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{"created":"2022-01-31T15:25:46.526718+00:00","id":"lit37547","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Koch, W.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 63: 432-442","fulltext":[{"file":"p0432.txt","language":"de","ocr_de":"Die Bedeutung der Phosphatide (Lecithane) f\u00fcr die lebende\nZelle.\nII Mitteilung.)1)\nVon\nW. Koch.\n(Aus dem Hull Physiological Laboratory, University of Chicago.)\n(Der Redaktion zugegangen am 22. Oktober 1909.)\n1. Der Antagonismus zwischen Natriumchlorid und Calciumchlorid.\nDie Fortsetzung des obigen Themas war schon lange meine Absicht, wurde jedoch durch \u00e4u\u00dfere Umst\u00e4nde immer wieder verhindert. Ganz ohne Nachteil war dies nicht, denn wie Forges und Neubauer2) in ihrer Arbeit \u00fcber den gleichen Gegenstand bemerken, fehlten uns bis vor kurzer Zeit die gen\u00fcgenden Kenntnisse der Kolloide. So war es mir damals ganz unm\u00f6glich, eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr die biologisch so wichtige Beobachtung, da\u00df Natriumchlorid die F\u00e4llung des Lecithins durch Calciumchlorid verhindert, zu geben. Der Parallelismus dieser Beobachtung mit den von Loeb3 4) an physiologischem Material gewonnenen Resultaten ist von gr\u00f6\u00dftem Interesse. Da\u00df Borges und Neubauer diese meine Beobachtung nicht haben best\u00e4tigen k\u00f6nnen, findet seine Erkl\u00e4rung darin, da\u00df sie mit Merck schein Lecithin, welches aus Eigelb dargestellt, gearbeitet haben. Als ich vor zwei Jahren einmal die Best\u00e4tigung meiner Beobachtung mit A. G. F. A.-Lecithinl) versuchte, mi\u00dflang mir der Versuch ebenfalls. Die Erkl\u00e4rung dieses Mi\u00dfer-\nl) VV. Koch. Diese Zeitschrift, 1903, Bel. XXXVII, S. 181.\n*) 0. Borges und E Neubauer. Biochemische Zeitschrift, 1908, Bd. Vir, S. 152.\n:l) J Loeb, American Journal of Physiology, 1902, Bd. VI. S. 411.\n4) W. Koch. The Journal of Biological Chemistry, 1907, Bd. Ill, S. 53,","page":432},{"file":"p0433.txt","language":"de","ocr_de":"Die Bedeutung der Phosphatide f\u00fcr die lebende Zelle. II. 433\nfolgs h\u00e4ngt davon ab, da\u00df Eierlecithin einen gr\u00f6beren und weniger stabilen Aggregatzustand besitzt als wie Gehirnlecithin und daher schon von Natriumchlorid ausgeflockt wird. Durch Zusatz von wenig Hydroxyl kann der Aggregatzustand des Eierlecithins so ver\u00e4ndert werden, da\u00df Natriumchlorid nicht nur nicht mehr f\u00e4llend wirkt, sondern sogar die f\u00e4llende Wirkung des Calciums hemmt. Nach demselben Prinzip kann man durch Zusatz von wenig S\u00e4ure den Aggregatzustand des Ge-hirnlecithins so ver\u00e4ndern, da\u00df Natriumchlorid eine Ausflockung zustande bringt.\nDie Darstellung des Gehirnlecithins ist in einer fr\u00fcheren Arbeit beschrieben. \u00bb) Die w\u00e4sserige Emulsion wird durch mechanische Sch\u00fcttelung und nicht mittels einer \u00c4therl\u00f6sung, wie es Porges und Neubauer beschrieben, dargestellt.\nVersuch I.\n0,3> kolloidale L\u00f6sung von Eierlecithin (A. G. F. A.). Konzentration der L\u00f6sung an:\n\t1 NaCl\tl ; NaOH\tCaGL *\t1 i Ausflockung\n1.\tm/s\t\u25a0 \u2014\ti\t\n2\tm/s\tm/s oo\t\u2014\t\u2014\n3.