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{"created":"2022-01-31T15:04:40.720947+00:00","id":"lit37398","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Frey, Hugo","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 28: 9-41","fulltext":[{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Ans dem Physiologischen Institute der k. k. Universit\u00e4t Wien.)\nExperimentelle\nStudien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\nVon\nDr. Hugo Frey,\nAssistent der k. k. Universit\u00e4tsklinik f\u00fcr Ohrenkranke (Hofrath Prof. Dr. A. Politzer) in Wien.\n(Mit einer Tafel.)\nEinleitung und Fragestellung.\nBekanntlich betrachtet man diejenige Art der Schallzuleitung zum Labyrinth, bei der die Schallwellen durch die Luft des Geh\u00f6rganges und den Schahleitungsapparat im engeren Sinne gehen, als die gew\u00f6hnliche und bezeichnet sie mit dem Namen der \u201eLuftleitung\u201c. Im Gegens\u00e4tze dazu wird mit dem Worte \u201eKopfknochenleitung\u201c der Vorgang bezeichnet, bei dem die Schallwellen, ohne vorerst die Luft des Geh\u00f6rganges zu passiren, direct auf die Knochen des Sch\u00e4delskelettes auftreffen und von da aus auf irgend einem Wege das Labyrinth erreichen.\nDie Frage, welches dieser Weg sei, ist heute noch eine umstrittene, wiewohl sie bereits seit sehr langer Zeit zur Discussion steht. Dieser Umstand beleuchtet am besten die Verworrenheit, in der das ganze Problem der Kopfknochenleitung mit den sich anschliefsenden Fragecomplexen physiologischer und pathologischer Natur sich befindet.\nDafs es f\u00fcr die Knochenleitung nur einen quantitativen Unterschied ausmachen k\u00f6nne, ob die Wellen durch feste K\u00f6rper auf den Knochen direct \u00fcbertragen werden (z. B. durch eine aufgesetzte Stimmgabel), oder ob sie durch das Medium der Luft ihm mitgetheilt werden, ist klar, und es w\u00e4re auch noch festzu-","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nHugo Frey.\nstellen, inwieweit bei der gew\u00f6hnlichen Art des H\u00f6rens in der Luft die Knochenleitung mitconcurrire, d. h. ein wie grofser An-theil von den in der Luft sich ausbreitenden Schallwellen einerseits den Geh\u00f6rgang passirend und ein wie grofser andererseits direct, die Sch\u00e4deloberfl\u00e4che treffend, dem Endorgane des N. Acusticus zugef\u00fchrt wird.\nSo reich nun die bisherige Literatur an Untersuchungen \u00fcber die Knochenleitung und \u00fcber ihre pathologischen Ver\u00e4nderungen ist, so gering ist in ihr das eigentliche experimentelle Moment vertreten; ihr theoretisches Ergebnifs mufs ein recht bescheidenes genannt werden. Der Grund daf\u00fcr liegt wohl darin, dafs wir es hier mit h\u00f6chst complicirten Vorg\u00e4ngen zu thun haben und dafs die meisten der bisherigen Untersuchungen, insofern sie sich nicht auf rein speculativer Basis bewegen, unter ung\u00fcnstigen Umst\u00e4nden am Lebenden vorgenommen wurden oder\n\u2014\twenn am Pr\u00e4parat \u2014 doch sofort die verwickelteren Theil-fragen des Problems in Betracht zogen.\nEs scheint, dafs die Untersuchung am Lebenden schon deshalb grofsen Schwierigkeiten begegnet, weil f\u00fcr die Ver-werthung ihrer Resultate sowohl die objective als die subjective Zuverl\u00e4ssigkeit des Untersuchten entscheidend wird und uns nur Anfang und Ende einer Reihe bekannt werden, deren Mittelglieder f\u00fcr die unmittelbare Anschauung ganz verloren gehen\n\u2014\tgerade sie sind es aber, die uns besonders interessiren.\nDie zweite M\u00f6glichkeit, durch Untersuchungen am Pr\u00e4parate Klarheit zu gewinnen, wurde bisher so verstanden, dafs man sich das irgendwie pr\u00e4parirte Geh\u00f6rorgan als solches zum Object des Experimentes w\u00e4hlte, wobei aber bereits die verwickelteren Verh\u00e4ltnisse des sogenannten Schallleitungsapparates complicirend auftreten.\nDie Erkl\u00e4rung der Versuchsergebnisse erfordert es, mit einer Reihe von Begriffen zu operiren, die bisher durchaus nicht gen\u00fcgend definirt worden sind, und sich auf Vorg\u00e4nge beziehen, deren rein physikalische Wesenheit \u00fcberhaupt noch nicht ersichtlich ist.\nIch setzte es mir daher als Aufgabe, vorerst die Bedingungen zu studiren, welche f\u00fcr die Schallleitung im Knochen \u00fcberhaupt maafsgebend sind und konnte hoffen, neben Resultaten, welche an und f\u00fcr sich interessant zu sein versprachen, auch solche zu erzielen, die als eine Grundlage f\u00fcr h\u00f6her geordnete Probleme","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n11\ndieser Art dienen konnten. Um m\u00f6glichst gr\u00fcndlich zn verfahren, w\u00e4hlte ich vorl\u00e4ufig folgende Fragen:\n1.\tIn welcher Weise wird der Schall \u00fcberhaupt im menschlichen Knochen fortgeleitet, und welchen Einflufs nimmt die Structur des Knochengewebes auf den Leitungsvorgang?\n2.\tWie verh\u00e4lt sich in dieser Beziehung der macerirte Knochen zum frischen ?\n3.\tIn welcher Weise werden den Sch\u00e4delknochen zugef\u00fchrte Schallwellen in diesen fortgeleitet; in welchem Ausmaafse geschieht dies und auf welchem Wege?\n4.\tWie verh\u00e4lt es sich diesbez\u00fcglich a) beim macerirten Sch\u00e4del, b) beim nicht macerirten Kopfe?\nBisheriger Stand der Frage.\nFr\u00fcheren Autoren 1 2 erschien es vielfach zweifelhaft, ob \u00fcberhaupt der Schallzuleitung durch die Kopfknochen irgend ein in Betracht kommender Werth zuzuschreiben sei. Es war zwar bereits von Inge Assi a 2 bemerkt worden, dafs Schallwellen durch die festen Theile des Sch\u00e4dels fortgeleitet und percipirt werden k\u00f6nnen, und im 18. Jahrhundert zeigte Pebolle 3, dafs die harten Theile des Kopfes sehr geeignet w\u00e4ren, die T\u00f6ne zum Geh\u00f6rnerven fortzupflanzen, w\u00e4hrend diejenigen Theile, welche mit Weichgebilden bedeckt w\u00e4ren, diese Eigenschaft in einem geringeren Grade bes\u00e4fsen. Auch bestimmte er die vortheilhaftesten Stellen am Kopfe, von welchen aus sonst Tauben noch manche T\u00f6ne wahrnehmbar zu machen w\u00e4ren. Er hielt eine Taschenuhr bei verstopften Ohren an alle Punkte der Oberfl\u00e4che des Kopfes und best\u00e4tigte die Erfahrung B\u00fcchner\u2019s, dafs \u00fcberhaupt die Theile, welche mit viel \u201eFleisch\u201c bedeckt sind, weniger empfindlich sind f\u00fcr den Schall als solche, bei denen die Knochen nicht so tief liegen. Am besten pflanzten die Z\u00e4hne den Schall fort, n\u00e4chst diesen der vordere und untere Winkel des Vorderhauptbeines.\n1\tL. H. bei Literaturangaben bedeutet: citirt nach Lincke\u2019s Handbuch der Ohrenheilkunde, Leipzig 1837.\n2\tIngrassia. Commentarii in Galeni librurn de ossibus. Panormi 1603. L. H.\n3\tPerolle nach Lichtenberg's Magazin f\u00fcr das Neueste aus der Physik und Naturgeschichte 2, 3. L. H.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nHugo Frey.\nJorissen 1 und WinklerI 2 sowie auch Ba\u00fcmer3 machen ebenfalls einige Anmerkungen in dieser Beziehung.\nChladni4 fand, dafs eine Uhr, die er auf den Hinterkopf brachte, um so deutlicher geh\u00f6rt werde, je mehr er sie derjenigen Stelle n\u00e4herte, an der das Hinterhauptbein mit dem Felsenbein verbunden ist. Diesbez\u00fcgliche Beobachtungen sind auch von Arnold 5 6 mitgetheilt.\nW\u00e4hrend derart das Ph\u00e4nomen der directen Kopfknochen-leitung, beobachtet bei unmittelbarer Ber\u00fchrung der schwingenden festen K\u00f6rper mit dem Knochen, als etwas auch schon in \u00e4lterer Zeit Bekanntes erscheint, finden wir ebenso bereits sehr fr\u00fch die Erfahrung mitgetheilt, dafs durch die Luft fortgeleitete Schwingungen, indem sie auf den Sch\u00e4del auftreffen, zu dem eigentlichen Geh\u00f6rorgan geleitet werden k\u00f6nnen.\nSo erz\u00e4hlen Pietro de Castro g, Panarolus 7 8 9, De Lanis s und Lentin 9 von hierher geh\u00f6rigen F\u00e4llen.\nDiese Thatsache wurde allerdings von Treviranus10 II bezweifelt, aber Versuche, welche Perier und Savart 11 anstellten, ergaben sichere Beweise f\u00fcr die M\u00f6glichkeit der Schallzuleitung auf diesem Wege.\nIn der bekannten Abhandlung \u00fcber das H\u00f6ren von Harless12 finden wir diese beiden Arten der Zuleitung des Schalles als bekannte Thatsachen dargestellt, und es ist sogar hier bereits eine Anzahl von Versuchen mitgetheilt, welche \u00fcber die Art der Schallfortpflanzung in festen und fl\u00fcssigen K\u00f6rpern einige Aufkl\u00e4rung bringen. Jedoch sind dieselben derart ausgef\u00fchrt, dafs\nI\tJorissen. Diss. inaug. sistens novae methodi surdos reddendi audien-\ntes rationes. Halae Magdeb. 1757. L. H.\n3 Winkler. De ratione audiendi per dentes programma. Lipsiae 1759. L. H.\n3\tBaumer. Prodromus methodi surdos a nativitate faciendi audientes et loquentes. Erfordi 1749. L. H.\n4\tChladni. Die Akustik. Leipzig 1802. \u00a7 224 u. ff.\n5\tArnold. Zeitschr. f. Physiologie v. Tiedemann u. Treviranus 2, 153. L. H.\n6\tPietro de Castro. Tractatns de Colostro. Caput III. L. H.\n:\t7 Panarolus. Pentecost. IY. Obs. 17. L. H.\n8\tDe Lanis. Magisterium naturae et artis. L. H.\n9\tLentin. Beitr\u00e4ge zur praktischen Arznehvissenschaft 2, 117. L. H.\n10\tTreviranus. Biologie. Bd. YI. L. H.\nII\tPerier und Savart. Froriep\u2019s Notizen 41 (14). L. H.\n12 Harless. Wagner\u2019s Handwtb. der Physiologie, 1853, Bd. IY.","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n13\nsie nur mittelbare Schl\u00fcsse auf den Lebenden zulassen. Ueber-dies bringen sie keine directen Hinweise auf die Wege der Schallleitung im Knochen.\nJohannes M\u00fcller 1 h\u00e4lt die Knochenleitung f\u00fcr wenig werthvoll bei den Luftthieren; aber er giebt zu, dafs sie sehr geeignet sei, Schwingungen fester K\u00f6rper im Gegensatz zu Luftschwingungen dem Labyrinth zuzuf\u00fchren; jedenfalls widmet er ihr aber ausf\u00fchrlichere Betrachtungen als irgend einer der fr\u00fcheren Autoren.\nPurkinje 2 bestritt, dafs die Schallleitung durch die Kopfknochen praktisch f\u00fcr das H\u00f6ren des Menschen in Betracht k\u00e4me, ja, die M\u00f6glichkeit der Schall\u00fcbertragung aus der Luft auf den Knochen wollte er fast g\u00e4nzlich leugnen.