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{"created":"2022-01-31T15:57:29.978328+00:00","id":"lit37549","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Gudzent, F.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 63: 455-477","fulltext":[{"file":"p0455.txt","language":"de","ocr_de":"Physikalisch-chemisches Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze im Blut.\nVon\nDr. med. F. Gudzent.\n(Aus der I. medizinischen Klinik der Universit\u00e4t in Berlin.\nDirektor: Geh. Med.-Kat Prof. Dr. Mis.) '\n(Der Redaktion zugegangen am 22. Oktober l\u00ffO\u00eet.i\nln der Gichtforschung ist den Fragen nach der L\u00f6slichkeit der Harns\u00e4ure und nach der Art ihrer Bindung im Blut besonderes Interesse entgegengebracht worden. Die gemachten Angaben sind aber untereinander so widerspruchsvoll und in bezug auf die angewandte Untersuchungsmethodik oft so anfechtbar, da\u00df weitere Untersuchungen notwendig erschienen. Es ist das Verdienst von His und Paul, \u2019) erkannt zu, haben, da\u00df zur Zeit nur von Experimentaluntersuchungen, die mit Hilfe der modernen physikalisch-chemischen Methoden durchgef\u00fchrt werden und mit der Pr\u00fcfung unter den einfachsten Verh\u00e4ltnissen zu beginnen haben, Kl\u00e4rung und Fortschritt, zu erwarten ist.\nDurch die in dieser Zeitschrift ver\u00f6ffentlichten Arbeiten2\u201c5) sind nun eine Reihe von Daten f\u00fcr das Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze in reinem Wasser gegeben worden: auf diesen Grundlagen ist dann eine Pr\u00fcfung des Verhaltens im Blutserum erfolgt.\nI. Verhalten der Harns\u00e4ure.\nEs soll zun\u00e4chst die L\u00f6slichkeit der Harns\u00e4ure im Blutserum gepr\u00fcft werden.\nDas Serum ist ein Medium von komplizierter Zusammensetzung, bestehend aus gel\u00f6sten eiwei\u00dfartigen Substanzen und einer Reihe organischer K\u00f6rper und anorganischer S\u00e4uren und\n\\) Diese Zeitschrift, 1906, Bd. XXXI.\n*) His und Paul, Diese Zeitschrift, Bd. XXXI. 1900.\n3)\tGudzent, Diese Zeitschrift. Bd. MV. 1908.\n4)\tGudzent, Diese Zeitschrift, Bd. LX, 1909\n\u2022) Gudzent, Diese Zeitschrift, Bd. LX. 1909.","page":455},{"file":"p0456.txt","language":"de","ocr_de":"m\nF. Gudzent,\nBasen. Es ist klar, da\u00df hier zun\u00e4chst untersucht werden mu\u00df, welcherlei Beziehungen der Harns\u00e4ure zu jedem dieser im Serum befindlichen K\u00f6rper bestehen.\nDie Pr\u00fcfung hat sich nun dadurch \u00fcberaus erleichtern und exakter gestalten lassen, da\u00df ich mir nach den Angaben von Adler1) ein k\u00fcnstliches Serum, eine sogenannte physiologisch-isotonische L\u00f6sung, herstellte, das folgende Zusammensetzung hat:\nNaCl \u25a0= 0, o9\u00f6/o KCl = 0,04 \u00b0/o CaCl2 = 0,04\u00b0/o MgCL = 0,025 \u00b0/o NaH2P04 = 0,0120 0/0 NaHC03 = 0,3510/0 Glukose \u2014 0.150/o eventuell Gummi arabic. = 2,0 \u00b0/o\n(Wegen der sonstigen Einzelheiten und der Technik der Darstellung wird auf die Orfginalarbeit von Adler verwiesen.)\nIn diesem Gemisch haben die Salzs\u00e4ure, die Phosphors\u00e4ure und die Kohlens\u00e4ure mit der Natrium-, der Kalium-, der Calcium- und der Magnesiumbase die entsprechenden Salze gebildet in \u00e4hnlichem Verh\u00e4ltnis wie im Blutserum; es hat die gleiche H- und OH-Ionenkonzentration wie das Blut und besitzt dessen F\u00e4higkeit, diese Konzentration trotz Wachsens von S\u00e4ure oder Base aufrecht zu erhalten und C02 in gen\u00fcgender Menge zu transportieren. Traubenzucker soll die organischen Stoffe, Gummi arabicum die Eiwei\u00dfstoffe ersetzen.\nGibt man zu diesem k\u00fcnstlichen Serum Harns\u00e4ure, so mu\u00df sich diese gem\u00e4\u00df ihrer Konzentration und ihrer Dissoziationskonstante mit den anderen S\u00e4uren in die vorhandenen Basen teilen und mit diesen Salze bilden. Die Gr\u00f6\u00dfe der Reaktion, das Ma\u00df der Salzbildung also, l\u00e4\u00dft sich nun durch Rechnung ermitteln, da ja die Konzentrationen und die Dissoziationskonstanten der vorhandenen S\u00e4uren und Basen bekannt sind. Wegen der gro\u00dfen Zahl der reagierenden Bestandteile\n*) Journ. of Americ. Assoc.. 1908, Bd. II, 9, S. 752.","page":456},{"file":"p0457.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze im Blut. 457\nwird die Rechnung jedoch \u00e4u\u00dferst erschwert; sie l\u00e4\u00dft sich aber durch folgende \u00dcberlegung vereinfachen:\nDie Salzs\u00e4ure und die Phosphors\u00e4ure iibertreffen die Harns\u00e4ure an St\u00e4rke1) so sehr, da\u00df deren Basen von der Harns\u00e4ure in sicherlich nicht me\u00dfbarer Menge in Anspruch genommen werden.\nEin einfacher L\u00f6slichkeitsversuch2 3) mit Harns\u00e4ure in n/io-NaCl-L\u00f6sung und n io-NaH2POrL\u00f6sung best\u00e4tigt diese theoretische Folgerung.\nL\u00f6slichkeit\tder\tHarns\u00e4ure\tin\treinem Wasser\t0,0(550 g\tpro\t1\ns\ts\t'\t5\t\u201c/to-NaCl-L\u00f6sung\t=\t0,0(549 \u2022>\t\u00bb\n\u00c4\t*\t*\t*\tn/to-NalI8P04-L\u00f6sung'\t=\t0.0(510 *\t\u00bb \u00bb\nDie L\u00f6slichkeit der Harns\u00e4ure bleibt in beiden Medien unver\u00e4ndert. Daraus ist mit Sicherheit zu schlie\u00dfen, da\u00df keinerlei me\u00dfbare Reaktionen stattgefunden haben.\nGanz anders dagegen wird sich das Verhalten der Harns\u00e4ure zur Kohlens\u00e4ure gestalten.\nDie Dissoziationskonstante der Harns\u00e4ure betr\u00e4gt bei 18\u00bb 0,151 X 10~V) bei 87\u00b0 0,233 X I0~5,4j die der Kohlens\u00e4ure dagegen nur\nbei 18\u00b0 0,804 X10-6.5)\nDemnach ist die Harns\u00e4ure um etwa das 5 fache st\u00e4rker als die Kohlens\u00e4ure. Da die Kohlens\u00e4ure in diesem k\u00fcnstlichen Serum an die Natriumbase gebunden ist, ergibt sich folgende sehr einfache Frage:\nWie gro\u00df ist das Teilungsverh\u00e4ltnis der Natriumbase zwischen Harns\u00e4ure und Kohlens\u00e4ure?\nNach einem bekannten Gesetz\u00ab) wird dieses gleich dem Verh\u00e4ltnis der Dissoziationsgrade bei der entsprechenden Verd\u00fcnnung sein.\n*) Das Ma\u00df der St\u00e4rke ist die Dissoziationskonstante, cf. Nernst, Theoret. Chemie, 1907, S. 521.