\t\u2014\tm/soo\tm/too\t\n4.\tm/s\tm/soo \u25a0 .\tm/ioo\t\nVersuch II.\n0,3\u00b0/o kolloidale L\u00f6sung von Gehirnlecithin. Konzentration der L\u00f6sung an:\n\ti NaCl\tHCl i\tCaCL\tI Ausflockung\n1.\tm/s\t!\t!\t! \u25a0 \u25a0 1 ' \u2014 1\n2.\t\u2014\t\u2014\tm/100\tj \u2018 +\n3.\tm/s\t\" 1*\tj , m/l0o\t1 \u2014\n4.\t\u2014\tm/400\t.\t\u2014\n5.\tm/s\tm/400\t: 1\t.\u2022\t!\t+\n\u2018) W. Koch, Diese Zeitschrift, 1302, Bd. XXXVI, S. 134.\nHuppe-Seyler\u2019s Zeitschrift f. physiol. Chemie. LXI1I.\n29","page":433},{"file":"p0434.txt","language":"de","ocr_de":"W. Koch\nKs l\u00e4\u00dft sich also der Aggregatzustand des Eierlecithins durch Zusatz von OH- dem des Gehirnlecithins n\u00e4her bringen und umgekehrt der Aggregatzustand des Gehirnlecithins durch Zusatz von H+ in der Richtung des Eierlecithins ver\u00e4ndern. Da\u00df Lecithinpr\u00e4parate von verschiedenen Geweben solche Unterschiede zeigen k\u00f6nnen, ist von dem gr\u00f6\u00dften biologischen Interesse. Es handelt sich hier m\u00f6glicherweise um Salzbildung (sogenannte Lecithinionsalze), was mit dem Mengenverh\u00e4ltnisse ungef\u00e4hr im. Einklang steht. Es ver\u00e4ndert also der Organismus das als freie S\u00e4ure im Ei vorhandene Lecithin bei der Entwicklung des Nervensystems in eine salzartige Verbindung-. Ver\u00e4nderungen in der basischen Gruppe (Cholin) der Phosphatide m\u00f6gen auch hier eine Rolle spielen.\nDa\u00df sich die Flockungsgrenze der Kolloide durch Ver\u00e4nderungen des Aggregatzustandes verschieben l\u00e4\u00dft, ist wohl ziemlich allgemein bekannt und besonders von Mathews betont worden. Den Arbeiten von Mathews1) verdanken wir auch die Erkl\u00e4rung der antagonistischen Wirkung von NaCl und CaCl2. Diese von Loeb entdeckte Tatsache wurde von ihm als Antagonismus zwischen Ca und Na, oder vielmehr als eine entgiftende Wirkung des Calciums f\u00fcr Na erkl\u00e4rt. Die Bedeutung des Anions entging ihm v\u00f6llig. Mathews1) hat gezeigt, 1. da\u00df die Wirkung der dissoziierten Salze auf lebende Formen, auf biologisch wichtige Reaktionen und auf kolloidale F\u00e4llungen einen nicht zu verkennenden Parallismus mit der F\u00e4higkeit ihrer Ionen, sich ihrer elektrischen Ladung zu entledigen, zeigt: 2. da\u00df das gesamte Resultat von dem antagonistischen Einflu\u00df der Anionen auf die Kationen beeinflu\u00dft wird.\nEs erkl\u00e4rt sich also die sowohl an lebenden Formbestandteilen wie an Gehirnlecithin beobachtete antagonistische Wirkung des Natriumchlorids auf Calciumchlorid dahin, da\u00df die Chlorionen bei einem elektronegativen Kolloid wie dem\n1 i A. P. M athews, Biological Studies by the Pupils f. W. T. S e d g wi c k. (Festschrift.) Boston 1901, S. 81.\nA. P. Mathews, American Journal of Physiology, 1904, Bd. X. S. 291 ; 1904. Bd. XI, S. 2d7,455; 1905, Bd. XII, S. 419; 1905, Bd. XIV, S. 204.","page":434},{"file":"p0435.txt","language":"de","ocr_de":"Die Bedeutung der Phqsphatide f\u00fcr die lebende Zelle. II. 435\nLecithin aufl\u00f6send wirken und daher die f\u00e4llende Wirkung des Calciums aufheben. Handelt es sich nun um ein sehr instabiles Kolloid wie Eierlecithin, so ist die l\u00f6sende Wirkung des CI- nicht gen\u00fcgend, um die F\u00e4llung