\nSo gab auch Rinne 3 der Meinung Ausdruck, dafs die Schallleitung durch die Kopfknochen \u201enur als ein unbeabsichtigtes Accidens\u201c, das bei der Elasticit\u00e4t aller K\u00f6rper nicht ganz vermieden werden konnte, zu bezeichnen und f\u00fcr die Luftthiere nicht in Betracht zu ziehen sei. Dennoch hat sich im Laufe der Jahre die Erkenntnifs Eingang verschafft, dafs die Schallleitung durch die Kopfknochen eine h\u00f6chst bedeutsame Rolle in der Physiologie des H\u00f6rens spiele. In den derzeit vorliegenden Hand- und Lehrb\u00fcchern der Physiologie findet man sie auch \u00fcberall schon als Parallelph\u00e4nomen der Luftleitung vorgetragen.\nInsbesondere waren es die Beobachtungen am Kranken, welche die Otiater veranlafsten, sich mit diesem Thema zu besch\u00e4ftigen und so besteht denn auch die Literatur \u00fcber die Physiologie der Kopfknochenleitung zum grofsen Theile aus Arbeiten, welche von den Beobachtungen und den Bed\u00fcrfnissen der Klinik ausgehend der Untersuchung und der Kl\u00e4rung ihrer pathologischen Ver\u00e4nderungen dienen; die Frage nach den normalen Verh\u00e4ltnissen wird in diesen Arbeiten meistens nur gestreift, jedenfalls wird ihr nicht experimentell n\u00e4her getreten.\nIn der lehrreichen Arbeit Politzer\u2019s 4 \u00fcber Schallfortpflanzung und Schallleitung im Geh\u00f6rorgan finden wir das erste Mal exacte\n1\tJohannes M\u00fcllee. Handbuch der Physiologie, 1840, Bd. II, S. 455ff.\n2\tPurkinje. Referat in d. Prager Vierteljahrsschrift, 1860, XVII. Jahrg., 91. Annalen.\n3\tRinne. Beitr\u00e4ge zur Physiologie des menschlichen Ohres. Ebenda, 1855, XII. Jahrg., 1, 72.\n4\tPolitzer. Archiv f\u00fcr Ohrenheilkunde, 1860, 1.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nHugo Frey.\nKegistrirmethoden zur Aufkl\u00e4rung yon Fragen aus diesem Kapitel verwendet. Mach 1 giebt ebenfalls einige Andeutungen \u00fcber diese Punkte. Diese Arbeiten befassen sich jedoch durchwegs mit der Frage \u00fcber das Schicksal der durch die Kopfknochen zugeleiteten Schallwellen im Geh\u00f6rorgane selbst. Das eingangs erw\u00e4hnte Grundproblem wurde hierbei nicht in ausf\u00fchrlichere Erw\u00e4gung gezogen.\nEs m\u00fcfste auffallend erscheinen, dafs ein so wichtiges Kapitel in derartiger Weise vernachl\u00e4ssigt wurde, wenn nicht die Ursache daf\u00fcr so klar zu Tage l\u00e4ge. Es fehlte an geeigneten Untersuchungsmethoden, um einem bereits so allgemein bekannten Ph\u00e4nomen n\u00e4herzutreten.\nDie von Exner 2 ersonnene Methode der mikrophonischen Untersuchung hierher geh\u00f6riger Vorg\u00e4nge wurde von Mader s im physiologischen Institut der Wiener Universit\u00e4t weiter ausgearbeitet, und es gelang ihm, mit derselben mehrere Probleme aus der Physiologie der Schallleitung erfolgreich zu studiren.\nIn der letztcitirten Abhandlung finden wir auch einige Aufkl\u00e4rungen \u00fcber uns speciell interessirende Fragen. Dieselben werden weiter unten an den betreffenden Stellen noch herangezogen werden.\nMethode der Untersuchung.\nDen wesentlichsten Theil des Untersuchungsapparates bildete ein Mikrophon Fig. 1 (i\u00a5). Dasselbe war ein Exemplar derjenigen, welche die Firma Siemens & Halske f\u00fcr ihre Telephonstationen verwendet, und wurde mir von der Firma in freundlichster Weise zur Verf\u00fcgung gestellt. Dieses Mikrophon besteht aus einem Seidens\u00e4ckchen (\u00a3), das an der Basis eine Kohlenplatte (KJ tr\u00e4gt und mit dieser auf eine Metallplatte aufgekittet wurde. Auf der entgegengesetzten Fl\u00e4che befindet sich eine etwas kleinere Kohlenplatte (\u00dcT2), die central eine kleine Oeffnung tr\u00e4gt, in welche ein Hartgummistift (St) eingef\u00fchrt ist. Die beiden Kohlenplatten stehen mit dem Inhalt des Seidens\u00e4ckchens (feines Kohlenpulver) in directer leitender Verbindung. Mittels eines\n1\tMach. Sitzungsber. der kais. Akad. d. Wiss. Wien, II. Abth., 1863, 283 und 1864, 342.\n2\tExner. Wiener klinische Wochenschrift, 1900, 534.\n3\tMader. Sitzungsber. der kais. Akademie d. TFiss. in Wien, Math.-nahmv. Classe, 109, III. Abth.","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n15\nzwischen Stift und Kohlenplatte angebrachten Metallpl\u00e4ttchens und eines daran sich anschliefsenden sehr feinen und nachgiebigen Drahtes einerseits und durch die an der Basis des S\u00e4ckchens befindliche Metallplatte andererseits konnte das Mikrophon in einen Stromkreis x1 x1 eingeschaltet werden. Die letzterw\u00e4hnte Platte war n\u00e4mlich an einem Stativ befestigt, welches eine Verschiebung des Mikrophons in allen drei Raumrichtungen gestattete. Das Stativ stand durch seine Metalltheile mit dem Mikrophon bei K\u00b1 in leitender Verbindung und war von seiner Fufsplatte, einer schweren Bleischeibe, isolirt. Von dem leitenden Theile des Stativs ging nun ein Leitungsdraht bis zu dem einen Pol eines Elementes (2^), der andere Pol war mit der Kopfplatte des Mikrophons verbunden. Dadurch war der Stromkreis x1 xx geschlossen.\nWenn man in diesen einfachen Stromkreis an irgend einer Stelle eine Drahtspirale (Pr) (als prim\u00e4re) einschaltet und hierauf \u00fcber dieselbe eine secund\u00e4re (Sc) Spirale st\u00fclpt, deren Enden unmittelbar zu einem Telephon (T t) gehen, so wird dieser einfache Apparat geeignet sein, Schallschwingungen, welche dem erw\u00e4hnten Mikrophonstifte zugef\u00fchrt werden, im Telephon wieder h\u00f6rbar werden zu lassen. Das Kohlenpulver setzt n\u00e4mlich dem constant durchfliessenden Strome einen bestimmten Widerstand entgegen. Wird nun durch die Schallschwingungen das Kohlenpulver in eine entsprechende Ersch\u00fctterung gebracht und dadurch die gegenseitige Lage der Kohlentheilchen in bestimmter Weise ge\u00e4ndert, so entsteht auch eine entsprechende Ab\u00e4nderung in dem den Magneten des Telephons umkreisenden Strom. Auf diese Weise werden im Telephon dieselben oder vielmehr gleich-werthige Schwingungen erzeugt, wie sie dem Mikrophon zugef\u00fchrt werden.\nEs ist dadurch m\u00f6glich, in der N\u00e4he des Mikrophons gesprochene Worte, musikalische T\u00f6ne etc. im Telephon wieder zu h\u00f6ren, und zwar um so genauer, je n\u00e4her das Mikrophon dem schallerzeugenden K\u00f6rper sich befindet. Liegt er demselben direct an, so wird der entsprechende Schall am lautesten geh\u00f6rt. Es ergiebt sich daher die M\u00f6glichkeit, die Schallschwingungen irgend eines festen K\u00f6rpers und zwar eines jeden zug\u00e4nglichen Punktes desselben, im Telephon h\u00f6rbar zu machen. Da ausserdem im Telephon derartige T\u00f6ne oder Ger\u00e4usche bedeutend intensiver geh\u00f6rt werden als sie selbst in der n\u00e4chsten Um-","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nHugo Frey.\ngebung des t\u00f6nenden K\u00f6rpers vernommen werden k\u00f6nnen, ist es mittels der angegebenen Vorrichtung m\u00f6glich, sich genauer \u00fcber die Schwingungsverb\u00e4ltnisse eines festen K\u00f6rpers zu in-formiren, als es selbst bei unmittelbarer Beobachtung mit dem Ohre geschehen k\u00f6nnte.\nBei meinen Versuchen kam es wesentlich darauf an, die Intensit\u00e4t des Schalles an verschiedenen Punkten zu messen. Dies wurde dadurch erreicht, dafs ich als Schallquelle eine ab-klingende Stimmgabel ben\u00fctzte und mittels einer Stopuhr die Zeit in Secunden maafs, die vom H\u00f6rbarwerden des Tones im Telephon bis zu seinem vollst\u00e4ndigen Erl\u00f6schen verstrich. Bei gleich kr\u00e4ftigem Anschl\u00e4gen der Stimmgabel und guter Leitung wird der Ton l\u00e4nger geh\u00f6rt werden als bei schlechter Leitung; daher darf man ceteris paribus aus der H\u00f6rdauer eines Tones im Telephon unmittelbar auf die St\u00e4rke des Bewegungsimpulses (Intensit\u00e4t der Schallschwingung, die dem Mikrophon \u00fcbermittelt wird) schliefsen.\nDabei mufs allerdings vorausgesetzt werden, dafs der Mikrophonapparat stets gleichm\u00e4fsig functionire und dafs die Ueber-tragung von den schwingenden Th eilen auf das Telephon stets in gleicher Weise vor sich gehe. Nur dann k\u00f6nnen die gewonnenen Zahlen als untereinander vergleichbare Maafse f\u00fcr die Schallleitungsf\u00e4higkeit der untersuchten Theile angesehen werden. Bez\u00fcglich des ersten Punktes gebrauchte ich (s. u.) bestimmte Vorsichten in der Versuchsanordnung ; der gleichm\u00e4fsige Ausfall und die Uebereinstimmung zahlreicher Controlversuche erlauben mit grofser Sicherheit anzunehmen, dafs auch der zweiten Forderung Gen\u00fcge geleistet wurde.\nWenn also im Folgenden die bei den Versuchen ermittelten Zahlen f\u00fcr die H\u00f6rdauer direct als Ausdruck der Schallleitungsf\u00e4higkeit der jeweilig untersuchten Theile benutzt werden, so ist dabei stillschweigend von der hier begr\u00fcndeten Annahme Gebrauch gemacht.\nEs kann jedoch nur dann erlaubt sein, die an verschiedenen Punkten gewonnenen Resultate mit einander zu vergleichen, wenn jedesmal der Anfangs widerstand im Mikrophon ein gleicher ist; es war somit eine Anordnung zu treffen, durch welche dieser Widerstand stets gleich gemacht werden konnte.\nDerselbe setzt sich offenbar aus zwei Componenten zusammen. (Wir sprechen im Folgenden nur von derjenigen","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n17\nVer Suchsanordnung, bei welcher der Stift des Mikrophons direct auf den schwingenden K\u00f6rper aufgesetzt wird.) Die eine Com-ponente ist der Widerstand, den das Kohlenpulver als solches in seiner Ruhelage bietet, die andere die Widerstands\u00e4nderung, welche durch das Andr\u00fccken des Stiftes an den festen K\u00f6rper und durch die Uebertragung dieses Druckes auf das Kohlenpulver gesetzt wird. Im Allgemeinen ist diese Aenderung als ein negativer Werth anzusehen.