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{"created":"2022-01-31T12:39:37.116403+00:00","id":"lit37462","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Jaff\u00e9, M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 62: 58-67","fulltext":[{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Aufspaltung des Benzolrings im Organismus.\nI. Mitteilung.\nDas Auftreten von Mucons\u00e4ureim Harn nach Darreichung\nvon Benzol.\nVon\nM. Jaff\u00e9, K\u00f6nigsberg i. Pr.\n(Der Redaktion zugegangen am 9. August 1909.)\nAus dem Urin von Hunden und Kaninchen, welche l\u00e4ngere Zeit mit Benzol gef\u00fcttert worden waren, gelang es mir, eine N-freie S\u00e4ure zu isolieren, welche meines Wissens bisher niemals im Harne gefunden worden ist. Ihre Darstellung geschah in folgender Weise: Der Urin wurde \u2014 ohne R\u00fccksicht auf die reichlich darin enthaltenen \u00c4therschwefels\u00e4uren \u2014 auf dem Wasserbad abgedamptt und mit hei\u00dfem Alkohol extrahiert. Die w\u00e4hrend einer l\u00e4ngeren F\u00fctterungsperiode gesammelten alkoholischen Ausz\u00fcge wurden verreinigt, nach dem Verdampfen des Alkohols in Wasser gel\u00f6st, mit verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure stark anges\u00e4uert und 5\u20146 mal auf das gr\u00fcndlichste in der Maschine mit \u00c4ther ausgesch\u00fcttelt.\nDie \u00c4therausz\u00fcge wurden durch Destillation bis etwa auf den 3. oder 4. Teil des Volumens konzentriert und ca. 24 Stunden stehen gelassen. Es hatte sich in dieser Zeit ein schwarzer, harzartig schmieriger, mit Krystallen durchsetzter Bodensatz abgesondert. Die hiervon abgegossene \u00c4therl\u00f6sung schied bei allm\u00e4hlichem Verdunsten krystallinische, fest am Glase haftende Krusten aus, die zwar noch stark gef\u00e4rbt, aber frei von harzigen Beimengungen waren. In der von ihnen getrennten Fl\u00fcssigkeit bildeten sich bei weiterem Verdunsten neue Krusten und so konnten 3 bis 4 Krystallisationen erhalten werden, bis schlie\u00dflich auch bei langem Stehen aus dem inzwischen sehr eingedickten \u00f6ligen \u00c4therextrakt sich spontan nichts mehr","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Aufspaltung des Benzolrings im Organismus. J. \u00d49\nausschied. ' Wohl konnte aus demselben durch eine umst\u00e4ndliche Behandlung mit Bleisalzen noch eine sehr geringe Menge Substanz gewonnen werden, doch wurde hiervon meistens Abstand genommen.\nDie einzelnen Krystallkrusten wurden zun\u00e4chst mehrmals mit etwas \u00c4ther abgesp\u00fclt, der zu der urspr\u00fcnglichen \u00c4therl\u00f6sung zur\u00fcckgegossen wurde, alsdann in hei\u00dfem Wasser unter Zusatz der gerade ausreichenden Menge NH3 (ein \u00dcberschu\u00df ist zu vermeiden) gel\u00f6st und durch Kochen mit wenig Tierkohle entf\u00e4rbt.\nAus dem Filtrat wurde die Substanz durch Ans\u00e4uern mit C1H in ganz farblosen Krystallen gewonnen. Gr\u00f6\u00dfere Schwierigkeit bereitete die Reinigung der zuerst ausgeschiedenen harzigen Masse. Doch gelang sie schlie\u00dflich auch durch \u00dcberf\u00fchrung in das NH4-Salz, Behandlung mit Tierkohle* F\u00e4llen mit C1H und mehrfache Wiederholung dieses Verfahrens.