\n) Nach derselben Methode, wie bei der L\u00f6siichkeitsbestimmung der Urate, cf. Gudzent, Diese Zeitschrift, Bd. LV1, S. 157.\n3)\tHis und Paul. Diese Zeitschrift, Bd. XXXI. 1900.\n4)\tGudzent, Diese Zeitschrift, Bd. LX, 1909.\n6) Nernst, Theoret. Chemie, 1907, S. 507.\n6) Nernst, Theoretische Chemie, 1907,\t514 ff.","page":457},{"file":"p0458.txt","language":"de","ocr_de":"458\nF. Gudzent.\nDurchf\u00fchrung der Rechnung :l)\nEs sei Kj die Dissoziationskonstante der Harns\u00e4ure,\nK2 '\tKohlens\u00e4ure,\n1 \u2014 x\ndas Teilungsverh\u00e4ltnis.\nDann ist :\nK,\t(T-x)2\nk2\tx2\nBezeichnen wir nun den Dissoziationsgrad der beiden S\u00e4uren mit aj und a2, wenn dieselben f\u00fcr sich allein im Volumen V gel\u00f6st sind, so ist\nai\na-\n1\u2014a,\nund K2V = 4\n2\t1\u2014a.\nK,V -\nA\u2014CX,\t,\t-2\noder, da und a., wegen der geringen Dissoziation der S\u00e4uren gegen 1 vernachl\u00e4ssigt werden k\u00f6nnen, so folgt:\nK, = (1-x)2\ta'\u00ef\nK,\tx2\ta2\nund hieraus\n\u2022=\t1 und i\u2014x =\t7\t,\nx a2\tajTj-a2\nwo der Wert 1 \u2014- x den Bruchteil der Harns\u00e4ure bedeutet,\nder durch die Natriumbase in Beschlag genommen wird und\ndemnach ein direktes Ma\u00df der Salzbildung ist.\nEs ist nun in 1 1 des k\u00fcnstlichen Serums die Konzentration\n(C) von NaHCO.j\nCxaHCOs = 0,0418,\nder Dissoziationsgrad der Kohlens\u00e4ure bei 18\u00b0 demnach\na2 = 0,0027.2)\nHierzu werde jetzt Harns\u00e4ure gegeben, deren Cc6h4n4\u00fc3 = 0,000189 und Dissoziationsgrad\na j = 0,095 sei.\nWegen der Einzelheiten wird auf Nernst. Theoret. Chemie, verwiesen.\n*) Abegg, Anorg. Chemie, Bd. III, 2, S. 168 (1900).","page":458},{"file":"p0459.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze im Blut. 459\n(Es wird gerade dieser Wert gew\u00e4hlt, weil er f\u00fcr Wasser eine ges\u00e4ttigte L\u00f6sung darstellt, sein Dissoziationsgrad genau bekannt ist1) und weil er den Verh\u00e4ltnissen im Blut [2,5 mg pro 100 ccm Serum] nahe kommt.)\nEs wird dann\n1 -x =\n== 0,97\n111 + a2\nd. h. also, da\u00df 97 \u00b0/o der hinzugekommenen Harns\u00e4ure von der Natriumbase mit Beschlag belegt sind.\nWie die \u00c4nderung des Wrertes 1 \u2014x bei \u00c4nderung der Konzentration (G) der Harns\u00e4ure sein wird, ist eindeutig aus\nci\ndem Ausdruck / zu entnehmen.\t*'\na, + a2\nWird Cc5h4n403 kleiner, so w\u00e4chst bekanntlich a, und infolgedessen 1 x ; d. h. also, da\u00df die Salzbildung noch eine gr\u00f6\u00dfere als 97 \u00b0/o wird. W\u00e4chst Cc6H4N4\u00d63, so nimmt a, ab\nund demnach auch der Wert 1 \u2014 x; d. h. also, da\u00df die Salzbildung geringer als 97 \u00b0/0 ausfallen wird.\nDa nun aber a, (0,095) so sehr viel gr\u00f6\u00dfer als a._> (0,0027) ist, anderseits die Konzentration der Harns\u00e4ure im Organismus nur m\u00e4\u00dfigen Schwankungen unterliegt, wird, praktisch genommen, der berechnete WTert von 97% der Wirklichkeit nahe kommen.\nWir kommen also zu dem Ergebnis, da\u00df die Harns\u00e4ure als solche in k\u00fcnstlichem Serum, praktisch genommen, nicht best\u00e4ndig sein kann, sondern mit der Natriumbase (die andern Basen kommen praktisch nicht in Betracht) ein Salz bildet, und zwar nach fr\u00fcheren Feststellungen,8) das prim\u00e4re Salz, also ein Mononatriumurat.\nExperimentell l\u00e4\u00dft sich dieser Vorgang so veranschaulichen : F\u00fcgt man zu dem k\u00fcnstlichen Serum Harns\u00e4ure in Substanz. so l\u00f6st sich diese alsbald in gro\u00dfer Menge: bringt man\n*) His und Paul, Diese Zeitschrift, Bd. XXXI. 1900.\n2] Gudzent. Diese Zeitschrift, Bd. LVI, S. 155.","page":459},{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"F. Gudzent,\ndie Flasche (Frlenmeyer-Kolben) fest verschlossen in den Thermostaten und l\u00e4\u00dft sie bewegen, so zerspringt sie nach einiger Zeit. Fs hat sich ein Gas entwickelt, das nach seiner Reaktion als C02 zu charakterisieren ist. Stellt man die Hasche offen hin. so f\u00e4llt nach einiger Zeit aus der klaren L\u00f6sung eine Substanz aus, die sich mikroskopisch, krystallographisch\u2018) und chemisch als Mononatriumurat erweist.\nDie obigen zahlenm\u00e4\u00dfigen Ableitungen hatten zur Voraussetzung, da\u00df der Partialdruck der CO, in der Gasphase immer gleich ist dem in der L\u00f6sung; denn nur so vermag sich ein Gleichgewicht einzustellen: wird nun aber durch Entweichen der CO,, was ja immer bei dem viel geringeren Druck der CO, in der Luft eintritt, das Gleichgewicht gest\u00f6rt, so wird auch noch der letzte geringe Rest der Harns\u00e4ure in Salz umgewandelt werden m\u00fcssen und, sofern nur gen\u00fcgend Harns\u00e4ure vorhanden ist, von dieser schlie\u00dflich fast die gesamte CO, unter Bildung von Mononatriumurat vertrieben werden m\u00fcssen. Das entstandene Mononatriumurat, dessen L\u00f6slichkeit, wie sp\u00e4ter gezeigt wird, im Serum sehr gering ist, f\u00e4llt nun \u00fcber kurz oder lang aus seiner \u00fcbers\u00e4ttigten L\u00f6sung aus. Dieser Vorgang l\u00e4\u00dft sich in eiidacher Weise experimentell verifizieren:\nIn einen eigens hierzu konstruierten Apparat, der ein best\u00e4ndiges Sch\u00fctteln seines Inhalts bei konstanter Temperatur unter luftdichtem Abschlu\u00df gestattet, f\u00fcgte ich zu einer genau abgemessenen Menge des k\u00fcnstlichen Serums2) Harns\u00e4ure in fester Substanz in \u00dcberschu\u00df, fing die sich bildende C0.2 nach dem Verfahren von Fresenius3) in Natronkalkr\u00f6hrchen auf und bestimmte die Menge durch W\u00e4gen.\n1. Vorversuch mit einfacher Na2C03-L\u00f6sung.\nl,28\u00df g Na2C03 in 400 ccm II20 gel\u00f6st -f- 5 g Harns\u00e4ure in fester Substanz.\n!) Gudzent, Diese Zeitschrift, Bd. LX, S, 50.\n*) Da NaHC03 beim Durchleiten von Luft durch die L\u00f6sung 008 unter Umwandlung in Na8C03 abgibt, wurde in diesem Versuch NaHCOs durch die entsprechende Menge Na,COs ersetzt.\n3V Fresenius, Quantitative ehern. Analyse, 1 Aufl.. 19. S. 449.","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze im Blut. '461\nFreigewordene C02 = 0,5215 g Vorhandene C\u00f62 == 0,5326 g Differenz = 0,0111 g\nEs sind also rund 98 \u00b0/o der Base von der Harns\u00e4ure in Anspruch genommen.