\nEs wurde nun folgende Versuchsanordnung angewendet, um stets gleiche Versuchsbedingungen einzuhalten:\nDurch eine PoHL\u2019sche Wippe ohne Kreuz (W), die in den prim\u00e4ren Stromkreis eingeschaltet wurde, konnte das Mikrophon aus der Verbindung mit der prim\u00e4ren Spirale ausgeschaltet und in einen anderen Stromkreis eingeschaltet werden, der folgender-maafsen hergestellt war:\nEin zweites Element (E2) schickte seinen Strom direct durch eine Leitung (77), die sich an einer Stelle (B) gabelf\u00f6rmig theilte. Die Arme dieser Gabel vereinigten sich dann wieder (bei A) und f\u00fchrten zum Element zur\u00fcck. In den einen waren ein Fl\u00fcssigkeits-rheostat (Rh) und das Mikrophon eingeschaltet, in den anderen ein Mefsdraht (AB) (auf einem Stab mit empirischer Theilung montirt), an welchem eine Metallbr\u00fccke (Br) verschiebbar angebracht war; von derselben ging ein Kabel zu einem Galvanometer (G), das andererseits mit einem Punkte des anderen Armes der Stromleitung verbunden war. Die Anordnung ergiebt sich aus der Figur 1.\nEs ist ersichtlich, dafs in dem zweiten Stromkreise ( Y Y) das Princip der Wheatstone\u2019sehen Br\u00fccke durchgef\u00fchrt ist.\nWenn ich nun das Mikrophon in den zweiten Stromkreis einschalte, so kann ich durch eine entsprechende Einstellung der Fl\u00fcssigkeitsrheostaten einerseits und der Mefsdrahtbr\u00fccke andererseits das Verh\u00e4ltnifs der Widerst\u00e4nde im ganzen System derart gestalten, dafs es der Gleichgewichtsformel der Wheatstone-schen Br\u00fccke gen\u00fcgt und die Nadel des Galvanometers auf dem Nullpunkte steht. Dabei geschieht die grobe Einstellung durch den Fl\u00fcssigkeitsrheostaten, die feinere am Mefsdraht. In diesem Zustande wird das Galvanometer von keinem activen Strome umkreist.\nAendert sich nun neuerdings der Widerstand auf der einen Seite der Br\u00fccke (im Mikrophon), so macht die Nadel des\no\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 28.","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nHugo Frey.\nGalvanometers einen Ansschlag, dessen Gr\u00f6fse mit der Widerstands\u00e4nderung w\u00e4chst. Es kann demnach durch Ablesung des Ausschlagswinkels direct ein Maafs f\u00fcr die Widerstands\u00e4nderung gefunden werden.\nDas Anlegen des Mikrophons an einen festen K\u00f6rper ist, wie schon erw\u00e4hnt, mit einem gewissen Drucke und daher auch mit einer Widerstands\u00e4nderung im Mikrophon selbst verbunden. Erh\u00e4lt man nun bei einem Versuche einen gewissen Ausschlag und dr\u00fccke ich bei einem folgenden Versuche das Mikrophon wieder gerade so stark an, dafs ich denselben Ausschlagswinkel erhalte, so weifs ich, dafs der Mikrophonstift genau so stark angedr\u00fcckt wird wie im vorigen Versuche, und ich kann auf diese Weise die ganze Versuchsreihe unter identischen Umst\u00e4nden durchf\u00fchren. Die feine Einstellung des Mikrophonstiftes (beim Andr\u00fccken) geschieht wiederum durch die Mikrometerschraube des Statives.\nIm concreten Falle wurde der Versuch in folgender Weise ausgef\u00fchrt :\nDas Mikrophon wurde mit seinem Stifte dem irgendwie fixirten, zu untersuchenden K\u00f6rper m\u00f6glichst nahe gebracht, und zwar so, dafs der Stift perpendicul\u00e4r auf dessen Oberfl\u00e4che gerichtet war. Nun wurde das Mikrophon in den Stromkreis Y Y eingeschaltet und durch Einstellung des Rheostaten und der Mefsbr\u00fccke zuerst der Nullpunkt gesucht. War dies geschehen, so wurde durch Drehen an der Mikrometerschraube der Mikrophonstift dem Objecte bis zur erfolgten Ber\u00fchrung gen\u00e4hert. Nun erhielt ich am Galvanometer einen gewissen Ausschlag, den ich durch weiteres Andr\u00fccken oder Nachlassen auf die gew\u00fcnschte Gr\u00f6fse bringen konnte. War auf diese Weise das entsprechende Anliegen des Stiftes gesichert, so wurde mittels Umlegen der Wippe das Mikrophon in den Stromkreis x1 x1 eingeschaltet, welcher mit dem Telephon Tr in Verbindung stand, und nun konnte die Beobachtung beginnen.\nEs sei bemerkt, dafs das Telephon Tu vom Versuchsraum durch eine dicke Wand ZZ getrennt, in einem anderen Zimmer sich befand und dafs ein zweites Telephon (T2) mittels Nebenschliefsung im Versuchszimmer angebracht war. Dadurch war es erm\u00f6glicht, dafs der Experimentator die Correctheit der Anordnung im Versuchszimmer pr\u00fcfen, den Gang des Versuches controlliren und sich telephonisch mit dem im Nebenzimmer befindlichen Geh\u00fclfen","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n19\nverst\u00e4ndigen konnte. Eine weitere Communication zwischen beiden Personen war durch ein L\u00e4utwerk gegeben. Sp\u00e4ter ersetzte ich das L\u00e4utewerk durch ein aus mehrfachen Gr\u00fcnden vortheilhafteres Lichtsignal. In den Stromkreis war ferner noch ein Kohlenrheostat (Krh) eingeschaltet, mittels dessen empirisch die g\u00fcnstigsten Widerstands Verh\u00e4ltnisse ein f\u00fcr allemal festgelegt wurden. DuBOis\u2019sche Schl\u00fcssel waren an entsprechenden Stellen in Verwendung. Als Elemente wurden Trockenelemente von Siemens & Halske gebraucht. Aufserdem sei bemerkt, dafs behufs Vermeidung jeder st\u00f6renden Ersch\u00fctterung das Galvanometer, das Mikrophon und das Object auf einem von Grund auf gemauerten Bussolentisch aufgestellt waren.\nDiese Versuchsanordnung unterscheidet sich von der Mader\u2019s wesentlich dadurch, dafs erstens Mader das Object verstellbar hatte, w\u00e4hrend das Mikrophon fix war (diese Anordnung mufste ich wegen der Gr\u00f6fse meiner Objecte umkehren), und zweitens, dafs Mader einen Compensationsstrom zur Messung verwendete und dazu im Ganzen drei Elemente ben\u00f6thigte, w\u00e4hrend ich durch Verwendung der WAeatstone\u2019sehen Br\u00fccke mit einem Elemente das Auslangen fand, was die Manipulation vereinfachte.\nDarstellung der Versuche.\nI. Vor versuche.\nEntsprechend der Eingangs aufgef\u00fchrten Fragestellung suchte ich vor Allem Daten \u00fcber die Schallleitungsverh\u00e4ltnisse im Knochengewebe \u00fcberhaupt zu gewinnen. Als Object diente zun\u00e4chst ein macerirter und getrockneter Oberschenkelknochen eines Erwachsenen; seine L\u00e4nge betrug 46,5 cm; er wurde in horizontaler Richtung in einen Schraubstock eingespannt, und zwar so, dafs nur der Kopf des Femur von ihm umfafst wurde und der grofse Trochanter nach oben zu liegen kam. In den Stiel einer Stimmgabel von 242 Schwingungen wurde ein Doppelschraubengewinde eingeschnitten. Sie wurde in der Fossa tro-chanterica so eingeschraubt, dafs sich ihr Stiel in der Verl\u00e4ngerung einer Axe befand, die man sich von der Fossa trochan-terica bis zur Fossa intercondyloidea gezogen denken kann. Die Stimmgabelbranchen standen vertical \u00fcber einander. Aus einem kleinen Gef\u00e4sse, das an einem Stativ vertical verschiebbar und\ngenau \u00fcber der Stimmgabel angebracht war, konnte man durch\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nHugo Frey.\nOeffnen der Bodenklappe ein Schrotkorn herabfallen lassen, durch welches die Stimmgabel angeschlagen wurde. Diese Methode, gleich starke Schwingungen zu erzeugen, hatte schon Mader angewendet. Es wurde stets dasselbe Schrotkorn verwendet, welches ein Gewicht von 0,499 gr hatte. Das Optimum der Fallh\u00f6he (von 23,5 cm) war empirisch ermittelt worden und wurde durch ein Fadenloth stets wieder gefunden. Es wurde w\u00e4hrend der ganzen Versuchsreihe genau festgehalten.\nZuerst hatte ich mich \u00fcber die Leistungsf\u00e4higkeit und Zuverl\u00e4ssigkeit der ganzen Versuchsanordnung zu orientiren. Zu diesem Zwecke wurde die Stimmgabel auf die erw\u00e4hnte Weise zum T\u00f6nen gebracht und das mit einem bestimmten Drucke an den Knochen angesetzte Mikrophon an das Beobachtungstelephon angeschlossen. Es ergab sich unmittelbar Folgendes:\nDer Beobachter am Telephon konnte deutlich das Auffallen des K\u00fcgelchens und unmittelbar darauf das Erklingen eines seiner H\u00f6he nach f\u00fcr ihn genau erkennbaren Tones h\u00f6ren, der sehr langsam an Intensit\u00e4t abnahm, bis er verlosch. Die Con-statirung dieses Verl\u00f6schens bot keine Schwierigkeiten, da dem beobachtenden Ohre dieser Moment stets durch ein scheinbares, pl\u00f6tzliches Anschwellen der im Telephon stets vorhandenen Nebenger\u00e4usche erkennbar wurde. Da die M\u00f6glichkeit von sub-jectiven T\u00e4uschungen des Beobachters, wie Nachempfindungen u. dgl. nicht ausgeschlossen war, wurde eine Reihe von Versuchen angestellt, um diesbez\u00fcgliche Angaben zu erhalten. Die Zeit von dem Auffallen des K\u00fcgelchens bis zum Erl\u00f6schen des Stimmgabeltones wurde mit H\u00fclfe der Stopuhr direct gemessen und notirt.\nEs ergab sich, dafs bei den ersten Beobachtungen die gewonnenen Zahlen f\u00fcr die H\u00f6rdauer allerdings sehr variirten, doch war dies bereits bei der darauffolgenden Beobachtung eines n\u00e4chsten Punktes bedeutend weniger der Fall, so dafs bei noch weiter folgenden Beobachtungen schon eine hochgradige N\u00e4herung der einzelnen Werthe an einander stattfand. Da diese Versuchsergebnisse ein gewisses Interesse darbieten, insofern, als sie die rach eintretende Uebung bei Beobachtung einer bestimmten Erscheinung zeigen und im Allgemeinen \u00fcber die Zuverl\u00e4ssigkeit der Versuche Aufschlufs geben, so setze ich einige Zahlenreihen aus meinen Tabellen hierher. Bei den ersten Versuchen, bei denen ein beliebiger Punkt des Knochens vom Mikrophon be-","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n21\nr\u00fchrt wurde, ergaben sich folgende Zahlen: (Die Zahlen bedeuten die Zeit in Secunden zwischen Beginn und Erl\u00f6schen des Tones)\n10 16 9 9 10 8 10 11 10 11 12 12.\nMan sieht schon an dieser Reihe, wie gegen das Ende zu die Grleichm\u00e4fsigkeit sich steigert.\nBei einer sp\u00e4teren Reihe finden sich folgende Zahlen :\n11 12 13 12 12 12 12 12 12 11 12 11.\nDie kleinen, jederzeit vorkommenden Schwankungen wurden dadurch ihres Einflusses beraubt, dafs von jedem untersuchten Punkte zw\u00f6lf aufeinander folgende Zahlen notirt wurden und das Durchschnittsresultat f\u00fcr die Aufstellung verwerthet wurde.