\nDie auf solche Weise in farblosen Krystallen isolierte S\u00e4ure zeigt folgende Eigenschaften:\nSie ist in Wasser, selbst hei\u00dfem, \u00e4u\u00dferst schwer l\u00f6slich, leichter in hei\u00dfem Alkohol, in \u00c4ther schwer l\u00f6slich.\nAus hei\u00dfem Wasser scheidet sie sich bei langsamer Abk\u00fchlung in schmalen mikroskopischen Prismen aus, die schr\u00e4g abgeschnitten, oft in sehr charakteristischen dendritisch verzweigten Formen aneinander gelagert sind. Neben diesen Formen fanden sich auch kurze, dicke, wohl ausgebildete rhombische Krystalle. Bei schneller Abscheidung aus ihren Salzen kristallisiert sie in feinen, oft moosartig verzweigten Nadeln.\nDie reine Substanz schmilzt (im Kapillarrohr1 in v\u00f6llig wasserfreier Schwefels\u00e4ure erhitzt) bei 289\u2014290\u00b0 unter Zersetzung. In Schwefels\u00e4ure, die etwas wasserhaltig ist, br\u00e4unt sie sich schon bei 250\u00b0 und schmilzt unter Zersetzung bei ca. 277 \u00b0. Die S\u00e4ure ist N-frei.\nElementaranalyse:\n0,1755 g Substanz (im Vakuum getrocknet) gaben 0,3228 g CO, und 0,0650 g H,0, d. i. 50,16 */o C und 4,11 \u00b0/o H.\nHieraus berechnet sich die Formel C6H604, welche verlangt : 50,7\u00b0/o C gefunden: 50,16 */o C 4,22*/., H\t4,11 \u00b0/o H","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nM. Jaff\u00e9,\nDas Silbersalz wurde durch F\u00e4llung der genau neutralen L\u00f6sung des Ammoniumsalzes mit der berechneten Menge AgN03 als farbloser, amorpher, lichtbest\u00e4ndiger Niederschlag erhalten.\n0,107 g Substanz (bei 110\u00b0 getrocknet) gaben 0,0645 g Ag.\nDie Formel C6H404(Ag),\nverlangt: 60,6\u00b0/o Ag gefunden: 60,28\u00ae/o Ag.\nHiernach ist die S\u00e4ure zweibasisch.\nDie Zusammensetzung und alle Eigenschaften der Verbindunglegten die Vermutung nahe, da\u00df die zuerst von H. Rupe1) genauer beschriebene Mucons\u00e4ure vorliegt, eine Vermutung, die durch die weitere Untersuchung zur Gewi\u00dfheit erhoben wrurde. Das Verhalten der Verbindung entspricht in jeder Beziehung den Angaben Rupes; nur in bezug auf den Schmelzpunkt besteht keine v\u00f6llige \u00dcbereinstimmung. Ich fand denselben bei 289\u2014290\u00b0, w\u00e4hrend Rupe nur bemerkt, da\u00df die Mucons\u00e4ure im Kapillarr\u00f6hrchen erhitzt sich gegen 250\u00b0 br\u00e4unt, aber bei 260\u00b0 noch nicht geschmolzen ist.\nDagegen stimmt die Angabe 0. Doebners, der den Schmelzpunkt bei 292\u00b0 fand, mit der meinigen fast genau \u00fcberein. Um die Identit\u00e4t der fraglichen Verbindung mit Mucons\u00e4ure sicher zu stellen, habe ich genau nach den Vorschriften Rupes 1 den Methyl\u00e4ther dargestellt, 2. das Verhalten gegen Brom unters\u00fccht und 3. konstatiert, da\u00df die S\u00e4ure in kohlensaurem Natrium gel\u00f6st Kaliumpermanganat augenblicklich entf\u00e4rbt und bei gen\u00fcgendem Zusatz desselben ganz zerst\u00f6rt wird.\nMethyl\u00e4ther.