durch Na und daher erst recht durch Ca zu verhindern. Da nun die l\u00f6sende Wirkung der Anionen ebenfalls mit der F\u00e4higkeit, sich ihrer elektrischen Ladungen zu entledigen, zusammenh\u00e4ngt, so l\u00e4\u00dft sich erwarten, da\u00df z. B. das Jodion, welches ja bekanntlich bedeutend leichter in den Molekularzustand \u00fcbergeht als das Ghlorion, auch eine gr\u00f6\u00dfere l\u00f6sende Wirkung entfaltet. Dies haben denn auch Po r g es und Neubauer am Eierlecithin beobachtet. Jod-natrium f\u00e4llt daher selbst Eierlecithin nicht und verhindert F\u00e4llung von Gehirnlecithin durch Calciumchlorid schon in verd\u00fcnnter L\u00f6sung, wie folgende Zahlen andeuten :\nDie Flockung von 0,3 \u00b0/o L\u00f6sung von Gehirnlecithin durch m 83 CaCl2 wird gehindert durch,\nNaCl m,7 (Physiologische Salzl\u00f6sung)\nNaBr m 33, NaJ m 5o^ NaCNS m.W NaOH m i2oo.\nEin Vergleich der F\u00e4llungsgrenzen des. Eierlecithins f\u00fcr verschiedene Kationen mit der Giftigkeit dieser Kationen f\u00fcr Lipasewirkung und Entwickelung von Funduluseiern findet sich in der folgenden Tabelle. Es lassen sich diese F\u00e4llungsgrenzen mit viel gr\u00f6\u00dferer Genauigkeit bestimmen, als dies P orges und Neubauer getan. Beim Gehirnlecithin liegt die Grenze f\u00fcr Calcium ganz scharf zwischen m.'is5 und mju3.\nEs kommt in der folgenden Zusammenstellung mehr auf die Reihenfolge als auf die absoluten Zahlen an, welche ja wohl noch von anderen Faktoren beeinflu\u00dft werden. So besteht z. B. wenig Unterschied in der elektrolytischen L\u00f6sungstension von Na+ und Ba++ und doch erzeugt Ba++ eine Ausflockung in bedeutend geringerer Konzentration. Sehr wahrscheinlich h\u00e4ngt dies mit der Zweiwertigkeit des Baryums zusammen. Baryum kann sich daher mit zwei Molek\u00fclen Lecithin verbinden und so einen gr\u00f6\u00dferen und daher der Ausjloekungs-grenze n\u00e4her liegenden Komplex zustande bringen. Doch kann die Wertigkeit des Kations nur ein Faktor von sekund\u00e4rer Wichtigkeit sein, denn das einwertige Wasserstoffion flockt\n29*","page":435},{"file":"p0436.txt","language":"de","ocr_de":"436\nW. Koch.\nGruppe\tIon . \u25a0 !\tElektrolytische L\u00f6sungstension in Volt .\tAusflockung *) von Eierlecithin I i\tGiftigkeit *) f\u00fcr Lipase\tGiftigkeit f\u00fcr Funduluseier Na = 1\nAlkali- (\tj K\t- 2,92\ti m/s\tm/i 06\t0,6\nMetalle ^\tNa 1\t\u2014 2,54\tm/7 \u25a0\tm/*09\t1,0\n- '\tHa\t- 2,54\tm/l40\tm/> 000\t1,0\nErd-\t1 Sr i\t- 2,49\tm/teo\tm/j 044\t\u2014\nalkalien\t| Ca\t- 2,28\tm/soo\t:\t1,7\n\tMg\t\u2014 2,26\t! >\u2022' m/*50\tm/l 1*8\t1,0\n\tPb\t-|- 0,129\t1 j\t.\t,n/800.\tm/\u00abSl 56*\t2500\n\tH\t1 -f- 0,277\tm/500\t\u2014 '\t1500\nSchwer-\tCu\t-f 0,606\tm/800\tm/*96 000\t7 500\nMetalle\t\t\tj\t\t\n\tHg\t+ 1,028 i\tml 1 5\t, kein Niederschlag\tm/3*4 000\t25000\n\t; Ag i. .\t| + 1,048\t!\tm/a6 i:\tm/8 71&071\t50 000\nwiederum in bedeutend geringerer Konzentration wie das zweiwertige Baryum. Es kommt also der von Mathews zuerst entdeckte Parallelismus der pharmakologischen Wirkung der Kationen -mit ihrer elektrolytischen L\u00f6sungstension den Tatsachen am n\u00e4chsten, obgleich sich noch manche L\u00fccken finden. So bilden z. B. Hg++ und Ag+ in ihrer Ausflockungsf\u00e4higkeit f\u00fcr Lecithin noch eine zu erkl\u00e4rende Ausnahme. Diese Untersuchungen, auch mit anderen Gehirnlipoiden, sollen fortgesetzt werden.