\nBei der Ausf\u00fchrung der im Nachfolgenden dargestellten Versuche wurde ich durch die Herren Dr. D. Hecht , sz. Aspirant der Universit\u00e4tsohrenklinik, und Dr. V. Pick, sz. Assistent des otiatrischen Ambulatoriums im allgemeinen Krankenhause in freundlichster Weise unterst\u00fctzt. Ihre gewissenhafte Beobachtung und die von ihnen vorgenommene Registrirung der Versuchszahlen trug wesentlich zum Gelingen der Experimente bei und ich erlaube mir an dieser Stelle, ihnen daf\u00fcr meinen besten Dank auszusprechen.\nI. Die Fortpflanzung des Schalles im \u201eKnoche n -\ngewebe im Allgemeinen.\n1. Versuchsreihe.\nDie erste Versuchsreihe besch\u00e4ftigte sich mit der Feststellung der Schallleitungsverh\u00e4ltnisse im R\u00f6hrenknochen mit R\u00fccksicht auf seine Structur. Aufser in der Madek\u2019sehen Arbeit wird \u00fcber diese Angelegenheit nirgends gesprochen.\nMader versuchte, sich \u00fcber den Unterschied in den Schallleitungsverh\u00e4ltnissen der Corticalis und Spongiosa des Knochens an einem Querschnitte desselben zu orientiren, und erhielt, indem er an dieser einen Querschnittsfl\u00e4che experimentirte, das Ergebnifs, dafs die Corticalis des Knochens in ihrer mikrophoni-schen Wirkung1 die Spongiosa bedeutend \u00fcbertrefte. Dieses Er-\n1 Mit diesem Ausdruck ist hier und im Folgenden das Ergebnifs der mikrophonischen Untersuchung eines Punktes gemeint, ausgedr\u00fcckt in Secunden der H\u00f6rdauer. Ueber die Beziehung dieser zur Schallleitungsf\u00e4higkeit der betreffenden Theile siehe S. 16.","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nHugo Frey.\ngebnifs dr\u00fcckt er in dem Satze aus, dafs \u201edie dem Knochen durch die Schallwellen mitgetheilten lebendigen Kr\u00e4fte an verschiedenen Punkten verschieden zur Geltung kommen, so zwar, dafs der maafsgebende Einflufs der Structur unverkennbar und die Kraft\u00fcbertragung umso bedeutender ist, je compacter die Knochenmasse gebaut ist\u201c.\nDiese an einem Querschnitte gewonnenen Resultate m\u00fcssen jedoch nicht unbedingt f\u00fcr s\u00e4mmtliche m\u00f6glichen Querschnitte des Knochens Geltung haben, insbesondere deshalb nicht, weil wir wissen, dafs das gegenseitige Verh\u00e4ltnifs von Spongiosa und Compacta in ihrer Vertheilung ein aufserordentlich variables ist.\nWenn nach den neueren Anschauungen die Detailstructur des Knochens kein Product des Zufalls, sondern der Ausflufs bestimmter mechanischer Factoren ist, so mufs auch die Leitungsf\u00e4higkeit des Knochens f\u00fcr den Schall sich auf gewisse bestimmte Grunds\u00e4tze zur\u00fcckf\u00fchren lassen, vorausgesetzt, dafs zwischen ihr und der Structur des Knochens eine directe Beziehung besteht. Es lag mir daher vor Allem ob, an einem solchen Knochen das Verh\u00e4ltnifs der mikrophonischen Wirkung der Corticalis zu der der Spongiosa zu erforschen und zwar sowohl auf ein und demselben Querschnitte, wie auch in verschiedenen Abst\u00e4nden von dem in Schwingung versetzten Ende. Zu diesem Zwecke arbeitete ich nach der bereits oben beschriebenen Versuchsanordnung. Gest\u00fctzt auf eine Reihe von 38 Versuchen, deren jeder 12 Einzelnbeobachtungen umfafst, also bei einer Anzahl von 456 Einzelnbeobachtungen, darf man annehmen, dafs sich im Gesammtresultat einzelne Versuchsfehler gegenseitig compensiren ; gleichlautende Resultate werden umso beweisender sein.\nEs wurden im Ganzen an dem Knochen durch queres Abs\u00e4gen von Scheiben 11 Querschnitte angelegt, gleichzeitig aber wurden auch entsprechende Punkte des nat\u00fcrlichen L\u00e4ngsschnittes untersucht. Die Vertheilung der Querschnitte ist aus der Figur 2 ersichtlich. Die ersten 12 Versuche leiden, da ich zu dieser Zeit mich erst in die Methodik genauer einzuarbeiten hatte, an verschiedenen Fehlern, insbesondere daran, dafs ich bei denselben den Druck des Mikrophonstiftes zu gering, also den Ausschlag des Galvanometers zu schwach w\u00e4hlte. Bei den folgenden Versuchen wurde durchwegs ein st\u00e4rkerer Druck gew\u00e4hlt (17 Theilstriche der Galvanometerskala), und diese Ein-","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n23\nStellung durch die ganze Versuchsreihe festgehalten. Auf die Querschnittsfl\u00e4chen der Compacta konnte der Stift ohneweiters aufgesetzt werden. Da die Spongiosab\u00e4lkchen zu schwach waren, um den Druck des Stiftes ohne Weiteres auszuhalten, wurde auf dieselben ein sehr kleiner Siegellacktropfen gebracht, welcher an der Oberfl\u00e4che so lange abgefeilt wurde, bis er ein ganz d\u00fcnnes Pl\u00e4ttchen darstellte, und daran der Stift angesetzt.\nWas nun vor Allem das Verh\u00e4ltnifs der Schallleitung in der L\u00e4ngsrichtung zu der in der Querrichtung betrifft, so ergiebt sich Folgendes:\nDie mikrophonische Wirkung von Punkten der Querschnittsfl\u00e4che (compacte Substanz) ist, wie die nachfolgende Tabelle zeigt, durchwegs h\u00f6her als die der Punkte des nat\u00fcrlichen L\u00e4ngsschnittes in gleicher H\u00f6he. Die Ebenen sind vom distalen zum proximalen Ende gez\u00e4hlt.\nSiet\tLe Fig. 2. ! & \u0153 > ^ 3 <D \u00a9 O I\tQuerschnittsfl\u00e4che (Compacta)\t\t\tNat\u00fcrlicher L\u00e4ngsschnitt (Compacta)\t\t\t<3 i i rC o m m 2\nEbene\tAbstand d. Eben proximalen End Knochens (in\tPunkt Nr.\tBeob- achtung Nr.\tResultat (H\u00f6rdauer in Sec.)\tPunkt Nr.\tBeob- achtung Nr.\tResultat (H\u00f6rdauer in Sec.)\tc3 Sh \u00a9 \u00a9 a o \u00f6 '\u00d6S O\n5\t26,5\t16\t25\t39\t10\t14\t25\t.17\n6\t22,5\t17\t27\t38,7\t7\t10\t22,6\t17\n7\t21\t19\t29\t35\t6\t9\t24,8\t17\n8\t18\t21\t31\t33,7\t10\t30\t22,4\t17\n9\t16\t23\t33\t43,4\t24\t34\t36,9\t17\n10\t14\t25\t;\t35\t31,5\t26\t36\t29,3\t17\nDaraus ergiebt sich, dafs bei der getroffenen Anordnung die Intensit\u00e4t des Schalles sich in der L\u00e4ngsrichtung des Knochens bedeutend leichter fortpflanzt als in der queren, d. h. dafs als Leitungsrichtung f\u00fcr den Schall an unseren Knochen vorzugsweise die nat\u00fcrliche L\u00e4ngsaxe desselben in Betracht kommt. Die Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung kann durch folgende Ueber-legung ermittelt werden:\nDie Knochenelemente halten im Allgemeinen am R\u00f6hrenknochen eine L\u00e4ngsanordnung ein, und ihre Massentheilchen","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nHugo Frey.\nwerden auch der L\u00e4nge nach schwingen, da sie durch die Stimmgabelst\u00f6sse in dieser L\u00e4ngsrichtung verlaufende Impulse erhalten. Allerdings w\u00fcrde sich in einer homogenen Masse der Schall nach allen Richtungen gleichm\u00e4fsig verbreiten, und zwar nach dem Huyghen\u2019s Gesetz in Form von Kugelschalen. Bei dem complicirten Bau des Knochens jedoch wird man nicht erwarten k\u00f6nnen, dafs die Schallwellenoberfl\u00e4che eine Kugelfl\u00e4che darstellt, sondern sie wird die Gestalt eines anderen sph\u00e4rischen K\u00f6rpers haben, von dem wir nach dem Gesagten wohl annehmen k\u00f6nnen, dafs er eine l\u00e4ngste Axe parallel mit der L\u00e4ngsaxe des Knochens und eine k\u00fcrzeste in der darauf senkrechten Richtung besitzen wird. Dadurch wird die Ueberein-stimmung unter den Zahlen der vorstehenden Tabelle erkl\u00e4rt. Diese Uebereinstimmung bez\u00fcglich der erheblichen Differenz zwischen Quer- und L\u00e4ngsleitung erscheint jedoch nicht mehr in der 10. Querschnittsfl\u00e4che, da hier die beiden Zahlen nur minimal von einander abweichen. Auch dieses Verhalten ist aus der Structur des Knochens erkl\u00e4rlich.\nWir sehen, dafs in dem zwischen Querschnittsfl\u00e4che 10 und proximalen Ende gelegenen Knochenst\u00fcck die eben erw\u00e4hnte L\u00e4ngsanordnung der Elemente nicht aufrecht erhalten ist, vielmehr ziehen die B\u00e4lkchen der Spongiosa, unter verschiedenen Winkeln sich durchkreuzend in mannigfaltigen Richtuogen durch den Innenraum des Knochens. Damit entf\u00e4llt die wesentlichste Ursache f\u00fcr das Vorwiegen der L\u00e4ngsleitung und je mehr sich die Structur des Knochen der Homogenit\u00e4t n\u00e4hert, desto \u00e4hnlicher werden auch die Bedingungen f\u00fcr die Schallleitung in den verschiedenen Richtungen ; diese Aehnlichkeit kommt eben in der Ann\u00e4herung der Zahlen in der letzten Querreihe unserer Tabelle zum Ausdruck.\nII. Das Verh\u00e4ltnifs der compacten zur spongi\u00f6sen Substanz in Bezug auf die Schallleitung.\nNach dem oben angef\u00fchrten Satze von Mader w\u00fcrde man a priori anzunehmen haben, dafs durchwegs die Corticalis derjenige Theil sei, welcher den Schall besser leite. Dafs dies nicht geschieht, und zwar gerade in Folge der eigenth\u00fcmlichen Structur-verh\u00e4ltnisse des Knochen, ergiebt sich aus folgender Zusammenstellung :","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n25\nSiehe Fig. 2.\t\n\t\u00a7 fl \u00a7 3 ^\n\t^ cj fi\n<D\tH S \"\n3 <V rO\t*\u00dc x .5\nw\t3 ft \u00ae \u00a3 'fl\nNr.\t\u00f6 3 3 o ft **\u25a0\n1\t44,5\n2\t41\n3\t34\n11\t9\nQuerschnittfl\u00e4chen der\nCompacta\nSpongiosa\nPunkt Nr.\tBeob- achtung Nr.\tResultat !\tPunkt Nr.\tBeob- achtung Nr.\n\u2014\t\t.\u2014\t9\t13\n12\t16\t20,9\t11\t15\n14\t20\t80,7\t13\t19\n27\t37\t24,1\t28\t38\nResultat\n81.7\n80.8\n27.0\n82.0\n?-i\n<D\n'S &\u00df-2 c3\nO\n3\nr3\n\u00fc\nQQ\n03 OQ\n>\n'ei\n3\nc4\n17\n17\n17\n17\nGehen wir nun daran, diese Resultate auf die Structur-verh\u00e4ltnisse zu beziehen, die an den betreffenden Querschnitten ersichtlich sind, so zeigt sich Folgendes:\nAuf dem Querschnitte Nr. 1 bildet die Spongiosa ein dichtes und sehr festes Balkenwerk, welches durchaus den Eindruck einer, wenn auch unterbrochenen, so doch gleichm\u00e4fsig dichten Platte macht. Hier ist die Compacta nur als eine d\u00fcnne Schale vorhanden, und zwar als eine so d\u00fcnne, dafs sich nicht einmal der Stift des Mikrophons an ihr ansetzen l\u00e4fst.\nIn der Ebene Nr. 2 zeigt sich die Spongiosa bereits stark aufgelockert ; die Compacta stellt einen dickeren Ring dar, dessen Durchmesser etwa 2 mm betr\u00e4gt. Hier erhalten wir f\u00fcr die spongi\u00f6se Substanz eine ungleich gr\u00f6fsere Zahl wie f\u00fcr die Compacta.