fortleugnen und machte es so zum mindesten \u00e4usserst wahrscheinlich, dass seine Gegenwart, wenn auch nicht bedingend, so doch wenigstens bef\u00f6rdernd und unterst\u00fctzend f\u00fcr die Fettaufnahme wirke. Nach Fenz\u2019s Versuchen ist die Abbindung des Ductus choledochus ziemlich gleichg\u00fcltig f\u00fcr die Fettresorption, wie denn auch die vor Zutritt des pankreatischen Saftes abstr\u00f6mende Chylusmasse hinsichts ihres Fettgehaltes, scheinbar wenigstens, sich nicht von jenem nach Zutritt desselben erheblich unter-\n] y. Mering a. a. O. S. 396.\n2 Cl. Bernard, Le\u00e7ons physiol, experiment, p. 179. Paris 1656.","page":290},{"file":"p0291.txt","language":"de","ocr_de":"Die Resorption der Fette.\n291\nscheidet. Auch Donders spricht sich gest\u00fctzt auf eigene Versuche gegen die Ansicht yon Cl. Bernard aus. Selbst \u00fcber das Vorkommen eines eigenen, die neutralen Fette zerlegenden Fermentes ist man bisher noch uneins, da selbst alkalisches Eiweiss in reiner L\u00f6sung (H\u00fchnerei), sowie selbst schwache L\u00f6sungen von kohlensaurem Natron (nach Gad1) dieselbe Wirksamkeit und unter den gleichen Temperaturen auf die als neutrale Fette in den Handel kommenden Fetts\u00e4uren und Fetten zu \u00fcben im Stande sind.\nEine wesentliche Umgestaltung der Lehre von der Fettaufsaugung brachten die Untersuchungen y. Wistinghausen\u2019s2 hervor. Sie zeigten, dass die Durchtr\u00e4nkungen thierischer H\u00e4ute mit Galle oder Seifen diese f\u00fcr Fette permeabel machen, indem sie die Capillarattraction f\u00fcr diese steigern; damit stimmt denn auch die Thatsache, dass von der Einm\u00fcndungsstelle des Gallenganges an die Darmschleimhaut eine Strecke lang mit Galle durchtr\u00e4nkt, und die von dieser abgehenden Chylusgef\u00e4sse den fettreichsten Inhalt f\u00fchren, die Fettaufnahme vom Darmkanal aber durch Abschluss der Galle (Ligatur um den Ductus choledochus) wesentlich beeintr\u00e4chtigt, wenn auch nicht ganz aufgehoben wird, so dass also die Fettresorption an der Galle wie am pankreatischen Safte ein wesentliches F\u00f6rderungsmittel findet. Ein besonderer Werth ist noch darauf zu legen, dass die Galle nach Steiner3 eine hohe emulgirende Kraft besitzt. Steiner sucht auch f\u00fcr den Succus entericus die F\u00e4higkeit zu emulgiren experimentell zu erweisen. Zwar leiden die hierzu an Hunden angestellten Versuche an der Ungenauigkeit, dass Verfasser nur von der Unterbindung des pankreatischen Ganges bei Hunden spricht, hieraus also nicht ersichtlich, ob auf die Duplicit\u00e2t dieses Ganges geriick-sichtigt wurde, demnach m\u00f6glicher Weise also pankreatischer Saft, der ja auch emulgirend wirkt, zum Darm zustr\u00f6mte, die sich bildende Emulsion also von diesem gebildet sein konnte. Gleichwohl ist es im hohen Grade wahrscheinlich, dass der z\u00e4hfl\u00fcssige Succus entericus, wie eine jede andere schleimige, zumal alkalische L\u00f6sung emulgirend wirken k\u00f6nne. Alle drei hier in Frage kommenden Secrete sind also wohl geeignet, die Filtration des Fettes durch eine wasserdurchtr\u00e4nkte Schleimhaut zu unterst\u00fctzen. Auch \u00fcber die Kr\u00e4fte, welche bei der Emulgirung d. h. bei der Zerkleinerung der Fettmassen th\u00e4tig sind, hat Steiner4 Versuche angestellt, die es\n1\tJoh. Gad, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1ST8. S. 1ST ff.\n2\tA. v. Wistenghausen, Exp\u00e9rimenta rpiaedam endosmotica de bilis in absor-ptione adipum neutralium partibus. Dissert. Dorpat. 1S51.\n3\tSteiner, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1ST4. S. 2S6.\n4\tDerselbe a. a. 0.\n19*","page":291},{"file":"p0292.txt","language":"de","ocr_de":"292 y. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 3. Cap. Resorpt. v. Wasser, Salzen etc.\nin hohem Grade wahrscheinlich machen, dass die wenn auch sehr schwache Bewegung des Darmes vollst\u00e4ndig hierzu ausreiche, w\u00e4hrend es aus Gad\u2019s (a. a. 0.) Angaben hervorgeht, dass selbst ohne mechanische Bewegung lediglich der Contact des Fetts\u00e4ure enthaltenden Fettes mit gewissen emulgirenden Fl\u00fcssigkeiten gen\u00fcgt, um jene fast augenblicklich in Form feiner und feinster emulgirter Fetttr\u00f6pfchen zerst\u00e4uben zu machen. Ich habe bereits in meiner als Habilitationsschrift publicirten Abhandlung De Hymenogonia albu-minis darauf aufmerksam gemacht, dass das Alkalialbuminat des H\u00fchnereies die F\u00e4higkeit besitze, neutrale oder vielmehr als solche behandelte Fette zu zerlegen, und dass die F\u00e4higkeit mit der Grund f\u00fcr die Hautbildung des Eiweisses sei, dass zu beidern, zur Verseifung wie zur Umh\u00fcllung des Fettes durch eine Membran eine Durch-sch\u00fcttelung beider nicht nothwendig, dass auch Eiweiss wie Fette, die man ruhig, d. h. ungeschiittelt in einem Beagenzglase stehen lasse, beide Erscheinungen an ihrer Ber\u00fchrungsfl\u00e4che zeigen. Ich kann jene Angaben heute nur noch best\u00e4tigen, nur finden nach Hofmann1 meine Angaben \u00fcber die Gegenwart der S\u00e4uren in sogenannten neutralen Fetten eine etwas modificirte Erkl\u00e4rung.\nIn ver\u00e4nderter Form (\u00e4hnlich der von Gad angegebenen) habe ich die Versuche neuerdings wiederholt; in einem Uhrglase wird etwas als neutrales k\u00e4ufliches Fett (Oliven\u00f6l, Mandel\u00f6l oder Klauenfett), oder eine Schicht fl\u00fcssiges H\u00fchnereiweiss aufgestellt, und je nach der Fl\u00fcssigkeit ein Tropfen Oel oder Eiweiss w\u00e4hrend der mikroskopischen Untersuchung bei schwacher Vergr\u00f6sserung den Fl\u00fcssigkeiten zugef\u00fcgt. In beiden F\u00e4llen tr\u00fcbt sich der hineinfallende Tropfen augenblicklich unter Bildung einer anfangs homogenen vielfach faltirten Haut, dann aber scheiden sich in der Fettschicht immer deutlicher und deutlicher anfangs \u00e4usserst feink\u00f6rnige, sp\u00e4ter, besonders wenn man den Fetttropfen in Eiweiss fallen Hess, immer gr\u00f6ssere Tropfen oder tropfen\u00e4hnliche Massen aus, die urspr\u00fcnglich vollst\u00e4ndig das Ansehen jenes staubf\u00f6rmigen Zerfalles der in den Chylus \u00fcbergehenden Fette bieten. Es ist wohl denkbar, dass die Gegenwart freier Fetts\u00e4ure wesentliches Bedingniss, diese Zerlegung der Fette f\u00f6rdert, oder vielmehr die Ausscheidung des Eiweissh\u00e4utchens und dadurch die Emulgirung der Fette unterst\u00fctzt.\nIch hob hervor, dass diese eigenth\u00fcmliche Zerst\u00e4ubung des Fettes energischer auftritt, wenn ein Fetttropfen in eine Eiweissl\u00f6sung f\u00e4llt, das erkl\u00e4rt sich wohl aus dem gr\u00f6sseren Vorrath von Alkali,\n1 Hofmann, Festgabe f\u00fcr Carl Ludwig S. 134 ff.","page":292},{"file":"p0293.txt","language":"de","ocr_de":"Die Resorption der Fette.\n293\nw\u00e4hrend im umgekehrten Falle das Alkali eines einzigen in Fett gefallenen Tropfens sehr bald verbraucht, eine weitere Zerlegung nicht weiter bewirkt wird. Nach den Angaben Hofmann\u2019s giebt es in den Pr\u00e4paraten unserer Officinen \u00fcberhaupt kaum neutrale Fette, alle enthalten sie nach seinen Bestimmungen, selbst im m\u00f6glichst frischen Zustande, freie Fetts\u00e4uren. Die Versuche sind ungemein leicht nachzumachen; um m\u00f6glichen Fehlern zu entgehen, habe ich mich davon \u00fcberzeugt, dass auch ein Tropfen einer ungemein verd\u00fcnnten Natronl\u00f6sung bereits eine alkalische Reaction zeigt, d. h. die Alkannl\u00f6sung bl\u00e4ut. Wird diese intensiv blau gef\u00e4rbte L\u00f6sung nun mit soviel Alkohol verd\u00fcnnt, bis nur eine ganz blassblaue F\u00e4rbung \u00fcberbleibt, so gen\u00fcgt diese, um die Reaction augenblicklich zu zeigen.\nWie Hofmann, fand ich, dass die aus unsern Officinen k\u00e4uflichen sogenannten neutralen Fette: Oliven\u00f6l, Mandel\u00f6l, gereinigter Leber-thran, Klauenfett energisch sauer reagiren, dass dieselben auch bei Ber\u00fchrung mit alkalischem Eiweiss wie mit kohlensaurem Natron nicht nur die Ausscheidung einer Eiweissh\u00fclle, sondern auch die von feink\u00f6rnigen, oft kristallinischen Fetts\u00e4uren bewirken. Auch diese immer doch sehr wenig Fetts\u00e4uren haltenden Oele zeigen jenes Zerst\u00e4uben , welches Gad bei der Ber\u00fchrung mit kohlensaurem Natron beobachtete. F\u00fcllt man in ein Reagenzglas etwas ziemlich concen-trirte Natronlauge, giesst etwas frisches sogenanntes neutrales Oliven\u00f6l darauf und kehrt, w\u00e4hrend man das Glas durch den Finger von oben her verschliesst, das Glas nur einmal langsam um, so reicht diese einfache Manipulation meistens hin, um das Fett zu emulgiren, erst nach l\u00e4ngerer Zeit, meistens nach einer Stunde, scheidet sich das Fett wieder von der jetzt milchig tr\u00fcben w\u00e4sserigen L\u00f6sung, in welcher die mikroskopische Untersuchung eine Unzahl gr\u00f6sserer und kleinerer (staubf\u00f6rmiger) Fetttr\u00f6pfchen nachweist, Es scheint also auch hieraus hervorzugehen, dass das freie oder nur locker chemisch gebundene Alkali die Zerlegung der Fette oder vielmehr die Bindung der vorhandenen Fetts\u00e4uren bewirkt.\nBedenkt man ferner, dass die etwa neutralen Fette bereits im Magen die Bedingungen zu ihrer Zerlegung finden, und dass daher die hiebei frei werdenden Fetts\u00e4uren, selbst wenn wir nur absolut neutrale Fette gemessen, doch auftreten m\u00fcssen, so ist durch diese die Bedingung zur Bildung der zur Emulgirung erforderlichen Seifen, durch jenes Auseinanderst\u00e4uben aber des Fettes in feinste Tr\u00f6pfchen auch die mechanisch wirkende Kraft gegeben, die Steiner noch in der Bewegung des Darmes zu finden glaubte.","page":293},{"file":"p0294.txt","language":"de","ocr_de":"294 y. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 3. Cap. Resorpt. v. Wasser, Salzen etc.\nMan hat, um Uber die Schwierigkeit der Fettresorption fortzukommen, angegeben, dass dieselben nur im verseiften Zustande aufgenommen werden, als solche sind sie in Wasser l\u00f6slich, daher auch wohl diffusibel. Dem Einwand, der dieser Erkl\u00e4rung gemacht wird, dass im Chylus vorwiegend neutrale, nicht verseifte Fette sich finden, begegnen die Beobachtungen Radziejewski\u2019s ', der eine Fettzunahme nach einfacher Seifenf\u00fctterung fand. Die M\u00f6glichkeit einer Zerlegung der Seifen, die synthetische Umwandlung der hiebei frei werdenden S\u00e4uren wiederum zu neutralen Fetten muss zugegeben werden, ob damit aber die Nothwendigkeit, dass alle Fette zun\u00e4chst zerlegt werden m\u00fcssen, bevor sie resorptionsf\u00e4hig werden, ist eine Frage, die den Thatsachen gegen\u00fcber, welche uns die Wirkung alkalischer Fl\u00fcssigkeiten (pankreat. Saft, Galle, Succ. entericus) kennen lehrten, schwer zu beantworten sein d\u00fcrfte. Und doch sind diese letzteren auch wieder auf eine Seifenbildung zur\u00fcckzuf\u00fchren, die Versuche v. Wisting-hausen\u2019s lehren uns, dass Seifenl\u00f6sungen fast dieselbe Wirkung an den Tag legen, wie Galle oder L\u00f6sungen gallensaurer Salze, d. h. dass sie die Filtrirbarkeit neutraler Fette beg\u00fcnstigen. Stellen wir alle hier erw\u00e4hnten Thatsachen nebeneinander, so finden wir die Schwierigkeiten, die sich einer Fettfiltration durch die Mucosa des Darmkanals entgegenstellen, fortger\u00e4umt. Bedenken wir ferner, dass die sich im Magen findende freie S\u00e4ure oder die von uns gleichzeitig mit dem Fett genossene, wohl auf das Freiwerden von Fetts\u00e4ure, d. h. auf die Zerlegung neutralen Fettes hinwirken, so verliert auch von dieser Seite her die Aufsaugung des Fettes das R\u00e4thselhafte, welches ihr anzuhaften schien.\nNach Lexz\u2019s Untersuchungen wird von einem jeden Individuum unter sonst normalen Verh\u00e4ltnissen und bei zureichender Menge der mit der Nahrung gereichten Fette nur eine ganz constante Menge resorbirt, der Ueberschuss aber mit dem Koth entleert ; eine Angabe, die durch die Angabe Zawilski\u2019s unsicher wird, der die Dauer der Fettaufnahme auf etwa 30 Stunden angiebt.\nNach Bruch1 2 ist der Inhalt der Blutcapillaren nach Fettf\u00fctterung reicher an Fetten, er schliesst hieraus auf die Resorptionsf\u00e4higkeit derselben f\u00fcr Fette.3 Es scheint mir jedoch auch hier noch immer denkbar, dass das Adenoidgewebe, welches mit den feineren\n1\tRadzie.jewski, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876. S. 23. ; vergl. auch Porewoz-nikoff, Ebenda S. 851 und Will. Arch. f. d. ges. Physiol. XX. S. 255.\n2\tBruch, Ztschr. f. wissensch. Zoologie IV. S.288. 1853.\n3\tDie Angabe Cl. Bernard\u2019s (Le\u00e7ons de physiol, exp\u00e9rement. II), dass hei V\u00f6geln, Fischen und Amphibien die Fettresorption durch die Venen erfolge, wurde von Basslinger widerlegt (Ztschr. f. wissensch. Zool. IX. S. 301. 1S58.)","page":294},{"file":"p0295.txt","language":"de","ocr_de":"Die Resorption der Fette.\n295\narteriellen und capillaren Gef\u00e4ssen der Zotten communient, die aufgesaugten Massen dem Blute zuf\u00fchre und so die Fettaufnahme vermittele.\nUm die Zeit der Fettaufnahme, d. h. ihre Dauer nach einmaligem Genuss fetthaltiger Speisen festzustellen, sind von Zawilski 1 folgende Ueberlegung, und auf Grund ihrer eine Reihe von Versuchen angestellt worden.\nNach Nasse 2 und C. Schmidt 3 enth\u00e4lt der Chylus n\u00e4mlich nur 3% an Fetten; nach den \u00fcbereinstimmenden Angaben von Petten-kofek4, C. Voit und Hoffmann vermag er aber 350 Grm. Fette aus dem Darm aufzunehmen, das w\u00fcrde nun nach Zawilski\u2019s Berechnung (3% vorausgesetzt) einen Chylusstrom von 10 Litern verlangen, um das Fett fortzuschlemmen. Nun betr\u00e4gt aber der Procentgehalt nach Zawilski vielmehr durchschnittlich S 0 0 und steigt selbst bis 15%, je nach der mit der Nahrung gebotenen Fettmenge. Was die Dauer der Fettresorption betrifft, so glaubte man nach der gel\u00e4ufigen Annahme, dass die Magenverdauung in kurzer Zeit, nach einigen Stunden, abgelaufen ; durch Zawilski erfahren wir aber, dass die Chylification, d. h. die Aufnahme der Stoffe in den Chylus mehr als die doppelte Zeit erfordere, ehe sie beendet. In der 21. Stunde nach der F\u00fctterung fand Verfasser von 150 Grm. Fett noch 9,74 im Magen, 6,24 Grm. im Darm, und erst in der 30. Stunde war dasselbe bis auf Spuren geschwunden (0,04 und 0,03 Grm.). Von grossem Interesse ist ferner auch der (S. 157) Umstand, dass der Fettgehalt im Darm doch w\u00e4hrend der ganzen Zeit, die etwa 30 Stunden umfasst, nur wenig oder doch sehr geringe Schwankungen zeigt (zwischen 6,24 und 9,90 Grm.). Hierdurch gewinnt es den Anschein (nach Zawilski), als ob sich nach der Menge des im Darm enthaltenen Fettes sein Zufluss aus dem Magen regele!\nAus den Versuchen Zawilski's geht ausserdem mit grosser Wahrscheinlichkeit hervor, dass die Fettaufnahme \u00fcberhaupt fast ausschliesslich durch den Chylus erfolge, und dass die selbst nicht unbedeutenden Mengen in das Blut \u00fcbergef\u00fchrten Fettes ungemein schnell in demselben verschwinden. Gleichwohl entspricht die Menge des im Chylus Vorgefundenen Fettes durchaus nicht der im Darm verschwundenen; eine Erkl\u00e4rung aber dieses Widerspruchs ist uns Zawilski schuldig geblieben. W\u00e4re es nicht denkbar, dass die fehlenden Men-\n1\tZawilski. Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig. XI. S. 147 ff. 1876.\n2\tH. Nasse, Handw\u00f6rterb. d. Physiol. Riickner I. S. 233.\n3\tSchmidt,\n4\tPettenkofer, Der Uebergang von Nahrungsfett in die Zellen der Thierk\u00f6rper. M\u00fcnchen 1872. Vgl. auch Zawilski a. a. o. S. 148.","page":295},{"file":"p0296.txt","language":"de","ocr_de":"296 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 3. Cap. Resorpt. v. Wasser, Salzen etc.\ngen Fettes bereits durch den Ductus thoracicus dem Blute zugef\u00fchrt und dort verschwunden waren, so also dem Nachweis entgingen ? zu einer Zeit, in welcher man das Ende des Fettstromes bereits voraussetzen durfte.\nIV. Die Desorption der Eiweissstoffe.\nNicht minder gross ist die Schwierigkeit, welche sich uns bei der Erkl\u00e4rung der Eiweissresorption entgegenstellt ; wenigstens sind wir keineswegs im Stande, sie als das Resultat eines endosmotischen Ueberganges zu deuten. Das sehr hohe endosmotische Aequivalent des Albumins l\u00e4sst es sehr wahrscheinlich erscheinen, dass nur sein-unerhebliche Mengen Albumins durch einen einfachen endosmotischen Vorgang aufgenommen werden k\u00f6nnen, die aus gr\u00f6sseren Molecillen zusammengesetzten, wenig diffusibeln colloiden Substanzen bed\u00fcrfen eben eines st\u00e4rkeren Druckes, um durch die Poren der Scheidewand zu dringen, als jener ist, welcher bei der Endosmose wirksam wird. Funke hat auf die leichtere Filtrirbarkeit und Diffusibilit\u00e4t der durch den Verdauungsact gebildeten Peptone hingewiesen und daraus den Schluss gezogen, dass der wesentliche Zweck der Eiweissverdauung darin zu finden, dass durch sie jene schwer diffusibeln Albuminate in leichter diffusible \u00fcbergef\u00fchrt werden b Allein gegen die Beweiskr\u00e4ftigkeit seiner Versuchsergebnisse l\u00e4sst sich manches einwenden. Unzweifelhaft fest steht nach ihm die leichtere Filtrirbarkeit der Peptone, bei Filtrirung gleicher Mengen und gleich concentrirter L\u00f6sungen von Eiweiss und Peptonen fl\u00f6ssen von letzteren gut doppelt so viel ab als von jenem.1 2 Wenn er nun in eine ober- und unterhalb unterbundene Darmschlinge peptone L\u00f6sung spritzte und nach Verlauf bestimmter Zeiten einen erheblichen Verlust constatirte, so kann dieser sehr gut durch Filtration statt durch Diffusion bedingt sein, es w\u00fcrde also das Resultat keineswegs f\u00fcr letztere sprechen.\nUm die Diffusibilit\u00e4t der Peptone zu pr\u00fcfen, habe ich Versuche mit L\u00f6sungen verschiedener Concentration (5\u20142 \u00b0/o) angestellt, in welchen ich als Verschlussmembran jenes von Graham empfohlene vegetabilische Pergament benutzte. Die Menge der Peptone wurde durch das Soleil - VENTZKE\u2019sche Polariscop bestimmt, welches sicher noch\n1\tFunke, Lehrbuch der Physiol. I. 5.Aufl. S. 208; Arch. f. pathol. Anat. XIII. S. 449. 1858. \u2014 Nach Funke\u2019s Angaben ist das endosmotische Aequivalent des Albumins = 100 (meistens dar\u00fcber) gesetzt, das der Peptone (2\u20149 procentig) = 7,1 \u20149,9.\n2\tSchon Br\u00fccke macht \u00fcbrigens darauf aufmerksam, dass nicht alle Eiweissl\u00f6sungen zu den schwer filtrirbaren z\u00e4hlen, dass das Serumalbumin, das WuRz\u2019sche rein dargestellte Albumin unvergleichlich schneller filtriren als das H\u00fchner-eiweiss. Es verdient auch erw\u00e4hnt zu werden, dass das Glycogen zu den leicht filtrirbaren doch aber \u00e4usserst schwer diffusibeln Stoffen geh\u00f6rt.","page":296},{"file":"p0297.txt","language":"de","ocr_de":"Die Resorption der Eiweissstoffe.\n297\nZehntel eines Procentes angab. Das Resultat war ein der Funke\u2019-schen Ansicht durchaus ung\u00fcnstiges. Der qualitative Nachweis (durch schwefelsaures Kupferoxyd und Kali oder durch Salpeters\u00e4ure) war selbst nach 24 Stunden ein sehr schwacher, der quantitative selbst nach 3 Tagen vollkommen ohne sicheres Resultat, d. h. der U eher-gang der Peptone bewegte sich selbst nach 3 Tagen unterhalb eines Zehntelprocents. Jedenfalls ist die Diffusibi-lit\u00e4t der Peptone nicht auf eine Stufe mit andern diffusibeln krystal-loiden Substanzen zu stellen.\nIn einem Falle diffundirte ich 23 Ccm. einer reinen unf\u00e4llbaren Peptonl\u00f6sung1 (3 \u00b0/0) (welche absolut 0,92 Grm. davon enthielt) in 50 Ccm. Aqua destillata; nach 2 t\u00e4gigem Stehen enthielt die Aussen-fl\u00fcssigkeit 0,05 Grm. nur durch Abdampfen und Abwiegen bestimmbare Peptone, und dabei wurde der ganze lufttrockene R\u00fcckstand, also viel zu viel, als Peptone gewogen. Auch Malt2 3 und Adamkiewicz 3 sprechen sich wenig g\u00fcnstig \u00fcber die Diffusibilit\u00e4t der peptonisirten Albuminate aus.\nDanach erscheint es, wie bereits Br\u00fccke hervorhob, mit der endosmotischen Aufnahme des Eiweiss oder der Peptone \u00e4usserst misslich zu stehen, um so mehr, als die fermentirende Wirkung des Pepsins mit dem Verlassen des Magens auf h\u00f6rt, und im D\u00fcnndarm die Zerlegung der noch vorhandenen Albuminate erst durch den pan-kreatischen Saft von neuem beginnt. Die fermentirende Wirkung des letzteren ist ungemein energisch, sie spaltet nicht nur die Albuminate in l\u00f6slichere Formen, sondern f\u00fchrt auch einen nicht unbetr\u00e4ch-lichen Theil in andere krystallisationsf\u00e4hige N-haltige K\u00f6rper, die aber, wie es scheint, ihrer geringeren L\u00f6slichkeit halber sich wenig zu einem endosmotischen Austausch eignen. Versuche, die man mit F\u00fctterung mit Tyrosin angestellt, haben wenig brauchbare Resultate gegeben, welche f\u00fcr die Resorption dieses krvstalloiden K\u00f6rpers zu sprechen scheinen. Spuren von Tyrosin, aber nicht Vermehrung von Harnstoff zeigte sich, die Hauptmasse scheint mit den Faeces den K\u00f6rper zu verlassen.\nEs kommt noch hinzu, dass nach Br\u00fccke\u2019s Angaben durchaus nicht alle Albuminate in Peptone verwandelt, dass sowohl in dem von Busch4 beschriebenen Falle genuines Eiweiss, in den Darm unter-\n1\tDie durch Neutralisation und Kochen ausf\u00e4llbaren Albuminate waren vorher ausgef\u00e4llt und abfiltrirt.\n2\tMaly, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 593. 1874.\n3\tAdamkiewicz, Arch. f. pathol. Anat. LAX'S . S. 144 ff. 1875.\n4\tBusen a. a. o.","page":297},{"file":"p0298.txt","language":"de","ocr_de":"298 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 3. Cap. Resorpt. v. Wasser, Salzen etc.\nhalb des Pankreaszuflusses eingebracht, resorbirt wird, als auch nach Bauer 1 und Eichhorst 2 Albuminate durch ein Klysma in das Rectum gebracht, von der Darmoberfl\u00e4che resorbirt, die Menge des Harnstoffes vermehrt wird, \u2014 und doch ist es unzweifelhaft, dass diese nicht einfach durch Endosmose aufgenommen werden k\u00f6nne. Es scheint daher unzweifelhaft, dass dieselben Gebilde (Epithelzellen), welche wir als zur Fettfiltration geeignet fanden, auch bestimmt sind die Eiweissfiltration zu \u00fcbernehmen, und somit k\u00e4men wir denn zu der Annahme, dass es wiederum die Chyluswege des Darmkanals sind, welche dieser dienen.\nZur Entscheidung der Frage, ob die Zufuhr der Albuminate durch Chylus erfolge, hat Schmidt-M\u00fchlheim1 2 3 eine Reihe von Versuchen angestellt, in welchen er den Zufluss des Ductus thoracicus zu der Vene unterbrach (durch Unterbindung) und dann die Zunahme der Harnstoffmenge nach Aufnahme einer eiweissreichen Nahrung bestimmte. Von der Zuverl\u00e4ssigkeit der Unterbindung \u00fcberzeugte er sich post mortem durch Injection der Lymphgef\u00e4sse. In allen F\u00e4llen trat unzweifelhafte Steigerung der Harnstoffausscheidung ein \u2014 in allen F\u00e4llen aber beobachtet Schmidt auch die gewaltige Erf\u00fcllung der Chylus- und Lymphgef\u00e4sse, in den meisten Erf\u00fcllung der Peritonealh\u00f6hle mit einer schnell gerinnenden Lymphe. Ich kann daher die Beweiskr\u00e4ftigkeit der Versuche nicht zugestehen ; der gefundene Zustand des ganzen Chylussystems spricht unzweifelhaft f\u00fcr eine vermehrte Aufnahme durch dasselbe; wie sich diese \u00fcber den ganzen K\u00f6rper vertheilt und so eine Mehrzufuhr von Harnstoff zu den Nieren bedingt, wage ich nicht zu entscheiden, doch aber liesse sich wrohl denken, und manches spricht daf\u00fcr, dass der Ductus thoracicus wohl der haupts\u00e4chlichste, aber nicht der einzige Communications-weg zwischen Chylus (Lymphe) und Blutgef\u00e4ssen sei. Und wenn, wie dies aus der Mehrzahl der Obductionsbefunde hervorgeht, sich zahlreiche Chvlusinfiltrationen dicht neben der Cysterna chyli, neben den Mesenterialdr\u00fcsen vorfinden, wenn, wie Schmidt selbst sagt, der Widerstand der Klappen von dem anstauenden Chylus \u00fcberwunden w\u00fcrde, so w\u00e4re es auch wohl denkbar, dass der Chylus r\u00fcckl\u00e4ufig in die Blutgef\u00e4sse str\u00f6mte.\nMan hat sich anf\u00e4nglich darum gestritten, ob das Pepton als\n1\tC. Voit u. J. Bauer. Ztschr. f. Biologie V. M\u00fcnchen 1S69.\n2\tH. Eichhorst. Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 570 ff. \u2014 Vergl. auch Czerny u. Latschenberger, Arch. f. pathol. Anat. LIX. Die Verfasser best\u00e4tigen die Aufsaugung von Eiweiss und Fettemulsionen durch die Darmschleimhaut.\n3\tSchmidt-M\u00fchlheim, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1877. S. 549 ff.","page":298},{"file":"p0299.txt","language":"de","ocr_de":"Die Desorption der Eiweissstoffe.\n299\nsolches fortgef\u00fchrt werde oder nach der Aufnahme in genuines Ei-weiss zur\u00fcckverwandelt werde. Dass im Anf\u00e4nge der Chylusgef\u00e4sse coagulables, selbst spontan gerinnendes Albumin (Fibrin) vorhanden ist, kann auch sehr wohl durch den schon erw\u00e4hnten Uebertritt unver\u00e4nderten Eiweisses erkl\u00e4rt werden, aber die \u00fcbereinstimmenden Versuche von Pl\u00f6sz, Malt und Adamkiewicz1 lehren, dass selbst bei alleiniger F\u00fctterung mit reinem Pepton nicht nur Hunde sehr wohl erhalten werden, ja selbst das Gewicht des Versuchsthieres erheblich steigen kann. Pl\u00f6sz sah nach 18 t\u00e4giger F\u00fctterung mit Pepton das Gewicht eines Thieres um 501 Gramm steigen. Es muss also nothwendig in einem Falle, wo lediglich peptonisirtes Eiweiss gef\u00fcttert wird, dieses im K\u00f6rper durch die Function der Gewebs-elemente in coagulables Albumin umgewandelt werden. Ist Hermann\u2019s2 Darstellung der Wirkung der Verdauungsfermente richtig, so best\u00e4nde die R\u00fcckbildung der Peptone nur in einer Wasserabgabe, einem Process, den wir uns gar wohl ebenso leicht denken k\u00f6nnen, wie die Umbildung der Peptone oder Albuminate in das H\u00e4moglobulin des Blutes. Es findet daher die ganze Vorstellung durchaus nicht solche Schwierigkeiten wie ehedem, wo man den thierischen Organismus als einen nur analytisch wirksamen sich dachte. Seitdem man die synthetische Umwandlung der Benzoes\u00e4ure in Hippurs\u00e4ure, des Ammoniak in Harnstoff, der Fetts\u00e4uren in neutrale Fette kennt, mehren sich die Beispiele einer Synthese immer mehr und mehr.\nEine andere Auffassung \u00fcber den Process der Resorption vertritt Adamkiewicz. Das Wesentliche des ganzen Pepsinverdauungs-processes findet er in der Entziehung der Salze der Albuminate und in einer molecularen Umlagerung der Prot\u00e9iustoffe selbst. Auch auf anderem Wege, durch Dialyse, l\u00e4ngeres Kochen, vermag man diese in den Peptonen \u00e4hnliche K\u00f6rper umzuwandeln, wie man selbst durch Zuf\u00fcgen von Salzen die uncoagulabeln, leicht filtrirbaren Albuminate in coagulable umwandeln kann. Das Pepton sei eben weder ein Spaltungs- oder Zersetzungsproduct, es sei ein durch die Salzentziehung umgewandeltes Albumin; das verschiedene qualitative Verhalten bedinge durchaus nicht eine wesentliche Verschiedenheit. Nach ihrem Uebergange in den Chvlus trete das Albumin wieder mit Salzen in Verbindung und gewinne so seine Umwandlung in co-\n1\tP. Pl\u00f6sz, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 323. \u2014 Pl\u00f6sz u. Guergyai, Ebenda X. S. 536 ff. \u2014 Maly, Ebenda IX. S. 605. \u2014 Adamkiewicz, Die Natur und der X\u00e4hr-werth des Pepton. Berlin 1877. Hirschwald.\n2\tHermann. Ein Beitrag zum Yerst\u00e4ndniss der Verdauung und Ern\u00e4hrung. Z\u00fcrich 1869.","page":299},{"file":"p0300.txt","language":"de","ocr_de":"300 y. WiTTicH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 3. Cap. Resorpt. v. Wasser, Salzen etc.\nagulabeles Albumin. Nach der Darstellung B r\u00fccke\u2019s war die Pep-tonisirung der Albuminate durch Pepsin eine durchaus nebens\u00e4chliche Wirkung, die Hauptmasse der genossenen Albuminate ging als Acidalbumin (Syntonin) und l\u00f6sliche neutrale Albuminate in den K\u00f6rper \u00fcber, nach der Vorstellung Adamkiewicz\u2019s gewinnt die Pep-tonisirung wieder an Bedeutung. Schon De Bary1 und Sciimidt-M\u00fchlheim2 zeigen, dass die Peptonisirung des Mageninhaltes eine weitaus bedeutendere sei als man bisher (Br\u00fccke) annahm, dass sie bei Weitem den gr\u00f6ssten Theil der Albumine im Magen betreffe.\nV. Weiteres \u00fcber die Resorption der N\u00e4hrstoffe.\nWir sind in unserer Darstellung, bei der Unm\u00f6glichkeit den Uebertritt des Fettes, der Albumine, der Peptone auf endosmotischem Wege zur\u00fcckzuf\u00fchren, zu der Annahme einer Filtration gekommen, bei welcher wir uns die Beweglichkeit des Darmrohres, seiner Mu-cosa als die dr\u00fcckende Kraft dachten, welcher die Chymusmasse, oder besser den Gehalt desselben an zu resorbirenden Substanzen in die weiche Decke der Schleimhaut presste. Wenn man sich aber die Zusammensetzung des Chymus aus einer Menge von theils verdauten, theils noch zu verdauenden, theils absolut unverdaulichen Substanzen vergegenw\u00e4rtigt, so fragt man sich, woher kommt es, dass gerade diese dem K\u00f6rper und seiner Ern\u00e4hrung f\u00f6rderlichen Massen, die Albuminate und Fette, durch Filtration in den Chylus \u00fcbergehen? Im Ganzen werden doch selten andere geradezu sch\u00e4dliche indiffu-sible Substanzen \u00fcberfiltrirt. Den Druck, welchen die Darmwandungen auf ihren Inhalt \u00fcben, m\u00f6chte ich nicht zu gering achten, so dass ich schon glaube, dass die Bedingungen f\u00fcr einen ausreichenden Filtrationsdruck vorhanden ; unter demselben Druck steht aber auch das Protoplasma der Epithelzellen, es fehlt also von vornherein die noth-wendige Vorbedingung f\u00fcr das Zustandekommen einer Filtration, so dass wir, wie ersichtlich, mit einer so einfachen mechanischen Erkl\u00e4rung nicht ausreichen. Hierzu kommt aber noch jene eigenth\u00fcm-liche Auswahl, welche die Schleimhaut \u00fcbt.\nUnzweifelhaft hat die Zusammensetzung des Protoplasmas der Epithelzellen einen ganz entschiedenen Einfluss bei der Aufnahme. Sie erscheinen uns nicht als die einfachen FiltrirVorrichtungen, son-\n1\tde Bary in F. Hoppe-Seyler medicinisch-chemische Untersuchungen.\n2\tSchmidt-M\u00fchlheim a. a. o. S. 54.","page":300},{"file":"p0301.txt","language":"de","ocr_de":"Weiteres \u00fcber die Resorption der N\u00e4hrstoffe.\n301\ndern sehr denkbar, dass sie ihrerseits bei der Synthese complicir-terer Stoffe aus ihren einfacheren Componenten eine ganz wesentliche Rolle spielen. Die sehr wichtige Bedeutung der Epithele f\u00fcr den Resorptionsprocess geht schon, wie Hoppe-Seyler1 richtig bemerkt, daraus hervor, dass durch den Verlust oder die Zerst\u00f6rung der epithelen Schicht, wie sie durch eine Reihe corrodirender Substanzen (wie auch bei der Cholera) bewirkt werden, auch die resorbirende Th\u00e4tigkeit aufgehoben wird, obwohl man doch meinen sollte, dass durch die Hinwegr\u00e4umung eines Hindernisses die jetzt offenliegenden R\u00e4ume der Mucosa die Filtration wie Hydrodiffusion nur beg\u00fcnstigt werden m\u00fcsste. Ist doch auch, wie Hoppe angibt, die Wirksamkeit vieler Laxantien lediglich auf eine Reizung oder Zerst\u00f6rung der Epithelzellen zur\u00fcckzuf\u00fchren. Die Epithelzellen sind sehr wohl mit den Wurzelfasern der Pflanzen zu vergleichen: \u201eAuch hier in den feinen Wurzelf\u00e4serchen flndet osmotische Aufnahme von Wasser statt, aber der Strom ist, wie im normalen Darme, ein einseitiger, und Transsudation von Fl\u00fcssigkeiten flndet von beiden nach aussen nicht statt, so lange die oberfl\u00e4chlichen Zellen unverletzt sind, obwohl der Druck im Innern viel h\u00f6her ist als Aussen. Entfernt man aber die oberfl\u00e4chliche Zellenschicht, so collabirt die Pflanze unter lebhafter Transsudation eben so wie ein Thier, dem durch Darmkatarrh, Cholera oder andere Verletzung der Darmepithelien die resorbirende und der inneren Spannung widerstehende Zellenschicht zerst\u00f6rt ist.\u201c2 So ist auch die Wirkung concentrirter Salzl\u00f6sungen wohl daraus zu deuten, dass die Epithelien durch endosmotische Wasserentziehung, momentan wenigstens, functionsunf\u00e4hig werden, wohl m\u00f6glich, wie auch Hoppe es annimmt, die Darmmusculatur anregen, vermehrte Peristaltik und dadurch diarrhoische Entleerungen bewirken. Wenn wir daher auch zugestehen m\u00fcssen, dass \u00fcberall, wo die nothwendigen Vorbedingungen sich finden, die Vorg\u00e4nge der Imbibition, der Filtration und der Hydrodiffusion stattfinden, so sind wir doch weit entfernt, den Vorgang der Aufsaugung auf sie allein zur\u00fcckf\u00fchren zu k\u00f6nnen. Die weiche, schwammige Masse der Epithelzellen gestattet sogut eine Imbibition derselben durch die umgebende Fl\u00fcssigkeit, wie einen endosmotischen Austausch, wie endlich eine Aufnahme selbst unl\u00f6slicher Bestandtheile durch einen \u00e4usseren Druck, und alle drei Vorg\u00e4nge finden unzweifelhaft statt, sind aber nicht im Stande, uns den Vorgang der Ern\u00e4hrung zu erkl\u00e4ren. Die Resorption vom\n1\tHoppe-Seyler. Physiologische Chemie II. S. 34S ff.\n2\tIIoppe-Seyler a. a. o. S. 352.","page":301},{"file":"p0302.txt","language":"de","ocr_de":"302 y. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 4. Cap. Chylus und Lymphe.\nDarmkanal her ist unzweifelhaft eine Function der Epithelzellen, ihre physicalischen wie chemischen Eigenschaften bedingen die Aufnahme der verschiedenen N\u00e4hrstoffe, ihre Weiterf\u00fchrung in Chylus und Blut.\nVIERTES CAPITEL.\nChylus und Lymphe.\nI. Allg emeines. Morphologische B estant!theile.\nNach der Aufnahme dieser Stoffe, die im Wesentlichen unsere Nahrungsmittel zusammensetzen oder durch die Verdauung aus ihnen hervorgingen, f\u00fcllen sich die Chylusgef\u00e4sse des Darmes mehr und mehr und f\u00fchren ihren Inhalt, gemischt mit der Gliederlymphe, dem Ductus thoracicus zu. Morphologisch f\u00fchren beide Chylus wie Lymphe dieselben den farblosen Blutk\u00f6rperchen vollkommen gleichen Gebilde ; kernhaltige Protoplasmen, die wie jene im lebenden Zustande deutliche, wenn auch sehr tr\u00e4ge am\u00f6boide Bewegungen zeigen, abgestorben aber vollkommen kuglig erscheinen. Die Gr\u00f6sse dieser Gebilde variirt zwischen sehr grossen und sehr kleinen. Nicht minder verschieden gestaltet sich auch das Protoplasma selbst, bald hell und homogen, bald feink\u00f6rnig. Der Beicktkum der Lymphe wie des Chylus an diesen morphologischen Bestandtheilen wechselt je nach dem Ort und je nach der Lebhaftigkeit seiner Function.\nWeiss man auch bisher wenig bestimmtes weder \u00fcber den Ort, noch \u00fcber die Art ihrer Bildung, so scheint doch soviel sicher, dass die die Lymphfollikel verlassende Fl\u00fcssigkeit reicher an ihnen ist. Aber selbst der in dem Adenoidgewebe der Zellen sich findende Chylus f\u00fchrt bereits Ckylusk\u00f6rpercken ; man geht daher zu weit, wenn man sie nur in den Dr\u00fcsenfollikeln sich bilden l\u00e4sst. Es ist wohl denkbar, dass der an sich schon tr\u00e4ge Lymphstrom in der schwammigen Masse der Follikel eine weitere Verz\u00f6gerung erf\u00e4hrt und dass in dieser der Grund f\u00fcr eine Anh\u00e4ufung der Lymph- und Chylus-k\u00f6rper gegeben ist. Es soll damit aber keineswegs die M\u00f6glichkeit von Neubildung in den Follikeln geleugnet werden, nur als den alleinigen Ort der Bildung vermag ich sie nicht anzusehen. Ob sie nun","page":302},{"file":"p0303.txt","language":"de","ocr_de":"Allgemeines. Morphologische Bestandtheile. Menge der Lymphe. 303\naus den wandernden Bindegewebszellen (v. Recklinghausen1) oder durch endogene Bildung aus den bereits vorhandenen Zellen hervorgehen (K\u00f6lliker), wage ich nicht zu entscheiden.\nAusser diesen morphologischen Elementen findet sich auch im Chylus, besonders nach fettreicher Nahrung, eine nicht unbetr\u00e4chtliche Menge \u00e4usserst feiner, staubartig vertheilter Fettk\u00f6rnchen oder Tr\u00f6pfchen, welche bei Behandlung mit Essigs\u00e4ure oder Kali zu gr\u00f6sseren Fettkugeln confiuiren. Als zuf\u00e4llige oder doch nur gelegentliche Bestandtheile w\u00e4ren endlich noch farbige Blutk\u00f6rperchen aufzuf\u00fchren. Bei der notorischen Durchg\u00e4ngigkeit der Gef\u00e4sswandungen f\u00fcr farblose wie farbige Blutzellen, bei selbst nur vor\u00fcbergehender Stauung in jenen, ist ihr Vorkommen in selbst unverletzten Lymph-gef\u00e4ssen wohl erkl\u00e4rlich.\nIst die von uns gegebene Auffassung \u00fcber die Entstehung und Natur der Lymphe richtig, d. h. haben wir sie uns als durch Transsudation des Blutplasmas entstanden zu denken, so muss 1) die Frage nach ihrer absoluten Menge im lebenden K\u00f6rper eine durchaus untergeordnete sein, ihre Beantwortung dem mannigfaltigsten Wechsel unterworfen sein, dann aber 2) muss ihre chemische Zusammensetzung im Wesentlichen der des Blutplasmas gleich sein.\nII. Menge der Lymphe.