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{"created":"2022-01-31T16:52:57.522453+00:00","id":"lit37824","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie","contributors":[{"name":"Baumstark, Rob.","role":"author"},{"name":"Otto Cohnheim","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Physiologische Chemie 65: 483-488","fulltext":[{"file":"p0483.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie der Darmbewegungen und der Darmverdauung.\nVon\nRob. Baumstark und Otto Cohnheini.\n(Aus dem .physiologischen Institut Heidelberg.)\n(Der Redaktion /.umgangen am 21. M\u00e4rz isMo.i\nln der vorhergehenden Mitteilung haben wir einen Hund mit einer .lejunalfistel beschrieben. Wir liaben diesen Hund zu einer Reihe weiterer Beobachtungen benutzt. Die Fistel lag \u2014 hei der Sektion gemessen \u2014 37 cm unterhalb des Pylorus, etwa 9 cm von der Stelle, an der der D\u00fcnndarm mit ganz kurzem Mesenterium an der R\u00fcckwand angeheftet ist, die Stelle, die man beim Hunde wohl als Grenze zwischen Duodenum und .lejunum bezeichnen kann. Es wurde eine Kan\u00fcle mit Einspritzvorrichtung wie an den Duodenalfisteln eingef\u00fchrt, die glatt einheilte.\nAus dieser Kan\u00fcle entleerte sich nun der Darminhalt in kr\u00e4ftigen Sch\u00fcssen, die aus der Kan\u00fcle in derselben Weise und mit derselben En\u00e8rgie herausgespritzt wurden, wie es bei Duodenalfisteln der Fall ist. Wenn der Hund reichlich Fl\u00fcssigkeiten soff \u2014 wir haben ihm mehrmals Bouillon gegeben, au\u00dferdem Milch, Wasser und ein Probefr\u00fchst\u00fcck \u2014, so'begann die Entleerung 1\u20142 Minuten nach dem Anfang des Kaufen\u00bb, und die Sch\u00fcsse folgten sich recht regelm\u00e4\u00dfig alle 14\u201416 Sekunden, also 4 in der Minute: die Sch\u00fcsse waren ungleich gro\u00df: im Durchschnitt betrug jeder etwa 6 ccm. Bekam der Hund Fleisch oder Brot, die im Magen und im Duodenum erst verfl\u00fcssigt wurden, so waren die Sch\u00fcsse kleiner \u2014 etwa 1 ccm \u2014 und erfolgten mit geringerer Regelm\u00e4\u00dfigkeit, zeitweise etwa im gleichen Tempo, wie bei den Fl\u00fcssigkeiten, zeitweise mit Pausen von 30\u201450 Sekunden.","page":483},{"file":"p0484.txt","language":"de","ocr_de":"^\tHob. Baumstark und Otto Cohnheim,\nWir haben nun das aus der Fistel Herausgespritzte abw\u00e4rts eingespritzt \u2014 der im Darm liegende Schlauch war 17 cm lang \u2014, und beobachteten dabei, da\u00df die Entleerungen aus der Kan\u00fcle durch diese Einspritzungen gehemmt wurden, wieder in ganz derselben Weise, wie die Entleerungen des Magens aus einer Duodenalfistel durch Einspritzungen in das Duodenum gehemmt werden. In der Regel haben wir das aus der Kan\u00fcle Ausflie\u00dfende, nachdem es gemessen war, wieder eingespritzt, ferner haben wir Wasser von K\u00f6rpertemperatur und Salzs\u00e4ure von 0,2 \u00b0/o eingespritzt. Wasser bewirkt nur eine geringe Hemmung der Bewegung. Bei der Verabreichung von Fl\u00fcssigkeiten fielen meist nur 1 oder auch 2 Entleerungen aus, einigemale war gar keine deutliche Einwirkung zu sehen. Einspritzung von 20 ccm 0,2\u00b0/oiger Salzs\u00e4ure oder von Darminhalt nach Fleischf\u00fctterung bewirkte bei Fl\u00fcssigkeiten eine Hemmung von durchschnittlich 3 Minuten, bei Fleischf\u00fctterug von 3 bis 5 Minuten. Auch waren die Pausen bis zum 2. und 3. Schu\u00df noch meist etwas verl\u00e4ngert. Der 1. Schu\u00df nach einer solchen Pause war meist deutlich gr\u00f6\u00dfer als die vorhergehenden Sch\u00fcsse. 