\n0,147 fein gepulverte Substanz wurden mit der berechneten Menge ( 0,42) Phosphorpentachlorid in einem kleinen Kolben auf dem Wasserbade erw\u00e4rmt, bis alles in L\u00f6sung gegangen war. Nach Abk\u00fchlen in Eiswasser wurde die n\u00f6tige Menge Methylalkohol in kleinen Anteilen hinzugegossen. Der alsbald sich krystalliniseh ausscheidende \u00c4ther wurde von der Mutterlauge scharf abgesaugt und nach dem Trocknen an der Luft aus wenig hei\u00dfem Alkohol umkrystallisiert. Er schied sich in\n,) Annal, d. Chemie, Bd. CCLVI, S. 189.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Aufspaltung des Benzolrings im Organismus. I. 61\nbreiten Nadeln oder schmalen Bl\u00e4ttchen ab, die bei 151\u2014152\u00b0 schmolzen (Rupe gibt den Schmelzpunkt bei 154\u00b0 an). Die Analyse ergab Zahlen, welche mit der Formel des Mucons\u00e4ure-dimethyl\u00e4thers genau \u00fcbereinstimmten.\n0.0920 g Substanz (vakuumtrocken) gaben 0,1898 g 00, und 0,0513 g H,0\nC\u00abH404(CHO,\nverlangt: C = 56,4% gefunden: C = 56,26%\nH = 5,9%\tH = 6,2\u00b0/*\u00bb\nVerhalten gegen Brom.\nNach Rupe addiert Mucons\u00e4ure direkt 4 Atome Brom und bildet damit Tetrabromadipins\u00e4ure:\nCH \u2014 Br \u2014 CHBr \u2014 COOH\n!\nCH \u2014 Br \u2014 CHBr \u2014 COOH\nSeiner Angabe folgend habe ich die kleine Menge der mir noch zur Verf\u00fcgung stehenden Substanz mit Brom \u00fcbergossen und einen Tag unter der Einwirkung desselben gelassen, alsdann mit Wasser angeschl\u00e4mmt, mit Schwefligs\u00e4urel\u00f6sung entf\u00e4rbt und mit \u00c4ther aufgenommen. Der nach dem Verdunsten des \u00c4thers bleibende, krystallinische, gelbliche R\u00fcckstand wurde in kochendem Wasser unter tropfenweisem Zusatz von Alkohol gel\u00f6st. Beim Erkalten schieden sich farblose, mikroskopische Bl\u00e4ttchen aus, die abfiltriert und getrocknet ebenso wie das von Rupe beschriebene Produkt bei 230\u00b0 sich zu br\u00e4unen anfingen und bei 250\u00b0 verkohlten. Ihre Menge (ca. 0,03) war f\u00fcr eine Elementaranalyse nicht ausreichend.\nEs kann nunmehr keinem Zweifel mehr unterliegen, da\u00df das nach Benzolf\u00fctterung im Harn auftretende Stoffwechselprodukt in der Tat Mucons\u00e4ure ist.\nMit dem Namen Mucons\u00e4ure bezeichnete H. Rupe,1) ein Sch\u00fcler Ad. v. Baeyers, eine Verbindung, welche er durch Behandeln von \u00df-y-Dibromadipins\u00e4ure mit alkoholischem Kali darstellte und deren genaueres Studium im Laufe der ber\u00fchmten Untersuchungen A. v. Baeyers \u00ab\u00dcber die Konstitution des Benzols eine gro\u00dfe Bedeutung gewann:","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"M\tM. Jaff\u00e9,\nIhre Konstitution ist CH = CH \u2022 COOH\nI\nCH = CH \u2022 COOH.\nSp\u00e4ter erhielt 0. Doebner1) dieselbe S\u00e4ure durch Erhitzen von GJyoxal und Malons\u00e4ure bei Gegenwart von Pyridin.\nDie Menge der im Harn auftretenden Mucons\u00e4ure ist sehr gering und entspricht nur einem kleinen Bruchteil (ca. 0,3\u00b0/ o) des verf\u00fctterten Benzols. Aus dem Harn von 2 Hunden, welche successive 60 g Benzol (in t\u00e4glichen Dosen von je 3 g) per os erhalten hatten, konnte ich ca. 0,2 g reine Substanz isolieren. Die Tiere vertrugen das Benzol sehr schlecht, fra\u00dfen wenig, hatten h\u00e4ufiges Erbrechen und bekamen alsbald tief dunkeln, fast schwarzen Urin, der die Merkmale des Carbolharns fast w\u00e4hrend der ganzen F\u00fctterungsperiode behielt.