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{"created":"2022-01-31T15:48:07.076584+00:00","id":"lit37534","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Schittenhelm, Alfred","role":"author"},{"name":"Karl Wiener","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 63: 283-288","fulltext":[{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Vorkommen und die Bedeutung von Allantoin im menschlichen Urin.\nVon\nAlfred Schittenhelm und Karl Wiener.\n(Au.s dem Laboratorium der Erlanger medizinischen- Klinik i (Dar Redaktion zugegangen am 22. Oktober 1909.)\nWiechowski1) hat vor kurzem \u00fcber das Vorkommen kleinster Mengen von Allantoin im menschlichen \u00dcrin berichtet. Er erkl\u00e4rt dessen Herkunft aus der Harns\u00e4ure, indem eine entsprechende Quantit\u00e4t im menschlichen Organismus, wie beim Here, zu Allantoin weiter oxydiert wird.\nAuch wir besch\u00e4ftigen uns schon lange mit dem Allantoin\ndes menschlichen Urins, dessen Anwesenheit wir best\u00e4tigen k\u00f6nnen.2)\n) W. Wiechowski, Das Vorhandensein von Allantoin im normalen Menschenharn und seine Bedeutung f\u00fcr die Beurteilung des n.ensch-hchen Harns\u00e4urestofiwechsels. Biochem. Zeitschr.. 1009 Bd XIX $ \u2018WH Ebenda ausf\u00fchrliche Darstellung der \u00e4lteren Literatur''\n*) Der eine von uns (Schittenhelm) I,at bereits auf dem Kommen fur innere Medizin im April Jillt!) die Versuche kurz erw\u00e4hn! die Aber damals noch nicht zum Allantoin gef\u00fchrt hatten. Bald darnach vermachten wir es aber bestimmt nachzuweisen. Der positive \u00c4llantoinWund ist im Kongre\u00dfbericht in einer Fu\u00dfnote angegeben (Bericht des Kongress f\u00fcr innere Mcdiz., Wiesbaden 190\u00ab, S. 482). Um Mi\u00dfverst\u00e4ndnisse zu vermeiden mochten wir betonen, da\u00df wir das Allantoin lange vor dem Erscheinen dei Wie chows ki sehen Mitteilung bereits gefunden hatten, und da\u00df auch die tu\u00dfnote im Kongre\u00dfborieht mehrere Wochen zuvor bereits gedr\u00fcckt ^rlag, mithin unser Allantomnachweis v\u00f6llig unabh\u00e4ngig von dem Wie-chowslus geschah. Wir wollen damit Wiechowski aber- nicht die 1 norit\u00e4t streitig machen, da der Kongre\u00dfbericht etwa 2\u20143 Wochen sp\u00e4ter im Buchhandel erschien wie seine Mitteilung Wir haben'darauf verzichtet, das Resultat sofort bekanntzugeben, da wir zun\u00e4chst Aufschlu\u00df dar\u00fcber suchten, woher das Allantoin stammt.","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nAlfred Schittenhelm und Karl Wiener,\nVersuch I. (XI. 08). Ausgangsmaterial waren 01 menschlichen Urins, welcher frei von Zucker und Eiwei\u00df war. Dieselben wurden nach der alten Wiechowski sehen Methode verarbeitet. Im Endfiltrat, welches weder mit Phosphorwolframs\u00e4ure, noch mit Bleiacetat, noch mit Silberacetat mehr F\u00e4llungen gab, erhielten wir auf Zusatz der Wiechowskisehen Queck-silberacelatl\u00f6sung einen ziemlich dicken gelb-braun gef\u00e4rbten Niederschlag. Derselbe wurde abfiltriert, gut gewaschen, mit Schwefel Wasserstoff in der Hitze zerlegt und das Filtrat ira Vakuum eingeengt. Die filtrierte L\u00f6sung des beim Einengen erhaltenen R\u00fcckstandes wurde nochmals mit Quecksilberacetatl\u00f6sung gef\u00e4llt. Dabei schied sich allm\u00e4hlich ein stickstoffhaltiger Niederschlag ab. Derselbe wurde wieder mit Schwefelwasserstoff zerlegt und das Filtrat eingedampft. Der R\u00fcckstand stellte eine stark braungef\u00e4rbte Substanz dar, welche makroskopisch nicht krystallinisch erschien. Leider wurde derselbe aus Versehen weggesch\u00fcttet, ehe sicher festgestellt war, ob Allantoin vorhanden war oder nicht. Jedenfalls k\u00f6nnten es nur geringste Mengen gewesen sein, der gr\u00f6\u00dfte Teil waren andere Substanzen, wie sie auch Wiechowski erhielt.