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{"created":"2022-01-31T14:13:34.387881+00:00","id":"lit38298","links":{},"metadata":{"alternative":"Psychologische Forschung: Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und ihre Grenzwissenschaften","contributors":[{"name":"Abraham, Otto","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Psychologische Forschung: Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und ihre Grenzwissenschaften 4: 1-22","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"Tonometrische Untersuchungen an einem deutschen Volkslied.\nVon\nOtto Abraham, Berlin\nMit 2 Abbildungen im Text.\nVor Jahren nahm ich die Melodie \u201eDeutschland \u00fcber alles\u201c, von einer gr\u00f6\u00dferen Anzahl von Personen gesungen, phonographiseh und tonoinetrisch auf, um die absoluten Tonh\u00f6hen und Gr\u00f6\u00dfen der gesungenen Intervalle und ihre Abh\u00e4ngigkeit von musikalischen Faktoren zu ermitteln.\nDirekte Veranlassung zu dieser Untersuchung boten gemeinsam mit Prof. v. Hornbostel ausgef\u00fchrte Messungen phonographierter exotischer Musik. Um ein Werturteil \u00fcber Reinheitsbreite und Konstanz exotischer Musik zu bilden, glaubte ich, zuerst in unserer europ\u00e4ischen Melodik einen Ma\u00dfstab gewinnen zu m\u00fcssen.\nAuch der alte Streit der Musiker, ob von S\u00e4ngern und Streichern \u201etemperiert'1 oder \u201erein\u201c musiziert werde, sollte durch diese Untersuchung ausgefochten werden.\nDie S\u00e4nger der Phonogramme waren in musikalischer Beziehung sehr verschiedenwertig. 2 haben ein sicheres absolutes Tonbewu\u00dftsein, 3 andere sind sehr musikalische und routinierte S\u00e4nger und S\u00e4ngerinnen ohne absolutes Geh\u00f6r, 3 sind recht musikalisch, aber im Notensingen unge\u00fcbt, 3 sind weniger musikalisch, und eine Vp. endlich ist so hervorragend unmusikalisch, wie man es selten finden kann. Gerade die Verschiedenartigkeit der Musikalit\u00e4t ist bei solchen Untersuchungenwichtig, da man schlie\u00dfen kann, da\u00df eventuelle, auch f\u00fcr Unmusikalische geltende Konstanten das Wesentliche, dagegen die nur f\u00fcr Musikalische geltenden Konstanten den Luxus in der Musik bedeuten.\nVon einigen Vpn. wurden mehrere phonographische Aufnahmen derselben Melodie gemacht, um Zuf\u00e4lligkeiten auszuschlie\u00dfen, um \u00fcbereinstimmenden Werten eine gr\u00f6\u00dfere Pr\u00e4gnanz zu verleihen und bei Nicht\u00fcbereinstimmung die Gr\u00fcnde der Abweichung ermitteln zu k\u00f6nnen. Im ganzen stehen mir 23 Walzen zur Verf\u00fcgung, die infolge h\u00e4ufiger Wiederholung einzelner Mekxlieteile ein stattliches Untersuchungsmaterial ergeben.\nVon jedem einzelnen Ton der Melodie und ihrer Wiederholungen wurde mit Hilfe des nach Schwebungen neu geaiehten Appunn sehen Ton-\nPsychologische Forschung. Bd. 4.\n1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"Otto Abraham :\nmetiers die Schwingungszahl bestimmt und notiert. Da aber Schwingungszahlen f\u00fcr gleiche Intervalle verschiedener Tonlage kein praktisches I nter-vallma\u00df sind, wurden die Intervalle zwischen je 2 Nachbart\u00f6nen nach dem Vorgang von A. J. Ellis nach Cents, das sind Hundertstel des temperierten Halbtons, ausgerechnet. Die Centszahl ist f\u00fcr theoretisch gleiche Intervalle stets die gleiche, und so sind Abweichungen von dieser Zahl sofort zu erkennen; ein weiterer Vorteil der Centsbereehnung ist der. da\u00df die Abst\u00e4nde melodisch entfernter T\u00f6ne durch Addition resp. Subtrakt ion der zwischenliegenden Intervallcents einfach ausgerechnet werden k\u00f6nnen.\nDie Intervalle der Melodie wurden numeriert (l\u201454), die Wiederholungen mit la\u201454a bezeichnet. Nach der Anzahl der Aufnahmen liegen somit 23 Tafeln vor. Au\u00dferdem wurden s\u00e4mtliche theoretisch gleichgro\u00dfen Intervalle, also die Primen, die kleinen Sekunden, d|e gro\u00dfen Sekunden usw. bis zur Oktave, zusammengestellt, um die Abweichungen der Vpn. und die Verschiedenheiten der gleichen Intervalle an verschiedenen Melodieteilen in der Gesamtheit der Phonogramme \u00fcberblicken zu k\u00f6nnen.\nEin Blick auf jede Tabelle, sowohl der nach der Intervallgr\u00f6\u00dfe wie der nach \\ pn. geordneten, zeigt enorme Differenzen zwischen den temperiert ausgerechneten Centswerten und den gesungenen und tonometrisch gefundenen Intervallgr\u00f6\u00dfen, au\u00dferdem enorme Differenzen zwischen gleichbenannten Intervallen an verschiedenen Stellen der Melodie, und schlie\u00dflich ziemlich starke Differenzen zwischen identischen Intervallen der verschiedenen Versuchspersonen.\nSog. Halbt\u00f6ne oder kleine Sekunden wurden manchmal mit 23 Cents, andere Male mit 295 Cents, selbst von sehr Musikalischen, intoniert (temperiert 100 C.); gro\u00dfe Sekunden schwankten bei Musikalischen zwischen 57 und 295Cents (temperiert 200C.); kleine Terzen (temperiert 300 C.) zeigten Streuung von 238 bis zu 378 Cents, gro\u00dfe Terzen (temperiert 4(H) C.) schwankten zwischen 324 und 453, Quarten (temperiert \u2022HMM .) zwischen 479 und 586Cents. Quinten (temperiert 700C.) zwischen 702 und 792, gro\u00dfe Sexten (temperiert 900 C.) zwischen 858 und 1032, kleine Septimen (temperiert 1000 C.) zwischen 930 und 1034, endlich Oktaven (temperiert 12(H) C.) zwischen 1184 und 1260 Cents.\nDie Reihenfolge und Gr\u00f6\u00dfe der Streuungen war also:\nKleine Sekunde\t-\t272 Cents Streuung\nGro\u00dfe Sekunde\t\u2014\t238\t\u201e\nGro\u00dfe Sexte\t=\t174\tn\t<f\nKleine Ter/.\t=\t140\t\u201e\nGro\u00dfe Terz\t=\t129\t\u201e\t\u201e\nQuarte,\t=\t107\t\u201d\nKleine Septime\t=\t104\t\u201e\nQuinte\t=\t90\nOktave\t=\t7\u00df\n'\t99\t\u2022\u00bb","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Tnnoinetrische Untersuchungen an einem deutschen Volkslied\u00ab'.\nKehrt man die Reihenfolge der Streuungswerte um, dann erhalt man die Reihenfolge der Konstanz. Die Intonationen waren also am konstantesten bei der Oktave, ihr folgt die Quinte, die kleine Septime, die Quarte, kleine Terz, gro\u00dfe Terz, gro\u00dfe Sexte, gro\u00dfe Sekunde und schlie\u00dflich die kleine Sekunde.