\nKaninchen dagegen vertrugen das Benzol im allgemeinen sehr gut. T\u00e4gliche Gaben von 2, selbst 3 g, in einer Emulsion mit Gummil\u00f6sung durch die Schlundsonde eingef\u00fchrt, konnten wochenlang dargereicht werden, ohne da\u00df \u2014 abgesehen von verminderter Fre\u00dflust\u2014irgend welche St\u00f6rungen des Befindens oder Dunkelf\u00e4rbung des Harns eintrat. Die Ausbeute an Mucons\u00e4ure war aber auch nicht gr\u00f6\u00dfer als bei Hunden und entsprach in maximo nur 0,3 \u00b0/o des verf\u00fctterten Benzols.\nBei der Geringf\u00fcgigkeit der Ausbeute habe ich mir, vielleicht in etwas weit getriebenem Skeptizismus die Frage vorgelegt, ob nicht der Mucons\u00e4urebefund ohne jede Beziehung zum Benzol schon dem normalen Ham angeh\u00f6rt. Diese Frage kann mit Bestimmtheit verneint werden. Ich habe wiederholt sehr bedeutende Quantit\u00e4ten von Hunde- wie von Kaninchen-urin, einmal sogar die gesamte 10 t\u00e4gige Harnmenge von 3 Kaninchen untersucht, ohne jemals eine Spur von Mucons\u00e4ure nachweisen zu k\u00f6nnen. Es unterliegt also keinem Zweifel, da\u00df die letztere mit der Benzolf\u00fctterung in urs\u00e4chlichem Zusammenhang steht. Ihrem Auftreten w\u00fcrde aber keine gr\u00f6\u00dfere Bedeutung zuzuschreiben sein, wenn sie wirklich im Stoffwechsel n\u00fcr in so minimalen Anteilen aus dem Benzol hervorginge. Das ist aber ohne Zweifel nicht der Fall, und es ist mit Sicher-\n\u2018) Ber. d. Deutsch, ehern. Ges., Bd. XXXV, I., S. 1146.","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Aufspaltung des Benzolrings im Organismus. I. 63\nheit anzunehmen, da\u00df die Aufspaltung des Benzols in Form der Mucons\u00e4ure in viel gr\u00f6\u00dferem Umfange vor sich geht, als der Menge des im Harn ausgeschiedenen Produktes entspricht. Zun\u00e4chst ist wohl die von mir benutzte Isolierungsmethode keine quantitative ; ich wollte zun\u00e4chst den Weg nicht verlassen, der zuerst zur Auffindung der Mucons\u00e4ure f\u00fchrte. Doch zweifle ich nicht, da\u00df sich eine Methode wird finden lassen, die gr\u00f6\u00dfere Werte verspricht.\nVor allem aber ist vorauszusetzen, da\u00df eine so leicht oxydierbare Substanz, wie die Mucons\u00e4ure, eine Verbindung, welche durch Kaliumpermanganat schon in der K\u00e4lte zerst\u00f6rt wird, auch im Organismus sehr schnell und in gro\u00dfen Mengen der Oxydation anheimfallen d\u00fcrfte. Dies ist in der Tat der Fall. Ich habe einem kr\u00e4ftigen Kaninchen 0,8 g reine Mucons\u00e4ure als Natriumsalz auf 4 Dosen verteilt im Laufe von 12 Stunden subcutan injiziert. Aus dem Harn des Versuchstages und der folgenden 36 Stunden konnte ich nur eine sehr geringe Menge reiner Mucons\u00e4ure (Sp. 289\u2014290\u00b0) isolieren, die nach dem Umkrystallisieren aus hei\u00dfem Wasser 0,007 g wog. Von der injizierten Menge gelangte also nicht ganz l \u00b0/o zur Ausscheidung.