\nVersuch II. (IV. 09.) Ausgangsmaterial waren 81 Urin von einem Hautkranken, der dieselben in 4 Tagen abgab, w\u00e4hrend denen er t\u00e4glich IV2 Pfund frische Thymus zu sich nahm. Die Harns\u00e4urevermehrung war darnach so reichlich, da\u00df die Harns\u00e4ure w\u00e4hrend des Sammelns in gr\u00f6\u00dferen Mengen auskrystallisierte.\nDie Verarbeitung des Urins geschah so, da\u00df wir zuerst die Bleiacetatf\u00e4llung, dann die Silberacetatf\u00e4llung und erst zum Schlu\u00df die Phosphorwolframs\u00e4uref\u00e4llung Vornahmen. Das Endfiltrat wurde genau neutralisiert und nun die Quecksilberacetatf\u00e4llung vorgenommen. Der abfiltrierte und gut gewaschene Niederschlag wurde in Wasser suspendiert und unter Anwendung des automatischen R\u00fchrers in der Hitze mit Schwefelwasserstoff zerlegt. Das klare, aber gelbgef\u00e4rbte Filtrat wurde im Vakuum bei 40\u00b0 eingedampft. Der R\u00fcckstand wurde in hei\u00dfem Wasser gel\u00f6st (ca. 200 ccm) und mit Tierkohle entf\u00e4rbt. Die L\u00f6sung gab mit Quecksilberacetat eine wei\u00dfe, flockige","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"t ber Allantoin im menschlichen I rin.\t235\nF\u00e4llung ; mit Silbernitrat wurde ebenfalls eine F\u00e4llung erhalten, welche sich bei Zusatz von wenig Ammoniak deutlich und stark vermehrte und als weihe Flocken sich abselzte. Die L\u00f6sung wurde nun eingedampft bis zum Sirup, wobei sich Rosetten von breiten nadelf\u00f6rmigen Krystallen ausschieden. Dieselben wurden auf dem Filter gesammelt und mit kaltem Wasser gewaschen, dann mit Alkohol und \u00c4ther behandelt und bei 100\u00b0 getrocknet. Die Menge war etwa 0,02 g. Die Substanz hatte einen Schmelzpunkt von 229\u2014230\u00b0, der sich auch nach Vermengen mit synthetischem Allantoin nicht \u00e4nderte. Fs lag also zweifellos Allantoin vor.\nVersuch III. (V. 09). Ausgangsmaterial bildeten ca. 5 1 Urin von einem an einer leichten SpitzenafTektion leidenden Patienten, der 3 Tage hindurch neben seiner gew\u00f6hnlichen gemischten Kost je 10g thymonucleinsaures Natrium erhalten hatte.\nDer Urin wurde wie in Versuch I nach der alten Wie-c h o w s k i sehen Methode verarbeitet. Erhalten wurden schlie\u00dflich 0,01 g Allantoin in krystallinischer Form, welches einen Schmelzpunkt von 234\u2014235\u00b0 gab, der sic h auch nach Vermischen mit synthetischem Allantoin nicht \u00e4nderte.\nDiese Allanloinbefunde decken sich also mit denen Wie-chowskis. Es ist jedoch bemerkenswert, da\u00df man immer nur ganz geringe Mengen des K\u00f6rpers im Urin findet, welche, auf t\u00e4gliche Ausscheidung berechnet, h\u00f6chstens Zentigramme, zumeist noch weniger auszumachen scheinen. Wichtig erscheint uns vor allem, da\u00df die Allantoinausfuhr nicht ansteigt, wenn Harns\u00e4urevorstufen in gr\u00f6\u00dferer Menge gereicht werden. Es kann daher der Beweis nicht als erbracht angesehen werden, da\u00df das im menschlichen Urin gefundene Allantoin mit Sicherheit ein Produkt des menschlichen Nuclein-stoffwechsels darstellt.