\nWas zun\u00e4chst die Menge der Lymphe betrifft, so hat man sie theils an zuf\u00e4lligen Verwundungen grosser Lymphgef\u00e4sse beim Menschen, theils an k\u00fcnstlich angelegten Fisteln bei Tkieren, studirt. Man hat hierbei die Ausflussmenge f\u00fcr gr\u00f6ssere oder kleinere Zeitintervalle direct beobachtet und unter der Voraussetzung, dass die Bewegung stetig mit derselben Geschwindigkeit vor sich gehe, durch Rechnung die Gesammtmenge w\u00e4hrend 24 Stunden gefunden. Die Voraussetzung ist jedoch nicht stichhaltig, die Versuche, welche unter Ludwig von Lesser, Paschutin, Buchner, Emminghaus2 \u00fcber den Lymphstrom und seine Abh\u00e4ngigkeit von verschiedenen Momenten angestellt wurden, lehren unzweifelhaft das Schwankende des Stromes, und wenn man sich alle jene Bewegungsmomente vergegen-\n1\tv. Recklinghausen, Das Lymphgef\u00e4sssystem in Strieker\u2019s Handb. d. microsc. Anatomie S. 214 ff.\n2\tArbeiten der physiol. Anstalt zu Leipzig: Lesser, Eine Methode, um gr\u00f6ssere Lymphmengen vom lebenden Hunde zu gewinnen. 1871. \u2014 Paschutin, Leber Absonderung der Lymphe im Arme des Hundes. 1S73. \u2014 Emminghaus, Ueber die Abh\u00e4ngigkeit der Lymphabsonderung vom Blutstrom. 1873.\u2014 B\u00fcchner, Die Kohlens\u00e4ure in der Lymphe des athmenden und des erstickten Thieres. 1S7G.","page":303},{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304 y. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 4. Cap. Chylus und Lymphe.\nw\u00e4rtigt, die als Triebkr\u00e4fte bei der Bewegung tb\u00e4tig sind, so wird man sich \u00fcber die Schwankungen nicht weiter wundern. Jede active oder passive Bewegung f\u00f6rdert die Lymphbewegung, w\u00e4hrend sie bei Muskelruhe vollst\u00e4ndig sistirt, jede St\u00f6rung des ven\u00f6sen Kreislaufes (Behinderung des Blutabflusses) sie vermindert, wie denn auch Lymphentziehung selbst, \u00e4hnlich der Verblutung, ersch\u00f6pfend, also vermindernd, wirkt. C. Schmidt1 berechnete f\u00fcr Lymphe und Chylus bei einem Pferde ungef\u00e4hr ji2 des K\u00f6rpergewichts, d. h. ann\u00e4hernd gleich der Gesammtblutmenge. Nach Lesser verliert ein n\u00fcchterner curarisirter Hund 2,2 Ccm. in einer Minute. Unter der Voraussetzung stetigen Str\u00f6mens w\u00fcrde das pro Stunde = 132 Ccm. Nach Lesser\u2019s Angaben w\u00fcrde aber bereits der Verlust von Lymphe im Werthe des vierten Theiles der Gesammtblutmasse ersch\u00f6pfend, d. h. t\u00f6dtlich wirken.2\nEine kurze Ueberlegung lehrt unzweifelhaft, dass wir durch die ganze Berechnung nur die Menge erfahren, welche innerhalb bestimmter Zeit producirt werden k\u00f6nne, nicht aber die augenblickliche Menge der Lymphe in ihrer Relation zum Blut und zum K\u00f6rpergewicht. Je weiter in die Peripherie wir die Lymphanf\u00e4nge verlegen, je mehr man sich dazu neigt, die sogenannte Gewebsfl\u00fcssigkeit ihr zuzuz\u00e4hlen, desto schwieriger wird es, die Gesammtmenge zu bestimmen, desto \u00fcberfl\u00fcssiger aber auch, wenn wir ihre Abh\u00e4ngigkeit von der physiologischen Function bedenken.\nNach Emminghaus (a. a. O. S. 432) fliesst w\u00e4hrend einer Lage, bei der das Venenblut der Haut und des Fettpolsters ungehindert abstr\u00f6mt, nur \u00e4usserst wenig, ja vielleicht gar keine Lymphe ab, gleiches wird auch von der dem Muskel entstr\u00f6menden Lymphe berichtet (Paschutin, a. a. 0. S. 113); auch hier ruht der Lymphstrom w\u00e4hrend der Ruhe fast ganz. Nach Paschutin (a. a. 0. S. 104) verlangsamt sich der Strom, d. h. die Ausflussmenge wird geringer mit der Dauer des Versuches, und doch entstr\u00f6mt dem curarisirten Thiere in anfangs steigender, sp\u00e4ter erst abfallender Menge Lymphe aus den er\u00f6ffneten Gef\u00e4ssen. Widerspr\u00fcche, welche sich schwer ohne zu Hilfenahme einer Hypothese l\u00f6sen. Wohl denkbar, dass das anf\u00e4ngliche Steigern des Abflusses Folge der eingeleiteten k\u00fcnstlichen Respiration ist, w\u00e4hrend der sp\u00e4tere Abfall der Ausdruck jenes von Pa-\nt Vergl. Hoppe-Seyler, Physiol. Chemie III. \u2014 C. Schmidt, Bull, de St. Peters-burg'IV. S. 355. 1861.\n2 Lesser macht \u00fcbrigens auf einen von ihm beobachteten Fall aufmerksam, in welchem ein Thier 26 Proc. der Blutmenge an Lymphe verlor (also \u00fcber 1 <) ohne zu sterben. Das Thier war n\u00fcchtern und absolut ruhig, w\u00e4hrend die andern in passiver Bewegung erhalten wurden.","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Chemische Zusammensetzung des Chylus und der Lymphe.\n305\nschutin aufgestellten gesetzm\u00e4ssig abfallenden Stromes ist, der mit der Dauer des Versuchs ausnahmslos eintritt.\nNach Nasse\u2019s Beobachtungen wechselt sogar die Menge der in der Zeiteinheit entstr\u00f6menden Lymphe je nach der Nahrungsaufnahme. 1 Bei Fleischf\u00fctterung producirte das Thier wohl 36 \u00b0/o Lymphe mehr als bei rein vegetabilischer Nahrung und 54 % mehr als bei g\u00e4nzlichem Hlinger.\nIII. Chemische Zusammensetzung des Chylus und der\nLymphe.\nWas nun die chemische Zusammensetzung der Lymphe und des Chylus betrifft, so entspricht sie im grossen Ganzen wohl der von uns gemachten Voraussetzung. Im Wesentlichen enth\u00e4lt sie dieselben Stoffe, welche wir auch im Blutplasma vorfinden, Eiweissstoffe (Fibrin), Fette, Cholesterin, Lecithin, anorganische Salze und Extractivstoffe. Wenn aber nicht unerhebliche quantitative Differenzen sich vorfinden, so ist dabei wohl zu bedenken, dass wir unseren Analysen doch stets, um nur gr\u00f6ssere Mengen Fl\u00fcssigkeit zu gewinnen, ein Gemisch von Lymphe verschiedener K\u00f6rpertheile, wie von Lymphe und Chylus zu Grunde legen, dass aber der Natur der Sache nach die Lymphe verschiedener Abschnitte, je nachdem dieselben dauernd functionirten oder in absoluter Ruhe sich befanden, von einem einzigen Organ (Muskeln) oder von einer Summe von sehr heterogenen Organen (Dr\u00fcsen, Schleimhaut, Muskeln) herstammen, eine wesentlich andere quantitative und qualitative Zusammensetzung zeigen m\u00fcsse, da jedes einzelne Organ ganz bestimmte Stoffe zu seiner Function verarbeitet, bestimmten Functionen auch unzweifelhaft bestimmte Stoffwechsel-Producte zukommen.\nSelbst der Ern\u00e4hrungszustand, in welchem sich das Beobachtungsthier befindet (Nasse), der Gesundheitszustand des beobachteten Menschen \u00fcbt ja unzweifelhaft einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Blutes wie der Lymphe aus, sie k\u00f6nnen somit die Veranlassung zu sehr differenten Resultaten werden. Eine richtige Beurtheilung der Thatsachen w\u00fcrde erst m\u00f6glich sein, wenn wir unter Ber\u00fccksichtigung aller \u00e4usseren und inneren Verh\u00e4ltnisse, unter welchen das beobachtete Individuum sich befindet, die Zusammensetzung bestimmter einzelner Gruppen pr\u00fcfen k\u00f6nnten. F\u00fcr die Untersuchung einiger ist bereits durch die Leipziger Schule der Anfang\n1 H. Nasse, Zwei Abhandlungen \u00fcber Lymphbildung. Marburg 1872. \u2014 Derselbe. Artikel Lymphe im Handw\u00f6rterb. f. Physiol. II. S. 363.\nHandbuch der Physiologie. Bd. V a.\n20","page":305},{"file":"p0306.txt","language":"de","ocr_de":"306 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 4. Cap. Chylus und Lymphe.\ngemacht. Tomsa1 hat auf die isolirte Gewinnung der Hodenlymphe, Paschutin und Emmixghaus auf die der hinteren und vorderen Ex. tremit\u00e4ten (Hund) aufmerksam gemacht, mit Ausschluss der letzteren bieten aber so z. B. die Hodenlymphe ein zu geringes Material, um eine quantitative Untersuchung anstellen zu k\u00f6nnen. Von der Arm-lind Beinlymphe ist aber doch auch nur mit einer gewissen Vorsicht anzunehmen, dass wir nur die von den Muskeln dieser Extremit\u00e4ten abfliessende Lymphe aufsammeln. Haut und die in ihr gelagerten Dr\u00fcsen geben auch noch Material her, und \\yenn dieses auch der Menge nach gering sein mag, so wissen wir erstens fast gar Nichts \u00fcber die relative Menge und wissen vor Allem nicht, ob die Anregung zur Th\u00e4tigkeit derselben mit in den Versuch hineinf\u00e4llt, also eine exacte Beantwortung der Frage wesentlich beeintr\u00e4chtigt wird.\nZur Contr\u00f4le unserer Darstellung werden wir noch weiter abgehen m\u00fcssen, nicht die von einem Theile oder Organe abfliessende Lymphe, sondern die in den Geweben vertheilte ist zu untersuchen und hinsichtlich ihrer Zusammensetzung zu pr\u00fcfen, oder man muss die abstr\u00f6mende Fl\u00fcssigkeit bei absolutester Ruhe des Organes untersuchen und sie hinsichtlich ihrer Zusammensetzung mit dem Blutplasma vergleichen. Die erstere Probe ist wenigstens versucht, aber doch auch nur auf indirectem Wege, indem man wenigstens die Gase der Gewebe unmittelbar nach T\u00f6dtung des Thieres untersucht. Allein auch dieses Verfahren verspricht nicht in vollem Umfange das erw\u00fcnschte Resultat; einmal ber\u00fccksichtigt dasselbe nur den einen in den Gewebsfl\u00fcssigkeiten enthaltenen K\u00f6rper, dann aber giebt sie uns doch auch gleichzeitig den Gehalt des Gewebes selbst an den in ihm sich vorfindenden Gasen, soweit derselbe unabh\u00e4ngig von der Lymphe ist.\nAuch die zweite Frage, die Zusammensetzung der Lymphe bei m\u00f6glichster Unth\u00e4tigkeit der Organe, hat man zu beantworten versucht, und allerdings Resultate gefunden, die wohl f\u00fcr die Richtigkeit unserer Darstellung zu sprechen scheinen. Man hat Thiere mit Urari vergiftet, mit geringen wie mit gr\u00f6sseren Gaben, und dadurch die Muskelbeweglichkeit der Thiere ausgeschlossen. Man hat hierbei Steigerung der ausgeschiedenen Menge wie eine Steigerung seines Procentgehaltes an festen Stoffen, vorwiegend der Eiweisssubstanzen, beobachtet; wie sich die sogenannten Extractivstoffe hierbei verhalten, ist bis jetzt nicht festgestellt. Wenn wir nun hierbei auch nicht absolut gleiche Werthe f\u00fcr Lymphe wie f\u00fcr Blutserum erhalten, da\n1 Tomsa u. Ludwig , Die Lymphwege des Hodens. Sitzgsber. d. Wiener Acad. Jnli 1661. \u2014 Ludwig, Jahrb. d. Ges. d. Aerzte in Wien 1863.","page":306},{"file":"p0307.txt","language":"de","ocr_de":"Chemische Zusammensetzung des Chylus und der Lymphe.\n307\nwir ja den gegenseitigen Anstausch der beiden Fl\u00fcssigkeiten nicht auszuschliessen verm\u00f6gen, so spricht doch schon die Zunahme an Albuminaten in der von den Parenchymen abstr\u00f6menden Lymphe gar sehr daf\u00fcr, dass diese als ein Filtrat des Blutes anzusehen sei. Dass aber der Stoffwechsel, somit auch der Stoffverbrauch w\u00e4hrend der Urarisirung eine Einbusse erf\u00e4hrt, ist, wenn es nicht von vornherein mit gr\u00f6sster Bestimmtheit angenommen werden d\u00fcrfte, experimentell von Zuntz 1 erwiesen. Dass derselbe aber nicht ganz w\u00e4hrend der giftigen Wirkung aufh\u00f6rt, die Lymphe also nicht vollst\u00e4ndig die Zusammensetzung des Blutserums zeigen k\u00f6nne, daf\u00fcr sprechen die gesteigerten Functionen einiger secretorischer Apparate (vermehrte Speichelsecretion), wenn man letztere nicht einfach als den sichtbaren Ausdruck f\u00fcr eine Stauung der Lymphe ansehen will.\nNach Ludwig\u2019s Darstellung spielt die in den Nieren, Hoden und auch wohl andern dr\u00fcsigen Organen sich in den Spaltraum zwischen den Parenchymen ausbreitende Lymphe eine sehr gewichtige Rolle bei der Secretion. Ist die secretorische Functionsf\u00e4higkeit durch irgend welchen \u00f6rtlichen Eingriff vernichtet, so wird das ganze Organ bei directer oder reflectorischer Erregung wohl \u00f6demat\u00f6s, ohne dass es zu einer Abscheidung kommt'2. Hier in unserem Falle wird die absolute Menge der Lymphe vermehrt, ohne dass die Leistungsf\u00e4higkeit der Dr\u00fcse beeintr\u00e4chtigt ist, demgem\u00e4ss finden wir vermehrte Secretion.\nAuch die Ver\u00e4nderungen, welche die Menge wie die Zusammensetzung der Lymphe im Laufe eines Versuches erf\u00e4hrt, scheint wohl f\u00fcr die Richtigkeit unserer Darstellung zu sprechen. Wenn man l\u00e4ngere Zeit einem lixirten Thiere die Lymphe entzieht, so nimmt nicht nur die Ausflussmenge mit der allm\u00e4hlich wohl eintretenden Ersch\u00f6pfung ab, sondern der gr\u00f6ssere Wassergehalt der entstr\u00f6menden Lymphe, durch welchen sie sich von dem Blutserum unterscheidet, weicht mehr und mehr einer st\u00e4rkeren Concentration, um schliesslich einen Werth zu erreichen, dem gleich, welchen wir bei der Urarisirung gleich anfangs beobachten. Das Absinken der absoluten Menge hat wohl seinen Grund in der durch die Entziehung sich ersch\u00f6pfenden Triebkraft, dem geringeren Verbrauch von Albuminaten mit dem geringeren Stoffwechsel, welchen die Thiere w\u00e4hrend ihrer fixirten Lage schon durch das Sinken des 102-Gehaltes der Ausathmungsluft, wie durch die Abnahme ihrer K\u00f6rperw\u00e4rme bekunden.\nEndlich muss noch erw\u00e4hnt werden, dass, wie bereits Ludwig\n1\tN. Zuntz. Arch. f. d. ges. Physiol. XII. S. 522. 1870.\n2\tGianuzzi, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 27. Nov. 1865.\n20*","page":307},{"file":"p0308.txt","language":"de","ocr_de":"308 v. \"WiTTicH. Physiol, d. Aufsaugung etc. 4. Cap. Chylus und Lymphe.\n(Ursprung der Lymphe) angiebt, man auch im Stande ist, durch eine k\u00fcnstlich eingeleitete Blutcirculation vom vorher entbluteten Thiere, selbst von einzelnen Theilen desselben (Hoden, Tomsa), eine k\u00fcnstliche Lymphe zu gewinnen, die auch hinsichtlich ihrer Zusammensetzung sich wenig von nat\u00fcrlicher lebender Lymphe unterscheidet. Das Serum, welches Tomsa in seinen Versuchen durch den Testikel von Hunden str\u00f6men liess, enthielt 6,77 bis 6,26 Proc. festen R\u00fcckstand, die abfliessende Lymphe 6,12 bis 4,36 Proc. Mit den von Nasse und W. Krause gefundenen Lymphr\u00fcckst\u00e4nden verglichen, zeigen die niedrigsten Werthe Tomsa\u2019s ungef\u00e4hr gleichen Werth. Unzweifelhaft ist diese k\u00fcnstlich gewonnene Lymphe ein Filtrat des Blutserums, sein geringerer Gehalt an festen R\u00fcckst\u00e4nden (Albumi-naten) darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dass, wie Valentin bereits fand, eine durch thierische Membran hltrirte Eiweissl\u00f6sung einen geringeren Procentgehalt an Albumin zeige, als die Mutterfl\u00fcssigkeit1.\nWenn nun auch die Untersuchungen \u00fcber die Zusammensetzung der Lymphe verschiedener, wie der Thiere gleicher Species im Einzelnen, bedeutend differiren, so stimmen sie doch darin \u00fcberein, dass dieselbe \u00e4rmer an Albuminaten, reicher an Fetten (Chylus) und wohl gleichwerthig an anorganischen Salzen mit dem Blute sei.\nZur Bestimmung der chemischen Zusammensetzung der Lymphe allein hat man hungernden Thieren die Lymphgef\u00e4sse des Halses oder den Ductus thoracicus er\u00f6ffnet und die Lymphe durch eine Ca-n\u00fcle abfliessen lassen, unter Zuhilfenahme passiver Bewegungen der Extremit\u00e4ten; w\u00e4hrend man bei Er\u00f6ffnung derselben Gef\u00e4sse eines Thieres w\u00e4hrend der Chylification eine ungemein chylusreiche Fl\u00fcssigkeit gewann. Letztere ist milchig tr\u00fcbe, jene fast vollst\u00e4ndig klar und hell, ein wenig gelblich gef\u00e4rbt.\nNach einer Zusammenstellung Gorup - Besanez\u2019s 2 fanden sich in 1000 Gewichtstheilen menschlicher Lymphe:\n1 Zu 1000 Tlieilen\tGubler u.\tQuevenne\tMarchand uud COLLBERG\tScherer\tH. Nasse\tHENSEN und D\u00e4niiardt\n\tI.\tII.\tIII.\tIV.\tV.\tVI.\n1 Wasser\t939,87\t934,77\t969,26\t957,60\t940.50\t986,34\nFeste Substanz\t60,13\t65,23\t30,74\t42,40\t60,50\t13,66\nAnmerk. I u. II Oberschenkel einer 39j\u00e4hrigen Frau. III Wunde des Fuss-r\u00fcckens. IV Lymphgef\u00e4sse des Samenstranges. V u. VI aus Lymphfisteln.\t\t\t\t\t\t\n1\tVgl. auch Genersich a. a. 0.\n2\tGorup-Besaxez, Physiol. Chemie 1874. S. 392.","page":308},{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Chemische Zusammensetzung des Chylus und der Lymphe.\n309\nSehr viel \u00fcbereinstimmender sind die Angaben C. Schmidt\u2019s (beim Pferde) und Nasse\u2019s (Hund) bei Thieren.\nIn 1000 Gewichtstheilen fanden sich:\n~\t| 963,93 und 955,36 Wasser,\n( chm id\tj 36,07 im(i 44,64 feste Bestandtheile ;\nJ 954,68 und 955,6 Wasser,\n(i AnvL) \u2022 |\t45^32 und 44,40 feste Substanzen.\nDen Einfluss der Nahrung auf den Wassergehalt und den Gehalt an festen Bestandtheilen ergeben folgende Mittelzahlen Nasse\u2019s (Hund) :\nHunger Fleischnahrung Pflanzennahrung\nWasser.............. 954,68\t953,70\t958,20\nfeste Bestandtheile . .\t45,32\t46,30\t41,70\nDie mit dem Chylus w\u00e4hrend der Verdauung gemischte Lymphe zeigt ziemlich dieselbe qualitative Zusammensetzung, wie die hungernder Thiere (Lymphe allein); nur scheint nach Hoppe-Seyler\u2019s (beim Hunde) und B\u00e9es\u2019s (bei einem Enthaupteten) Bestimmungen die Concentration, d. h. also der Gehalt an festen Bestandtheilen etwas h\u00f6her zu stehen. Ein Verh\u00e4ltnis, welches sehr wohl mit der Mehraufnahme von Albuminaten und Fetten aus dem Darmkanal \u00fcbereinstimmt.\nIm Wesentlichen dieselbe Zusammensetzung zeigt der Chylus wie die Lymphe, nur sein h\u00f6herer Fettgehalt unterscheidet jenen, doch aber auch nur, wenn er w\u00e4hrend oder bald nach der Verdauung fett-oder seifen haltiger Nahrung dem Versuchsthiere entnommen wird. Der h\u00f6here Fettgehalt giebt dem Chylus jenes milch'weisse tr\u00fcbe Ansehen, w\u00e4hrend derselbe bei der Nahrungsenthaltung wie die Lymphe und wie das Blutplasma gelblich klar erscheint. Oft hat aber auch das letztere jenes milchige, opalescirende Ansehen, wenn das Blut bald nach der Nahrungsaufnahme dem Thiere entzogen wurde, zu einer Zeit also, in welcher viel Chylus dem Blute zugeflossen war. Hensen ', der die Lymphe, die aus dem Praeputium eines Brasilianer Knaben, das bei sich entwickelnder Elephantiasis aus einer zu kathe-terisirenden Fistel stammte, untersuchte, beschreibt die Lymphe ebenfalls als eine milchige, opaleicirende Fl\u00fcssigkeit, h\u00e4lt sie aber gerade aus diesem Grunde f\u00fcr ein Gemenge von Lymphe und Chylus.\nMan ging ehemals von der Angabe eines constanten Fettgehaltes\nl Hensen und D\u00e4nhardt, Arch. f. pathol. Anat. XXXVII. 1866. \u2014 D\u00e4nhardt, Arbeiten aus dem Kieler physiol. Institut S. 27. 1868.","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310 v. WiTTiCH. Physiol, d. Aufsaugung etc. 4. Cap. Chylus und Lymphe.\ndes Chylus hei zureichender Nahrung aus, von circa 3 %. Nach den Angaben ZawilseTs 1 ist diese Annahme aber durchaus nicht that-s\u00e4chlich erwiesen, nach seinen Untersuchungen schwankte derselbe bedeutend und zeigte bald 8 %, bald stieg derselbe und erreichte einmal sogar 15 %.\nDie milchige Beschaffenheit des Chylus stammt zum Theil von jener staubf\u00f6rmig vertheilten Fettmasse, die man im Chylus mikroskopisch neben den eigentlichen Lymphk\u00f6rperchen nachweisen kann. Lymphe wie Chylus f\u00fchren die beiden Fibringeneratoren (Schmidt), in einem G-ef\u00e4ss aufgefangen gestehen sie zu einer mehr oder weniger festen Gallerte, von welcher sich im Verlauf etlicher Stunden das Lymphserum absondert. Nach andern Angaben gesteht in der Fl\u00fcssigkeit nur eine Menge gallertiger Schollen, die in dem Serum umherschwimmen. Es ist dabei unsicher, ob die fibrinogene Substanz nicht erst durch die farbigen Blutk\u00f6rper, die w\u00e4hrend des Ausflusses sich zu mehren scheinen, zukommt. Die hydropischen Ansammlungen, die ja doch auch Lymphausscheidungen sind, ebenso wie die Fl\u00fcssigkeiten, die man normal in den ser\u00f6sen H\u00e4uten findet, gerinnen meistens auch erst, wenn ihnen durch einen Tropfen Blut fibrinogene Substanz zugef\u00fcgt wird. Die Angaben \u00fcber den Gehalt an spontan gerinnbarer Substanz sind demgem\u00e4ss ungemein wechselvoll. Derselbe schwankt beim Menschen zwischen 0,4 und 1,07 pro mille; bei jungen Pferden fand C. Schmidt 2,18; 2,57; 1,27 pro mille. In einem Falle von Zerreissung der Chylusgef\u00e4sse und Erguss des Chylus in die Pleura und Peritonealh\u00f6hle (beim Menschen) fand Hoppe auf 1000 Gewichtstheile 6,045 Fibrin1 2.\nDass der Albumingehalt geringer als im Blutplasma, aber auch mancherlei Schwankungen unterliegt, wurde bereits erw\u00e4hnt. Hensen und D\u00e4nhardt fanden 2,6 pro mille in summa f\u00fcr s\u00e4mmtliche Albuminate, w\u00e4hrend \u00e4ltere Untersuchungen von Gubler und Quevenne 42,7 und 42,8, Scherer 34,7 pro mille (Mensch), C. Schmidt (von jungen Pferden) 28,84 und 31,99 pro mille angaben.\nDie anorganischen Salze im Blutplasma und in der Lymphe geben im Uebrigen eine Uebereinstimmung, wie man sie nur erwarten darf, die Differenzen lassen sich zum Theil wohl darauf beziehen, dass die Lymphe doch eigentlich mehr als das Blutserum bedeutet, die derselben beigemengten Stoffwechselproducte in verschiedener Menge auf-treten k\u00f6nnen je nach der Lebhaftigkeit der Functionen, ausserdem aber doch noch die in ihnen sich findenden Lymphk\u00f6rperchen auch\n1\tZawilski a. a. O.\n2\tHoppe-Seyler a. a. O. III. S. 597.","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Die Gase der Lymphe.\t311\nnoch bei den qualitativen und quantitativen Bestimmungen in Anrechnung zu bringen sind.\nDie Anwesenheit des Zuckers in Chylus und Lymphe wird von vielen Seiten geleugnet, von Andern aber mit ebenso grosser Bestimmtheit behauptet, dass man doch eben kaum anders kann, als seine Existenz schwankend und unsicher, sein Fehlen auf einen schnellen Verbrauch, oder auf eine fernere Zersetzung zur\u00fcckzuf\u00fchren. Dass sein spurweises Vorkommen oder Fehlen nicht zu dem von v. Mering gezogenen Schluss berechtigt, dass der Zucker \u00fcberhaupt vorwiegend durch das Blut resorbirt werde, der im Chylus sich etwa vorfindende demselben durch die Lymphe beigemengt werde, nicht von der Darmoberfl\u00e4che herr\u00fchre, ist bereits fr\u00fcher erw\u00e4hnt.\nNach Untersuchungen1 vieler Autoren enth\u00e4lt der Chylus im Ductus thoracicus regelm\u00e4ssig Harnstoff, der aller Wahrscheinlichkeit nach doch wolil aus der K\u00f6rperlymphe oder als Stoffwechselproduct der Darmmusculatur dem Chylus beigemengt wurde.\nIV. Die Uase der Lymphe.\nSchwierigkeiten bietet noch der Gasgehalt der Lymphe. Vergleichung desselben mit dem des arteriellen und ven\u00f6sen Blutes zeigt, dass sie hinsichts ihres GCb-Gehaltes zwischen beiden zu stehen komme, weniger als letzteres, mehr als jenes enthalte. Hierbei ist allerdings wohl zu bedenken, dass wir die Lymphe nur aus den gr\u00f6sseren Ge-f\u00e4ssen gewinnen, in welchen sie durch den mannichfaltigen Austausch gegen die langsam durchstr\u00f6mten Gewebe mancherlei Ver\u00e4nderungen erlitten haben k\u00f6nnte. Um die sich hieran kn\u00fcpfende Frage nach der Stelle, an welcher die Bildung der CO-i vor sich geht, zu entscheiden, w\u00e4re es nothwendig, den CO2- Gehalt oder ihre Spannung in den Gewebsfl\u00fcssigkeiten selbst zu bestimmen, der relativ niedrigere Procentgehalt der Lymphe an CO2, ihre geringere Spannung liesse\n1 Xach einer Zusammenstellung von W\u00fcrtz, Compt. rend. XLIX. fand sich Harnstoff bei\nFutter\t\tBlut\tChylus\tLymphe\nHund\tFleisch\t0,09\t\u2014\t0,16\n,,\t\t\u2014\t0,18\t\u2014\nKuh\tKlee\t0,19\t0,19\t0,19\nStier\t\t\u2014\t0,19\t0,21\nPferd\tgew\u00f6hnl. F utter\t\u2014\t\u2014\t0,12\nvergl. auch PoisEuiLLE und Gobley, Compt. rend. XLIX. p. 164.","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nv. WiTTicH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 4. Cap. Chylus und Lymphe.\nsich schon aus ihrer Diffusibilit\u00e4t, wie aus dem Umstande erkl\u00e4ren, dass das ven\u00f6se Blut vielleicht reicher an Stoffen sei, welche die CO-2 chemisch zu binden im Stande sind.\nAm wichtigsten in Bezug auf die uns vorliegende Frage scheint allerdings der geringe Gehalt der Lymphe an 0 zu sein. Wollen wir mit Pfl\u00fcger die Oxydationsprocesse in die Gewebsfl\u00fcssigkeit verlegen und annehmen, dass der Ueberschuss der Lymphe an COi dem arteriellen Blute gegen\u00fcber unzweifelhaft f\u00fcr einen Vorgang in den Parenchymen spreche, so ist es doch fraglich, woher der \u00fcbertretende 0 stamme ; das transsudirende Blutserum ist arm an 0, derselbe findet sich vorwiegend an das H\u00e4moglobin der Blutk\u00f6rperchen gebunden. Es setzt also der Process der Oxydation zun\u00e4chst eine Abtrennung der 0 vom H\u00e4moglobin voraus. Schliessen wir uns daher auch der Darstellung Pfl\u00fcger\u2019s und Strassburg\u2019s an, welche aus der sehr viel h\u00f6heren Spannung, in wmleher sich die CO2 in den Geweben und in den mit ihnen wohl sich ausgleichenden Seereten findet, auf ihre Bildung in den Parenchymen schliessen, so bleibt uns doch nur die Annahme Strassburg\u2019s1 als die einzige Deutung der Thatsachen, d. h. der von den Blutk\u00f6rperchen fortgetragene 0 findet in den Parenchymen da seine Verwendung, wo ihn die Gegenwart eines leicht oxydirenden Stoffes von seiner bisherigen Verbindung scheidet, ihn in das Parenchym diffundiren l\u00e4sst und ihn in statu nascenti gleich verwendet. Die erste Gasbestimmung in der Lymphe r\u00fchrt von Hensen her (Virchow's Archiv Band 37). Er untersuchte eine unter pathologischen Verh\u00e4ltnissen gewonnene Fl\u00fcssigkeit; nach ihm hat Hammarsten die normale Lymphe des Hundes, und zwar nicht nur ihren Kohlens\u00e4ure-, sondern auch den Gehalt an Sauerstoff und Stickstoff gasometrisch bestimmt. In seiner Tabelle I stellt er folgende Wertke zusammen, und zwar sind alle Angaben auf 100 Theile Fl\u00fcssigkeit berechnet, die Gasvolumina auf 0 0 und 1 Meter Quecksilberdruck zur\u00fcckgef\u00fchrt. (Siehe Tabelle folg. Seite.)\nHammarsten zeigte ferner, dass der Procentgehalt an CO2 im Erstickungsblute h\u00f6her als der der Lymphe sei und Buchner2 ersah aus seinen Versuchen, dass selbst w\u00e4hrend der Erstickung derselbe in der Lymphe ab-, im Blute zunehme, dass also eine gewisse Selbstst\u00e4ndigkeit oder Unabh\u00e4ngigkeit beider Fl\u00fcssigkeiten von einander bestehe. Daraus aber den Schluss zu ziehen, dass alle CO2 im Blute sich bilde, mit anderen Worten die innere Respiration im Blute vor\n1\tSteassbueg, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S. 365 ff. 1872.\n2\tBuchnee, Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig 1876. S. 108 ff.","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Die Gase der Lymphe.\n313\n\u00a3 ^ C\u00df\tA\tO\t1\tC\u00df o i i, c\u00df O ^\t-J-3\t^ ci o \"3 \u00f6 9 %\t-4-3 s S i\u00df ^ O\tBemerkungen\no\t\t\to 3\t<0 c\u00df\to\t\n42,38\t1,63\t0,43\t17,06\t23,26\t40,32\tJ Lymphe \u00fcberwiegend a. d. Darm-\\\t\u2018 kanal. Wenig Blutcoagula.\n41,73\t1,25\t0,12\t21,71\t18,65\t40,36\tWie vorher !\n33,38\t1,20\t0,16\t21,75\t10,27\t32,02\tSchwach r\u00f6thlich. Darmkanal.\n32,69\t0,85\t0,00\t21,52\t10.32\t31,84\tBlutfrei.\n37.10\t1,20\t0,08\t18,22\t17,60\t35,82\tKeine Gliederlymphe.\n34,42\t0,93\t0.00\t18,37\t15,12\t33,49\tUeberwieg. Gliederlymphe, blutfrei.\n29,86\t1,24\t0,08\t\u2014\t_\t28,54\t1 Blutfrei, Gemisch, Darm u. Glieder-\\\tlymphe.\n29,92\t1,38\t0,04\t\t\t28,50\tEbenso.\n1 30,48\t0,90\t0,03\t\u2014\t\t29,55\tEbenso, mit Spuren von Blut.\nsich gehe, scheint mir entschieden zu gewagt. Ist die CO*-Spannung, wie das von Strassberg angegeben wird, in den Geweben h\u00f6her als in der Lymphe aber auch als in dem Blute, so deutet das unzweifelhaft auf eine Oxydation in den functionirenden Geweben hin; unzweifelhaft vernichtet aber die Erstickung diese in der Peripherie, es wird also hier wohl weniger CO-i gebildet, die Lymphe selbst CO-i \u00e4rmer werden m\u00fcssen, wenn nicht gar das Auftreten einer freien S\u00e4ure im Tode, oder w\u00e4hrend des Absterbens einen Theil der CO-i auszutreiben vermag.\nF\u00dcNFTES CAPITEL.\nDie Lympligef\u00e4sse der aufsaugenden Fl\u00e4chen.1\nWir sind in unserer Darstellung von Anschauungen ausgegangen, welche im Wesentlichen ihre St\u00fctze in den epochemachenden Arbeiten Ludwig\u2019s, Noll\u2019s, His\u2019s und Br\u00fccke\u2019s finden. Alle jene mit vervollkommneten Hilfsmitteln von der Leipziger Schule weiter ver-\n1 Leber das Historische des Lymphgef\u00e4sssystems vgl. His, Ztschr. f. wissensch. Zool. XII. S. 223. 1863. \u2014 Haller. \u00c8lementa physiol. Lp. 110. \u2014 Ludwig, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 1863. \u2014 Br\u00fccke, Ebenda 1850.","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314 v. WiTTicH. Physiol, d. Aufsaugung etc. 5. Cap. Die Lymphgef\u00e4sse.\nfolgten und ansgebildeten Ideen linden sich bereits in jenen ausgesprochen und auf, wenn auch wenig vollkommenen Versuchen gest\u00fctzt. So ist es vor Allem Ludwig\u2019s Verdienst, die Lehre vom Lymphstrom bis zu der Klarheit gef\u00f6rdert zu haben, welcher sie sich jetzt erfreut.\nI. Die Urspr\u00fcnge der Lymph- und Chylusgefiisse.\nAlle Ueberf\u00fchrung von gel\u00f6sten Massen erfolgt selbstverst\u00e4ndlich zun\u00e4chst durch die am oberfl\u00e4chlichsten gelegenen Tlieile, und zwar steht die Lebhaftigkeit der Aufsaugung in geradem Verh\u00e4ltniss zu der Reichhaltigkeit der Theile an Lympksaftbaknen und zu der Zartheit und Nachgiebigkeit der deckenden Epithelzellen, wie der zwischen diesen sich befindenden Kittmasse. Letztere haben wir uns jedenfalls sehr viel nachgiebiger, verschiebbarer und formell nicht so abgeschlossen zu denken, wie die Zellen selbst; sie bildet zwischen letzteren capillare R\u00e4ume1, die, mit z\u00e4hfl\u00fcssiger Masse erf\u00fcllt, mit den darunter liegenden Saftkan\u00e4len und Saftr\u00e4umen wohl direct com-municiren. Die erste Aufnahme von Fl\u00fcssigkeiten erfolgt demnach durch Capillarattraction ohne Mitwirkung irgend welches Druckes. Die Saftbahnen der tieferen Schichten stehen unter arteriellem Druck, eine jede ihnen von aussen zustr\u00f6mende L\u00f6sung wird demnach in den Lymph- oder Chylusstrom getrieben. Es w\u00fcrde demnach allein durch die Capillarattraction eine Aufsaugung erm\u00f6glicht werden ; viel g\u00fcnstiger aber gestalten sich die Verh\u00e4ltnisse an Orten, deren Oberfl\u00e4che noch unter wechselndem Druck stehend, die Filtration in hohem Grade beg\u00fcnstigen. Wir z\u00e4hlen hierher die Augenlidspalte, durch deren Verschluss die Contraction des Sphincter oculi die ganze Conjunctiva unter einen h\u00f6heren Druck bringt; die Innenoberfl\u00e4che der Respirationswege, die bei In- und Expiration unter wechselndem Druck steht und deren Saftbahnen sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Epithels befinden; die Darmoberfl\u00e4che, welche ebenfalls durch die Contractilit\u00e4t der Zotten wie der ganzen Mucosa, unter wechselndem Druck stehend alle Bedingungen zu einer Filtration erf\u00fcllt, w\u00e4hrend die Weichheit und Nachgiebigkeit ihrer Epithelzellen, wie der zwischen ihnen liegenden Kittmasse, einem jeden Druck nachzugeben im Stande ist, Wir finden demnach an allen jenen Stellen, an welchen erfahrungsgem\u00e4ss die lebhafteste Resorption stattfindet, auch die einer Filtration von Aussen nach Innen g\u00fcnstigsten Verh\u00e4ltnisse, die M\u00f6glichkeit, die zu resorbirende Fl\u00fcssigkeit unter wecli-\n1 Schweigger-Seidel, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Miss. 1806. S. 329.","page":314},{"file":"p0315.txt","language":"de","ocr_de":"Die Urspr\u00fcnge der Lymph- und Chylusgef\u00e4sse.\n315\nselnden Druck zu stellen. Filtrirt wird zun\u00e4chst in die oberfl\u00e4chlichen Anf\u00e4nge der Lymphgef\u00e4sse, in jene scheinbar regellos sich ausbreitenden Saftkan\u00e4le.\nJene mit den Epithelzellen oder deren Kittmasse communiciren-den Saftkan\u00e4le oder Saftr\u00e4ume, von denen es bisher unentschieden, ob sie mit eigenen Wandungen versehen oder nur als Substanzl\u00fccken, oder endlich als hohle mit einander in Zusammenhang stehende Bindegewebszellen aufzufassen seien, sind die offenen M\u00e4uler \u00e4lterer Anatomen, sie sind die Anf\u00e4nge der Lymph- resp. Chylusgef\u00e4sse. Sie stehen unzweifelhaft im Zusammenh\u00e4nge mit den ein eigenes Endotel tragenden Lymphgef\u00e4ssen, die sich allm\u00e4hlich zu immer weiteren und dickeren, Klappen f\u00fchrenden Gef\u00e4ssen vereinigen, schliesslich durch den Ductus thoracicus ihren Gesammtinhalt den grossen Venen des Kreislaufes zuf\u00fchren.\nDie Abh\u00e4ngigkeit des Lymphstromes von der Circulation hatte schon fr\u00fcher die Ansicht geltend gemacht, dass von den Arterien aus sogenannte Vasa serosa ausgingen, welche ihrer ungemeinen Enge und Feinheit halber nur die fl\u00fcssigen Theile des Blutes aufzunehmen im Stande seien. Die Injectionsf\u00e4higkeit der Lymphbaknen von den Arterien aus, der Austritt injicirten Leimes, oft mit Zur\u00fccklassung seiner unl\u00f6slichen farbigen Beimischungen, die \u00f6demat\u00f6se Anschwellung, welche oft nach einfacher Wassereinspritzung erfolgt, das Anstauen in den Saftbahnen bei Behinderung des ven\u00f6sen Abflusses, alles dies hatte jene Anschauung nur unterst\u00fctzt. Die mikroskopische Untersuchung lehrte, dass die \u00e4usseren Grenzen der feineren Gef\u00e4sse nicht gradlinig verlaufen, sondern vielfach zackige Ausl\u00e4ufer zeigen, die mit feinen scheinbar soliden (hohlen?) F\u00e4den communiciren. Die Ausspritzung mit schwacher H\u00f6llensteinl\u00f6sung lehrte weiter die endo-teliale Auskleidung der feineren Blutgef\u00e4sse, die die Zellen bindenden Kittmassen als feine gez\u00e4hnelte Contouren, die, an einzelnen Knotenpunkten zu knopfartigen Bildungen verdickt, die Stellen angeben, an welchen die angeh\u00e4ufte Kittmasse Oeffnungen repr\u00e4sen-tirten. Man1 beobachtete ferner an lebenden Thieren den directen Durchtritt morphologischer Bestandteile des Blutes (farblose wie farbige Blutk\u00f6rper) unter gewissen pathologischen Bedingungen. Man\n1 Cohnheim. Arch. f. pathol. Anat. XL. XLI. 1867; Vorlesungen \u00fcber allgemeine Pathologie. Entz\u00fcndung S. 200 ff. 305 ; ebendaselbst findet sich auch die Literatur \u00fcber den Durchtritt morphologischer Bestandteile des Blutes aus den Gef\u00e4ssen unter bestimmten Bedingungen. Vgl. ferner Thoma, Die Ueberwanderung farbloser Blutk\u00f6rperchen aus dem Blut in das Lymphsystem. Heidelberg 1873. \u2014 Arnold, Arch. f. pathol. Anat. LYIII. S. 203. 1873. LX1I. S. 157. 1874. \u2014 Hering, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LVII. Febr. 1S6S.","page":315},{"file":"p0316.txt","language":"de","ocr_de":"316\nv. Wittich, Physiol, cl. Aufsaugung etc. 5. Cap. Die Lymphgef\u00e4sse.\nfand, dass die ausgetretenen K\u00f6rperchen stets in ein und dieselbe Bahn einlenkten und sich hier anh\u00e4uften. Man kam schliesslich zu der Anschauung, dass die Abgeschlossenheit des Kreislaufes doch nur so zu verstehen sei, dass derselbe durch \u00e4usserst feine Oeffnungen1 Stomata mit den Saftkan\u00e4lchen communicire, die ein System von feinsten Kan\u00e4len die s\u00e4mmtlichen Parenchyme durchziehe und dazu bestimmt erschiene, diesen das zu ihrer Function erforderliche Ern\u00e4hrungsmaterial zuzuf\u00fchren. Umgekehrt lehrten uns Versuche an lebenden wie frisch get\u00f6dteten Thieren das Blutgef\u00e4ssnetz von den Lymphgef\u00e4ssen oder von den mit diesen communicirenden Lungen aus zu injiciren und, wie es scheint, umzieht nach den hierbei gewonnenen Erfahrungen \u00fcberall ein perivascul\u00e4res Xetz von Saftkan\u00e4lchen, S\u00e4cken oder Schl\u00e4uchen die arteriellen Gef\u00e4sse.2 Selbst an Orten, wo, wie in der Leber, die Pfortader einer Arterie gleich func-tionirt, d. h. das Blut hin zu dem Organe f\u00fchrt, ist diese von einem gleichen Ketz begleitet, die als die Wurzeln des Lymphgef\u00e4sssystems zu betrachten sind.\nII. Die gr\u00f6sseren Lympli- und Chylusgef'\u00e4sse.\nDer Bau der gr\u00f6sseren Lymph- und Chylusgef\u00e4sse gleicht gar sehr, auch in der Anordnung der Klappen, dem der Venen. Man unterscheidet an ihnen eine mit einem einschichtigen gez\u00e4hnelten Plattenepithel bekleidete Intima, eine d\u00fcnne muskul\u00f6se Media und eine aus lockerem Bindegewebe gebildete Adventitia. Keine der Schichten erreicht jedoch die M\u00e4chtigkeit arterieller, selbst nicht einmal ven\u00f6ser Gef\u00e4sse. Die Lymphcapillaren bilden unregelm\u00e4ssig geformte Schl\u00e4uche, die Innen ein Endotel3 tragen; sie unterscheiden\n1\tIch glaube nicht, dass die durch Argentum nitricum nachweisbaren knotenartigen Verdickungen der Kittmasse wahre Oeffnungen darstellen. Es sind dies vielmehr gr\u00f6ssere Anh\u00e4ufungen der zwischen den Endotelien sich lagernden Kittsubstanz, die aber nat\u00fcrlich wegen ihrer gr\u00f6sseren Masse leichter verschiebbar, wohl bei einem vorhandenen Filtrationsdruck als Oeffnungen fungiren k\u00f6nnen. W\u00e4re es nicht auch denkbar, dass die von Cohnheim f\u00fcr den Vorgang der Entz\u00fcndung als prim\u00e4r geforderte Ver\u00e4nderung der Gef\u00e4sswandung in einer geringeren Widerstandsf\u00e4higkeit gerade dieser Kittsubstanzen zu suchen ist (Arnold, \u00c4rch. f. pathol. Anat. LVIII. S. 203 u. 231). Es ist dies durchaus nicht eine Erneuerung der alten Stomatahypothese, sondern setzt wesentlich eine physicalische, wohl auch chemische Ver\u00e4nderung der Kittsubstanz voraus (vgl. auch Schweigger-Seidel, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1866.