\nLegt man dieses Verh\u00e4ltnis zugrunde, so l\u00e4\u00dft sich berechnen, da\u00df im Stoffwechsel der Hunde und Kaninchen etwa 25 \u2014 30\u00b0/o des resorbierten Benzols in Mucons\u00e4ure \u00fcbergehen, ein Resultat, welches vielleicht hinter dem tats\u00e4chlichen Werte noch zur\u00fcckbleibt und unseren anderweitigen Erfahrungen \u00fcber die Schicksale des Benzols im Organismus jedenfalls nicht widerspricht.\nAuf die Oxydation der Mucons\u00e4ure im Organismus scheinen gewisse Momente von Einflu\u00df zu sein; namentlich bin ich der Meinung, da\u00df dieselbe bei sehr lange fortgesetzter Benzolf\u00fctterung mehr und mehr, schlie\u00dflich bis zu v\u00f6lligem Verschwinden der Mucons\u00e4ure gesteigert wird.\nDie beiden Hunde, mit denen ich meine Untersuchung begonnen und welche mit kurzen Unterbrechungen \u00fcber 3 Monate lang Benzol erhielten, schieden anfangs 0,3 \u00b0/o der Mucons\u00e4ure aus; in einer sp\u00e4teren Periode erhielt ich nach abermaliger Darreichung von 60 g Benzol nur ca. 0,1 reine S\u00e4ure und","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\nM. Jaff\u00e9,\nin einer letzten, sich unmittelbar anschlie\u00dfenden Periode konnten aus dem \u00c4therextrakt mit M\u00fche und Not Spuren der Substanz gewonnen werden. Hier ist allerdings der Umstand in Betracht zu ziehen, da\u00df die in dem \u00c4therextrakt so bedeutender Harnquantit\u00e4ten massenhaft vorhandenen harzig\u00f6ligen Verunreinigungen die Krystallisation wahrscheinlich au\u00dferordentlich erschweren resp. unm\u00f6glich machen. Durch Verarbeitung der \u00c4therr\u00fcckst\u00e4nde vermittelst mehrfach modifizierter Bleif\u00e4llungsmethoden gr\u00f6\u00dfere Anteile von Mucons\u00e4ure zu isolieren, ist mir bisher nicht gelungen. Es d\u00fcrfte sich hiernach f\u00fcr etwaige Nachuntersuchungen empfehlen, den auf Mucons\u00e4ure zu pr\u00fcfenden Harn in k\u00fcrzeren (h\u00f6chstens 8 t\u00e4gigen) F\u00fctterungsperioden abzugrenzen.\nDie vorstehend mitgeteilten Tatsachen f\u00fchren fast mit Notwendigkeit zu dem Schl\u00fcsse, da\u00df durch Aufspaltung des Benzolrings im Tierk\u00f6rper Mucons\u00e4ure entsteht; ein weiterer Beweis f\u00fcr die Richtigkeit dieser Schlu\u00dffolgerung ist kaum noch erforderlich. Gleichwohl hielt ich es f\u00fcr w\u00fcnschenswert, einem Einwande zu begegnen, der m\u00f6glicherweise erhoben werden k\u00f6nnte.\nIch habe zu meiner Untersuchung das gew\u00f6hnliche, bei 80\u201482\u00b0 siedende Steinkohlenteerbenzol ben\u00fctzt (von Kahlbaum bezogen). Es war nicht ausgeschlossen, da\u00df in demselben eine unbekannte, in n\u00e4herer Beziehung zur Mucons\u00e4ure stehende Beimengung enthalten ist. So unwahrscheinlich die Existenz einer solchen Beimengung ist, die bei den zahlreichen und gr\u00fcndlichen Untersuchungen des Benzols den Chemikern schwerlich entgangen w\u00e4re, und so undenkbar es erscheint, die offenbar recht betr\u00e4chtlichen Quantit\u00e4ten Mucons\u00e4ure, die aus Benzol im Organismus entstehen, auf eine solche hypothetische Quelle zu beziehen, so habe ich trotzdem die F\u00fctterungsversuche mit chemisch reinem, aus reiner Benzoes\u00e4ure von Kahlbaum dargestellten Benzol wiederholt und dieselben Resultate erhalten wie mit dem Steinkohlenteerbenzol.