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{"created":"2022-01-31T16:41:06.261243+00:00","id":"lit37397","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Nagel, W. A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 34: 285-290","fulltext":[{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"285\n(Aus der physikalischen Abteilung des physiologischen Instituts\nder Universit\u00e4t Berlin.)\nEinige Beobachtungen\n\u00fcber die Wirkung des Druckes und des galvanischen Stromes auf das dunkeladaptierte Auge.\n(Zum Teil nach Versuchen von Herrn cand. med. Bleckwenn.)\nVon\nW. A. Nagel.\nG. E. M\u00fcller1 hat bekanntlich die h\u00f6chst interessante Entdeckung gemacht, dafs die Empfindlichkeit des Auges f\u00fcr inad\u00e4quate Reizung durch galvanische Str\u00f6m\u00a9 vom Adaptations-zustande unabh\u00e4ngig ist. Indem er an f\u00fcnf Versuchspersonen die Reizschwellen bestimmte, konnte er einen greifbaren Unterschied zwischen dem helladaptierten und dem gut dunkeladaptierten Auge nicht finden.\nIm Zusammenhang mit anderen Untersuchungen \u00fcber die Funktionsweise des dunkeladaptierten Auges, die ich in meinem Laboratorium im letzten Jahre ausf\u00fchren liefs und gegenw\u00e4rtig weiterf\u00fchren lasse, habe ich Herrn cand. med. Bleckwenn veranlafst, die M\u00fcLLERschen Versuche zu wiederholen. Herr B. hat sich dieser Aufgabe mit Sorgfalt und Geschick unterzogen und ist, wie ich hier mitteilen kann, zu einer vollen Best\u00e4tigung der Versuche M\u00fcllers gelangt.\nDas Versuchs verfahren war demjenigen M.s sehr \u00e4hnlich, insbesondere wurde die von M. angegebene, aus einer Mensurbrille hergestellte Elektrode zur Zuleitung des Reizes ins Auge\n1 \u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen. Diese Zeitschrift 14 8. 329.","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"286\nW. \u00c2. Nagel.\nben\u00fctzt und zweckm\u00e4fsig befunden. In einer Reihe anderer Versuche wurde eine lorgnetten\u00e4hnliche Vorrichtung verwendet, d. h. eine ringf\u00f6rmige, mit Flanell \u00fcberzogene Elektrode, die an einen Stiel gehalten wurde. F\u00fcr die Schwellenbestimmungen, bei denen Gleichm\u00e4fsigkeit der Strom Zuleitung n\u00f6tig ist, kam nat\u00fcrlich nur die erstere Elektrode iu Betracht\nHerr B. bestimmte die Reizschwellen am Schliefsungs- oder\n\u00bb\u2022\nOffnungsschlag unter Variierung des eingeschalteten Widerstandes. F\u00fcr einen Teil der Versuche wurden Induktionsschl\u00e4ge verwendet, die durch Ver\u00e4nderung des Rollenabstandes in ihrer Intensit\u00e4t variiert werden konnten.\nNachdem so die Unabh\u00e4ngigkeit der elektrischen Reizschwellen am Auge vom Adaptationszustande von neuem best\u00e4tigt war, habe ich noch einige Beobachtungen \u00fcber das Verhalten der Druckphosphene in verschiedenen Adaptationsstadien angestellt und von einigen anderen Personen zur Kontrolle meiner Ergebnisse ausf\u00fchren lassen.