\nDie Konstanz nimmt also, abgesehen von der kleinen Septe, ungef\u00e4hr mit dem Konsonanzgrad der Intervalle zu.\nMit der Konstanz ist aber keineswegs der Reinheitsgrad zu verwechseln. Bei diesen enormen Schwankungen von 3/a- l3/a Ganzton w\u00e4re es unsinnig, etwa Durchschnitts- oder Mittelwerte zu berechnen und mit der reinen Stimmung zu vergleichen. Im Gegenteil zeigt die oberfl\u00e4chliche Betrachtung der Tabellen schon das eine klar, da\u00df wir gr\u00fcndlich aufr\u00e4umen m\u00fcssen mit der immer wiederkehrenden Frage, oh temperierte oder reine Intervalle gesungen werden. Isolierte Intervalle m\u00f6gen bei besonders auf Reinheit gerichteter Aufmerksamkeit leidlich rein gesungen werden (Laboratoriumsversuche), obwohl auch hier noch zu untersuchen w\u00e4re, ob selbst bei Terzen und Septimen die Streuungen nicht gr\u00f6\u00dfer sind als die rechnerischen Abweichungen von der temperierten Stimmung; die Intervalle affektreicher, mit Text versehener Melodien jedoch \u2014 also alle wesentlichen Gesangsintervalle \u2014- werden nach meinen Berechnungen weder rein noch temperiert gesungen. Wie wenig weichen temperierte und reine Stimmung voneinander ab im Vergleich zu den oben gefundenen Streuungen! In der folgenden Tabelle sind die temperierten und reinen Werte der Intervalle zusammengestellt.\n\tKI. Sekunde\t(ir. Sekunde\t\tKl. Terz\t\u20ac ir. Terz\tQuarte\tTritonus\nTemperiert Rein\t100 15 : 16\t200 112 8 : 9 \u2014 204 9 : 10 = 182\t300 316\t400 386 pythag 408\t500 498\t600 590\n\tQuinte\tKl. Sexte\t<ii\tr. Sexte\tKI. Septe\tOr. Septe\tOktave\nTemperiert Rein\t700 702\t800 5:8 = 814\t3 :\t900 5 = 884\tKHK) 4:7 = 969\t1100 1088\t1200 1200\nDie gr\u00f6\u00dften Abweichungen der reinen von den temperierten Werten betragen also, abgesehen von der Differenz mit der nat\u00fcrlichen Septe 4:7, 18 Cents, ein minimaler Betrag im Vergleich zu den in praxi gefundenen Werten. F\u00fcr ilie europ\u00e4ische Vokalmusik scheint aus den Tabellen erwiesen zu sein, da\u00df Musiktheorie, ja selbst eine durch feste Instrumentalstimmung in die Praxis \u00fcbertragene Theorie, nicht imstande ist, die Stimmung der freien Musik nennenswert zu beeinflussen, eine Erfahrung, die sich asiatischer Musikpraxis, die auch von der aufs genaueste durchgef\u00fchrten Musiktheorie ganz erheblich verschieden ist, (Musik der Chinesen, Japaner, Inder, Araber), anschlie\u00dft.\n1","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nUtto Abraham:\nEine weitere Betrachtung der Tabellen ergibt, (lall die gleich-benannten Intervalle nicht etwa nach regelloser Willk\u00fcr intoniert werden, sondern da\u00df sie an manchen Stellen der Melodie vorzugsweise, gro\u00df, an anderen klein gew\u00e4hlt werden. Zwar nicht die absolute Gr\u00f6\u00dfe, wohl aber die Richtung der Abweichung von der temperierten Stimmung zeigt eine ziemlich gute Konstanz an den entsprechenden Melodiestellen.\nDie 23 Tabellen in extenso zu ver\u00f6ffentlichen, verbietet sowohl der Papierpreis wie der Wunsch nach \u00dcbersichtlichkeit. Die Un\u00fcbersichtlichkeit kommt durch die vielerlei Centsgr\u00f6\u00dfen f\u00fcrdiegleichnamigen Intervalle zustande. Die Streuungen sind oft so stark, da\u00df es, wie gesagt, sinnlos w\u00e4re, eine Durchschnittsberechnung zugrunde zu legen; nur gelegentlich, und zwar nur dann, wenn die Abweichungen von der erwarteten Gr\u00f6\u00dfe in ein und derselben Richtung liegen, k\u00f6nnen Mittelwerte ausgerechnet werden. Schlie\u00dflich kommt es aber auf die absoluten Centszahlen nicht so sehr an als auf die Richtung ihrer Abweichungen vom erwarteten Ma\u00df.\nAls solches Ma\u00df wurde die temperierte Stimmung genommen. Denn sie ist die Grundlage unserer InstrumentaLstimmung, sie gibt durch die Centsberechnung eine gro\u00dfe rechnerische Bequemlichkeit, und sie weicht, wie wir sahen, nur unbedeutend von der reinen Stimmung ab. Nur gelegentlich bei Terzen und Sexten, bei denen die Differenz zwischen reiner und temperierter Stimmung gr\u00f6\u00dfer ist, mu\u00df auch mit der reinen Stimmung verglichen werden.\nIn der folgenden Tabelle sind die Abweichungen der Intervalle von der temperierten Stimmung in noch zu er\u00f6rternder Weise dargestellt.\nAbweichungen von der temperierten Stimmung in \u2014 0\nDie Zahlen bedeuten die Anzahl der Abweichungen unter allen F\u00e4llen.\n0 200","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Tonomotrische Untersuchungen an einem deutschen Volksliedo.\n5\nOberhalb der Notenlinien befinden sieh zwischen je 2 Noten die Intervallnummern 1\u201454 resp. bei Wiederholung des letzten Teils bis 55. Unterhalb des Notensystems sind die temperierten Intervallgr\u00f6\u00dfen in Cents (= Hundertstel des temperierten Halbtons) berechnet. Darunter befinden sich 3 Zahlenreihen, eine \u2014-, eine 0- und eine -(--Reihe. Diese bedeuten die Abweichungen aller Versuchspersonen von der temperierten Stimmung nach der Anzahl und Richtung ( nicht nach der Gr\u00f6\u00dfe). Im ersten Intervall bedeutet also die 17 in der \u2014Reihe, da\u00df in 17F\u00e4llenein Intervall gesungen wurde, das kleiner war als die berechnete temperierte Sekunde 200; die 11 der 0-Reihe bedeutet, da\u00df 11 mal die temperierte Stimmung getroffen wurde, wobei allerdings eine Reinheitsbreite von 10 Cents nach oben und unten konzediert ist. 11X1 und 210 Cents kommen also noch in die 0-Reihe der gro\u00dfen Sekunden, 189 und 211 Cents schon in die \u2014 - resp. -f-Reihe. Man kann also aus der Tabelle sehen, wie oft die Intervalle im Verh\u00e4ltnis zur Temperatur zu klein, zu gro\u00df oder richtig temperiert gesungen wurden, aber nicht, wieviel die Abweichung betr\u00e4gt.\nDie \u201eAbweichungen\u201c von der temperierten Stimmung sollen keineswegs ein Werturteil bedeuten, in dem Sinne, da\u00df die 0-F\u00e4lle etwa als richtig, die +- und \u2014F\u00e4lle als unrichtig angesehen werden. Die der Melodiestelle entsprechende Intervallgr\u00f6\u00dfe soll ja durch die Untersuchung erst ermittelt werden.