\n2. Versuch mit k\u00fcnstlichem Serum,\nenthaltend 0,886 g Na2C03; Zusatz von 5 g Harns\u00e4ure in fester Substanz.\nFreigewordene C02 = 0,6600 g Vorhandene C02 = 0,3678 g Differenz = 0,0322 g\nEs sind also durch die Harns\u00e4ure von der Base in Anspruch genommen rund 98 \u00b0/o.\nExperiment und Voraussetzung stehen also in guter \u00dcbereinstimmung. Durch den Vorversuch ist gleichzeitig dargetan, da\u00df es, praktisch genommen, nur die CO., ist, mit der die Harns\u00e4ure sich in die Base teilt und mit dieser Salz bildet.\nDa nach den obigen Zahlen fast s\u00e4mtliche C02 aus ihrer Verbindung mit Na durch im \u00dcberschu\u00df zugegebene Harns\u00e4ure verdr\u00e4ngt wird, ergibt sich, da\u00df die in 1 1 Serum vorhandene Basenmenge gen\u00fcgen w\u00fcrde, um bis zu 7 g Harns\u00e4ure in Mononatriumurat umzuwandeln.\nDas Verhalten der Harns\u00e4ure zu den Elektrolyten im k\u00fcnstlichen Serum ist nunmehr eindeutig klar gestellt. Wir gehen einen Schritt weiter, indem wir uns die Frage vorlegen, ob wir im nat\u00fcrlichen Blutserum ein gleiches Verhalten zu erwarten haben.\nTheoretische Erw\u00e4gungen1) und der Nach weis von Br u gs c h ,2 ) da\u00df es eine organische Bindung der Harns\u00e4ure im Blute nicht gibt, lassen ein gleiches Verhalten im Blutserum und auch irn Blut sehr wohl erwarten. Immerhin ist durchaus die M\u00f6glichkeit gegeben, da\u00df die Nichtelektrolyte. die mancherlei bekannten und\n') Siehe insbesondere H\u00f6her, Physik. Chemie der Zelle und Gewebe. 2. Aufi., 1906, S. 156.\n8) Zeitschrift f. exp. Pathol, u. Therapie. Bd. VI.","page":461},{"file":"p0462.txt","language":"de","ocr_de":"F. Gudzent,\nm\nnoch unbekannten organischen und eiwei\u00dfartigen Bestandteile doch irgend welche Beziehungen zur Harns\u00e4ure haben k\u00f6nnten.\nVon den beiden haupts\u00e4chlichsten Nichtelektrolyten, dem Traubenzucker und dem Harnstof\u00ee, \u00bb) konnte ich durch Leitf\u00e4higkeitsbestimmungen *) der Harns\u00e4ure in Harnstoff- und Traubenzuckerl\u00f6sungen feststellen, da\u00df sie auf die L\u00f6slichkeit der Harns\u00e4ure keinerlei Einflu\u00df aus\u00fcben. Ober das Verhalten all der anderen Stoffe kann nichts vorausgesagt werden. Hier entscheidet nur das Experiment, indem man das Verhalten der Harns\u00e4ure im nat\u00fcrlichen Serum und im Blut pr\u00fcft. Ein vorl\u00e4ufiger Versuch zeigt nun sofort, da\u00df im nat\u00fcrlichen Serum und im Blut sich gleiche Vorg\u00e4nge abspielen wie im k\u00fcnstlichen Serum. F\u00fcgt man n\u00e4mlich zu Serum oder Blut Harns\u00e4ure, so wird auch hier Kohlens\u00e4ure frei und auch hier f\u00e4llt nach einer gewissen Zeit eine Substanz aus, die sich als Mononatriumurat erweist. Der direkte Beweis, da\u00df es sich wirklich um Mono-natriumuart handelt, war mikroskopisch (die bekannten Nadeln) und vor allem krystallographisch ^ j mit hinreichender Sicherheit zu erbringen. Eine chemische Analyse l\u00e4\u00dft sich wegen der starken Verunreinigung der Urate mit Serumbestandteilen und Farbstoffen nicht mit der notwendigen Exaktheit durchf\u00fchren. Also auch im Serum und im Blut neutralisiert sich die Harns\u00e4ure zu Mononatriumurat. Mit dieser allgemeinen Erkenntnis ist jedoch noch nicht entschieden, da\u00df nicht trotzdem noch andere Reaktionen nebenhergehen.\nWir k\u00f6nnen hier nur weiterkommen, wenn wir uns die frage nach dem Verhalten des von der Harns\u00e4ure gebildeten Salzes, des Mononatriumurats, vorlegen.\nl) F\u00fcr Harnstoff ist der Nachweis schon durch His und Paul geliefert und Riedels Angabe einer Harns\u00e4ure-Harnstoffverbindung widerlegt.\n*) Es wurde die spezifische Leitf\u00e4higkeit der Harns\u00e4ure bei 17 1 bestimmt (Gudzent. Diese Zeitschrift. Bd. LX, S, 27), die unver\u00e4ndert blieb. Es ist dabei zu beachten, da\u00df Harnstoff in L\u00f6sung nach l\u00e4ngerer Zeit sich zu zersetzen beginnt.\nJ) Die Nadeln l\u00f6schen im Gegensatz zu Ammoniumural das polarisierte Lieht in einem bestimmten Winkel aus. (Gudzent. Diese Zeitschrift, Bd. LX, 'S. 50.)","page":462},{"file":"p0463.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze im Blut. M3\nII. Verhalten des Mononatriumurats.\nDurch fr\u00fchere Untersuchungen1) war festgestellt worden, da\u00df die Harns\u00e4ure zwei Reihen prim\u00e4rer Salze bildet, welche sich einzig und allein durch ihre L\u00f6slichkeit unterscheiden und demnach als isomer zu bezeichnen waren. Die erste Reihe (a-Salze) ist unbest\u00e4ndig und geht vom Moment ihrer Entstehung in w\u00e4sseriger L\u00f6sung \u00fcber in die best\u00e4ndige Reihe (b-Salze). Der Vorgang wird gedeutet als eine intramolekulare Umlagerung, entsprechend den 2 tautomeren Formen der Harns\u00e4ure, wonach die a-Salze der Lactamform, die b-Salze der Lactimform entsprechen.\nLactamurat ------\u25ba Lactimurat\n(unbest\u00e4ndig)\t(best\u00e4ndig),\nVon den weiteren ermittelten Daten interessiert hier haupts\u00e4chlich die L\u00f6slichkeit des Mononatriumurats in Wasser:\nEs l\u00f6st sich bei 37\u00b0\na-Form im Liter 2,1300 g b-Form ,, \u201e 1,4085 g\nDiese Zahlen gestatten nun, das physikalisch-chemische Verhalten, insbesondere also die L\u00f6slichkeit des Mononatriumurats im k\u00fcnstlichen Serum rein theoretisch-mathematisch zu bestimmen. Wird Mononatriumurat in das k\u00fcnstliche Serum gebracht, so findet es dort Elektrolyte, die mit ihm gemeinsam das gleiche Na-Ion besitzen. Das hat zur Folge, da\u00df die L\u00f6slichkeit des Mononatriumurats gegen\u00fcber dem Wasser hier viel geringer ausfallen wird. Die L\u00f6slichkeitserniedrigung wird bestimmt durch folgendes von Nernst2) abgeleitete L\u00f6slichkeitsgesetz:\nwo m die L\u00f6slichkeit des festen Elektrolyten bei Gegenwart eines zweiten Elektrolyten, x die Konzentration von dessen freien Ionen, a der dazu geh\u00f6rige Dissoziationsgrad, m0 die L\u00f6slichkeit des festen Elektrolyten in reinem Wasser und a0 den dazu geh\u00f6rigen Dissoziationsgrad bedeutet.