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{"created":"2022-01-31T15:16:32.765775+00:00","id":"lit37672","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Moor, Wm. Ovid","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 48: 577-579","fulltext":[{"file":"p0577.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage des Harnstoffgehaltes im menschlichen normalen\nHarn.\nEine Erwiderung an Herrn Dr. Fritz Lippich.1)\nVon\nDr. Wm. Ovid Moor.\n(Der Redaktion zugegangen am 27. Juli 1906.)\nNach Herrn Lippichs eigenen Worten w\u00fcrde im Falle einer Best\u00e4tigung meiner Behauptungen ein Fundament unserer Stoffwechsellehre ins Wanken geraten. Um so unbegreiflicher erscheint es mir, da\u00df Lippich, trotzdem er die Wichtigkeit dieses Gegenstandes so offenkundig anerkennt, meinen Nachtrag zur zweiten Arbeit (Harnstoff und Urein2) vollkommen unber\u00fccksichtigt l\u00e4\u00dft und somit genau aufErbens3) Standpunkte stehen bleibt. Es -wird in diesem Nachtrage ausdr\u00fccklich gesagt, da\u00df hier und da Harne gefunden werden, deren Gehalt an Urein ein ungew\u00f6hnlich kleiner ist, und da\u00df sich, wenigstens f\u00fcr die ersten Untersuchungen, am besten Harne eignen, deren spezifisches Gewicht nicht weniger als 1020\u20141025 betr\u00e4gt. Auch Camerer4) macht mit Recht darauf aufmerksam, da\u00df ich die auffallendsten Resultate gerade mit Urinen von h\u00f6herem spezifischen Gewichte erhalten habe. Nach Lippichs eigener Aussage war man berechtigt, den mittleren Harnstoffgehalt des menschlichen Harnes zu 2\u00b0/o anzunehmen. Dieser Prozentsatz ist das Ergebnis von Hunderten, ja Tausenden von Analysen, welche je nach der Dichte des Harns 0,5\u20143,5\u00b0/o Harnstoff zeigten.\nMeine eigene Schlu\u00dffolgerung, da\u00df der Harnstoff im Durchschnitte um das Doppelte \u00fcbersch\u00e4tzt wird, ist jedenfalls auch das Ergebnis recht zahlreicher Beobachtungen. Wie k\u00f6nnen also Erben und Lippich glauben, da\u00df sie das Fundament der heutigen Stoffwechsellehre durch zwei oder drei Analysen von einander ganz \u00e4hnlichen Harnen sicher stellen? In Anbetracht des Umstandes, da\u00df sowohl Erben wie auch Lippich keinen einzigen Harn von 2, geschweige von2,5\u20143\u00b0/oigemHarnstoffgehalte n\u00e4her gepr\u00fcft haben, ersuche ich Herrn Lippich, wenigstens\n\u2019) Diese Zeitschrift, Bd. XLVIII, Heft 2.\ns) Zeitschrift f\u00fcr Biologie, Bd. XLV, S. 420.\n3)\tDiese Zeitschrift, Bd. XXXVIII, S. 544:\n4)\tZeitschrift f\u00fcr Biologie, Bd. XLVI, S. 357.","page":577},{"file":"p0578.txt","language":"de","ocr_de":"578\nWm. Ovid Moor,\neinen oder zwei Abendurine von h\u00f6herem spezifischen Gewichte einer eingehenden Pr\u00fcfung zu unterwerfen. \u2018) Nur unter dieser Bedingung k\u00f6nnen meine Behauptungen bez\u00fcglich Harnstoff und Urein widerlegt werden. Es gibt doch nichts Leichteres, als solche Urine mit einem spezifischen Gewichte von 1025\u20141030 zu finden. Jeder wirklich gesunde Mensch, falls er gut gen\u00e4hrt ist und seinen Ham nicht durch gro\u00dfe Mengen von Fl\u00fcssigkeiten (Tee, Bier usw.) verd\u00fcnnt, kann solches Material liefern, besonders zwischen 5 und 11 Uhr abends.\nDoch will ich mit alledem nicht gesagt haben, da\u00df bei Harnen von geringerem spezifischen Gewichte der Harnstoff nicht \u00fcbersch\u00e4tzt worden ist. Im Gegenteil, ich kann behaupten und st\u00fctze diese Behauptung auf vielleicht 80\u2014100 Beobachtungen, da\u00df ein Harn, der ungew\u00f6hnlich wenig Urein enth\u00e4lt, gewi\u00df kein typisch normaler sein kann. Ich habe z. B. gefunden, da\u00df ein im Verh\u00e4ltniszu seiner Dichte zu schwach gelb gef\u00e4rbter Harn oft nur sehr wenig Urein enth\u00e4lt; besonders ist dies der Fall bei weniger dichten Harnen. Hingegen l\u00e4\u00dft sich ein bedeutender Ureingehalt und somit eine \u00dcbersch\u00e4tzung des Harnstoffs fast ausnahmslos bei dichteren Abendharnen leicht nachweisen.