\nDie Gesetzm\u00e4\u00dfigkeiten der Richtung und Anzahl der Abweichungen von der temperierten Stimmung k\u00f6nnen wir an der Tabelle gut \u00fcbersehen; um aber feinere Unterschiede und Gr\u00f6\u00dfen der Abweichungen zu erfahren, mu\u00df man zuweilen auf die Grundtabellen zur\u00fcckgreifen. Ebenso kann man eventuelle Einfl\u00fcsse des einen Intervalls auf ein Naehbarintervall nur aus den Grundtabellen erkennen.\nDie eindeutigsten Resultate zeigen auf der Tabelle folgende Intervalle: Nr. 32, 41, 30. 30, dies sind alles Primen, dann die Intervalle 27 und 55 (Oktaven).\nBetrachten wir zun\u00e4chst die Primen: Bei der Prime findet theoretisch \u00fcberhaupt keine Melodiebewegung statt, sie hat sowohl nach temperierter wie reiner Stimmung die Schwingungszahldifferenz 0, das SchwingimgszahlVerh\u00e4ltnis 1. Statt der demnach an allen 4 Melodiestellen erwarteten Centszahl 0 sehen wir in den Intervallen 30 und 32 in fast allen F\u00e4llen ein +, d. h. aufsteigendes, in den Intervallen 36 und 41 ebenso konstant ein negatives, d. h. absteigendes Intervall.\nDie Gr\u00f6\u00dfe der Primenschritte schwankte im Intervall 30 zwischen U bis + 39 C.. in 32 zwischen -f- 10 und -f- 39 Cents ohne jeden 0-Fall; in 30 zwischen 0 und \u2014 39. und endlich in 41 zwischen \u2014 0 und \u2014 52, wiederum ohne einen einzigen 0-Fall.\nEin Blick auf die Noten ergibt sogleich die Erkl\u00e4rung f\u00fcr dies auffallende und v\u00f6llig unbewu\u00dfte Verhalten der S\u00e4nger. Die Touschritte 30.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nOtto Abraham :\nund noch deutlicher 32, sind Teile einer aufsteijenden, die Schritte 36, und noch deutlicher 41, Teile einer abw\u00e4rts gerichteten Melodiebewegung. Gerade in den F\u00e4llen (32 und 41), an denen die Melodiebewegung schon eingefahren und zweifellos ist, bekommen wir + - resp. \u2014Primenwerte ohne O-Fall, bei den noch nicht so eingefahrenen Melodiebewegungen, bei 30 und 36 (bei einer einzigen Abweichung in 30), je 2 O-F\u00e4lle. Die Primen machen also \u2014 wenn wir verallgemeinern d\u00fcrfen \u2014 die Melodiebewegung mit. Das so ermittelte Primengesetz w\u00fcrde lauten: Gesungene Primen richten sich in der Intonation nach der Melodiebewegung; sie geben ein aufsteigendes Intervall be.i auf steigender, ein absteigendes Intervall bei absteigender Melodiebewegung.\nAllgemein gesprochen w\u00fcrde dies bedeuten, da\u00df theoretisch st\u00fcckhaft Gleiches sich ver\u00e4ndert, sobald es unter besondere Bedingungen des Ganzen gesetzt ist.\nOder sollte das Primengesetz nur bedeuten, da\u00df unsere Notenschrift unvollkommen ist, da\u00df n\u00e4mlich eine korrekte Notenschrift die aufsteigende Prime als aufsteigendes Intervall, etwa von einem Achtelton, die in absteigender Bewegung vorkommende als ebenso gro\u00dfes absteigendes Intervall notieren m\u00fc\u00dfte ?\nMir scheint, da\u00df beides zutrifft; es ist wohl m\u00f6glich, da\u00df ein moderner Komponist nicht nur wie die j\u00fcngsten seine Tonst\u00fccke in Viertelt\u00f6nen schreibt, sondern da\u00df er auch solche Differenzen, wie sie bei unseren Primen vorliegen, durch Notenzeichen ausdr\u00fcckt. Dies kann er aber nur dann, wenn er von diesen Erh\u00f6hungen oder Vertiefungen etwas wei\u00df ; das ist aber, bisher wenigstens, nicht der Fall gewesen; ich selbst war \u00fcber den eindeutigen Primenbefund sehr erstaunt. Bisher wurde die Prime als Nullschritt betrachtet und beim Notensingen auch intendiert : erst jetzt haben sich die Nullschritte als Plus- oder Minus-sehritte entpuppt. Auch die Umkehrung des obigen Satzes ist sicherlich erlaubt : da\u00df objektiv wirkliche Nullschritte, wirklich reine Primen an verschiedene Stellen der Melodie gebracht, als absteigende oder aufsteigende Schritte wirken. Der Satz kann also so formuliert werden, da\u00df gleiche Stucke, intendiert gleiche und objektiv gleiche, an ver-schiedene Melodiestellen gesetzt ungleich sind oder wirken.\nDa\u00df wir in der Klaviermusik, in der doch die Primen aus identischen onen bestehen, keine M\u00e4ngel der Primen h\u00f6ren, lieat daran d\u201ert\nund erkl\u00e4rt z. B. die eigent\u00fcmliche,\nvon jedem Musiker zu machende Er-","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Tonometrisrhe Untersuchungen an einem deutschen \\ olksliede.\n7\nfahrung, da\u00df Orchestertriller, die doch von den vielen Geigern je nach Muskelschnelligkeit in verschiedenster Geschwindigkeit produziert werden und im H\u00f6rer ein vollkommenes Chaos hervorbringen m\u00fc\u00dften, doch f\u00fcr den H\u00f6rer v\u00f6llig einheitlich als Triller im gleichen Rhythmus erklingen.\nDie Melodiebewegung, die eine so starke Einwirkung auf die Primenschritte hat, ist auch von bedeutendem Einflu\u00df auf die Intonation aller anderen Intervalle. Es ist zweckm\u00e4\u00dfig, sich die Melodiebewegung einmal graphisch darzustellen; dies gelingt, indem man die Notenk\u00f6pfe der Melodie mit geraden Linien verbindet; noch besser ist es, statt der qualitativ bedeutungsvollen und dadurch st\u00f6renden Notenk\u00f6pfc nur Punkte zu setzen und die Zwischenr\u00e4ume zwischen den Linien weiter, die Abst\u00e4nde zwischen den Notenpunkten enger zu nehmen als im gew\u00f6hnlichen Notensystem. Man erh\u00e4lt dann f\u00fcr die Melodie \u201eDeutschland \u00fcber alles\" folgende Kurve:\nSrhrrirlrel-l. , \u00e4cJmrk\u00e4\nan\tj\u00ab J9\nRahmen-und Talungs -Inf\nA hh. 1.\nDie Kurve hat \u00c4hnlichkeit mit einer Fieberkurve, auf der pl\u00f6tzliche Temperaturanstiege erst allm\u00e4hlich zur Norm zur\u00fcckkehren. Interessant ist, da\u00df eine gro\u00dfe Anzahl, wahrscheinlich die Mehrzahl unserer deutschen Volkslieder, diesen Kurventypus des pl\u00f6tzlichen Anstiegs und allm\u00e4hlichen Abfalls zeigt. Inwieweit diese Bewegung mit dein Volkstemperament zusammenh\u00e4ngt, wage ich nicht zu entscheiden.\nMusikalisch ist die Kurve durch die zahlreichen Ansprungintervalle, denen kaum Absprungintervalle entsprechen, zu erkl\u00e4ren; mit Ansprung hinauf und schrittweise herunter, so gehen die meisten unserer \\ olks-lieder.\nWir sehen in unserer Kurve die einzelnen durch Punkte bezeichneten Tonh\u00f6hen verschieden oft erreicht; am h\u00e4ufigsten, 17- und 18mal, kommen die zweite und die dritte Stufe vor: ihnen folgt an H\u00e4ufigkeit die f\u00fcnfte Stufe g mit 14 F\u00e4llen, dann das f der vierten Stufe 12mal, der Grundton c 10 mal, die gro\u00dfe Sexte a 6 mal, die siebente Stufe h 4mal und die achte c' 2mal, ebenso die 4. Stufe, das tiefe g.