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{"created":"2022-01-31T16:52:32.524292+00:00","id":"lit37503","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Rollett, Adolf","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 62: 410-421","fulltext":[{"file":"p0410.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der Linols\u00e4ure.\nVon\nAdolf Rollett.\n(Aus dem physiologischen Institut der Universit\u00e4t Berlin.)\n(Der Uedaktion zugegangen am 5, August lyoa.)\nHei Gelegenheit einer auf Veranlassung von Herrn Professor T h i e r f'e.l d e r unternommenen Untersuchung \u00fcber die im Lecithin-inolokiil enthaltenen Fetts\u00e4uren,1) die zum Teil eine recht betr\u00e4chtliche .lodzahl aufweisen, erschien es von Wichtigkeit, eine Methode zu besitzen, um die eventuell darin vorhandene Linols\u00e4ure nicht nur qualitativ nachzuweisen, sondern auch nach M\u00f6glichkeit quantitativ zu bestimmen.\nLber diesen Gegenstand liegen Untersuchungen vor von Farnsteiner,-) der das Bromadditionsprodukt der Linols\u00e4ure, das sogenannte Linols\u00e4uretetrabromid, eine aus Petrol\u00e4ther sch\u00f6n kristallisierende Substanz vom Schmelzpunkt 114\u00b0, zu diesem Zweck verwendet. Mit Hille dieser Methode gelang es ihm auch, in einer Reihe von Pflanzen- und Tierfetten die Linols\u00e4ure nachzuweisen und, wie er glaubte, auch quantitativ zu bestimmen. Allerdings bezeichnet er selbst in der zitierten Arbeit den Nachweis als noch nicht erbracht, da\u00df beim Bromieren der Linols\u00e4ure der Hauptsache nach das krystallisierte Bromid Ci*H32Br4\u00dc2 entsteht. Mit Recht sagt er, da\u00df diese Frage nur mit wirklich reiner Linols\u00e4ure studiert werden kann.\nNun ist in der Literatur verschiedentlich die Rede von \u00abganz reiner Linols\u00e4ure\u00bb, die von den Verfassern auf verschiedene Arten dargestellt wird. Farnsteiner selbst stellt zweimal3) die Publikation einer Methode in Aussicht, um zu\n\u2018) biese Zeitschrift, Bd. LXI, S. 210, 1900.\n\u25a0*) Zeitschrift f. Untersuchung der Nahrungs- u. Genu\u00dfmittel, Bd. II, S. I. 1899.\n'\u2019*\u25a0)- Zeitschrift f. Unters, der Nahrungs- und Genu\u00dfmittel. Bd. II, S. ln. 1899. und Bd. VI, S. 104, 1903.","page":410},{"file":"p0411.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis, der Linols\u00e4ure.\t411\nsolcher S\u00e4ure zu kommen. Jedoch gelang es mir nicht, irgendwo eine Angabe zu finden, welche die verschiedentlich behauptete \u00abReinheit\u00bb der Pr\u00e4parate sichergestellt h\u00e4tte. Und Thierfelder sagt wohl mit Recht in seinem Handbuch,j) die S\u00e4uren der Reihe CnH2n_402 und CnH2n_(.02 seien \u00abbis jetzt wohl kaum rein dargestellt worden\u00bb.\nVon den verschiedenen vorgeschlagenen Methoden zur Darstellung von Linols\u00e4ure erschien die von Hazura2) \u2014 Reduktion des krvstallinen Tetrabromids durch nascierenden Wasserstoff \u2014 die aussichtsreichste. Hazura selbst, der die Reduktion durch 8 t\u00e4giges Kochen mit Zinn und \u00e4thylalkoholische Salzs\u00e4ure bewirkt, gelang es zwar nicht, zu reiner Linols\u00e4ure zu kommen. Sein Produkt hatte die Jodzahl 155 statt 181,5. Jedoch ist dieses ung\u00fcnstige Resultat wohl auf eine nachtr\u00e4gliche Oxydation w\u00e4hrend der ziemlich komplizierten Manipulationen bei der Aufarbeitung des Reaktionsproduktes zur\u00fcckzuf\u00fchren.