\n2\tHis, Ztschr. f. wissensch. Zool. XV. S. 127 ff. 1865. \u2014 Mac Gillayrt, Sitzgs-ber. d. Wiener Acad. Bd.L. 1864. \u2014 Fleischl, Ebendas. 1874. Mai. \u2014 A. Budge, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1875. 21. Juli. \u2014 Ludwig u. Tomsa, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Juli 1861. \u2014 C. Tommasi, Arch. f. pathol. Anat. XXVIII. S. 370. 1863. \u2014 y. Wittich, Mittheil, aus dem K\u00f6nigsberger physiol. Laboratorium. S. 1. 1878. \u2014 Sikorski, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1870. S. 52.\n3\tv. Recklinghausen a. a. O. S. 221 ff. ; Arch. f. pathol. Anat. XXVI. S. 189.","page":316},{"file":"p0317.txt","language":"de","ocr_de":"Die gr\u00f6sseren Lymph- und Chylusgef\u00e4sse.\n317\nsich durch die Unregelm\u00e4ssigkeit der Form, wie durch ihre gr\u00f6ssere Weite von den Blutcapillaren. Bei V\u00f6geln und S\u00e4ugern bildet die Intima der Lymphgef\u00e4sse zahlreiche Klappen, die den R\u00fcckfluss zur Peripherie behindern, also nur eine Stromesrichtung dem Ductus tho-racicus zu gestatten. Die sich \u00fcber den Klappen findende flaschenartige Erweiterung giebt dem ganzen Gef\u00e4ss eine perlschnurartige\nFig. 3.\nForm. Bei den Amphibien bilden die Lymphgef\u00e4sse meistens nur interstitielle L\u00fccken, die nicht durch eigene Wandungen, sondern nur durch die Fascien und bindegewebigen H\u00fcllen der Organe begrenzt werden, von denen wohl hier und dort selbstst\u00e4ndige Scheidew\u00e4nde ausgehen und jene Spalten in einzelne Abtheilungen trennen. Die Innenfl\u00e4che dieser Spalten ist wie alle Lymphgef\u00e4sse mit einem ge-z\u00e4lmelten Endotel bedeckt. Bei dem Mangel aller selbstst\u00e4ndigen Wandungen fehlt ihnen auch die f\u00fcr die Fortbewegung erforderliche Muskulatur; statt ihrer sind bei Fr\u00f6schen und Kr\u00f6ten in der Achsel","page":317},{"file":"p0318.txt","language":"de","ocr_de":"318 y. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 5. Cap. Die Lymphgef\u00e4sse.\nund unteren R\u00fcckengegend seitlich vom Kreuzbein nahe dem Anus contractile Organe eingeschaltet, die sich in ryth misch er Bewegung befinden. Ganz \u00e4hnlich wie die zu grossen S\u00e4cken erweiterten Lymph-r\u00e4ume der Amphibien verhalten sich bei S\u00e4ugern und V\u00f6geln das Peritoneum1, bei S\u00e4ugern die Pleura und aller Wahrscheinlichkeit nach auch die anderen sogenannten ser\u00f6sen S\u00e4cke. Auch sie sind grosse R\u00e4ume, welche, mit einem Endotel ausgekleidet, durch mikroskopisch nachweisbare Stomata mit den Lymphgef\u00e4ssen der Nachbarschaft communiciren.\nEin wesentlicher Unterschied zwischen diesen formell so verschiedenen Lymphbahnen von Amphibien und S\u00e4ugern d\u00fcrfte nicht wohl zu finden sein, zumal ja auch bei den S\u00e4ugethieren nach Schwalbe'2 3 die Lymphr\u00e4ume des Auges sich jenen Spaltbildungen vergleichbar ausbreiten, da ferner die verschiedenen Individuen ein und derselben Art, ja selbst die Gef\u00e4sse ein und desselben Individuums so mannichfache und wechselnde formelle Verschiedenheiten zeigen.\nIm Ganzen erscheinen die peripheren Anf\u00e4nge als ein System von L\u00fccken, Kan\u00e4len und R\u00e4umen, die untereinander, wie mit den Lympkcapillaren, in Verbindung stehen, dazu bestimmt, das aus dem Blute filtrirte Ern\u00e4hrungsmaterial den einzelnen Organen, den Ueber-fiuss den Lymphcapillaren und durch sie den Lymphgef\u00e4ssen zuzuf\u00fchren. Es scheint physiologisch dabei vollkommen gleichg\u00fcltig, ob diese R\u00e4ume pr\u00e4formirte sind, etwa den Bindegewebszellen entsprechen, oder ob sie, aller \u00e4usseren Begrenzung baar, nur in den nat\u00fcrlichen Zwischenr\u00e4umen der Gewebe ihren Grund finden. Wir finden bei ein und demselben Individuum diese peripheren Anf\u00e4nge in sehr verschiedenen Stadien der Entwickelung, theils je nach der physiologischen Dignit\u00e4t der Theile, d. h. je nach dem lebhafteren oder tr\u00e4geren Stoffwechsel, theils nach der lebendigeren Th\u00e4tigkeit des letzteren. Sehnen und Fascien bestehen zum grossen Theil aus fester, elastischer interstitieller Zwischensubstanz mit relativ wenig zahlreichen H\u00f6hlen und Kan\u00e4len, w\u00e4hrend an anderen Stellen sich ein ungemein weiches, saftreiches (adenoides) Gewebe findet, an welchem man kaum etwas anderes als feine netzf\u00f6rmige Balken als\n1\tv. Recklinghausen a. a. O. S. 223 ; Arch. f. pathol. Anat. XXVI. S. 172. 1863. \u2014 Ludwig und Schweigger - Seidel , Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1S66. \u2014 Dyb-kowsky, Ebendaselbst Juli 1866. \u2014 E. Oedmansson, Arch. f. pathol. Anat. XXA III. S. 36. 1863.\n2\tSchwalbe, Arch. f. microscop. Anat. VI. S. 1\u201461,261 ff. 1870 ; Centralbl. f.d. med. Wiss. 1869. S. 465.\n3\tAbnold, Arch. f. pathol. Anat. LXII. S. 157. 1874.","page":318},{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Follikel. Lymphdr\u00fcsen, adenoides Gewebe.\n319\ninterstitielle Substanz findet; das Ganze erscheint als ein System von H\u00f6hlungen mit in der Bildung begriffenem Protoplasma gef\u00fcllt. Ja es scheint nicht unwahrscheinlich, dass unter pathologischen Verh\u00e4ltnissen die eine Form in die andere \u00fcbergeht, und dass es in vorhandenen L\u00fccken zu einer excessiven Zellbildung (Eiterzellen) kommen k\u00f6nne, welche nach und nach die anf\u00e4ngliche feste interstitielle Substanz verdr\u00e4ngt, oder sie, aus ihrem Zusammenhang gelockert, gangr\u00e4nescirend abst\u00f6sst. Eine jede pathologische Behinderung des lymphatischen Abflusses kann die Veranlassung zu einem solchen Stagniren in der Peripherie, und vorausgesetzt, dass jene peripheren H\u00f6hlen die Bildungsstellen lymphoider K\u00f6rperchen, wenn auch nicht immer, so doch sein k\u00f6nnen, die Veranlassung von Eiterbildung werden.\nIII. Follikel, Lymphdr\u00fcsen, adenoides Gewebe.\nVon ganz besonderem Interesse sind ferner die in das Lymph-und Chylusgef\u00e4sssystem eingeschalteten follicul\u00e4ren Bildungen1, die an zahlreichen Stellen zu ganz selbstst\u00e4ndigen dr\u00fcsigen Organen zusammentreten. In der einfachsten Form finden wir sie als solit\u00e4re und fl\u00e4chenartig ausgebreitete oder als aglomerirte Follikel in der Mucosa, besonders des Mundes, des Pharynx, des Darmes, und bilden hier zuweilen hirsekorngrosse kugelige K\u00f6rper, die keine besondere Umh\u00fcllungsmembran2 zeigen, aus einem Reticulum von adenoidem Gewebe gebildet, allm\u00e4hlich in das umgebende Gewebe \u00fcbergehen und sich von ihm nur durch die st\u00e4rkere Anh\u00e4ufung von lymphoiden Zellen unterscheiden.\nDie Balken des adenoiden Gewebes inseriren sich vielfach an die \u00e4ussere Umh\u00fcllung der die Follikel vielfach durchziehenden Blutgef\u00e4sse und an das interstitielle Gewebe der Nachbarschaft, so dass\n1\tHis. Ztschr. f. wissensch. Zool. X. S. 333 ft'. XL S. 65. 1862. \u2014 I rey, Arch, pathol. Anat. XXY. S. 344. 1863.\u2014 v. Recklinghausen , Das Lymphgef\u00e4sssystem in Stricker a. a. O. S. 238.\n2\tFrey (a. a. 0. S. 3-D) sagt \u00fcber die Begrenzung des Follikels ..die Kuppe scheint beim S\u00e4ugethiere gew\u00f6hnlich membranartig verdichtet, die des Grundtheiles ist sicher netzartig durchbrochen/1\nFig. 4. Zotte. Kaninchendarm. Pinselpr\u00e4parate. In den Maschen des adenoiden Gewebes noch theilweis eingelagerte Chylusk\u00f6rperchen. Epithel seitlich und oben ein wenig gelockert.","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 5. Cap. Die Lymphgef\u00e4sse.\ndie H\u00f6hlungen wohl nur als erweiterte und ausgedehnte Saftr\u00e4ume aufzufassen sind. Man findet die Follikel in sehr verschiedenen Stadien der F\u00fcllung, von unmerklicher Gr\u00f6sse, so dass man sie kaum mit unbewaffnetem Auge zu sehen vermag, bis zu deutlicher bl\u00e4schen-artiger Entwickelung, eine Differenz, die sich, wenn auch oft pathologischer Natur, doch auch in ganz normalen Verh\u00e4ltnissen vorfindet. Bei hungernden Thieren sind sie kleiner, w\u00e4hrend der Cliylitication turgescenter gr\u00f6sser. Man hat, auf negative Resultate bei der Injection der Lymph- und Chylusgef\u00e4sse gest\u00fctzt, die Beziehungen dieser follicul\u00e4ren Gebilde zu jenen Gef\u00e4ssen geleugnet, aber wohl mit Unrecht. Der nie geleugnete Reichthum ihrer n\u00e4chsten Umgebung an Lymph- oder Chylusgef\u00e4ssen, wie die von Br\u00fccke1 erwiesene Ueber-f\u00fchrung leicht fl\u00fcssiger Injectionsmassen von den Follikeln aus in die Chylusgef\u00e4sse, sprechen unzweifelhaft f\u00fcr das Vorhandensein einer derartigen Communication.\nIm Wesentlichen2 nach demselben Princip, wenn auch unendlich viel complicirter, sind die Lymph- oder Chvlusdr\u00fcsen gebildet, welche wir an den verschiedensten Stellen des K\u00f6rpers stets in der n\u00e4chsten Nachbarschaft zu den grossen Lymph- und Chylusgef\u00e4ssen finden. Auch sie bestehen aus einem bald dichteren, bald weitmaschigeren Reticulum adenoiden Gewebes, in welchem sich zahlreiche Blutgef\u00e4sse hineinverbreiten. Auch sie bestehen aus meist rundlichen aber unregelm\u00e4ssig gestalteten R\u00e4umen wechselnder Ausdehnung, welche mit lymphoiden K\u00f6rperchen erf\u00fcllt sind. Eingeschlossen werden die Lymph- oder Chylusdr\u00fcsen von einer Kapsel, die vielfach Septa in das Innere schickt und nach 0. Heyfelder bei vielen Thieren wenigstens zahlreiche glatte Muskelzellen f\u00fchrt; eine Angabe, welche bereits in der \u201eEpistola de glandulis conglobatis\u201c\n1\tBr\u00fccke, Denkschriften d. Wiener Acad. 1852\u201455.\n2\tDie vorstehende kurze Schilderung des Baues der Lymph- und Chylusdr\u00fcsen geht \u00fcber eine Menge Punkte leicht hinweg, die lange und zum Theil noch Gegenstand der Discussion sind. Noch ist das Verh\u00e4ltniss der Yasa inferentia zu \"den R\u00e4umlichkeiten der Dr\u00fcse, wie das dieser zu den Vasis efferentibus rein hypothetisch, und entspricht vielmehr den herrschenden physiologischen Anschauungen als den gefundenen Thatsachen. Ebenso verh\u00e4lt sich unsere Kenntniss \u00fcber den Bau der einfachen und conglobirten Follikel in der Darmwand, auch ihre anatomische Zusammengeh\u00f6rigkeit wurde wohl erschlossen. aber nicht erwiesen. Man vergleiche in dieser hrage die Arbeiten: K\u00f6lliker. Microscop. Anat. II. S. 19. 1852. \u2014 Br\u00fccke, Ueber die Chylusgef\u00e4sse und die Resorption durch den Chylus. \u2014 His, Beitr\u00e4ge zur Kenntniss der zum Lymphsystem geh\u00f6rigen Dr\u00fcsen. Ztschr. f. wissensch. Zool. X. u. XI. \u2014 Gerlach, Gewebelehre. 2. Auti. \u2014 Ludwig und Noll, Ztschr. f. rat. Med. IX. S. 52. \u2014 Goodsir, Anat. and pathol. Observ\u00e2t. Edinburgh 1845. \u2014 Frey. Die Lvmphwege einer PEYER\u2019schen Plaque beim Menschen. Arch. f. pathol. Anat. XXVI. S. 344 ff. 1863. \u2014 Teichmann, Saugadersystem vom anatomischen Standpunkte aus. Leipzig 1861. \u2014 v. Recklinghausen a. a. 0. Strieker's Handb. etc. S. 238 ff.","page":320},{"file":"p0321.txt","language":"de","ocr_de":"Follikel. Lymphdr\u00fcsen, adenoides Gewebe.\n321\nMalpighi\u2019s vorkommt, von vielen bestritten, von Br\u00fccke und His1 aber best\u00e4tigt wird. Man hat wohl darauf aufmerksam gemacht, dass die an der Dr\u00fcse durch die Vasa efferentia abstr\u00f6mende Fl\u00fcssigkeit reicher an Lymphk\u00f6rpern sei als die ihr zustr\u00f6mende, und hat daraus den Schluss gezogen, dass alle diese follicul\u00e4ren Gebilde (zu ihnen\nz\u00e4hlen wir auch die gr\u00f6sseren Dr\u00fcsen) eine Bildungsst\u00e4tte der morphologischen Bestandtheile der Lymphe bilden. W\u00e4hrend die ser\u00f6se Fl\u00fcssigkeit des Plasma, welches diese Lymphbahnen erf\u00fcllt, zum Theil als Filtrat des Blutes anzusehen ist, im Wesentlichen also auch die Zusammensetzung dieses zeigt, dem jedoch noch eine nicht unerhebliche Menge von Stoffen aus den Parenchymen beigemengt sind, w\u00e4hrend andere aus ihm, zum Theil wenigstens, zur Ern\u00e4hrung verwendet, verschwanden, muss der Chylus im Ganzen eine in mancher Beziehung verschiedene Zusammensetzung zeigen. Er nimmt das Ern\u00e4hrungsmaterial f\u00fcr den ganzen K\u00f6rper aus der Darmh\u00f6hle auf, hat daher nicht etwa nur die Bedeutung, die R\u00fcckfuhr aus der Peripherie\n1 His a. a. O. XL S. 70. \u2014 0. Heyfelder, lieber den Bau der Lymphdr\u00fcsen. Inaug.-Dissertation. Breslau 1851.\nHandbuch der Physiologie. Bd. Va.\n21","page":321},{"file":"p0322.txt","language":"de","ocr_de":"322 y. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 5. Cap. Die Lymphgef\u00e4sse.\nzu besorgen, die Auswurfstoffe den excretorischen Apparaten zuzuf\u00fchren und sie hier abscheiden zu lassen, das nicht verbrauchte Material aber dem Blute wieder zuzuf\u00fchren, wie es im Wesentlichen von der K\u00f6rperlymphe besorgt wird, sondern er f\u00fchrt dem K\u00f6rper neues Material zu, welches das abgenutzte zu ersetzen, ihn selbst functionsf\u00e4hig zu erhalten bestimmt ist. In dieser wesentlichen functioneilen Differenz liegt auch wohl der Grund einer sicher vorauszusetzenden chemischen Differenz der Fl\u00fcssigkeiten. Doch aber bieten die anatomischen Anordnungen kaum zu \u00fcberwindende Schwierigkeiten, um das Material f\u00fcr eine gesonderte chemische Untersuchung vornehmen zu k\u00f6nnen. Morphologisch sind beide Fl\u00fcssigkeiten, wie bereits fr\u00fcher geschildert, kaum zu trennen; in beiden finden wir dieselben Bestandtkeile, die, wie bereits angedeutet, in den verschiedenen Abschnitten in verschiedener M\u00e4chtigkeit vorhanden und, wie es scheint, nach dem Durchtritt durch die Lymphfollikel an Menge zunehmen. Ausser diesen kernhaltigen Protoplasmen linden wir oft noch nicht unerhebliche Mengen farbiger Blutzellen, besonders im Ductus tkoracicus, wie auch in den mesenterialen Chylusgef\u00e4ssen, deren lymphatischer Inhalt durch sie oft eine bereits makroskopisch ersichtliche Rothf\u00e4rbung zeigt. Dieses Auftreten farbiger Blutbestand-theile ist oft nicht durch eine mechanische Beimengung bei der Pr\u00e4paration zu deuten, da man sie selbst nach vorsichtigster Pr\u00e4paration und selbst noch zu Zeiten in der ausstr\u00f6menden Fl\u00fcssigkeit vorfindet, in welchen sie nicht wohl auftreten d\u00fcrfte, wenn sie durch Ungeschicklichkeit beigemengt w\u00e4ren, so nach l\u00e4ngerem Entstr\u00f6men der Lymphe aus einer eingebundenen Canlile. Dieselben Stomata, welche den farblosen Blutzellen den Durchtritt gestatten, lassen auch die farbigen durch, besonders unter ver\u00e4nderten Druckverh\u00e4ltnissen, wie sie ja bei Er\u00f6ffnung grosser Lymphgef\u00e4sse wohl vorauszusetzen sind. In den prim\u00e4ren Wegen des Chylus (in der Darmschleimhaut) findet man ferner wohl auch, besonders w\u00e4hrend der Fettresorption, feink\u00f6rnige Massen, die wohl von den frisch resorbirten Substanzen herr\u00fchren.","page":322},{"file":"p0323.txt","language":"de","ocr_de":"Die bewegenden Kr\u00e4fte im Lymphsystem.\n323\nSECHSTES CAPITEL.\nDie bewegenden Kr\u00e4fte im Lymphsystem.\nI. Die bewegenden Kr\u00e4fte bei Tliieren ohne Lymphherzen.\nWie bereits erw\u00e4hnt, findet sich der Inhalt des Systems in steter, wenn auch sehr langsamer Fortbewegung von der Peripherie den grossen Venen zu. Man hat den Grund dieser zun\u00e4chst in der aspi-rirenden Wirkung der Respiration auf den im Thorax eingeschlossenen Ductus thoracicus, in der eigenartigen Einm\u00fcndung des letzteren in die grossen Blutbahnen gefunden, und vor allem das von Venturi-Bernoulli aufgestellte Gesetz L \u00fcber die Druckverh\u00e4ltnisse in relativ engen R\u00f6hren bei ihrer Einm\u00fcndung in sich pl\u00f6tzlich erweiternde Bahnen als hierbei wirksam anerkannt.\nAllein so unzweifelhaft diese Kr\u00e4fte mitwirken, so unzweifelhaft lehrt auch ein sehr einfacher elementarer Versuch, die Unterbindung eines Lymph- oder Chylusgef\u00e4sses, das Zusammenf\u00e4llen seines centralen, das Anstauen seines peripheren Theiles, dass es sich hier um eine schon in der Peripherie wirksame Kraft \u2014 eine vis a tergo \u2014 handelt, welche die Fl\u00fcssigkeit nicht an saugt, sondern vor sich hertreibt. Die Untersuchungen Br\u00fccke\u2019s haben einmal eine solche in der Contraetilit\u00e4t der Zotten, wie \u00fcberhaupt in der Darmmucosa zu finden gelehrt, so dass wenigstens f\u00fcr den Chylusstrom, d. h. die vom Darm abstr\u00f6mende Lymphe eine treibende Kraft gefunden ; aber auch aus den Untersuchungen Ludwig\u2019s und seiner Sch\u00fcler geht es unzweifelhaft hervor, dass in den anatomischen Beziehungen der Lymphbalmen zu den Blutgef\u00e4ssen wohl Bedingungen gegeben seien f\u00fcr eine Beeinflussung des Lymphstromes durch den arteriellen Blutdruck. Ludwig'2 und Schwalbe, wie Dybkgwsky und Genersich haben uns weiter gelehrt, dass auch in dem Centrum tendineum des Zwerchfelles, wie in allen \u00fcbrigen tendin\u00f6sen und fasci\u00f6sen Gebilden Momente gegeben seien, die durch ihre theils rhytmischen, theils willk\u00fcrlichen und mehr zuf\u00e4lligen Bewegungen die Differenzen schaffen,\n1\tValentin, Physiol, d. Menschen I. 2. Aull. S. 385. \u2014 D. Bernoulli. Commentai1. academicae Petropolitanae IV. p. 1729.\n2\tVoll. Ztschr. f. rat. Med. ( 1) IX. S. 52 ff. \u2014 Ludwig u. Schweigger-Seidel ; Dybkowsky, Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. Wiss. 1S66. S. 91. \u2014 Genersich. Ebendaselbst 1870. S.142.\n21*","page":323},{"file":"p0324.txt","language":"de","ocr_de":"324 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 6. Cap. Die bewegenden Kr\u00e4fte.\ndie ansaugend und Bewegung f\u00f6rdernd auf die Lymphe emwirken. Die Untersuchungen zeigen ferner, dass auch der Druck des sich con-trahirenden Muskels eine treibende Kraft abgebe, dass passive Bewegung des erregungsf\u00e4higen, wie des nicht mehr erregbaren Muskels um vieles energischer auf die Lymphbewegung wirken, als die selbstst\u00e4ndige vitale Contraction des Muskels selbst.\nAls weiteres nicht zu untersch\u00e4tzendes Bewegungsmoment ist ferner die eigene Contractilit\u00e4t der Lymph gef \u00e4ss Wandungen anzusehen. Heller1 2 hat an Meerschweinchen im Mesenterium rhytmische Bewegungen der Chylusgef\u00e4sse beobachtet, circa 10 Pulsationen in einer Minute. Die ganze Beschreibung aber, die er von der Bewegung, von dem Anstauen des Chylus vor der contrahirten Stelle macht, l\u00e4sst es sehr wahrscheinlich erscheinen, dass wir es mit einer typisch wiederkehrenden, mehr peristaltischen Bewegung zu thun haben, die als eine Welle \u00fcber das Gef \u00e4ss laufend den Inhalt vor sich her schiebt, wobei ihr nat\u00fcrlich die Klappen sehr f\u00f6rderlich sind. Auch die Muskulatur der Lymph- und Chylusdr\u00fcsen dienen unzweifelhaft der Weiterbef\u00f6rderung der sich in ihnen anstauenden Fl\u00fcssigkeiten und morphologischen Elemente.\nIch kann nach eigenen Versuchen, die ich an Meerschweinchen und M\u00e4usen machte, die Angaben Heller\u2019s im Wesentlichen nur best\u00e4tigen, doch m\u00f6chte ich Eines dabei geltend machen. Die Vorstellung einer rhytmischen Bewegung bekommt man nur, wenn man seine Aufmerksamkeit auf eine einzige Stelle richtet, dann wechselt allerdings Zusammenziehung und Erschlaffung, wenn auch nicht in so regelm\u00e4ssigen und schnellen Rhytmen, wie es Heller angiebt, vergleicht man aber zwei Abschnitte ein und desselben Gef\u00e4sses, so sieht man (wie es ja Heller auch angiebt) eine von der Peripherie aus fortschreitende Bewegung, die die Lymphe dem Ductus thoracicus zutreibt. Es ist also eine peristaltische Bewegung, die je nach der F\u00fclle des Gef\u00e4sses schneller folgt oder bei Leere desselben \u00e4usserst langsam fortkriecht. Man kann selbst bei absterbender Circulation noch in reinster Form die peristaltische, sich \u00e4usserst langsam fortschiebende Bewegung verfolgen. Eine gleiche peristaltische Bewegung l\u00e4sst sich auch bei fast blutleeren Mesenterialarterien frisch ge-\n1\tLudwig u. Schweigger-Seidel (Lymphgef. d. Fascien 1872) machen darauf aufmerksam, dass sich in verschiedenen Sehnen und Fascien zwei verschiedene, ein tieferes zwischen den Sehnenb\u00fcndeln verlaufendes und ein oberfl\u00e4chliches Lymph-gef\u00e4ssnetz befinde, welche unter einander communicirend beim Centrum tendlneum in eigenth\u00fcmlicher Weise die Fortbewegung der Lymphe f\u00f6rdern. Vergl. auch Genersich a. a. 0.\n2\tA. Heller, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1869. S. 545.","page":324},{"file":"p0325.txt","language":"de","ocr_de":"Die bewegenden Kr\u00e4fte bei Thieren ohne Lymphherzen.\n325\nt\u00f6dteter oder chloroformirter Thiere beobachten. Am Froschmesenterium hat Collin1 rhytmische Bewegung der Chylusgef\u00e4sse beobachtet, die synchronise!! mit dem Puls benachbarter Arterien war. Mir ist es nie gegl\u00fcckt eine \u00e4hnliche Beobachtung zu machen, ich muss aber gestehen, dass ich recht oft eine von der benachbarten Arterie mit-getheilte Bewegung sah, die wohl den Schein verursachte, als ob man es mit einer Pulsation des Chylusgef\u00e4sses zu thun habe.\nF\u00fcrst Tarchanoff2 sah und beschrieb die Zusammenziehung nicht nur der Blut-, sondern auch der Lymphcapillaren auf elektrische Reizung, es ist wohl m\u00f6glich, dass auch physiologische Momente auf die Capillarwandungen erregend wirken, und so durch eine abwechselnde Zusammenziehung und Ausdehnung ein Bewegungsmoment f\u00fcr den Lymphstrom gegeben sei (peristaltische Bewegung).\nDie Versuche von Goltz3 lehren ferner, dass selbst ohne die Beihilfe des Blutgef\u00e4sssystems noch eine Aufsaugung von den Lyrnph-s\u00e4cken aus, selbst ohne Mitwirkung der Lymphherzen erfolgt, die zwar immer bedeutend an Regsamkeit verlor, doch aber die aufgesogenen Massen dem Herzen oder vielmehr den Blutgef\u00e4ssen zuf\u00fchrt. Der ganze Vorgang ist nicht wohl anders denkbar, als durch die selbstst\u00e4ndige Contractilit\u00e4t der Lymphgef\u00e4sse, welche in peristal-tischer Bewegung den Inhalt langsam vor sich herschiebt.\nII. Die Lymphherzen und deren Abh\u00e4ngigkeit von Nerven.\nVon ganz besonderem Interesse sind, und eine besondere Besprechung erfordern die von Panizza4 entdeckten und seitdem bei allen Amphibien als Lymphherzen beschriebenen Organe, zwischen die grossen sackartigen Erweiterungen und benachbarten Venen eingeschalteten Muskelschl\u00e4uche, die durch ihre rhytmische Function den Inhalt des Lymphsackes in die Vene \u00fcberpumpt. Bei der grossen functioneilen wie histologischen Aehnlichkeit dieser Organe mit den Blutherzen (wie dieses sind sie Hohlmuskeln, deren primitive Ele-\n1\tCollin, vgl. Milne Edwards Le\u00e7ons IV. p. 511. \u2014 0. Funke, Lehrbuch der Physiol. I. 6. Aufl. S. 254.\n2\tJoh. F\u00fcrst Tarchanoff, Arch. f. d. ges. Physiol. IX. S. 407. 1 S74.\n3\tGoltz, Arch. f. d. ges. Physiol. IV. S. 147. 1871.\n4\tIm Jahre 1S32 beschrieb Joh. M\u00fcller (Poggendortfs Annalen) zuerst die hinteren Lymphherzen beim Frosch; im Jahre darauf Panizza (Sopra il sistema linfatico dei Rettili. Pavia 1833) die beiden, vorderen und hinteren, Paare, und somit wird die Entdeckung derselben Panizza zugeschrieben, obwohl, wie Ranvier (Le\u00e7ons d'anatomie g\u00e9n\u00e9rale. Paris 1880) richtig bemerkt, J. M\u00fcller unzweifelhaft die Priorit\u00e4t zukommt. Vergl. J. M\u00fcller, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1834. S. 996.; Philosophie, transaction 1833. \u2014 E. Weber, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1835. S. 535.","page":325},{"file":"p0326.txt","language":"de","ocr_de":"326 v. WiTTiCH. Physiol, d. Aufsaugung etc. 6. Cap. Die bewegenden Kr\u00e4fte.\nmente quergestreifte Muskelb\u00fcndel sind1 2) hat man sie Lympkkerzen genannt, und ihre Function, deren Abh\u00e4ngigkeit von bestimmten Nervenbahnen, die Centralorgane, von deren automatischer oder reflec-torischer Function die Th\u00e4tigkeit dieser abh\u00e4ngt, waren und sind zum Theil noch jetzt Gegenstand einer lebhaften Discussion.\nY olkmann 2 war der Erste, welcher die Frage nach der Abh\u00e4ngigkeit der Th\u00e4tigkeit dieser Organe experimentell zu entscheiden versuchte. Die Thatsacke, dass nach Zerst\u00f6rung der Medulla spinalis, nicht nach Entfernung des Grosshirns, die Pulsationen schwinden, brachte ihn zu der Annahme, dass die Centren f\u00fcr diese in der Medulla spinalis selbst gelegen seien, und zwar bestimmte er noch pr\u00e4ciser die Lage derselben f\u00fcr die vordem wie hintern Lympkkerzen, f\u00fcr jene in der H\u00f6he des dritten, f\u00fcr diese in der Gegend des siebenten Wirbels. Trotz des lebhaften Streites \u00fcber die Richtigkeit dieser Ansicht, der lange Zeit \u00fcber diese Frage gef\u00fchrt wurde, scheint dieselbe doch nur bedingt g\u00fctig zu sein. Der Rhytmus, die so un-gemein wechselvolle Schnelligkeit der Pulsationen, ihre Abh\u00e4ngigkeit von der Erregung der verschiedensten K\u00f6rpertheile ist unzweifelhaft bedingt von gewissen Nervenbahnen, welche zum R\u00fcckenmark f\u00fchren, w\u00e4hrend ihre Bewegungsm\u00f6glichkeit ihre Centren in der Nachbarschaft der Herzen selbst findet.\nNach Eckhard\u2019s3 Angaben \u00fcbernimmt der zweite und zehnte R\u00fcckenmarksnerv den Lympkkerzen gegen\u00fcber die Stelle eines Vagus. Nach seinen wie nach Schiff\u2019s4 und Goltz\u2019s Angaben ist es die Reizung dieser Nerven, welche nach ihrer Auffassung momentanen, nach Volkmann und Heidenhain bleibenden Stillstand bewirkt, weil eben nach Zerst\u00f6rung des R\u00fcckenmarks die automatischen Centren zerst\u00f6rt, nach Durchschneidung ihre Innervation durch letztere beseitigt wird.\nBei der subcutanen Durchschneidung des N. coccygeus vom R\u00fccken her bemerkt man nicht selten, dass nach Spaltung der Fascie seitlich vom Os sacrum her eine nicht unerhebliche Menge klarer Lymphe hervorquillt, und gleichzeitig das Herz derselben Seite momentan stillsteht, um sich nach Verlauf weniger Minuten wieder zu erholen. Zieht man mit stumpfen H\u00e4kchen die Beckenmuskulatur auseinander,\n1\tM\u00fcller, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1840. S. 1. \u2014 Stannius (Ebendas. 1843. S. 449) beschreibt bei V\u00f6geln (Storch. Strauss, Casuar, Gans, Schwan, Colymbus und Alka) eigenth\u00fcmliche Muskelschl\u00e4uche, die er f\u00fcr Lymphherzen ausgiebt. Pulsiren sah er sie nicht. Der Lage nach entsprechen sie den hinteren Herzen der Fr\u00f6sche.\n2\tVolkmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1844. S. 418.\n3\tEckhard, Ztschr. f. rat. Med. VIII. S. 211. 1849.\n4\tSchiff, Ebendas. IX. S. 259. 1850.","page":326},{"file":"p0327.txt","language":"de","ocr_de":"I)ie Lymphherzen und deren Abh\u00e4ngigkeit von Nerven.\n327\nso sieht man leieht seitlich vom Os sacrum den zu den hintern Herzen gehenden N. coccygeus (Eckhard) ; isolirt man diesen m\u00f6glichst vorsichtig von dem benachbarten Bindegewebe, und zerrt dabei die Nerven nur ein wenig, so stehen die Pulsationen des Herzens der entsprechenden Seite fast momentan und oft recht lange still. Meistens, wenn aber auch durchaus nicht immer, erholt sich das Herz wieder, wie denn \u00fcberhaupt kein Versuch mir soviel Inconstanz zeigte, als der vorliegende1. Oft gen\u00fcgt schon ein etwas erheblicher Blutverlust, um die Energie der Herzen zum Verschwinden zu bringen. Es kommt noch ferner hinzu, dass die einfache Manipulation2 mit der dar\u00fcber liegenden Haut, ihr Angreifen mit der Pincette, ihr Abtragen durch einen Scheerenschnitt, ihr Betupfen mit einem Schw\u00e4mmchen den gewaltigsten Einfluss auf die Schlagfolge der Herzen zeigt. Ich habe nach allen diesen Eingriffen ebenso oft eine pl\u00f6tzliche Beschleunigung, wie Verz\u00f6gerung der Pulsation folgen sehen, oft stand selbst nur eines der beiden momentan still, um sich bald wieder zu erholen und dann oft viel schneller, oft aber auch tr\u00e4ger als das andere fort zu pulsiren. \"Wie denn \u00fcberhaupt die Schl\u00e4ge beider nach ihrer Freilegung meistens asynchronisch3 erfolgen, das eine stets vorschl\u00e4gt. Durchschneidet man den N. coccygeus der einen Seite vom R\u00fccken her, so steht das Herz derselben Seite meistens augenblicklich diastolisch. Aber meistens bereits oft nach etlichen Stunden (4\u20145 Stunden), oft auch viel fr\u00fcher \u2014 oft aber gar nicht, erholte es sich, und zeigte alsdann wenigstens vollkommen regelrechte, z\u00e4hlbare Puisa-tionen \u2014 nicht etwa flimmernde Bewegungen, wie sie so oft von verschiedenen Beobachtern beschrieben wurden. Mitunter habe ich allerdings auch so wenig energische schnelle Bewegungen gesehen, die vollkommen das Bild eines flimmernden Muskels boten. So weit\n1\tRanvier (Le\u00e7ons d'anatomie g\u00e9n\u00e9rale. Paris 1 SSO) macht auch auf die Inconstanz der Versuche aufmerksam, er findet den Grund f\u00fcr diese in dem durchaus inconstanten anatomischen \\ erhalten des Nervus coccygeus mit jenen St\u00e4mm-chen des Sympathicus mit denen jener anastomosirt.\n2\tReflexhemmung der Bewegungen der Lymphherzen beschrieb Goltz. Cen-tralbl. f. d. med. Wiss. 1S63. No. 2 u. 32. \u2014 Suslowa (Ebendas. 1867. No. 53) best\u00e4tigt die Angaben Goltz\u2019s, erweitert unsere Kenntniss der Beziehungen derselben zum Nervensystem durch eine Reihe von Angaben, die ich zum Theil nach den Versuchen, welche Herr Spohd auf meine Anregung anstellte, nur best\u00e4tigen kann. Vor allem sahen wir, wie Verf., Stillstand auf Reizung des Sehh\u00fcgelquerschnittes, des oberen Querschnittes des verl\u00e4ngerten Markes. Vgl. auch Waldeyeb, Ztschr. f. rat. Med. (3) XXL S. 118. 1 19. 121. 1864.\n3\tAuf den Mangel des Synchronismus m\u00f6chte ich besonderen W erth legen, als Waldeyer in seiner zweiten Abhandlung (Ztschr. f. rat. Med. (3) XXIII. S. 197), welche die Angaben seiner ersten, wenigstens die daraus gezogenen Schl\u00fcsse, zum Theil aufhebt, ausdr\u00fccklich von den arhytmischen Bewegungen solcher Herzen spricht, deren Nerven er vier \"Wochen vorher excidirt hatte. Ranvier (a. a. O. S. 290) macht ebenfalls auf die Asynchronie der Herzen aufmerksam.","page":327},{"file":"p0328.txt","language":"de","ocr_de":"328 v. WiTTicH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 6. Cap. Die bewegenden Kr\u00e4fte.\nstimmen meine Beobachtungen mit denen fr\u00fcherer Beobachter \u00fcberein, nur \u00fcber die Bedeutung dieser wiederkehrenden Bewegungen streitet man, ich kann nach der regelm\u00e4ssigen Folge derselben, wie sie wenigstens oftauftreten, keinen Augenblick zweifeln, dass wir es mit wirklichen Pulsationen zu thun haben.\nZun\u00e4chst ist festzustellen, dass die Pulsationen der Lymphherzen mit der gr\u00f6ssten Unregelm\u00e4ssigkeit hinsichts ihrer Schnelligkeit erfolgen, dass sie theils (wie es von allen Beobachtern fast angegeben wird) von einer Menge peripherer Eindr\u00fccke, die ja w\u00e4hrend der Beobachtung nicht zu vermeiden sind, beeinflusst werden, dass sie bald schneller, bald langsamer schlagen, lehrt folgende Zusammenstellung, in welcher die Zahl der Schl\u00e4ge in lli Minute angegeben werden.\n22; 19. 20. 18 Druck auf den Fuss 15, Druck auf die Bauchhaut 23. Frei 18, 16. 15, 17. Druck auf den Bauch 23. Frei 16. Durchschneidung des R\u00fcckenmarkes unterhalb der Medulla oblongata 23. 24. 16. 17 Ber\u00fchrung der Schnittfl\u00e4che 21. In einem anderen Versuche in 14 Minute nach Freilegung der Herzen 15, 18. Betupfung mit Essigs\u00e4ure (Haut des hinteren Fusses) 21, 18, 15 Stillstand. Abgewaschen, unregelm\u00e4ssige Folge der einzelnen Schl\u00e4ge. Betupfen mit einem Schwamm 21. 24.\nWenn daher h\u00e4ufig angegeben wird, dass die eine oder andere Manipulation Beschleunigung bewirke, so ist diese Angabe, wenn sie ohne Zahlen erfolgt, kaum von Bedeutung. So giebt Scherhey1, nachdem er vorher die Pulsationen in Zahlenwerthen (23 \u2014 25 in 14 Minute) notirte, als Folge eines operativen Eingriffs (Strychnin) Beschleunigung des Pulses an, die vielleicht auch ohne diesen erfolgt w\u00e4re.\nFerner beobachtet man nicht selten an Thieren, Fr\u00f6schen wie Schildkr\u00f6ten, denen man einfach, ohne anderweitigen Eingriff, die Herzen freilegte und diese nicht vollst\u00e4ndig vor dem Einfluss der Luft sch\u00fctzte, nach 2\u20143 Tagen Stillstand der mit Lymphe erf\u00fcllten, d. h. also diastolisch ausgedehnten Herzen, welche sich auch nicht ferner erholen.\nFast alle Beobachter stimmen darin \u00fcberein, dass sich nach Aufhebung des R\u00fcckenmarkeinflusses sich wieder Bewegungen einstellen, welche von einigen ihrer Unregelm\u00e4ssigkeit halber nicht zu den Pulsationen gez\u00e4hlt werden, von andern wohl Pulsationen genannt wer-\n1 Mendel Lob Scherhey, Ueber die Feststellung und Bedeutung der Centren der Lymphherzen im R\u00fcckenmarke. Dissert. S. 26f. Berlin 1878.","page":328},{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lymphherzen und deren Abh\u00e4ngigkeit von Nerven.\n329\nden, aber doch als von den normalen verschieden beschrieben werden (Scherhey a. a. O. S. 20). Wer nur einmal die Beobachtungen an einer Schildkr\u00f6te (aber auch beim Frosch) angestellt hat, wird zugeben, dass auf diesen Unterschied sehr wenig zu geben ist. Wenn aber nun aus der nicht fortzuleugnenden Thatsache, dass in der grossen Mehrzahl der F\u00e4lle nach Aufhebung des R\u00fcckenmarkseinflusses die Herzen sich nicht ferner aus ihrem Stillst\u00e4nde erholen, der Schluss gezogen wird \u2014 also h\u00e4nge die Bewegung von der Integrit\u00e4t dieses nerv\u00f6sen Zusammenhanges ab, so scheint mir das ein logischer Fehler, denn bei einem Versuche, der so viel M\u00f6glichkeiten in sich birgt, so viel Sch\u00e4dlichkeiten mit sich f\u00fchrt, beweist ein positives, exact gewonnenes Resultat mehr, als eine Unzahl negativer. Wenn man daher kein Recht hat die Angaben eines Beobachters anzuzweifeln, haben diese zum mindesten ebenso grossen Werth, als die ihm gegen\u00fcberstehenden.\nWas nun aber den Begriff einer Pulsation betrifft, so invol-virt derselbe keine genaue Regelm\u00e4ssigkeit, weder nach der Zeit, noch nach der Intensit\u00e4t. Eine Bewegung aber, die ich stunden-, oft tagelang, wenn auch noch so unregelm\u00e4ssig, aber doch in Inter-missionen, beobachten kann, werde ich nicht anstehen f\u00fcr eine Pulsation zu erkl\u00e4ren und ihre intermittirende Folge von bestimmten Nervencentren abh\u00e4ngig machen.\nUm festzustellen, wie weit Blutleere die Pulsationen beeinflusse, decapitirte ich einen Frosch und nahm ihm mit einem Scheerenschnitt die s\u00e4mmtlichen Brust- und Baucheingeweide fort, und die Wirbels\u00e4ule mit ihrem Inhalte verblieb in normalem Zusammenh\u00e4nge mit den Nerven des PI. ischiadicus. Der Effect, den diese Verst\u00fcmmelung auf die Lymphherzen hatte, war ein durchaus verschiedener. Oft, wenn die Pulsationen von vornherein wenig energisch waren, verschwanden sie wohl ganz, aber doch selten, manchmal wurden sie wenigstens um vieles schw\u00e4cher, in noch andern und zwar den h\u00e4ufigsten F\u00e4llen erhielten sie sich vollst\u00e4ndig in ihrer fr\u00fcheren Energie.\nEs l\u00e4sst sich nun an einem solchen Pr\u00e4parate sehr wohl der Einfluss des N. coccygeus, wenn auch nicht sicher die Restituirung der Herzen studiren. Um die st\u00f6renden Reflexbewegungen der Beine zu beseitigen, durchschnitt ich die 3 vorderen St\u00e4mme des Plexus ischiadicus, und konnte nun, nachdem ich mich von der Wirkungslosigkeit des Schnittes auf die Herzen \u00fcberzeugt hatte1, durch keinerlei\n1 Ich habe \u00fcbrigens (wie bereits Schiff und Waldeyer) nie den geringsten","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 6. Cap. Die bewegenden Kr\u00e4fte.\nBewegungen der Muskeln gest\u00f6rt den N. coccygeus isoliren und durch-sckneiden. Nur zu oft sab ich bei einfacher, nicht zu vorsichtiger Isolirung des Nerven das entsprechende Herz Stillstehen, sich zuweilen aber wieder erholen. Durchschneidung rief oft augenblicklichen Stillstand hervor, zuweilen aber blieb dieselbe ohne den geringsten Einfluss auf die Pulsation. Ein Irrthum, der ja bei der Operation vom R\u00fccken her am lebenden Thiere wohl m\u00f6glich war, liess sich hier nicht denken, weil man das Object stets vor sich hat. Der Einfluss des Nerven liess sich jedoch bei dieser Versuchsmethode um vieles genauer feststellen; durchschneidet man den Nerven kurz nach seinem Austritt aus der Wirbels\u00e4ule, so sieht man absolut gar keinen Erfolg, die Herzen pulsiren ungest\u00f6rt fort, desgleichen bei der Durchschneidung, aber nicht zu tief unten im Becken* 1. Nat\u00fcrlich durch-schnitt ich mit m\u00f6glichst scharfer Scheere und ohne den Nerven zu isoliren, konnte mich aber stets unter der Loupe von dem Erfolg der Operation, d. h. von der Durchschneidung \u00fcberzeugen. Nach Durchtrennung etwa in der H\u00e4lfte des Nerven im Becken stand das Herz fast augenblicklich, um sich bei diesem so verst\u00fcmmelten Thiere meistens nicht ferner zu erholen. Hatte ich den Nerven hoch oben oder unten ohne Erfolg, d. h. ohne Stillstand zu erhalten, durchschnitten, und zerst\u00f6rte das R\u00fcckenmark durch Einbohren einer Nadel, so standen die Herzen augenblicklich.2\nDie verschiedenen Angaben \u00fcber die anatomischen Verh\u00e4ltnisse des Nervus coccygeus gestatten kaum eine genaue Einsicht in seine physiologische Beziehung zu den Lymphherzen. Die genauste, wenn auch nicht klarste Schilderung ist die von Waldeyer. Nach seiner Angabe spaltet sich der Nerv sehr bald nach seinem Austritt aus dem Steissbein in einen Ramus dorsalis und abdominalis, beide geben Aeste f\u00fcr das Lymphherzengeflecht, und stehen in anastomotischer Beziehung zum Grenzstrange des Sympathicus, aber auch unabh\u00e4ngig von diesen treten sympathische Fasern zu den Ganglien in der N\u00e4he der Lymphherzen. Welches sind nun die hier in Frage kommenden St\u00e4mmchen? Bei der Exenteration der Thiere (Fortnahme der Nieren und Bauchaorta) wird der gr\u00f6sste Theil der Sympathicusverbreitung\nEinfluss des 9. Nervenpaares (Eckhard) auf den Gang der Herzpulsationen con-statiren k\u00f6nnen (Waldeyer a. a. O. XXL S. 118), es sei denn eine ganz vor\u00fcbergehende Verlangsamung oder Beschleunigung derselben bei seiner Durchschneidung.