\n*) Gudzenl, Diese Zeitschrift, Bd. LIV, S. 150, und Bd. LX, S. 38.\n*) Nernst, Theoretische Chemie. 5. Aufl., 1007, 8. 530.","page":463},{"file":"p0464.txt","language":"de","ocr_de":"m\nF. Gu dz ent\nEs ist nun im k\u00fcnstlichem Serum: x = 0,U9, \u00ab = 0,832*)\nIn reinem Wasser ist :\nLactamform m() = 0,01010, a0 = 0,9302) Lactimform m0 = 0,00676, a0 = 0,933 So berechnet sich :\n'\tL\u00f6slichkeitserniedrigung\tIn 100 ccm Serum l\u00f6st sich also\nLactamform . . .\t91,35 \u00b0/o\t18,4 mg \\ 6\t220 o/o\nLactimform . . .\t91,1 o/o\t8,8 \u00bb |\nDie L\u00f6slichkeitserniedrigung ist also eine ganz gewaltige und insofern von besonderer Bedeutung, als durch sie gem\u00e4\u00df dem L\u00f6slichkeitsgesetz die Differenz in der L\u00f6slichkeit der beiden Urate noch gr\u00f6\u00dfer wie im Wasser wird; das unbest\u00e4ndige Mononatriumurat ist im k\u00fcnstlichen Serum um rund 220\u00b0,o l\u00f6slicher als das durch Umlagerung entstehende, aber best\u00e4ndige Mononatriumurat.\nExperimentell ist nun darzutun,\n1.\tda\u00df die Umlagerung der beiden Formen der Urate sich auch im k\u00fcnstlichen Serum vollzieht,\n2.\tda\u00df der berechnete L\u00f6slichkeitswert f\u00fcr die stabile Form stimmt;3)\n1. U ni w a n d 1 u n g s v e r s u c h.4)\nZu k\u00fcnstlichem Serum wird Mononatriumurat Nr. 11 im \u00dcberschu\u00df gegeben, ein Pr\u00e4parat, das ein Mischprodukt beider isomeren Formen darstellt und dessen molekulare Konzentration (mn) im Wasser = 0,00715 ist.\n\u2018) Diese Werte lassen sich nach bekannten Gesetzen leicht berechnen. da wir ja die Mengen der in Frage kommenden Elektrolyte kennen.\n*\t*) Gudzent. Diese Zeitschrift. Bd. LX. S. 66.\n') F\u00fcr die unstabile Form l\u00e4\u00dft sich hier, wie schon fr\u00fcher im Wasser (Diese Zeitschrift, Bd. LX, S. 65) der direkte Beweis deswegen nicht erbringen, weil es nicht gelingt, sie rein darzustellen.\n9 Unter genau denselben Bedingungen, wie in dieser Zeitschrift, Bd. LX. S 15.","page":464},{"file":"p0465.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze im Blut; 485\nSeine molekulare Konzentration im k\u00fcnstlichen Serum ist berechnet = 0,00051 oder 0,110 g in 1000 ccm experimentell gefunden =\t0,120 g \u00bb 1000 V\nNach 48 Stunden Sch\u00fctteldauer wird gefunden 0,100 g in 1000 ccm. Die Abnahme der L\u00f6slichkeit hat also etwa 16\u00b0/o betragen.\nEin Kontrollversuch mit einem umgewandelten Mononatriumurat Nr. 12 \u00df (b-Salz) ergab keine Abnahme.\n2. L\u00f6slichkeitsversuch.\nZu k\u00fcnstlichem Serum wird ein umgewandeltes , Mononatriumurat (b-Salz) im \u00dcberschu\u00df gegeben.\nAls Mittelwert verschiedener L\u00f6slichkeitsversuche ergab sich\n7,1 mg zu 100 ccm berechnet war 8,3 \u00bb\t\u00bb 100\t\u00bb\nEs hat also experimentell festgestellt werden k\u00f6nnen, da\u00df auch im k\u00fcnstlichen Serum die a-Form des Mononatriumurats in die b-Form \u00fcbergeht, und da\u00df die .berechneten L\u00f6slichkeitswerte mit den experimentell gefundenen sich in guter \u00dcbereinstimmung befinden.\nNunmehr sind wir in der Lage, die Frage zu entscheiden, ob neben der Salzbildung im nat\u00fcrlichen Serum und Blut noch andere Reaktionen der Harns\u00e4ure vor sich gehen.\nDas Experiment, von dem hier allein Aufschlu\u00df zu erwarten ist, gestaltet sich \u00e4u\u00dferst einfach und ist durchaus eindeutig:\nIch f\u00fcgte zu harns\u00e4urefreiem nat\u00fcrlichen Serum (Pferdeblutserum) Mononatriumurat der best\u00e4ndigen Lactimform im \u00dcberschu\u00df und bestimmte nun dessen L\u00f6slichkeit bei 37 \u00b0. Zweierlei war zu erwarten: Geht das Harns\u00e4ureanion mit\u2019 irgend einer der im Serum befindlichen Bestandteile irgend eine Verbindung ein, so wird das L\u00f6sungsgleichgewicht des Mononatriumurats gest\u00f6rt werden und infolgedessen sich im nat\u00fcrlichen Serum mehr Harns\u00e4ure l\u00f6sen als im k\u00fcnstlichen Serum; finden keinerlei andere Verbindungen als die salzartige statt, so mu\u00df die L\u00f6slichkeit dieses Mononatriumurats hier die gleiche sein als im k\u00fcnstlichen Serum.\nHoppe-Seyler's Zeitschrift f. physiol. Chemie. LX1II.\tHl","page":465},{"file":"p0466.txt","language":"de","ocr_de":"466\nF. Gudzent\nDie L\u00f6slichkeit wurde so festgestellt, da\u00df das Serum mit dem im \u00dcberschu\u00df zugegebenen Mononatriumurat von Stunde bis zu 12 Stunden in einem gut verschlossenen Erlenmeyer-Kolben in dem mehrfach beschriebenen Thermostaten bei konstanter Temperatur in dauernder sch\u00fcttelnder Bewegung gehalten wurde, dann schnell filtriert, und nun die Harns\u00e4uremenge nach Hopkins-W\u00f6rner und in anderen Versuchen nach Kr\u00fcger-Schmidt bestimmt. Nach \u00fcbereinstimmendem Urteil aller Autoren, die Harns\u00e4urebestimmungen im Blut gemacht haben, gelingt es aber meist nur ca. 80\u00b0/o der wirklich vorhandenen Harns\u00e4ure wiederzufinden, oft noch weniger, falls es sich um sehr kleine Mengen handelt. Um vor T\u00e4uschungen sicher zu sein, m\u00fcssen also hier, wo es sich um sehr kleine Mengen handelt, die gefundenen Werte um reichlich 30\u00b0/o h\u00f6her angesetzt werden, weil ja ein gr\u00f6\u00dferer als der berechnete Wert von entscheidender Bedeutung ist.\nIch fand nun aus 6 Bestimmungen im Durchschnitt\t5 mg in 100 ccm\nUnter Hinzuziehung von etwa 30\u00b0/o\nVerlust sind also gel\u00f6st\t7,1\t>\t100\t\u00bb.\nim k\u00fcnstlichen Serum sind gefunden 7,1\t\u00bb\t\u00bb\t100\t\u00bb\nnach der Berechnung sollen sein 8,3\t\u00bb\t\u00bb\t100\t.\u00bb\nDie L\u00f6slichkeit des Mononatriumurats im Blute ist also in guter \u00dcbereinstimmung die gleiche, wie im k\u00fcnstlichen Serum; die Verbindung, die die Harns\u00e4ure im Blute eingeht, kann demnach nur eine salzartige, n\u00e4mlich Mononatriumurat sein.