\nUnter Anwendung verschiedener Modifikationen gelang es mir, zun\u00e4chst reinen Methylester, und sodann aus diesem reine Linols\u00e4ure darzustellen.\nLinols\u00e4uremethylester.\nAls Ausgangsmaterial diente aus Mohn\u00f6l dargestelltes Linols\u00e4uretetrabromid. Um dieses darzustellen, wurden die aus 1 kg Mohn\u00f6l durch Verseifung erhaltenen Fetts\u00e4uren in 1500 ccm Ligroin gel\u00f6st und unter Eisk\u00fchlung und Umr\u00fchren tropfenweise Brom zugesetzt, bis die Fl\u00fcssigkeit dauernd rote Farbe annahm. Die ausgeschiedenen Bromierungsprodukte' wurden nach mehreren Stunden abfiltriert und in zwei Portionen aus je 1000 ccm Ligroin umkryst\u00e4llisiert. So wurden ca. 530 g reines Tetrabromid vom Schmelzpunkt 114/115\u00b0 erhalten.\n100 g von diesem \u00abLinols\u00e4uretetrabromid\u00bb wurden mit\n\u2018) Hoppe-Seylers Handbuch der physiologisch--und pathologischchemischen Analyse. Bearbeitet von II. Thierfelder. 8. Auflage. S. 67. Berlin 1909.\n*) Monatshefte f. Chemie, Bd. VIII, S. 151, 1887.","page":411},{"file":"p0412.txt","language":"de","ocr_de":"Adolf Rolletl\n412\n100 g granuliertem Zink und 150 ccm Methylalkohol versetzt und am R\u00fcckflu\u00dfk\u00fchlerzum Sieden gebracht. Hierauf wurden l\u00f6Occm einer 5-n-methylalkoholischen Salzs\u00e4ure (dargestellt durch Einleiten trockenen HCl-Gases in Methylalkohol und Verd\u00fcnnen bis zum genannten Titer) tropfenweise im Laufe ca. einer halben Stunde zugesetzt. Im Anfang mu\u00df der Zusatz sehr vorsichtig erfolgen. da sonst starkes Sch\u00e4umen auflritt. Nach Beendigung des S\u00e4urezuflie\u00dfens wird noch 1 Stunde gekocht ; beim Abk\u00fchlen scheidet sich auf der alkoholischen Fl\u00fcssigkeit ein helles \u00d6l ab, das mit Petrol\u00e4ther (zweckm\u00e4\u00dfig vom Kochpunkt 30 bis 50\u00b0) ausgesch\u00fcttelt wird. Die Petrol\u00e4therl\u00f6sung wird zur Ent fernung von Methylalkohol und S\u00e4ure mehrmals mit Wasser gesch\u00fcttelt, mit Natriumsulfat getrocknet und sodann der Petrol\u00e4ther am Wasserbad verdampft; es hinterbleibt ein hellgelbes \u00d6l, das der Vakuumdestillation unterworfen wird. Der Koch punkt ist v\u00f6llig konstant und betr\u00e4gt\nbei 11 mm Druck 207 208\u00b0\n* 16 \u2022 211/212\u00b0\n\u00bb 35\t\u00bb\t2217224\u00bb.\nDas Destillat ist wasserklar, die Ausbeute betr\u00e4gt 46 g = 94\u00b0/o der Theorie.\nJodzahl :\nI. 0.2252 g Substanz addierten 0,3880 g Jod (Wijs)\nII. 0.1750 \u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t0,2990*'.\u00bb\nJodzahl berechnet:\t172,8\ngefunden : I. 172.3 II. 170,9\nAnalyse:\n, 02138 g Substanz gaben 0,6043 g CO, und 0,2270 g H\u201e0. Berechnet f\u00fcr C,9HM0, = 294 : 77,57\u00ab/. C und 11,58\u00bb/. H.\nGefunden: 77,07\u00b0/o \u00bb\t\u00bb 11,88% *\nDichte:\n19,5555 g Substanz hatten das Volumen von 21,9760 g H,0 bei 18\u00b0\ndf = 0,8886.