\nManche der Tonh\u00f6hen werden nur oder \u00fcberwiegend durch Zacken, andere nur im Durchgang erreicht. Wenn die Wichtigkeit der einzelnen","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nI )tto Abraham :\nT\u00f6ne mit ihrer H\u00e4ufigkeit in Einklang st\u00e4nde, dann w\u00e4ren die wichtigsten T\u00f6ne dieser Melodie das d und e der zweiten und dritten Stufe. H\u00e4ngt aber die Bedeutung des Tons damit zusammen, wie oft er zacken-artig, d. h. als Zielpunkt, erreicht ist, dann ergeben sich 100% Zackenf\u00e4lle sowohl f\u00fcr den Grundton c wie f\u00fcr die hohe Oktave c, ihnen folgt die f\u00fcnfte Stufe g mit 50%, dann das e (dritte) mit 44%, das a (sechste) mit 40%, das f mit 33%; das d der zweiten Stufe wird nur von der H\u00f6he aus 7mal zackenartig erreicht, das sind etwa 41%, von der Tiefe aus dagegen keinmal, also 0%. Ln allen anderen F\u00e4llen ist es nur Durchgangston zu anderen Zacken oder Zielt\u00f6nen. Die Maxima der zackenartig erreichten F\u00e4lle betreffen, wie wir sehen, wohlbekannte konsonante Intervalle, Oktave, Quinte, gro\u00dfe Terz, Sexte, Quarte.\nAlle zackenartig erreichten H\u00f6hen sind Zielpunkte der Bewegung. Wenn irgendein Bewegungsziel oft aufgesucht wird und von ihm aus wieder der R\u00fcckweg angetreten wird, dann mu\u00df entweder dieses Ziel\nirgendwelche Eigenschaften haben, die unabh\u00e4ngig von der Lust an der blo\u00dfen Bewegung sind, oder der ganze Weg mu\u00df etwas Besonderes an sich haben. Man kann bis zu einem bestimmten Platz gehen oder man geht durch einen Wald bis zu seinem Ende; im ersten Fall Lst der Platz als Zielpunkt, im zweiten der Weg mit seinen waldigen Eigenschaften ausgezeichnet. Ebenso m\u00fcssen entweder unsere zackenartig erreichten, d. h. erstrebten, Zielt\u00f6ne oder die Intervallstrecken selbst irgendwelche Qualit\u00e4ten haben, die unabh\u00e4ngig von der Lust an der blo\u00dfen Melodiebewegung, ja unab-h\u00e4ngig von der Bewegung selbst sind.\nWir sehen an unserer Kurve ferner \u00c4hnlichkeiten zwischen ganzen Gruppen von Intervallen, auch abgesehen von den Wiederholungen ganzer Teile; wir finden ferner \u201eRahmenintervalle\u201c, die mehrere in der g eichen Richtung hegende \u201eTeilungsintervalle\u201c in sich bergen (20 + 21 ; -5 + 26; 37 4- 38; 42 + 43; 53 + 54), schlie\u00dflich Schleifen oder Schn\u00f6rkel-intervalle, die, ohne die Melodiebewegung des Ganzen irgendwie zu st\u00f6ren, als eine Art Verzierung angebracht sind (Intervall 7, 15, 48) Da derselbe Tonschritt einmal ein Rahmen-, ein andermal ein Teilungs-mtervaU oder ein Schn\u00f6rkelintervall sein kann, Lst zu folgern, \u00abla\u00df seme Bedeutung, je nach semer Stellung in der Melodie, sehr verschieden ist.\n\u201ch*mt daher Wlcht\u00ab> zu ermitteln, ob die Bedeutung Beziehungen zur Intonation hat, ob man aus der Intonation auf die Bedeutung oder d,e Stellung in der Melodie schlie\u00dfen kann oder umgekehrt\nDa wir vorhin von den Primen sprachen, wollen wir uns jetzt zu dtZ\u2019 A 611 SprUngirUervaUen> \u2014den. Das schon erw\u00e4hnte mit ihrer 'vr \u00dfT A^P?ng' vor dcn Absprungintervallen h\u00e4ngt wohl gr\u00f6\u00dferen Eindringlichkeit und der Art und St\u00e4rke ihrer Gef\u00fchls ^tonung zusammen, und diese wieder Lst vielleicht mit der g^ren kmpfmdiuigginteQBit\u00e4t h\u00f6her\u00bb T\u00f6ne (bei gieieher Reizinten^\u00bb\u2122","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Tonometrische Untersuchungen an einem deutschen Volksliede.\n9\nkl\u00e4ren. In dem deutschen Volkslied \u201eEs braust ein Ruf wie Donnerhall'\u201c ist mir die absteigende Anfangsquinte, zumal zu dem Text \u201eEs braust\" musikalisch stets unnat\u00fcrlich und schwach vorgekommen.\nDer gr\u00f6\u00dfte Sprung in unserer Melodie ist die Oktave. Sie kommt als Intervall 27 (g\u2014g') und als Intervall 55 (c\u2014c') bei der Wiederholung des Schlu\u00dfteils vor. Die Oktave, die nach temperierter sowie reiner Stimmung die Centszahl 1200 haben m\u00fc\u00dfte, ist in praxi im Intervall 27 bis auf einen einzigen Minus- und einen Nullfall durchweg zu gro\u00df gesungen worden und zeigt Werte bis 1283, bei den Musikalischen bis 1260 Cents, im Durchschnitt 1223 Cents. Die Oktave 55 gar ist ausnahmslos zu gro\u00df gemacht worden bei einem Durchschnitt von 1227. ist also noch gr\u00f6\u00dfer als die Oktave 27. Der zwar geringe Gr\u00f6\u00dfenunterschied der beiden Oktaven kommt wahrscheinlich dadurch zustande, da\u00df bei der c\u2014 c'- Oktave 55 der Absprung von einem festen Ton, dem Grundton, ausgeht, w\u00e4hrend der Absprungton g in 27 infolge des vorhergehenden Intervalls (siehe sp\u00e4ter) ein etwas zu hohes und unsicheres Sprungbrett ist.\nDie Neigung, auch im Laboratoriumsversuch die Sukzessivoktave zu vergr\u00f6\u00dfern, ist durch Stumpf und M. Meyer in ihrer Abhandlung \u201eMa\u00dfbestimmungen \u00fcber die Reinheit konsonanter Intervalle\u201c1) nachgewiesen worden. Allerdings betrug die Vergr\u00f6\u00dferung der f\u00fcr rein erachteten Oktave im mittleren Tonbereich von 300 : 600 nur etwa 1,5 Schwingungen, das sind etwa 4 Cents, w\u00e4hrend unsere in der Melodie gefundenen Abweichungen durchschnittlich 19\u201427 Cents betrugen. Stumpf hat in Vorausahnung unserer Befunde folgende Erkl\u00e4rung der Differenzen gegeben: \u201eWir m\u00fcssen immer im Auge behalten, da\u00df die isolierten Oktaven, die wir hier mit Beseitigung aller Intensit\u00e4ts- und sonstigen Unterschiede vorlegten, gewisserma\u00dfen Abstraktionen sind, an denen sich ein Niederschlag musikalischer Erlebnisse geltend machen kann, da\u00df aber in Wirklichkeit die Umst\u00e4nde des einzelnen Falles viel ausschlaggebender sein k\u00f6nnen. Wir haben einen Leichenbefund aufgenommen und etwa eine Herzvergr\u00f6\u00dferung gefunden, aber wie das Herz dann und dann geschlagen hat. k\u00f6nnen wir daraus nicht entnehmen.