\nDurch Dialvsierversuche in Anlehnung an die Methodik von Michaelis und Rona1) (Kompensationsmethode) vermochte ich dieses Ergebnis nicht nur zu best\u00e4tigen, sondern auch den direkten Beweis zu erbringen, da\u00df im Blute auch keine ei-weiB\u00e4rtige, dem Nachweis durch die \u00fcblichen Methoden der Harns\u00e4urebestimmung sich entziehende Verbindung der Harns\u00e4ure vorhanden ist, wieBrugsch2) schon fr\u00fcherauf anderem Wege hat erweisen k\u00f6nnen.\nNach dem Vorbilde von Michaelis und Rona benutzte ich als Dialysierschlauch Fischblasen.3) Ein Versuch ergab, da\u00df Harns\u00e4ure ausgezeichnet dialysiert. ln die Fischblase kamen\n*) Biochem. Zeitschrift, Bd. XIV, S. 476.\n*) Zeitschrift f. exp. Pathol, u. Therap., Bd. VI.\n3) Leider waren auch von der besten Sorte mindestens 50\u00b0/o undicht.","page":466},{"file":"p0467.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze im Blut. 467\netwa 200 cem nat\u00fcrliches Pferdeblutserum, in das Dialysierge-f\u00e4\u00df k\u00fcnstliches Serum, so da\u00df in beiden Medien ann\u00e4hernd dieselben Konzentrationen und Acidit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse bestanden. Die Harns\u00e4urekonzentration war zu beiden Seiten der Fischblase die gleiche, n\u00e4mlich 8 mg pro 100 ccm. Nach Hst\u00fcndigem Dialysieren im Brutschrank bei 37\u00b0 konnte nun in der Au\u00dfenfl\u00fcssigkeit, im k\u00fcnstlichen eiwei\u00dffreien Serum also, keine Abnahme der Harns\u00e4urekonzentration festgestellt werden, die ein-treten mu\u00df, wenn im nat\u00fcrlichen Serum au\u00dfer der salzartigen noch eine andere Bindung der Harns\u00e4ure m\u00f6glich ist.\nDiese v-rsuchsanordnung gestattete auch die Benutzung von Men sc inblut (einmal mein eigenes, ein andermal das eines gesu. n Kollegen), das sich ebenso verhielt wie Pferdeblut und Pfe.ueblutserum.\nSomit ist der Nachweis erbracht, da\u00df die Harns\u00e4ure als solche im Blut gar nicht bestehen kann, sondern ein Mononatriumurat bildet und nur in dieser Form im Blute vorhanden ist. (Die Kalium-, Calcium- und Magnesiumbase kommen, wie auf S. 459 ausgef\u00fchrt, praktisch nicht in Betracht.) Das physikalisch-chemische Verhalten der Harns\u00e4ure im Blut wird also nicht gegeben durch die Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten der Harns\u00e4ure, sondern durch die Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten, welche f\u00fcr ihre Salze, also f\u00fcr das Mononatriumurat, gelten.\nAuf Grund dieser neuen Erkenntnis ist es nun m\u00f6glich, eine Erkl\u00e4rung f\u00fcr die so verschiedenartigen Angaben \u00fcber die L\u00f6slichkeit der Harns\u00e4ure im Blut (die Werte schwanken zwischen 0,278\u20140,01 g pro Liter Serum), wie sie zuerst von G. Klemperer,1) dann von Trenkner,2) v. Noorden,3) Taylor4) ver\u00f6ffenlicht sind, zu geben.\nAlle diese Untersucher begingen zun\u00e4chst einen grund-s\u00e4tzlichen Irrtum darin, da\u00df sie glaubten, die L\u00f6slichkeit\n\u2018) Deutsche med. Wochenschr., 1895. Bd. XXI. S. 655.\n*) Zentralbl. f. i. Med., 45.\n3)\tHandb. d. Pathol, d. Stoffwechs., 1906, Bd. II. S. 163.\n4)\tJourn. of biol. Chem., 1906, Bd. 1, S. 177.\n31*","page":467},{"file":"p0468.txt","language":"de","ocr_de":"468\nF. Gudzent,\nder Harns\u00e4ure zu bestimmen, wenn sie reine Harns\u00e4ure zu Blutserum f\u00fcgten. In Wirklichkeit haben sie die jeweilige Konzentration des gebildeten Mononatriumurats bestimmt. Nun ist es eine allbekannte Tatsache, da\u00df die harnsauren Salze bei ihrer Entstehung sehr zur Bildung \u00fcbers\u00e4ttigter L\u00f6sungen neigen und erst allm\u00e4hlich sich durch Auskrystallisieren in ihr L\u00f6sungsgleichgewicht einstellen. Je nach der Zeit, zu welcher die genannten Untersucher also die Menge der in L\u00f6sung befindlichen Harns\u00e4ure bestimmten, erhielten sie h\u00f6here und geringere Werte. Ich habe, diesem Gedankengang folgend, die Versuche zuerst am k\u00fcnstlichen, dann am nat\u00fcrlichen Serum wiederholt und in der Tat eine solche nur von der Zeitdauer des Versuchs abh\u00e4ngige L\u00f6slichkeitsabnahme feststellen k\u00f6nnen.\nEtwa 600 ccm Serum (nat\u00fcrliches und k\u00fcnstliches), dem feste Harns\u00e4ure im \u00dcberschu\u00df zugesetzt war, wurden im Thermostaten bei 37\u00b0 in fortdauernd sch\u00fcttelnder Bewegung durch einen R\u00fchrer gehalten und dann in den angegebenen Zeiten Proben entnommen.\nK\u00fcnstliches Serum\tBlutserum\nIn 100 ccm\nNach V* Stunde = 0,23 g \u00bb\t2 Stunden = 0,21 \u00bb\n* 22\t>\t= 0,14 \u00bb\nNach 1 Stunde = 0,23 g \u00bb\t2 Stunden = 0,21 >\n8\t\u00bb\t= 0,18 \u00bb\n\u00bb 22\t\u00bb\t= 0,09 \u00bb\nMit diesem Nachweis verlieren die bisher angegebenen Zahlen ihren Wert: mit ihm f\u00e4llt auch, was ich schon hier hervorheben mu\u00df, die Grundlage zusammen, auf der Brugsch1) in seinen Arbeiten \u00fcber die Gicht seine Behauptung aufgebaut hat, da\u00df das Gichtikerblut nicht im entferntesten eine ges\u00e4ttigte Harns\u00e4urel\u00f6sung darstellt. Auch die verschiedenen Ansichten \u00fcber die Art der Bindung, in welcher die Harns\u00e4ure im Blute kreist, werden nunmehr fallen gelassen werden m\u00fcssen. Minkowskis2) Vermutung, da\u00df die Harns\u00e4ure an Nucleins\u00e4ure gebunden im Blut kreist, ist ja bereits durch Brugsch1) widerlegt; Brugschs Annahme jedoch, da\u00df\n') Zeitschrift f. exp. Pathol, u. Therapie, Bd. V u. VI.\n*) Die Gicht. Wien 1903, bei Holder.","page":468},{"file":"p0469.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze im Blut 459\ndie Harns\u00e4ure als Hemiurat gel\u00f6st sei, ist rein hypothetisch und entbehrt jeder Grundlage.\nSchlie\u00dflich sei noch bemerkt, da\u00df die Anschauung Ta y lors1) von einer Komplexverbindung der Harns\u00e4ure im Blut sich schon dessentwegen erledigt, weil er sich einmal mit seiner Behauptung, da\u00df die Harns\u00e4ure im Blut die schw\u00e4chste S\u00e4ure sei, irrt, die Kohlens\u00e4ure ist etwa 5mal schw\u00e4cher, und dann seine Beobachtung, da\u00df ein Zusatz von Harns\u00e4ure die Leitf\u00e4higkeit des Blutes nicht erh\u00f6ht, falsch deutet. Es ist n\u00e4mlich direkt zu erwarten, da\u00df die Leitf\u00e4higkeit sich nicht wesentlich \u00e4ndert, wenn man Harns\u00e4ure dem Blut zusetzt. Die Leitf\u00e4higkeit h\u00e4ngt ja ab von der Konzentration und der Wanderungsgeschwindigkeit der Ionen; die erstere erf\u00e4hrt nun \u00fcberhaupt keine \u00c4nderung, weil an Stelle des Kohlens\u00e4ureanions das Harns\u00e4ureanion tritt, und die Differenz in der letzteren kann wieder durch die im Blut physikalisch gel\u00f6st bleibende Kohlens\u00e4ure ausgeglichen werden.