\nSchwellenbestimmungen sind bei dieser Reizart begreiflicherweise so gut wie ausgeschlossen, sie w\u00fcrden niemals \u00fcber einen sehr geringen Grad von Genauigkeit hinauskommen. Dagegen geht es sehr wohl an, bei deutlich \u00fcberschwelligen Druckreizen einen Vergleich der relativen St\u00e4rke des zu erzielenden Phosphens auszuf\u00fchren. Mit einiger \u00dcbung gelingt es, eine bestimmte Form des Phosphens unter gleichen Umst\u00e4nden sehr gleich-m\u00e4fsig immer wieder hervorzurufen. Ich w\u00e4hlte die Erscheinung, die bei maximaler Innenwendung eines Auges auftritt, wenn ich mit einer stumpfen Spitze hart am Orbitarande einen kurzen leichten Druck gegen das Auge aus\u00fcbe. Das Resultat ist ein gew\u00f6hnlich nicht ganz vollst\u00e4ndiger heller Ring, der etwa in die Gegend der Nasenwurzel verlegt wird. Ein oder zwei kleinere Ringe ei scheinen im Innern des ersteren, konzentrisch zu jenem.\nWenn ich nun diesen Versuch an dem einen helladaptierten und dem anderen durch 1/2 st\u00e4ndigen Verband dunkel adaptierten Auge vergleichsweise ausf\u00fchre, so ergibt sich sogleich, dafs auch das Druckphosphen mit der Dunkeladaptation nur in verh\u00e4ltnis-m\u00e4fsig geringem Mafse an Intensit\u00e4t zunimmt. Ich habe allerdings den bestimmten Eindruck, dafs die Erscheinung am Dunkelauge doch intensiver ist, indessen ist das Urteil hier\u00fcber unsicher, weil der Reizerfolg in beiden Augen qualitativ un-","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"Beobachtungen \u00fcber d. Wirkung d. Druckes u. d. galvanischen Stromes etc. 287\ngleich ist, und infolgedessen die quantitative Vergleichung etwas erschwert ist\nW\u00e4hrend n\u00e4mlich der erw\u00e4hnte Ring am Hellauge gelblich und schmal ist, erscheint er am Dunkelauge in deutlich bl\u00e4ulich* weifsem Licht und merklich verbreitert. Die Erscheinung ist hierdurch in dem dunkel gehaltenen Auge betr\u00e4chtlich gl\u00e4nzender. Jedenfalls kann aber davon keine Rede .sein, dafs die adaptive Empfindlichkeits8teigerung der Netzhaut f\u00fcr mechanischen Reiz von der gleichen Gr\u00f6fsenordnung w\u00e4re wie f\u00fcr den Lichtreiz.1\nIm Hinblick auf die Angaben M\u00fcllers, der die galvanischen Lichterscheinungen je nach der Stromrichtung in Complement\u00e4r-farben (bei absteigendem Strom gr\u00fcnlichgelb, bei aufsteigendem violettblau) fand, w\u00fcnschte ich festzustellen, ob etwa farbent\u00fcchtige Personen eine \u00e4hnliche F\u00e4rbung an dem Druckphosphen konstatieren k\u00f6nnten. Mein eigenes Urteil ist hier nicht mafs-gebend, da ich Dichromat (Deuteranop) bin, und einen gr\u00fcnlichen Ton im Gelb, einen violetten im Blau nicht wahrnehmen k\u00f6nnte. Ich habe daher auch zwei farbent\u00fcchtige gut beobachtende Personen veranlafst, den Versuch in gleicherweise auszuf\u00fchren. Es wurde mir von beiden best\u00e4tigt, dafs der Lichtreiz im Hellauge entschieden gelblich sei. Auf Befragen, ob das Gelb eher gegen das R\u00f6tliche oder gegen das Gr\u00fcnliche hin abweiche, erhielt ich die Antwort, die Farbe neige eher gegen das R\u00f6tlichgelbe. Im Dunkelauge wurde das Phosphen als weifs oder bl\u00e4ulichweifs bezeichnet.\nNachdem mir diese deutliche qualitative Verschiedenheit des Druckphosphens zwischen Hell- und Dunkelauge bekannt geworden war, pr\u00fcfte ich die galvanischen Lichtempfindungen nochmals auf diese Frage hin nach, um festzustellen, ob auch hierbei wenigstens eine Farbenverschiedenheit erkennbar sei. Nach guter Dunkeladaptation des einen Auges befestigte ich die erw\u00e4hnte Brillenelektrode vor den Augen und applizierte die andere Elektrode am Nacken. Die Stromzuleitung zu den beiden H\u00e4lften der Brillenelektrode war so eingerichtet, dafs ich durch Umlegen einer Wippe den Strom (von 4 Volt Spannung) abwechselnd dem einen und dem anderen Auge zuleiten konnte.