\u201c Dieser sch\u00f6ne, f\u00fcr alle Vergleichungen von Gestalt- und Elementarexperimenten geltende Satz erkl\u00e4rt zweifellos die Differenz der Befunde. Der Ansprung ist ein wichtiger Teil der Melodiebewegung, und insofern 1st selbst der Laboratoriumsversuch wahrscheinlich auch ein Niederschlag musikalischer Erlebnisse. G\u00e4nzlich frei-maohen kann man sich n\u00e4mlich auch im Laboratoriumsversuch nicht von musikalischen Wirkungen, da ein Hinauf und Hinunter ja bei allen Suk zessivintervallen empfunden wird.\n*) Stumpf : Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft, Heft 2, S. 161.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"H)\n( >tto Aliraliain :\nDie Tendenz, eine gro\u00dfe Distanz zu vergr\u00f6\u00dfern, ist eine wohl allgemein zu beobachtende Tatsache; ebenso wie inan beim Anlaufspringen \u00fcber ein Seil lieber zu hoch springt, als erforderlich ist, springt man auch im musikalischen Anlauf gern zu hoch und w\u00fcrde vielleicht noch h\u00f6her springen, falls nicht der Zielpunkt auch der Qualit\u00e4t und nicht nur der H\u00f6he nach ausgezeichnet w\u00e4re.\nDie sog. Tonh\u00f6he besteht aus zwei Faktoren; der eigentlichen H\u00f6he, besser Tonhelligkeit genannt, und der Tonqualit\u00e4t.\nJeder Ton hat seine Helligkeit und seine Qualit\u00e4t. Diese Qualit\u00e4t unterscheidet ihn vom Ger\u00e4usch und bringt die Oktaven\u00e4hnlichkeit hervor. Sie soll die Momentanqualit\u00e4t genannt werden, da sie an jedem Ion jeder beliebigen Schwingungszahl momentan wahrgenommen wird. Durch l\u00e4ngeres Besch\u00e4ftigen mit immer den gleichen Tonqualit\u00e4ten, das nur bei Instrumenten mit fester Abstimmung, die nach einem \u201eKammerton gestimmt sind, m\u00f6glich ist, werden diese Momentanqualit\u00e4ten, besonders unter Mitwirkung ihres Tonnamens zu jest einpr\u00e4gbaren Qualit\u00e4ten. Die Mangelhaftigkeit der Unterschiedsempfindlichkeit und die noch gr\u00f6\u00dfere Mangelhaftigkeit des Unterschiedsged\u00e4chtnisses haben in Verbindung mit den festen T\u00f6nen eines Tonsystems Krystallisations-punkte in der unendlichen Tonreihe ausgebildet, die f\u00fcr einen ziemlich weiten Nachbarbezirk gelten. So entstehen die historischen Tonqualit\u00e4ten. Infolge unserer temperierten 12stufigen Skala haben sich im Gegensatz zu der unendlichen Anzahl von Momentanqualit\u00e4ten nur 12 historisch* Qualit\u00e4ten ausgebildet. Da sich die Qualit\u00e4ten in allen Oktaven au\u00dferdem wiederholen, sind f\u00fcr das ganze Gebiet unserer temperierten Musik nur 12 historische Qualit\u00e4ten ma\u00dfgebend geworden. Zwischen den Halbt\u00f6nen liegende Tonqualit\u00e4ten werden dem h\u00f6heren , Cr tleferen Ton zugeteilt. Dies k\u00f6nnen alle mit absolutem Ton-bewu\u00dftsem begabten Musiker best\u00e4tigen, deren absolutes Geh\u00f6r einmal durch Erm\u00fcdung um einen Viertelton verstimmt ist. Sie leiden dann geradezu daran, da\u00df sie die geh\u00f6rten T\u00f6ne abwechselnd dem tieferen o. er h\u00f6heren Nachbarton zuschieben wollen und bei diesem dauernden Quahtatemvechse gar nicht zum Genu\u00df der Musik kommen. Eine\nO Set h7 u'K01*11\u2019 Z\u2018 B\u2018 ZWiS0hen / und /\u00ab Agende historische dazu fehl\u00ce s'i l 77nicht aUsbilden k\u00f6\u2122en, weil uns die \u00dcbung eine SO, ,,\\e U'rsuche moderner Musiker (Busoni, Haha),\nl7uererfoll L7'unserer Musik einzuf\u00fchren, von\nstuL aliS h7rin\u20197nn Werden sich auch f\u00fcr diese Zwischen-tufui allm\u00e4hlich historische Qualit\u00e4ten ausbilden.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Tonometrische Untersuchungen an einem deutschen Volksliede.\nI 1\nschiedener von einer Einzeloktave als eine None; aber infolge der Intervallqualit\u00e4t sind Oktave und Doppeloktave, Terz und Dezime extrem \u00e4hnlich.\nEbenso wie sich aus den Momentanqualit\u00e4ten der T\u00f6ne erst allm\u00e4hlich die historischen Tonqualit\u00e4ten gebildet haben, sind auch erst allm\u00e4hlich aus den momentanen Intervallqualit\u00e4ten, die jedes Intervall hat, durch \u00dcbung in einem bestimmten Tonsystem historische Inter-vallqualit\u00e4ten entstanden, die sich durch leichte Wiedererkennbarkeit und stets parate Reproduzierbarkeit auszeichnen.\nEinzelne Intervalle aber sind physiologisch oder psychologisch von vornherein derart pr\u00e4formiert, da\u00df ihre Momentan-lntervallqualit\u00e4ten anscheinend ohne \u00dcbung zu historischen Intervallqualit\u00e4ten werden.\nSo ist vor allem die Qualit\u00e4t der Oktave nicht nur durch musikalische Erfahrung, sondern im Gegensatz zu allen anderen Intervallen durch ein physiologisch oder psychologisch bedingtes Naturgesetz ausgezeichnet und bekannt. Stumpf1) neigte fr\u00fcher dazu, die Verschmelzung der Simultanoktave f\u00fcr das Prim\u00e4re, die \u00c4hnlichkeit der Sukzessivoktav-t\u00f6ne f\u00fcr das Sekund\u00e4re zu halten. Wegen der unbewu\u00dften Oktavtransposition (z. B. wenn ein Kind einem Manne ein Lied nachsingt) und wegen der Entwicklung der Musik aus harmonieloser einstimmiger Musik, glaube ich, da\u00df Verschmelzung und \u00c4hnlichkeit der sukzessiven Oktavt\u00f6ne koordinierte Folgezust\u00e4nde eines uns noch unbekannten Nervenprozesses sind, in dem das Verh\u00e4ltnis I : 2 eine ganz besondere Rolle spielt; die Tonverh\u00e4ltnisse der anderen konsonanten Intervalle lassen sich auf dieses zur\u00fcckf\u00fchren, wof\u00fcr ich in einer sp\u00e4teren Arbeit (\u00fcber Transposition) den Nachweis versuchen werde.\nOb die Oktavqualit\u00e4t (Intervallqualit\u00e4t) oder die \u00c4hnlichkeiten der Oktavt\u00f6ne (Tonqualit\u00e4ten) in einer Melodie das Wesentliche sind, ist zweifelhaft; wahrscheinlich wird es von Fall zu Fall verschieden sein. In unserer Melodie sind beide Oktaven (27 und \u00f6\u00f6) rhythmisch und textlich nicht v\u00f6llig zu einer Einheit zusammengefa\u00dft: d shalb ist wahr-\nscheinlich neben der historischen Intervallqualit\u00e4t auch die \u00c4hnlichkeit der Elementarqualit\u00e4ten der Oktavt\u00f6ne wirksam. W\u00e4hrend f\u00fcr die meisten S\u00e4nger die qualitative Zielstrecke der Oktave oder die \u00c4hnlichkeit der Oktavt\u00f6ne (Momentanqualit\u00e4ten) wirksam sind, kommen f\u00fcr S\u00e4nger mit absolutem Tonbewu\u00dftsein die historischen Tonqualit\u00e4ten als Zielpunkte des Ansprungs in Betracht. Wenn ich z. B. mit meinem absoluten Geh\u00f6r nicht genau die mir gewohnten Tonh\u00f6hen am Anfang des Liedes gew\u00e4hlt h\u00e4tte (C-dur oder D-dur usw.), sondern durch einen\nZufall\nTon zu hoch anfangs intoniert h\u00e4tte, w\u00fcrde ich sicherlich\nnach wenigen Takten in die bekannte Tonartenqualit\u00e4t gefallen sein.