\nAuf dem n\u00e4chsten Querschnitte Nr. 3 hat sich dieses Verh\u00e4ltnis zu Gunsten der compacten Substanz umgekehrt. Diese bildet hier einen Hohlcylinder, dessen Manteldicke durchschnittlich 3 mm betr\u00e4gt, die Spongiosa liegt als ein d\u00fcnnes und leichtes Maschenwerk in dem Hohlraum dieses Cylinders.\nHier haben wir bereits ein unverkennbares Ueberwiegen der an der Compacta gewonnenen Zahlen \u00fcber die an der Spongiosa erhaltenen, also das Entgegengesetzte von dem fr\u00fcher Gefundenem\nAuf den folgenden Querschnitten gewinnen wir keine Zahlen an der spongi\u00f6sen Substanz, da sie theils zu locker geworden ist, theils auch schon vollst\u00e4ndig fehlt. Erst an dem Querschnitte Nr. 11 stellt die Spongiosa wieder ein festes, resistentes Bl\u00e4tterwerk dar, \u00e4hnlich dem am ersten Querschnitte, und hier finden wir wieder in der Spongiosa eine vergleichsweise","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nHugo Frey.\nh\u00f6here Zahl, n\u00e4mlich 32, gegen\u00fcber der relativ niedrigen Zahl von 24,1 am compacten Knochen.\nEs ergiebt sich also aus dem Anblicke der Zahlreihen, dafs zu allererst die spongi\u00f6se Substanz sich als besser schallleitend erweist gegen\u00fcber der compacten, dafs sich weiterhin dieses Ver-h\u00e4ltnifs vollst\u00e4ndig umkehrt und am Schl\u00fcsse durch eine neuerliche Inversion wieder dem am Anfangsquerschnitte entspricht. Gleichzeitig bemerken wir, dafs diese Ver\u00e4nderungen in den Zahlen mit wesentlichen Ver\u00e4nderungen der gegenseitigen Structurverh\u00e4ltnisse einhergehen, d. h., wir sehen einen auffallenden Wechsel sowohl in der Vertheilung als auch in den Dimensionen der beiden in Betracht kommenden Querschnittspartien.\nSuchen wir die gegenseitige Beziehung aus der Tabelle zu ergr\u00fcnden, so ergiebt sich, dafs dort, wo die Spongiosa eine feste Consistenz, hingegen die Compacta nur einen aufserordentlich kleinen Querschnitt besitzt, von der Ersteren mehr Kraft auf das Mikrophon \u00fcbertragen wird, also in dem auf Seite 16 er\u00f6rterten Sinne auch ein besseres Schallleitungsverm\u00f6gen vorausgesetzt werden darf als an der Compacta. Wo sich jedoch die Spongiosa auflockert und die Compacta an M\u00e4chtigkeit gewinnt, \u00fcbernimmt diese die Rolle des besseren Schallleiters.\nDa gar keine anderen einflufsnehmenden Momente aufzufinden sind, welche diese Ver\u00e4nderung in der Schallleitung in-volviren k\u00f6nnten, so d\u00fcrfen wir auch, wenn rein physikalische Ueberlegungen uns nicht schon von vorneherein diese Erkl\u00e4rung nahelegen w\u00fcrden, sagen, dafs das wesentlichste Moment f\u00fcr die Schallleitungsf\u00e4higkeit eines Knochens, die mehr minder grofse Dichte in der Aneinanderlagerung seiner Theilchenist.\nWas noch interessiren k\u00f6nnte, w\u00e4re, die Ursache der Verschiedenheit aufzufinden, welche sich in den einzelnen Zahlen des Querschnittes ergiebt und die sich in relativ grofsen Grenzen bewegt, da man im Allgemeinen erwarten k\u00f6nnte, dafs sich dort, wo die Spongiosa vollst\u00e4ndig fehlt, an allen Querschnitten ann\u00e4hernd gleiche Zahlen gewinnen lassen m\u00fcfsten. Nun zeigt sich aber, dafs gerade dort die Zahlen in der Compacta an-steigen, wo dieselbe an Dicke abnimmt, w\u00e4hrend sie dort geringer werden, wo der Ring der Compacta sich verbreitert.","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n27\nDieses Verh\u00e4ltnifs zeigt sich rein dort, wo wir es nur mit Compacta zu thun haben ; wo die Spongiosa dazutritt, wird es allerdings etwas alterirt, bleibt aber immer noch erkennbar.\nMan k\u00f6nnte diese Erscheinung zu erkl\u00e4ren versuchen durch die Annahme, dafs die lebende Kraft auf allen Querschnitten die gleiche sei; wo der Querschnitt an Ausdehnung abnimmt, erh\u00f6ht sich die Summe der an jedem Punkt desselben wirkenden Einheiten der lebenden Kraft, wodurch derselbe als mikro-phonisch wirksamer sich darstellt. Es l\u00e4fst sich dieses Verhalten anschaulich machen durch den Vergleich mit einem gew\u00f6hnlichen H\u00f6rrohr. Auch hier werden die an dem weiten Ende eintretenden Schallwellen gegen das enge hin verdichtet, und es findet sich auf dem kleinern Querschnitt eine bedeutende Verst\u00e4rkung des Schalles.\nSicherlich w\u00e4re es von Interesse, mit Bezug auf die bisherigen sowie auch auf die folgenden Versuchsergebnisse eine genauere Kenntnifs der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles im Knochen zu besitzen. Die derzeit zur Verf\u00fcgung stehenden Daten sind zu sp\u00e4rlich und durchaus nicht vollkommen zuverl\u00e4ssig. Wir haben \u00fcbrigens Grund, dieselbe nach den Angaben ven Lucae 1 und Ciccone und Campaisule 2 mit ca. 3000 m pro Secunde anzusetzen.\nDies sind die wesentlichsten Ergebnisse der Untersuchung am macerirten R\u00f6hrenknochen.\nDie n\u00e4chste Aufgabe mufste sein, die in Rede stehenden Verh\u00e4ltnisse am frischen Knochen zu studiren. Diesem Zwecke diente die zweite Versuchsreihe.\n2. Versuchsreihe.\nEs wurde ein frischer, 47 cm langer, von den Weichtheilen befreiter Oberschenkelknochen eines Erwachsenen ben\u00fctzt. Der Knochen enthielt also noch das Mark und alle Gewebsfl\u00fcssigkeiten in seinen Interstitien. Zur Conservirung wurde der Knochen in 50% Alkohol eingelegt, bei welchem Verfahren sich kaum irgendwelche f\u00fcr die Versuche in Betracht kommende Ver\u00e4nderungen einstellen d\u00fcrften. In dieser Fl\u00fcssigkeit verblieb\n1\tLucae. Die Schallleitung durch die Kopfknochen. W\u00fcrzburg 1870.\n2\tCiccone und Campanile, 1Rend, di Napoli (2), 5, 187 ; 1891. Cit. nach Landolt und B\u00f6rnstein, Phys.-chem. Tabellen, Berlin 1894.","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nHugo Frey.\nder Knochen w\u00e4hrend der ganzen Dauer der Versuche und wurde nur zu diesen selbst aus ihr herausgenommen. Die sonstige Anordnung war identisch mit der in der I. Versuchsreihe beschriebenen, blos mit dem Unterschiede, dafs wegen des feuchten Zustandes der Schnittfl\u00e4chen das Anbringen der Siegellacktr\u00f6pfchen nicht gelang. Deshalb stellte ich mir durch Zufeilen kleine konische Elfenbeinn\u00e4gel von etwa 2% mm L\u00e4nge und 1 mm Durchmesser her. Diese wurden fest in die Spongiosa eingedr\u00fcckt und auf ihrer freien Oberfl\u00e4che der Mikrophonstift angesetzt.\nEs wurden im Ganzen 22 Punkte untersucht, und von jedem wieder 12 Zahlen gewonnen, so dafs in toto 264 Zahlen mir zur Verf\u00fcgung stehen. Die Lage der Querschnitte im Knochen ist aus Figur 3 zu ersehen. In derselben Anordnung wie in der vorigen Versuchsreihe ergiebt die Zusammenstellung folgendes Resultat :\nSiel \u00a9 \u00f6 \u00a9 W Nr.\t\u00a9 Abstand d. Ebene vom ^ proximalen Ende des crcf Knochens (in cm) 9\u00b0\tQuerschnittsfl\u00e4che (Compacta)\t\t\tNat\u00fcrlicher L\u00e4ngsschnitt\t\t\tGalvanometerausschlag\n\t\tPunkt Nr.\tBeob- achtung Nr.\tResultat (H\u00f6rzeit in Se-cunden)\tPunkt Nr.\tBeob- achtung Nr.\tResultat (H\u00f6rzeit in Se-cunden)\t\n4\t29,5\t17\t17\t29,5\t3\t3\t11,8\t! 17\n5\t23\t18\t18\t34,2\t4\t4\t15,0\t17 1\n6\t15,5 j\t19\t19\t29,4\t5\t5\t15,4\t17\n7\t10\t20\t20\t32,5\t6\t6\t20,5\t17\n8\t6\t21\t21\t27,3\t1\t7\t7\t21,5\t! 17 J i\nDaraus erhellt, dafs die Leitungsverh\u00e4ltnisse am frischen Knochen sich denen des macerirten analog verhalten, mit der Ausnahme, dafs die Differenzen nach beiden Richtungen etwas gr\u00f6fser sind.\nDie Ergebnisse der Untersuchung an den einzelnen Querschnitten zeigt die nachstehende Tabelle :","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n29\nSiehe Fig. 3.\t\t\t\t\t\t\t\t\n\t\u00a9 \u00ae \u00a7 \u00f6 \u00ae\t\tQuerschnittsfl\u00e4chen der\t\t\t\t\t?h \u00a9 bc\n\u00a9 \u00f6\trO K g . \u00ae \u00a9 \u00a3 \"\u00d6 c3 O \u00ab '\u00f6 B\u00e4 \u00d6\t\t1 Compacta\t\t\tSpongiosa\t\t\u00ae\t53 2 \u00b0\n\u00a9 W\t\tPunkt\tBeob-\t\tPunkt\tBeob-\tResultat\t<3 \u00e6 1 \u00a7\n\t-So\u00ae 50 U \u00a9\tNr.\tachtung\tResultat i\tNr.\tachtung\t\to\nNr.\t^ >\t\tNr.\ti I l\t\tNr.\t\t\n0\t47\t1\t1\t28,4\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t17\n1\t44\t11\t11\t19,1\t9\t9\t21,6\t17\n2\t39,5\t14\t14\t23,1\t12 13\t12 13\t26,1 22,6\t17\n3\t37\t16\t16\t26,1\t15\t15\t22,2\t17\n8\t6\t21\t21\t27,3\t22\t22\t27,3\t17\nBeziehen wir wieder diese Zahlen auf die Structurverh\u00e4lt-nisse der betreffenden Querschnitte, so zeigt sich Folgendes:\nIn der Ebene 0, das ist in der nat\u00fcrlichen distalen Gelenksfl\u00e4che des Oberschenkels erhalten wir relativ hohe Zahlen.\nAuf dem ersten Querschnitte \u00fcberwiegt wiederum das Leitungsverm\u00f6gen der Spongiosa dasjenige der Compacta evident, wobei gleichzeitig zu bemerken ist, dafs hier die Spongiosa ein dichtes, festes Gewebe ist, das von einer ganz d\u00fcnnen Schale der Compacta umgeben wird.\nAuf dem zweiten Querschnitte, auf dem die Spongiosa bereits gelockert ist, aber die Compacta, wenn auch noch ziemlich d\u00fcnn, denn doch schon einen bedeutenderen Durchmesser besitzt, haben wir ein zwiesp\u00e4ltiges Resultat insofern, als wir einen Punkt der Spongiosa vorfinden, der schlechter, und einen anderen, der besser leitet als der untersuchte Punkt in der compacten Substanz.\nAuf dem dritten Querschnitte, wo wir eine schon sehr weiche und lockere Spongiosa vor uns haben, w\u00e4hrend die Compacta die ansehnliche Dicke von 4 mm besitzt, ist bereits das Ueber-wiegen der Compacta in Bezug auf die H\u00f6rdauer deutlich ausgesprochen.\nAuf dem achten Querschnitte endlich, wo Compacta und Spongiosa dieselben Zahlen ergeben, finden wir eine dichte und feste Spongiosa umgeben von einem m\u00e4fsig starken Ringe der Compacta.\nEs ist daraus ohne Weiteres ersichtlich, dafs die an dem mace-","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nHugo Frey.