\nDa sowohl unsere Allantoinbefunde, wie diejenigen Wie-chowskis, in Urin gemacht wurden, welcher von Menschen stammte, die sich mit Fleisch ern\u00e4hrten, so mu\u00df man daran denken, da\u00df das Allantoin eventuell mit dem Fleisch zugef\u00fchrt und, da es im Organismus unangreifbar ist, ebenso wieder ausgeschwemmt wird. Es schien uns daher zun\u00e4chst einmal not-\nHoppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXHI.","page":285},{"file":"p0286.txt","language":"de","ocr_de":"Alfred Schittenhelm und Karl Wiener,\nwendig, festzustellen, ob es auch bei fleischfreier Ern\u00e4hrung gefunden wird.\nVersuch IV. Der Urin stammt von einem Patienten mit traumatischer Hysterie, welcher zun\u00e4chst mehrere Tage fleischfrei (lacto-vegetabi lisch) ern\u00e4hrt wurde. Dann wurde der Harn 3 Tage gesammelt. Gesamtmenge ca. 4 1.\nDie Verarbeitung geschah nach der alten Wiechowski-schen Methode, wie in Versuch I.\nWir konnten kein Al 1 an toi n nach weisen.\nSehr wichtig f\u00fcr die Beurteilung des Allantoinbefundes im menschlichen Urin und sicher ausschlaggebend w\u00e4re der Nachweis von Allantom im S\u00e4uglingsharn. Wiechowski hat bereits einen Versuch angestellt mit negativem Resultat. Durch das freundliche Entgegenkommen der hiesigen Universit\u00e4tsfrauenklinik, namentlich des Herrn Dr. Scholz, dein wir daf\u00fcr auch an dieser Stelle bestens danken, waren wir in der Lage, ca. 250 ccm Urin zu untersuchen, welcher von Neugeborenen aus ihren ersten zwei bis drei Lebenstagen stammte. Bekanntlich ist in diesen ersten Tagen die Harns\u00e4urebildung und Ausscheidung erheblich gesteigert und auch der vorliegende Urin zeigte ein reichliches Sediment von Harns\u00e4ure und harn-sauren Salzen. Dadurch schien uns die M\u00f6glichkeit, auf Allantoin zu stoben, vergr\u00f6\u00dfert, wrenn dasselbe aus der Harns\u00e4ure im menschlichen Organismus entsteht.\nVersuch V. Der S\u00e4uglings.urin wurde nach den neuesten Angaben Wiechowskis unter Verwendung der Mercuro- und Mereurinitratf\u00fcllung verarbeitet. Wir konnten jedoch keine Spur von Allan to in nach weisen.\n\\\\ ir sind dabei, diese Versuche fortzusetzen. Dieselben sind au\u00dferordentlich m\u00fchsam, zeitraubend und kostspielig. Wir m\u00f6chten uns bis jetzt noch nicht definitiv festlegen. Die Resultate unserer Versuche scheinen uns aber doch darauf hinzuweisen, da\u00df starke Zweifel berechtigt sind, ob man dem Allantoin des menschlichen Urins dieselbe Stellung zuweisen darf, wie demjenigen des tierischen Urins. Die Mengen, die bis Jetzt gefunden wurden, sind zu minimale und das Fehlen jeder Abh\u00e4ngigkeit von der Nucleinzufuhr sind zu auffallende Er-","page":286},{"file":"p0287.txt","language":"de","ocr_de":"287\n\u00dcber Allantoin im menschlichen Urin.\nscheinungen. Der Allantoinbefund darf aber sicher nicht als Beweis gegen eine ausgiebigere Zerst\u00f6rung von Harns\u00e4ure im menschlichen Organismus angef\u00fchrt werden. Daf\u00fcr scheint uns keinerlei Berechtigung vorzuliegen. >)\nEs w\u00e4re unter anderem auch mit der M\u00f6glichkeit zu rechnen, da\u00df, wenn Allantoin im menschlichen Organismus entstehen w\u00fcrde, der gr\u00f6\u00dfere Teil desselben sofort weiter zerlegt wird und deshalb nur geringe Quantit\u00e4ten ausgeschieden werden. Dagegen sprechen allerdings von vornherein die Versuche Wiechowskis und anderer, wonach subeutan verabreichtes Allantoin beim Menschen nahezu quantitativ im Urin wiedergefunden wird. Immerhin glaubten wir den Versuch, da die subcutane Applikation aus mehrfach er\u00f6rterten Gr\u00fcnden?) nicht ma\u00dfgebend ist, wiederholen zu m\u00fcssen unter Verabreichung des Allantoins per os.