\n') Stumpf. Anf\u00e4nge der Musik S. 30 31.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\nI )tto Ahraham :\nDie Distanz, die man im Sprunge zur\u00fccklegen mu\u00df, ist nur ein quantitatives und ungef\u00e4hres Ma\u00df, erst die Qualit\u00e4t verhindert die zu gro\u00dfen Abweichungen vom Ziel. Wenn die Qualit\u00e4t der Oktave fehlen w\u00fcrde, dann w\u00fcrden die Oktavspr\u00fcnge ganz unregelm\u00e4\u00dfig ausfallen. Dies werden wir nachher an den Notenbeispielen unseres extrem Unmusikalischen erkennen. Die Intervallqualit\u00e4t steckt zwar, wie wir sahen, in jedem Intervall, sie f\u00e4llt aber in der Melodie am meisten bei den Intervallen auf, die eine besondere Bedeutung haben und entweder durch dynamischen Akzent oder durch Verwandtschaft der Tone zur Oktave des Haupttons (der Tonika oder der Dominante), die nicht auf harmonischer Grundlage zu beruhen braucht, ausgezeichnet sind. Oktaven und Quinten haben deshalb eine st\u00e4rker eingepr\u00e4gte (historische) Intervallqualit\u00e4t als Sekunden.\nDie Tendenz zur Vergr\u00f6\u00dferung ist nicht nur bei der Oktave, sondern auch bei anderen gro\u00dfen Ansprungintervallen nachweisbar. Sehr deutlich ist sie bei der Quinte 16 und 16a. In 7 F\u00e4llen wurde die Quinte kleiner, in 9 temperiert und in 22 F\u00e4llen gr\u00f6\u00dfer als temperiert gesungen, und zwar kamen Gr\u00f6\u00dfen von 792 Cents vor, also einen Halbton gr\u00f6\u00dfer, als die reine oder temperierte Quinte betr\u00e4gt. Im Durchschnitt hielt sich die Quinte auf 719 Cents. Vergleicht man mit dieser Quinte die (allerdings geteilten) abw\u00e4rts gehenden Quinten 20 + 21 und 25 + 26, so sind deren Gr\u00f6\u00dfenzahlen viel geringer und entsprechen im Durch-*,n,tt (der Musika.lischen) ziemlich genau der berechneten reinen Quinte '\t, Len er war in unserer Melodie keine richtige Absprungquinte vor-\nhanden denn die Quinte g-c, die bei der gelegentlichen Wiederholung <les ersten Teils vorkommt, ist ein totes Intervall, das als trennendes Intervall,zwischen zwei Teilen nicht der Melodiebewegung unterliegt.\nhat die Gro\u00dfe 713, im Durchschnitt der Musikalischen gemessen, !*a S\u00b0 ','lner als die Ansprungquinte, aber doch gr\u00f6\u00dfer als die rr; \u00cf rCine QUintP- StUmpf (L C ) e\u2018aubt\u2019 (lali wir gro\u00dfe Ikhen \u00cf T u ZU gr\u00b0\u00df ak ZU kU'in nehmen- um des eigent\u00fcm-Shtu\u00b0n \u201c dCm bl\u00b0\u00dfen Schreiten in einer gewissen nicht v 1 T kberspnngung zwischenliegender Stufen) liegt, nur ja \u00c4ZU e?hen;diesen Zug \"leder nur f\u00fcr einen Aussehen W1 ZlPf'\tt!bertrelbungen zugunsten des Charakteristi-\nC,r mdCt dtt\u2018 Ve^\u2122ng st\u00e4rker bei aufsteigender Tonehr t \u00e4 dlPSer V\u00b0n Vornh,\u2018rein der Charakter des energisch Fortschreitenden vorzugsweise eignet.\tS\n.-ctS ffsprungintervaU ist in unserer Melodie die Quarte\ngr\u00f6\u00dfer aLs tem i- ^\t\"\" 4mal kleiner\u2019 2mal r\u00abn und 14 mal\neinem sehr musEWerte bb 586 <*\u00ab*> wurden von Ma\u00dfSOObetZ ^S,enu KgCT Teicht\u2019 wahrend das temperierte ragt. IXr Durchschnitt (der Musikalischen) betrug 512Cents.","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Tonometrische Untersuchungen an einem deutschen Volksliede.\n13\nLm Vergleich zu dieser Ansprungquarte wurde die Absprungquarte 17 wesentlich kleiner, wenn auch immer noch gr\u00f6\u00dfer als temperiert genommen (Durchschnitt 505 C.). Der Absprung scheint auch hier weniger charakteristisch als der Ansprung. Allerdings ist auch die Quarte hier ein sog. totes Intervall, das vom letzten Ton eines abgeschlossenen und dem ersten Ton eines neuen Melodieteils gebildet wird und daher keine rechte Einheitlichkeit hat. Man m\u00fc\u00dfte hier die Tonbewegung eher ein Herunterfallen als ein Abspringen nennen.\nEin weiteres Ansprungintervall ist die kleine. Septime Nr. 22. Sie wurde 5 mal kleiner, 1 mal temperiert und 12 mal gr\u00f6\u00dfer als temperiert gesungen. Auffallend ist die gro\u00dfe Anzahl der Minus- zu der kleinen Zahl der Nullf\u00e4lle. Die wahrscheinliche Erkl\u00e4rung ergibt sich aus der Berechnung ihres Durchschnitts. Dieser war n\u00e4mlich 965 Cents. Diese Zahl ist sehr auffallend, sie entspricht sehr genau dem Werte di r sog. nat\u00fcrlichen Septime 4 : 7. Da\u00df diese intendiert wurde und auch in den durch Ansprung vergr\u00f6\u00dferten F\u00e4llen urspr\u00fcnglich angestrebt war, ist sehr verst\u00e4ndlich, wenn man die Melodiestelle musikalisch ansieht; wohl kaum an einer anderen Stelle dr\u00e4ngt sich die zur Melodie geh\u00f6rende nat\u00fcrliche Harmonie so stark auf wie hier; der Dominantseptimen-akkord beherrschte schon den vorigen Takt und hat sich im folgenden Takt fest eingepr\u00e4gt. Auch musikalisch Unge\u00fcbte haben ja selbst beim einstimmigen Gesang eine undeutliche Vorstellung der naturgem\u00e4\u00df dazugeh\u00f6rigen Harmonie; sie w\u00fcrden eine falsche Harmonie sofort als falsch, die richtige als richtig erkennen. So ist es wahrscheinlich, da\u00df. wenn \u00fcberhaupt harmonisch die nat\u00fcrliche Septe 4 : 7 intendiert wird, infolge der Harmonieeinstellung g\u2014h\u2014d\u2014f diese Septime 4:7 = 969 Cents intendiert worden ist, die in einzelnen F\u00e4llen wirklich gesungen, in anderen durch den Ansprung \u00fcberschritten worden ist.