\nrirten Knochen constatirten Verh\u00e4ltnisse auch an dem nach von seinen Weichtheilen erf\u00fcllten Knochen bestehen. Daraus ist zu folgern, dafs bei der Schallleitung im Knochen wesentlich die Knochensubstanz und zwar Compacta und Spongiosa in Betracht kommen und dafs die in und zwischen dieselben eingeschalteten Weichtheile eine untergeordnete Rolle spielen.\nWir sind daher wohl auch zur Annahme berechtigt, dafs am lebenden Knochen, der der directen mikrophonischen Untersuchung nicht zug\u00e4nglich ist, Analoges sich findet.\nBesonders interessant f\u00fcr uns sind die Querschnitte Nr. 2 und Nr. 8. Da wir nach dem bisher Gefundenen sowohl an dem macerirten als auch an dem frischen Knochen dieselben Gesetze in Geltung finden, so d\u00fcrfen wir auch die Resultate des einen zur Erkl\u00e4rung der Resultate des anderen heranziehen. Nun haben wir in der Ebene Nr. 8 der II. Versuchsreihe gerade eine solche Ebene getroffen, in welcher das Leitungsverm\u00f6gen der compacten und der spongi\u00f6sen Substanz einander die Wage halten, in der Ebene Nr. 2 der II. Versuchsreihe jedoch zeigt sich in \u00fcberzeugender Weise der Umschlag der LeitungsVerh\u00e4ltnisse, indem an zwei verschiedenen Punkten Differenzen in entgegengesetztem Sinne auf treten. Wir k\u00f6nnen deshalb zusammenfassend Folgendes sagen:\nI.\tDer Femur leitet einen auf ihn direct \u00fcbertragenen und in der L\u00e4ngsrichtung eintretenden Schallwellenzug haupts\u00e4chlich in der compacten Substanz fort; diese Fortleitung geschieht vorwiegend in der urspr\u00fcnglichen Richtung, demnach bei den gegebenen Bedingungen in der L\u00e4ng saxe des Knochens.\nII.\tDie Schall\u00fcbertragung auf das Mikrophon als Maafs f\u00fcr die in Betracht kommende lebende Kraft genommen, geschieht je nach der wechselnden Structur des Knochens bald besser von der Compacta, bald von der Spongiosa. Sie ist in der Compacta gegen\u00fcber der Spongiosa um so besser, je m\u00e4chtiger jene dieser gegen\u00fcber entwickelt ist.\nIII.\tDieser Satz gilt gleichm\u00e4fsig f\u00fcr den macerirten, trockenen, wie f\u00fcr den die Weichtheile enthaltenden feuchten Knochen; er wird voraussichtlich auch f\u00fcr den lebenden Knochen zutreffen.","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n31\nHatte ich in den bisherigen Versuchen die Frage nach den Fundamentalerscheinungen der Schallleitung im Knochen studirt und zu einem wenigstens f\u00fcr unsere Zwecke befriedigenden Abschl\u00fcsse gebracht, so konnte ich mich nunmehr der ungleich interessanteren Frage nach der Art der Schallleitung im Sch\u00e4del selbst zuwenden. Diesem Probleme als einem sehr ausgedehnten konnte bei exacter Versuchsanordnung jedoch nur gradatim n\u00e4her getreten werden und aus der grofsen Anzahl von m\u00f6glichen Versuchen nur solche ausgew\u00e4hlt werden, welche f\u00fcr sich wenigstens wieder zu grundlegenden Schl\u00fcssen zu f\u00fchren versprachen.\nIII. Die Fortpflanzung des Schalles im Kopfe.\n3. Versuchsreihe.\nDie im Folgenden zu beschreibenden Versuche setzten es sich zum Zweck, die Art und Weise zu studiren, in welcher Schallwellen im Sch\u00e4del und zwar vorerst nur im kn\u00f6chernen Sch\u00e4del fortgeleitet werden, wenn sich das Centrum der Schallerregung in dem Geh\u00f6rgang der einen Seite befindet. Es ist dies letztere sicherlich eine Anordnung, wie sie ganz \u00e4hnlich beim physiologischen H\u00f6ract besteht, indem die in den Geh\u00f6rgang eindringenden Schallwellen von hier aus auch auf den Knochen \u00fcbergehen, wof\u00fcr der Nachweis bereits Mader (1. c.) gelungen ist.\nAbsichtlich wollte ich es vermeiden, schon in diesem Stadium der Versuche den ganzen complicirten Apparat der sog. Schallleitungskette mit in Betracht zu ziehen, da es mir vor Allem um die Verh\u00e4ltnisse im kn\u00f6chernen Sch\u00e4del zu thun war. Zu erforschen, welcher Art die Beeinflussung des Vorganges durch die beiderseits vorhandenen \u201eSchallleitungsapparate\u201c sei, und in welcher Weise das Versuchsergebnifs dadurch alterirt w\u00fcrde, behielt ich mir als Object f\u00fcr sp\u00e4tere Versuche vor.\nEs k\u00f6nnen also die nunmehr folgenden Versuche \u00fcber nichts Anderes Aufschlufs geben als dar\u00fcber, wie sich der Schall im kn\u00f6chernen Sch\u00e4del, abgesehen von allen Accidentien fortpflanzt und verbreitet. Wenn damit auch noch nichts Definitives \u00fcber die sonst bei der Discussion der Kopfknochenleitung in den Vordergrund tretenden Fragen der craniellen und craniotympanalen Leitung gesagt werden wird, ja diese sogar gefliefsentlich aufser Acht gelassen werden, so mufs doch gerade das hier Gefundene","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nHugo Frey.\nals das stets vorhandene und einseitig bestimmte Substrat des gesammten Vorganges betrachtet werden.\nObject der Versuche war ein macerirter Sch\u00e4del ohne Unterkiefer, dessen obere Zahnreihe vollst\u00e4ndig erhalten war. Die Frage der Fixation, welche bei den in den vorhergehenden Versuchsreihen benutzten Objecten in einfacher Weise zu l\u00f6sen war, hot hier Anfangs einige Schwierigkeiten, da die Gefahr nahe lag, dafs durch die Einklemmung des Sch\u00e4dels an irgend einer Stelle seine Schwingungs- und Schallleitungsverh\u00e4ltnisse wesentlich ge\u00e4ndert werden k\u00f6nnten. Als das Einfachste ergab sich, diese Fixation so \u00e4hnlich als m\u00f6glich der nat\u00fcrlichen zu gestalten.\nDadurch, dafs der Sch\u00e4del mit den Condylen des Hinterhauptes auf den Gelenksfl\u00e4chen des Atlas aufliegt, ist ihm die M\u00f6glichkeit gegeben, in einer grofsen Anzahl verschiedener Stellungen durch Muskelaction sich zu fixiren; er ist also nicht fest mit einer Unterlage verbunden, sondern innerhalb gewisser Grenzen beweglich auf geh\u00e4ngt. Dies ahmte ich in folgender Weise nach : Ein tiefer h\u00f6lzerner Hohlcylinder wurde mit Watte ausgef\u00fcllt und der Sch\u00e4del derartig auf denselben gelegt, dafs der Gesichtstheil durch einen entsprechend angebrachten Ausschnitt des Cylinders freiblieb. Dies gen\u00fcgte, um den Sch\u00e4del durch sein eigenes Gewicht in seiner Lage zu erhalten, und zwar sicher genug, um auch dem andr\u00fcckenden Mikrophonstift nicht nachzugeben. Dabei war ihm die M\u00f6glichkeit belassen, im Ganzen m\u00f6glichst frei zu schwingen. Das Auftreffen der Schallwellen in senkrechter Richtung auf das Labyrinth der einen Seite wurde dadurch erreicht, dafs eine Stimmgabel, die genau so beschaffen war wie die in den fr\u00fcheren Versuchen verwendete, direct durch den Geh\u00f6rgang in die Promontorialwand der Trommelh\u00f6hle eingeschraubt wurde. Sie durchbohrte dieselbe in der Richtung von aussen nach innen und w\u00fcrde in der Verl\u00e4ngerung etwas nach vorne und oben von der Tuba Eustachii durchgedrungen sein, d. h. also, die longitudinalen Schwingungen des Stieles liefen in einer Richtung ab, die einer gedachten Verl\u00e4ngerung der Pyramidenaxe entsprach. Die \u00fcbrige Anordnung war dieselbe wie in den fr\u00fcheren Versuchsreihen. Kleinere Verbesserungen der Versuchsanordnung, die sich als nothwendig ergaben, \u00fcbergehe ich. Da durch die Neuadjustirung der Anordnung die elektrischen Widerst\u00e4nde sich einigermaafsen \u00e4nder-","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n33\nten, war die g\u00fcnstigste Leistung des Telephons bei dem Theil-striche 15 des Galvanometers zu erzielen, im Gegens\u00e4tze zu dem fr\u00fcher ben\u00fctzten 17.\nUm nun verschiedene Punkte des Sch\u00e4dels mikrophonisch untersuchen zu k\u00f6nnen, zog ich auf demselben eine Anzahl von Linien, welche stets fixirbare Punkte verbanden (Fig. 4 und 5). Es waren folgende :\n1.\tEine Linie von der Spina supra meatum der einen\nSeite bis zu einem Punkte in der Mitte zwischen beiden Tubera frontalia und von da zur Spina supra meatum der anderen\tSeite..................... I\n2.\tEine Linie von der Spina supra meatum der einen\nSeite bis zum Bregma und von da zur Spina supra meatum der anderen\tSeite............................II\n3.\tEine Linie von der /Spina supra meatum der einen\nSeite bis zum Zusammentritte der Schenkel der Lambdanaht und von da zur Spina supra meatum der anderen Seite..............................III\nDiese frontalen Linien werden folgendermaafsen getheilt:\nIch markire den Halbirungspunkt zwischen medianer Sagittal-ebene des Sch\u00e4dels und der Spina. Die Distanz dieser Halbirungs-punkte und der Spina wird noch einmal halbirt. Die Punkte werden folgendermaafsen bezeichnet: Die Spina supra meatum mit 0, die n\u00e4chst h\u00f6heren Punkte von vorne nach hinten mit 1, 2 und 3, die noch h\u00f6heren mit 4, 5 und 6. Die Punkte auf der Seite der eingeschraubten Stimmgabel werden mit einem Komma versehen.\nDiese Eintheilung ist in dem beifolgenden Schema dargestellt ( Fig. 4 u. 5).\nEs wurden im Ganzen 16 Beobachtungsreihen mit je 12 Einzelbeobachtungen aufgenommen. Dabei wurden 13 Punkte ber\u00fccksichtigt, da der Punkt 0 an derjenigen Seite, an der sich die Stimmgabel befand, wegen dieser f\u00fcr das Mikrophon nicht zug\u00e4nglich war.\nBei den eomplicirten Verh\u00e4ltnissen dieser Versuchsreihe ist die Tabellenform zur Darstellung nicht geeignet, es wurde daher die graphische Wiedergabe der Versuchsergebnisse durch Eintragung derselben in ein Schema gew\u00e4hlt. In den beiliegenden Skizzen \u00fcber die III. Versuchsreihe Fig. 6, 7, 8, 9 und 10 bedeuten die Zahlen die an den betreffenden Punkten erzielte\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie 28.\t3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nHugo Frey.\nH\u00f6rdauer in Secunden. Fig. 7 und 8 zeigen die Zahlen an den entsprechenden Punkten des Sch\u00e4dels eingetragen, Fig. 9 und 10 die Anordnung der Zahlen in der verticalen (sagittalen), Fig. 11 in der horizontalen Projection. Es ergiebt sich daraus Folgendes :\nBer\u00fccksichtigen wir vor Allem die Werthe, die wir auf der Stimmgabelseite erhalten, so finden wir, dafs die gr\u00f6fste Zahl an dem Punkte 3 erhalten wird, d. h. an demjenigen Punkte, der nach hinten oben zun\u00e4chst der Geh\u00f6rgangs\u00f6ffnung liegt; die in derselben Querlinie nach vorne liegenden Punkte ergaben ge-ringere Zahlen.