\n1\tWaldeyer giebt bereits an, dass man nur bei der Durchschneidung des Nervus coccygeus tief unten, kurz vor Eintritt in das Herz, einen sicheren Stillstand erwarten darf (a. a. O. XXI.) Gleiches behauptet auch Ranvier a. a. 0. S. 293.\n2\tRanvier a. a. 0. S. 293 vermisste den Stillstand bei vorhergegangener Durchschneidung des Nerven auf Zerst\u00f6rung des R\u00fcckenmarkes. Nicht so Goltz a. a. 0.","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lymphherzen und deren Abh\u00e4ngigkeit von Nerven.\n331\ngleichzeitig entfernt, oder doch wenigstens aus seinem Zusammenh\u00e4nge herausgerissen, gleichwohl aber kaum eine St\u00f6rung im Gang der Herzth\u00e4tigkeit beobachtet, so dass wohl jene Anastomosen mit dem sympathischen Systeme kaum etwas mit der directen Innervation der Herzen zu thun zu haben scheinen. Ranvier schliesst sich in seiner Anatomie g\u00e9n\u00e9rale fast vollst\u00e4ndig den Angaben Waldeyer\u2019s an ; en r\u00e9sum\u00e9 \u2014 sagt er \u2014 ce qu\u2019il importe essentiellement de savoir ces I) quelles nerfs du coeur lymphatique post\u00e9rieur viennent de la branche abdominale du nerf coccygien ; 2) que ce nerf coccy-gien s\u2019anastomose avec le plexus lombaire; 3) qu'il re\u00e7oit aussi des branches du grand sympathique.\nAm meisten entspricht noch die jedenfalls viel ungenauere Zeichnung bei Ecker (ic\u00f4nes physiologicae, Taf. XXIV) und bei Schiess (Versuch einer speeiellen Neurologie der Rana esculenta. 1857. St. Gallen) den Anschauungen, welche ich aus den Versuchen \u00fcber die Nerven der hinteren Herzen gewonnen habe, obwohl ich ja zugeben muss, dass gerade der f\u00fcr die Deutung nothwendigste Nerv bei beiden fehlt.\nDie makroskopische Untersuchung des St\u00fcckes zwischen der Stelle wirksamer Durchschneidung und der unten im Becken l\u00e4sst oft nirgend ein Nerven-st\u00e4mmchen, welches in die Bahn des\nCoccygeus\neinlenkt, sehen, bei sehr kr\u00e4ftigem grossem Thier und bei mikroskopischer Untersuchung sieht man, dass sich in den pigmentreichen Bindegewebsb\u00e4lkchen, welche den Nerven an die R\u00fcckwand heften, eine Menge kleiner, nur wenige Nervenr\u00f6hren f\u00fchrende Ner-venst\u00e4mmchen verlaufen, die theilweise parallel zu denen des Nerv, coccygeus e;ehen, zum Theil auch mit ihm anasto-mosiren. Dass diese Nervenst\u00e4mmchen aus der Medulla spinalis ihren Ursprung nehmen, geht daraus hervor, dass man durch Zerst\u00f6rung des untersten Theiles des R\u00fcckenmarks durch eine eingestossene Nadel augenblicklich diastolischen Stillstand bewirkt, selbst wenn der Nerv, coccygeus oben oder unten vorher unwirksam durchschnitten war.\nAus der an und f\u00fcr sich ja sehr unvollkommenen halbschematischen Zeichnung (Fig. (3) ersieht man sehr wohl, wie eine zu weit\nFig. 6 Der untere Theil des Wirbelkanales v. Frosch mit dem Plex. ischia-dicus. c der aus dem Schwanzbein hervortretende N. coccygeus. r der von mir beschriebene X. regulator cordis lymph., der sich nach unten zu mit jenem wieder vereinigt.","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"332 v. WITTICH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 6. Cap. Die bewegenden Kr\u00e4fte.\nnach vorn, wie eine vor der Wiedervereinigung des N. coccygeus mit jenem von mir Regulator genannten Stamm gef\u00fchrte Durchschneidung des Coccygeus, wenn sie nur diesen allein trifft, ohne alle Wirkung auf die Nerven sein k\u00f6nnen.\nNach Volkmann\u2019s1 Angabe liegt das Centrum der hintern Lymph-herzen in der Gegend des siebenten R\u00fcckenwirbels; meine eigenen Versuche gestatten es mir nicht mit gleicher Bestimmtheit dasselbe an dieser Stelle zu finden. Ich habe schichtenweise den Wirbelkanal durch Scheerenschnitte abgetragen, und sah oft bereits bei Schnitten in der Gegend des sechsten, aber auch des siebenten, oft sogar erst des achten Wirbels Stillstand des Herzens erfolgen. Versuche, die Herr Cand. med. Spohde auf meine Veranlassung anstellte, lehren zur Gen\u00fcge, dass elektrische wie mechanische Reizung viel weiter nach vorn gelegener Partien die Schlagfolge der Herzen beeinflussen, es scheint mir daher durchaus nicht undenkbar, dass auch mechanische Erregung des R\u00fcckenmarks (Schnitt) zun\u00e4chst durch die Leitung zu demselben den Reiz auf jenes weiter nach hinten gelegene Centrum fortpflanzt, oder durch den Schnitt die nach hinten oder unten fortleitende Partie des R\u00fcckenmarks erregt wird, w\u00e4hrend das Centrum selbst vor dem Schnitte zu liegen kommt, also mit andern Worten die Leitbahnen, nicht das Centrum selbst, erregt werden.\nUnzweifelhaft scheint es mir aber, dass der Stillstand oder die Verz\u00f6gerung der Pulsationen bei unvorsichtiger Isolirung des Nervus coccygeus seinen Grund in der Zerrung oder Zerreissung jenes Ner-venst\u00e4mmchens findet, den wir recht eigentlich als den Regulator der Lymphherzen betrachten k\u00f6nnen.\nEs erkl\u00e4rt sich endlich auch wohl die Verschiedenheit der Angaben \u00fcber den Erfolg der subcutanen Durchschneidung; wurde in\n1 Ranvier a. a. O. S. 29t bestreitet die Constanz jenes Versuches, auf welchen Volkmann seine Ansicht \u00fcber die Lage der Centren st\u00fctzte. Er sah nicht nur, was ich best\u00e4tigen kann, Stillstand der hinteren Herzen bei Zerst\u00f6rung des vorderen Abschnittes der Medulla, ohne dass gleichzeitig die vorderen aufh\u00f6rten zu pulsiren, sondern auch nach g\u00e4nzlicher Zerst\u00f6rung derselben Stillstand des einen und Fortpulsiren des andern. Par cons\u00e9quent, si, dans la plupart des cas, on obtient, dans cette exp\u00e9rience le r\u00e9sultat que Volkmann a annonc\u00e9, il faut bien avouer aussi qu\u2019el se montre des exceptions. \u2014 Les r\u00e9sultats de nos exp\u00e9riences nous montent que les centres d'innervation des coeurs lymphatiques ne se trouvent pas constamment dans le m\u00eame pointe de l\u2019organisme.\nIch glaube nicht, dass man aus der hier mitgetheilten Thatsache, dass die hinteren Lymphherzen Stillstehen, bei vorderer Verletzung des R\u00fcckenmarkes den Schluss ziehen darf, wie es Ranvier zu thun scheint, dass mit einer gewissen Breite auch wohl die Centren der hinteren Herzen weiter nach vorn zu liegen kommen k\u00f6nnen; denn ebenso wie Durchschneidung der Medulla spinalis Decapitation durch Reizung der durchschnittenen Partien, so kann auch hier Reizung des R\u00fcckenmarkes durch Einf\u00fchren eines Stilets in den Kanal Stillstand er-\nzeugen.","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lymphkerzen und deren Abh\u00e4ngigkeit von Nerven.\n333\ndem einen Falle jener feine Nervenzweig bei der subcutanen Durchschneidung stark gezerrt, aber nicht zerrissen, so stand das Herz wohl momentan still, um sich bald schneller bald langsamer wiedei zu erholen; war jenes St\u00e4mmchen gleichzeitig mit dem N. coccygeus durchschnitten, so erfolgte wohl l\u00e4nger dauernder Stillstand ob dieser aber vor\u00fcbergehend oder nicht, wage ich aus diesen \\ ersuchen nicht wohl zu entscheiden. Ich habe selbst von einer Erholung des Herzens nach subcutaner Durchschneidung der Nerven gesprochen, allein es handelte sich hierbei nur um Durchschneidung des N. coccygeus, ob aber jener Nerv, welcher der eigentlich schuldige hier zu sein scheint, mit durchschnitten oder nur gezerrt war, ist schwer zu entscheiden.\nJedenfalls entnehmen wir aus dem Vorhergehenden, dass Zerrung eines Nervenst\u00e4mmchens vor\u00fcbergehenden Stillstand erzeuge, wie aber bereits angegeben, bewirkt auch Reizung der Haut, der Darm-schlingen oder des Blutherzens eine Ver\u00e4nderung (Beschleunigung oder Verz\u00f6gerung der Schlagfolge, desgleichen elektrische Reizung des Cruralnerven. Alle diese reflectorischen Effecte fallen foit, sobald jenes Nerv en st\u00e4mmchen zerschnitten ist. Nie sieht man bei einem diastolisch hiernach stillstehenden Lymphherzen nach irgend einem der angef\u00fchrten Reize eine systolische Function eintreten, und es scheint mir danach mehr als wahrscheinlich, dass diese ungemeine Ver\u00e4nderlichkeit der Herzfunctionen, ihre Abh\u00e4ngigkeit von so mannichfachen Momenten, durch den Nerven bewirkt werde, welcher die Beziehungen des Organs zum reflectorischen Centrum unterh\u00e4lt, die rhytmischen Bewegungen aber in jener Ganglienanh\u00e4ufung ihr Centrum linden, welche Waldeyer 2 in ihrer Nachbarschaft beschrieb.\nt Goltz, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1863. S. 17 u. 497.\n2 Der experimentelle Theil jener ersten Abhandlung Waldeyer\u2019s (Ztscbr. f. rat. Med. NX1.) entspricht so vollkommen den von mir hier aufgef\u00fchrten That-sachcn, dass es nur zu bedauern ist, dass sp\u00e4tere Abhandlungen (ebendas. XXIII.) die Schlussf\u00e4higkeit der Thatsachen geradezu in Frage stellten. . Es will mir scheinen, dass As sich schliesslich nur darum handelt zu entscheiden, ob jene wieder auftretenden Bewegungen (nach der Durchschneidung der Nerven) als Pulsationen aufzufassen seien oder nicht. Ich glaube die graphische Darstellung der Pulsationen vor und nach der Durchschneidung lehrt unzweifelhaft,, dass die oft nach minutenlangem Stillstand wiederkehrenden Bewegungen allerdings vollkommen regelrechte Pulsationen sind, die allerdings bei der leichten Ersch\u00f6pt-barkeit der Herzen nach starkem Blutverlust mitunter wohl ganz ausbleiben, mitunter ungemein schwach wiederkehren. Dass die Asynchronie kein Kriterium abgeben kann, wie es Y\\ aldeyer will, geht daraus hervor, dass selbst die 1 rei-legung der Herzen durch Abtragung der Haut nicht nur olt minutenlangen Stillstand. sondern eine sehr deutlich ausgesprochene Asynchronie bewirkt. Raxvier (a. a. O. S. 290) erw\u00e4hnt auch das asynchronische Pulsiren der 4 Herzen.\nIch weiss sehr wohl, dass die von mir mitgethe\u00fcten Curven keine einzige","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334: y. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 6. Cap. Die bewegenden Kr\u00e4fte.\nIch habe nach der von Ranvier angegebenen Methode eine Reihe von Versuchen angestellt, in welchen die Pulsationen der Herzen aufgezeichnet wurden. Als Zeichenhebel diente ein Marey\u2019-scher Cardiograph, dessen Tambour entfernt war; derselbe war m\u00f6glichst leicht gemacht (durch Abschaben des Rohrs, aus welchem er bestand) und trug nahe seinem St\u00fctzpunkt eine Insectennadel, welche mit ihrem etwas verbreiterten nach unten gekehrten Knopfe auf dem pulsirenden Herzen zu ruhen kam; das Ende des Hebels zeichnete auf einer vor\u00fcbergef\u00fchrten vorher berussten Papierfl\u00e4che.\nAnfangs wurden die Versuche an in der angegebenen Weise seines vorderen Theiles und seiner Eingeweide beraubten Thieren, deren Plex. ischiadicus bis auf den Nervus coccygeus durchschnitten waren, sp\u00e4ter an unversehrten Thieren, die auf einem Brettchen befestigt waren, angestellt, und zwar zun\u00e4chst die Pulsationen bei v\u00f6llig erhaltenem Nerv, coccygeus, dann nach seiner oberen oder unteren Durchtrennung aufgezeichnet.\nNat\u00fcrlich wurde stets erst eine Zeit lang nach Abtragung der Haut \u00fcber den hinteren Herzen gewartet, bis sich erst wieder der regelm\u00e4ssige Pulsschlag eingestellt hatte, der nur zu oft nach jener Manipulation fast vollst\u00e4ndig ausbleibt. Nach Auflegung der als Pelotte fungirenden Nadel tritt \u00fcbrigens meistens auch Stillstand ein, der aber bald wieder von selbst schwindet. Ranvier macht auch auf die Unregelm\u00e4ssigkeiten aufmerksam, welche in Folge des mechanischen Druckes durch den Nadelkopf entstehen (a. a. O. S. 306), von einem vollkommenen Stillstand aber spricht er nicht.\nDie Durchschneidung des N. coccygeus geschah stets, auch bei den Versuchen am anfangs unversehrten Thiere, von der Bauchh\u00f6hle aus, und zwar stets mit scharfer Scheere und ohne Zerrung des Nervenstammes, bald m\u00f6glichst weit nach vorn, bald nach hinten, kurz vor der Vereinigungsstelle beider zu einem unregelm\u00e4ssig gestalteten Complex. N i e oder doch sehr selten stand bei vollkommen exacter Durclischneidung das Herz still, sondern pulsirte gleich oder\naufweisen, bei welcher nach wirksamer Durchschneiclung l\u00e4ngere Zeit dauernder Stillstand erfolgte, von welchem sich das Herz erholte. Meistens dauerte der Stillstand hier nur wenige Minuten. Allein gerade, dass auf Durchschneidung ein vor\u00fcbergehender Stillstand erfolgte, scheint mir daf\u00fcr zu sprechen, dass wir es mit Nerven zu thun haben, welche \u00e4hnlich dem Vagus einen Reiz mit Hemmung einer Function beantworten. Es scheint mir durchaus kein Widerspruch, dass dieselbe Durchschneidung Beschleunigung der Herzth\u00e4tigkeit bewirkt. Wie oft sieht man nicht bei sehr empfindlichen Fr\u00f6schen ziemlich langdauernden Tetanus einer hinteren Extremit\u00e4t nach Durchschneidung der Nerven, w\u00e4hrend im anderen Falle das gel\u00e4hmte Bein augenblicklich regungslos bleibt. Wie viel mag hierbei nicht die Schnelligkeit des Schnittes, die Sch\u00e4rfe des dabei gebrauchten Instrumentes mit wirken.","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lymphherzen und deren Abh\u00e4ngigkeit von Nerven.\n335\ndoch sehr bald danach, wie es die beistehenden Curven zeigen, voll st\u00e4ndig regelgerecht weiter; und zwar ziemlich mit derselben Schnei ligkeit, wie vorher.\nDie nebenstehenden Curven sollen uns zeigen, dass die einfache Durch-schneidung des N. coccygeus insoweit wenigstens ohne Erfolg sei, als sie keinen unmittelbaren oder bleibenden Stillstand erzeuge. Die folgenden sehr viel vollkommneren, die von einem lebenden Thiere gewonnen, lehren nun zwar auch die Unwirksamkeit der Durchschneidung, aber auch, dass dieselbe als ein wirksamer Reiz den Rhytmus zu ver\u00e4ndern vermag.\nAus der Geschwindigkeit und der L\u00e4nge der ganzen Tafel berechnet sich die Schnelligkeit des Rhytmus\nlinkerseits 25,3 in 1 Minute I ,\t,, i t i \u2022 i\n.\t.\t.\t. ,r.\t,\t( vor der Nervendurchschneidung,\nrechterseits 22,6 m 1 Minute |\nnach der Durchschneidung des\na. Vor der Durchsehneidung des N. coccygeus.\nb. Nach der Durchschneidung vorn und nach der Durchschneidung hinten.\nrechterseits 30 in 1 Minute\nNerven hoch oben.\nEs beweist die Zusammenstellung\n1.\tDie Ungleichm\u00e4ssigkeit der Schlagfolge beider Herzen;\n2.\tDie anf\u00e4ngliche Beschleunigung derselben nach der Durch -schneidung des Nervus coccygeus.\nLinbes Herz vor der Durchschneidung des Nerven.\nHechtes Herz vor der Durchschneidung des Nerven.\nHechtes Herz nach der Durchschneidung des Nerven.\nIch kann nicht unerw\u00e4hnt lassen, dass unter der grossen Zahl von Versuchen, die mir zu Gebote stehen, auch solche Vorkommen, in denen Durchschneidung der beiden Nerven, ihre totale Abtragung mit dem benachbarten Bindegewebe absolut keinen Einfluss \u00fcbten; selbst zwei Stunden nachher pulsirten einmal beide Herzen in durch-","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336 v. Wittich. Physiol, cl. Aufsaugung etc. 6. Cap. Die bewegenden Kr\u00e4fte.\naus z\u00e4hlbarer Art aber mit verschiedenem Rhytmus (14\u201413 Schl\u00e4ge in 14 Minute), leider habe ich sie nicht aufzeichnen lassen.\nAuch an Schildkr\u00f6ten (Emys europaea) hat Waldeyer 1 Versuche angestellt. Was derselbe \u00fcber die normale Pulsation sagt, kann ich aus eigener Beobachtung nur best\u00e4tigen. Nach Bioslegung des Herzens vergeht eine lange Zeit, bevor man \u00fcberhaupt eine Pulsation zu sehen bekommt, dann beginnen unter steter Mitbewegung der Beckenmuskulatur vereinzelte Schl\u00e4ge und erst nach l\u00e4ngerer Zeit z\u00e4hlt man wohl 10\u201412 Pulsationen in der Minute. Wie bei den Fr\u00f6schen schlagen sie alternirend, asynchroniseh. Die beiliegenden Aufzeichnungen zeigen ausserdem ihre grosse Unregelm\u00e4ssigkeit.\nDie kleineren intercurrirenden Pulsationen (nach Waldeyer\u2019s Studien etc.) habe ich, obwohl ich sie anfangs auch zuweilen sah, sp\u00e4ter nach Herstellung eines regelrechten Rhytmus nicht ferner beobachtet (vergl. die Curven).\nZur Anstellung einfacher Durchschneidungen der Herznerven eignet sich, wie schon Waldeyer erkannte, die Schildkr\u00f6te wenig. Er zerst\u00f6rte daher das untere R\u00fcckenmark durch Einbohrung einer Nadel. Einmal trat in Folge dessen diastolischer Stillstand ein, das andere Mal pulsirten die Herzen noch bis zum dritten Tage und sistirten erst nach Fortnahme des ganzen Sacral-st\u00fcckes der Wirbels\u00e4ule. Es war vorher in gr\u00fcndlicher Weise der Wirbelkanal ausgebohrt, so dass der Gedanke, dass noch der Centraltheil der Herznerven der Zerst\u00f6rung entgangen sei, nicht wohl aufkommen konnte 5 es scheint mir daher das pl\u00f6tzliche Stillstehen\n1 Waldeyer , Studien des physiol. Institutes zu Breslau 1865. 3. Aufl. S. 71 fi.","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lymphherzen und deren Abh\u00e4ngigkeit von Nerven.\n337\nnach Fortnahme des Knochens kaum anders zu deuten za sein als durch den sehr erheblichen Eingriff, den diese Operation nothwendig mit sich brachte. Waldeyer macht selbst auf das Unsichere und Schwankende dieser Versuche aufmerksam (S. 91) und doch kommt er, gest\u00fctzt auf diese Thatsachen, zu der Annahme, dass die Centren im R\u00fcckenmarke gelegen.\nDie wiederkehrenden oder die persistirenden Herzcontractionen unterscheiden sich nach ihm durch ihre Unregelm\u00e4ssigkeit und ihre geringe Ergiebigkeit. Wir haben gleich anfangs bei der Besprechung der Erscheinung bei Emys europaea davon gesprochen, wie wenig stichhaltig dieser Unterschied sei. Auch das unverletzte Herz pulsirt in fast ebensolcher Unregelm\u00e4ssigkeit, und die gegenteilige Anschauung l\u00e4sst ja auch vom R\u00fcckenmarke aus eine Regulirung der sonst unabh\u00e4ngig von ihm erfolgenden Pulsationen erfolgen. F\u00e4llt diese Regulirung nach der Durchschneidung der Nerven fort, so bewegen sich die Herzen ganz ebenso weiter, wie die Uhr, deren regu-lirendes Pendel man aushakt, sich durch das fallende Gewicht in zwar unregelm\u00e4ssiger und schnellerer Weise fort und fort bewegt. Nur der vom Centrum her erfolgende regulirende Einfluss f\u00e4llt mit der Durchschneidung fort, und f\u00fcr diese Auffassung scheinen mir Waldeyer\u2019s Versuche an Emys europaea zu sprechen \u2014 nicht gegen sie.\nDurchschneidung und Zerst\u00f6rung des R\u00fcckenmarkes haben mir aber die Unabh\u00e4ngigkeit der Herzpulse von demselben bewiesen und mir gezeigt, dass nach Fortfall des R\u00fcckenmarkes der Gang dieser im Gegenteil um vieles regelm\u00e4ssiger und gleichm\u00e4ssiger wurde als vordem. Das linke Herz wurde mit einem Schreibhebel belastet, die Pulse aufgeschrieben, zeichneten sich durch ihre Unregelm\u00e4ssigkeit aus. Fast einer jeden Bewegung des Kopfes oder eines Beines folgte eine Aenderung in der Schnelligkeit. Curve t Nr. 1 giebt ein Beispiel dieser Unregelm\u00e4ssigkeit. Hierauf wurde durch eine Stichs\u00e4ge das R\u00fcckenschild in der Gegend des Wirbelkanals durchs\u00e4gt, die Medulla spinalis durchschnitten und durch einen eingestossenen vielfach hin und hergezogenen Pfriem der untere Theil des R\u00fcckenmarkes zerst\u00f6rt. Der Schnitt war ziemlich in der H\u00f6he des mittleren (dritten) R\u00fcckenschildes gef\u00fchrt, also unzweifelhaft die Herznerven in ihren centralen Anf\u00e4ngen zerst\u00f6rt. In kurzer Zeit erholten sich die anfangs in Unordnung gerathenen Bewegungen und pul sir ten nunmehr mit einer vorher nie dagewesenen Regelm\u00e4ssig-keit, welche jetzt durch Nichts mehr gest\u00f6rt wurde. Ber\u00fchrung des Kopfes, die sonst augenblicklich das Thier be\u00e4ngstigte und eine\nHandbuch der Physiologie. Bd. Va.\t22","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338 y. WiTTicHj Physiol, d. Aufsaugung etc. G. Cap. Lie bewegenden Kr\u00e4fte.\nGeschwindigkeit l\u00fc Cm in 44 Secunden.","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lymphherzen und deren Abh\u00e4ngigkeit von Nerven.\n339\nUnregelm\u00e4ssigkeit der Herzschl\u00e4ge bewirkt, blieb ohne allen Erfolg. Obwohl der Schnitt ziemlich hoch oben gef\u00fchrt war, so wollte ich mich doch vergewissern und zerst\u00f6rte durch den eingef\u00fchrten Pfriem auch den vorderen Abschnitt der Medulla spinalis. Auch jetzt blieb die Schlagfolge in gleicher Regelm\u00e4ssigkeit. Nur schien sie mir ein wenig langsamer zu folgen. Curve Nr. 2 k giebt ein Beispiel nach Zerst\u00f6rung des unteren, Nr. 3 und 4 des oberen Abschnittes des R\u00fcckenmarkes.\nIch glaube demnach, gest\u00fctzt auf Waldeyee\u2019s Beobachtungen, wie auf meine eigenen, f\u00fcr Emys europaea die Unabh\u00e4ngigkeit der Lymphherzen vom R\u00fcckenmarke wohl behaupten zu k\u00f6nnen. Wenn ich auch nicht leugnen kann, dass die Zerst\u00f6rung der Medulla spinalis bei Emys ihre grossen Schwierigkeiten hat, man daher nie ganz sicher ist, sie vollst\u00e4ndig vollf\u00fchrt zu haben. Ich habe eine biegsame Fischbeinsonde so tief in den W irbelkanal eingebohrt, als es irgend ging und konnte doch die Reflexerregbarkeit der hinteren Extremit\u00e4ten nicht vollst\u00e4ndig vernichten. Es bleibt daher immer zweifelhaft, ob auch in jenem oben aufgef\u00fchrten Fall der Tlieil der Medulla ganz vernichtet war, in welchem nach Volkmann das Bewegungscentrum zu vermuthen w\u00e4re. Sehr merkw\u00fcrdig bleibt immer der unzweifelhaft durch das Eintreten regelm\u00e4ssiger Pulsationen nach\nder Durchtrennung der Medulla spinalis angedeutete regulatorische Einfluss des R\u00fcckenmarkes, der sich noch deutlicher in den folgenden Curven ausspricht. Nach der Freilegung der Lymphherzen pul-sirten dieselben so ungemein unregelm\u00e4ssig, dass es kaum zu lohnen schien, eine Aufzeichnung von ihnen zu gewinnen. Nach der Decapitation stellte sich erst nach kurzer Zeit ein regelm\u00e4ssiger Rliyt-mus wieder ein (Curve n) ; ebenso nach Trennung der Medulla spinalis etwa in der H\u00e4lfte (Curve o), w\u00e4hrend nach der Zerst\u00f6rung des unteren Theiles des R\u00fcckenmarkes augenblicklicher Stillstand erfolgte, der sich jedoch diesmal nicht wie in jenem ersten Falle wieder erholte, denn auch damals standen die Herzen unmittelbar nach der Ausbohrung des Wirbelkanals.\nAuch die von Ranvier (a. a. 0. 297) mitgetheilten Versuche an der Aesculapsschlange (Elaphis Aesculapi) scheinen mir mehr f\u00fcr denn gegen die Unabh\u00e4ngigkeit der Lymphherzbewegung vom R\u00fcckenmark zu sprechen.\nW\u00e4hrend die tiefste Aetherisation, wenn man die Herzen (Frosch) nur vor der directen Einwirkung sch\u00fctzt, fast gar keinen Einfluss auf ihre Pulsation zeigt, obwohl die Reflexibilit\u00e4t absolut geschwunden war, ruft die Injection einer mittleren Gabe Nicotins fast augenblick-\n","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 6. Cap. Die bewegenden Kr\u00e4fte.\nlieh systolischen Stillstand hervor, welcher sich erst etwa nach 48 Stunden wieder l\u00f6st; eine minimale Menge Muscarin\u2019s in die Haut gerieben, bewirkt dagegen diastolischen Stillstand, der erst \u00e4usserst langsam durch subcutane Beibringung von Atropin gehoben wird (meistens erst nach 5\u20146 Stunden) und zwar zu einer Zeit, in welcher die Reflexibilit\u00e4t des ganzen Thieres lange vorhanden, das Blutherz sich aus seinem anf\u00e4nglichen Stillstand bereits v\u00f6llig erholt hatte. Ich kann mir diese Thatsacke, die ohne allen oder doch geringen Blutverlust (Freilegung der hinteren Lymphherzen) festzustellen ist, und die in der Erhaltung der allgemeinen Reflexibilit\u00e4t durch das R\u00fcckenmark gipfelt, nach der VoLKMAXx'schen Ansicht nicht wohl erkl\u00e4ren, da das Ausbleiben dieser einen R\u00fcckenmarksfunction, die Innervirung der Lymphherzen zum mindesten doch etwas sehr Auffallendes h\u00e4tte, w\u00e4hrend noch andere leicht zu beobachtende That-sachen es mir unzweifelhaft zu machen scheinen, dass die giftige Wirkung die Lymphherzen selbst oder die sie innervirenden Ganglienzellen traf.\nW\u00e4hrend n\u00e4mlich sonst die rhytmische Bewegung der Lymphherzen nach Abtragung der Hautdecken \u00fcber denselben \u00e4usserst un-regelm\u00e4ssig erfolgt, dieselben, wie bereits erw\u00e4hnt, auch wohl v\u00f6llig asynchronisch pulsiren, l\u00e4ngere Zeit bald einseitig, bald beiderseits aussetzen, dann wieder schneller zu schlagen beginnen, bei der Ber\u00fchrung der Hautdecken, bei der Betupfung der Herzen selbst durch ein Schw\u00e4mmchen oft augenblicklich ihren Rhytmus \u00e4ndern, bald schneller, bald langsamer schlagen, bald vollst\u00e4ndig sistiren, bringen jetzt nach der Ert\u00f6dtung der Herzen durch Muscarin alle diese Eingriffe absolut keinen Effekt hervor, selbst die elektrische Reizung des R\u00fcckenmarkes ist absolut unwirksam. Es w\u00e4re allerdings denkbar, dass dieses Ausbleiben jedes Effektes seinen Grund darin habe, dass die giftige Wirkung sich gerade auf die Muskulatur der Lymphherzen bemerklich mache, aber auffallender Weise zu einer Zeit, in welcher sonst alle Muskeln noch ihre volle Erregbarkeit zeigen. Atropin vor oder nach der Vergiftung durch Muscarin hat absolut keinen Effekt. Erst nach etlichen Stunden, nachdem die willk\u00fcrliche Beweglichkeit des Thieres schon vollst\u00e4ndig hergestellt, das Blutherz bereits lange regelm\u00e4ssig pulsirt, kehren die Lymphherzen zu ihrer rhytmischen Th\u00e4tigkeit wieder zur\u00fcck. Das A erhalten der letzteren ist so vollst\u00e4ndig wie das der Blutherzen, dass man veranlasst wird, bei ihnen wie bei letzteren ein Hemmungscentrum zu statuiren, das hier wie dort, nur viel intensiver, durch das Gift erregt, den Stillstand veranlasst.","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"Die Lymphherzen und deren Abh\u00e4ngigkeit von Nerven.\n341\nDurchschneidet man vor der Muscarin Vergiftung subcutan den nerv\u00f6sen Zusammenhang zwischen Lymphherzen und R\u00fcckenmark (Nervus coccvgeus) einerseits, so steht auf der correspondirenden Seite das eine der hinteren Herzen still, um sich erst nach etlichen Stunden wieder zu erholen. Vergiftet man jetzt, wenn beide wieder pulsiren, mit Muscarin, so stehen beide Herzen nach wenigen Minuten still. Die Wirkung des Giftes (Muscarin) auf die Lymphherzen ist sogar bei Fr\u00f6schen die erste sichtbare unzweifelhafte Wirkung desselben. Zu einer Zeit, in welcher das Thier noch unvergiftet, das Blutherz noch, wenn auch schon schw\u00e4cher und langsamer pulsirt, haben die rhytmischen Functionen dieser bereits aufgeh\u00f6rt, die Umgegend gewinnt, wohl wegen mangelhafter F\u00f6rderung der Lymphe aus den Lymphbahnen zur Vene ein \u00f6demat\u00f6ses Ansehen, die so erfolgende Ausf\u00fcllung jener fast dreieckigen Schenkelgrube zeigt, dass das Herz in Diastole steht, ganz ebenso, wie nach der Einspritzung M\u00fcLLEii\u2019seher Fl\u00fcssigkeit durch die Hautlymphs\u00e4cke in das Herz (Ranvier a. a. O. S. 259).\nHat man nur sehr geringe Dosen des Giftes dem Thiere cutan applicirt, so wirkt es durchaus nicht t\u00f6dtlich ; nach Verlauf von 4\u20145 Stunden erholt sich nicht nur das Blutherz, sondern auch die Lymphherzen beginnen ihre Th\u00e4tigkeit von Neuem und zwar selbst ohne gleichzeitige Application von Atropin. Bei st\u00e4rkeren Gaben, welche die Thiere so weit vergifteten, dass nicht nur Respiration und Circulation vollst\u00e4ndig sistirten, die Thiere in jenen eigenth\u00fcm-lichen Zustand von Flexibilitas cerea verfielen, der f\u00fcr das Muscarin bei Fr\u00f6schen charakteristisch zu sein scheint, habe ich zuweilen nach 24 Stunden das todt geglaubte Thier wieder refiexibel, mit pulsiren-dem Herzen und Lymphherzen gefunden.\nEs scheint mir auch nach diesen Versuchen unzweifelhaft, dass die Bewegungsbedingungen (Centren) im Herzen selbst oder in seiner unmittelbaren N\u00e4he zu finden, der Rhytmus dieser aber vom R\u00fcckenmarke aus beeinflusst werde, dass das Muscarin vor Allem jene ersteren Centren zun\u00e4chst trifft, die ja auch anatomisch der Giftwirkung (von der Haut her oder von den Hautlymphs\u00e4cken) am n\u00e4chsten gelegen sind.\nJedenfalls erfolgt die Aufsaugung von der Haut her, wie nat\u00fcrlich auch bei subcutaner Einspritzung, ausschliesslich durch die Lymphbahnen, und das Gift zeigt demnach zun\u00e4chst seine Wirkung an den muskul\u00f6sen Organen dieser. \\ on ganz besonderem W erthe scheint mir noch die Thatsache, dass nach Abschluss der Circulation durch Muscarin (Stillstand des Herzens) und der wesentlichsten Mo-","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"342 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 6. Cap. Die bewegenden Kr\u00e4fte\ntoren f\u00fcr die Lymphbewegung (die Lymphlierzen) die Aufsaugung des subcutan eingespritzten Atropin erfolgt. Es ist schwer zu sagen, welches in diesem sich jetzt so passiv verhaltenden K\u00f6rper die treibenden oder vielmehr aufsaugenden Kr\u00e4fte sind, wenn man nicht annehmen will, dass wir es mit einer einfachen Imbibition zu thun haben, welche das gel\u00f6ste Antidot von Ort zu Ort durch die ganze Masse des K\u00f6rpers vertheilt, nur scheint mir die Schnelligkeit, mit der dasselbe wirkt, wie der Umstand, dass man dieselbe Beobachtung an kleinen Warmbl\u00fctern machen kann (Ratten, M\u00e4usen), dagegen zu sprechen.1 2 3\nScherhey 2 hat Versuche mit Strychnininjection angestellt, und will gefunden haben, dass w\u00e4hrend der Krampfanf\u00e4lle eine vermehrte Pulsation eintritt (ohne Zahlenangabe). Eine Thatsaehe, die, sehr wohl zugegeben, doch nur beweisen w\u00fcrde, dass bei gesteigerter Reflexibilit\u00e4t auch diese Functionen leichter beeinflusst werden k\u00f6nnen. Wenn schliesslich mit sinkenden Kr\u00e4ften auch die Pulsationen ermatten, ist wohl selbstverst\u00e4ndlich. Mir scheint aus den Versuchen nichts f\u00fcr die Function des R\u00fcckenmarkes den Lymphlierzen gegen\u00fcber zu folgen.\nWas den Bau der Lymphlierzen betrifft, so sind sie im Innern mit einem Endotel ausgekleidet, und durch vielfache faltenartige Vorspr\u00fcnge (Klappen) in besondere H\u00f6hlungen getheilt; die Stellung jener sind so, dass sie nur eine Str\u00f6mung nach der Vene zulassen, auch die feinen siebf\u00f6rmigen Durchbrechungen der Wandung, welche zu den Lymphgef\u00e4ssen f\u00fchren, sind, wie es bereits von E. Weber ' angegeben ist, aller Wahrscheinlichkeit nach mit kleinen halbmondf\u00f6rmigen Klappen nach der Richtung zu den Gef\u00e4ssen versehen, dass auch sie wohl den Eintritt, nicht aber den R\u00fcckfluss gestatten, eine Einrichtung, welche den Mangel aller sonstigen klappenartigen Vorrichtungen in den Lymphbahnen vollst\u00e4ndig ersetzt und der Fortbewegung des Inhaltes die Richtung zu dem Blutgef\u00e4sssystem giebt. Auch darin unterscheidet sich das Lymphsystem der Amphibien von dem der S\u00e4uger, dass es zahlreich in directen Verkehr zu den Venen tritt.\n1\tMerunowicz (Arbeiten cl. physiol. Anstalt zu Leipzig. Jalirg. 1 ST6) macht auf den verst\u00e4rkten Lymphstrom nach Muscarin aufmerksam, der sich wohl unabh\u00e4ngig von der verst\u00e4rkten Darmperistaltik erweist. Vielleicht ist dieser vermehrte Lymphstrom (ob Folge des verhinderten Blutabfluss?) der Grund der Aufsaugung von Atropin.\n2\tScherhey a. a. 0.\n3\tE. Weber. Leber das Lymphherz einer Riesenschlange (Python tigris). Arch, f. Anat. u. Physiol. 1S35. S. 536 tf.","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber clen Druck und die Geschwindigkeit im Lymphstrom.\n343\nDie adspirirende Function der Herzen li\u00e2t E. Weber bei Python tigris erwiesen.\nDie genaueste Schilderung \u00fcber den Bau der Herzen, \u00fcber ihre Muskelschicht, das Verhalten der Nerven zu den einzelnen Muskelfibrillen giebt Ranvier1 2 (a. a. 0.). Innen mit einem Endotel ausgekleidet werden sie von einer nicht continuirlichen, sondern netzf\u00f6rmig sich ausbreitenden Lage quergestreifter meist feiner Muskelb\u00fcndel umgeben, welche ungemein reich an Kernen vielfach mit einander kreuzend (\u00e4hnlich der Muskulatur des Blutherzens) sich in der Faserrichtung, d. h. also in jeder beliebigen verk\u00fcrzen k\u00f6nnen und so eine Pression auf den Inhalt zu \u00fcben verm\u00f6gen. Die Wirkung ist also nicht einfach der eines muscul\u00f6sen Ringes zu vergleichen (einer Verengerung des queren Lumens)\", sondern zeigt auch eine Aei-k\u00fcrzung des Herzens der L\u00e4nge nach, und bedingt somit eben eine allseitige Zusammenpressung, welche nat\u00fcrlich der Richtung der Klappen (welche Ranvier auch im Innern der H\u00f6hlungen beschreibt) entsprechend den Abfluss des Inhaltes gestattet.\nIII. Ueber den Druck und die Geschwindigkeit im\nLymphstrom.\nEr\u00f6ffnet man ein vorsichtig auspr\u00e4parirtes Lymphgef\u00e4ss, so entstr\u00f6mt demselben anfangs schneller dann immer sp\u00e4rlicher ein Tlieil seines Inhaltes, d. h. derselbe befindet sich, so lange das Gef\u00e4ss geschlossen, in einer gewissen Spannung, und diese von einer Reihe von Bedingungen beeinflusst, ist zum Tlieil der letzte Grund der Bewegung. Da zu den bedingenden Einfl\u00fcssen eine Reihe von rein zuf\u00e4lligen oder von der Willk\u00fcr der Beobachtenden abh\u00e4ngigen Momenten geh\u00f6rt, so hat auch die absolute Werthbestimmung im Ganzen nur einen untergeordneten Werth. F\u00fcr die Erkl\u00e4rung der Fortbewegung ist es aber von grossem Interesse, dass der Druck im All* gemeinen zur Peripherie zunimmt, am geringsten ist an der Einm\u00fcndungsstelle des Ductus thoracicus in die Vene. Ludwig und Noll bestimmten den Druck in den Halsgef\u00e4ssen des Hundes zwischen S und IS Mm. einer Sodal\u00f6sung. Nach Weiss schwankte derselbe bei Hunden zwischen 5 und 20 Mm., bei Pferden zwischen 10 und 20 Mm. einer Sodal\u00f6sung ( 1 OSO spec. Gewicht).\nDie Stromgeschwindigkeit hat man aus der Ausflussmenge bei gemessenem Querschnitt in der Zeiteinheit berechnet. Weiss hat\n1\tYgl. auch Waldeyer a. a. 0. XXI.\n2\tSchiff. Ztsclir. f. rat. Med. IX. S. 259 ft. 1S50.","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344 v. AVittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 7. Cap. Physiol, der Aiilz etc.\naber auch mittelst des VoLKMANN\u2019scdien Haematodromometers die Stromgeschwindigkeit in den Halslymphgef\u00e4ssen direct bestimmt. Er fand eine mittlere Geschwindigkeit von 4 Mm. in der Secunde.\nWie bereits erw\u00e4hnt, ist der Druck, unter welchem sich die Lymphe befindet, und die Schnelligkeit, mit welcher sie sich fortbewegt, abh\u00e4ngig von der Lebenskr\u00e4ftigkeit des Individuums, von der Energie seines Blutstromes (steigt der Druck im ven\u00f6sen Theile bei Stauung des ven\u00f6sen Stromes, so steigt auch der Druck und die Ausflussmenge des Lymphsystems, weniger sicher beeinflusst diese die Steigerung des arteriellen Druckes). 1 Unter dem Einfluss der Athmung, wie \u00fcberhaupt jeder Bewegung der K\u00f6rpertheile, activer wie passiver, steigert sich die Ausflussmenge wie der Druck, nicht minder k\u00f6nnen wir durch mechanischen Druck, durch vorsichtiges Streichen solcher Theile, in welchen man durch Umlegen einer Ligatur ein Anstauen der Lymphe bewirkt, die Fortbewegung wesentlich unterst\u00fctzen, d. h. also die Ausflussgeschwindigkeit vermehren.2\nSIEBENTES CAPITEL.\nPhysiologie der Aiilz und einiger anderer Dr\u00fcsen\nohne Ansf\u00fchrungsgang.\nI. Die Milz.\nDen Lymphdr\u00fcsen schliessen sich hinsichtlich ihres anatomischhistologischen Baues die Milz und Thymus an. Nur Avenigen Thie-ren (den Leptocardiern[Amphioxus] und Myxinoiden nach W.M\u00fcller3) scheint die erstere ganz zu fehlen, und so verschieden dieselbe bei verschiedenen Wirbelthieren sich auch hinsichtlich ihrer Gr\u00f6sse \u00b0-e-staltet, so gleichm\u00e4ssig betreffs ihres sehr verwickelten Baues ist sie doch bei allen. Sie werden von einer vom Peritoneum \u00fcberzogenen Kapsel umgeben, welche, wie bei den Lymphdr\u00fcsen vielfach Balken\n1\tPaschutin a. a. 0.