\nJodzahl und Analyse zeigten also, da\u00df der Methylester frei war von Oxydationsprodukten. Au\u00dferdem zeigte eine Titration, da\u00df er auch frei war von beigemengter S\u00e4ure.","page":412},{"file":"p0413.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der Linols\u00e4ure. .\t413\nLinols\u00e4ure aus dem Methylester.\nUm aus dem Linols\u00e4uremethylester auf m\u00f6glichst schonende Art die S\u00e4ure darzustellen, wurde zur \u00abkalten Verseifung* gegriffen, die von Kos sei, gemeinsam mit Ober m\u00fcl 1er1) und Kr\u00fcger2) angegeben, und von Henriques3) weiter studiert worden ist. Ein L\u00f6sen in \u00c4ther oder Petrol\u00e4ther, das die Autoren f\u00fcr die kalte Verseifung von Fetten vorschlagen, war in unserem Falle unn\u00f6tig, da der Ester sich in alkoholischer Natronlauge leicht l\u00f6st. Auch wurden die gebildeten Seifen nicht durch Filtrieren getrennt, sondern durch Zusatz von Wasser zur L\u00f6sung gebracht.\n40 g Methylester wurden mit 400 ccm 5\u00b0/oiger \u00e4thylalkoholischer Natronlauge (hergestellt durch L\u00f6sen von Natriumhydroxyd in 96\u00b0/o igem Alkohol) versetzt und die L\u00f6sung \u00fcberNachtW stehen gelassen. Der ganze Kolbeninhalt erstarrte zu einer Gallerte, dip durch Zusatz von ca. 400 ccm Wasser zum L\u00f6sen gebracht, beim Aussch\u00fctteln mit Petrol\u00e4ther nichts an diesen abgab. Die Verseifung war also vollst\u00e4ndig. Hierauf wurde mit verd\u00fcnnter Schwefels\u00e4ure anges\u00e4uert und nochmals mit Petrol\u00e4ther ausgesch\u00fcttelt, der Petrol\u00e4therauszug mehrmals mit Wasser gesch\u00fcttelt, dann mit Natriumsulfat getrocknet, am Wasserbad der Petrol\u00e4ther verdampft und der R\u00fcckstand \u2014 ein hellgelbes \u00d6l \u2014 im Vakuum destilliert. Es wurden 37 g eines wasserhellen \u00d6les erhalten, dessen Kochpunkt bei 16 mm 229 230\u00b0 bei 14 mm 228\u00b0 betrug.\nEs wurde die Ausbeute von 97\u00b0/o erzielt oder, auf Tetrabromid als Ausgangsmaterial umgerechnet, ca. 91\u00b0/o.\nJodzahl:\nI. 0,4370 g Substanz addierten nach Wijs 0,7793 g Jod\nII. 0.4280 \u00bb\t\u00bb\t\u00bb \u2022\t\u00bb\t0,7665 , >\nJodzahl berechnet: 181,4 gefunden: 1.178,3\n_______ 11 179\u2019r ' \u2022\n*) Kosselu. Oberm\u00fcller, Diese Zeitschrift, Bd. XIV, S. 599,1890.\n8) Kossel u. Kr\u00fcger, Diese Zeitschrift, Bd. XV, S. 321. .1891.\ns) Henri ques, Zeitschrift f. ang. Chem., 1895. S. 721 ; 1896, S. 221 ; 1898, S. 338. 697.","page":413},{"file":"p0414.txt","language":"de","ocr_de":"t\tAdolf Rollett.\nAnalyse:\n6.20(50 g Substanz gaben 0.7528 g CO, und 0,2801 g H,0. Berechnet f\u00fcr C\u201eH3202 = 280: 77.14V C und ll,42\u00b0/o H.\nGefunden: 77.00\u00b0 o >\t11,77\u00b0,o \u00bb\nMo1ek u1argcwi c h t:\n1.2220 g Substanz wurden durch 8.8 ccm V-KOH vom Titer 0,90 neutralisiert.\nHieraus ergibt sich das Molekulargewicht zu 280,5.\nBerechnet : 280.\nDichte:\n5,(5078 g Substanz hatten bei 18\u00b0 das Volumen von 6,2047 g Wasser\nd{8 = 0.0026.\nw\u00e4hrend in den Lehrb\u00fcchern1) f\u00fcr die \u00abLinols\u00e4ure\u00bb die Dichte 0,020(5\nangegeben wird.\nAnalyse, Jodzahl und Molekulargewicht beweisen, da\u00df die Substanz v\u00f6llig rein war, d. h. frei von Oxydationsprodukten.