\nVersuch VI (VI. 09). Die Versuchsperson, welche bereits seit ca. 14 Tagen bei gleicher Kost im Stoffwechselversuch gewesen war und durchaus konstante Ausscheidungen zeigte,3' erhielt l,o g Allantoin in Wasser gel\u00f6st per os. Der Urin vom Tage der Einnahme, sowie vom darauffolgenden Tag (2000 ccm) wurde in 2 Portionen nach der alten Methode Wiechowskis wie in Versuch I verarbeitet.\nEs wurden schlie\u00dflich 0,204g Allantoin mit dem Schmelzpunkt 230 2310 wiedererhalten. Unter Berechnung der durch die verschiedenen F\u00e4llungen erhaltenen Fehler erh\u00e4lt man als wiedergefundene Gesamtmenge ca. 0,57 g Allantoin.\nVersuch VII (VII. 09). Die zu Versuch III herangezogene Versuchsperson erhielt 1 g Allantoin per os. Die Verarbeitung des Urins geschah wie in Versuch VI.\nWiedererhalten wurden ca. 0,3 g Allantoin;\n1 rSiehe zu dieser Frage auch die Arbeit von Frank und Seh i t ten-heim, Uber die Umsetzung verf\u00fctterter Nucleins\u00e4ure beim normalen Menschen. Diese Zeitschrift, UKW, Bd. LXIII. $. 269.\n\u00f6 A. Schil tenholm, \u00dcber die Umsetzung verf\u00fctterter Xuclein-s\u00e4ure beim Hunde unter normalen und pathologischen Bedingungen Diese Zeitschrift, 1909, Bd. LXII, S. 80.\n:\u201c) Der Versuch reiht sich direkt an an die Tabelle des Versuchs I von Frank und Schittenhelm, Diese Zeitschrift, 1900","page":287},{"file":"p0288.txt","language":"de","ocr_de":"-HK A. Schittenhelm und K. Wiener, \u00dcber Allantoin usw.\nIn beiden Versuchen waren somit etwa 30\u00b0/\u00f6 des per os eingef\u00fchrten Allantoins wiedererhalten worden. Man mu\u00df jedoch damit rechnen, da\u00df bei der Kompliziertheit der Methode durch die Verwendung gro\u00dfer Urinmengen die Versuchsfehler noch gr\u00f6\u00dfere sind, als in Rechnung gezogen wurde, und damit sich auch die Allantoinausscheidung h\u00f6her stellte ; sodann erscheint es nicht ausgeschlossen, da\u00df die Resorption des immerhin schwerl\u00f6slichen K\u00f6rpers keine vollkommene war.\nWir haben daher nach Allantoin in den Faeces der zu Versuch VI benutzten Versuchsperson gesucht in den Tagen der Allantoinf\u00fctterung. Wir konnten aber kein Allantoin wiedererhalten.\nJedenfalls zeigen die Versuche, da\u00df man auch bei Ver-f\u00fctterung von Allantoin, genau wie bei der subcutanen Verabreichung, gr\u00f6\u00dfere Mengen im Urin wiederlindet, und man m\u00fc\u00dfte darnach annehmen, da\u00df, wenn eine reichliche Umsetzung von Harns\u00e4ure intermedi\u00e4r im menschlichen Organismus zu Allantoin stattf\u00e4nde, man bei gesteigerter Harns\u00e4urebildung und -Zersetzung auch eine vermehrte Allantoinausfuhr im Urin nachweisen k\u00f6nnen m\u00fc\u00dfte.\nDie Rolle, welche das Allantoin im menschlichen Organismus spielt, scheint uns daher nicht v\u00f6llig gekl\u00e4rt.","page":288}],"identifier":"lit37534","issued":"1909","language":"de","pages":"283-288","startpages":"283","title":"\u00dcber das Vorkommen und die Bedeutung von Allantoin im menschlichen Urin","type":"Journal Article","volume":"63"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:48:07.076589+00:00"}