\u2014 Chabbas, Arch. f. d. ges. Physiol. XVI. S. 143 ff. 1S78.\n2\tVergleiche hier\u00fcber die Arbeiten des Leipziger physiologischen Institutes. Ludwig, Schweigger-Seidel, Dybkowski. Lesser, Gexersich u. Tomsa a. a. 0.\n3\tAV. M\u00fcller, Milz in Strieker\u2019s Handbuch. S. 251 ff. 1ST 1. \u2014 Derselbe. Leber den feineren Bau der Aiilz. Leipzig u. Heidelberg 1865.","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"Die Milz.\n345\nund B\u00e4lkchen reich an elastischem Bindegewebe in das Innere schickt, und bei Schildkr\u00f6ten, V\u00f6geln und S\u00e4ugern glatte Muskelzellen f\u00fchren, die der L\u00e4nge nach in den Balken sich verbreiten. In diesem Balkennetz liegt die sogenannte Milzpulpa, die als eine graur\u00f6thliche Masse aus dem Querschnitt vorquillt. Mikroskopisch besteht sie meistens aus gr\u00f6sseren und kleineren Protoplasmen, welche den Lymphk\u00f6rperchen (weissen Blutk\u00f6rperchen) gleichen, nur die meistens '2 oder 3 kernigen unterscheiden sich von jenen hinsichtlich ihrer Gr\u00f6sse.\nWie jene zeigen auch sie sehr tr\u00e4ge amoeboide Bewegungen. Ausser diesen lymphoiden Gebilden findet man auch eine betr\u00e4chtliche Zahl farbiger Blutzellen. Fertigt man von erh\u00e4rteten Milzen feine Schnitte, und pinselt dieselben unter Wasser aus, so erh\u00e4lt man fast dasselbe Bild, welches eben so behandelte Lymphdr\u00fcsen zeigen. Ein durch ein feines Maschennetz gebildetes Adenoidgewebe, welches meistens die Blutgef\u00e4sse einscheidet und gew\u00f6hnlich von sehr verschiedener Gestaltung sich zeigt. Die R\u00e4ume dieses Adenoidgewebes (His) sind durchweg mit lymphoiden K\u00f6rperchen erf\u00fcllt.\nDen Follikeln der Lymphdr\u00fcsen entsprechen wohl die Malpighi\u2019-sehen K\u00f6rperchen (Bl\u00e4schen), wie sie bei Menschen, S\u00e4ugethieren und V\u00f6geln 0,3\u20141 Mm. im Durchmesser Vorkommen. Dieselben geh\u00f6ren den Arterienscheiden an, und erscheinen dem unbewaffneten Auge als runde oder l\u00e4nglich rundliche weissgraue K\u00f6rper, die bald ringf\u00f6rmig die Arterie umgeben, bald excentrisch ihr aufsitzen. Ebensowenig, wie die Follikel der Lymphdr\u00fcse, sind sie von einer eignen blasenartigen Membran umschlossen, sie stellen nur eine massigere Entwicklung von Zellen in der adenoiden Umgebung der Arterie dar. Man findet sie demgem\u00e4ss bald kaum oder doch nur microscopisch sichtlich, bald entwickelter, wie ja auch die Follikel der Lympli-dr\u00fcseu, von variabler Gr\u00f6sse und Gestalt erscheinen.\nEine grosse Schwierigkeit bietet das Verh\u00e4ltniss der Blutgef\u00e4sse (Arterien, Capillaren und Venen) zu einander, um so mehr, als die gew\u00f6hnliche Untersuchungsmethode, die Injection, hier grosse Schwierigkeiten zu \u00fcberwinden hat. Die Arterien verzweigen sich in eigen-th\u00fcmlicher Weise, indem sie pl\u00f6tzlich in einen Complex von spitzwinklig zu einander stehenden Reisern \u00fcbergehen, die bereits hinsichtlich ihres Baues durchaus capillaren Character f\u00fchren, und nach Billroth 1 als capillare Arterien unmittelbar in die capillaren Venen \u00fcbergehen.\n1 Billroth. Arch. f. An at. u. Physiol. 1S57. S. 104; Arch. f. pathol. Anat. XX. 3. 410. 52S. 1861; Ebenda XXIII. S. 457. 1S62; Ztschr. f. wissensch. Zool. XL S. 325. 1862. \u2014 Henle. System. Anat. II. S. 558.","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"346 v. WiTTiCH. Physiol, d. Aufsaugung etc. 7. Cap. Physiol, der Milz etc.\nNach Axel Key 1 schaltet sich noch ein reiches Capillarennetz von \u00e4usserster Feinheit zwischen Arterien und capillaren Venen ein. Die Maschen dieses Capillarnetzes f\u00fcllen Lymphk\u00f6rperchen \u00e4hnliche Zellen.\nStieda und W. M\u00fcller geben, gest\u00fctzt auf Injectionsversuche, an, dass die capillaren Arterien nicht direct in die capillaren Venen m\u00fcnden, sondern dass der Uebergang durch ein intermedi\u00e4res Netz vermittelt werde (Intercellularg\u00e4nge der Milzpulpa). Statt des von A. Key beschriebenen Capillarennetzes treten wandungslose Wege, welche sich im Leben das Blut, bei Injectionsversuchen die Masse zwischen den Lymphk\u00f6rperchen bahnt.\nStieda betont vor Allem die Unm\u00f6glichkeit, die Arterien r\u00fcckl\u00e4ufig von den Venen aus zu injiciren, obwohl dies meiner Meinung nach nur f\u00fcr die sehr grossen Hindernisse innerhalb der Milz, keinesfalls aber noth wendig f\u00fcr die Wandungslosigkeit dieser interstitiellen Bahnen spricht. Soviel steht fest, die den Capillaren zu gelegenen Venen sind trotz ihrer grossen D\u00fcnnwandigkeit von grosser Weite, entbehren aber jeder klappenartigen Einrichtung. Fertigt man von m\u00f6glichst gut injicirten Milzen feine Querschnitte, so trifft man nicht selten Partien, die fast durchweg aus grossen d\u00fcnnwandigen Venenquerschnitten, von einander durch cytoides Gewebe getrennt, bestehen. F\u00e4rbt man die Pr\u00e4parate mit Carminammoniak, so sind alle Kerne der in den zwischenliegenden Spalten eingebetteten K\u00f6rper gef\u00e4rbt, desgleichen die in das Innere der Vene hineinragenden Endotelkerne.\nNicht weniger unklar wie das Verh\u00e4ltnis der Blutgef\u00e4sse innerhalb der Milz, ist auch das Verhalten der Lymphbahnen derselben. Die Anf\u00e4nge derselben sind unzweifelhaft im Innern der Dr\u00fcse zu suchen. Das reticul\u00e4re adenoide Gewebe (und zu letzterem rechnen wir auch die netzf\u00f6rmigen Scheiden der Arterien, wie deren Anh\u00e4ufung in den MALPiam\u2019schen K\u00f6rperchen) ist es, welches zun\u00e4chst das Material aus den Arterien erh\u00e4lt und hier in dem schwammigen Gewebe stauend das Bildungsmittel f\u00fcr die Fortentwicklung der Formelemente bietet. Die \u00e4usserst tr\u00e4ge Fortbewegung erfolgt, theilweis unter dem Drucke des Blutes, theilweis durch die Contraction der Milzbalkenmuskulatur, nat\u00fcrlich in der Richtung von der Milz zu den ausf\u00fchrenden Lymphgef\u00e4ssen.\nMir scheint darin der wichtigste Unterschied zwischen Milz und Lymphdr\u00fcsen zu bestehen, dass, \u00e4hnlich den Verh\u00e4ltnissen in dem Adenoidgewebe der Darmschleimhaut, sowohl die oberfl\u00e4chlichen\n1 A. Key, Arch. f. pathol. Anat. XXL S. 568. 1861. \u2014 Schweigger - Seidel. Ebenda XXIII. S. 526. 1862. XXVII. S. 466. 1863.","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"Die Milz.\n347\ndicht unter der Kapsel verlaufenden, als die mit den Gef\u00e4ssen vom Hilus aus die Milz verlassenden Lymphgef\u00e4sse nur als asa effe-rentia zu deuten sind5 dass hier wie doit kein \"\\ as affeiens die Lymphe zuf\u00fchrt, dass diese vielmehr lediglich als ein Filtrat des Blutes in ihr selbst sich bildet. Hierzu kommt noch, dass von vielen Seiten jene oberfl\u00e4chlichen Lymphgef\u00e4sse ganz in Abrede gestellt werden. Hexle nimmt offenbar ebenfalls ein derartiges \\ er-h\u00e4ltniss an, wenn er (S. 560. Theil II) sagt: Der Abfluss dei in allen diesen R\u00e4umen gebildeten Lymphe erfolgt auf zwei Wegen, die sich vielfach combiniren: \u201edurch die arteriellen Gef\u00e4ssscheiden nach dem Hilus und durch die Milzbalken nach der PeripherieL (oberfl\u00e4chliche Lymphgef\u00e4sse).\nIm Ganzen sind die von der Milz ausgehenden Lymphgef\u00e4sse sehr sp\u00e4rlich und von geringem Kaliber. K\u00f6lliker 1 sah bei der Kalbsmilz nur 4 Stamm eben von einem Gesammtdurchmesser von o,3s Mm. hervortreten. Zahlreicher sind die oberfl\u00e4chlich unter oder in der Kapsel gelegenen, obwohl ich mich bei der Kalbsmilz nicht davon \u00fcberzeugen konnte, dass sie nach der Oberfl\u00e4che zu m\u00fcnden.\nEs gl\u00fcckt leicht, diese Kapsellymphgef\u00e4sse durch Injection von der Arterie aus deutlich zu machen. Arbeitet man unter hohem Druck, so f\u00fcllen sich die vielfach schl\u00e4ngelnden Lymphgef\u00e4sse, und zwar, wie es mir oft schien, bei Anwendung von Berliner Blau, mit viel weniger, oft gar nicht gef\u00e4rbter Fl\u00fcssigkeit als man in die Arterie injicirte. Xie aber sieht man die Fl\u00fcssigkeit an der Oberfl\u00e4che frei heraustreten, vielmehr hat es den Anschein, als ob die Lymphgef\u00e4sse in der Tiefe der Milz verschwinden. K\u00f6lliker und Tom SA2 lassen auch die Vasa superfleialia zum Theil wenigstens nach Innen gehen und sich in die Vasa profunda ergiessen. Teich-maxx 3 l\u00e4sst die nach Innen gehenden oberfl\u00e4chlichen Lymphgef\u00e4sse direct zum Hilus treten, ohne unterwegs mit den tiefem zu commu-niciren. Leber die genaueren Verh\u00e4ltnisse der Lymphgef\u00e4sse zu der Milzpulpa wissen wir bisher sehr wenig. Tomsa giebt an, dass bei der Pferdemilz die Lymphr\u00e4ume der Balken und Arterienscheiden mit den oberfl\u00e4chlichen wie mit den tiefen Lymphgef\u00e4ssen coinmu-niciren. Diese Lymphr\u00e4ume bilden ein zartes Ketz wandungsloser G\u00e4nge, welche das ganze Gewebe der Milz durchzieht und mit Lymphk\u00f6rpern erf\u00fcllt ist. Diese Darstellung hat im Ganzen viel\n1\tK\u00f6lliker. Handbuch der Gewebelehre 1S6T. S. 463.\n2\tDerselbe a. a. 0. S. 463. \u2014 Tomsa. Sitzgsber. d. Wiener Acad. 2. Abth. XLY1\u00cfI. 1863.\n3\tTeich\u00fcann, Das Saugadersystem vom anatom. Standpunkt. Leipzig 1S61.","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348 v. AVittich. Physiol, d. Aufsaugung etc. 7. Cap. Physiol, der Milz etc.\nf\u00fcr sich, zumal sie, wenn auch viel complicirter, vollst\u00e4ndig jenen Verh\u00e4ltnissen entspricht, welche wir bei der Schilderung der ersten Anf\u00e4nge der Lymph- und Chyluswege gaben. Mit der Annahme, dass die Milz nur ausf\u00fchrende Lymphgef\u00e4sse f\u00fchre, die Lymphe selbst aber von ihr ausgeschieden werde, steht auch eine Thatsache sehr wohl im Einkl\u00e4nge, die mir sehr oft zur Beobachtung kam.\nSchon fr\u00fcher wurde erw\u00e4hnt, dass es sehr wohl gelingt, das ganze oder doch gr\u00f6sstentheils das ganze Lymphgefasssystem von der Lunge aus bei lebenden wie frisch get\u00f6dteten Thieren mit indig-schwefelsaurem Natron zu injiciren.1 2 Am leichtesten f\u00fcllen sich die Lymphbahnen der Lungen, der Leber, Nieren, der Geschlechtsorgane, der Knochen, und wenn es auch nicht gl\u00fcckt, jedesmal alle Organe gleichzeitig und gleich vollkommen zu injiciren, so sind doch stets bald diese bald jene erf\u00fcllt. Bei einer grossen Zahl von Versuchen, die ich in dieser Richtung angestellt habe, ist es mir aber nicht ein einziges Mal gegl\u00fcckt, die Lymphgef\u00e4sse der Milz und der Schleimhaut des Darmes zu erf\u00fcllen. Die Erkl\u00e4rung hierf\u00fcr liegt, so scheint es, darin, dass das ganze System der Milz mit ihren Lymphgef\u00e4ssen gewissermaassen eine Divertikelbildung darstellt, welche sich nicht wohl mit vor\u00fcberstr\u00f6mender gef\u00e4rbter Fl\u00fcssigkeit erf\u00fcllen kann, die sich ja nur r\u00fcckl\u00e4ufig in die Lymphgef\u00e4sse und das Parenchym der Milz vertheilen k\u00f6nnte, hierbei aber den Widerstand der sich vorlegenden Klappen kaum zu \u00fcberwinden im Stande sein d\u00fcrfte.\nUebersehen wir noch einmal kurz den Bau der Milz, so besteht sie, wie alle Lymphdr\u00fcsen, aus einem Balkennetz, welches zum Theil von den nach Innen gehenden Fortsetzungen der Kapsel gebildet wird. In derselben verlaufen die gr\u00f6sseren Gef\u00e4sse (Arterien), auch geben sie die St\u00fctzpunkte f\u00fcr das feinere Netzwerk der Arterienscheiden (MALPiGHi\u2019schen K\u00f6rper) und f\u00fcr jenes intermedi\u00e4re Maschennetz, welches als die wandungslosen Bahnen zwischen Arterien und Venen verlaufen sollen. Aus den gr\u00f6sseren scharf begrenzten Venen (Capillaren) sammeln sich die ausf\u00fchrenden Venenst\u00e4mme. Es darf hierbei nicht unerw\u00e4hnt bleiben, dass dem Knochenmark, dem man eine gleiche Function wie der Milz zuschreibt, eine grosse Aehnlichkeit in der Structur zukommt. Wie hier in der Milz gehen auch im Knochenmarke, nach Hover\u2019s - Angaben, die Arterien zun\u00e4chst in ein wandungsloses Bett \u00fcber, aus welchem erst die \\ enen\n1\tv. Wittich, Mittheil, aus dem K\u00f6nigsberger physiol. Laborator. 1878. S. 1 tt.\n2\tHoyer, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1869. S. 244 u. 257.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"Die Milz.\n349\nihren Ursprung* nehmen; wie hier ist dieses nicht als ein einfaches H\u00f6hlensystem zu betrachten, sondern wird zun\u00e4chst durch ein feines Maschennetz adenoiden Gewebes erf\u00fcllt, in dessen Maschen sich die beweglichen Elemente eingebettet linden. Uebt man auf den Querschnitt einer frischen Milz einen leichten seitlichen Druck aus, so quillt eine weissr\u00f6thliche Masse hervor (Milzpulpa), welche sich bequem mit einem Objectglase auffangen und microscopisch untersuchen l\u00e4sst.\nNeumann schl\u00e4gt vor, den Milzsaft in einer Pipette aufzusaugen und ihn dann auf ein Objectglas zu \u00fcbertragen. Die Masse besteht aus kleineren und gr\u00f6sseren Protoplasmen und farbigen Blutzellen. Wie weit man berechtigt ist, alle drei Formen in denselben R\u00e4umen zu vermuthen, d. h. ob die Blutgef\u00e4sse sich wirklich in grosse wandungslose , den Lymph - und Blutgef\u00e4ssen gemeinsame R\u00e4ume auf-l\u00fcsen, wage ich nicht zu entscheiden, obwohl mir doch manches gegen eine solche Gemeinsamkeit zu sprechen scheint. Ein vorz\u00fcgliches Mittel, um Milzen in einen schnittf\u00e4higen Zustand zu versetzen, ist eine L\u00f6sung von Jod-Jodkaliuni; dasselbe hat noch den Vorzug vor vielen andern Conservirungsmitteln, dass es die farbigen Blutk\u00f6rperchen st\u00e4rker ziegelroth f\u00e4rbt, w\u00e4hrend das Parenchym nach einigen Tagen vollst\u00e4ndig farblos wird. Legt man die Milz eines kleinen S\u00e4ugethieres, nachdem sie einige Zeit in jener L\u00f6sung verweilte, in Alkohol, so wird sie vollkommen schnittf\u00e4hig und zeigt noch die Farbe der wohl erhaltenen Blutk\u00f6rperchen. Dieselben liegen nie vereinzelt durch farblose Zellen von einander getrennt, sondern dicht bei einander, wie es scheint, in bestimmten pr\u00e4formirten Bahnen, so dass es vollst\u00e4ndig den Anschein hat, als habe man es mit durchaus von jenen lymphoiden Gebilden gesonderten Wegen zu thun, in welchen die Blutk\u00f6rperchen sich vorfinden. Die beistehende Abbildung (Fig. 7) giebt einen Querschnitt der Milz einer Ratte bei sehr geringer Yergr\u00f6sserung. Die dunkeln Partien in derselben l\u00f6sen sich bei st\u00e4rkerer Yergr\u00f6sserung durchweg in ein System blutf\u00fchrender Kan\u00e4le auf, w\u00e4hrend die helleren unregelm\u00e4ssig gestalteten zum grossen Theile Arterienscheiden darstellen oder doch aus adenoidem Gewebe bestehen, welches mit Lymphk\u00f6rperchen erf\u00fcllt ist. Fig. 8 giebt bei etwas st\u00e4rkerer Yergr\u00f6sserung zwei derartiger Scheiden;\n.\u00abf .........\n.f:\n% W \" h\n\u25a03?\n_\n\n\nFis","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350 v. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 7. Cap. Physiol, der Milz etc.\nin der Mitte deren einer ein Arterienquerschnitt sich befindet. Zwischen beiden die mit rothem Blut gef\u00fcllten Gef\u00e4sse der rothen Pulpa.\nBetreffs der weissgrauen Parenchym-stellen in der Milz vieler Thiere m\u00f6chte\nich micl1 Sanz tler\n\u25a0 vvon Schweig u er -\nSeidel vertretenen\nAnschauung an-\n'y schliessen, der die-U\tselben vollst\u00e4ndig\nder adenoiden Ge-f\u00e4ssscheide gleich-\no\nstellt, und sie wie\nFig. s\nalle Lymphfollikel bald st\u00e4rker bald schw\u00e4cher hervortreten l\u00e4sst. 1 Von Bedeutung w\u00e4re ferner noch die relativ ungemein m\u00e4chtige Ge-f\u00e4ssnmskulatur der Arterien. Allerdings ist das Milzvenenblut reicher an farblosen, den Milzparenchymzellen gleichenden Gebilden (K\u00f6lliker und Funke), allein einer Diapedesis stellen die etwa vorhandenen zarten Venenwandungen kein Hinderniss in den Weg, um so weniger, als ja auch von manchen Seiten eine siebf\u00f6rmig durchl\u00f6cherte Venenwandung angegeben wird.2\nUeber den genetischen Zusammenhang zwischen den farblosen und farbigen Zellen der Milz, \u00fcber das Hervorgehen der letzteren aus jenen ersteren hat bereits Rollett in dem Capitel \u00fcber die Entwickelung und Neubildung der Blutk\u00f6rperchen gehandelt (Bd. IV. Abth. 1. S. 80 ff.). Es scheint fast, dass nach der Mehrzahl der neueren Autoren ein derartiger genetischer Zusammenhang \u00fcberhaupt nicht bestehe, die farbigen Blutk\u00f6rperchen nie aus den farblosen sich herausbilden, Uebergangsstufen zwischen beiden sich nicht linden, die farbigen stets als solche entstehen, und zwar in gleicher Weise in der Milz, wie in dem ihr vollst\u00e4ndig gleich stehenden Knochenmarke. Ist diese Auffassung die richtige, so hat die Anh\u00e4ufung von Lymphk\u00f6rperchen im Milzvenenblut mit der Regeneration des Blutes nichts zu thun, und es fragt sich nunmehr, welche physiologische Bedeutung ist den farblosen Protoplasmen zuzuschreiben?\nDie chemische Untersuchung 3 hat uns in der Milz eine Menge\n1 Schweigger- Seidel, Arch. f. pathol. Anat. XXIII. S. 568. IS02. XXVII.\nS. 500. 1863.\t2 K\u00f6lliker, Gewebelehre. S. 438. I860.\n3 v. Gorup-Besanez, Physiol. Chemie. S. 724. 1874.","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"Die Milz.\n351\nSubstanzen kennen gelehrt, die wir wohl als Producte des Stoffwechsels zu betrachten berechtigt sind. Wir finden in ihr einen stark eisenhaltigen Eiweissstoff, Harns\u00e4ure, Hypoxantin, Xanthin, Leucin, Tyrosin, ferner fl\u00fcchtige Fetts\u00e4uren (Ameisens\u00e4ure, Butters\u00e4ure, Essigs\u00e4ure), Milchs\u00e4ure, Bernsteins\u00e4ure, Inosit, Scyllit, Cholesterin. Sind wir nun wohl berechtigt, aus dieser Menge von Stoff-wechselproducten einen R\u00fcckschluss auf ihre physiologische Wichtigkeit, auf die Lebhaftigkeit des Stoffumsatzes zu machen? Man erz\u00e4hlt sich, dass man ehemals den L\u00e4ufern die Milz ausschnitt, um ihnen die Unannehmlichkeit der Milzstiche bei schneller Bewegung nach genossener Mahlzeit zu ersparen. Ich weiss nicht, wie viel an dieser Sage wahr ist; so viel aber steht fest, dass man experimentell bei Thieren die Milz ausrottete, ohne dadurch eine Lebensgefahr zu bewirken (Sohindeler, Mosler), und zwar scheint es, dass nach der Exstirpation wie nach k\u00fcnstlicher Atrophie die \u00fcbrigen lymphatischen Organe, vor Allem das Knochenmark ihre Rolle \u00fcbernimmt. Das einzige sichere Symptom nach der Exstirpation der Milz scheint nach Schindeler\u2019s 1 Angabe eine gr\u00f6ssere Geh\u00e4ssigkeit der Versuchsthiere und ein schnellerer Verfall nach nicht vollst\u00e4ndig entsprechender Nahrung zu sein. Eine Erscheinung, welche wohl auf eine mangelhafte Zufuhr von Ern\u00e4hrungsstoffen zur\u00fcckzuf\u00fchren sein d\u00fcrfte. Danach ist der Schluss wohl berechtigt, dass die Milz nicht die Wichtigkeit beanspruche, welche ihr nach dem vermutheten regen Stoffwechsel wohl erschlossen werden konnte, und es fragt sich, ob man nicht die Menge jener Auswurfstoffe darauf zur\u00fcckf\u00fchren kann, dass sie zum Theil mit dem Blute zugef\u00fchrt bei der Tr\u00e4gheit der Bewegung desselben innerhalb des Milzparenchyms Gelegenheit finden, sich hier zu deponiren. Die als Blutk\u00f6rperchen haltende Zellen beschriebenen1 2, die man ehemals als die Brut- oder Bildungsst\u00e4tten der farbigen Blutk\u00f6rperchen, jetzt aber doch wohl nur als Conglomerate ausser Th\u00e4tigkeit gesetzter Blutk\u00f6rperchen betrachtet, die man zuweilen bei ganz gesunden Individuen in stau-nenswerther Menge vorfindet, bei andern vollst\u00e4ndig vermisst, sprechen allerdings daf\u00fcr, dass die Milz der Ort sei, wo sehr viele dieser Gebilde zu Grunde gehen, ihr g\u00e4nzliches Fehlen aber, wie die Neigung der Milz zur pathologischen Pigmententwicklung, deutet doch wohl darauf hin, dass man auch jene in gewissem Sinne als pathologische Ansammlungen aufzufassen hat, um so mehr, als die\n1\tSchindeler. Beitr\u00e4ge zur Kenntniss der Ver\u00e4nderungen des thierischen Organismus nach Milzexstirpation. Dissert. Greifswald 1870.\n2\tK\u00f6lliker a. a. O. S. 452.","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"v. WiTTicH. Physiol, d. Aufsaugung etc. 7. Cap. Physiol, der Milz etc.\n352\nZartheit des Gewebes, welches die Milz aufbaut, so wie die grosse Neigung derselben zu Blutstauungen, wohl die causalen Momente f\u00fcr eine capillare Extravasation abgeben k\u00f6nnen.\nFast scheint es denkbar, dass der Vernichtung vieler H\u00e4matoglobu-lin haltender K\u00f6rperchen die Ansammlung jenes eisenhaltigen Eiweiss bedingt, auf welche von verschiedenen Seiten Gewicht gelegt wird.\nEs ist unzweifelhaft, dass die Milz etwas mit der Blutbildung zu thun hat, entweder den Untergang verbrauchter Blutzellen zu bewirken oder die Neubildung zu besorgen, f\u00fcr beide Auffassungen sprechen eine Reihe von Thatsachen. Der oft microscopische Nachweis von Conglomeraten farbiger Blutk\u00f6rperchen, die Ansammlung von Pigment, die Ansammlung sogenannter Stoffwechselproduete einerseits, andererseits die Menge farbloser wie farbiger noch Kerne f\u00fchrender (also in der Entwicklung begriffener) Zellen.\nEs ist nat\u00fcrlich sehr wohl denkbar, dass beide Processe neben einander hergehen k\u00f6nnen. Kusnezoff 1 beobachtete, dass grosse kernhaltige Protoplasmen auf dem heizbaren Objecttisch amoeboide Bewegungen zeigten und farbige Blutk\u00f6rperchen in sich aufzunehmen im Stande sind; es ist nicht undenkbar, dass die sich in der Milz vorfindenden Blutk\u00f6rperchen haltenden Zellen hierin ihre Entstehung verdanken. Ausser dieser die Blutbildung betreffenden Function hat Schiff 2 ihr noch eine eigenth\u00fcmliche Beziehung zur Magen- und Pankreasverdauung beigelegt. Die zur Verdauung nothwendige Ladung des letzteren erfolge durch Vermittlung der Milz, dieselbe falle nicht nur zeitlich mit der periodischen Anschwellung der Milz nach der Nahrungsaufnahme zusammen, sondern es beeintr\u00e4chtige auch die Ausrottung oder Verk\u00fcmmerung der Milz die verdauende Kraft des Pankreas. Eine Best\u00e4tigung haben diese Angaben Schiff\u2019s nicht gefunden.1 2 3\nAuf die periodische Anschwellung der Milz wird bereits von Sch\u00f6nfeld4 aufmerksam gemacht, dieselbe aber mit der Blutk\u00f6rperchenbildung in Beziehung gebracht.\nDie eigenth\u00fcmliche Gef\u00e4ssverbreitung in der Milz macht es erkl\u00e4rlich, dass je nach der Leichtigkeit, mit der das Blut von ihr Abfluss findet oder eine gewisse Stauung erf\u00e4hrt, das Volum der-\n1\tKusnezoff. Sitzgsber. d. Wiener Acad. 3. Abth. LXVII. S. \u00f6S. 1ST3.\n2\tSchiff, Schweizer Ztschr. f. Heilkunde. I. S. 209 u. 397. 1S62.\n3\tHeidenhain sah bei entmilzten Hunden nie eine Unwirksamkeit des pankreat. Saftes eintreten (Hermann\u2019s Physiol. V. S. 206); ebensowenig Schindeler u. Ewald, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1S7S. S. 573. Best\u00e4tigende Angaben macht Herzen. Mole-schott\u2019s Unters. XII. S. 76. 1S7S.\n4\tSch\u00f6nfeld, Funke\u2019s Lehrbuch I. S. 270.","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"Die Milz.\nO ~ O\nODO\nselben f\u00e4llt und steigt, w\u00e4hrend andererseits die Contractilit\u00e4t der Kapsel und Balken unter \u00fcbrigens normalen Verh\u00e4ltnissen sehr bald wieder einen Ausgleich zu bewirken im Stande sein d\u00fcrfte. Die durch die Contractilit\u00e4t bewirkte Gestaltver\u00e4nderung hat man an Hunden, Katzen, Kaninchen experimentell gepr\u00fcft.\nTarchanoff sah bei Hunden nicht nur auf directe Reizung der Milz, wie auch bei Erregung der Medulla oblongata starke Contraction jener auftreten, er konnte auch reflectorisch durch centri-petale Erregung des Vagus wie des N. ischiadicus eine Verkleinerung derselben bewirken. Er sah endlich nach Durchschneidung aller zur Milz tretenden Nerven eine erhebliche Vergr\u00f6sserung derselben, die nach seinen Angaben mit einer nachweislichen Leuk\u00e4mie verbunden war. Die Methode, die er zur Bestimmung der farblosen Blutzellen im Milzvenenblut in Anwendung brachte, ist keine vorwurfsfreie, und offen gestanden ist es auch wohl verst\u00e4ndlich, dass nach dieser Durchschneidung (durch L\u00e4hmung der Vasoconstrictoren oder durch Reizung der Dilatatoren) eine gr\u00f6ssere Blutf\u00fclle, und deshalb Vergr\u00f6sserung des so weichen und nachgiebigen Organes eintrete, wie aber aus ihr eine Hyperplasie (Vermehrung der Lympli-k\u00f6rperchen) resultiren solle, ist schwer verst\u00e4ndlich.\nNach Setschenoff und Sabinsky\u2019s 1 Beobachtungen contrahirt sich die Milz auch bei Erstickung wohl durch Reizung der Medulla oblongata.\nAuch beim Menschen hat man (durch die Percussion nachweisbar) die Milz zum schrumpfen gebracht durch Faradisirung (Botkin), durch Application von K\u00e4lte (Mosler) wie durch die medicament\u00f6se Wirkung von Chinin und Eucalyptus globulus. 1 2\nEbenso erkl\u00e4rt sich wohl auch die pathologische Anschwellung wie die pathologische Verkleinerung sehr wohl aus den anatomischen Verh\u00e4ltnissen, oder aus der specifischen Wirkung einer krankmachenden Sch\u00e4dlichkeit auf die contractilen Elemente der Balken und Kapsel. Nicht nur Stauungen durch Erkrankung der Nachbarorgane bewirken einen Milztumor, sondern auch die L\u00e4hmung der Eigenmuskulatur der Milz bedingt eine mangelhafte Abfuhr des in ihr gestauten Blutes.\n1\tCitirt von Botkin, Contractilit\u00e4t der Milz u. s. w. Frankfurt a. M. 1874. \u2014 Oehl, Della innervatione motoria del pneumogastrico sugli organi abdominal. Gaz. med. ital. Lombard 1868. No. 9. \u2014 Bulgak, Ueber die Contraction und Innervation der Milz. Arch. f. pathol. Anat. LXIX. S. 181.\n2\tTarchanoff, Arch. f. d. ges. Physiol. A III. S. 97 ff. 1874.\nHandbuch der Physiologie. Bd. Y a\n23","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354 v. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 7. Cap. Physiol, der Milz etc.\nII. Die Thymusdr\u00fcse.\nWie die Milz, so z\u00e4hlt man auch die Thymusdr\u00fcse zu den Lymphdr\u00fcsen. Sie kommt, wie es scheint, allen Wirbelthierclassen zu.1 2 3 Ihren histologischen Bau betreffend linden wir im Wesentlichen die gleichen Elemente, wie in diesen. Von einer locker ihr anliegenden Kapsel umgeben zerf\u00e4llt sie in Lappen und L\u00e4ppchen, welche schliesslich mit den sogenannten Acinis endigen, welche in ihrer Gestaltung vollst\u00e4ndig den Follikeln des Darmes (PEYER\u2019sche Plaques) gleichen. Wie diese bestehen sie aus einem sehr zarten Adenoidgewebe, in welches hinein sich meistens nicht sehr engmaschige Capillaren begeben, und dessen Maschen mit Lymphzellen erf\u00fcllt sind. Ausserdem findet man unter letzteren auch gr\u00f6ssere meist undurchsichtige K\u00f6rnchenhaufen, wie die von Hassall beschriebenen concentrischen K\u00f6rperchen. Die letzteren, welche nach Hassall\u2019s Angaben nach der Keife der Dr\u00fcse, also w\u00e4hrend der Involution, am reichlichsten Vorkommen, sind sicherlich wohl als Gebilde einer regressiven Entwickelung aufzufassen. K\u00f6lliker und Jexdrassik vergleichen sie mit \u00e4hnlichen concentrischen Gebilden, wie sie in der Prostata zur Beobachtung kommen; nach Friedleben - sind es verk\u00fcmmerte Acini; nach His und Ecker ; lassen sie sich in glatte Zellen zerlegen. Die \u00e4ltere Ansicht, welche die 1 ollikel als hohle Bl\u00e4schen angiebt, ist wohl vollst\u00e4ndig aufgegeben, seitdem Jexdrassik4 5 sie als mit Lymphk\u00f6rperchen erf\u00fcllte Follikel, und His 0 iure Zusammensetzung aus adenoidem Gewebe kennen lehrte. Einen Grund f\u00fcr diese irrth\u00fcmliche Angabe bietet vielleicht der Umstand, dass die Dr\u00fcse einer Involution unterworfen, wohl in verschiedenen Entwickelungsstadien zur Beobachtung kam. Diese physiologische Involution besteht nach His\u2019s Angaben in einer allm\u00e4hlichen Ver\u00f6dung des Dr\u00fcsengewebes durch Fettablagerung, welche von der Oberfl\u00e4che aus der Mitte zu vorschreitet und meistens in den Septen seinen Weg nimmt.6 7\nDas Vorhandensein eines gemeinsamen centralen Ganges, wie er ehedem angenommen wurde, wird von Jexdrassik, Friedleben und Klein\u201d ganz in Abrede gestellt. Wo derselbe sich wenigstens\n1\tEcker, R. Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. IV. S. 114\u2014117. \u2014 Friedleben S. 114.\n2\tFriedleben, Die Physiologie der Thymusdr\u00fcse. Frankfurt a. M. 185S.\n3\tHis a. a. 0. \u2014 Ecker, Wagner\u2019s Handw\u00f6rterb. d. Physiol. IV. S. 116. 1833.\n4\tJendrassik, Sitzgsber. d. Wiener Acad. 1856,\n5\tHis, Ztschr. f. wissensch. Zool. X. S. 333ff. i860.\n6\tFriedleben a. a. 0.\n7\tK\u00f6lliker a. a. 0. S. 4S3.","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"Die Thymusdr\u00fcse, Schilddr\u00fcse und die Nebennieren.\n3 5 5\ntheilweis entwickelt zeigt, scheint er mir zu den central verlaufenden Lymphgef\u00e4ssen zu geh\u00f6ren, deren D\u00fcnnwandigkeit ja sehr wohl das Zustandekommen von divertikelartigen Ausbuchtungen erkl\u00e4rt, wie man sie zuweilen findet.\nVon Friedleben1 sind dar\u00fcber Versuche angestellt worden, welchen Einfluss auf den Stoffwechsel die totale oder partielle Fort-nahme der Druse aus\u00fcbt. Auch hier hatte die chemische Untersuchung des Parenchyms uns eine Menge von Stoffwechselproducten kennen gelehrt, die alle auf einen nicht unerheblichen Stoffwechsel hindeuteten.\nGleichwohl hat die experimentelle Pr\u00fcfung wenig positive Re-sultate ergeben.\nWenn wir von der \u00e4lteren Ansicht absehen, welche in der Thymus ein Organ sah, welches bestimmte Beziehungen zur Athmung an den Tag legte, so erscheint uns dieselbe nach der zuerst von Hewson2 ausgesprochenen, durch His und Jendrassik best\u00e4tigten Angabe als ein Organ, in welchem jene farblosen Zellen ihre Bildung und Entwicklung finden, welche gewissermaassen die Grundlage bilden f\u00fcr die morphologischen Bestandtheile des Blutes. Diese Rolle, welche die Dr\u00fcse w\u00e4hrend des embryonalen Lebens in hervorragender Weise spielte, verliert ihre Bedeutung mit der Vollendung des Wachsthums.\nBis zum dritten Jahre steigt das absolute Gewicht der Dr\u00fcse und bleibt so etwa bis zum 14. Jahre.\nSelbst unter durchaus physiologischen Bedingungen scheint sich das Volum der Dr\u00fcse zu \u00e4ndern, so soll (Gulliver) sie nach starker Bewegung schrumpfen, w\u00e4hrend der Ruhe aber bei ausreichender Nahrung; an Gr\u00f6sse zunehmen, in acuten und chronischen Erkran-kungen der verschiedensten Art an LTnfang und Gewicht abnehmen4, ganz ebenso wie sonst die Lymphdr\u00fcsen des K\u00f6rpers.\nIII. Die Schilddr\u00fcse und die Nebennieren.\nNoch weniger, als \u00fcber Milz- und Thymusdr\u00fcse und deren physiologische Function wissen wir von der Bedeutung der Schilddr\u00fcse\n1\n2 3\nGranen\n4\nFriedleben a. a. 0. \u2014 v. Gorub-Besanez a. a. 0. S. 734.\nHewson, Experimental inquiries III. p. 128. \u2014 Ecker a. a. 0. S. 127.\nHenle giebt nach Friedleben das Gewicht der Dr\u00fcse heim Menschen in\nin der reifen Frucht........................ 229,5\nhis zum 9. Monat............................ 330,8\nnach der Geburt vom 9. Monat bis zum 2. Jahre .\t436,8\nvom 3. Jahre bis zum 14. Jahre.............. 430,0\nHenle, Systemat. Anat. XI. S. 543. 1S66. \u2014 Friedleben a. a. 0. S. 24 u. 253.\n23*","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"856 v. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. S. Cap. Phys. Bed. etc. bild. K\u00f6rperchen.\nund Nebennieren. Sind wir bei jenen auch einigermaassen berechtigt gewesen, aus ihrem histologischen Bau gewisse R\u00fcckschl\u00fcsse auf ihre physiologische Function zu machen, so l\u00e4sst uns hier unsere Kenntniss vollkommen im Stich, und so wenig Schwierigkeiten sich auch im Ganzen der mikroskopischen Untersuchung in den Weg stellen, so sind wir doch kaum im Stande aus dem, was wir von ihr lernen, einen R\u00fcckschluss auf ihre Function zu wagen.\nACHTES CAPITEL.\nDie physiologische Bedeutung der sich in der Milz, der Thymus und den Lymphdrttsen bildenden K\u00f6rperchen.\nWir haben bereits die Frage aufgeworfen, welche physiologische Bedeutung kommt den farblosen Lymph(Blut)zellen zu, wenn jene Annahme zul\u00e4ssig, dass wir nicht das Recht haben, in ihnen die Vorstufen der farbigen Blutzellen zu finden.\nAllerdings scheint Manches f\u00fcr dieselbe zu stimmen. Keiner, selbst die eifrigsten Vertreter der entgegengesetzten Auffassung hat je den bestimmten Uebergang farbloser zu farbigen Zellen gesehen, w\u00e4hrend Form wie Farbe die Blutzellen vollst\u00e4ndig von jenen trennt, hat man doch nie Zellen beobachtet, welche man unzweifelhaft als Uebergangsformen zu betrachten im Stande w\u00e4re. Die kernhaltigen Amphibienblutzellen weisen nicht selten Zellen auf, die farblos, aber nach Gr\u00f6sse und Gestalt jenen farbigen so vollkommen gleichen, sich aber von den gew\u00f6hnlichen kugeligen farblosen sehr wohl unterscheiden lassen, dass man wohl geneigt sein d\u00fcrfte, sie f\u00fcr Zellen zu halten, die durch irgend welchen pathologischen Vorgang ihren Farbstoff verloren oder ihn noch nicht erhalten haben, die aber sonst in jeder Beziehung durch ihre scharf ovale Contour, durch ihren ovalen und centralen Kern jenen farbigen vollkommen gleichen. Ebenso findet man unter den normal gestalteten vollkommen kreisrunde, gelbgef\u00e4rbte, scharfbegrenzte kernhaltige Blutzellen, die vielleicht nur in ihrer Gr\u00f6sse von den andern farbigen sich unterscheiden, ln allem aber, in der Sch\u00e4rfe der Contour, der Farbe, der Form","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiol. Bed. in der Milz, der Thymus etc. bildenden K\u00f6rperchen.\n357\ndes Kernes ungemein verschieden von den farblosen sind, und so sehr den farbigen gleichen, dass man wohl geneigt w\u00e4re, sie als fr\u00fchere Entwicklungsstadien zu betrachten. Auch in ihrem \\ erhalten gegen chemische Reagentien, so vor Allem gegen Jodjodkalium gleichen diese zuletzt erw\u00e4hnten Zellen vollst\u00e4ndig den ovalen, farbigen, sie werden wie diese durch jene L\u00f6sung ziegelroth-gelb gef\u00e4rbt, w\u00e4hrend die kugeligen, sogenannten farblosen Blutzellen kaum eine F\u00e4rbung zeigen, nach einigen Tagen wenigstens vollst\u00e4ndig \\ei-bleichen und meist zu einer krtimlichen Masse schrumpfen, w\u00e4hrend jene gef\u00e4rbt bleiben. Selbst wenn man das Blut eintrocknen l\u00e4sst, bleibt jene ziegelrotke F\u00e4rbung bestehen. Blut, das ich monatelang so trocken aufbewahrte, zeigt mir noch heute dieselbe F\u00e4rbung. Ueberhaupt ist das Jodjodkalium ein \\oizliglich.es Mittel, um die verschiedene Beschaffenheit verschiedener Blutzellen zu erkennen. W\u00e4hrend nach tagelangem Liegen eines Bluttropfens vom Frosch 1 in einer Jodjodkaliuml\u00f6sung die Fl\u00fcssigkeit von Tag zu Tag heller und farbloser wird, bleibt das zu Boden gesunkene Blut ziegelroth, und untersucht man letzteres mikroskopisch, so findet man die farbigen Blutzellen in der mannigfaltigsten Weise ver\u00e4ndert. Im Ganzen charakterisiren sie sich noch vollst\u00e4ndig in ilnei ui-sprtinglichen Form, aber w\u00e4hrend einzelne vollst\u00e4ndig homogen sind, erscheinen andere feink\u00f6rnig geronnen, und zwai giuppiien sich die feinen K\u00f6rner meistens um den Kern, bald erscheinen sie heller, bald dunkler gef\u00e4rbt. Der Kern ist bald ganz glattwandig, bald vielfach gezackt, bald zeigt er einen feinen Zerfall in kleine Tr\u00f6pfchen oder Kernchen, bald liegt er mit seinem L\u00e4ngsdurchmesser parallel zur L\u00e4ngenachse, bald senkrecht zu ihr.\nWir haben es nat\u00fcrlich mit postmortalen Ver\u00e4nderungen zu thun, die aber doch noth wendig einer bestimmten pr\u00e4formirten Verschiedenheit ihre Entstehung verdankt, welche uns unzweifelhaft die einzelnen Blutzellen in verschiedenen Lebensaltern zeigt. Nie aber sieht man ein Gebilde, was man auch nur entfernt f\u00fcr ein im Uebergang begriffenes farbloses K\u00f6rperchen halten d\u00fcrfte.\nIch will mich des Breiteren nicht dar\u00fcber auslassen, zumal ja der gegenw\u00e4rtige Stand der Frage bereits anderweitig besprochen ist, das aber darf ich wohl nochmals hervorheben, der Nachweis f\u00fcr den Zusammenhang farbloser und farbiger Blutzellen ist nient gef\u00fchrt; was bedeuten demnach jene ersteren?\nO\t1\n1 Dasselbe gilt auch vom S\u00e4ugetbier- und Mensclienblut, aueb dieses eibdlt sieb vorz\u00fcglich.","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. S. Cap. Phys. Bed. etc. bild. K\u00f6rperchen.