\n2. Die Bedeutung der Phosphatide bei der Membranbildung.\nDas Studium der physikalischen Eigenschaften der Phosphatide ist gerade darum von so sonderbarem Interesse, weil sie die einzigen Kolloide sind, die, nachdem man sie aus dem Gewebe isoliert hat, sich wieder in einen kolloidalen Zustand zur\u00fcckversetzen lassen, welcher einigerma\u00dfen \u00c4hnlichkeit hat\n*) Molekularkonzentration, bei welcher Ausflockung gerade stattfindet.\n*) Molekularkonzentration, welche Hydrolyse von \u00c0thylbutyrat durch Lipase verhindert.","page":436},{"file":"p0437.txt","language":"de","ocr_de":"Die Bedeutung der Phosphatide f\u00fcr die lebende Zelle. II 437\nmit dem Zustande, in welchem sie in den Geweben vorher existierten. Bei den Proteinen w\u00fcrde dies wegen der weitgehenden Ver\u00e4nderungen, welche sie bei der Behandlung erfahren, mit ganz besonderen Schwierigkeiten verbunden sein. Wir kommen immer mehr zu der Erkenntnis, da\u00df die.Kolloide die Funktion haben, die chemische T\u00e4tigkeit der Zelle durch Membranbildung zu kontrollieren und so an der Differenzierung sowohl in chemischer, wie in morphologischer Hinsicht teilzunehmen. Bei der Differenzierung des Organismus handelt es sich nun erstens um die Bildung von permanenten Ger\u00fcstsubstanzen, wie z. B. Knochen oder H\u00fclsen. Zu diesem Zweck bedient sich der Organismus irgend welchen Materials, das ihm gerade zur Verf\u00fcgung steht, und somit deutet die Beobachtung von Plimmer und Scott,1) da\u00df bei der Entwickelung des H\u00fchnerembryos der gr\u00f6\u00dfte Teil des Lecithinphosphors den f\u00fcr die Knochenbildung n\u00f6tigen Phosphor liefert, nicht auf eine besondere Funktion des Lecithins.\nBei einer zweiten Art von Strukturelementen, den mehr permanenten Membranen, spielen diese Phosphatide schon mehr eine spezifische Rolle. Ich will dies an einem Beispiel illustrieren, welches mir bei meinen Arbeiten \u00fcber das Gehirn aufgefallen ist. Die Arbeiten von Flechsig deuten ganz unzweideutig darauf hin, da\u00df bei der physiologischen Differenzierung des Gehirns den markhaltigen Fasern eine Hauptrolle zukommt. Die chemische Untersuchung der Marksubstanz, wie sie sich z. B. im corpus callosum findet, ist daher von Interesse. In der folgenden Zusammenstellung ist das Corpus callosum mit dem ganzen Gehirn eines Erwachsenen und deni eines neugeborenen Kindes, welches die wenigsten markhaltigen Fasern enth\u00e4lt, verglichen, j\nEs vermehren sich also bei der Entwickelung der markhaltigen Fasern die Lipoide (Phosphatide, Cerebrin,2) Cholesterin und Lipoidschwefel). Die Annahme scheint daher berechtigt, da\u00df die Markscheiden haupts\u00e4chlich aus Lipoiden bestehen. \u00dcber die\n\u2018) A. Plimmer and F. H. Scott. Journal of Physiology 1909 Bd. XXXVIII, S. 247.\n*) K. Raske, Diese Zeitschrift, 1886, Bd. X, S. 843.","page":437},{"file":"p0438.txt","language":"de","ocr_de":"438\nW. Koch,\nln Prozent der Trockensubstanz.\n\tGanzes Gehirn ; (Kind)\tGanzes Gehirn (Erwachsen)\tCorpus callosum\nProteine . . . j\tj !