40 ccm Wasser konnten wieder eingespritzt werden, ohne da\u00df etwas zur\u00fccklief, bei Darminhalt nach Fleisch-, Brei- oder Brott\u00fct terung konnten 10 ccm ohne R\u00fccklauf eingespritzt werden, von 20 ccm liefen einige Tropfen zur\u00fcck. Von Salzs\u00e4ure erfolgte nach Einspritzung von 20 ccm eine starke r\u00fcckl\u00e4ufige Entleerung. Worin die Hemmung der Entleerung besteht, geht aus diesen Beobachtungen nicht mit Sicherheit hervor. Es kann sein, da\u00df die Bewegungen des Darmes, *die zu der Entleerung aus der Kan\u00fcle f\u00fchren, einfach stillgestellt werden. Es kann aber auch sein, da\u00df auf den Reiz der Einspritzung die Ringmuskulatur sich sphinkterartig kontrahiert und deshalb die weitere Entleerung aufgehoben ist. Das eigent\u00fcmliche starke Zur\u00fccklaufen des Eingespritzten nach Salzs\u00e4ureeinspritzung zeigt vielleicht, da\u00df es sich nicht um ein blo\u00dfes Aufh\u00f6ren der Bewegung handelt.\nDie schu\u00df weise, kr\u00e4ftige Entleerung von fl\u00fcssigem Darminhalt aus der Jejunumfistel kann nicht etwa auf der T\u00e4tigkeit des Magens beruhen; das verbieten die anatomischen Verh\u00e4lt-","page":484},{"file":"p0485.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie der Darmbewegungen und der Darmverdauung. 485\nnisse, da sowohl der Pylorus wie das Ende des Duodenums beim Hunde an der R\u00fcckwand des Bauches kurz angeheftet sind, das Duodenum aber mit seinem langen Mesenterium sich weit von der R\u00fcckwand entfernt. Die Fl\u00fcssigkeit mu\u00dfte \u2014 das lie\u00df sich bei der Sektion gut sehen \u2014 durch mehrere Windungen durchgespritzt werden. Da\u00df der Speisebrei nicht unbetr\u00e4chtliche Zeit im Duodenum verweilt, beweist auch die deutlich vorhandene Resorption in einigen Versuchen.\nDie von uns beobachteten Bewegungen sind aber auch keine Peristaltik; diese ist langsamer und wird durch festen Darminhalt hervorgerufen. Die Spritzbewegungen sind aber auch nicht die \u00abrhytmic segmentations\u00bb, die Cannon1) mit R\u00f6ntgenstrahlen und Magnus2) am isolierten Darm untersucht haben. Ihr Tempo ist ein anderes, 10\u201412 in der Minute, und sie sind nicht f\u00fcr eine Fortbewegung geeignet. Vielmehr haben wir es mit einer dritten, ganz anderen, Art von D\u00fcnndarmbewegungen zu tun, durch die fl\u00fcssiger Darminhalt mit gro\u00dfer Schnelligkeit fortbewegt wird. Bei der Aufnahme von Fl\u00fcssigkeiten und von solcher Nahrung, die schon im Magen und im oberen Duodenum weitgehend oder ganz verfl\u00fcssigt wird, Milch, Fleisch, Brot, Brei, spielen diese Bewegungen aber offenbar die entscheidende Rolle. Durch sie werden auch bei trockener Nahrung die gewaltigen Mengen der Verdauungssekrete fort-bewegt. Mit Wismut- und R\u00f6ntgenstrahlen lassen sich diese Bewegungen offenbar nicht beobachten, weil sie eben nicht Festes transportieren, sondern fl\u00fcssigen Inhalt. Und am isolierten Darm, zumal in einzelnen St\u00fccken, hat Magnus haupts\u00e4chlich die kurzen, regelm\u00e4\u00dfigen Bewegungen untersucht, die den rhytmic segmentations Cannons, den Misch- oder Knetbewegungen, entsprechen. Dagegen zeigt der isolierte Darm auch gr\u00f6\u00dfere, seltenere Bewegungen, die Magnus Tonusschwankungen nennt, und die wahrscheinlich unseren Bewegungen entsprechen. Es sind wohl dieselben Bewegungen, die man bei er\u00f6ffneter Bauchh\u00f6hle, bei Tieren im Kochsalzbad, als das starke Drehen und\nl) W. B. Cannon. Americ. Journ. of Physiol., Bd. VI, S. 251 (1902); \u00d6d. XII. S. 887 (1904).