\nDas Verhalten des Mononatriumurats bei pathologischen Zust\u00e4nden\ndes K\u00f6rpers.\nDer physikalisch-chemische Standpunkt f\u00fchrt zu zwei praktisch wichtigen Fragen :\n1.\tWie ist das Verhalten des Mononatriumurats bei pathologischen Zust\u00e4nden?\n2.\tWie erkl\u00e4rt sich das Ausfallen von Mononatriumurat in die Gewebe, speziell in die Knorpelsubstanz ?\nEs hat gezeigt werden k\u00f6nnen, da\u00df das Mononatriumurat in 2 Formen auftritt, die sich durch ihre L\u00f6slichkeit unterscheiden. Von der sich zuerst bildenden unbest\u00e4ndigen Form sind in 100 ccm Blutserum 18,3 mg, von der durch Umlagerung entstehenden best\u00e4ndigen Form dagegen nur 8,3 mg l\u00f6slich. Die Umlagerung, die sich hier vollzieht, ist unter den gegebenen Bedingungen ein notwendiger Vorgang und ihr Ma\u00df im wesentlichen abh\u00e4ngig von der Zeit. Es erhebt sich nun die Frage, ob dieselben Vorg\u00e4nge auch im Organismus, im Blute, sich\n') Journ. of biol. Chem., 1906, Bd. I, S. 177..","page":469},{"file":"p0470.txt","language":"de","ocr_de":"470\nF. Gudzent,\nvollziehen. Ich habe schon in dem ersten Teil meiner Ausf\u00fchrungen zeigen k\u00f6nnen, wie Vorg\u00e4nge, die theoretisch abgeleitet werden konnten, sich experimentell nicht nur im k\u00fcnstlichen, sondern auch im nat\u00fcrlichen Blutserum haben verifizieren lassen. Da nun zun\u00e4chst keinerlei Bedingungen bekannt sind, die im Organismus auf die Bildung und das weitere Verhalten des Mononatriumurats andersartiger einwirken k\u00f6nnten als im Experiment, so kann auch hier ein gleiches Verhalten wie im reinen Wasser erwartet werden.\nDas Experiment im k\u00fcnstlichen Serum vermag nun in der Tat zu best\u00e4tigen, da\u00df der Vorgang der Umlagerung aus der unstabilen Form in die stabile sich vollzieht.1)\nIm nat\u00fcrlichen Blut und seinem Serum ist freilich die Pr\u00fcfung dadurch erschwert, da\u00df bei den geringen Mengen die bisherigen Methoden der Harns\u00e4urebestimmungen versagen und anderseits bei der Temperatur von 37 \u00b0 trotz Zusatz von Thymol oder Toluol sehr bald F\u00e4ulnis auftritt. Diese Schwierigkeit zu \u00fcberwinden, ist nun nicht v\u00f6llig gelungen, und wir k\u00f6nnen daher nicht mit Sicherheit angeben, ob die Umsetzung des Natriumurats ebenso und mit der gleichen Geschwindigkeit sich vollzieht. Es ist aber mit der gr\u00f6\u00dften Wahrscheinlichkeit anzunehmen, da\u00df das l\u00e4ngere Zeit zirkulierende Salz2) nicht dauernd in seiner unbest\u00e4ndigen Form vorhanden ist, sondern in die best\u00e4ndige \u00fcbergeht: deren L\u00f6slichkeitswert mu\u00df demnach da, wo diese Bedingung gegeben ist, einzig ma\u00dfgebend sein.\nDer Zustand der dauernden Zur\u00fcckhaltung von Mononatriumurat im Blut ist ja nun das ausgesprochenste Symptom\n') cfr. S. 465.\n*)' Der Ausdruck \u00abzirkulierendes Salz* ist nicht ganz pr\u00e4zis. In der starken Verd\u00fcnnung n\u00e4mlich, in welcher ein harnsaures Salz im Blute vorhanden ist, ist es nahezu v\u00f6llig dissoziiert, in seine Ionen gespalten. Es kreisen also im Blute Na-Ionen und C6H,N403-Ionen und nur ein ganz geringer Bruchteil undissoziierte Uratmolek\u00fcle. Da aber die f\u00fcr das Urat geltenden Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten durch diesen Vorgang in keiner Weise ge\u00e4ndert werden, kann man des bequemeren Verst\u00e4ndnisses halber den Ausdruck \u00abzirkulierendes Salz\u00bb beibehalten.","page":470},{"file":"p0471.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze im Blut, 471\nder Gicht. Hier also sind die Bedingungen f\u00fcr die Bildung der stabilen Laktimform erf\u00fcllt. Danach l\u00e4\u00dft sich pr\u00fcfen, ob ira Blute des Gichtkranken die physikalischen Bedingungen zum Ausfall harnsaurer Salze gegeben sind.\n\u00dcber die Harns\u00e4uremenge im Gichtblut liegen ja zahlreiche genaue Bestimmungen, insbesondere von Magnus-Levy * *)' vor. Sie erlauben nunmehr zu pr\u00fcfen, ob das Blut des Gichtkranken eine unges\u00e4ttigte, eine ges\u00e4ttigte oder endlich eine \u00fcbers\u00e4ttigte L\u00f6sung darstellt, aus welcher festes. Salz \u00fcber kurz oder lang ausfallen mu\u00df.\nBrugsch hat in seinen Arbeiten die M\u00f6glichkeit eines \u00dcbers\u00e4ttigungszustandes in sch\u00e4rfster Weise zur\u00fcckgewiesen. Es wurde schon oben gezeigt, da\u00df die Werte, auf die er sich st\u00fctzte, infolge grunds\u00e4tzlichen Irrtums der Beweiskraft entbehren.\nUmstehende Tabelle, in der die beim Gichtiker gefundenen Harns\u00e4uremengen zusammengestellt sind, wird nun eine Entscheidung auf direktem Wege gestatten.\nDiese Tabelle ergibt die interessante Tatsache, da\u00df bei den 39 Untersuchungen in 28 F\u00e4llen der L\u00f6slichkeitswert der stabilen Form von 8 mg pro 100 ccm Blutserum \u00fcberschritten, in 2 F\u00e4llen genau erreicht und in 9 F\u00e4llen fast erreicht ist. Da nun durch die angewandte Untersuchungsmethodik bestenfalls etwa 90\u2014 95\u00b0/o der wirklich vorhandenen Harns\u00e4ure nachgewiesen werden kann,2) k\u00f6nnen wir ruhig sagen, da\u00df so gut wie in allen F\u00e4llen der L\u00f6slichkeitswert von 8 mg mehr weniger \u00fcberschritten ist.\nBei der Gicht m\u00fcssen wir ja nun nach meinen fr\u00fcheren Er\u00f6rterungen das Mononatriumurat in seiner gr\u00f6\u00dften Masse in seiner stabilen Form erwarten. Daraus resultiert notwendigerweise der Schlu\u00df, da\u00df das Gichtikerblut in der Tat zu gewissen Zeiten eine \u00fcbers\u00e4ttigte Harns\u00e4urel\u00f6sung darstellt.