\nGanz abgesehen von der Beschaffenheit des Materials ist der wirkliche Harnstoffgehalt durch Lippich keineswegs mit Sicherheit festgestellt worden. Lippich hat sich begn\u00fcgt, ein Oxalat darzustellen und in diesem den Stickstoff zu bestimmen. Die Oxals\u00e4ure mu\u00df unter allen Umst\u00e4nden neutralisiert werden, da sogar ein Urein enthaltendes Oxalat sich manchmal von einem Harnstoffoxalat kaum unterscheidet, besonders bei der Gegenwart eines starken \u00dcberschusses von Oxals\u00e4ure, wie das bei Lippich der Fall war. F\u00fcr die Reinheit des so gewonnenen Harnstoffs habe ich nur ein sicheres Kriterium gefunden: Die vorsichtige, nicht allzu lange Erhitzung in einer Porzellanschale auf dem Drahtnetze (also nicht auf dem Platinableche in offener Bunsenflamme). Man wird sich oft wundern, wieviel Kohle ein scheinbar reiner Harnstoff bei vorsichtiger Erhitzung zur\u00fcckl\u00e4\u00dft. Ein Oxalat hinterl\u00e4\u00dft schon viel weniger Kohle, weil die Gegenwart der Oxals\u00e4ure die Verbrennung des Ureins bef\u00f6rdert.\nVom Aussehen des dargestellten Harnstoffs kann man gar keine Schlu\u00dffolgerung auf dessen Reinheit ziehen. Es bilden sich leicht wei\u00dfe Derivate des Ureins,* *) die das krystallinische Aussehen des Harnstoffs fast\n*) Zum mindesten kann ich verlangen, da\u00df man 24st\u00fcndige Urine untersuche, um durchschnittliche Werte zu erhalten.\n*) Es ist sogar wahrscheinlich, da\u00df sowohl bei der Methode von M\u00f6rner-Sj\u00f6quist, wie bei l\u00e4ngerer Einwirkung von Tierkohle das Urein Ver\u00e4nderungen erleidet, so z. B. in seiner F\u00e4higkeit, Permanganate zu zersetzen. Eine solche Abschw\u00e4chung steht nicht im Verh\u00e4ltnisse zum erlittenen Verluste an Substanz. \u00dcberhaupt wundert es mich, da\u00df man das Urein von meinem Standpunkte aus nicht nachpr\u00fcfen will.","page":578},{"file":"p0579.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Frage des Harnstoffgehaltes im menschlichen normalen Harn. 579\ngar nicht ver\u00e4ndern und sogar den Schmelpunkt des letzteren nicht beeinflussen, wenn sie in nicht gro\u00dfer Menge vorhanden sind. Ich selbst bin mehrmals durch dieses wei\u00dfe, krystallinische Gemenge von Harnstoff und Ureinderivat irregef\u00fchrt worden.\nIch schlie\u00dfe mit der \u00dcberzeugung, da\u00df Herr Lippich im Interesse der Wahrheit sein nicht begr\u00fcndetes abf\u00e4lliges Urteil noch einmal einer strengen Revision unterziehen und dabei meine oben angef\u00fchrten Einw\u00e4nde ber\u00fccksichtigen wird. *) Ich selbst arbeite seit zwei Jahren an der quantitativen Darstellung des Harnstoffs und hoffe in kurzer Zeit den Beweis zu liefern, da\u00df ich durchaus nicht das Opfer einer T\u00e4uschung bin.\n*) Da\u00df Lippich trotz seiner fehlerhaften Bestimmnng des Harnstoffs (aus einem Oxalate) ganz andere Resultate bei dichteren Abendharnen erhalten h\u00e4tte, ersehe ich aus seiner eigenen Arbeit. Bei einem +\nvermeintlichen U-Gehalte von l,43\u00b0/o konnte er 96,5\u00b0/o darstellen, w\u00e4hrend\ner bei einem etwas dichteren Harne von 1,63 \u00b0/o U-Gehalt schon 6\u00b0/o weniger, n\u00e4mlich 90,5 \u00b0/o, gewonnen hat. Was h\u00e4tte er erst erhalten bei einem Abendurine von 2\u20143\u00b0/o vermeintlichem Harnstoffgehalte?\nSt. Petersburg, 5. Linie, Nr. 22.","page":579}],"identifier":"lit37672","issued":"1906","language":"de","pages":"577-579","startpages":"577","title":"Zur Frage des Harnstoffgehaltes im menschlichen normalen Harn. Eine Erwiderung an Herrn Dr. Fritz Lippich","type":"Journal Article","volume":"48"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:16:32.765781+00:00"}