\nDie einzige scheinbare Ausnahme von der Vergr\u00f6\u00dferungstendenz der Ansprungintervalle bildet die gro\u00dfe Sexte Nr. 9. c\u2014a'. Sie wurde in IS F\u00e4llen kleiner, in 6 rein und in 14 F\u00e4llen gr\u00f6\u00dfer als temperiert gesungen, also in der Mehrzahl zu klein. Diese Abweichung von der allgemeinen Regel l\u00e4\u00dft sich vielleicht dadurch erkl\u00e4ren, da\u00df auch hier ein totes Intervall vorliegt. Das c hat mit dem a nichts zu tun im Sinne eines Ansprungs, sondern das c schlie\u00dft den einen Teil ab, und nun beginnt ein neuer Teil mit dem a. So konnte ohne Ansprung das reine Intervall der gro\u00dfen Sexte, 3 : 5, das 8S4 Cents betr\u00e4gt, intendiert worden sein. Wenn also diese Sexte nicht als Ansprungintervall aufzufassen ist, dann finden wir nach unseren Messungen ausnahmslos die Regel best\u00e4tigt, da\u00df die (gro\u00dfen) Ansprungintervalle wesentlich gr\u00f6\u00dfer gesungen werden als nach der reinen oder temperierten Stimmung.\nEin Ansprung bedeutet eine pl\u00f6tzliche starke Bewegung mit dem Hinblick auf das Ziel. In geringerem Grade k\u00f6nnen auch kleinere","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nI \u00bbtto Abraham :\nIntervalle ohne Ansprung zielstrebig sein, n\u00e4mlich alle diejenigen, die in melodischer oder textlicher Beziehung jambischen Charakter halten : dies w\u00e4re eine rhythmische Zielstrebigkeit. Man betrachte die Intervalle 28\u201433; sie haben musikalisch und textlich durchaus jambischen Charakter: Von der Etsch bis an den Belt: sie sind gar nicht\ntroch\u00e4isch aufzufassen. Von der Etsch bis an den Belt zusammen\nzufassen, w\u00e4re eine sinnlose Zerrei\u00dfung von Sinn und Melodie. Im Gegensatz zu diesen Intervallen stehen die Intervalle 33\t43. Diese\nhaben s\u00e4mtlich troch\u00e4ischen Charakter: Deutschland, Deutschland \u00fcber\nalles, \u00fcber alles in der Welt. Ein Blick auf die Tab. I zeigt uns. da\u00df\nalle jambischen Intervalle wesentlich gr\u00f6\u00dfer als temperiert, die troch\u00e4ischen kleiner gesungen wurden.\nDie Zielstrebigkeit eines Tons braucht nicht nur im Rhythmus zu liegen.\nDer Leitton ist ein Beweis, da\u00df auch bei verschiedenem Rhythmus ein melodischer Hauptton eine magnetische Wirkung auf einen dicht neben ihm liegenden Ton aus\u00fcben kann. Der Begriff \u201eLeitton\u201c kann eine dreifache Bedeutung haben :\n1. wird in jeder Tonart die gro\u00dfe Septe des Grundtons, unabh\u00e4ngig von der Stellung in der Melodie, als Leitton bezeichnet (tonischer Leitton).\nJede gro\u00dfe Septe, unabh\u00e4ngig von ihrer melodischen Stellung, Leitton zu nennen, ist unpsychologisch und unn\u00f6tig; nur weil dieser Begriff in der musikalischen Praxis oft in diesem Sinne gebraucht wird, sei er hier erw\u00e4hnt. In unserer Melodie sieht man in den Intervallen 21, 25\nund .L, da\u00df die Septime h keine Spur eines Leittoncharakters zu haben braucht.\n2. wird nur diejenige gro\u00dfe Septe als Leitton bezeichnet, die zur lontka hindr\u00e4ngt (harmonischer Leitton).\nLeittoncharakter in diesem Sinne hat in unserer Melodie in besonders starkem Ma\u00df das fis im Intervall 33. Dieses fis ist in der weitaus \u00fcberwiegenden Zahl der F\u00e4lle erh\u00f6ht, das Intervall betr\u00e4gt in n . inu-\u00e4 ui betr\u00e4chtlich weniger als einen temperierten Halbton, m manchen lallen nur 48 und 50 Cents. Da\u00df der Tonschritt 31 e-fis nicht schon vergr\u00f6\u00dfert wird, liegt daran, da\u00df das erste fis nur eine lurchgangsnote zu dem eigentlichen Leitton, dem zweiten fis, bildet.\niS\" h\u00d6her al* ^ \u201d** * - \"ir - Primenunter-\ntonf\u00eeuhnarreniSCher Leht0n kann aUch dic h(\u2019here Sekunde des Grund-\nunsererTlZlt TV'! T Grundton ^ht. Das letzte Intervall , vr. 54, hat deutlich eine solche Wirkung; die Messung","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Timometrische Untersuchungen an einem deutschen Volksliede.\n15\nergibt, da\u00df es in den meisten F\u00e4llen, und zwar betr\u00e4chtlich, kleiner genommen wird als temperiert.\n3. kann jeder Ton dicht unterhalb oder oberhalb eines melodischen Haupttons, der nicht Tonika zu sein braucht und auch nicht auf die kleine Sekunde beschr\u00e4nkt ist, Leittonwirkung \u2014 \u00e4hnlich 2 \u2014 haben (melodischer Leitton).\nIn der vorliegenden Melodie wirken das g im Intervall 38, das e in 43 entschieden als melodische St\u00fctzpfeiler, zu denen die vorhergehenden Noten leittonartig hindr\u00e4ngen. Auch hier ergibt die Messung, da\u00df diese Intervalle in der Mehrzahl der F\u00e4lle, und zwar betr\u00e4chtlich, kleiner als temperiert intoniert werden.\nSehr interessant ist die Vergleichung der notengleichen Tonjolgen jr\u2014f\u2014e in den Intervallen 11-12 mit den Intervallen 28 \u2014 2!\u00bb und 42 \u2014 43. 28- 2!\u00bb und 42- 43 stehen unter denselben melodischen Bedingungen; f ist Durchgangston, leittonartig zum e strebend; in beiden F\u00e4llen finden wir eine Vergr\u00f6\u00dferung des Ganztonschritts gf auf durchschnittlich 214 Cents. Im Intervall 9\u201410 aber haben wir gleichm\u00e4\u00dfig berechtigte Stufent\u00f6ne; demzufolge ergibt die Messung in der Mehrzahl der F\u00e4lle genau temperierte Stimmung; sie sind sogar die nach temperierter Stimmung am reinsten gesungenen Tonschritte des ganzen St\u00fccks. Dies ist nicht wunderbar: die ganze Tonfolge a\u2014g f\u2014e\u2014d ist ein St\u00fcck der uns gel\u00e4ufigen Tonleiter, die wir temperiert erlernt haben, und die sicherlich reiner in temperierter Stimmung gesungen wird als Melodien mit ihrem Text und ihren emotionellen und melodischen Faktoren.\nF\u00fcr den Leitton l\u00e4\u00dft sich also der allgemeine Satz aufstellen : Le.it-t\u00f6ne, (I. h. zu einem melodischen Hauptton hinstrebende A achtxirt\u00f6ne, bilden mit dem Hauptton ein Intervall, das wesentlich kleiner ist, als es unter anderen als zielstrebigen Verh\u00e4ltnissen der Fall ist.\nDie Zielstrebigkeit ist f\u00fcr den Leitton das wesentliche; in europ\u00e4ischer Musik i't damit meistens ein Aufl\u00f6sungsbed\u00fcrfnis verbunden; doch ist dies f\u00fcr den Leittoneharakter nicht etwa n\u00f6tig; auch in der harmonielosen exotischen Musik gibt es vielfach Leitt\u00f6ne, kleine und gro\u00dfe. Sekunden, ja Terzen, in deren Tonraum noch die Anziehungskraft eines melodischen Schwergewichtstons wirksam ist.