\nWeiterhin zeigt sich, dafs die Zahlen mit der zunehmenden Entfernung vom Geh\u00f6rgange nach oben hin an Gr\u00f6fse abnehmen, mit Ausnahme zweier Punkte auf der Linie 1, bei denen dieses Verh\u00e4ltnifs umgekehrt ist; hier l\u00e4fst sich aber die auffallend geringe Zahl in der unteren Querreihe durch die Lage des Punktes knapp an der Naht zwischen Schl\u00e4fenschuppe und Stirnbein erkl\u00e4ren. Die Knochen schlossen an dieser Stelle nicht ganz fest aneinander, sondern waren etwas gegeneinander beweglich, so dafs hier eine Unregelm\u00e4fsigkeit der Schallleitung vorausgesetzt werden darf, da durch die in weiteren Amplituden erfolgenden Schwingungen ein gr\u00f6fserer Verbrauch an lebendiger Kraft in\nder Zeiteinheit entstehen mufste.\nAuf der anderen, der Stimmgabel abgewendeten Seite ergab sich dasselbe Verh\u00e4ltnifs, d. h. auch hier stellte sich der H\u00f6rwerth eines Punktes um so h\u00f6her, je n\u00e4her derselbe dem Geh\u00f6rgang, respective der Spina supra meatum gelegen war.\nWir finden dadurch, dafs die Intensit\u00e4t der Schallschwingungen , die von der Gegend des rechten H\u00f6rapparates ausgegangen sind, in der Gegend des linken H\u00f6rapparates eine auffallend grofse ist, gr\u00f6fser sogar als in gleichen Entfernungen vom Ausgangspunkt an anderen Stellen des Sch\u00e4dels, und dafs ferner diese Intensit\u00e4t an der oberen Convexit\u00e4t des Sch\u00e4dels verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig gering ist. Da man kaum wird annehmen wollen, dafs die Schallwellen, indem sie sich durch das Sch\u00e4deldach fortpflanzen, sich im linken Geh\u00f6rorgan gleichsam wieder concentriren, so ist die Erkl\u00e4rung der Erscheinungen wohl darin zu suchen, dafs die Schallwellen in den compacten Massen der Felsenbeine einen besonders g\u00fcnstigen Leitungsweg vorfinden und somit, trotz dem die an der Basis zwischen","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n35\nden Felsenbeinen gelegenen Theile voraussichtlich weniger zur Leitung geeignet sind, haupts\u00e4chlich auf diesem Wege zur anderen Seite hin\u00fcber gelangen. Die erw\u00e4hnten Verh\u00e4ltnisse treten ganz besonders hervor, wenn man erw\u00e4gt, dafs eigentlich eine um so geringere Schallintensit\u00e4t zu erwarten w\u00e4re, je weiter der untersuchte Punkt von der Schallquelle entfernt ist. Indessen ergiebt sich, dafs z. B. der Punkt 0, der vom Punkt Oj sicher bedeutend weiter entfernt ist, als z. B. der Punk ll7 einen h\u00f6heren Zahlenwerth hat als dieser.\n4. Versuchsreihe.\nUm die Frage zu beantworten, ob die in der fr\u00fcheren Versuchsreihe beobachteten Verh\u00e4ltnisse nicht etwa auf Interferenzerscheinungen zur\u00fcckzuf\u00fchren seien, ein Umstand, der zu folgenschweren Irrth\u00fcmern Anlafs h\u00e4tte geben k\u00f6nnen, nahm ich zur Contr\u00f4le die hier folgenden Versuche vor.\nObwohl die Schallwellen im Allgemeinen grofs sein werden im Vergleich zu den Dimensionen des Sch\u00e4dels, so war doch zu erwarten, dafs, falls die obige Erscheinung auf Interferenz beruhen sollte, Varaitionen an derselben auftreten mtifsten, wenn man T\u00f6ne von bedeutend k\u00fcrzerer Wellenl\u00e4nge benutzt. Deshalb gebrauchte ich dieselbe Versuchsanordnung wie in der III. Versuchsreihe, \u00e4nderte jedoch die gew\u00e4hlte Stimmgabel. Die nunmehr verwendete Stimmgabel war in Gr\u00f6fse und Form der fr\u00fcher gebrauchten ganz \u00e4hnlich, hatte jedoch eine gr\u00f6fsere Schwingungszahl. Sie war nur eine Quart h\u00f6her als die in der III. Versuchsreihe ben\u00fctzte Stimmgabel von 240 Schwingungen. Sonst wurden die Versuche in genau derselben Weise angestellt wie die vorhergehenden, ihre neuerliche Zusammenstellung ergiebt sich wiederum aus dem beifolgenden Schema, (Fig. 11, 12, 13, 14, 15.) Wir entnehmen aus demselben Folgendes:\nBetrachten wir wieder zuerst die Stimmgabelseite, so zeigt sich ein \u00e4hnliches Verh\u00e4ltnifs wie in der vorhergegangenen Reihe. Auf dieser Seite finden wir ein Abnehmen und Verklingen des Tones von der Umgebung des Geh\u00f6rganges resp. der Basis der Pyramide aus gegen die Umgebung. Auf der gegen\u00fcberliegenden Seite besteht ebenfalls wieder eine ziemlich betr\u00e4chtliche Differenz zwischen den einzelnen Querreihen, indem auch hier von oben nach unten, das ist in der Richtung","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nHugo Frey.\ngegen die Pyramide die Zahlen bedeutend h\u00f6her werden. Dabei bemerke man weiterhin:\nEs sind auf dieser Seite die Zahlen der untersten und der zweitn\u00e4chsten Reihe sogar h\u00f6her wie die entsprechenden der Stimmgabelseite; insbesondere wird an der Spina supra meatum der leeren Seite eine Zahl von 30,8 erreicht, welche die Zahlen der anderen Seite noch bedeutend \u00fcbertrifft; allerdings kann aus den oben erw\u00e4hnten Gr\u00fcnden der correspondirende Punkt der anderen Seite, der eine vielleicht noch h\u00f6here Zahl ergeben h\u00e4tte, nicht untersucht werden. Hier tritt also die bereits oben betonte h\u00f6here Intensit\u00e4t des Schalles in der Umgebung der Pyramide der anderen Seite mindestens ebenso deutlich hervor, wie in der 3. Versuchsreihe. Aus dieser Uebereinstimmung er-giebt sich, dafs es sich nicht um Interferenzen handeln kann.\n5. Versuchsreihe.\nEbenso wie gelegentlich der II. Versuchsreihe, die am mace-rirten Knochen Vorgefundenen Verh\u00e4ltnisse durch den Vergleich mit den am frischen Knochen constatirten controllirt wurden, liefs ich mir es auch hier angelegen sein, die Ergebnisse der Untersuchung am macerirten Sch\u00e4del durch die Untersuchung eines frisches Kopfes zu completiren. Ich verschaffe mir einen m\u00f6glichst frischen Kopf aus dem anatomischen Institute, der noch keine F\u00e4ulnifserscheinungen aufwies. Derselbe war in der H\u00f6he des 2. Halswirbels abgetrennt und stammte von einem etwa 30j\u00e4hrigen Manne. Der Sch\u00e4del zeigte keinerlei Difformi-t\u00e4ten, die otoskopische Untersuchung ergab beiderseits normale Trommelfelle. Der Kopf, der in einer 4% Formoll\u00f6sung con-servirt wurde, enthielt die \u00e4ufseren Weichtheile unverletzt, auch war in der Sch\u00e4delh\u00f6hle das Gehirn noch vorhanden.\nDie Stimmgabel wurde in den rechten Geh\u00f6rgang eingebohrt, so dafs sie das Trommelfell im vorderen unteren Quadranten durchdrang und in das Promontorium eintrat. Sie blieb in dieser Position w\u00e4hrend der ganzen Dauer der Versuche; vor dem Einfl\u00fcsse des Formols wurde sie durch Umh\u00fcllung mit gefetteter Watte gesch\u00fctzt.\nSelbstverst\u00e4ndlich war die Weichtheildecke des Sch\u00e4dels nicht geeignet, als Ansatzpunkt des Mikrophonstiftes zu dienen, da sie viel zu nachgiebig war, als dafs an ihr eine fixe Lage des Stiftes h\u00e4tte erzielt werden k\u00f6nnen. Um jedoch nicht durch","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n37\ndie vollst\u00e4ndige Entfernung von Haut und Muskulatur die Verh\u00e4ltnisse allzusehr zu ver\u00e4ndern, wurden die Punkte in derselben Anordnung, wie sie an dem macerirten Sch\u00e4del getroffen worden war, bezeichnet, und dann an diesen Stellen mit einem Locheisen von V2 cm Durchmesser, wie es als Korkbohrer ben\u00fctzt wird, die Weiehtheile durchtrennt und die dadurch abgegrenzte Gewebescheibe, die also Haut, Fascie, Muskel und Periost enthielt, abgetragen, so dafs der nackte Knochen zu Tage lag. Durch das viel h\u00f6here Gewicht, das diesen Sch\u00e4del vor dem fr\u00fcher gebrauchten skelettirten auszeichnete, war er auch in seiner Lage bedeutend leichter fixirbar. Die Lagerung war im Uebrigen die gleiche wie in der vorhergehenden Versuchsreihe.\nEs wurden im Ganzen 14 Beobachtungsreihen mit wieder je 12 Einzelbeobachtungen aufgenommen. Die erhaltenen Zahlen-werthe ergeben sich aus der beiliegenden schematischen Tafel. Fig. 16, 17, 18, 19, 20. Dieselbe sagt uns Folgendes:\nDie Zahlen sind, absolut genommen, geringer als die am macerirten Sch\u00e4del, ein Ergebnifs, das uns nicht verwundern kann, weil die D\u00e4mpfung der Weiehtheile einen immerhin bedeutenden Einflufs auf die Intensit\u00e4t des Schalles nehmen mufs.\nWas jedoch das Verh\u00e4ltnifs der Punktwerthe betrifft, so erblicken wir auch hier wiederum eine gen\u00fcgende Uebereinstimmung mit den Verh\u00e4ltnissen am macerirten Sch\u00e4del. Auch hier zeigt sich, dafs die Intensit\u00e4ten in der Umgebung der Stimmgabel respective in der Umgebung des Geh\u00f6rganges die bedeutendsten sind, und dafs mit der Zunahme der Entfernung im Allgemeinen und die Intensit\u00e4t sich vermindert. Diese Erscheinung tritt dabei derart zu Tage, dafs sich die Zahlen der einzelnen Punkte im Grofsen und Ganzen einander mehr n\u00e4hern als am macerirten Sch\u00e4del, ein Umstand, der vielleicht darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, dafs eben durch den d\u00e4mpfenden Einflufs der \u00e4usseren und inneren Weiehtheile ein mehr gleichm\u00e4fsiges Schwingen des Sch\u00e4dels bewirkt wird.\nInsbesondere f\u00e4llt auf der, der Stimmgabel gegen\u00fcber liegenden Seite der Umstand auf, dafs die Abnahme der H\u00f6rdauer von der 2. zur 3. Querreihe bei Weitem nicht so ausgesprochen ist wie in den vorigen Versuchsreihen; im Gegentheile finden wir, dafs sogar in der obersten Querreihe stellenweise eine h\u00f6here Zahl vorkommt, wie in der mittleren.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nHugo Frey.\nWas aber auch hier als wichtigstes Ergebnils festgestellt werden mufs, ist, dafs wir oberhalb der linken Spina supra meatum, also an der \u00e4usseren Projection der Pyramidenbasis eine Zahl gewinnen, die sowohl alle anderen Zahlen derselben Seite wie auch die meisten Zahlen der Stimmgabelseite \u00fcbertrifft.