\t46,6\t37,1\t27,1\nExtraktivstoffe .\t12,0\t6.7\t3,9\nAsche . . . .\t8,3\t4,1\ti .\t2,4\nPhosphatide . .\t24,2\t27,3\t31,0\nCerebrine . . .\t6,9\t13,6\t- 18,0\nLipoidschwefel .\t0.1\t0,3\t\u00dc.5\nCholesterin . .\t1.8\t10,9\t17,1 |:\nNatur des Lipoidschwefels habe ich schon an anderer Stelle berichtet.1) Seine Rolle l\u00e4\u00dft sich ungef\u00e4hr wie folgt denken: Es verbindet sich die w\u00e4hrend des Stoffwechsels gebildete Schwefels\u00e4ure in esterartiger Verbindung mit einem Kohlenhydratkomplex, wahrscheinlich Cerebrin; dieser stark saure Komplex bildet dann mit den mehrbasischen Phosphatiden eine Niederschlagsmembran. Durch das Neurokeratin und Cholesterin wird dann die Festigkeit dieser Membran in mechanischer Weise vermehrt. Der Aggregatzustand der Phosphatide in dieser Membran ist so wenig stabil, da\u00df sie schon von einer nicht sehr konzentrierten Salzl\u00f6sung ausgeflockt werden. Interessant ist der folgende Versuch :\nGraue Rindensubstanz, mechanisch so gut wie m\u00f6glich von wei\u00dfer Substanz befreit, und corpus callosum werden mit siedendem Alkohol und dann \u00c4ther extrahiert. Die Extrakte verdunstet in \u00c4ther gel\u00f6st, die klare L\u00f6sung von dem unl\u00f6slichen Teil abdekantiert und mit Aceton niedergeschlagen. Der Niederschlag im Vakuum getrocknet, mit Wasser emulgiert und die Ausflockungsgrenzen bestimmt.\nCaCl2 NaCl\nCorpus callosum m/2oo\tmJb\nCortex\tm/i7o Keine Ausflockung\nbei 2 m.\n) W Koch. Diese Zeitschrift, 1907. Bd. LUI, S. 496.\n\u00bb,","page":438},{"file":"p0439.txt","language":"de","ocr_de":"Die Bedeutung der Phosphatide f\u00fcr die lebende Zelle. II. 4H9\nEs liegt also die Ausflockungsgrenze f\u00fcr die Phosphatide des corpus callosum dem einer physiologischen Natriumchloridl\u00f6sung 0,9\u00b0/o (m 6 bis m 7) sehr nahe. Diese Beobachtung l\u00e4\u00dft sich mit dem von Macall um mit seinem Silbernitratreagens f\u00fcr den \u00c4chsenzylinder gefundenen hohen Chlorgehalt in Zusammenhang bringen. Das mit dem Chlor verbundene Kation, wahrscheinlich Natrium, kann in die umgebenden Gewebe nicht eindringen, da es mit den in der Markscheide anwesenden Phosphatiden eine Niederschlags- oder semipermeable Membran bildet. Ob der Inhalt des Achsenzylinders fl\u00fcssig ist oder nicht, ist noch nicht einwandsfrei entschieden, jedenfalls erm\u00f6glicht eine derartige Membran die Isolierung eines fl\u00fcssigen Inhalts und spielt so bei der physiologischen Differenzierung des-Nervensystems eine Bolle.\nDie F\u00e4higkeit der Phosphatide, darartige Niederschlagsmembranen zu bilden, spielt gewi\u00df bei der chemischen T\u00e4tigkeit der Zelle eine Rolle. Es scheint vom rein chemischen Standpunkte aus betrachtet die Annahme berechtigt, da\u00df, wenn eine chemische Substanz oder deren Ionen mit einem in einer Membran anwesenden Kolloid einen Niederschlag bilden, diese Membran f\u00fcr diese chemische Substanz oder deren Ion undurchl\u00e4ssig wird. ') Irgend eine andere chemische Substanz, welche diese Niederschlagsbildung verhindert, hat dann die entgegengesetzte Wirkung und kann der den Niederschlag bildenden Substanz sogar den Durchgang erm\u00f6glichen. R. Lillie2) hat nun gezeigt, da\u00df