\n1 Zu bedenken ist freilich, dafs die in Betracht kommenden, zum Sehen wenig verwendeten \u00e4ufsersten Teile der !Xetzhautperipherie stets nur unvollkommen helladaptiert werden k\u00f6nnen.","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"288\nW. A. Nagel\nMit einem Tasterschl\u00fcssel erzeugte ich Schliefsungs- und \u00d6ffnung* blitze. Die Phosphene waren indessen am Hell- und am Dunkel-auge qualitativ und quantitativ durchaus \u00fcbereinstimmend beschaffen. Es besteht also hinsichtlich der Abh\u00e4ngigkeit der Druckphosphene und galvanischen Phosphene vom Adaptationszustand ein deutlicher Unterschied.\nHerrn Bleck wenn hatte ich veranlagst, n\u00e4chst den erw\u00e4hnten Versuchen \u00fcber die galvanischen Phosphene noch eine weitere Versuchsreihe anzustellen, um zu pr\u00fcfen, ob die Lichtempfindlichkeit des dunkeladaptierten Auges unter dem Einfiufs elektrischer Durchstr\u00f6mung des Auges alteriert werde oder nicht Aus der von K\u00fchne beobachteten Unempfindlichkeit des Sehpurpurs gegen galvanische Durchstr\u00f6mung des Auges konnte nicht geschlossen werden, dafs die Galvanisierung nun ganz ohne Einfiufs auf die Lichtreizschwelle sein m\u00fcsse. Bei den zahlreichen Schwellenmessungen am dunkeladaptierten Auge, die wir im letzten Jahre ausgef\u00fchrt hatten, war uns sehr h\u00e4ufig der st\u00f6rende Einfiufs der subjektiven Lichterscheinungen, des aus unbekannter Ursache gesteigerten Eigenlichtes der Netzhaut, aufgefallen. Nun tritt bekanntlich bei der Einwirkung m\u00e4feig starker absteigender Str\u00f6me eine im ersten Augenblick \u00fcberraschend tiefe Schw\u00e4rze des Gesichtsfeldes auf, w\u00e4hrend andererseits der aufsteigende Strom das Gesichtsfeld in weifslichem Lichte erscheinen l\u00e4fst. Diese Unterschiede im Zustande des Gesichtsfeldes sind erheblicher als die aus unbekannten inneren Ursachen auftretenden Schwankungen des Eigenlichtes, und die Pr\u00fcfung ihrer Wirkung auf die Lichtsinnschwelle erschien darum wohl lohnend. Da das von subjektiven Lichtnebeln m\u00f6glichst freie schwarze Gesichtsfeld erheblich niedrigere Reizschwellen ergibt, als das mit Lichtnebeln erf\u00fcllte, konnte man an die M\u00f6glichkeit denken, dafs auch das durch absteigenden Strom gereinigte oder geschw\u00e4rzte Dunkelgesichtsfeld niedrigere Lichtreizschwellen auf weisen w\u00fcrde. Freilich liefse sich auch f\u00fcr die gegenteilige Vermutung etwas anf\u00fchren, f\u00fcr die Annahme, dafs der absteigende Strom mit der Beseitigung des Eigenlichtes auch die Empfindlichkeit f\u00fcr \u00e4ufsere Reize vermindern m\u00f6chte.\nDie Versuche haben weder der einen noch der anderen Vermutung recht gegeben, die Schwellen blieben im auf- wie im absteigenden Strom unver\u00e4ndert auf der gleichen H\u00f6he.\nDie hierauf bez\u00fcglichen Versuche wurden mit der von","page":288},{"file":"p0289.txt","language":"de","ocr_de":"Beobachtungen \u00fcber d. Wirkung d. Druckes u. d. galvanischen Stromes etc. 289\nH. Piper1 beschriebenen Anordnung ausgef\u00fchrt, die den zeitlichen Anstieg der Lichtempfindlichkeit im Dunkelaufenhalt und die Endschwellen mit grofser Genauigkeit und zugleich recht bequem zu bestimmen gestattete.