\nBromierung der Linols\u00e4ure.\nAuf die so erhaltene Linols\u00e4ure wurde unter den verschiedensten Bedingungen Brom einwirken gelassen. Es wurde hierbei stets krystallisiertes Tetrabromid vom Schmelzpunkt 111 115 0 erhalten, doch \u00fcbertraf die Ausbeute an diesem Produkt in keinem Falle 50\u00b0/o.\nVon den zahlreichen angestellten Bromierungsversuchen will ich einige beschreiben :\n1.\t\u00f4 g Linols\u00e4ure wurden in 30 ccm Petrol\u00e4ther gel\u00f6st, in K\u00e4ltemischung abgekiihlt, und dann langsam eine ca. 5\u00b0/oige L\u00f6sung von Brom in Petrol\u00e4ther einflie\u00dfen gelassen, bis die rote Farbe nicht mehr verschwand. Die Temperatur wurde w\u00e4hrend der ganzen Zeit bei \u2014 10\u00b0 bis \u2014 5\u00bb gehalten. Die ausgeschiedenen Krvstalle wurden nach ca. Ls Stunde abfiltriert, sie betrugen H g,' und ergaben nach dem \u00fcmkrystaltisieren aus wenig Ligroin 5,0 g reines Tetrabromid \u2014 Ausbeute 46,7 \u00b0/\u00f6.\n2.\t2f) g Linols\u00e4ure wurden genau wie bei 1. bromiert, jedoch das Bromierungsprodukt vor dem Filtrieren \u00fcber Nacht\n*' L B Benedikt-Ulzer. Analyse der Fette, 4. Aull., S. 20.","page":414},{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der Linols\u00e4ure.\t415\nim Eisschrank stehen gelassen. Am anderen Tage war die Rotf\u00e4rbung noch erhalten. Die Ausbeute betrug 21 g = 39,3 \u00ab;0.\nH. 2 g Linols\u00e4ure in 40 ccm \u00c4ther wurden mit ca. 40 ccm 5 \u00bb/oiger\u00e4therischer Broml\u00f6sung unterKiihlung mit K\u00e4ltemischung bromiert. Die L\u00f6sung blieb klar. Sie wurde durch Sch\u00fctteln mit Natriumthiosulfatl\u00f6sung vom Brom\u00fcberschu\u00df befreit und mit Natriumsulfat getrocknet. Nach dem Abdestillier<\u2018ii des \u00c4thers hinterblieben 4.3 g, die beim \u00dcmkrystaliisieren aus wenig Ligroin 2,0o g reines Tetrabromid ergaben \u2014 Ausbeute 47,9 o/o.\n*. 2 g Linols\u00e4ure in 20 ccm Tetrachlorkohlenstoff wurden fciit einer 10*\u00bb/0igen L\u00f6sung von Brom in Tetrachlorkohlenstoff unter K\u00fchlung mit K\u00e4ltemischung bis zur bleibenden Botf\u00fcr-bung versetzt. Der Tetrachlorkohlenstoff wurde mit Natriumthiosulfatl\u00f6sung vom Brom befreit, mit Natriumsulfat getrocknet, der gr\u00f6\u00dfte Teil verdampft und der zur\u00fcckgebliebene Sirup mit Petrol\u00e4ther angerieben. Es wurden so 1,5 g reines Tetrabromid erhalten\u2014 .35 \u00b0/o.\nAuch in Eisessig oder Chloroform gestalteten sich die Ausbeuten nicht g\u00fcnstiger: das Entfernen des Brom\u00fcbersohusscs wurde auch nach Farnsteiner mit Aldehyd oder reiner \u00d6ls\u00e4ure versucht, doch ohne dal! dadurch das Ergebnis ein besseres wurde. Aldehyd verschlechterte sogar die Ausbeute.\nAuch durch Vernachl\u00e4ssigung des K\u00fchlens sowie zu schnelles Zuf\u00fcgen des Broms, in Losung oder rein, wurde die Ausbeute beeintr\u00e4chtigt.