die Permeabilit\u00e4t der Zellmembran einen Einflu\u00df auf die chemische T\u00e4tigkeit der Zelle aus\u00fcben kann. Er nimmt an, da\u00df bei Reizung der Zelle die Permeabilit\u00e4t der Zellmembran f\u00fcr C02 erh\u00f6ht wird. Als Folge hiervon wird die chemische T\u00e4tigkeit der Zelle vergr\u00f6\u00dfert. Wird nun anderseits die Permeabilit\u00e4t der Zellmembran f\u00fcr C02 verringert, so sammelt sich C02 in der Zellt an und die Reaktionen, welche C02 als Endprodukt haben, werden verlangsamt. \u00dcber die Natur der in der Membran vorhandenen Substanzen, oder der Faktoren,\n\u2019) F. Hofmeister. Archiv f\u00fcr experimentelle Pathologie und Pharmakologie. 1889, Bd. XXV, S. 1.\n*) R. Lillie. American Journal of Physiology, 1909, Bd. XXIV, S. 14.","page":439},{"file":"p0440.txt","language":"de","ocr_de":"440\nW. Koch,\nwelche die Permeabilit\u00e4t beeinflussen, gibt er keinen Aufschlu\u00df. Es schien daher von Interesse, das Verhalten des Lecithins in dieser Richtung etwas eingehender zu pr\u00fcfen.\nEine 0,3\u00b0/oige Gehirnlecithinemulsion in physiologischer Kochsalzl\u00f6sung (m/7 NaCl) erfordert m!ie CaCl2 zur Ausflockung.1) Durch Halbs\u00e4ttigung der L\u00f6sung mit C02 oder Zusatz von ganz geringen Mengen Schwefels\u00e4ure (m/\u00f6ooo\u2014m/ioooo) kann diese Ausflockungsgrenze bis zu m na CaCl2 verschoben werden. Nimmt man an, da\u00df der Calciumgehalt der Gewebe ungef\u00e4hr 0,04 \u00b0/o (gleich m/ioo), so sehen wir, da\u00df es sich bei diesen Reaktionen um Mengen Calcium handelt, welche den in den Geweben gefundenen nahe liegen. C03 und S\u00fc4 sind normale Stoffwechselprodukte der Zelle und obgleich hier die saure oder vielmehr Wasserstoflionenkonzentration viel h\u00f6her ist, wie man bei der bekannten Neutralit\u00e4t des Protoplasmas annehmen kann, so braucht die in den Geweben vorhandene Gesamtmenge nicht so gro\u00df zu sein als wie im Reagenzglasversuch. Lillie hat n\u00e4mlich gezeigt, da\u00df es sich nur um die Wirkung auf eine Stelle der Membran zu handeln braucht, um Ver\u00e4nderungen in der Permeabilit\u00e4t der ganzen Membran zu erzeugen. Es ist auch die M\u00f6glichkeit vorhanden, da\u00df die Anionen C03 und S04 auf in der Membran vorhandene elektropositive Kolloide wirken k\u00f6nnen. (Lecithin ist elektronegativ.)\nDurch die Bildung dieser Niederschlagsmembran wird nun der Austritt des C03 und S04 aus der Zelle verhindert und die damit zusammenh\u00e4ngenden chemischen Reaktionen verlangsamt. Die Fortsetzung der chemischen T\u00e4tigkeit der Zelle wird nun dadurch erm\u00f6glicht, da\u00df unter diesen Umst\u00e4nden, n\u00e4mlich bei verminderten Oxydationen, die hydrolytischen und desamidieren-den Reaktionen in den Vordergrund treten und sich Ammoniak bildet. Es ist daher die Beobachtung von Interesse, da\u00df m/noo NH3 (0,0015%) gen\u00fcgt, um die Ausflockung von Gehirnlecithin durch m 83 CaCl, zu verhindern. Das NH3 steht also der Zelle zur Verf\u00fcgung zur Vergr\u00f6\u00dferung der Permeabilit\u00e4t der Membran und\nl) Als Ausflockungsgrenze wird die Konzentration angenommen, welche in 24 Stunden eine deutliche Absetzung eines Niederschlags und nicht nur eine Tr\u00fcbung zeigt.","page":440},{"file":"p0441.txt","language":"de","ocr_de":"Die Bedeutung der Phosphatide f\u00fcr die lebende Zelle. 