\n1. 2 Kaninchen, deren Urin vorher 10 Tage lang gesammelt","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022\u00ef\n' : - .V\t; kj - \u2022\n\u00dcber die Aufspaltung des Benzolrings im Organismus. I. 65\nund v\u00f6llig frei von Mucons\u00e4ure gefunden war, erhielten t\u00e4glich je 3 g reines Benzol per os (auf 2 Dosen verteilt). Als im ganzen 30 g verf\u00fcttert waren, wurden die gesammelten alkoholischen Harnextrakte gemeinsam verarbeitet. Aus dem konzentrierten \u00c4therextrakt schied sich allm\u00e4hlich die Mucons\u00e4ure in den charakteristischen Krusten aus und wurde in der gew\u00f6hnlichen Weise gereinigt. Die Menge der reinen Substanz (Sp. 288\u2014289) betrug 0,06 ; doch war, wie ich mich \u201d \u00fcberzeugen konnte, in der eingeengten \u00f6ligen Mutterlauge der ersten Krystallisation noch ein Rest vorhanden, von dessen m\u00fchseliger Reindarstellung ich Abstand nahm. Die Gesamtausbeute entsprach somit ann\u00e4hernd der aus gew\u00f6hnlichem Benzol erhaltenen.\n2. Zwei Hunde von mittlerer Gr\u00f6\u00dfe, welche bisher noch zu keinem Versuche gedient hatten, erhielten pro Tag je 3 g reines Benzol in Kapseln. Die Hunde zeigten w\u00e4hrend der ganzen F\u00fctterungsperiode nicht die geringste St\u00f6rung des Befindens und fra\u00dfen mit Begierde. Ihr Urin behielt die normale, an einzelnen Tagen etwas dunklere F\u00e4rbung und enthielt sehr viel gepaarte Schwefels\u00e4ure. Nach Darreichung von 30 g wurde der Urin auf Mucons\u00e4ure verarbeitet, deren Isolierung in diesem Falle auf gr\u00f6\u00dfere Schwierigkeiten stie\u00df. Der Urin der mit viel Pferdefleisch gef\u00fctterten Tiere war sehr reich an Kynuren-siiure (die bei den ersten Versuchstieren fehlt), die in geringer Menge auch in den \u00c4ther \u00fcberging und, da sie in bezug auf L\u00f6slichkeit und Schmelzpunkt der Mucons\u00e4ure sehr \u00e4hnlich ist, die Trennung von der Mucons\u00e4ure erschweren mu\u00dfte. Doch gelang die Trennung, bei der die von mir aufgefundene Kynurens\u00e4urereaktion (mit Salzs\u00e4ure und chlorsaurem Kali) als Wegweiser diente, leichter, als ich dachte und zwar deshalb, weil die Kynurens\u00e4ure sich aus dem \u00c4therauszug fr\u00fcher ausschied wie die Mucons\u00e4ure. Nach ihrer Entfernung schieden sich aus dem \u00c4therextrakt bei weiterer Verdunstung zun\u00e4chst ziemlich reichlich Krystalle aus, die sich in ihrem Aussehen wesentlich von der Mucons\u00e4ure unterscheiden und sich als Schwefel herausstellten. Erst nach mehrfacher Entfernung der Schwefelkrystallisationen bildeten sich in der inzwischen sehr konzentrierten L\u00f6sung die charakteristischen Krusten von\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXII.\t5 .