\nEs scheint mir unzweifelhaft, dass die in den Saftkan\u00e4len des Bindegewebes sich vorfindenden Wanderzellen mit jenen farblosen Blutzellen zu identificiren sind; ich glaube aber, dass kein ernstlicher Grund dagegen aufgef\u00fchrt werden kann, dass dieselben den histologischen Ausgang geben f\u00fcr die Entwicklung der mannigfaltigsten Gewebe. Ich habe vor Jahren einmal darauf hingewiesen, dass bei Winterfr\u00f6schen eine theilweise Regeneration des Muskelgewebes statt-linde, und dass diese durch kleine spindelf\u00f6rmig auswachsende Proto-plasmen in dem intermuskul\u00e4ren Bindegewebe bewirkt werde, welche sich zu quergestreiften Muskeln umwandeln. Ich weiss sehr wohl, dass die Annahme, dass diese sich aus jenen Wanderzellen entwickelten, eine hypothetische ist: allein wir sind ja leider in allen naturwissenschaftlichen Forschungen auf eine endliche Hypothese angewiesen, und wenn diese den Thatsachen gen\u00fcgt, so hat sie auch wohl ihre volle Berechtigung.\nAuch in dem im Wachsthum begriffenen Organismus entwickeln sich immer neue Gebilde, denn die Dicken- und Gr\u00f6ssenzunahme basirt nicht einfach auf dem Wachsthum der elementaren Gebilde, sondern auch die Zahl der letzteren mehrt sich. Diese Zahlenzunahme basirt muthmaasslich auch auf der Fortentwicklung oder Neubildung von Protoplasmen, die wir hinsichtlich ihrer ganzen Bedeutung den embryonalen Zellen gleichzusetzen berechtigt sind, und als solche bildungsf\u00e4hige Zellen, glaube ich, darf man die farblosen Lymph(Blut)zellen betrachten. Sie alle, als selbst\u00e4ndige entwicklungsf\u00e4hige Gewebselemente, sind im Stande, unter dem Einfluss bestimmter Gewebe zu neuen Elementen sich umzugestalten.\nWie eine jede anf\u00e4nglich indifferente embryonale Zelle die M\u00f6glichkeit in sich birgt, ein jedes Gewebe aus sich heraus zu bilden, so tr\u00e4gt auch diese einfachste Zelle des fertigen Organismus die M\u00f6ff-lichkeit in sich, die verschiedensten Gewebe unter dem Einfluss des Ortes, der Umgebung des Muttergewebes, aus sich heraus zu entwickeln.\nEs ist diese Anschauung der histogenetischen Bedeutung der farblosen Blutzellen eine der pathologischen Histologie durchaus nicht fremde.\nMan ist gar sehr geneigt, nicht nur die Anschwellungen von Lymphdrtisen als einfache Hyperplasien zu betrachten, sondern man glaubt auch, dass die Entwicklung von Eiterzellen von heteroplastischen Geschw\u00fclsten von den auswandernden farblosen Zellen bedingt sei.\nDanach h\u00e4tten wir die s\u00e4mmtlichen Lymphdr\u00fcsen und die ihnen sich anschliessenden Dr\u00fcsengebilde f\u00fcr Bildungsst\u00e4tten von Proto-","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"Assimilation und Glycog\u00e9nie.\n359\nplasmen anzusehen, welche durch Lymphe und Blut fortgeleitet und all\u00fcberall zugef\u00fchrt, die Elemente zur Neubildung und auch wohl zur Regeneration abzugeben im Stande sind. Nicht nur das Bildungsmaterial, sondern auch die protoplasmatische Grundlage eines jeden Gewebes wird durch die Lymphe den Saftkan\u00e4len zugef\u00fchrt, und kann hier unter irgend welchen, uns bisher unbekannten Bedingungen einer weiteren Entwicklung entgegensehen.\nNEUNTES CAPITEL.\nAssimilation und Glycog\u00e9nie.\nUnter Assimilation versteht man die Umwandlung der 5 er-dauungsproducte in Stoffe, wie sie zum Aufbau des Thierleibes, zu seiner Function erfordert werden; so w\u00fcrde man die Umwandlung des Peptons in coagulabeles zur Zellenbildung taugliches Ei-weiss hierher rechnen, wenn \u00fcberhaupt eine solche Umgestaltung erforderlich w\u00e4re, wenn wir nicht nach Adamkiewicz1 das Pepton einfach als ein salzarmes, genuines und leichter filtrirbares Eiweiss betrachten wollen. Man w\u00fcrde hier die Umgestaltung der circuli-renden in Organeiweiss, in leimgebende Substanz, des Amylons und seiner Derivate in weiteren Oxydationsstufen, man w\u00fcrde alle Einverleibung der Stoffe hierher zu z\u00e4hlen haben, soweit sie eben zum Aufbau und zur Function erforderlich sind.\nBisher ist unser Wissen \u00fcber die hierbei in Frage kommenden Vorg\u00e4nge \u00e4usserst unvollkommen, und wir sind fast lediglich darauf verwiesen, das thats\u00e4chlich ihr zu Grunde liegende anzuerkennen, ohne weder den Ort noch die Art angeben zu k\u00f6nnen, woselbst eine solche Umwandlung des w\u00e4hrend und durch die Aufsaugung aufgenommenen Materials stattfinde. Es ist mehr Aufgabe der allgemeinen Stoffwechsellehre, diese Wandlung des Nahrungsmaterials in die organische Masse zu verfolgen.\nZu den Processen der Assimilation wird aber auch die Bildung des Glycogens in der Leber und in den Muskeln gez\u00e4hlt. Dass\n1 Adamkiewicz a. a. 0. S. 4Iff.","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360 v. WITTICH. Physiol, d. Aufsaugung etc. 9. Cap. Assimilation u. Glycogenie.\ndasselbe im erwachsenen K\u00f6rper aus der Nahrung gewonnen werde, geht aus der unzweifelhaften Thatsache hervor, dass die Entziehung aller Nahrung auch den Glycogengehalt der einzelnen K\u00f6rpertheile beseitigt. Allein selbst diese Thatsache erleidet noch eine gewisse Beschr\u00e4nkung. Durch Cl. Bernard, Valentin und Aeby1 erfahren wir, dass winterschlafende Murmelthiere eine glycogenreiche Leber zeigen. Ich habe, um die Thatsache aus eigener Anschauung kennen zu lernen, mir Ende des Herbstes 1879 aus Th\u00fcringen zw\u00f6lf eingefangene Hamster verschafft. Sie kamen in nicht gerade kalter Zeit und vollkommen munter hier an. Ihrer Unvertr\u00e4glichkeit halber war jeder einzelne in eine kleine Blechkiste gepackt. Gleich nach ihrer Ankunft wurden mehrere in einen gemeinschaftlichen K\u00e4fis* gebracht, in Folge dessen waren in wenigen Minuten vier derselben von den andern get\u00f6dtet. Unmittelbar darauf wurden die Todten er\u00f6ffnet, und die Leber nach der von Br\u00fccke angegebenen Methode vergeblich auf Glycogen untersucht, jedoch statt seiner fand sich nur Zucker in der Leber; wohl aber waren die M\u00e4gen mit Speisen erf\u00fcllt.\nDie Thiere hatten w\u00e4hrend ihres Transportes entschieden nicht geschlafen, waren im Gegentheil sehr munter und beweglich. Drei der Thiere starben einige Zeit darauf, wohl in Folge unzweckm\u00e4ssiger Haltung und Pflege. Die \u00fcbrigen blieben leben und wurden nach einiger Zeit zu Versuchen benutzt. Die Thiere wurden in ungeheizten B\u00e4umen einzeln in grosse K\u00e4fige, in welchen sich nur Heu befand, gesperrt; nach einiger Zeit hatten sie sich vollst\u00e4ndig in das Heu vergraben, welches sie in durchaus kunstvoller Art und Weise zu einem spitz zulaufenden Berg zusammengetragen, und in dessen oberer Mitte eine leichte kraterartige Vertiefung zu einem kesselartigen Baume f\u00fchrte; in diesem letzteren lag das Thier und wrar kaum von aussen zu erkennen. Nur etwa alle 8 Tage erschien es im Freien und machte sich durch Scharren und Grunzen bemerkbar. Wurden ihm in dieser Zeit B\u00fcben u. dergl. zugeworfen, so schleppte es dieselben sehr bald in seinen Baum und verschwand dann wieder auf etliche Zeit. Jedenfalls befand sich das Thier in einem Zustand dem Winterschlaf \u00e4hnlich, in welchem es zeitweise nur wenig Nahrung zu sich nahm und wenig Bewegung vollf\u00fchrte. Thiere, welche ich in der Zeit dieser Pause t\u00f6dtete und ihre Lebern\n1 Cl. Bernard, Le\u00e7. de physiol. I. p. 133 ff. \u2014 Posner, Vorlesungen \u00fcber den Diabetes S. 216. 1878. \u2014 Valentin und Aeby, Citirt in Luchsinger, Experimentelle und kritische Beitr\u00e4ge zur Physiol, u. Pathol, des Glycogens. S. 19. Z\u00fcrich 1875. \u2014 Auch Cl. Bernard, C\u00f6mpt. rend. XXXXIX. p. 673. 1859. citirt von Nasse, Chemie u. Stoffwechsel der Muskeln. Dieses Handbuch I. 1. S. 279 ff.","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"Assimilation und Glycogenie.\t361\nauf Glycogen untersuchte, zeigten die nicht unerhebliche Menge von 3 \u2014 4 Proc.\nDie Erfahrung, die ich machte, dass die Thiere sehr gierig \u00fcber ihre get\u00f6dteten Genossen herfielen und sie verzehrten, veranlasste mich, die beiden letzten \u00fcbrig gebliebenen Thiere in den Zeiten ihres Erwachens mit Kaninchenfleisch zu f\u00fcttern. Sie flelen gierig \u00fcber dasselbe her. Der erste derselben, den ich 14 Tage nach Beginn der Fleischf\u00fctterung t\u00f6dtete, zeigte zwar eine nicht unerhebliche Menge Glycogen, aber auch, dass ich schn\u00f6de von ihm hintergangen war. Sein Magen war erf\u00fcllt mit R\u00fcbenresten, und die Untersuchung seines Lagers wies noch kleine Reste aufbewahrter R\u00fcben auf.\nDas zweite Thier wurde, nachdem es etwa einen Monat hindurch keine R\u00fcben erhalten, sondern stets mit Fleischabf\u00e4llen (Kaninchen, Katzen u. dgl.) gef\u00fcttert war, get\u00f6dtet. Auch sein nur massig erf\u00fcllter Magen enthielt sp\u00e4rliche Pflanzenreste, der Procentgehalt der Leber an Glycogen betrug aber 2,5 Proc., der des zuerst get\u00f6dteten 3,0 Proc. Vergleichen wir diese Resultate mit jenen ersten vier gleich anfangs get\u00f6dteter Thiere, so linden wir allerdings eine erhebliche Anstauung des Glycogens w\u00e4hrend der (Winter-)Ruhe.\nAuch die Lebern winterschlafender Flederm\u00e4use erwiesen sich glycogenhaltig, obwohl die Magen derselben leer oder mit zusammengerollten Haaren erf\u00fcllt waren. Eine quantitative Bestimmung liess sich bei der geringen Menge des Materials nicht vornehmen.\nDie Thatsachen erwiesen, dass also Thiere, selbst bei l\u00e4ngerer Nahrungsentziehung und bei m\u00f6glichster K\u00f6rperruhe, sehr wohl noch ihren Gehalt an Leberglycogen erhalten k\u00f6nnen.\nF\u00fcr die Bedeutung des Glycogens als Assimilationsproduet spricht die unzweifelhafte Abh\u00e4ngigkeit seiner Menge von der Nahrungszufuhr, und zwar ergaben die ersten Angaben Cl. Bernard\u2019s1 2, dass der Genuss thierischer Nahrung hierbei ganz ebenso wirksam sich erweise, als der reiner Vegetabilien. Bei der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringen Menge Muskelglycogens blieb nat\u00fcrlich die M\u00f6glichkeit der Erkl\u00e4rung durch die Annahme seiner directen Aufnahme ausgeschlossen oder doch sehr unwahrscheinlich. Man acceptirte daher anfangs durchweg jene Annahme, dass das Glycogen ein Spaltpro-duct der Albuminate. Pavy 2 war der erste, der gegen diese Auf-\n1\tCl. Bernard, Nouv. fonct. du foie 1853. \u2014 Derselbe, Le\u00e7ons de physiol, ex-per. I. quatr. Le\u00e7. p. 75 ff.\n2\tPavy, Fntersuchungen \u00fcber Diabetes mellitus. Deutsch von Langenbeck\n1S64.","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"362 y. WiTTiCH. Physiol, d. Aufsaugung etc. 9. Cap. Assimilation u. Glycog\u00e9nie.\nfassung Cl. Bernard\u2019s auftrat, und ihm sind eine bedeutende Zahl von Forschern gefolgt, welche, gest\u00fctzt auf ihre Versuche, lehrten, dass der Genuss von Vegetabilien, besonders Amvlon und zuckerreiche, wesentlich die Anh\u00e4ufung des Glycogens in der Leber f\u00f6rdern. Diese leicht zu best\u00e4tigende Angabe Hess eine doppelte Deutung zu. Die eine statuirte ohne Weiteres die synthetische Umwandlung des aus dem Amylon entstehenden Zuckers in Leberglyeogen, w\u00e4hrend die andere durch die Mehrzufuhr von Zucker oder dessen Vorstufen eine Ersparniss des f\u00fcr die Muskelaction nothwendigen Materials, und somit eine Anh\u00e4ufung des Glycogens der Leber annahm.\nVon der Thatsache ausgehend, dass die Menge des Lebergly-cogens in einer directen Proportionalit\u00e4t zu der Beweglichkeit der Thiere stehe, habe ich eine Keilie von Bestimmungen der Glycogen-mengen in der Leber verschiedener Thiere vorgenommen.\nDie nachfolgende Tabelle giebt die Zahlenwerthe, und zwar r\u00fchren sie fast ausschliesslich von Winterthieren her.\n1\nGlycogen\nKarpfen\t7,6 8,09\tProc. des n\tv)\tLebergewichts n\t'y r\nSchleie\t11,7 15,3 15,6\tr\tn n\tn ??\t??\tn n n\tMagen vollkommen leer.\nHecht\t6,7\t??\tn\tn\tgef\u00fcllt mit halb-\n\t2,5\t?:\tn\tp\tverdauten kleinen\n\t2,8\t\u00bb\tn\tn\tFischen.\nZander\t4,07\tn\t??\tV)\tMagen gef\u00fcllt.\nAal (April) kaum Spuren (?)\nEmys europaea 5,06 Proc. Magen leer.\nFrosch (frisch eingefangen December) (November)\n5,5 Proc. 3; 1 \u00bb\n8 \u201e 5;d TI\n5.9\t\u201e\n6.9\t\u201e\n> Magen\nleer.\nBetrachten wir zun\u00e4chst diese Tabelle, so ist die Thatsache von Interesse, dass bei Warmbl\u00fctern sich \u00e4usserst selten ein so hoher Procentgehalt an Glycogen vorfindet, selbst die niedrigsten Werthe","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"Assimilation und Glycog\u00e9nie.\n363\nder Kaltbl\u00fcter z\u00e4hlen bei den Warmbl\u00fctern zu den h\u00f6heren, und zwar finden sich hier die h\u00f6chsten Werthe bei Karpfen und Schleien, die ja angenommener Maassen in den Schlamm vergraben den V inter \u00fcber in einem schlaf\u00e4hnlichen Zustand verleben, also trotz dem Mangel aller Nahrungszufuhr nur \u00e4usserst tr\u00e4ge in ihren Bewegungen sind. Hecht und Zander sind trotz ihrer ergiebigeren Nahrung (alle hatten mit kleinen Fischen vollgef\u00fcllte M\u00e4gen) sehr viel \u00e4rmer an Glycogen, sind aber auch in der k\u00e4lteren Jahreszeit ungleich beweglicher. Fr\u00f6sche wie Emys waren s\u00e4mmtlich in Gefangenschaft gehalten und zeigten sich relativ doch lebhaft beweglich.\nDer Gehalt an Leberglycogen bei Warmbl\u00fctern, V\u00f6geln und S\u00e4ugern ist erheblich geringer, immer aber finden wir doch durchweg das Gesetz ausgesprochen, dass die lebhaftere Beweglichkeit selbst diese minimalen Mengen fast ganz oder doch nur bis auf Spuren verschwinden l\u00e4sst. Tauben, die l\u00e4ngere Zeit in kleinen K\u00e4figen gehalten waren, zeigten 3,7 bis 2,0 Proc.; Thiere dagegen, die gleichzeitig bei ergiebiger Ern\u00e4hrung gehalten, dann aber in einem Zimmer umhergejagt waren, bis sie ermattet zu Boden fielen, zeigten nur 1,1 bis 1,4 Procent.\nEin frisch geschossener Sperling hatte 1,1 Proc. Leberglycogen, eine Kr\u00e4he, die eingefangen l\u00e4ngere Zeit im K\u00e4fig gehalten war, 3,4 Proc.\nFrisch eingefangene graue Ratten zeigten unmittelbar nach der T\u00f6dtung keine Spuren von Glycogen, wohl aber oft Spuren von Zucker in der Leber, w\u00e4hrend weisse Albinoratten, die in ger\u00e4umigen K\u00e4figen gehalten waren, doch immer Spuren von Glycogen aufwiesen. Eine Ratte, welche durch stets erneute Injection von Chloralhydrat in einem dreit\u00e4gigen Schlaf erhalten wurde, und w\u00e4hrend der Zeit nur \u00e4usserst wenig Brod genossen hatte, zeigte am Ende dieser Zeit 0,8 Proc. Leberglycogen, w\u00e4hrend andere nicht schlafende, aber in kleinen K\u00e4figen gehaltene, welche kaum eine K\u00f6rperbewegung zu-liessen, nur 0,4 bis 0,6 Proc. zeigten. Die Beweglichkeit dieser Thiere ist eine ungemein grosse, so dass sie selbst bei m\u00f6glichster Beschr\u00e4nkung derselben, welche ich durch Drahtk\u00e4fige in Form kleiner Rollen zu erzielen suchte, doch best\u00e4ndig durch Drehung und Wendungen die Lage ihres K\u00f6rpers ver\u00e4nderten, es erwies sich aus diesem Grunde auch als vollkommen \u00fcberfl\u00fcssig, eine etwa zu j\u00e4he Abk\u00fchlung des unbeweglichen K\u00f6rpers durch Einpackung des ganzen K\u00e4figs in Watte zu verhindern.\nIch m\u00f6chte hierher auch die Versuche von B\u00f6hm und Hoffmann 1\n1 B\u00f6hm u. Hoffmann. Arch. f. experim. Pathol. VIII. S. 422 ff.","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364 v. AVittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 9. Cap. Assimilation u. Glycogenie.\nziehen, welche nach Durchtrennung des R\u00fcckenmarkes, dadurch L\u00e4hmung der hintern Extremit\u00e4ten, eine nicht unerhebliche Vermehrung des Leberglycogens bewirkten, w\u00e4hrend das Aufbinden eines Thieres (Katze) auf dem Spannbrette durch sehr heftige oft tetanische Bewegungen des ganzen K\u00f6rpers oft einen vollst\u00e4ndigen Consum desselben bewirkte. Ebenso z\u00e4hlen hierhin wohl einige der Versuche von Jaq. Mayer. 1 Wenn nicht alle dieselben hier bez\u00fcglichen Resultate geben, so ergiebt sich das wohl daraus, dass die Durchschneidung durchaus nicht nur einfach die Willk\u00fcrlichkeit der Bewegungen auf hebt, sondern in noch sehr viel complicirterer Art in die thierische Oeconomie (L\u00e4hmung und Erregung vasomotorischer Bahnen und Centren) eingreifen.\nErscheint uns demnach der Glvcogengehalt der Leber in einer unzweifelhaften Abh\u00e4ngigkeit von der K\u00f6rperbeweglichkeit, so erkl\u00e4ren sich hieraus vielleicht die durchaus verschiedenen Resultate, die oft ein und derselbe Beobachter fand, so wie die Differenz der Angaben zweier verschiedener Autoren \u00fcber die Wirkung ein und derselben Vornahme. So sind beispielsweise die Angaben \u00fcber die Zeit, in welcher das Glycogen in der Leber nach Inanition schwindet, sehr verschieden; wohl m\u00f6glich, dass der Unterschied auf die gr\u00f6ssere oder geringere Beweglichkeit der Versuchstiere zur\u00fcckzuf\u00fchren ist. Eine mehr ruhende Haltung des Thieres in geschlossenen K\u00e4figen k\u00f6nnte sehr wohl auf eine Verz\u00f6gerung des Glycogenver-lustes hinwirken, w\u00e4hrend umgekehrt die gr\u00f6ssere Beweglichkeit eines sich frei umhertummelnden Thieres einen schnelleren Consum zu bewirken vermag.\nZum Theil mag die Wirkung einseitiger F\u00fctterung (Zucker, Reis) darauf zu beziehen sein, dass man die zu beobachtenden Thiere in verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig kleine R\u00e4ume sperrte, um sie vor jeder rein zuf\u00e4lligen Aufnahme anderer Substanzen zu beh\u00fcten, wobei es Inhaber nat\u00fcrlich nicht einfallen kann, die Resultate der letzteren Versuche, ihre Schlussf\u00e4higkeit ganz zu bezweifeln, wie es mir auch andererseits nicht beikommen kann zu behaupten, dass bei den aimestellten Versuchen diese f\u00f6rdernden oder hindernden Momente\no\nmitspielten.\nI. Methode der Reindarstellung des Glycogens*\nF\u00fcr die Behandlung der sich hieran kn\u00fcpfenden physiologisch so wichtigen Frage ist nat\u00fcrlich die Methode der quantitativen Be-\n1 Jaqves Mayer. Arch. f. d. ges. Physiol. XATI. S. 164 ff. 1S7S.","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"Methode der Reindarstellung des Glycogens.\n365\nStimmung von ungeheurem Wertlie. Nachdem Cl. Bernard 1 und Hensex ziemlich unabh\u00e4ngig von einander, aber gleichzeitig eine Methode zur Reindarstellung gegeben hatten, ist dieselbe durch Br\u00fccke1 2 um vieles vervollkommnet, so dass man eigentlich erst seit dem Bekanntwerden dieser letzteren Methode von einer einiger-maassen exacten quantitativen Bestimmung sprechen kann, w\u00e4hrend alle \u00e4lteren angestellten Untersuchungen daher nur einen sehr bedingten Werth haben. Br\u00fccke wirft die vorher zerkleinerte Leber in siedendes Wasser, kocht sie l\u00e4ngere Zeit, zerreibt sie in einer Reibschale, und kocht sie von Neuem durch; tiltrirt und f\u00fcgt dem noch heissen Filtrat wenig Tropfen Essigs\u00e4ure zu; tiltrirt wiederum, und setzt der in einer K\u00e4ltemischung vollkommen abgek\u00fchlten Fl\u00fcssigkeit abwechselnd wenige Tropfen Chlorwasserstoffs\u00e4ure und Jodquecksilberkalium zu, so lange noch ein Niederschlag von Leim oder Albu-minaten erfolgt. Die jetzt vollkommen von fremden Beimischungen freie, aber je nach dem Glycogengehalt st\u00e4rker oder schw\u00e4cher opa-leseirende Fl\u00fcssigkeit l\u00e4sst man in Alkohol fliessen. Den Nieder-schlag sammelt man auf dem Filtrum und bestimmt sein Gewicht. Das reine Pr\u00e4parat bildet ein feink\u00f6rniges weisses Pulver, das ohne Kohle und Asche verbrennt.\nIch habe mich in allen hier einschlagenden Untersuchungen stets der BR\u00fcCKE\u2019schen Methode bedient, habe sie jedoch schliesslich aus Bequemlichkeitsr\u00fccksichten nach jener von Hensen angegebenen Methode modificirt. Oft h\u00e4uft sich n\u00e4mlich das Untersuchungsmaterial, und bei der ungemeinen Verg\u00e4nglichkeit des Glycogens, seiner Ver\u00e4nderlichkeit durch das Leberferment ist man oft gezwungen, die Untersuchung eines Pr\u00e4parates aufzugeben, oder indirect die Glycogenmenge aus der Menge des sich bildenden Zuckers zu berechnen. Ich habe daher oft das Material, das ich nicht gleich untersuchen konnte, in m\u00f6glichst kleine Fetzen geschnitten, mit absolutem Alkohol \u00fcbergossen (recht viel) und die schnell gerinnende Lebersubstanz in einer Reibschale unter Alkohol zerrieben. In diesem Zustande l\u00e4sst sich die Substanz ziemlich lange bis zu gelegener Zeit aufbewahren. Den Alkohol tiltrirt man ab und sammelt die vorher gewogene Lebersubstanz vorsichtig, l\u00e4sst sie lufttrocken werden und extrahirt sie dann mit siedendem Wasser, und verf\u00e4hrt sonst nach der BR\u00fcCKE\u2019schen Angabe. Es kommt sehr darauf an, die Substanz so schnell wie m\u00f6glich ge-\n1\tCl. Bernard. Gaz. ra\u00e9d. de Paris 1S5T. No. 13; Compt. rend. I. No. 26. ; Gaz. hebdomad. XXVIII. 1S57. \u2014 Hensen, Arch. f. pathol. Anat. XI. S. 395.\n2\tBr\u00fccke, Sitzgsber. d. ^Wiener Acad. Februar 1871.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366 v. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 9. Cap. Assimilation u. Glycog\u00e9nie.\nrinnen zu machen, ich zerschneide daher, und zwar hei m\u00f6glichster K\u00fchle der Temperatur, die Leber in m\u00f6glichst kleine St\u00fccke und zerreibe sie sogleich in dem \u00fcbergegossenen Alkohol.\nGoldstein 1 hat, um die Schnelligkeit der Untersuchung zu f\u00f6rdern, eine colorimetrisehe Methode angegeben, deren W\u00fcrdigung schon Luchsinger1 2 zur Gen\u00fcge besprochen hat. Wenn es sich um eine exacte quantitative Bestimmung handelt, dann kann eine auf subjective Sch\u00e4tzung begr\u00fcndete Methode nur so lange von Werth sein, als wir keine andere besitzen; ganz abgesehen davon, dass, wie auch Luchsinger (Bernard) erw\u00e4hnt, die Jodreaction bei nicht vollkommen gereinigtem Glycogen \u00e4usserst unsicher ist.\nAuch die von Bock und Hoffmann3 angegebene Sch\u00e4tzungsmethode des Glycogengehaltes von Geweben l\u00e4sst viel zu w\u00fcnschen \u00fcbrig. Die Verfasser befeuchten einen Leberquerschnitt (oder den irgend eines andern Gewebes) mit einer Jodjodkalium-(L\u00f6sung bestimmter Concentration [Jod 0,5, Jodkalium 5,0, Aqu. 250]) und sch\u00e4tzen nach der gr\u00f6sseren oder geringeren R\u00f6thung des Schnittes den Glycogengehalt. Ich habe mit dieser Fl\u00fcssigkeit, wenn sie auf frische sehr glycogenreiche Gewebe gebracht wurde, nie ein sicheres Resultat bekommen k\u00f6nnen; feine Schnitte auf dem Objecttr\u00e4ger in Jod, Jodkalium ausgebreitet zeigten mir nie eine Rotkf\u00e4rbung des Parenchyms, sehr wohl aber f\u00e4rbten sich die so behandelten Blutk\u00f6rperchen, oder besser conservirten sich in ihrer Farbe.4 Das Glycogen ist ein in Wasser durchaus, wenn auch nicht gerade sehr leicht diffusibler K\u00f6rper, wird daher aller Wahrscheinlichkeit nach durch die Behandlung des Pr\u00e4parates mit Wasser extrahirt, zumal es ja doch nur in minimaler Menge vorhanden ist. Ich habe St\u00fccke Schleienlebern, welche in eine Jodjodkalium geworfen eine sehr intensive und nachhaltige F\u00e4rbung der Fl\u00fcssigkeit bewirkten, vergeblich unter dem Mikroskop auf eine intensivere F\u00e4rbung der Parenchymzellen untersucht.\nIn den bei weitem meisten F\u00e4llen gen\u00fcgt es daher, nur ein St\u00fcckchen der Leber in eine geringe Menge Jodjodkaliuml\u00f6sung zu legen, um auch durch die augenblicklich eintretende F\u00e4rbung vorl\u00e4ufig dar\u00fcber zu orientiren, ob viel oder wenig Glycogen zu er-\n1\tGoldstein, Arbeiten aus dem physiol. Laborator. W\u00fcrzburg. 2. Lief. S. 218.\n2\tLuchsinger a. a. O. S. 10ff.\n3\tBock u. Hoffmann, Arch. f. pathol. Anat. LVI. S. 201 ff. 1873.\n4\tDie Jodjodkaliuml\u00f6sung ist, so scheint es mir, das beste Conservirungs-mittel f\u00fcr Blutk\u00f6rperchen. Ich habe Wochen, selbst Monate lang Blut in derselben stehen gelassen, es behielt seine fast ziegelrothe Farbe, und liess sich zur mikroskopischen Untersuchung vortrefflich verwenden.","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"Vorkommen des Glycogen.\n367\nwarten, nie aber war es die Substanz, sondern die Fl\u00fcssigkeit, welche sich mehr oder weniger intensiv f\u00e4rbte, und meistens auch nach dem Abfiltriren roth blieb.\nII. Vorkommen des Glycogen.\nMan kennt das Glycogen am l\u00e4ngsten in der Leber, in welcher es, wie bereits erw\u00e4hnt, von Bernard und Hensen entdeckt wurde. Sehr bald darauf fand ersterer 1 dasselbe als einen nie fehlenden Bestandtheil fast aller embryonalen Gewebe, im Gewebe des Chorions, selbst in den Zellen des sich entwickelnden H\u00fchnereies fehlte es nicht. Im Muskel erwachsener Thiere fand es Nasse2; Bizio3 in der Muskulatur der Evertebraten; seine Bedeutung f\u00fcr die Muskel-contraction entdeckten Br\u00fccke4 und Weiss. Es ist von Interesse hier gleich zu erw\u00e4hnen, dass, wie ein Unterschied sich hinsichts des Glycogengehaltes kund giebt zwischen tetanisirten und l\u00e4ngere Zeit ruhenden Muskeln, sich auch die gleiche Differenz zwischen den roth en und weissen Skelettmuskeln zeigt.5 6 Herr Grothe untersuchte die sich sehr stark in ihrer Farbe von den \u00fcbrigen Skelettmuskeln unterscheidenden Flugmuskeln unserer Flederm\u00e4use. Die ziemlich kr\u00e4ftig entwickelten rothen Brustmuskeln von 24 Thieren zeigten unmittelbar nach der T\u00f6dtung kaum Spuren, w\u00e4hrend die hellen Muskeln durchaus w\u00e4gbare Mengen Glycogen f\u00fchrten.\nIn der normalen Herzmuskulatur ist dasselbe von Luchsinger und Weiss gefunden; mir selbst ist es nicht gelungen, es zu gewinnen. Auch nach M. Donnell g fehlt das Glycogen im Herzen von Neugeborenen. Luchsinger7 fand es auch im Ovarium von Fr\u00f6schen, nicht in dem von S\u00e4ugern.\nUeber das Vorkommen des Glycogens in der embryonalen Leber sind die Ansichten verschieden. Ich habe zuf\u00e4llig die Gelegenheit gehabt, Leber und Muskeln eines frischen nicht abgestorbenen (5 bis 6 monatlichen) menschlichen F\u00f6tus, der unter Lebenszeichen zur Welt gekommen (Herzpulsationen), erst unmittelbar darauf abstarb, zu unter-\n1\tCl. Bernard. Le\u00e7ons de physiol, experiment. I. p. 244. \u2014 Compt. rend. LXV.\n1ST2.\n2\t0. Nasse, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 97 ff. 1869.\n3\tBizio, Atti dell\u2019 Instituto Venet. di scienze III. 1866; citirt von Krukexberg, vergleichend physiol. Studien an den K\u00fcsten der Adria. 2. Abth. S. 60. 1880.\n4\tE. Br\u00fccke u. Weiss, Sitzgsber. d. Wiener Acad. LXIV. Juli 1871 u. LXVII. Januar 1873.\n5\t0. Nasse, Chemie u. Stoffwechsel d. Muskeln. Dieses Handb. I. 1. S. 281.\n6\tM. Donnell, Compt. rend. LX. p. 963 ; Centralbl. f. d. med. Wiss. III. S. 422.\n7\tLuchsinger a. a. 0. S. 14.","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"368 v. WiTTiCH. Physiol, d. Aufsaugung etc. 9. Cap. Assimilation u. Glycog\u00e9nie.\nsuchen.1 In der Leber fand ich 0,24 Proc. Glycogen, in der Muskulatur desselben 0,6 Proc. Glycogen.\nBei einer neugeborenen Katze, welche (wie auch der leere Magen erwies) noch nicht gesogen hatte, zeigte die Leber 0,23 Proc. Glycogen. Die Untersuchungen Bernard\u2019s'2 haben ferner das Vorkommen des Glycogens im sich entwickelnden H\u00fchnerei, wie im K\u00f6rper vieler wirbelloser Thiere erwiesen (Mollusken). Die sogenannten fetten Austern sind nach seiner Angabe ungemein glycogenreich. Bei den Crustaceen (vornehmlich beim Flusskrebs) tritt die Glvcogenbildung typisch einige Zeit (etwa 20 \u2014 25 Tage) vor der H\u00e4utung auf, und zwar findet es sich in fast allen Organen. Auch bei Insekten fand Bernard (Musca lucilia-Larve) massenhaft Glycogen. Finn fand wie Bernard dasselbe in Fliegenmaden, welche sich ausschliesslich mit Fleisch gen\u00e4hrt hatten (W\u00fcrzb. Laborat. S. 336). Nicht minder gl\u00fcckte Bernard der Nachweis bei Lumbricus, Taenia, Cysticercus. Die meisten dieser Nachweise sind allerdings nur mit der Jodreaction angestellt, doch wurden sie wenigstens zum Theil von Krukenberg3 durch vollkommenere Methoden best\u00e4tigt. Foster fand dasselbe in der K\u00f6rpermuskulatur von Entozo\u00ebn.\nUeberseken wir die hier mitgetheilten Angaben, so erfahren wir aus ihnen, dass das Glycogen eine ziemlich allseitig verbreitete Substanz sei, die, wie es scheint, eine sehr wichtige und wesentliche functioneile wie formative Bedeutung f\u00fcr den Organismus hat.4 Nicht nur spielt es eine Rolle in dem sich entwickelnden Organismus, sondern es findet auch unzweifelhaft ein Verbrauch desselben w\u00e4hrend der K\u00f6rperaction statt, wie denn auch Hoppe seine Gegenwart f\u00fcr ein jedes einer amoeboiden Bewegung f\u00e4higes Protoplasma erfordert.\nIn wie inniger Beziehung das Glycogen zur Th\u00e4tigkeit der Muskeln stehe, lehren mannigfaltige Thatsachen, die zum Theil bereits erw\u00e4hnt wurden, so der gr\u00f6ssere Gehalt an Glycogen bei Muskeln, welche durch Nervendurchschneidung oder durch mechanische\n1\tSalomon (Centralbl. f. d. med. Wiss. 1874. S. 738) fand auch Glycogen in der Leber ISeugeborner : ebenso fand Zweifel dasselbe bei einem 4 monatlichen F\u00f6tus (Untersuchungen \u00fcber den Verdauungsact Neugeborner. Berlin 1S44). Auch Morig-gia, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1875. S. 154.\n2\tCl. Bernard, Le\u00e7ons sur les ph\u00e9nom\u00e8nes de la vie communs aux animaux et aux v\u00e9g\u00e9taux. IL 1879. \u2014 Krukenberg, vgl. anat. Studien etc. IL S. 52 ff. \u2014 Picard. Gaz. m\u00e9d. de Paris 1874. p. 49. \u2014 Centralbl. f. d. med. Wiss. 1875. S. 462.\n3\tKrukenberg a. a. O. S. 5211'.\n4\tWoroschilow. Jahresbericht Hofmann u. Schwalbe's. AIL S. 328. 1879. \u2014 Glycogen ist ein constanter Bestandteil thierischer Gewebe, er unterliegt fortw\u00e4hrenden Schwankungen und wird bedingt von der Energie des chemischen Stott-wechsels (M\u00fche und Arbeit).","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"Beschaffenheit des Glycogens\n369\nBehinderung \\ oder endlich durch die Organisation des Thieres lange oder bleibend ausser Function treten2, das Schwinden des Glycogens bei tetanischer Tk\u00e4tigkeit der Muskeln, bei Inanition, bei welcher es parallel der Leistungsf\u00e4higkeit schwindet.\nUnzweifelhaft geht nur eine theilweise Umwandlung des Glycogens in Zucker bereits in der Leber vor sich, Winterfr\u00f6sche, in deren Leber man keinen Zucker findet, consumiren, wie wir bereits ge-\u2022 sehen haben, ihren Glycogenvorrath w\u00e4hrend des Tetanus, es scheint also, dass fortdauernd ein Glycogenstrom von der Leber zur Peripherie und zu den Muskeln abgehe, und dass hier erst, wenn \u00fcberhaupt, eine Umwandlung desselben erfolge.\nIII. Beschaffenheit des Glycogens.\nObwohl das Glycogen zu den leicht filtrirbaren Bestandteilen geh\u00f6rt, so doch nicht zu den leicht diffusibeln. Vegetabilisches Pergament l\u00e4sst selbst nach 24 st\u00e4ndigem Stehen kaum Spuren in die Aussenfl\u00fcssigkeit \u00fcbertreten.\nEs stellt in trockenem Zustande ein weisses Pulver dar, welches in destillirtem Wasser l\u00f6slich, meistens aber eine opalescirende, milchige Fl\u00fcssigkeit bildet, und auch als solche durch das Filtrum geht. Nur von dem im Muskel vorkommenden Glycogen wird angegeben, dass es klar filtrire3 ; eine klare Modification erh\u00e4lt man auch, wenn man milchige Glyeogenl\u00f6sung mit Aetzkali oder mit anorganischen S\u00e4uren, aber nicht bis zur Umsetzung des Ganzen in Traubenzucker erw\u00e4rmt.\nDie L\u00f6sung (selbst die opalescirende eignet sich einigermaassen zur Untersuchung) dreht die Polarisationsebene sehr stark nach rechts, nach Hoppe-Seyler etwa dreimal, nach B\u00f6hm und Hoffmann4 viermal so stark wie Traubenzucker.\nDurch Jodkalium (mit etwas Jod) wird die L\u00f6sung intensiv roth gef\u00e4rbt, und schon das Untersinken eines Tropfens einer L\u00f6sung gen\u00fcgt, um in dem Verlauf der rotken Str\u00f6me der in der Jodl\u00f6sung untersinkenden Masse die Gegenwart des Glycogens zu erkennen.\nNaunyn hat in Vogelmuskeln ein durch Jod violett gef\u00e4rbtes Glycogen gefunden. B\u00f6hm und Hoffmann finden, dass das Muskel-glycogen stets eine deutlich purpurrothe Farbe mit deutlicher blauer Fluorescenz bei Jodzusatz annimmt.\n1\tOgle. St. Georges Hospital report. \u2014 Nasse, Dieses Handbuch I. 1. S. 280.\n2\tLuchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol. XVIII. S. 475. \u2014 Nasse a. a. O. S. 2S1.\nChandelon, Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 626 ft'.\n3\tLuchsinger a. a. 0. S. 14.\n4\tB\u00f6hm u. Hoffmann, Arch. f. experim. Pathol. VH. S. 492.\nHandbuch der Physiologie. Bd. Ya.\n24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370 v. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 9. Cap. Assimilation u. Glycogenie.\nJaff\u00e9 1 fand im Gehirn einen st\u00e4rke\u00e4hnlichen (zuckerbildenden) Stoff, der sich durch Jodkaliuml\u00f6sung bl\u00e4ute, im Uebersekuss aber in eine braunrotke Farbe \u00fcberging, ganz so, wie auch das Muskel-glycogen (Naunyn) durch Uebersekuss sich rothbraun f\u00e4rbte.\nMir ist es einmal gegl\u00fcckt, aus der Winterfroschleber ein Glycogen zu gewinnen, welches ein \u00e4hnliches Verhalten gegen Jod zeigte, wie das von Naunyn im Vogelmuskel gefundene. Ich habe mich aber vergeblich abgem\u00fcht, die Bedingungen festzustellen, unter denen es auftrat.\nAbgesehen von dieser Verschiedenheit1 2, die auch noch keine hinreichende Erkl\u00e4rung gefunden hat, haben sich die Glycogene verschiedener Organe nicht nur, sondern auch die nach den verschiedensten F\u00fctterungsversuchen gewonnenen bisher stets vollkommen gleich erwiesen.\nDas gleiche Verhalten gegen diastatiseke Fermente, gegen anorganische S\u00e4uren, das gleiche Verhalten im polarisirten Lichte kommt allen zu, und scheint kein zu untersch\u00e4tzender Grund auch f\u00fcr die gleiche Muttersubstanz zu sein, aus welcher sich dasselbe im K\u00f6rper bildet.\nEine genauere Kenntniss \u00fcber die Ver\u00e4nderungen des Glycogens durch anorganische S\u00e4uren und vor Allem durch Fermente verdanken wir den Arbeiten B\u00f6hm\u2019s und Hoffmann\u2019s.3 Sie fanden, dass das Glycogen durch das Blutferment in einer Leihe von Spaltproducten neben dem Traubenzucker abgetrennt werde, von denen das Aekroo-dextrin und das Achrooglycogen weder eine Jodreaction noch eine Reduction des Kupferoxydes zeigen, das Xantoglycogen durch Jod gelb gef\u00e4rbt werde. Sie machen ferner auf die geringere Opalescenz einiger dieser Derivate aufmerksam, welche sie mit H\u00fclfe des Vier-opjxr\u2019schen Spectralapparates numerisch zu bestimmen suchten, wobei ganz besonders die geringe Opalescenz des Muskelglycogeus, des Glycogendextrins und des Ackroodextrins auffiel.\nBei der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig grossen Zahl von Derivaten des Glycogens werden nat\u00fcrlich die bisherigen Versuche des Nachweises von sehr zweifelhaftem Wertke. Das Fehlen der Jodreaction hat oft genug, zumal bei nicht opalescirenden Decocten, die Veranlassung gegeben, die Existenz des Glycogens ganz zu leugnen, mit wie wenig Recht, lehren die Untersuchungen B\u00f6hm\u2019s und Hoffmann\u2019s.\n1\tJaff\u00e9, Arch. f. pathol. Anat. XXXYI. S. 20\u201425.\n2\tDurch die G\u00fcte des Herrn Collegen Naunyn bin ich \u00fcbrigens im Stande gewesen, das von ihm gewonnene Pr\u00e4parat kennen zu lernen.\n3\tB\u00f6hm u. Hoffmann a. a. O. X. S. 1 ff.","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"Beschaffenheit des Glycogens.\n371\nWas die elementare Zusammensetzung betrifft, so differiren die Angaben wesentlich, doch nur hinsichtlich des Wassergehaltes. Nach Gorup-Besanez entspricht sie der Formel Ca Th2 Ob, nach Pelouze Ci 2 Ih 4 Oi 4, Hoppe-Seyler Ce ffio O\u00f6.\nDie Formel f\u00fcr das vegetabilische Dextrin lautet nach Gorup-Besanez Cg Tho Ob.\nBei der grossen Aehnlichkeit beider Stoffe in ihrem qualitativen Verhalten (ihrer Rothf\u00e4rbung durch Jod, ihrer Verwandlung in Zucker durch Fermente, wie durch Kochen mit verd\u00fcnnten anorganischen S\u00e4uren) d\u00fcrften die geringen Unterschiede der elementaren Zusammensetzung wohl von grossem Werthe sein.\nAus den analytischen Bestimmungen B\u00f6hm\u2019s und Hoffmann\u2019s geht \u00fcbrigens hervor, dass bei den verschiedenen Processen, welche die \u00e4usseren Eigenschaften des Glycogens ver\u00e4ndern (Spaltung in Achroodextrin, Achrooglycogen, Glycogendextrin), tiefgreifende chemische Ver\u00e4nderungen ihrer procentischen Zusammensetzung nicht stattfinden. W\u00e4hrend das Normalglycogen nach ihren Analysen aus\nC 44,01 II G,25 0 49,74\nbesteht, besteht das Achrooglycogen aus\nC 44,02 II 6,38 0 49,60,\ndas Achroodextrin aus\nC 44,21 II 6,62,\ndas Glycogendextrin aus\nC 44,28 II 6,33,\ndas Muskelglycogen aus\nC 43,83 II 6,45.\nSchiff glaubt den mikroskopischen Nachweis des Glycogens innerhalb der Leberzellen f\u00fchren zu k\u00f6nnen; die sp\u00e4teren Angaben von B\u00f6hm und Hoffmann, Cl. Bernard stimmen mit seinen darin \u00fcberein, dass auch sie die Substanz im Protoplasma eingebettet finden, aber sie erkennen jene von Schiff beschriebenen blassen K\u00f6rperchen nicht als Glyeogenk\u00f6rper an. Neuerdings hat Kaiser1 an-\n1 Kaiser, Breslauer \u00e4rztliche Zeitschrift 1879. No. 19.