\nDaraus ergibt sich jetzt ganz ungezwungen die M\u00f6glichkeit eines Uratausfalles in die K\u00f6rpergewebe.\n') Zeitschrift f. klin. Med., 1890, Bd. XXXVI.\n*) Bei so geringen Werten d\u00fcrfte der Verlust noch gr\u00f6\u00dfer sein.","page":471},{"file":"p0472.txt","language":"de","ocr_de":"472\nF. Gudzent,\nIn 1(X) ccm Blutserum waren Milligramme Mononatriumurat (umgerechnet aus den auf Harns\u00e4ure und 100 ccm Blut angegebenen Zahlen).\n- Nr.\tim Anfall\tim Intervall\tUntersucher\n1\t9,7\t17,4\tMagnus-Levy\n2\t10,3\t14,9\t\u00bb\n3\t7,5\t9,7\t\u00bb\n4\t\u00ab,*\t8,7\t\u00bb\n5\t8,4\t10,8\t\u00bb\n0\t10,5\t10,3\t\u00bb\n7\t7,8\t11,4\t\n8\tM\t8.0 1\t\n9\t8,3\t1\t: >\n10\t0,2\t11,7\t\n11\t19,0\t13,0\t\n12\t0,0\t10,3\t\u00bb\n13\t0.0\t4,3\t. \u00bb\n14\ti\t14,0\t\u00bb. \u25a0 \u2019\n15\t10,2\t\u2014\t\u00bb\n10\t7,1\t8,3\t\u00bb\n17\t7,8\t7,8\t>\n18\t18,9\t\t\u00bb\n19\t\u2014 '\t8,3\t\u00bb\n20\t13,7\t!\tG. Klemperer\n21\t18,1\tliii. \u2022\u2022 1 \u2019\tJV\n22\t18,8\t1\t>\n23\t8,3\t: i\tBrugsch und Schittenhelm\n24\t6,2\t.\t\u00bb\n25\t: \u2014\t0.2\t' \u00bb\nInteressant ist es nun, die beim purinfrei ern\u00e4hrten Gich tiker gefundenen Werte mit den vorigen zu vergleichen:\nIn 100 ccm Blutserum sind nach Brugsch1) Milligramme Mononatriumurat gefunden:\n1. 6,2.\t2. 8,3.\t3. 6,2.\t4. 6,2.\n6. 6,2.\t7. 8,3.\t8. 6,2.\t9. 6,2.\nZeitschrift f. experim. Path. u. Therap., Bd. IV.\n5. 6,2. 10. 10,3.","page":472},{"file":"p0473.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze im Blut. 473\nIn den 10 F\u00e4llen ist siebenmal weniger als die zur S\u00e4ttigung n\u00f6tige Mindestmenge gefunden worden: zweimal ist diese gerade erreicht und nur einmal m\u00e4\u00dfig \u00fcberschritten. Im allgemeinen stellt also das Blut des purinfrei ern\u00e4hrten Gichtikers keine ges\u00e4ttigte Harns\u00e4urel\u00f6sung dar; freilich ist die Zahl der Bestimmungen noch gering, und vor allem fehlen sie noch f\u00fcr diejenigen F\u00e4lle, wo auch bei purinfreier Kost akute Gichtanf\u00e4lle sich einstellen.\nVon diesen Gesichtspunkten mu\u00df auch die alte Streitfrage angefa\u00dft werden, ob die Harns\u00e4ure im Blute sich vor dem Anfall h\u00e4uft. In den 14 Untersuchungen von Magnus-Levy ist in der Tat im Intervall neunmal der Wert erheblich gr\u00f6\u00dfer als im Anfall, zweimal gleich gro\u00df und nur dreimal kleiner gefunden worden; die alte Ansicht Garrods, die Harns\u00e4ure h\u00e4ufe sich im Blute vor dem Anfall, gewinnt damit sehr an Berechtigung.\nIn die Frage, warum bei jenen Zust\u00e4nden, die, wie R\u00f6ntgenbestrahlung, Pneumonie usw., mit Urik\u00e4mie einhergehen, bisher Ablagerungen von Uraten nicht beobachtet sind, f\u00fchren unsere Betrachtungen ein neues Moment ein: dasjenige der Zeit. Es ist ja zum \u00dcbergang des Mononatriumurats aus der leichter l\u00f6slichen in die schwerer l\u00f6sliche Form eine gewisse, nach Umst\u00e4nden nicht unbetr\u00e4chtliche Zeit erforderlich. Wenn nun bei ungehinderter Ausscheidung durch die Nieren das jeweilen entstandene Urat so rasch ausgeschieden wird, da\u00df die zur v\u00f6lligen Umwandlung n\u00f6tige Zeit nicht erreicht wird, dann kreist dieser Vorstellung gem\u00e4\u00df im Blut ein Gemenge beider Salze, dessen L\u00f6slichkeit zwischen 8 und 18 mg pro 100 ccm Serum liegt, und das auch dann die L\u00f6slichkeitsgrenze noch nicht \u00fcberschreitet, wenn der Gehalt \u00fcber 8 mg hinausgeht.\nAuch bei Leuk\u00e4mie ist die Ausscheidung durch die Nieren nicht verz\u00f6gert und die Bedingung f\u00fcr den v\u00f6lligen \u00dcbergang des Mononatriumurats in die stabile Form an sich nicht gegeben. Hier kann ein Ausfallen von Urat offenbar nur dann stattfinden, wenn jener zwischen 8 und 18 mg liegende Wert \u00fcberschritten wird. Gerade bei Leuk\u00e4mie aber sind solch hohe Werte gefunden, so von G. Klemperer 20,5,l) vonMagnus-\n\u2022) Deutsche med. Wochenschr., 1895, S. 655.","page":473},{"file":"p0474.txt","language":"de","ocr_de":"\u2018*74\tF. Gudzent,\nLevy1) sogar 46,5 mg (auf Mononatriumurat und auf 100 ccm Serum umgerechnet).\nDanach ist die Bildung harnsaurer Ablagerungen bei dieser Krankheit trotz ungehinderter Ausscheidung schon verst\u00e4ndlich; bisher sind 8 F\u00e4lle von Gicht im Verlaufe der Leuk\u00e4mie schon beschrieben worden.\nDie Behauptung von Brugsch,2) da\u00df \u00abzun\u00e4chst haupts\u00e4chlich die Purinbasen im Blute bei Leuk\u00e4mie als die Ursachen bei der Verhinderung des Ausfalls von Uraten anzusehen sind\u00bb, verliert also schon jetzt an Wahrscheinlichkeit. Durch den sp\u00e4teren Nachweis, da\u00df die experimentellen Untersuchungen, auf die Brugsch diese Ansicht gegr\u00fcndet hat, fehlerhaft sind, glaube ich seine Anschauung endg\u00fcltig zur\u00fcckweisen zu k\u00f6nnen.\nDurch den Nachweis, da\u00df das Blut unter gewissen Umst\u00e4nden mit Harns\u00e4ure oder richtiger mit Mononatriumurat \u00fcbers\u00e4ttigt sein kann, ist eine m\u00f6gliche Erkl\u00e4rung f\u00fcr das Ausfallen von Urat in die Gewebe gegeben. Damit ist jedoch die Bevorzugung einzelner Gewebe, besonders des Knorpels, noch nicht erkl\u00e4rt.\nHein physikalisch k\u00f6nnen mehrere Momente, wie K\u00e4ltewirkung, Stagnation der S\u00e4fte infolge mangelnder Zirkulation als ausl\u00f6sende Ursache des Gichtanfalles sehr wohl verstanden werden. Dem Knorpel ist nun aber von Almagia,3) Brugsch und Citron4) noch eine besondere Affinit\u00e4t f\u00fcr Harns\u00e4ure, die nicht bedingt wird durch eine etwaige \u00dcbers\u00e4ttigung, zugeschrieben worden.\nEs liegt bei unserer physikalisch-chemischen Betrachtungsweise nahe, eine Ursache einer solchen Affinit\u00e4t in dem Natriumgehalt des Knorpels, der bis um etwa das achtfache h\u00f6her sein soll5) als der des Blutes, zu suchen: da n\u00e4mlich die L\u00f6slichkeit des Mononatriumurats durch Anwesenheit freier Natriumionen erheblich herabgedr\u00fcckt wird, w\u00fcrde der Natrium-\nl) Virchows Arch., Bd. GLU, S. 107.\n*) Zeitschrift f. exp. Path. u. Therapie, Bd. V und VI.