\n*) R. Magnus. Pfl\u00fcgers Archiv. Bd. CH GUI, CVllI, CXI\nUoppc-Scyler's Zeitschrift f. phvsinl. Chemit*. LXV.\t88\n\\ * . .","page":485},{"file":"p0486.txt","language":"de","ocr_de":"486\nHob. Baumstark und Otto Cohnheim,\nWinden des Darmes sieht, und die von den \u00e4lteren Beobachtern Pendelbewegungen genannt worden sind. Besonders gut sieht man sie, wenn ein stark mit Fl\u00fcssigkeit gef\u00fcllter ganzer Darm in Bingerscher L\u00f6sung schwimmt.1) Die Ursache der Bewegungen ist bisher nicht bekannt. Gehemmt oder reguliert werden sie durch einen Chemoreflex.\nF\u00fcr viele physiologische Beobachtungen ist es von Wichtigkeit, zu wissen, da\u00df die Bewegungen des D\u00fcnndarms von unterhalb gelegenen Darmabschnitten aus reguliert werden. Bei der Magenverdauung hat der eine von uns wiederholt darauf hingewiesen, da\u00df Untersuchungen, bei denen der Mageninhalt einfach aus einer Duodenalfistel aufgefangen wird, nicht unter physiologischen Bedingungen angestellt sind. Dasselbe gilt nun f\u00fcr das Auffangen von Darminhalt aus Darmfisteln ohne Einspritzung von Darminhalt in die abw\u00e4rts gelegenen Darmteile. Auch hier w\u00fcrde man die Verdauung bei einfachem Auffangen unter ganz abnormen Bedingungen untersuchen. Es gilt das f\u00fcr die zahlreichen Untersuchungen von London und seinen Mitarbeitern.\nWir haben nun die aus der Kan\u00fcle sich entleerende Fl\u00fcssigkeit untersucht, und haben bereits in der vorigen Mitteilung beschrieben, da\u00df bei Fleischf\u00fctterung die Reaktion auf Lackmus stark sauer ist. Dasselbe gilt f\u00fcr die F\u00fctterung mit Brot, Brei und Suppe (s. u.). An der gelbbraunen Farbe ist deutlich zu sehen, da\u00df sich dem Inhalt reichlich Galle beigemengt hat, und die Acidit\u00e4t ist erheblich kleiner als am Pylorus. Wir haben die Acidit\u00e4t mit Phenolphthalein titriert, ohne indessen bei den komplizierten Verh\u00e4ltnissen des pepton-und gallehaltigen Gemisches viel Wert auf die Zahlen legen zu k\u00f6nnen.\nEs wurden bis zur R\u00f6tung 3,2 bis 8,7 ccm V'io-n-NaOH f\u00fcr 10 ccm verbraucht, also Acidit\u00e4ten zwischen 32 und 87. Die gelbbraune Farbe des Chymus zeigte die Beimischung von Galle an, au\u00dferdem kamen zwischen den sauren Sch\u00fcssen gelegentlich, besonders gegen Ende des Verdauungsversuches, ein-\n\u2022') 0. Cohnheim, Zeitschrift f. Bterl., Bd. XXXVIII, S. 419 (1899).","page":486},{"file":"p0487.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Physiologie der Darmbewegungen und der Darmverdauung. 