\n24*","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"3/2 v. Wittich. Physiol, d. Aufsaugung etc. 9. Cap. Assimilation u. Glycogenie.\ngegeben, dass die Leberzellen fastender Tliiere feink\u00f6rnig, ohne jede Reaction anf Jodjodkalinm seien, w\u00e4hrend die t\u00fcchtig gen\u00e4hrter Tliiere mit schollenartigen Massen erf\u00fcllt, welche durch Jod roth gef\u00e4rbt wohl aus Glycogen bestehen. Ich kann die Angaben wohl best\u00e4tigen, doch ist (was auch von Kaiser bereits angegeben wird) es durchaus nothwendig, die Leber in feinen St\u00fccken im absoluten Alkohol zu erh\u00e4rten, bevor man mikroskopische Schnitte fertigt und sie in eine w\u00e4ssTige Jodl\u00f6sung bringt.\nIV. Die Entstehung des Leberglycogens.\nEs ist eine der interessantesten Thatsachen, dass das Glvcogen wie kaum ein anderer Bestandtheil des K\u00f6rpers sich abh\u00e4ngig von der Nahrungsaufnahme erweist. Wenig Hungertage gen\u00fcgen, um Kaninchen den Gehalt ihrer Lebern daran bis auf wenige Spuren schwinden zu machen, w\u00e4hrend eine eint\u00e4gige Ern\u00e4hrung derselben unmittelbar darauf denselben zum Steigen bringt. Und wunderbarer Weise scheinen verschiedene Thierspecies eine verschiedene Widerstandsf\u00e4higkeit zu besitzen, selbst bei ein und derselben treffen wir auf die differentesten Resultate. Und hier ist es denn auch, wo jene, gleich anfangs hervorgehobene Abh\u00e4ngigkeit des Glycogenge-haltes von der Beweglichkeit der Versuchstkiere wohl eine Rolle spielen k\u00f6nnte.\nDer Angabe Cl. Bernard\u2019s, welcher das Glycogen zum Theil wenigstens aus den Albuminaten entstehen und normal durch die. Leber in Zucker umwandeln l\u00e4sst, trat zuerst sein Sch\u00fcler Pavy entgegen. Er fand, dass die Leber \u00fcberhaupt jedes Zuckers entbehre, dass dieser nur als ein Zersetzungsproduct post mortem oder als ein Product gewaltsamer Muskelth\u00e4tigkeit entstehe.\nSeiner Auffassung folgte Tscherinow 1 und unterst\u00fctzte sie noch durch den Nachweis, dass alleinige Eiweissf\u00fctterung einen allm\u00e4hlichen Consum des Glycogens, gleichwie bei g\u00e4nzlicher Nahrungsentziehung bewirke, dass dagegen die F\u00fctterung mit Kohlenhydraten eine vermehrte Ansammlung desselben bewirke.\nDock1 2 3 fand, dass, wenn man hungernden Thieren (glycogen-armen) zuckerreiche Nahrung biete, in kurzer Zeit ein bedeutender Gehalt an Leberglycogen bei ihnen sich einfindet. Sch\u00f6pfer 3 in-jicirte den Versuchstieren eine L\u00f6sung von Zucker in eine Mesen-\n1\tTscherinow, Arch. f. pathol. Anat. XLVII. S. 102 ff. 1869.\n2\tDock, Arch. f. d. ges. Physiol. V. S. 571. 1872.\n3\tSch\u00f6pfer, Dissertation. Bern 1872 und Arch, f\u00fcr experimentelle Pathologie I. S. 73.","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"Die Entstehung des Lebcrglycogens.\nO \"\" O\nO t O\nterialvene und steigerte dadurch den Glycogengehalt. Dem m\u00f6glichen Vorwurf, der seinen Versuchen zu machen w\u00e4re, dass der k\u00e4ufliche Traubenzucker, den er in Anwendung brachte, nicht frei von Dextrin gewesen, begegneten Pink und Heidenhain1 2, indem sie dextrinfreien Traubenzucker in Anwendung brachten.\nEs ist somit sicher nachgewiesen, dass die Darreichung zuckerreicher Nahrung zur Bildung von Leberglycogen wesentlich beitragen k\u00f6nne, allein als die einzige Quelle verm\u00f6gen wir sie doch nicht zu betrachten. Unzweifelhaft befindet sich nach dem Genuss vegetabilischer Nahrungsmittel im Chvmus ausser dem Zucker auch Dextrin; es bleibt daher stets die M\u00f6glichkeit, dass das sich in der Leber vorfindende Glycogen mit jenem zu identificiren sei, was ja bei der grossen Aehnlichkeit beider Stoffe mit einander wohl m\u00f6glich scheint.\nNach den Untersuchungen von Naunyn 2 findet man im Blute von Thieren nach ergiebiger F\u00fctterung mit amylonhaltigen Speisen einen durch Speichel in Zucker sich umwandelnden K\u00f6rper (Dextrin-glycogen), nach seiner Berechnung enthielt das Pfortaderblut des Hundes im Mittel von vier Versuchen 0,056 Proc. Dextrin. Wir sind daher wohl berechtigt anzunehmen, dass ein Theil des Leberglyco-gens bereits als solches in die S\u00e4ftemasse \u00fcbertrete.\nBei Thieren, welche vorwiegend tlnerische Nahrung zu sich nehmen, mag das zum Theil seine Erkl\u00e4rung darin finden, dass wir kaum eine tlnerische Substanz antreffen, welche nicht die zwei Bedingungen f\u00fcr die Glycogenbildung, Zucker und Dextrin (Glycogen), dann aber auch leimgebende Substanz, bereits mit sich f\u00fchre, daher wohl die Veranlassung f\u00fcr eine directe Aufnahme und Ablagerung von Glycogen geben k\u00f6nne.3\nSeit Nasse\u2019s4 Beobachtungen z\u00e4hlen wir das Glycogen zu den wesentlichen Bestandtheilen des Muskelfleisches, und seine leichte Ueberfithrbarkeit in Zucker (selbst post mortem) gestattet wohl seine directe Aufnahme.\nEs fragt sich aber, ob diese directe Aufnahme gen\u00fcge, um bei\n1\tHeidenhain, Beitr\u00e4ge zur Lehre des Diabetes mellitus. Dissert. K\u00f6nigsberg 1ST4. -\u2014 Pink. dgl. Dissertation. K\u00f6nigsberg 1S74. \u2014 Luchsinger a. a. 0. begegnet diesem Vorwurf gleichfalls S. 24.\n2\tNaunyn a. a. O. S. 8.\n3\tZu den Glycogenb\u00fcdnern d. h. zu solchen Substanzen, deren Einf\u00fchrung eine Anh\u00e4ufung des Glycogens bewirken, z\u00e4hlen: Traubenzucker, Rohrzucker, Milch-Fruchtzucker, Inulin, Lichenin, Glycerin. Arbutin und Leim (v. Merino, Dock. Salomon, Luchsinger a. a. 0.). \u2014 K\u00fclz. Beitr\u00e4ge z. Pathol, u. Therap. des Diabetes. IL S. 125. 1875.\n4\tNasse, Arch. f. d. ges. Physiol. IL S. 97 ff. 1869 u. Hermann\u2019s Physiol, a. a. O.","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374 y. Wittich. Physiol, d. Aufsaugung etc. 0. Cap. Assimilation u. Glycogenic.\nder Bedeutung desselben f\u00fcr die gesummte Oeconomie des Organismus die notkwendige Menge zu liefern.\nSchon Bernard, und nach ihm viele Andere haben allerdings mit durchaus ungleichem Erfolge F\u00fctterungsversuche mit reinem Blut-fibrin und andern Albuminen wie mit ihm verwandten K\u00f6rpern angestellt, und gerade die Differenz dieser Versuche hat zu der Behauptung Veranlassung gegeben, dass die Aufnahme von Albuini-naten mit der Glycogenbildung nichts zu thun habe, dass mit Bezug auf dieses die Art der F\u00fctterung gleichbedeutend sei wie vollst\u00e4ndige Carenz.\nTscherinow 1 war der erste, welcher diese Anschauung vertrat und, gest\u00fctzt auf seine F\u00fctterungsversuche, nicht nur zun\u00e4chst die schon von Bernard behauptete Umwandlung des Zuckers in Glycogen best\u00e4tigte, sondern auch die Ansicht von der Entstehung des Glycogens aus Eiweissstoffen ganz von der Hand wies. Die von ihm gemachten Angaben fanden vielfach Unterst\u00fctzung, aber auch viele Gegner. Die Eetzteren gaben die Thatsachen zu, glaubten ihnen aber eine andere Deutung geben zu m\u00fcssen.\nVon den durch N\u00e4sse\u2019s Angaben gest\u00fctzten Thatsachen, welche die Wichtigkeit des Glycogens f\u00fcr die Muskelth\u00e4tigkeit zu consta-tiren suchen, ging die Ansicht aus, dass die Zufuhr anderer leicht oxydirbarer Stoffe eine Ersparniss des bereits fertig gebildeten Glv-cogens bewirke, dass die Function des Leberparenchyms dadurch aber nicht suspendirt, dasselbe immer neue Mengen Glycogen pro-ducire.\nZu einer noch anderen Deutung kam F\u00f6rster1 2, der, von der Thatsache ausgehend, dass ein nur ungemein geringer Antheil des injicirten Zuckers in der Leber als Glycogen wieder auftrete, auf die gleichzeitige Steigerung der Harnstoffausscheidung bei Darreichung von Zucker aufmerksam machte. Er deducirte hieraus den lebhafteren Zerfall der Albuminate bei gleichzeitigem Genuss von Zucker, dessen eines Spaltproduct das Glycogen sich in der Leber anh\u00e4ufe.\nDie Versuche Naunyn\u2019s, Finn\u2019s und v. Mering\u2019s \u00fcber den Leber-glycogengekalt bei H\u00fchnern und andern Thieren nach alleiniger F\u00fctterung mit ausgekochtem und ausgepresstem Fleisch haben die doch etwas zu einseitigen Angaben Tscherinow\u2019s zur\u00fcckgewiesen. Zwar findet bei dieser Ern\u00e4hrung eine Abnahme des Glycogens statt,\n1\tTscherinow a. a. 0.\n2\tForster. Sitzgsber. d. bayr. Acad. M\u00fcnchen 1876. VI. S. 138ft.","page":374},{"file":"p0375.txt","language":"de","ocr_de":"I\t)ie Entstehung des Leberglycogens.\n375\nallein mit der allm\u00e4hlichen Gew\u00f6hnung steigert sich der Glycogen-gehalt mehr und mehr.\nNaunyn 1 fand einmal nach 6 w\u00f6chentlicher M\u00e4stung mit ausgekochtem Fleisch 3,5 Proc.; Finn '1 2 bei Hunden nach l\u00e4ngerer Hungerszeit und darauf folgender alleiniger F\u00fctterung mit Blutfibrin in der Leber 12,23; 11,842; 8,571 Grm. Glycogen (nach 14t\u00e4gigem Hungern).\nDer Vorwurf, den man den Versuchen Naunyn\u2019s gemacht, dass mit dem Muskelfleisch auch Leim (ein Glycogenbildner) genossen werde, liess sich denen Finn\u2019s3 nicht machen, da er mit bestimmter R\u00fccksichtnahme auf diese m\u00f6gliche Fehlerquelle mit durchaus zuckerfreiem Fibrin und Eiweiss experimentirte. Obwohl doch auch kaum anzunehmen, dass das Yollkommen ausgekochte und ausgepresste Fleisch noch so Yiel Glycogen oder Leim enthielten, als zu erheblicher Vermehrung erfordert wird. v. Meeing fand nach 14 bis 18 t\u00e4giger Carenz und darauf folgender reiner F\u00fctterung mit Albu-minaten bei Hunden: 8,3; 10,2; 17,1 Grm. (Fleischfutter); 4,9 Grm. (Eieralbumin); 10,3 Grm. (Blutfibrin).\nEbensowenig wie Finn fand v. Meeing 4 einen Unterschied zwischen den verschiedenen Glycogenen, welche man nach F\u00fctterung mit Kohlenhydraten oder Albuminaten erhielt.\nDie allm\u00e4hliche Ueberf\u00fchrung desselben in Traubenzucker durch Speichelfermente erfolgte in ganz derselben Art; die specilische Rechtsdrehung erwies sich so wenig different, dass man die allerdings vorkommenden Schwankungen wohl auf Beobachtungsfehler zur\u00fcckfuhren durfte, wie sie selbst bei Bestimmungen von Glycogenen ein und derselben Art vorzukommen pflegen.\nFinn 0 fand das Drehungsverm\u00f6gen f\u00fcr Glycogen aus\tTraubenzucker\t+ 173\u00b0\n\u201e\tLevulose\t+\t168\u00b0\nn\tGlycerin\t+\t160\u00b0\n\u201e\tEiweiss\t+\t103\u00b0.\nSprechen somit die Versuche unzweifelhaft f\u00fcr die Bildung des Glycogens aus Albuminaten'3 4 5 6, so doch auch die schon fr\u00fcher mit-\n1\tNaunyn a. a. O. S. 10.\n2\tFinn a. a. O. S. 334 if.\n3\tFinn, Physiol. Laborator. Wurzburg. S. 330 ff.\n4\tv. Merino. Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 274. ] S77.\n5\tFinn a. a. O. S. 237.\n6\tSind wir berechtigt, den pathologisch auftretenden Zucker im Diabetesharn als aus dem Glycogen hervorgegangen anzusehen, so sprechen doch auch die Erfahrungen am Krankenbette f\u00fcr eine Ueberf\u00fchrung von Albuminen in Zucker (Glycogen). \u2014 Frerichs. Charit\u00e9-Annalen 1S75; Centralblatt f. d. med. Wiss. 1S77. 8. 362.","page":375},{"file":"p0376.txt","language":"de","ocr_de":"376 v. WiTTicH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 9. Cap. Assimilation u. Glycogenie.\ngetheilten Beobachtungen an Embryonen, das fr\u00fchzeitige Auftreten des Glycogens im f\u00f6talen K\u00f6rper daf\u00fcr, dass jene Annahme, es sei dasselbe lediglich von Aussen her dem Organismus als Dextrin oder Zucker zugef\u00fchrt, unhaltbar sei. Die Schlussfolgerung, die man aus der Anh\u00e4ufung von Leberglycogen nach reiner Zucker- oder Amylon-f\u00fctterung gezogen, ist keineswegs eine berechtigte. Sehr wohl geht aus ihr hervor, dass unter Umst\u00e4nden die Aufnahme von Kohlenhydraten die Veranlassung geben k\u00f6nne f\u00fcr eine Aufstapelung des Leberglycogens, keineswegs aber, dass dieses der gew\u00f6hnliche normale Vorgang sei.\nDie Angaben Forster\u2019s gestatten eine ganz andere Deutung gerade der Versuche Tscherinow\u2019s, welche eine sehr bedeutende Vermehrung des Glycogens nachweisen ; diese stieg am bedeutendsten bei dem gleichzeitigen Genuss von Rohrzucker oder Traubenzucker und Fibrin, weil nach Forster's Angabe die Gegenwart des Zuckers den Zerfall des Fibrins unterst\u00fctzte, und dadurch die Menge des Glycogens als Spaltproduct des Albumins steigerte.\nEs erkl\u00e4rt sich hieraus sehr wohl, woher gerade bei gemischter Nahrung die Menge des Glycogens zunimmt.\nMan 1 2 hat hiermit auch die hohen Harnstoffzahlen in Beziehung gebracht, welche nach \u00fcbereinstimmenden Angaben die Diabetiker aufweisen ; indem man n\u00e4mlich diesen krankhaften Process mit dem Glycogen der Feber in ein genetisches Verh\u00e4ltniss brachte.\nMeissner - hat es wahrscheinlich zu machen versucht, dass das H\u00e4moglobin im Blute der Feber die Muttersubstanz bilde, aus welcher sich das Glycogen, Harnstoff und der Gallenfarbstoff abspalten.\nAuch er st\u00fctzt sich hierbei auf die Steigerung der Harnstoffausscheidung beim Diabetes mellitus.\nVielleicht h\u00e4ngt mit der somit zu vermuthenden gesteigerten Vernichtung des H\u00e4moglobins w\u00e4hrend des Diabetes auch die von Pet-texkofer und Voit3 beobachtete Abnahme der Sauerstoffaufnahme beim Diabetes zusammen.\nUebersehen wir kurz die hier mitgetheilten Thatsachen, so sprechen dieselben entschieden daf\u00fcr, dass sowohl die Zufuhr von Kohlenhydraten als von Eiweiss die zur Bildung von Glycogen erforderlichen Bedingungen bieten, und eben so wenig, wie man geneigt sein d\u00fcrfte aus der jetzt wohl feststehenden Thatsache, dass Ammoniak unter bestimmten Bedingungen als Harnstoff ausgeschieden wird, den\n1\tM. v. Pettenkofer u. C. Voit, Zeitschr. f. Psychol. III. S. 425. 1867.\n2\tMeissner, Zeitschr. Ill i. S. 280 ff.\n3\tv. Pettenkofer u. Voit a. a. O. S. 425 ff","page":376},{"file":"p0377.txt","language":"de","ocr_de":"Die Quelle des Muskelglycogens.\nSchluss zu ziehen, dass \u00fcberhaupt aller Harnstoff des Ammoniaks als Vorstufe bed\u00fcrfe, ist man berechtigt den Schluss zu ziehen, die Bildung des Glycogens gehe lediglich auf Rechnung der genossenen Kohlenhydrate vor sich. Nach den FoRSTER\u2019schen Angaben ist es ja durchaus noch nicht ausgemacht, ob jener Erfolg der Kohlenhydratf\u00fctterung wirklich in einer einfachen Anhydrisirung seinen Grund finde.\nAm meisten den Thatsachen entsprechend wird die Annahme sein, dass sich fort und fort Glycogen aus den zerspaltenen Albu-minaten bilde, im Thierk\u00f6rper verbreitet und verwerthet werde, und es nur unter bestimmten Bedingungen zur Aufstapelung einer erheblicheren Menge gerade in der Leber komme; zu letzteren z\u00e4hlt eine Mehraufnahme von Kohlenhydraten, und wie wir gleich anfangs zu beweisen uns bem\u00fchten, die Beschr\u00e4nkung der Muskelbeweglichkeit. 1\nDaraus erkl\u00e4rt es sich auch wohl, dass von einzelnen Beobachtern nicht nur die normale Zuckerproduction, sondern auch die Glycogenfunction der Leber \u00fcberhaupt vollst\u00e4ndig geleugnet wird. Lussaxa2 fand wunderbarerWeise bei Tauben, H\u00fchnern, Fr\u00f6schen, Kaninchen und anderen Thieren bei schleuniger Untersuchung der Lebern kein Glycogen; das Decoct war klar, nicht milchig. \u2014 Wohl denkbar, dass er nur Thiere untersuchte, bei welchen keine Aufstapelung stattgefunden hatte ; bei Winterfr\u00f6schen ist es aber durchaus leicht, bei noch so langsamer Operation erhebliche Mengen zu gewinnen; ob Lussaxa nur an Sommerfr\u00f6schen beobachtet, geht aus seiner Darstellung nicht hervor. Ich habe auch angegeben, dass frisch eingefangene Thiere grosser Beweglichkeit (Ratten, M\u00e4use) kaum Spuren von Glycogen zeigten, selbst wenn man sie mit all der Vorsicht untersucht, welche empfohlen wird, dass sie aber augenblicklich w\u00e4gbare Mengen produciren, wenn man sie zeitweise immobilis\u00e2t (Chloralhydrat, Chloroform, Aether).\n^ . Die Quelle des Muskelglycogens.\nUeber die Frage nach der Abstammung des Muskelglycogens sind wir noch immer nicht einig, noch die neueste Schrift \u00fcber den\n1\tMit dieser letzteren Thatsache stimmt auch wohl der von K\u00fclz ange-\ngebene Einfluss der Muskelth\u00e4tigkeit auf die Menge des diabetischen Harnzuckers, wobei allerdings die Voraussetzung gemacht wird, dass dieser vom Leberglvcoo-en herstamme. (K\u00fclz, Diabetes mellitus und insipidus II. S. ISO. 1S75,- vM auch Zimmer a. a. 0.)\t\u00f6\n2\tLussaxa, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1S75. S. 562.","page":377},{"file":"p0378.txt","language":"de","ocr_de":"3/ 8 v. WiTTiCH. Physiol, d. Aufsaugung etc. 9. Cap. Assimilation u. Glycogenie.\nDiabetes 1 stellt den Zusammenhang des Muskelglyeogens mit dem Glycogen der Leber durchaus in Abrede. Doch aber sprechen ungezwungener Weise die Thatsachen mehr f\u00fcr, als gegen einen solchen genetischen Zusammenhang.\nZun\u00e4chst zeigen sehr viele Versuche eine Vermehrung des Leber-glycogens, ohne dass gleichzeitig auch einer Steigerung der sich im Muskel vortindenden Substanz erw\u00e4hnt wird2; im Gegentheil scheinen die Schwankungen hier nur zwischen verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig engen Grenzen zu erfolgen.\nBei einer Schleie (cyprinus tinea), in welcher ich 15 Proc. Leber-glycogen fand, Hess sich kaum 1 Proc. in der Gesammtmuskulatur nackweisen. Ebenso findet sich bei Winterfr\u00f6schen nahezu derselbe Gehalt an Muskelglycogen, wie bei Fr\u00fchlings- und Sommertkieren.\nNach B\u00f6hm und Hoffmann, welchen wir die erste genaue statistische Feststellung der Menge der Kohlenhydrate im K\u00f6rper der Katze verdanken, schwankt der Glycogengehalt der Muskeln zwischen 0,11 und 0,3 Proc., w\u00e4hrend (nach denselben Autoren) der Kohlenhydratbestand der Leber zwischen 0 und 13,2 Proc. der frischen Leber wechselt.\nFerner richtet sich der Gehalt der Muskulatur nach dem Gebrauch derselben. In dem best\u00e4ndig th\u00e4tigen Herzmuskel, wie in allen sich, lebhaft bewegenden Muskeln findet sich wenig, in den untk\u00e4tigeren mehr Glycogen, und erh\u00e4lt sich auch w\u00e4hrend des Hungerns l\u00e4nger in den unth\u00e4tigen Brustmuskeln bei H\u00fchnern, als in denen der hinteren Extremit\u00e4ten, und im tetanisirten Muskel scheint das Glycogen gleichzeitig mit dem der Leber vollst\u00e4ndig zu schwinden. Gerade diese letzte Thatsache scheint recht sehr f\u00fcr die innigen Beziehungen zu sprechen, in welchen beide Muskel- wie Leberglycogen zu einander stehen.\nDer th\u00e4tige Muskel, so scheint es, birgt gerade so viel Glycogen in sich, als er verbraucht, und nur dann sammelt sich in ihm ein gewisser Vorrath, wenn er an seiner Th\u00e4tigkeit durch die Be-wegungseigentk\u00fcmlickkeit, oder durch irgend welches Hinderniss oder L\u00e4hmung gehindert wird, aber selbst dann kommt es nie in\n1\tZimmer, Die Muskeln eine Quelle, und Muskelarbeit ein Heilmittel bei Diabetes. 1880.\n2\tIm Ganzen ist der Unterschied des Muskel- und Leberglycogens kein erheblicher, und nur geringere Opalescenz wird von Luchsinger angegeben, ein scheinbar anderes qualitatives Verhalten des Muskelglyeogens gegen Jod (Naunyn, Arch. f. experim. Pathologie. III. S. 85). Uebrigens zeigt es dasselbe Verhalten im polarisirten Lichte, dieselbe Zersetzbarkeit durch anorganische S\u00e4uren wie durch Fermente. \u2014 Luchsinger a. a. O. S. 24. . . . doch kann man in der Leber schon ansehnliche Mengen Glycogen finden, in den Muskeln aber noch keine Spur.","page":378},{"file":"p0379.txt","language":"de","ocr_de":"Die Quelle des Muskelglycogens.\t379\nihm zu jener excessiven Ansammlung, wie wir sie wohl in der Leber finden.\nAehnlich sprechen sich auch B\u00f6hm und Hoffmann \u00fcber den sich vorfindenden Vorrath an Muskelglycogen aus.\nUeber das Schwinden des Glycogens bei Nahrungsenthaltung gab zun\u00e4chst Weiss1 an, dass dasselbe unzweifelhaft langsamer, wenigstens bei H\u00fchnern erfolge, als in der Leber.\nZur Bestimmung der Glycogenmengen diente haupts\u00e4chlich der weisse Brustmuskel der H\u00fchner.\nLuchsinger2 best\u00e4tigte die Thatsache, wies aber nach, dass die sogenannten rothen Muskeln, die der Gebrauch in steter Th\u00e4tig-keit erh\u00e4lt, sehr schnell ihren Glycogengehalt einb\u00fcssen, w\u00e4hrend die auf ein Minimum der Th\u00e4tigkeit reducirten Brustmuskeln der H\u00fchner (nicht so bei Tauben) an sich viel reicher daran sind, und viel eher eine Anh\u00e4ufung zeigen, daher auch viel l\u00e4nger mit ihrem Vorrath aushalten.\nBei Kaninchen konnte Luchsinger3 bereits nach zwei Hungertagen die Muskeln glycogenfrei finden, w\u00e4hrend die Leber noch betr\u00e4chtliche Mengen davon -zeigte.\nBei Hunden und Katzen h\u00e4lt zwar auch das Muskelglycogen etwas l\u00e4nger vor, allein nach 14\u201421 Hungertagen fand Luchsinger im Muskel und in der Leber zuweilen noch Spuren desselben.\nBeim Pferde sah Bernard4 das Muskelglycogen wenige Tage nach der Nahrungsentziehung schwinden. Bei Tauben ist nach zweit\u00e4gigem Hungern alles Glycogen der Muskeln fort, ebenso vermisst man dasselbe im Muskel von Winterfr\u00f6schen fast ganz oder findet doch nur geringe Spuren.\nDas Endresultat aller dieser Thatsachen ist der von Luchsinger auch experimentell erwiesene Schluss, dass Muskeln ein und desselben Thieres einen sehr verschiedenen Gehalt an Glycogen besitzen k\u00f6nnen, dass hierin ein Hauptunterschied zwischen rothen und weissen Muskeln gegeben sei, dass darin aber auch der Grund gegeben sei, um die von Nasse vertheidigte Annahme zu bek\u00e4mpfen, das Glycogen biete das eigentliche Kraftelement des Muskels.\nIch sehe die Berechtigung nicht wohl ein, selbst wenn man zugest\u00e4nde, dass alles Glycogen im Muskel erst in Zucker umgewandelt werden m\u00fcsse, bevor es zur Verbrennung kommt, w\u00fcrde doch\n1\tWeiss a. a. O. S. 2.\n2\tLuchsinger a. a. U. S. 20.\n3\tDerselbe a. a. O. S. 19 f.\n4\tCl. Bernard. Lee. sur les liquid, de l'organisme. IL p. 112.","page":379},{"file":"p0380.txt","language":"de","ocr_de":"380 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 9. Cap. Assimilation u. Glycogenie.\nimmer noch der Schluss berechtigt sein, dass das Glycogen unzweifelhaft zu den Kraftproducenten geh\u00f6re. Winterfr\u00f6sche zeigen kein Muskelglycogen, oder doch nur Spuren desselben, ebenso kaum Zucker in denselben, wohl aber eine Anh\u00e4ufung von Leberglycogen, das noch dazu nur \u00e4usserst langsam schwindet; nach Schiff fehlt eben das zur Umsetzung desselben nothwendige Ferment. Gleichwohl kann man aber, wie bereits erw\u00e4hnt, das Glycogen in der Leber durch einen allgemeinen Muskeltetanus zum Schwinden bringen. Der Mangel alles Zuckers w\u00e4hrend dieser tetanischen Arbeit der Muskulatur l\u00e4sst nat\u00fcrlich wohl den Gedanken aufkommen, dass das Glycogen als solches den Muskeln Zustr\u00f6me, und auch als solches w\u00e4hrend der Muskelth\u00e4tigkeit verarbeitet werde.\nEs darf nicht unber\u00fccksichtigt bleiben, dass gerade die grosse Z\u00e4higkeit, mit welcher nach g\u00e4nzlicher Nahrungsenthaltung das Leber- und Muskelglycogen erhalten bleibt, doch mehr f\u00fcr eine wirkliche Glycogenfunction der Leber zu sprechen scheine, als f\u00fcr eine einfache Aufnahme der Grundsubstanz durch die Nahrung. Es ist undenkbar, dass die in den sp\u00e4teren Tagen w\u00e4hrend der Abstinenz sich noch immer zeigenden Glycogenmengen Restbest\u00e4nde fr\u00fcherer Glycogenbildner seien. Wie sich fort und fort auch w\u00e4hrend des Hungerns Harnstoff auf Kosten der Eiweisssubstanzen bildet, so werden auch bis zum Ende hin Glycogenmassen abgespalten, den Muskeln zugef\u00fchrt und verbraucht. Wenn Luchsinger darauf aufmerksam macht, dass er nach vollst\u00e4ndiger Abstinenz vollkommen leistungsf\u00e4hige Muskeln aber glycogenfrei fand, so beweist das nichts gegen die hohe Bedeutung des Glycogens f\u00fcr den stofflichen Vorgang th\u00e4tiger Muskeln. Ebensowenig, wie man aus dem Fehlen irgend eines Secretstoffes im Blute auf die Unbetheiligtheit des letzteren an der Ausscheidung schliessen wird, ebensowenig aus dem Ausbleiben des chemischen Nachweises einer Substanz in einem soeben noch th\u00e4tigen Muskel auf deren Unwichtigkeit. Man hat so oft den Muskel einer Maschine verglichen, ebenso wie man aber diese mit verschiedenen Substanzen (Holz, Kohle) speisen kann, ebenso nimmt auch der Muskel sich sein Heiz- oder Arbeitsmaterial aus der Summe ihm gebotener Stoffe, sicherlich ist das Glycogen nicht das einzige, welches er vorfindet.\nVI. Die physiologische Verwendung des Glycogens.\nNach Bernard\u2019s Lehre soll sich das Leberglycogen fort und fort in Zucker umwandeln, und dieser als ein leichter diffusibler K\u00f6rper allseitig durch den K\u00f6rper vertheilt werden. Das zur Umsetzung","page":380},{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"Die physiologische Verwendung des Glycogens.\n381\nerforderliche Ferment verlegt Tiegel1 2 in das Blut der Leber, w\u00e4hrend nach eigenen Untersuchungen - selbst vollst\u00e4ndig entblutete Lebern noch ein Ferment zeigen, welches durch Glycerin extrahirt das Amylon in Zucker umzuwandeln im Stande ist. Nach Hensen soll das Ferment von dem pankreatischen Safte herr\u00fchren, mit ihm ausgeschieden und in die Leber wieder aufgenommen werden.\nDie \u00e4usserst geringe Diffusibilit\u00e4t des Glycogens l\u00e4sst es wahrscheinlich erscheinen, dass die Bildung desselben erst in der Leberzelle selbst entsteht, wenn man sich nicht der Ansicht anschliessen will, dass das sehr engmaschige Netz von Saftkan\u00e4len, welches die Pfortader\u00e4ste umspinnt, sehr wohl geeignet sei, um durch Filtration das im Blute bereits gebildete Glycogen dem Leberparenchym zuzuf\u00fchren.\nEs ist \u00fcberhaupt wohl denkbar, dass all das sich im Blnte vorfindende Material zur Leberfunction auf diesem Wege die Blutbahn verl\u00e4sst, um durch das eigentliche Zellenleben in die Bestandtheile der Galle umgesetzt zu werden. Als ein Theilproduct dieses cellu-l\u00e4ren Lebens sehen wir das indififusible Glycogen an, welches weiter durch das Ferment in jenen leichter diffusiblen K\u00f6rper, den Zucker, umgesetzt wird.\nVon letzterem erfahren wir durch Scheremetiewski, dass, so leicht oxydirbar er auch sei, er doch nicht zu den K\u00f6rpern geh\u00f6re, welche innerhalb des Blutes leicht weiter oxydirt werden.3 Ob wir hiernach gezwungen sind, mit Schiff ein den Zucker vernichtendes Ferment anzunehmen, wie auch Bock und Hoffmann zu statuiren Willens scheinen '?\nEs ist die gr\u00f6sste Wahrscheinlichkeit, dass der Process des Stoffumsatzes keineswegs im Blute, sondern in den Parenchymen zu linden sei, daher ist es auch f\u00fcr unsere Frage v\u00f6llig gleichg\u00fcltig, ob der 0 des lebenden Blutes als erregter 0 vorhanden, deshalb leichter oxydirend sei. Als absolut indiffusibel ist das Glycogen \u00fcbrigens keineswegs anzusehen, selbst durch den Dialysator geht etwas \u00fcber, und wenn man dasselbe durch die Jodprobe nachzuweisen nicht im Stande ist, so liegt das einfach an seiner ungemein geringen Concentration, dampft man die Fl\u00fcssigkeit ein, oder kocht man sie mit ein wenig Acid, muriat., so l\u00e4sst sich mit Leichtigkeit der nunmehr gebildete Zucker durch die Reduction von Kupferoxyd nach-weisen.\n1\tTiegel, Arch. f. d. ges. Physiol. VII. S. 341.\n2\tv. AATttich. Ebenda S. 2s.\n3\tScheremetiewski. Ber. d. s\u00e4chs. Ges. d. AATss. XX. S. 154. 1S6S.","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382\nv. WiTTiCH, Physiol, cl. Aufsaugung etc. 10. Cap. Diabetes mellitus.\nBei der ungemeinen Verbreitung, welche die saccharificirenden Fermente im Thierk\u00f6rper finden, ist es wohl denkbar, dass \u00fcberall, wo das Glycogen hin verbreitet wird, auch sein Umsatz in Zucker und seine anderweitige Verwendung stattfindet.\nStellt man eine einprocentige opaleseirende L\u00f6sung von reinem Glycogen in verschiedenen Reagensgl\u00e4sern mit frischen St\u00fccken verschiedener K\u00f6rperpartien (Haut, Niere, Darmwand, Muskulatur) auf, so hellt sich dasselbe sehr bald auf, verliert seine Opalescenz und reducirt bereits nach fg Stunde Kupferoxyd.\nAm auff\u00e4lligsten war es dabei, dass frische Muskeln in Glyco-genl\u00f6sung gebettet am allerlangsamsten wirkten, erst nach mehrst\u00fcndigem Stehen begann eine Aufkl\u00e4rung und Reductionsf\u00e4higkeit der L\u00f6sung, w\u00e4hrend andererseits der Muskel auffallend lange seine Contractionsf\u00e4higkeit behielt, und wenn h\u00e4ufig tetanisirt den Umsatz des Glycogens in Zucker f\u00f6rderte.\nZEHNTES CAPITEL.\nDiabetes mellitus.\nEs lag wohl auf der Hand, dass Bernard mit der Entdeckung der Glycogenfunction der Leber auch augenblicklich dieselbe zu einer Deutung jener heimt\u00fcckischen Erkrankung, die uns in der sogenannten Zuckerharnruhr \u2014 Diabetes mellitus \u2014 entgegentritt, zu verwerthen suchte.\nEs ist unzweifelhaft, dass man mit diesem Namen eine Reihe verschiedener Erkrankungen zusammenfasst, die aber in dem einen Symptome \u00fcbereinstimmen, dass sie mit einer Ausscheidung von Zucker im Harn einhergehen. Man unterscheidet leichtere, oft nur vor\u00fcbergehende Formen von intensiveren, meistens mit einem allgemeinen Kr\u00e4fteverlust auftretenden.\nW\u00e4hrend jene oft, nicht immer, mit einer Gewichtsabnahme und ohne Verdauungsst\u00f6rungen, oder doch nur mit schnell vor\u00fcbergehenden St\u00f6rungen der Art auftreten, gehen diese schnell unter bedeutendem Kr\u00e4fte- und S\u00e4fteverlust einem letalen Ausgange entgegen.\nEs ist wohl selbstverst\u00e4ndlich, dass es nicht die Aufgabe sein","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"Diabetes mellitus.\n383\nkann, die ganze Pathologie des Diabetes zu besprechen, wohl aber d\u00fcrfte es gerechtfertigt sein, den physiologischen Zusammenhang dieses einen Sympt\u00f4mes \u2014 der Melliturie mit der Glycogenie hier zu behandeln.\nNach der Angabe Br\u00fccke\u2019s 1 wird es fraglich, ob nicht die leichteren Formen der Melliturie \u00fcberhaupt nur quantitative Ver\u00e4nderungen rein physiologischer Vorg\u00e4nge repr\u00e4sentiren. Wie Bence Jones1 2, Tuchen3 und Iwanoff4 best\u00e4tigen, kommt dem normalen Harn eine, wenn auch nur minimale Menge Zucker zu. Bestritten wird die Richtigkeit dieser Angabe Br\u00fccke\u2019s von Friedl\u00e4nder, Seegen und K\u00fclz 5, best\u00e4tigt in neuerer Zeit durch Malygin und Pavy6 7.\nNach Cl. Bernard 7 ist das physiologische Auftreten von Glycosurie abh\u00e4ngig von der Nahrung. Bei hungernden Thieren vermisste er stets den Zucker im Harn, ebenso bei ausschliesslicher fleischlicher Nahrung (ohne Amylon). Es ist daher wohl denkbar, dass hierin die Differenz der Angaben ihre Erkl\u00e4rung findet.\nBernard ging von der Voraussetzung aus, dass die normale Leber in steter Glycogenie begriffen best\u00e4ndig Zucker durch ein ihr zukommendes Ferment bilde, und diesen durch das Blut im K\u00f6rper vertheile, woselbst derselbe zur W\u00e4rmebildung verbraucht werde. Im gesunden K\u00f6rper werde daher stets soviel Glycogen in Zucker umgesetzt, als von letzterem verbraucht werde. Steigt der Gehalt des Blutes, durch Mehrproduction oder durch weniger Consumtion \u00fcber ein bestimmtes Maass, so werde dieser Ueberschuss durch die Nieren ausgeschieden und trete im Harn auf. Dass eine Mehrproduction von Glycogen nicht ausreiche, um Melliturie zu erzeugen, lehren die F\u00fctterungsversuche, die wohl eine Anh\u00e4ufung von Glycogen aufzeigen, ohne dass es zur Abscheidung von Zucker kommt, es handelt sich also immer um einen Vorgang, der jenseits der Glycogenie zu liegen kommt.\nEs liesse sich gar wohl denken, dass eine Mehrproduction eines Fermentes die Schuld trage (Schiff8). Dass aber gerade die Leber\n1\tBr\u00fccke. Sitzgsber. d. Wiener Acad. XXIX.\n2\tBence Jones. Journ. of chemic. Society Lond. 1862.\n3\tTuchen, Arch. f. pathol. Anat. XXV. S. 267. 1862.\n4\tIwanoff, Glycosurie. Dissert Dorpat 1861.\n5\tFriedl\u00e4nder, Arch. f. Heilkunde VI. S. 97. 1865. \u2014 Seegen, Arch. f. d. ges. Physiol. Y. S. 359. 1872. \u2014 K\u00fclz, EbendaXIII. S. 269ff. 1876.\n6\tMalygin u. Pavy, Refer. Jahresber. Hoffmann u. Schwalbe Y. S. 258. 1878.\n7\tCl. Bernard. Vorlesungen \u00fcber d. Diabetes (Posner) 1878. S. 236.\n8\tSchiff, Untersuchung \u00fcber die Zuckerbildung in der Leber. W\u00fcrzburg 1858.\nWinterfr\u00f6sche sind glycogenreich, hier fehlt aber (Schiff) das Ferment, welches\ndasselbe in Zucker umzusetzen im Stande w\u00e4re. Man kann sie auch nicht diabetisch machen.","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384 v. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 10. Cap. Diabetes mellitus.\nhierbei eine wichtige Rolle spiele, geht daraus hervor, dass die sp\u00e4ter noch zu besprechende BERXARD\u2019sche Piqu\u00fcre unwirksam wird durch Ausschaltung der Leberfunction (Schiff, Exstirpation bei Fr\u00f6schen; vorhergehende F\u00fctterung der Versuchsthiere mit Arsen. [Sai-kowsky] ).\nBock und Hoffmann 1 sahen den Zucker im Blute dadurch schwinden, dass sie durch einen in die Vena cava gef\u00fchrten Obturator und Unterbindung der Pfortader den Leberkreislauf ausschlossen. Es handelt sich also darum, ob mehr producirt oder weniger verbraucht werde.\nSehr bald nach Cl. Bernard\u2019s Entdeckung suchte man den abnehmenden Verbrauch des vorgebildeten Glycogens f\u00fcr die Pathogenese der Zuckerharnruhr verantwortlich machen zu m\u00fcssen.\nAlvaro Reinoso glaubte in jeder Krankheit, welche eine behinderte Respiration mit sich brachte, eine mangelhafte Oxydation, also eine Aufsammlung nicht verbrauchten Zuckers annehmen zu d\u00fcrfen. Eine Ansicht, die sich jedoch leicht schon durch die mannigfaltigen Erfahrungen, welche man bei Lungenkranken machen kann, zur\u00fcckweisen l\u00e4sst. Denn wenn auch zuweilen, so ist doch, das haben alle sp\u00e4teren klinischen wie experimentellen Beobachtungen gelehrt, der Zucker im Harn kein steter Begleiter chronischer Erkrankungen der Lungen.1 2\nAlle Versuche, die Melliturie aus der Leberfunction zu erkl\u00e4ren, stossen auf die Schwierigkeit, eine Entscheidung in dieser Frage treffen zu k\u00f6nnen. Seit der bahnbrechenden Entdeckung Bernard\u2019s, mittels einer ganz localen Verletzung des Hirnes einen k\u00fcnstlichen, wenn auch nur vor\u00fcbergehenden Diabetes zu erzeugen, hat man diesen Versuch h\u00e4ufig zu Rathe gezogen, um mit seiner H\u00fclfe eine endg\u00fcltige Entscheidung zu treffen.\nIm Wesentlichen besteht das Verfahren darin, dass man mittels eines Troicarts das Hinterhauptbein in der Gegend hinter dem dritten H\u00f6cker desselben (Luchsinger) durchbohrt, und nun in der Richtung gegen den Kieferwinkel das Messer oder die Nadel etwas mehr nach hinten, als nach vorn bis auf die Basis cranii einf\u00fchrt.\nMan kann sich aber, um sicherer zu operiren, eines bereits von Cl. Bernard3 empfohlenen, von Eckhard4 weiter ausgebildeten Ver-\n1\tBock u. Hoffmann. Studien \u00fcber Diabetes. Berlin 1874.\n2\tAbeles citirt von Senator . Diabetes mellitus in Ziemsen\u2019s Handbuch S. 214.\n3\tBernard. Le\u00e7. sur le syst. nerv. I. p. 401. Le premier, cpie nous ayons employ\u00e9 consiste \u00e0 ouvrir la membrane occipito-atlandoidience et \u00e0 faire p\u00e9n\u00e9trer l'instrument piquant par l\u2019orifice inf\u00e9rieur du quatri\u00e8me ventricule.\n4\tEckhard, Beitr\u00e4ge zur Anat. u. Physiol. IV. S. Iff. 1S69.","page":384},{"file":"p0385.txt","language":"de","ocr_de":"Diabetes mellitus.\n385\nfahrens bedienen. Die Naekenmuskulatur wird frei gelegt, ihre arteriellen Gef\u00e4sse unterbunden, die Muskeln durchschnitten, und so die Membrana occipito-atlantoidea frei pr\u00e4parirt, nach deren Er\u00f6ffnung man den Boden der vierten Hirnh\u00f6hle vor sich hat. Verletzung desselben zwischen Acusticus- und Vagusursprung ruft, wie das von Bernard zuerst angegeben wurde, Melliturie hervor, die jedoch nicht immer mit Polyurie verkn\u00fcpft auftritt. Schon diese schwankende Complication zeigt, dass man es hier mit zwei gesonderten Erscheinungen zu thun habe, die auch von verschiedenen Punkten des Hirns beeinflusst werden. Cl. Bernard sagt dar\u00fcber in den Le\u00e7ons de physiol. (I. 337): \u201eQuand on pique sur la ligne m\u00e9diane du plancher du quatri\u00e8me ventricule exactement au milieu de l\u2019espace compris entre l\u2019origine des nerfs acoustiques et l'origine des nerfs pneumogastriques on produit \u00e0 la fois l\u2019axg\u00e9ration des deux s\u00e9cr\u00e9tions h\u00e9patique et renale; si la piquure atteint un plus haut, on ne produit tr\u00e8s-souvent que l\u2019augmentation dans la quantit\u00e9 des urines, qui sont alors souvent charg\u00e9es le mati\u00e8res albuminoides au dessous du point pr\u00e9c\u00e9demment signal\u00e9 de passage du sucre seulement j\u2019observe et les urines restent troubl\u00e9s et peu abundantes. Il nous a donc paru qu\u2019il pouvait y avoir possibilit\u00e9 de distinguer l\u00e0 deux points correspondants, l'inf\u00e9rieur \u00e0 la secretion du foie le sup\u00e9rieur \u00e0 celle du rein. \u201c\nEine genauere Angabe \u00fcber die Stelle der Medulla oblongata, welche bei der Piquure getroffen werden muss, findet sich weder bei Bernard1 noch bei Eckhard2, dessen beigegebene Abbildung dem Operationsfelde eine ziemliche Breite bietet.