\nWenn man nun versucht, sich die schlechte Ausbeute von kri stallisiertem Produkt zu erkl\u00e4ren, die bei der Bromierung anscheinend v\u00f6llig reiner Linols\u00e4ure erhalten wird, so ist man zun\u00e4chst versucht, an der Einheitlichkeit des angewandten Materials zu zweifeln. Die \u00abLinols\u00e4ure\u00bb k\u00f6nnte ja trotz der recht gut stimmenden Analyse und Jodzahl, selbst trotz des konstanten Siedepunktes ein Gemisch verschiedener Isomerer sein. Diese Anschauung, gegen die sch\u00f6n die Entstehung der S\u00e4ure aus dem sicher einheitlichen Tetrabromid spricht, wird in der Folge widerlegt oder wenigstens recht unwahrschein-lieh gemacht werden.\nHoppe-.Soyler's Zeitschrift f. physio\u2019,. Chemie. LXH.\n28","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\tAdolf Rollett,\nFerner w\u00e4re es denkbar, da\u00df durch die Einwirkung des Broms ein gr\u00f6\u00dferer Teil der Linols\u00e4ure v\u00f6llig zerst\u00f6rt wird. Jedoch m\u00fc\u00dften dann gro\u00dfe Mengen von BromwasserstoffAuftreten, was, wie schon Hazura *) gezeigt hat, nicht der Fall ist.\nEs k\u00f6nnte auch eventuell nur ein kleiner Teil der Linols\u00e4ure tiefergreifend ver\u00e4ndert werden, und dieser kleine Teil w\u00fcrde dann eine gr\u00f6\u00dfere Menge Tetrabromid in L\u00f6sung halten. Dieser Erkl\u00e4rungsversuch kann durch einige von Farnsteiner* 2) angestellte Versuche gest\u00fctzt werden. Er lie\u00df Brom auf eine Chloroforml\u00f6sung von reinem Tetrabromid bei h\u00f6herer Temperatur einwirken und beobachtete dabei bei geringer Bromaufnahme (Gewichtszunahme) einen sehr betr\u00e4chtlichen Verlust an krystallisierf\u00e4higem Tetrabromid. Auch die fr\u00fcher (S. 415) mitgeteilte Tatsache, da\u00df die Ausbeute stark von den Arbeitsbedingungen abh\u00e4ngt, l\u00e4\u00dft sich in diesem Sinne deuten.\nDenkt man jedoch an die sterischen Verh\u00e4ltnisse bei den Derivaten unges\u00e4ttigter K\u00f6rper im Sinne der van't Hoffschen Theorie, so bietet sich noch eine Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeit, die vielleicht das meiste f\u00fcr sich hat.\nBekanntlich k\u00f6nnen die K\u00f6rper mit einer Doppelbindung in zwei isomeren Modifikationen existieren, z. B. Malein- und Fumars\u00e4ure. \u00d6l- und Elaidins\u00e4ure, Zimmts\u00e4ure und Allozimmt-s\u00e4ure. Beim Bromieren hat man aus jedem der beiden cis-trans-Isomeren ein Gemisch von je zwei optischen Isomeren zu erwarten. F\u00fcr den Fall der Zimmts\u00e4ure sind alle vier m\u00f6glichen Dibromide, das d- und 1-Zimmts\u00e4uredibromid,3) sowie das d- und 1-Ailozimmts\u00e4urebromid,4) von Liebermann dargestellt.\nBei der Linols\u00e4ure, die ja zwei Doppelbindungen enth\u00e4lt, liegt der Fall noch komplizierter. In der willk\u00fcrlichen Voraussetzung, da\u00df die Linols\u00e4ure bez\u00fcglich beider Doppelbindungen der cis-Formel entspricht, kann man von derselben folgende vier Tetrabromide ableiten :\n\u2018) Monatshefte f. Chemie, Bd. VIII, S. 262, 1887.\n*) Zeitschrift f. Untersuch, der Nahrungs- u. Genu\u00dfmittel. Bd. II, S. 1. 1899.\n3> Her. d. Deutsch, ehern. Ges., Bd. XXVI, S. 245, 829. 833.1662,1664.\n4) Ber. d. Deutsch, chem. Ges., Bd. XXVII, S. 2037.","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der Linols\u00e4ure.\t'\t417\n2.\t3.