\nWenn in diesem Falle im Gegens\u00e4tze zu dem vorigen an der Spina supra meatum der freien Seite keine so hohe Zahl gewonnen wurde wie in der 2. Querreihe der Stimmgabelseite, so ist dies wohl dem Umstande zuzuschreiben, dafs hier die Freilegung dieser Spina technisch nicht leicht ausf\u00fchrbar war und erst ein Punkt, der etwas nach aussen und oben von ihr lag, zum Ansatz des Mikrophonstiftes verwendet werden konnte. Ich h\u00e4tte wohl einen, den fr\u00fcher ben\u00fctzten homologen Punkt mit dem Mikrophonstift erreichen k\u00f6nnen, wenn ich die Ohrmuschel in einer entsprechenden Weise verkleinert oder ganz abgetragen h\u00e4tte. Es ist anzunehmen, dafs dann auch der gefundene Zahlenwerth ein h\u00f6herer gewesen w\u00e4re. Da ich aber die Verh\u00e4ltnisse des Sch\u00e4dels durch willk\u00fcrliche Entfernung von gr\u00f6fseren Weichtheilspartien nicht ver\u00e4ndern wollte, so unterliefs ich dies, damit das Ergebnifs ein einwandfreies und eindeutiges sei.\nFasse ich nunmehr die Resultate meiner Untersuchungen am Sch\u00e4del zusammen, so ergeben sich folgende Schl\u00fcsse :\n1.\tDie Richtung, welche auf den Kopf \u00fcbertragene Schallwellen in dem kn\u00f6chernen Theile desselben einschlagen, ist wesentlich abh\u00e4ngig von der Vertheil un g der Knochensubstanz in Bezug auf ihre Dichte.\n2.\tWenn daher von dem Geh\u00f6rorgan der einen Seite Schallwellen ausgehen, so verbreiten sich dieselben wohl im ganzen Sch\u00e4del, sie werden aber vorzugsweise nach den symmetrischen Punkten der anderen Sch\u00e4delh\u00e4lfte, also zur gegen\u00fcberliegenden Pyramide geleitet.\n3.\tEs besteht demnach eine Schall\u00fcbertragung von Ohr zu Ohr auf dem Wege der Knochenleitung. Diese wird durch den kn\u00f6chernen Sch\u00e4del allein vermittelt, ohne dafs die sogenannte Schallleitungskette hierbei eine wesentliche Rolle spielen m\u00fcfste.\n4.\tDiese Verh\u00e4ltnisse finden sich schon am macerirten Sch\u00e4del, sie werden durch die Weich-","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n39\ntheile des frischen Sch\u00e4dels in ihrer Wesenheit nicht alterirt und bestehen voraussichtlich in gleicher Weise am lebenden Kopf.\nAnschliefsend an diese S\u00e4tze, in denen ich die wichtigsten Ergebnisse meiner Experimente formulirt habe, m\u00f6chte ich noch den Versuch machen, ihre Bedeutung f\u00fcr die Physiologie des Geh\u00f6rorgans zu discutiren.\nVor Allem habe ich die Thatsache mit Sicherheit festgestellt, dafs Schallwellen, die auf dem directesten Wege ein Geh\u00f6rorgan treffen, auch das andere, und zwar in einer sehr ansehnlichen Intensit\u00e4t erreichen. Dabei waren die diesbez\u00fcglichen Versuche sicher einwandsfrei, und die bei allen Experimenten nie ganz auszuschliessende Luftleitung konnte die Resultate hier nicht beeinflussen. Es ist mit der Constatirung dieser Thatsache allerdings noch nicht bewiesen, dafs diese Art der Uebertragung auch beim physiologischen H\u00f6racte wirklich in Betracht kommt, insbesondere deshalb nicht, weil die Art, wie die Schallwellen das Geh\u00f6rorgan erreichen \u2014 durch die eingeschraubte Stimmgabel \u2014 doch eine von der physiologischen Art der Schallzuleitung verschiedene ist. Allerdings hat Madeb bewiesen, dafs auch von den durch Luftleitung auf das Geh\u00f6rorgan \u00fcbertragenen Schallwellen ein ansehnlicher Theil in den Knochen \u00dcbertritt, dieser Antheil ist nach ihm viel gr\u00f6fser, als man gemeiniglich anzunehmen geneigt w\u00e4re. Demnach kann die Verschiedenheit zwischen nat\u00fcrlicher Schallzuleitung und der von mir gew\u00e4hlten h\u00f6chstens einen quantitativen Unterschied begr\u00fcnden , und es wird sich noch feststellen lassen, welche Gr\u00f6fse die Intensit\u00e4t des Schalles haben mufs, um auf das zweite Ohr noch so stark wirken zu k\u00f6nnen, dafs am Lebenden dadurch ein Geh\u00f6reindruck vermittelt wird.\nJedenfalls aber beweisen meine Versuche die physiologische M\u00f6glichkeit des binauralen H\u00f6ractes bei monauraler Schallzuleitung. Da, wie wir sehen werden, das Bestehen des Letzteren auf Grund gewisser Ueberlegungen ein theoretisches Postulat ist, stimmt hier das theoretisch Formulirte und das experimentell Festgestellte \u00fcberein.\nDie Frage der Schwebungen ist es, welche das ganze eben er\u00f6rterte Problem in sich schliefst, und deren Entscheidung wiegen der ungen\u00fcgenden thats\u00e4chlichen Grundlage bis jetzt noch nicht vollst\u00e4ndig gegl\u00fcckt ist. Ohne diese Frage hier aus-","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nHugo Frey.\nf\u00fchrlich darstellen zu wollen, sei blos darauf hingewiesen, dafs eine Anzahl von Forschern (Sceiptuee 1 2 3 4, Wundt -, Ewald 3) das Zustandekommen diotischer Schwebungsempfindungen so erkl\u00e4ren, dafs die von 2 Geh\u00f6rorganen dem Centralorgan zugeleiteten, in ihrer Qualit\u00e4t verschiedenen Nervenerregungen erst in diesem selbst als Empfindungen mit einander in Concurrenz traten, wonach also die Schwebungsempfindung ein Subjectives w\u00e4re, dem in der Aussenwelt kein Objectives entspr\u00e4che. Stumpf4 und Schaufle5 haben gegen diese Ansicht schon seit l\u00e4ngerer Zeit angek\u00e4mpft und behauptet, dafs die Knochenleitung allein zur Erkl\u00e4rung gen\u00fcge, dafs auf diesem Wege die Schallwellen, die dem einen Ohre zugef\u00fchrt werden, ganz gut mit den auf das andere Ohr einwirkenden interferiren k\u00f6nnen, nachdem sie dieses auf dem Wege der Knochenleitung erreicht h\u00e4tten. Madee6 versuchte bereits, diese Frage durch die mikrophonische Untersuchung zu l\u00f6sen, gelangte jedoch nach seiner eigenen Erkl\u00e4rung nicht bis zu einem v\u00f6llig beweiskr\u00e4ftigen Experiment.\nErst k\u00fcrzlich hat Schaefee neuerdings einige Stimmgabelexperimente (am Lebenden) publicirt, aus denen er die That-sache folgert, dafs die Knochenleitung von Ohr zu Ohr normalerweise vorkommt. Er schl\u00e4gt f\u00fcr diese den Terminus \u201enat\u00fcrliche Knochenleitung\u201c vor im Gegens\u00e4tze zu der \u201ek\u00fcnstlichen\u201c, bei welcher der Stiel der Stimmgabel auf einen Punkt des Sch\u00e4dels aufgesetzt ist und von hier beiden Geh\u00f6rorganen der Schall zugef\u00fchrt wird. Allerdings glaubt er, dafs diese \u201enat\u00fcrliche\n1\tScripture. Einige Beobachtungen \u00fcber Schwebungen und Differenzt\u00f6ne. Wun\u00e4Vs Philosophische Studien 7, 1892 und 8, 1893.\n2\tWundt. Ist der H\u00f6rnerv direct durch Tonschwingungen erregbar? Ibidem 8, 1893.\n3\tEwald. Die centrale Entstehung von Schwebungen zweier monotisch geh\u00f6rter T\u00f6ne. Pfl\u00fcg er \u2019s Archiv 57, 80.\n4\tStumpe. Beobachtungen \u00fcber subjective T\u00f6ne und \u00fcber Doppelth\u00f6ren. Zeitschrift f\u00fcr Psychol, u. Physiol, der Sinnesorgane 21, 100.\n5\tSchaefer. Beweise gegen Wundt\u2019s Theorie von der Interferenz akustischer Erregungen im Centralorgan. Pfl\u00fcger's Archiv 61.\nDerselbe. Ist eine centrale Entstehung von Schwebungen m\u00f6glich? Zeitschr. f. Psychol, u. Physiol, d. Sinnerorgane 4, 1893.\nDerselbe. Ibidem 2.\nDerselbe. Ueber die intracranielle Fortpflanzung der T\u00f6ne von Ohr zu Ohr. Archiv f\u00fcr Ohrenheilkunde 52, 1901.\n6\tMader 1. c. 28 u. ff.","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung im Sch\u00e4del.\n41\nKnochenleitung wesentlich durch die Anordnung des Mittelohr apparates bedingt werde, und er citirt Fechner\u2019s 1 gleichsinnige Aeufserung.\nWenn auch meine Versuche sich mit den Schwebungen selbst nicht befassen und die Anordnung so getroffen war, dafs die Schallwellen nicht in der \u201enat\u00fcrlichen\u201c sondern in der ..k\u00fcnstlichen\u201c Anordnung Schaeeer\u2019s auf den Sch\u00e4del \u00fcbertragen wurden, so ging doch andererseits aus ihnen hervor, dafs Schallwellen , die einseitig einer Pyramide zugeleitet werden, ganz besonders gut der anderen Pyramide und viel schlechter den \u00fcbrigen Theilen des Sch\u00e4dels zufliefsen, d. h., die gegenseitigen eigenth\u00fcmlichen Beziehungen der Pyramiden spielen bei der \u201enat\u00fcrlichen\u201c wie bei der \u201ek\u00fcnstlichen\u201c Anordnung die Hauptrolle. Die Erforschung dieser Beziehungen war ja die Aufgabe der letzten drei Versuchsreihen. Indem ich aber diese Erscheinungen bereits am kn\u00f6chernen Sch\u00e4del und ganz analog, ja noch mehr ausgesprochen am frischen Sch\u00e4del vorfand, erbringe ich den Beweis, dafs man nicht zu dem Mittelohrapparat Zuflucht zu nehmen braucht, um die Erscheinung zu erkl\u00e4ren. Diese erkl\u00e4rt sich vielmehr ungezwungen aus der eigenth\u00fcmlichen Anordnung der Knochensubstanz in der Umgebung beider Geh\u00f6rorgane.\nHier ist es, wo meine ersten zwei Versuchsreihen zur Erkl\u00e4rung herangezogen werden m\u00fcssen. Hatten diese ergeben, dafs in einem Knochengewebe beliebiger Textur der Schall den festesten, resp. compactesten Theilen entlang sich fortzusetzen pflegt, so liegt die Nutzanwendung dieses Satzes f\u00fcr die eben discutirte Frage der Schallleitung von Ohr zu Ohr auf der Hand. Der Umstand, dafs gerade die Pyramiden es sind, welche die h\u00e4rtesten Knochenmassen aufweisen, die wir am K\u00f6rper finden, zeigt, dafs hier eine Vorrichtung geschaffen ist, welche die auf den Sch\u00e4del irgendwie auftreffenden Schallwellen vor Allem zu den Geh\u00f6rorganen leitet und diese selbst in eine zweckdienliche Verbindung unter einander setzt.\n1 Fechner. Wissenschaftliche Briefe von Fechner und Preyer. Ham b\u00fcrg und Leipzig 1890. S. 16\u00f6.\n{Eingegangen am 7. December 1901.)","page":41}],"identifier":"lit37398","issued":"1902","language":"de","pages":"9-41","startpages":"9","title":"Experimentelle Studien \u00fcber die Schallleitung [Corr.: Schalleitung] im Sch\u00e4del","type":"Journal Article","volume":"28"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:04:40.720953+00:00"}