\n:l) Hofmeisters Beitr., Bd. VII, S. 406.\n4)\tZeitschrift f. exp. Pathol, u. Therapie. Bd. V u. VI.\n5)\tHammarsten, Physiol. Chemie, 6. Au fl., S. 435.","page":474},{"file":"p0475.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze im Blut. 475\ngehalt des Knorpels das Ausfallen wohl erkl\u00e4ren k\u00f6nnen. Voraussetzung daf\u00fcr w\u00e4re freilich, da\u00df das Natrium als Na-triuraion und nicht etwa in komplexer Bindung mit einem Bestandteil des Knorpels vorhanden w\u00e4re, was erst zu beweisen ist.\nExperimentell hat jedenfalls die Tatsache festgestellt werden k\u00f6nnen, da\u00df, wenn man fein geschnittene Knorpelst\u00fcckchen in reines Wasser bringt, man nach einiger Zeit CIN a in erheblicher Menge im Wasser nachweisen kann. Ob. nun dieses CINa vom Knorpel abgegeben wird oder nur aus seinen Lymphspalten stammt, ist noch nicht sicher entschieden.\nDurch diese Betrachtungen verliert aber jedenfalls die Vorstellung, da\u00df eine besondere Affinit\u00e4t des Knorpels zur Harns\u00e4ure besteht, die nicht bedingt ist durch \u00dcbers\u00e4ttigung an Urat, sehr an Wahrscheinlichkeit.\nDas veranla\u00dfte mich, die Untersuchungen von Almagia,1) Brugsch und Citron2) nochmals aufzunehmen. Dabei stellte sich heraus, da\u00df die Untersucher zu ihrer Vorstellung auf Grund einer fehlerhaften Versuchsanordnung gekommen sind. Sie ber\u00fccksichtigten nicht die L\u00f6sungsgesetzm\u00e4\u00dfigkeiten der Urate und die Tatsache, da\u00df Natriumionen aus dem Knorpel in die Uratl\u00f6sungen hineindiffundieren und dadurch die L\u00f6slichkeit der Urate, wie das auf Seite464 gezeigt ist, ganz gewaltig, fast bis zur Unl\u00f6slichkeit erniedrigen. Auf diese Weise haben sie mit \u00fcbers\u00e4ttigten L\u00f6sungen gearbeitet, was sich aus den Protokollen aufs deutlichste nachweisen l\u00e4\u00dft.3) Durch eine Reihe eigener Versuche, die denen von Almagia* * Brugsch und. Citron genau glichen, konnte ich mich direkt davon \u00fcberzeugen, da\u00df Mononatriumurat zum Ausfallen auf den Boden des Gef\u00e4\u00dfes und den dort liegenden Knorpel kam. Unter Vermeidung dieser Fehlerstellte ich Versuche mit Knorpel- und mit Agarst\u00fccken an und konnte feststellen, da\u00df beide gleichm\u00e4\u00dfig nur wenige Milligramm Harns\u00e4ure- enthielten, die dessentwegen in ihnen gefunden werden mu\u00dften, weil sie sich ja mit der umgebenden Harns\u00e4urel\u00f6sung vollsogen.\n') Hofmeisters Beitr., Bd. VII, S. 466.\n*} Zeitschrift f. Pathol, u. Therapie, Bd. V u. VI.\n*) Es wird auf die zu 1 und 2 zitierte Arbeit verwiesen.","page":475},{"file":"p0476.txt","language":"de","ocr_de":"476\tF. Gudzent.\nEine besondere spezifische Anziehungskraft des Knorpels f\u00fcr Mononatriumurat existiert demnach nicht.\nIm Anschlu\u00df hieran konnte ich auch an eine Kritik der Untersuchungen von Brugsch gehen, die ihn zu der Auffassung gef\u00fchrt haben, da\u00df die Purinbasen die Absorption der Harns\u00e4ure zum mindesten hemmen. Nach den mitgeteilten Protokollen setzte er seiner Versuchsl\u00f6sung Guanin bezw. Adenin zu, das er in einem \u00dcberschu\u00df von Alkalihydrat gel\u00f6st hatte. Da\u00df aber bei \u00dcberschu\u00df von Hydroxvlionen Harns\u00e4ure leichter l\u00f6slich ist, hat schon Paul 1901 erwiesen. Es mu\u00df demnach direkt erwartet werden, da\u00df unter diesen Versuchsbedingungen der Knorpel Harns\u00e4ure nicht aufnimmt.\nEigene Versuche haben denn auch in der Tat ergeben, was die von Brugsch ja schon best\u00e4tigen, n\u00e4mlich, da\u00df nie mehr als einige wenige Milligramm Harns\u00e4ure in dem Knorpelst\u00fcckchen zu finden waren.\nUntersuchungen, die ich zum genaueren Studium der Umwandlungsvorg\u00e4nge der beiden isomeren Reihen der Urate anstellte, haben einen merkw\u00fcrdigen Einflu\u00df der Radiumemanation auf die harnsauren Salze ergeben.1) Die Ergebnisse sollen im Zusammenhang mit neueren Untersuchungen mitgeteilt werden.\nZusammenfassung.\n1.\tDie Harns\u00e4ure kann im Blut nur als Mononatriumurat existieren.\n2.\tDas Mononatriumurat tritt in reinem Wasser in 2 isomeren Formen auf, von denen die zuerst entstehende Form (a-Salz) zwar l\u00f6slicher, aber unstabil ist und sich allm\u00e4hlich in die stabile, aber weniger l\u00f6sliche Form (b-Salz) umlagert. Dieselbe Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit hat sich auch in k\u00fcnstlichem Serum erweisen lassen. Sie gilt mit gr\u00f6\u00dfter Wahrscheinlichkeit auch f\u00fcr das nat\u00fcrliche Serum.\n\u2018) Gudzent, Deutsche med. Wochenschr., Nr. 21, und Vortrag im Verein f. inn. Medizin, Berlin, am 5. Juli 1909 (abgedruckt Mediz. Klinik, Nr. 37).","page":476},{"file":"p0477.txt","language":"de","ocr_de":"Das Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze im Blut. .\t477\n3.\tVom a-Salz l\u00f6sen sich in 100 ccm Blutserum 18,4 mg, vom b-Salz nur 8,3 mg: der L\u00f6slichkeitsunterschied betr\u00e4gt demnach rund 220 \u00b0/o.\n4.\tDurch den Nachweis, da\u00df das Blut unter gewissen Umst\u00e4nden, vorzugsweise bei der Gicht, mit Mononatriumurat \u00fcbers\u00e4ttigt sein kann, ist eine m\u00f6gliche Erkl\u00e4rung f\u00fcr das Ausfallen von Urat in die Gewebe gegeben.\n5.\tDie Bevorzugung einzelner Gewebe, insbesondere des Knorpels als Ablagerungsst\u00e4tte des Mononatriumurats, ist jedoch damit noch nicht erkl\u00e4rt. Kein physikalisch k\u00f6nnen K\u00e4ltewirkung, Stagnation der S\u00e4fte usw. als Ursache dieser Bevorzugung sehr wohl verstanden werden.\nAls ein weiterer Grund ist m\u00f6glicherweise auch der gro\u00dfe Reichtum des Knorpels an Natrium anzusehen.\n6.\tEine spezifische Affinit\u00e4t des Knorpels zur Harns\u00e4ure existiert nicht.","page":477}],"identifier":"lit37549","issued":"1909","language":"de","pages":"455-477","startpages":"455","title":"Physikalisch-chemisches Verhalten der Harns\u00e4ure und ihrer Salze im Blut","type":"Journal Article","volume":"63"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:57:29.978334+00:00"}