1L 441\nerm\u00f6glicht so den Austritt von C03 und S04 und die Fortsetzung der chemischen T\u00e4tigkeit der Zelle. Da\u00df es sich bei der chemischen T\u00e4tigkeit der Zelle um derartige periodische Erscheinungen handeln kann, geht aus den Arbeiten von Bredig, Weinmeyer,1) Wilke2) und Autropoff3) hervor. Nimmt man an, da\u00df diese Perioden nur sehr kurze Dauer haben, so braucht man keine gr\u00f6\u00dfere Wasserstoff H+- oder Hydroxyl OH\u201c-Konzentration anzunehmen, als mit der Neutralit\u00e4t des Protoplasmas vereinbart werden kann. Interessant ist hier ferner, die Beobachtung, da\u00df Zellprodukte wie Harnstoff, denen der Aus- und Eintritt in die Zelle zu jeder Zeit freisteht, auf diese Ausflockungsreaktionen gar keinen Einflu\u00df aus\u00fcben.\nDie Ausdehnung dieser Beobachtungen auf das Problem der H\u00e4molyse scheint besonders vielversprechend. Da die Phosphatide aus verschiedenen Geweben Unterschiede aufweisen, wird beabsichtigt, diese Arbeiten mit aus roten Blutk\u00f6rperchen gewonnenen Phosphatiden zu unternehmen. Versuche mit Gehirnlecithin deuten darauf hin, da\u00df h\u00e4molytisch wirkende K\u00f6rper die F\u00e4higkeit haben, die Ausflockung des Lecithins mit Calcium, also einem elektropositiven Komplex, zu verhindern. Ausflockung von 0,3\u00b0/oiger Gehirnlecilhinemulsion durch: m/83 CaCl2 (in Abwesenheit von NaCl) wird verhindert durch: n\u00bb/4o NH4C1, m 50 NaJ, m/noo NH4UH, m/i200 NaOH und 0,02fj\u00b0/oige L\u00f6sung gallensaurer Salze.\nGeringe Mengen Chloroform (0,25 \u00b0/o) verhindern ebenfalls die Ausflockung. Destilliertes Wasser bringt die Ausflockung wieder in L\u00f6sung.\nZusammenfassung.\nEs lassen sich an kolloidalen L\u00f6sungen von Phosphatiden Reaktionen ausf\u00fchren, welche denen an physiologischem Material\nl) Bredig und Weinmeyer,' Zeitschrift f. physikalische Chemie, 1903, Bd. XLII, S. 601.\n*) Bredig und Wilke, Biochemische Zeitschrift, 1908, Bd; XI,.'S. 67.\nBredig, Biochemische Zeitschrift, 1907, Bd. VI, S. 322\n3) Autropoff, Zeitschrift f\u00fcr physikalische Chemie, 1908, Bd. LXU,\nS. 513.","page":441},{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"^+2 Koch. Die Bedeutung der Phosphatide f\u00fcr die lebende Zelle. II.\nbeobachteten sowohl qualitativ wie quantitativ sehr \u00e4hnlich sind. Sowohl Kohlens\u00e4ure als wie Ammoniak beeinflussen Lecithinemulsion in bedeutend geringerer Konzentration, wie sich aus ihrer Wasserstoffion- oder Hydroxylionkonzentration resp. erwarten l\u00e4\u00dft. Es spielen also die Phosphatide sowohl in der morphologischen als chemischen Differenzierung der Zelle eine hervorragende Holle, indem sie bef\u00e4higt sind, Niederschlags-membranen zu bilden, welche man sich als \u00fcberall im Protoplasma verteilt denken kann.","page":442}],"identifier":"lit37547","issued":"1909","language":"de","pages":"432-442","startpages":"432","title":"Die Bedeutung der Phosphatide (Lecithane) f\u00fcr die lebende Zelle. II. Mitteilung","type":"Journal Article","volume":"63"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:25:46.526724+00:00"}