\nHerr Bleckwenn hatte durch h\u00e4ufige Beteiligung an den PiPERschen Versuchen Erfahrung in der Ben\u00fctzung des Apparates und \u00dcbung in der Einstellung seiner Lichtreizschwellen gewonnen. In einigen Versuchen fungierte auch Herr Dr. Piper als Beobachter, in einigen anderen ich.\nDie Zuleitung des Stromes geschah durch die oben erw\u00e4hnten Elektroden. Um die Schliefsungs- und \u00d6ffnungsblitze zu vermeiden, das Auge also in den Strom einschleichen zu lassen, diente eine Vorrichtung, die in dieser Form urspr\u00fcnglich von Blasius und Schweitzer 2 angegeben und von mir * * bei galvanotaktischen Versuchen als zweckm\u00e4fsig erprobt war. In ein mit Zinksulfatl\u00f6sung gef\u00fclltes St\u00fcck Gummischlauch waren an beiden Enden Korke eingesetzt, die von amalgamierten Zinkst\u00e4bchen durchbohrt waren ; letztere waren mit den Zuleitungsdr\u00e4hten verbunden. Eine Klemme gestattete, durch allm\u00e4hliches Zudr\u00fccken des Schlauches den Strom ganz unmerklich verschwinden zu lassen. Wir verwendeten Stromst\u00e4rken von der geringsten Intensit\u00e4t an, bei der noch eine merkliche Erhellung des Gesichtsfeldes bei aufsteigender, Verdunkelung bei absteigender Stromesrichtung vorhanden war, bis zu solchen, bei denen selbst die feuchten, der Haut gut anliegenden Elektroden heftigen Hautschmerz erzeugten. Eine Verschiebung der Lichtreizschwelle erzielten wir indessen, wie gesagt, nie, weder bei auf steigendem, noch bei absteigendem Strom.\nIn diesem Zusammenhang m\u00f6ge endlich noch erw\u00e4hnt werden, dafs ich auch durch l\u00e4ngere Zeit anhaltenden Druck auf das Auge eine Beeinflussung des Dunkeladaptationsvorganges nicht habe finden k\u00f6nnen. Mafs ich meine Reizschwelle nach halbst\u00fcndigem Dunkelaufenthalt, oder nach halbst\u00fcndigem Tragen eines das Auge nicht dr\u00fcckenden lichtdichten Verbandes auf einem Auge, oder endlich nach halbst\u00fcndigem Tragen eines Druckverbandes, so ergab sich in allen drei F\u00e4llen die gleiche\n1 Diese Zeitschrift 31.\n*\tPfl\u00fcgers Archiv 53.\n*\tEbenda 50.\nZeitschrift fur Psychologie 34.\n19","page":289},{"file":"p0290.txt","language":"de","ocr_de":"290\nW. A. Nagel.\nSchwelle; die unvermeidlichen kleinen. Schwankungen der einzelnen Messungen waren nicht gr\u00f6fser, als bei verschiedenen unter ganz \u00fcbereinstimmenden Bedingungen ausgef\u00fchrten Versuchen. Auch wenn ich im Hellen einen Druckverband auf einem Auge anlegte, und dann im v\u00f6lligen Dunkel eine Stunde verweilte, fand ich nach Abnahme der Binde die Reizschwellen beider Augen \u00fcbereinstimmend, die Helligkeit schwacher \u00fcberschwelliger Lichter nicht merkbar unterschieden.\n(Eingegangen am 20. November 1903.)","page":290}],"identifier":"lit37397","issued":"1904","language":"de","pages":"285-290","startpages":"285","title":"Einige Beobachtungen \u00fcber die Wirkung des Druckes und des galvanischen Stromes auf das dunkeladaptierte Auge (Zum Teil nach Versuchen von Herrn cand. med. Bleckwenn)","type":"Journal Article","volume":"34"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:41:06.261249+00:00"}