\nIst die Operation m\u00f6glichst gelungen, so sieht man an den Thieren ausser den ganz vor\u00fcbergehenden convulsiven Bewegungen kaum eine St\u00f6rung, die zuweilen auch ganz fehlen; ist dagegen die Verletzung ein wenig zu weit nach vorn gegangen, so dass die grossen Hirnstiele verletzt wurden, so treten wohl Zwangsbewegungen ein, die aber nat\u00fcrlich mit der Verletzung jenes Punktes nichts zu thun haben.\nNach Verlauf einer Stunde etwa entleert das Thier einen zuckerhaltigen Harn, und zwar Kaninchen wohl 5\u20146 Stunden lang (Bernard), und zwar wie schon aus dem Vorhererw\u00e4hnten zu erwarten, bald unter gleichzeitiger Polyurie, bald ohne dieselbe. Eckhard zeigt beim Ka-\n1\tIn den Le\u00e7ons sur le syst\u00e8me nerveux hat Cl. Bernard zwar eine grosse Zahl von verschieden modilicirten Versuchen mitgetheilt, ohne jedoch auch hier eine bestimmte Angabe \u00fcber das Diabetescentrum zu machen. A. a. O. I. Le\u00e7. 22. 23.\n2\tEckhard, Beitr\u00e4ge zur Anat. u. Physiol. IV. S. 3 ff. 1869.\nHandbuch der Physiologie. Bd. Y a.\t25","page":385},{"file":"p0386.txt","language":"de","ocr_de":"386 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 10. Cap. Diabetes mellitus.\nninchen \u00fcbrigens, dass auch Verletzungen weiter nach vorn gelegener Partien, besonders des Cerebellums, Melliturie und Polyurie, oder die eine oder andere allein erzeugen.\nNach Schiff wirkten auch anderweitige Hirnverletzungen diabetisch durch die schnell folgende Gef\u00e4sserweiterung, so auch Durchschneidung der Sehhiigel, der grossen Hirnschenkel, wie Verletzung der Varolsbr\u00fccke und der Kleinhirnschenkel. Einen dauernden Diabetes erhielt er durch vollst\u00e4ndige Trennung der hinteren Str\u00e4nge des Halsmarkes oder des obersten Brustmarkes. Pavy sah nach Durchschneidung der Med. oblongata und Einleitung k\u00fcnstlicher Respiration Melliturie erfolgen.\nNach den Angaben Becker\u2019s tritt Diabetes bei Verletzung des hinteren Theiles des pons Varolii auf. Bei Fr\u00f6schen hat K\u00fchne 1 zuerst ein Verfahren angegeben, um den Diabetes auch bei ihnen auszuf\u00fchren. Von grossem Interesse, und f\u00fcr die m\u00f6gliche Deutung von grossem Werthe ist es, dass dieses letztere Verfahren bei Winterfr\u00f6schen absolut unbrauchbar ist; den Lebern dieser Thiere fehlt nach Schiff das Ferment, d. h. es fehlt ihnen die Umsatzf\u00e4higkeit des Glycogens in Zucker.2\nDemnach scheint es entschieden, dass der diabetische Zucker aus der Leber herr\u00fchrt. Daf\u00fcr sprechen auch die Versuche, dass glycogenarme oder freie Thiere keine Glycosurie nach der Bernard -sehen Piqu\u00fcre zeigen, dass auch die anderweitige Ausschaltung der Leberfunction (Unterbindung der Vena porta [Schiff], Einf\u00fchrung eines Obturators in die Vena cava [Bock und Hoffmann] oder Vergiftung durch Arsen) die Piqu\u00fcre gleichfalls unwirksam machen, dass endlich auch Gallenstauung3 (Unterbindung des Ductus choledochus) die Glycogenfunction und damit gleichzeitig die M\u00f6glichkeit eines Diabetes nach der Piqu\u00fcre aufhebt.\nCl. Bernard, noch bestimmter Schiff, haben den Diabetesstich auf eine vasomotorische Wirkung zur\u00fcckzuf\u00fchren versucht, sowohl die Vasoconstrictoren wie die Vasodilatatoren haben in der Gegend der verletzten Stelle ihre Hirncentren, und die durch beide bewirkten St\u00f6rungen verm\u00f6gen Diabetes zu erzeugen. Die gesteigerte Blutf\u00fclle der Leber producire entweder eine gr\u00f6ssere Quantit\u00e4t des Fermentes,\n1\tK\u00fchne, G\u00f6ttinger Nachrichten 1856. Nr. 36.; Derselbe, Ueber den k\u00fcnstlichen Diabetes bei Fr\u00f6schen. Dissert. \u2014 Schifp nimmt die Priorit\u00e4t dieses Verfahrens f\u00fcr sich in Anspruch. A. a. O. S. 74.\n2\tIch will nicht unerw\u00e4hnt lassen, dass man zuweilen, wenn auch nur selten, auch bei Winterfr\u00f6schen durch den Diabetesstich Zucker im Harn erzeugen kann.\n3\tWikhah Leqg, Arch. f. exp. Pathol. IL S. 384. 1874. \u2014 v. Wittich, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1875. Nr. 19.","page":386},{"file":"p0387.txt","language":"de","ocr_de":"Diabetes mellitus.\n387\nwelches das vorhandene Glycogen in Zucker umsetze. (Die dadurch bewirkte Glyk\u00e4mie erreiche eben eine bestimmte untere Grenze, \u00fcber die hinaus der Zucker durch den Harn ausgeschieden werde.) Oder das zuckervernichtende Ferment des Blutes nehme ab [ohne jedoch ganz zu schwinden] und der jetzt im Blut verbleibende Zucker werde ausgeschieden.\nNach den Bestimmungen Becker\u2019s 1 tritt bei 0,5 Proc. Zucker im Blute deutliche Ausscheidung von Harnzucker auf. Es ist daher wohl anzunehmen, und auch durch die Versuche best\u00e4tigt, dass bei der Piqu\u00fcre stetig eine Zunahme des Blutes an Zucker stattfinde.\nDiese Zunahme erkl\u00e4rten nun Bernard und Schiff aus einem hyper\u00e4mischen Zustande der Leber, der jener erw\u00e4hnten Hirnverletzung unmittelbar folge. Dementsprechend zeigten auch Versuche Bernard\u2019s, dass die Durchtrennung der Bahnen des N. splanchni-cus, welcher die Lebernerven f\u00fchre, die Piquure unwirksam mache, dass aber eine einmal durch die Piquure eingeleitete Melliturie durch eine nachmalige Durchschneidung der Splanchnici nicht aufgehoben werde.\nEckhard hat diese Versuche Bernard\u2019s wiederholt und dadurch in ihren Besultaten erweitert, dass er fand, dass Durchschneidung des letzten Hals- oder des obersten Brustganglions ebenso wie die Piquure wirke, d. h. durch sie ein Reizungsdiabetes entstehe; w\u00e4hrend die Durchschneidung der Nervenst\u00e4mme durch die Aufhebung des Zusammenhanges die Fortleitung des durch die Piqu\u00fcre bewirkten Zustandes verhindere.\nCyon und Aladoff 2 sahen nach der vorsichtigsten Exstirpation der beiden Ganglien durch Durchschneidung aller zu ihnen gehenden Nerven und zwar ebenso schnell Diabetes eintreten, sie schliessen daraus auf die Unrichtigkeit der EcKHARD\u2019scken Deutung. Die wesentlichste Ditferenz der Auffassung Cyon und Aladoff\u2019s und der \u00e4lteren Beobachter liegt darin, dass jene die diabetischen Erscheinungen nach der Piqu\u00fcre wie nach den Splanchnicusversuchen nicht als eine Reizerscheinung, sondern als Folge einer L\u00e4hmung vaso-constrictorischer Nerven auffassen. Unzweifelhaft haben sie experi-\n1\tDecker, Ztschr. f. wissensch. Zool. V. S. 179. 1S54. \u2014 Dass nicht eine Steigerung des Glycogengehaltes die Schuld an der Melliturie trage, geht nicht nur daraus hervor, dass wir experimentell denselben erheblich steigern k\u00f6nnen, ohne Zucker im Harn zu finden, sondern dass auch gewisse zu den Glycogenbildnern geh\u00f6rige Substanzen (Inulin, L\u00e4vulose) von Diabetikern genossen werden k\u00f6nne, ohne auch nur im Geringsten die Glycosurie zu steigern (K\u00fclz).\n2\tCyon u. Aladoff, Melanges biologiques. Bull, de Pacadem. imp. des sciences de St. Petersbourg. VIII. 1871.","page":387},{"file":"p0388.txt","language":"de","ocr_de":"388 v. WiTTiCH. Physiol, d. Aufsaugung etc. 10. Cap. Diabetes mellitus.\nmentell nachgewiesen, dass in jenen beiden St\u00e4mmchen des Annulus Vieusseni Vasoconstrictoren verlaufen, keineswegs aber, dass diese hierbei in Wirksamkeit treten. Es bleibt nur m\u00f6glich, dass in ihnen auch Vasodilatatoren vorhanden sind, deren Reizung bei der Durchschneidung sich zu jener L\u00e4hmung summirend den doch immer nur transitorischen Diabetes bewirkt. Wie ein L\u00e4hmungsdiabetes nur so kurz vor\u00fcbergehende Erscheinungen bewirke, ist nicht recht ersichtlich. Es w\u00e4re sogar noch denkbar, dass die Dilatatoren nicht direct, sondern indirect auf dem Wege des Reflexes erregt werden. Dass aber reflectorisch Melliturie erzeugt werden k\u00f6nne, lehrt Eckhard \\ der durch centripetale Erregung des N. vagus Diabetes erzeugte.\nDass Durchschneidung nicht nur eines Centralorganes, sondern auch eines Nervenstammes oft, besonders wenn sie mit nicht scharf schneidenden Instrumenten ausgef\u00fchrt werden, einen langandauernden Reizzustand bewirken, sieht man leicht bei der Durchschneidung eines peripheren Stammes. Oft erzeugt die Durchschneidung des Cruralnerven einen wenige Secunden w\u00e4hrenden Tetanus der Extremit\u00e4t, und so kann ich mir gar wohl denken, dass auch die Durchschneidung der zu den Ganglien f\u00fchrenden Str\u00e4nge einen vor\u00fcbergehenden Reizzustand bewirke, wie lange aber dieser andauern muss, um den gew\u00fcnschten Erfolg zu haben, das wissen wir nicht.\nCyon und Aladoff versuchten weiter die Bahn zu bestimmen, welche den beiden Ganglien die wirksamen Fasern zuf\u00fchren, und fanden, dass es die Rami vertebrales oder die beiden Nerven seien, welche als Annulus Vieusseni die Arteria subclavia umgeben. Die Nervenfasern, deren L\u00e4hmung Diabetes erzeugt, verlassen (Cyon und Aladoff) das R\u00fcckenmark durch die R. r. vertebrales, passiren das Gangl. cervic. infer, und begeben sich durch den Annulus Vieusseni zum Ganglion stellatum.\nDurchschneidung des Grenzstranges erzeugt nie Diabetes beim Hunde, und selbst darauffolgende Exstirpation einer der beiden Ganglien derselben Seite ist erfolglos, w\u00e4hrend ein durch vorhergehende Ausrottung des Ganglions einmal eingeleiteter Diabetes durch eine Durchtrennung des Grenzstranges nicht aufgehoben wird.\nDiesen Widerspruch, der im Wesentlichen auf der schon oben erw\u00e4hnten (Cl. Bernard\u2019s) Durchsclmeidung des N. splanchnicus und Piquure hinausl\u00e4uft, suchen Cyon und Aladoff durch die Annahme gef\u00e4ssverengernder und erweiternder Fasern, die tiefer aus dem R\u00fcckenmark ihren Ursprung nehmen, zu deuten. Mit Bestimmtheit\n1 Eckhard. Beitr\u00e4ge zur Anat. u. Physiol. VIII. S. 93. 1879.","page":388},{"file":"p0389.txt","language":"de","ocr_de":"Diabetes mellitus.\n389\nwiesen sie manometrisch das Ansteigen des Druckes in der Arteria kepatica wie in der Vena porta bei Reizung der Zweige des Annulus Vieusseni nach (30\u201470 Mm. Arter. kep., 10\u201412 Mm. Vena porta). Die gef\u00e4sserweiternden Fasern werden, wenn sie \u00fcberhaupt nachweisbar sind (Cyon und Aladoff), tiefer aus dem R\u00fcckenmarke heraustreten. Jener Widerspruch l\u00f6st sich dadurch, dass nach der Durchschneidung des Grenzstranges Blutarmuth der Leber erzeugt werde, daher ein jeder sonst wirksame Eingriff sich als wirkungslos erweisen m\u00fcsse, w\u00e4hrend eine einmal eingeleitete Blutf\u00fclle (Exstirpation oder Piquure) nicht gleich wieder beseitigt werden k\u00f6nne.\nDie Versuche Cyon und Aladoff\u2019s werden leider dadurch von zweifelhaftem Wertke, als ihre Angaben \u00fcber den Zuckernachweis wenig sicher sind. Dass schwefelsaures Kupferoxyd auch bei entschiedenem Mangel alles Zuckers sich verf\u00e4rbt (braun wird) ist eine bekannte Thatsache, es kann also aus ihr nicht auf einen experimentellen Diabetes geschlossen werden; es ist daher wohl gerechtfertigt, dass Eckhard sich gegen die Beweiskraft ihrer Versuche etwas verwahrt.\nAus dieser Ver\u00e4nderung des Leberkreislaufes liesse sich jedoch wohl nur ein vor\u00fcbergehender Diabetes erkl\u00e4ren, derselbe m\u00fcsste nach Ablauf kurzer Zeit, nach dem Consum des vorhandenen Leber-glycogens ein Ende haben, es w\u00fcrde also, selbst wenn wir die Erkl\u00e4rung f\u00fcr den k\u00fcnstlichen Diabetes gelten Hessen, noch nicht daraus zu folgern sein, dass auch der pathologische (nicht traumatisch experimentelle) die gleiche Erkl\u00e4rung linde.\nAllein auch f\u00fcr jenen reicht die Erkl\u00e4rung nicht aus. Injicirt man hungernden Thieren eine L\u00f6sung von Zucker in die Pfortader oder in den Magen, so rufen wir dadurch Glycogenbildung in der Leber hervor, nicht so, wenn man dem hungernden Tkiere durch die Piquure Diabetes provocirt und ihm dann in gleicher Weise Zucker einverleibt. W\u00e4hrend ohne letzteren der Stich vollkommen unwirksam bleibt, tritt nach derselben Zucker im Harn, aber kein Glvcogen in der Leber auf. Es scheint, als ob die letztere durch jene Hirnreizung die F\u00e4higkeit der Glycogenbildung eingeb\u00fcsst habe, und jede Zuckerzufuhr daher auch gleich eine Zuckerausfuhr bewirke.\nDie Glycogenanh\u00e4ufung h\u00f6rt nach Unterbindung des Duct, ckole-dochus auf. Golowin 1 sah gleichzeitig Melliturie (bis 5 Proc.) bei Hunden eintreten, denen er Milch als Nahrung gab. Aehnliche Be-\n] Golowin, Arch. f. pathol. Anat. LUI. S. 42S. 1 ST 1.","page":389},{"file":"p0390.txt","language":"de","ocr_de":"390 y. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 10. Cap. Diabetes mellitus.\nobachtungen, wenn auch nicht so genau, habe auch ich1 an Kaninchen und Tauben gemacht. Auch die denselben vor der Operation gereichte Nahrung war eine der Glycogen- oder Zuckerbildung g\u00fcnstige, w\u00e4hrend auch widersprechende Angaben von K\u00fclz und Frerichs2 vorhanden sind.\nFrerichs berichtet \u00fcber einen Diabetiker bei Verschluss des Ductus choledochus durch Carcinom des Pankreas und Erkrankung der Varolsbr\u00fccke. Die Melliturie trat erst nach l\u00e4ngerem Bestehen des Icterus auf. Auch Zimmer beobachtete einen \u00e4hnlichen Fall (Zimmer a. a. O. S. 5 f.).\nFrerichs 3 berichtet ferner \u00fcber einen Fall von hochgradigem Diabetes bei Obliteration der Pfortader, welche anastomotisch direct in die Vena hepatica m\u00fcndete; also auch hier Ausschluss der Leberfunction.\nCl. Bernard4 beobachtete nach langsamer Obliteration der Pfortader, welche er durch nicht zu festes Umlegen einer Ligatur um dieselbe erzeugte, vor\u00fcbergehende Melliturie bei Hunden nach dem Genuss von Zucker oder amvlonreicken Speisen eintreten.\nEr macht darauf aufmerksam, dass die Venae kaemorrhoidales med. und infer, durch einige Zweige mit der Vena pudenda interna und durch sie mit der Vena hypogastrica (iliaca interna) und schliesslich mit der Vena cava infer, communiciren. Diese Verbindungen nehmen nat\u00fcrlich bei einer Verstopfung grosse Ausdehnungen an und gestatten eine vollst\u00e4ndige Herstellung des Kreislaufes. Ausserdem aber m\u00fcndet die Pfortader beim Menschen wie beim Hunde zuweilen direct in die Lebervene (ohne Capillarnetz) und dieser abnorme Weg kann ebenso wohl den Grund f\u00fcr die transitorische Melliturie nach Ausfall dieser wesentlichen Leberfunction abgeben. Zwei Tkiere, die dieser Operation unterworfen, gesundeten vollst\u00e4ndig, d. h. die Melliturie verschwand, und als zwei Monate sp\u00e4ter die Section der get\u00f6dteten Thiere angestellt wurde, erwiesen sich beide Lebern gly-cogenhaltig, der Zuckergehalt des Blutes erwies sich normal.\nAuch im f\u00f6talen Leben findet Cl. Bernard 5 Zucker im Harn, so lange keine Glvcogenfunction der Leber existirt; mit ihrem Eintritt f\u00e4llt jene fort.\n1\tv. \"Wittich a. a. 0.\n2\tK\u00fclz und Frerichs, Arch. f. d. ges. Physiol. XIII. S. 460. 1S76.\n3\tLuchsinger a. a. O. S. 8S.\n4\tCl. Bernard, Vorlesungen \u00fcber den Diabetes. Posner S. 158 u. ISS. \u2014 Hierher geh\u00f6ren auch der von Dr. Colrat beschriebene Fall von Lebercirrhose und Glycosurie etc. S. 160 und Andral\u2019s Fall von Diabetes von Obliteration der Porta: ibidem. S. 198.\n5\tCl. Bernard, Compt. rend. 4S.","page":390},{"file":"p0391.txt","language":"de","ocr_de":"Diabetes mellitus.\n391\nGenug, alle hier aufgef\u00fchrten Thatsachen, experimentelle wie pathologische, lehren, dass w\u00e4hrend der Melliturie die Glycogenan-h\u00e4ufung in der Leber schweigt, oder doch wenigstens abnimmt. Eine ausreichende Erkl\u00e4rung f\u00fcr diese mangelhafte Glycogenbildung zu geben, sind wir nicht im Stande, denn selbst jene von Bernard und Schiff aufgestellte vasomotorische Wirkung als bestehend zugegeben, w\u00fcsste ich nicht, wie man aus einer gr\u00f6sseren Blutf\u00fclle die mangelhafte Zur\u00fcckhaltung erkl\u00e4ren wollte.\nW\u00e4re die Bildung des Glycogens lediglich auf eine Anhydrisi-rung vorhandener Kohlenhydrate zur\u00fcckzuf\u00fchren, dann d\u00fcrfte man sich allerdings wohl die Vorstellung gestatten, dass das schnell vor\u00fcberstr\u00f6mende Blut nicht wohl die Zeit finde, um diesen Process im Parenchym der Leber auszuf\u00fchren, und doch d\u00fcrfte die Voraus-Setzung, dass schneller vor\u00fcberstr\u00f6mendes Blut weniger Zucker an die Leber abgebe, eine durchaus ungerechtfertigte sein.\nMit der Schnelligkeit des Blutstromes muss nothwendiger Weise der in der Zeiteinheit \u00fcbergegangene Zucker steigen, es w\u00e4re also die normale Function des Leberparenchyms vorausgesetzt, mehr Material zur Glycogenbildung der Leber zugef\u00fchrt worden.\nDie Angaben \u00fcber den Glycogengehalt der Lebern diabetisch gestorbener Menschen sind \u00fcbrigens sehr auseinandergehend.1 2\nZum Tlieil mag es darin liegen, dass man die Lebern nicht frisch genug zur Untersuchung bekommt, daher das Glycogen schon post mortem verschwunden sein kann, zum Theil mag auch darin der Grund zu finden sein, dass man oft ganz verschiedene Krankheiten vor sich hatte, die nur in dem einen Symptome ihr Gemeinschaftliches fanden, dass aber wirklich verschiedene \u00e4tiologische Momente den Grund f\u00fcr eine Melliturie abgeben k\u00f6nnen, geht schon daraus hervor, dass man ja auch verschiedene Methoden in Anwendung bringen kann, um einen k\u00fcnstlichen Diabetes zu erzeugen, von denen doch nur wenige auf gleiche vasomotorische Effecte zur\u00fcckzuf\u00fchren sind.\nBock und Hoffmann 2 haben gezeigt, dass man durch Einspritzung sonst ganz indifferenter L\u00f6sungen ins Blut Diabetes erzeugen k\u00f6nne. Aus K\u00fcntzel\u2019s3 Versuchen geht hervor, dass es aber nicht die specifische Wirkung bestimmter gel\u00f6ster Substanzen sei, sondern dass es lediglich die durch das eingef\u00fchrte Wasser bewirkte\n1\tv. Mering, Arch. f. d. ges. Physiol. XIV. S. 2S4. 1S77.\n2\tBock u. Hoffmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1S71. S. 550.\n3\tK\u00fcntzel, Experimentelle Beitr\u00e4ge zur Lehre von der Melliturie. Dissertation. Berlin 1S72.","page":391},{"file":"p0392.txt","language":"de","ocr_de":"392 v. Wittich, Physiol, d. Aufsaugung etc. 10. Cap. Diabetes mellitus.\nCirculationsst\u00f6rung in der Leber sei, welche sich hier als wirksam erweise; dass das durch die Verd\u00fcnnung des Blutes freiwerdende Ferment die Umsetzung des Glycogens in Zucker hervorrufe.\nAuf die Deutung der Erscheinung als Folge einer Nervenerregung kommt auch K\u00fclz \\ obwohl er den exacten Nachweis des Zuckers durch Bock und Hoffmann in Frage stellt; die das schwefelsaure Kupfer reducirende Substanz erwies sich n\u00e4mlich als optisch inactiv. Er verwirft aber auch den Einfluss des Blutdruckes (der Blutdruck wurde durch die Injection kaum ge\u00e4ndert), die Verd\u00fcnnung des Blutserums, eine Fermentwirkung oder die Ueberf\u00fchrung des Darmzuckers in die Blutbahn als die m\u00f6glichen Erkl\u00e4rung-momente.\nDiese Angaben K\u00fclz\u2019s stimmen \u00fcbrigens wenig mit den Angaben Schiff\u2019s 2 \u00fcberein, der bei einer jeden Drucksteigerung innerhalb der Leber Diabetes eintreten sah. Selbst mechanische Reizung des Parenchyms durch eine eingef\u00fchrte Nadel rief nach des Autors Angabe vor\u00fcbergehenden Diabetes hervor.\nPavy sah nach Einspritzung defibrinirten Blutes in die Blutbahn lebender Thiere Diabetes eintreten; wohl denkbar, dass durch den Process der Defibrinirung eine gr\u00f6ssere Menge freigewordenen Fermentes zugef\u00fchrt wird, dessen Wirkung sich als Glyc\u00e4mie und daraus folgender Glycosurie bemerklich macht. In erster Reihe scheinen auch Vergiftungen mit Chlorkohlenstoff (Eulenburg1 2 3), Amylnitrit (Hoffmann4), Nitrobenzol (Ewald) auf die Circulation zu wirken, und durch deren St\u00f6rung Diabetes mellitus zu erzeugen, obwohl man ja kaum von einer dieser Substanzen mit Bestimmtheit die Wirkungsweise anzugeben vermag.\nNicht anders steht es auch mit der von Harley beobachteten transitorischen Melliturie nach Einspritzung von Aether, Chloroform und Alkohol, obwohl hier doch noch eher an ein Freiwerden des Fermentes im Blute durch jene Substanzen zu denken ist. Das constante Auftreten von Melliturie nach Chloroforminhalationen wird \u00fcbrigens von vielen andern Beobachtern geleugnet.\nCoze5 6 fand eine gesteigerte Glyk\u00e4mie und Glycosurie nach Morphiumvergiftung, Rfiter 13 wies den Harnzucker nach subcutaner Injection von Morphium nach.\n1\tK\u00fclz, Beitr\u00e4ge zur Hydrurie und Melliturie. Marburg 1872.\n2\tSchiff a. a. O. S. 127.\n3\tEulenburg, Journ. f. pract. Chem. GUI. S. 108. 1868.\n4\tHoffmann, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1872. S. 746.\n5\tCoze, Compt. rend. XXXXY. p. 354. 1857.\n6\tRitter, Ztschr. f. rat. Med. XXIY. S. 76. 1865.","page":392},{"file":"p0393.txt","language":"de","ocr_de":"Diabetes mellitus.\n393\nBernard1 sah nach Vergiftung mit amerikanischem Pfeilgift Glycosurie eintreten, Winogradoff'2 und Saikowsky3 best\u00e4tigten nicht nur die Angabe, sondern fanden auch, dass diese Erscheinung eine durchaus constante sei. Schiff4 5 6 und Tieffenbach 5 konnten dieselbe nicht nur nicht best\u00e4tigen, sondern fanden auch, dass nur die Behinderung der Athmung den Grund f\u00fcr die Glycosurie abgebe. Die Versuche Tieffenbach\u2019s habe ich nicht nur selbst gesehen, sondern sie auch vielfach wiederholt; so lange die k\u00fcnstliche Respiration unterhalten wurde, gelang es uns nie einen zuckerhaltigen Harn aus der Blase zu gewinnen, wohl aber wenn wir durch Sistirung der Athem-bewegung die Symptome der CO-i-Intoxication hervorriefen.\nIn seinen Vorlesungen \u00fcber den Diabetes mellitus giebt Bernard genauer die Bedingungen an, unter welchen er zu positiven Resultaten kam, und es ist wohl m\u00f6glich, dass wir dieselben nicht mit der Genauigkeit innehielten, wie sie verlangt werden. Bernard ex-perimentirte mit sehr geringen Gaben des Giftes, welche kaum die Athemmuskulatur l\u00e4hmten, und beobachtete wohl 2 \u2014 3 Stunden bei regelm\u00e4ssiger k\u00fcnstlicher Athmung. Ich kann nicht daf\u00fcr stehen, ob wir nicht mit zu kr\u00e4ftiger Gabe und verk\u00e4ltnissm\u00e4ssig zu kurze Zeit hindurch beobachteten, da wir gleich bei beginnender Vergiftung k\u00fcnstliche Athmung einleiteten.\nAuch diese k\u00fcnstliche Glycosurie wird von Bernard auf eine Ueberf\u00fcllung der Leber mit Blut (beschleunigte Blutbewegung) zur\u00fcckgef\u00fchrt. Die Autopsie mit Urari vergifteter Tliiere zeigt uns auch unzweifelhaft eine Blut\u00fcberf\u00fcllung der Abdominaleingeweide; aber auch bei dem vergifteten, aber noch lebenden Tliiere l\u00e4sst sich als erstes Zeichen der Vergiftung durch die uner\u00f6ffneten Bauchdecken eine \u00e4usserst st\u00fcrmische peristaltische Bewegung des Darmes beobachten, welche unzweifelhaft auf einen st\u00e4rkeren Af\u00dcuxus zu der Darmmuskulatur zur\u00fcckzuf\u00fchren ist.\nNach Dock\u2019s 6 Beobachtungen wirkt das Curare diabetisch auf hungernde wie auf ges\u00e4ttigte Tliiere, was bei der Piquure nicht statt-llndet.7 8 Immer ist diese Thatsache, wie der Umstand, dass mangelhafte Athmung allein keinen Diabetes bewirkt, von grosser Bedeutung, sie lehrt', dass durch die Curarisiriuig eine Assimilationsst\u00f6rung\n1\tBernard, Le\u00e7. cle Physiol, exper. I. p. 342. 1S55.\n2\tWinogradoff, Arch. f. patliol. Anat. XXIV. 1S62. XXY1I. 1S63.\n3\tSaikowsky, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1S65. S. 353.\n4\tSchiff a. a. 0.\n5\tTieffenbach. Glycogene Function der Leber. Dissert. K\u00f6nigsberg 1869.\n6\tDock, Arch. f. d. ges. Physiol. Y. S. 571.\n7\tSeelig, Dissertation. K\u00f6nigsberg 1873.\n8\tPieschop, K\u00fclz a. a. 0. II. S. 123. 1875.","page":393},{"file":"p0394.txt","language":"de","ocr_de":"394 v. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugimgetc. 10. Cap. Diabetes mellitus.\nbewirkt werde, welche bei ungen\u00fcgender Ventilation Glycosurie bewirke.\nWie das Curare wirkt auch nach Reschop das schwefelsaure Methyldelphinin.\nAuch die von Bernaud 1 zuerst beobachtete Glycosurie nach Kohlenoxydgasvergiftung, die sp\u00e4ter von Friedberg 2 und Senfe 1 2 3 zum Gegenst\u00e4nde eines eingehenden Studiums gemacht wurde, l\u00e4sst sich wohl zun\u00e4chst auf die durch das Gift bewirkte Kreislaufsst\u00f6rung zur\u00fcckf\u00fchren. Nach Senff (a. a. O. S. 22) ist die arterielle Spannung w\u00e4hrend der Vergiftung eine sehr wechselnde, der bedeutenden Herabsetzung des Druckes unter dem Einfluss GO-Vergiftung geht eine Erh\u00f6hung weit \u00fcber die Norm voraus, und auch bei etwaiger Erholung des Versuchstieres zeigt sich eine vor\u00fcbergehende Steigerung desselben.\nSind wir daher auch nicht im Stande diesen transitorischen Diabetes, den wir durch Darreichung bestimmter Gifte oder \u00f6rtlicher Verletzung der nerv\u00f6sen Centralorgane provociren k\u00f6nnen, in jedem einzelnen Falle zu erkl\u00e4ren, so haben alle doch das gemeinsame, dass sie in Folge oder doch wenigstens gleichzeitig mit lebhaften St\u00f6rungen im Kreislauf auftreten, d. h. dass eine auch sonst normal sich zeigende Glyc\u00e4mie und die ihr folgende Glycosurie sich vor\u00fcbergehend steigert. Alle Versuche, die man dar\u00fcber angestellt hat, haben stets eine erheblichere Steigerung des Zuckergehaltes im Blute gezeigt, und erreichte derselbe auch nicht die H\u00f6he, welche nach den Angaben v. Becker\u2019s nothwendig ist, um Glycosurie zu bewirken, so ist zu bedenken, dass die Feststellung derartiger Grenzen doch immer ihr missliches hat, da schon die quantitative Bestimmung des Zuckers in so complicirter Fl\u00fcssigkeit (Blut) ihre grossen Schwierigkeiten bietet.4 5\nAuch die von Schiff beobachtete mehrt\u00e4gige Glycosurie nach Durchschneidung des Dorsalmarks wie die nach v. Gr\u00e4fe 5 bei der intracraniellen Durchschneidung des Trigeminus erfolgende l\u00e4sst sich gar wohl auf St\u00f6rungen im Kreisl\u00e4ufe zur\u00fcckf\u00fchren, die auf dem Wege des Reflexes bewirkt wurden.\n1\tBernard, Le\u00e7ons sur les effets des substances toxiques et m\u00e9dicamenteuses 1S37. p. 161.\n2\tFriedberg, Die Vergiftung durch Kohlendunst. Berlin 1866.\n3\tSenfe, Leber den Diabetes nach 6'D-Athmung. Dissert. Dorpat 1S69.\n4\tEach v. Becker tritt bei 0,5 Proc. Zucker im Blute Melliturie ein; nach Lehmann und Uhle bei 0,6 Proc., nach dem Zuckerstich bereits bei 0,357 Proc. ; nach Bernard bei Hunden bei 0,25 bis 0,3 Proc. ; es sind also ungemein grosse Schwankungen hierbei im Spiele.\n5\tKrause, Annotationes ad diabeten. Inaug.-Dissert. Halle 1S53.","page":394},{"file":"p0395.txt","language":"de","ocr_de":"Diabetes mellitus.\n395\nRecapituliren wir nochmals das \u00fcber die normale und anomale Zuckerbildung im K\u00f6rper Gesagte, so sehen wir, dass das Blut schon in physiologischem Zustande Zucker f\u00fchrt, und dass dieses nur aus der Leber demselben zugef\u00fchrt werden k\u00f6nne, dass selbst bei Abstinenz aller jener Substanzen, welche als zuckerbildende Nahrung betrachtet werden k\u00f6nnen, fort und fort Zucker gebildet werde, so lange die Leber ungehindert fungirt, dass mit ihrem Ausschluss das Blut seines Zuckers verlustig geht. Dass mit einer Mehrzufuhr von Zucker, Dextrin und andern Kohlenhydraten der Zuckergehalt des Blutes vor\u00fcbergehend vermehrt werden k\u00f6nne, ja wohl gar die Veranlassung zu einer transitorischen Glycosurie gegeben werden k\u00f6nne. Dass daher die M\u00f6glichkeit einer rein physiologischen Melliturie vorhanden sei. Als solche haben wir auch alle jene F\u00e4lle zu deuten, welche oft als reine Folgeerscheinungen anderer physiologischer oder pathologischer meistens transitorischer Processe anzusehen sind (Melliturie der W\u00f6chnerinnen, s\u00e4ugender Kinder), als Folgekrankheit nach andern stark consumirenden Krankheiten (Cholera, Phthisis u. a.).1\nHieran schliessen sich ferner jene F\u00e4lle von Melliturie, in denen die Uebergangsf\u00e4higkeit des Zuckers zum Harn durch irgend welchen pathologischen Process gesteigert erscheint. Als den Prototyp dieses betrachten wir die durch den Zuckerstich bewirkte Melliturie. In ihr gen\u00fcgt schon ein geringeres Maass von Zuckergehalt des Blutes, um seine Ausscheidung zu erm\u00f6glichen. Die Glycogenbildung durch die Leber ist nicht aufgehoben, noch mehr, wenn wir durch irgend ein anderes ^ erfahren die Glycogenbildung beseitigen, so machen wir auch die Piqu\u00fcre dadurch unwirksam. In gleicher Weise wirken ferner wohl auch die anderweitigen zur Darstellung des k\u00fcnstlichen Diabetes benutzten mehr oder weniger giftig wirkenden Substanzen; auch sie vermehren nicht nur die Menge des Blutzuckers, sondern steigern auch seine Uebergangsf\u00e4higkeit in den Harn.\nLs scheint, als ob mit der Piqu\u00fcre und andern Verletzungen der Centraltheile die F\u00e4higkeit verloren gehe, die zuckerbildenden Stoffe in der Leber als Glycogen fest zu halten, die Leber verh\u00e4lt sich w\u00e4hrend der Reiz Wirkung jener vollst\u00e4ndig, als ob wir ihre Blutzu-tuhr unterbrochen haben, oder eine sonst glycogenbildende Substanz in L\u00f6sung in die K\u00f6rperblutmasse einf\u00fchrten, ihren Durchtritt durch das Leberparenchym verhinderten (allm\u00e4hliche Unterbindung der Porta).\nEine anderweitige M\u00f6glichkeit w\u00e4re in der Vermehrung des sac-chariticirenden Fermentes, sei es mm der Leber oder des dieselbe\n1 Senator, Diabetes mellitus in Ziemssen\u2019s Handb. d. Pathol. XIII. (2) S. 214.","page":395},{"file":"p0396.txt","language":"de","ocr_de":"396\nv. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 10. Cap. Diabetes mellitus.\ndurchstr\u00f6menden Blutes. Nach Tiegel\u2019s 1 Angaben wirkt die Zerst\u00f6rung der Blutk\u00f6rperchen auf die Freiwerdung von Ferment. Wenn ich auch nicht glaube, dass alles in der Leber wirksame Ferment von dem Blute herstamme, und die Zerst\u00f6rung der Formbestandtheile desselben absolut nothwendig* sei zu seiner Wirkungsf\u00e4higkeit, so l\u00e4sst sich doch nicht fortleugnen, dass manche jener experimentellen Maassnahmen (Einspritzung von Wasser, Salzl\u00f6sungen, defibrinirten Blutes, Chloroform, Aether u. a. m.) wohl eine Vernichtung der Blutk\u00f6rperchen bewirken und dadurch die fermentirende Wirkung zu steigern verm\u00f6gen.\nEs widerspricht diese Annahme durchaus nicht unseren Anschauungen \u00fcber die Wirkungen der Fermente (wie Senator meint). Es ist eine nicht zu bestreitende Thatsache, dass, je mehr Ferment man einer Substanz zusetzt, desto energischer und schneller seine Wirkung sei.\nSetzt man zu einer bestimmten Menge Blutes eine gewisse Quantit\u00e4t von Chloroform oder Aether, so wird bald schneller bald langsamer ein Theil der Blutk\u00f6rperchen zerst\u00f6rt, von der jedesmaligen Menge der so gel\u00f6sten h\u00e4ngt auch die Menge des freiwerdenden Fermentes, und somit seine Wirksamkeit ab. Ich kann mir daher gar wohl die Inconstanz der Ergebnisse aus der Inconstanz der Wirkung des Chloroform und Aether erkl\u00e4ren, um so mehr, als ja unsere Kenntnisse \u00fcber die quantitativen Verh\u00e4ltnisse der Fermente \u00e4usserst d\u00fcrftig sind.\nEs w\u00e4re gar wohl noch denkbar, dass w\u00e4hrend des Diabetes nur der Verbrauch des Zuckers im Blute beeintr\u00e4chtigt sei! Es st\u00e4nde diese Annahme durchaus nicht den Angaben Sche-remetjewski\u2019s entgegen. Denn geben diese auch an, dass der Zucker nicht zu den leicht oxvdabeln Substanzen geh\u00f6rte, die im Blute verbrannt werden, so ist doch die Annahme noch immer zul\u00e4ssig, dass der leicht diffusible Zucker in die Parenchyme \u00fcbertrete und hier verbrannt werde. Man hat gegen diese Deutung, welche also in einem geringeren Verbrauch ihre Spitze findet, geltend gemacht, dass da muthmaasslich w\u00e4hrend der Muskelth\u00e4tigkeit und im Parenchym Dieses die Verbrennung erfolge, Unth\u00e4tigkeit der Muskeln ebenfalls einen unzureichenden Verbrauch und dadurch Glycosurie bewirken m\u00fcsse; dass dieselbe aber durchaus nicht als eine constante Begleiterin allgemeiner Paralysen auftrete. Dass im Gegentheil ganz unth\u00e4tige oder doch wenig th\u00e4tige Muskeln eine Anh\u00e4ufung von Glycogen zeigen,\n1 Tiegel, Arch. f. d. ges. Physiol. VI. S. 291.","page":396},{"file":"p0397.txt","language":"de","ocr_de":"Diabetes mellitus.\n39/\nman hat aus dieser Thatsache auch wohl gefolgert, dass dem Muskel ebenso wie der Leber eine glycogene Function, d. h. die F\u00e4higkeit zukomme, Zucker in Glycogen umzuwandeln.\nAus Versuchen an Winterfr\u00f6schen (siehe fr\u00fcher S. 380 oben) ist es uns jedoch sehr unwahrscheinlich, dass das Glycogen nur als Zucker dem Muskel zugef\u00fchrt werde, auch Thiere, die das Zuckerferment entbehren, consumiren w\u00e4hrend des Tetanus das in der Leber angeh\u00e4ufte Glycogen. Findet hier ein causaler Zusammenhang statt, so ist es doch nicht gut anders denkbar, als dass das Glycogen als solches in den Muskel \u00fcbergehe und hier verarbeitet werde.\nVersuche, die ich mit den verschiedensten Geweben vom Frosch anstellte, welche ich in Reagenzgl\u00e4sern in einer (1 procentigen) Gly-cogenl\u00f6sung aufstellte, lehrten mich, dass der Muskel von allen Geweben dasjenige sei, welches verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig am langsamsten Glycogen in Zucker umwandelte, durch andauernde Th\u00e4tigkeit aber diese Umwandlung beschleunigt werde. Es scheint demnach, als ob dasselbe nur zum Theil in Zucker umgewandelt, zum gr\u00f6sseren Theile als solches verarbeitet werde.\nF\u00fcr diese Deutung des Zustandekommens der Glycosurie durch unzureichenden Verbrauch des Glycogens oder Zuckers spricht auch wohl Nasse und Zimmer\u2019s1 Angabe, dass ein ergiebiger Muskelgebrauch den Zucker im Diabetesharne oft zum Schwinden bringe. Wir sind in unserer Darstellung von der Voraussetzung ausgegangen, dass die Bildung des Glycogens eine Leberfunction ist, dass dasselbe nur zum kleinsten Theile als solches dem K\u00f6rper zugef\u00fchrt werde, sondern erst aus ihm nahe verwandten oder andern complicirteren Gebilden assimilirt werde, dass seine physiologische Bedeutung in seiner functioneilen Verwerthung zu finden sei ; dass dasselbe zum Theil als ein Bildungsmaterial bei der Gewebsneubildung, zum Theil als Kr\u00e4fteproducent verwerthet werde. Seine leichte Ueberf\u00fchrbar-keit in Zucker l\u00e4sst es mehr als wahrscheinlich erscheinen, dass eine solche auch w\u00e4hrend des Lebens stattfinde, dass die stets vorhandene Glyc\u00e4mie ihm ihre Entstehung verdanke. Weiter folgt aus der Darstellung, dass die Glyc\u00e4mie bis zu einer gewissen Grenze gesteigert den Ausgangspunkt geben k\u00f6nne f\u00fcr eine pathologische Glycosurie, die in der wohl wahrscheinlich auch physiologisch vorkommenden Glycosurie ihren Ursprung findet.\nUnter normalen Verh\u00e4ltnissen beginnt die Melliturie erst bei einem gewissen h\u00f6heren Procentgehalt des Blutes an Zucker. Unter gewissen\n1 Nasse u. Zimmer a. a. 0.","page":397},{"file":"p0398.txt","language":"de","ocr_de":"398 v. WiTTiCH, Physiol, d. Aufsaugung etc. 10. Cap. Diabetes mellitus.\nabnormen Verh\u00e4ltnissen, welche die Assimilation der Kohlenhydrate als Glycogene behindert, gehen dieselben als Zucker in die Blutmasse, vermehren den Gehalt daran und werden in leicht nachweisbarer Art durch den Harn ausgeschieden.\nIn leichterer Form von Diabetes schwindet daher der Zucker im Harn bis auf kaum nachweisbare Menge bei der Entziehung aller jener Substanzen, welche zu den leichten Glycogenbildnern z\u00e4hlen.\nBei tiefer gehenden Assimilationsst\u00f6rungen nimmt auch die Gly-cogenbildung aus den Albuminaten der Nahrung so bedenkliche Grade an, dass f\u00fcr die Neubildung und Erhaltung des functionirenden K\u00f6rpers nicht ferner das erforderliche Material bleibt \u2014 daher Consum und Gewichtsabnahme, Sinken der Kr\u00e4fte u. s. w. Diese schwereren Formen sind recht eigentlich als Erkrankungen der Assimilation aufzufassen, die sie kennzeichnenden Symptome sind physiologisch begr\u00fcndete.\nSind wir somit auch keineswegs im Stande, weder den physiologischen Vorgang der Glycogenie, der Glyc\u00e4mie, noch das pathologische Zustandekommen der Glycosurie zu deuten, so gestatten uns doch die hier verwertheten Thatsachen einen gemeinsamen Gesichtspunkt f\u00fcr den physiologischen wie pathologischen Vorgang zu finden.","page":398}],"identifier":"lit37393","issued":"1881","language":"de","pages":"255-398","startpages":"255","title":"Zweiter Theil: Physiologie der Aufsaugung, Lymphbildung und Assimilation","type":"Book Section","volume":"5"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:44:25.371877+00:00"}