487\nzelne, die heller aussahen und rotes Lackmuspapier bl\u00e4uten, die Durchmischung des s\u00e4uren Ghymus mit den Duodenalsekreten war also noch nicht vollkommen. Jedenfalls bestehen im Duodenum und gewi\u00df auch noch weiter herab die Bedingungen f\u00fcr Pepsinverdauung, und wir haben in der vorhergehenden Mitteilung deren Bedeutung f\u00fcr die Bindegewebsverdauung gew\u00fcrdigt. Man kann in dieser weit in den Darin fortgesetzten Magenverdauung ein Analogon zu der von Boldireff festgestellten Darmverdauung im Magen bei Hunger und sehr fetter Nahrung erblicken. So \u00fcberraschend die starke Salzs\u00e4urereaktion so tief im Darm auf den ersten Blick sein mag, so leicht l\u00e4\u00dft sich nachtr\u00e4glich die nat\u00fcrliche Erkl\u00e4rung finden. Das Prosekretin in der Darmschleimhaut bedarf zu seiner Aktivierung der Resorption gro\u00dfer Mengen Salzs\u00e4ure und es ist durch Starling und Bay 1 iss erwiesen, da\u00df die Darmschleimhaut bis zur Mitte des D\u00fcnndarms Sekretin enth\u00e4lt.\nWir lassen eine Reihe von Einzelbeobachtungen mit verschiedener F\u00fctterung folgen. Der Vergleich der hier aufgefangenen Gewichtsmengen mit den aus der Duodenalfistel ablaufenden1) zeigt, da\u00df im Duodenum eine recht betr\u00e4chtliche Resorption stattgefunden haben mu\u00df. Das rasche Ablaufen von Fl\u00fcssigkeit aus dem Magen war auch an der Jejunumfistel gut zu sehen. Warme Bouillon erschien in einem Falle 53 Sekunden nach Beginn des Saufens. Das Auslaufen von 350 ccm war in 20 Minuten beendet.\nProbemahlzeit, bestehend aus Schleimsuppe, Kartoffelbrei, gut zerkleinertem Fleisch, etwas menschlichem Speichel, zusammen 642 g, dazu im Laufe des Versuches 200 g Wasser. Dauer 6\u20147 Stunden. Aufgefangen 1064 g. ln der 5. Stunde Acidit\u00e4t 40. Der Ghymus ist viel st\u00e4rker verfl\u00fcssigt, als was aus der Duodenalfistel kommt, nur ganz vereinzelt kleine Fleischst\u00fcckchen zu sehen.\nProbefr\u00fchst\u00fcck. 1 Br\u00f6tchen von 53 g und 200 ccm lauwarmes Wasser. Die Entleerung von Fl\u00fcssigkeit beginnt\nl) L. Tobler, Diese Zeitschrift, Bd.XLV, S.185 (1905). - 0. Cohnheim, M\u00fcnchener mediz. Wochenschr., 1907, S. 2581. \u2014 0. Cohnheim und G. L. Dreyfus, Diese Zeitschrift, Bd. LVIII, S. 50 (1908).\n33*","page":487},{"file":"p0488.txt","language":"de","ocr_de":"\u21228 Baumstark und (lohnheim, Uber Darmbewegungen.\nwenige Minuten nach dem Fressen : in weniger als 25 Minuten sind 130 ccm abgelaufen. Nach dieser Zeit erscheint Brotbrei, der viel st\u00e4rker verfl\u00fcssigt ist, als an der Duodenalfistel. Nach 07 Minuten ist die Entleerung in der Hauptsache beendet, zieht sich aber mit immer gr\u00f6\u00dferen Zwischenr\u00e4umen noch 50 Minuten hin. 1 Stunde nach dem Fressen Gesamt-Acidit\u00e4t 32. Gesamtmenge des Auf gefangenen 391 g.\nFleisch, feingehackt, 50 g. 11 Minuten nach der F\u00fctterung kommt zuerst Mageninhalt. Nach 93 Minuten in der Hauptsache beendet, zieht sich noch 40 Minuten langsam hin. Gesamtmenge des Aufgefangenen 204 g. Nach 1 Stunde Acidit\u00e4t 86, nach 90 Minuten 89. Nach Entfernung des Eiwei\u00dfes zeigt der Chymus. starke Biuretreaktion.\nMilch, 100 g. Nach 2 Minuten Beginn der Entleerung Nach 14 Minuten r\u00f6tet der Ghymus deutlich Lackmus. Dauer der Entleerung etwa 3 Stunden, zum Schlu\u00df deutlich verlangsamt. Im ganzen 274 g aufgefangen. Acidit\u00e4t nach 2 Stunden 42.\ni","page":488}],"identifier":"lit37824","issued":"1910","language":"de","pages":"483-488","startpages":"483","title":"Zur Physiologie der Darmbewegungen und der Darmverdauung","type":"Journal Article","volume":"65"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:52:57.522459+00:00"}