\nI","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nM. Jaff\u00e9,\nMucons\u00e4ure, die allerdings noch stark mit Schwefel verunreinigt waren. Durch Behandlung mit verd\u00fcnntem NHS konnte sie von dieser Beimengung befreit, durch Entf\u00e4rbung des neutralen NH4 Salzes mit Tierkohle, F\u00e4llung mit G1H und Kry-stallisation aus hei\u00dfem Wasser rein erhalten werden. \u2014 Sie wurde durch den Schmelzpunkt (292\u2014293\u00b0) und die Analyse des Silbersalzes identifiziert. (Ag gef. 60,28\u00b0/o, verl. 60,6\u00b0/\u00ab).\nDie Menge der v\u00f6llig reinen Substanz betrug 0,08.\nAut die Isolierung des noch in den Mutterlaugen enthaltenen Restes wurde auch in diesem Falle verzichtet.\nDer Nachweis von Mucons\u00e4ure im Harn wirft ein \u00fcberraschendes Licht auf die bisher g\u00e4nzlich unbekannten Vorg\u00e4nge bei dem Abbau des Benzolrings im tierischen Organismus. Da\u00df er f\u00fcr die chemischen Kr\u00e4fte des Organismus nicht unangreifbar ist, sondern in demselben eine wenigstens teilweise Aufspaltung _ erleidet, hat man l\u00e4ngst als wahrscheinlich angenommen. Selbst diejenigen aromatischen Verbindungen, welche unver\u00e4ndert, in der Seitenkette abgebaut oder in gepaarter Verbindung zur Ausscheidung gelangen, fanden sich bei sorgf\u00e4ltigster Untersuchung nur zu einem mehr oder weniger gro\u00dfen Bruchteile, fast niemals quantitativ im Urin wieder.\nTyrosin und einige andere aromatische Aminos\u00e4uren gehen so gut wie vollst\u00e4ndig im Organismus zugrunde. Wohl hat Blendermann1) nach \u00dcberschwemmung des Kaninchenorganismus mit Tyrosin eine wohlcharakterisierte Verbindung desselben, das Tyrosinhydantoin und ein weniger sicher gestelltes Derivat, die Oxyphenylmilchs\u00e4ure,ausdem Harn isolieren k\u00f6nnen, doch steht dieser Befund bisher ganz vereinzelt da und entspricht in quantitativer Beziehung nicht ann\u00e4hernd dem gro\u00dfen \u00dcberschu\u00df des dargereichten Tyrosins.\nMit der Darstellung der Mucons\u00e4ure ist zum ersten Male die Aufspaltung des Benzols im Stoffwechsel in greifbarar Form bewiesen. Ein Vergleich der Formeln zeigt auf den ersten Blick,\n*) Diese Zeitschrift, Bd. VI.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Aufspaltung des Benzolrings im Organismus. I. 67\nwie leicht die Ableitung der Mucons\u00e4ure aus dem Benzol durch oxydative Spaltung sich erkl\u00e4rt.\nCH\tCH\nHC/\\,CH\tffl/XCOOH\nH<>\tHC^COOH\nCH\tCH\nBenzol.\tMucons\u00e4ure.\nEs liegt nun nahe, von dem neu gewonnenen Gesichtspunkte aus das Verhalten derjenigen aromatischen Verbindungen zu studieren, welche im Organismus zu einem gr\u00f6\u00dferen Anteile zerst\u00f6rt werden. Untersuchungen in dieser Richtung sind in meinem Laboratorium im Gange und haben bereits das Resultat ergeben, da\u00df nach Verf\u00fctterung von 40 g reinsten Tyrosins an 2 Kaninchen (in t\u00e4glichen Dosen von 2 g) sich keine Spur von Mucons\u00e4ure im Harn auffmden lie\u00df.\n5*","page":67}],"identifier":"lit37462","issued":"1909","language":"de","pages":"58-67","startpages":"58","title":"\u00dcber die Aufspaltung des Benzolrings im Organismus. I. Mitteilung. Das Auftreten von Mucons\u00e4ure im Harn nach Darreichung von Benzol","type":"Journal Article","volume":"62"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:39:37.116409+00:00"}