\nHCBr |\tHCBr\tBrCH\tBrCH\nHCBr\t1 HCBr\tBrCH\t! BrCH\nHCBr\tBrCH 1\tBrCH\tHCBr\nHCBr\tBrCH\t| , BrCH\th HCBr\nCOOH\tCOOH\tCOOH\tCOOH\nWie leicht ersichtlich, stellen Fig. 1 und 3 einerseits sowie 2 und i anderseits je zwei Paare optisch aktiver Antipoden\ndar, zwei Paare, welche unter einander chemische Isomeric zeigen m\u00fcssen.\nEs besteht im Sinne der Theorie also die M\u00f6glichkeit, da\u00df beim Bromieren der Linols\u00e4ure, auch wenn sie einheitlich ist, zwei K\u00f6rper entstehen, von denen jeder wiederum in zwei optisch aktive Komponenten spaltbar sein mu\u00df.\nWenn, was ja nicht gerade unwahrscheinlich ist, die beiden Isomeren in ann\u00e4hernd derselben Menge entstehen, s<> findet auch die Erscheinung ihre Erkl\u00e4rung, da\u00df die maximale, beim Bromieren erhaltene Ausbeute an krystallisiertem Bromid ca. 50\" \u00ab betr\u00e4gt.\nSind diese Anschauungen richtig, so mu\u00df/im Filtrat vom krystallisierten Tetrabromid das andere Isomere^enthalten sein, welches beim Reduzieren jedoch dieselbe Linols\u00e4ure zur\u00fcckliefern mu\u00df. Diesbez\u00fcglich angestellte Versuche fielen positiv aus, freilich konnte das hypothetische -Isotetrabromid\u00bb bisher nicht gereinigt werden, seine Existenz kann daher noch keineswegs als sichergestellt betrachtet werden.\nLinols\u00e4ureisotetrabromid. (?)\nDas fl\u00fcssige Tetrabromid wurde aus der Mutterlauge von nach Nr. 2 oder Nr. 3 auf S. 414 bezw. 415 bromierter Linols\u00e4ure dargestellt. Bei Versuch 2 wurde die bromhaltige Petrol\u00e4therl\u00f6sung zun\u00e4chst mit Thiosulfat gesch\u00fcttelt, dann getrocknet und die Hauptmenge des Petrol\u00e4thers auf dem Wasserbad verdampft; die letzten Spuren davon wurden im Vakuumexsikkator\n28*","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418\nAdolf Ro 11 e 11,\nbei 100\u00bb verjagt: hierbei hinterblieb ein hellgelb gef\u00e4rbtes dickfl\u00fcssiges \u00d6l. Aus 25 g Linols\u00e4ure wurden 27 g von demselben erhalten.\nBrom Bestimmung:\n( >,2080 g Substanz gaben 0,3558 g AgBr.\nBerechnet f\u00fcr CjI^Br^O, == \u00ab00: 53.32% Br Gefunden :\t50,66 \u00b0,o \u00bb\nBerechnet f\u00fcr C18H33BrsO, = 521: 46,07\u00b0/\u00ab \u00bb\nBei der Jodzahlbestimmung zeigte die Substanz kein Jodadditionsverm\u00f6gen mehr.\nReduktion.\n35 g von dem \u00f6ligen Bromprodukt wurden genau in der fr\u00fcher (S. 411) beschriebenen Weise mit 100 ccm Methylalkohol. \u2022>0 g /ink und ;>0 ccm o-n-methylalkoholischer Salzs\u00e4ure zur Reaktion gebracht. Der erhaltene Ester wurde, diesmal ohne vorhergehende Destillation, kalt verseift, die S\u00e4uren mit Pelrol-\u00e4ther aufgenommen und nach dem Trocknen und Verdampfen desselben im Vakuum destilliert.\nDie Hauptmenge ging bei 15 mm Druck bei 230\u00bb \u00fcber (ungef\u00e4hr entsprechend der Linols\u00e4ure). Gegen Ende jedoch\nstieg die Temperatur bis zu 255 \u00bb. Es wurden 13,5 g Destillat erhalten.\nJodzahl:\nI.\t0,1860 g Substanz addierten 0,2054 g Jod (Wijs)\nII.\t0.3548\t> \"\t\u00bb\t0,5682 \u00bb \u00bb\t. ,\nJodzahl berechnet f\u00fcr \u20ac,^0^:\t181,4\nGefunden: 1. 158.0 \u00bb II. 160,2 Berechnet f\u00fcr ClsH3402:\t00,1\nSiedepunkt und Jodzahl lassen also auf allerdings nicht ganz reine Linols\u00e4ure schlie\u00dfen.\nBromierung.\n5 g von der erhaltenen S\u00e4ure wurden genau nach der S. ,414, Nr. 3. angegebenen Methode bromiert. Es entstand reichliche Krystallabscheidung. Die Ausbeute betrug nach dem Umkristallisieren 2.8 g = 26,2\u00bb.\u00bb an reinem Linols\u00e4uretetra-bromid vom Schmelzpunkt 113 114\u00b0.","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der Linols\u00e4ure.\n419\nDurch diesen Versuch \u2014 Gewinnung von krvstallisiertein Tetrabromid aus dem Reduktionsprodukt . des fl\u00fcssigen Tetrabromids \u2014 wird die oben1) erw\u00e4hnte Annahme der isomeren Linols\u00e4uren recht unwahrscheinlich gemacht. W\u00fcrde das fl\u00fcssige Tetrabromid sich von einer anderen Linols\u00e4ure ableiten als das feste, so w\u00e4re doch zu erwarten, da\u00df bei der Reduktion die isomere entsteht.\nOb das \u00abfl\u00fcssige Tetrabromid\u00bb mit dem festen identisch ist und nur durch mehr oder minder gro\u00dfe Verunreinigungen am Krystallisieren verhindert wird, oder ob, es ein Individuum f\u00fcr sich ist, diese Frage kann noch nicht sicher beantwortet werden.\nAuf jeden Fall scheint es erwiesen, da\u00df die Bromaddition keineswegs quantitativ zu einem krvstallinen K\u00f6rper f\u00fchrt, und da\u00df diese Reaktion, die ja zur qualitativen Auffindung von Linols\u00e4ure schon gro\u00dfe Dienste geleistet hat, keinen sicheren Schlu\u00df gestattet auf die Menge der im Gemisch vorhandenen Linols\u00e4ure.\nMan k\u00f6nnte an die Einf\u00fchrung eines Faktors denken, mit dem man die Ausbeute an Tetrabromid zu multiplizieren h\u00e4tte, z. B. 2,1. Jedoch m\u00fc\u00dfte vorher der Einflu\u00df von anderen, in den Fetten enthaltenen S\u00e4uren auf die Ausbeute an Tetrabromid studiert werden.\nGegenwart von \u00d6ls\u00e4ure scheint nicht wesentlich zu schaden, ein Bromierungsversuch von 5 g Linols\u00e4ure in Gegenwart von 3 g \u00d6ls\u00e4ure in \u00c4therl\u00f6sung ergab 4,4 g reines Tetrabromid = 41 o/o. Gegen wart gr\u00f6\u00dferer Mengen von Linolens\u00e4ure scheint aber selbst den qualitativen Nachweis von Linols\u00e4ure sehr zu erschweren. Schon Hazura2) spricht von der Schwierigkeit, aus Lein\u00f6ls\u00e4ure das Tetrabromid der Linols\u00e4ure, die er mit Hilfe der Sativins\u00e4ure naebgewiesen hatte, zu erhalten.\nAu\u00dfer dem Bromadditionsprodukt war auch das Studium des Oxydationsproduktes der Linols\u00e4ure von Interesse, n\u00e4mlich der Sativins\u00e4ure, die Hazura3) durch Einwirkung von Kaliumpermanganat in alkalischer L\u00f6sung aus den verschiedensten\nM S. 415 t\n*) Hazura und Friedreich. Monatshefte,\u2019Bd; VIII, S. 104, 1887. \u2014 Hazura, Monatshefte, Bd. IX, S. 1113, 1888.\n') Monatshefte f. Chemie, Bd. VIII, 8. 153, 1887.","page":419},{"file":"p0420.txt","language":"de","ocr_de":"420\nAdolf Rollett.\nPflanzenfetten dargestellt hat. Hazura gibt in seiner ersten Mitteilung1) dar\u00fcber den Schmelzpunkt 161\u00b0 an. Sp\u00e4ter2) erhielt er durch fraktionierte Krvstallisation aus Wasser und Alkohol daraus verschiedene mehr oder weniger reine Fraktionen von Sativins\u00e4ure, die zwischen 154 und 173\u00b0 schmolzen. Hieraus folgert er f\u00fcr reine Sativins\u00e4ure den Schmelzpunkt 173\u00b0.\nDa nun f\u00fcr die Tetraoxystearins\u00e4ure dieselben Isomeriever-h\u00e4ltnisse in Frage kommen, wie sie f\u00fcr das Tetrabromprodukt oben er\u00f6rtert sind, liegt die Vermutung nahe, da\u00df die Sativins\u00e4ure Hazuras kein einheitlicher K\u00f6rper ist, sondern aus zwei Isomeren besteht.\nCm dies zu entscheiden, wurde ein Oxydationsversueli mit reiner Linols\u00e4ure gemacht.\n15 g Linols\u00e4ure wurden mit 18 ccm 33 \u00b0/oiger KOH verseift, die Seife in 3 1 Wasser gel\u00f6st und 22 g Kaliumpermanganat in 2 1 Wasser langsam zuflie\u00dfen gelassen. Nach 10 Minuten wurde in die dunkelgr\u00fcne, mit Braunstein durchsetzte Fl\u00fcssigkeit Schwefeldioxyd bis zur Entf\u00e4rbung und L\u00f6sung des Braunsteins eingeleitet. Die tr\u00fcbe L\u00f6sung setzte beim Stehen ein wei\u00dfes Produkt ab, das abfiltriert und nach dem Trocknen mit \u00c4ther extrahiert unscharf bei 155\u00b0 schmolz. Die Ausbeute betrug 7,fi g = 40,7 \u00b0/o. Auch bei 6 maligem Umkrystalli-sieren aus je 100 Teilen Alkohol konnte kein scharfer Schmelzpunkt erzielt werden. Er lag vielmehr zwischen 156 und 169\u00b0.\nAls aber die Substanz mit 50 Teilen Benzol, in dem sich nur eine minimale Sp\u00fcr l\u00f6ste, ausgekocht und nochmals aus Alkohol umkrystallisiert wurde, betrug der Schmelzpunkt 171 173\u00b0 und \u00e4nderte sich nicht mehr bei weiterem Umkrystallisieren.\nOb die minimale, in Benzol l\u00f6sliche Verunreinigung aus einer isomeren Sativins\u00e4ure besteht, konnte wegen der geringen erhaltenen Menge noch nicht entschieden werden.\nZusammenfassung.\n1. Linols\u00e4ure l\u00e4\u00dft sich durch Reduktion ihres u. a. aus Mohn-\u00f6d erh\u00e4ltlichen krystallisierten Tetrabromids v\u00f6llig rein darstellen.\n\u2018) Monatshefte f Chemie, Bd. VIII. S 153, 1887.\n*> Ebenda. Bd. IX. S. 202, 1888.","page":420},{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Kenntnis der Linols\u00e4ure;\t421\n2.\tBei der Einwirkung von Brom entsteht aus reiner Linols\u00e4ure das krystallisierte Tetrabromid in einer Ausbeute von h\u00f6chstens 50\u00b0/o. Au\u00dferdem entsteht ein sirupartiges Bromadditionsprodukt.\n3.\tDas sirupartige Bromadditionspr\u00f6dukt regeneriert beim Reduzieren dieselbe Linols\u00e4ure, wie das krystallisierte Tetrabromid.\n4.\tBei der Oxydation mit Kaliumpermanganat entsteht aus reiner Linols\u00e4ure neben der von Hazura beschriebenen Sativins\u00e4ure vom Schmelzpunkt 171 3^ in geringer Menge ein noch nicht n\u00e4her definiertes Produkt, das nur durch hei\u00dfes Benzol sich entfernen l\u00e4\u00dft.\n5.\tAlle diese Tatsachen, insbesondere die beiden isomeren Bromadditionsprodukte, die derselben Linols\u00e4ure entsprechen, finden in den aus den 2 Doppelbindungen der Linols\u00e4ure sich ergebenden sterischen Verh\u00e4ltnissen ausreichende Erkl\u00e4rung.","page":421}],"identifier":"lit37503","issued":"1909","language":"de","pages":"410-421","startpages":"410","title":"Zur Kenntnis der Linols\u00e4ure","type":"Journal Article","volume":"62"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:52:32.524298+00:00"}