\nIm Gegensatz zur Zielstrebigkeit steht die Anhaftung der Nachbart\u00f6ne am Hauptton, die ich als Klebkraft und deren tonale Tr\u00e4ger ich als Klebt\u00f6ne bezeichnen mochte. Die Anziehungskraft der Haupt-t\u00f6ne zeigt sich eben nicht nur darin, da\u00df sie die zustrebenden T\u00f6ne zu sich anziehen, sondern da\u00df sie die Melodiebewegung nur ungern von sich fortlassen. Der erste Ton des Liedes, der schwergewichtige Ton e, Anfangston, tiefster Ton, Tonika und dynamisch betonter Ton, zieht das schwache d, ein Durchgangst\u00f6nchen, mit solcher Kraft an, da\u00df","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nOtto Abraham :\nder Tonschritt in der weitaus gr\u00f6\u00dften Zahl der F\u00e4lle kleiner als tem periert gesungen wird, und zwar in einigen F\u00e4llen ganz betr\u00e4chtlich, bei einem sehr musikalischen S\u00e4nger mit den Werten 135. II!), 147. 181 und 188 Cents.\nIn \u00e4hnlicher Art ist die absteigende Sekunde 40 in 14 von 25 F\u00e4llen sehr klein, weil der dynamisch wichtige Ton a eine Anziehungskraft auf das schwache Durchgangs-g aus\u00fcbt. Eine scheinbare Ausnahme bildet das Intervall 35, in dem die kleine Sekunde, trotzdem sic* von dem Hauptton c fortzieht, doch meist etwas gr\u00f6\u00dfer als temperiert gesungen wird. Der Grund daf\u00fcr liegt wahrscheinlich darin, da\u00df die vorhergehende Sprungquarte g\u2014c (siehe oben) so gro\u00df gesungen wurde, da\u00df eine Korrektur des h\u00f6chsten Tones notwendig wurde, zumal die Niveauh\u00f6he der Dominante g wohl noch im Ged\u00e4chtnis des S\u00e4ngers ist.\nDer obige Leittonsatz ist also vielleicht so zu verallgemeinern: Melodische Hauptt\u00f6ne ziehen unwichtige Xachbart\u00f6ne so an, da\u00df die Intervalle zwischen ihnen und dem Hauptton kleiner sind als die sonst \u00fcblichen gleichnamigen Intervallgr\u00f6\u00dfen.\nDie verschiedenen Beispiele, in denen gleichlautende Noten an verschiedenen Stellen der Melodie ganz verschieden intoniert werden, zeigt wieder, wie in dem Primengesetz, da\u00df anscheinend gleiche St\u00fccke Tn Mirkl.chkeit ungleich sind. Wieder halte ich die Umkehrung dieses Satzes fur berechtigt, und sie wird sicherlich sich experimentell best\u00e4tigen lassen: da\u00df objektiv gleiche St\u00fccke verschieden gro\u00df wirken an verschiedenen Stellen der Melodie.\nBisher wurde von der Einwirkung eines Haupttons auf seine Nachbar-one gesprochen. Es kommen aber auch Stellen in der Melodie vor, in denen zwei Haupttone auf einen oder mehrere zwischen ihnen liegende T\u00f6ne ihre\nein rG 8 T T ^ HauPtt\u00f6ne rahmen dann die Zwischent\u00f6ne\ne nee\u00ce\u00e0hT T, n- terVaUe S\u00b0llen deshalb ^hmen intervalle,, die mr( rahmten Teilungsintervalle genannt werden.\nundZ25I4-n26nidentiSChe Rahmenintervalle s\u2018^d die Quinten 20 + 21\nemeB<o\u00a3ew\u00e8inWer\u00cen die abstdgenden Q^ten dg theoretisch in findet sich da\u00df d ff 7\"\t^ ^ geteilt- Bd der Messung\nsind - s^ben ben dl b \"\u2018T fe\u2019 ^ QuinU\u2018n ziM rein intoniert\nsehen 701 t\u00ee nt r 'n Streuungen im Durchschnitt der Musikali-schui /Ol Cents im Intervall 20 + 21 706 Gents in , oe ,\t.\t,\nZ.1.1 die Centezahl de, kleinen l\u00c4\u00c4\td\u201c","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Tonometrische Untersuchungen an einem deutschen Volksliede.\n17\nDie Werte 346 und 338 kommen auch sonst noch f\u00fcr die kleine Terz vor, ohne da\u00df an der gro\u00dfen Terz eine Korrektur vorgenommen worden ist. Daneben kommen wieder Werte von 288 und 259 f\u00fcr die kleine Terz vor, w\u00e4hrend die gro\u00dfen Terzen zwischen 310 und 420 schwanken. Bei diesen starken Streuungen hat es keinen Sinn, Mittelwerte auszurechnen.\nIn 9 von 17 F\u00e4llen ist die kleine Terz gr\u00f6\u00dfer als 330, in ebenfalls 9 von 17 ist die gro\u00dfe Terz kleiner als 370. Meist wird also die Quinte nicht nach Temperatur oder Konsonanz, sondern nach dem Distanzprinzip geteilt; es wird ein ungef\u00e4hr passender Mittelton gesucht; die genaue H\u00f6he dieses Mitteltons ist gleichg\u00fcltig; die Hauptsache ist dem S\u00e4nger, da\u00df er unter Ansetzen auf einem Sprungbrett zur tieferen Quinte gelangt. Die ideale Mitte trifft er hierbei nicht immer; sie w\u00e4re 350 C. ; in den meisten F\u00e4llen wird nur ein Ton getroffen, der dieser Mitte n\u00e4her liegt als den temperierten Werten.\nDie Distanzgleichheit der Terzen (neutrale Terz) wird unbeabsichtigt fast in jeder exotischen Gesangsmusik angewandt. Die Terz ist den meisten V\u00f6lkern eben ziemlich gleichg\u00fcltig. Zum beabsichtigten Prinzip der Musik und Instrumentalstimmung wurde die Distanz bekanntlich von den Siamesen erhoben (vgl. Stumpf, Tonsystem und Musik der Siamesen. Beitr\u00e4ge 1. 1901). Leider sind keine siamesischen Gesangsphonogramme aufgenommen worden; es w\u00e4re interessant, ob bei den Siamesen Theorie resp. Instrumentalmusik mit der Gesangspraxis zu einer gr\u00f6\u00dferen \u00dcbereinstimmung gelangt sind als bei uns in unserer 12stufigen temperierten, theoretisch ja auch distanzgleichen Skala.\nIn der Durdreiklangverbindung wird also die kleine Terz zweifellos bei uns vergr\u00f6\u00dfert, die gro\u00dfe Terz verkleinert. Dies steht nicht etwa im Widerspruch zu Stumpfs Beobachtung \u00fcber die Reinheitsbreiten der Terzen. Stumpf fand (1. c. S. 113), da\u00df von musikalisch Ge\u00fcbten eine Verkleinerung der kleinen Terz der nat\u00fcrlichen Stimmung 5 : 6 vorgezogen wird, und zwar besonders bei aufsteigender Tonbewegung. Die Verkleinerung war aber bei weitem nicht so gro\u00df wie die der temperierten kleinen Terz. Bei seinen Versuchen mit der gro\u00dfen Terz fand Stumpf eine Tendenz zu einer geringen Vergr\u00f6\u00dferung, die aber auch nicht ann\u00e4hernd an die temperierte Stimmung reichte. Die kleine reine Terz (316 C.) und die gro\u00dfe reine Terz (386 C.) stehen ebenso wie die Stumpf sehen, von ihnen nur wenig abweichenden Werte auch den von mir gefundenen viel n\u00e4her als die temperierten Terzenwerte. Ls kann also ebenso gut bei Stumpf ein Kompromi\u00df zwischen Konsonanz und Temperatur stattgefunden haben wie in meinen F\u00e4llen ein Kompromi\u00df zwischen Konsonanz und Distanzgleichheit. \\ or allem war aber die Fragestellung bei Stumpf ganz anders ; sie war nach dem Reinheitspunkt des Intervalls gerichtet, w\u00e4hrend ich \u00fcberhaupt keine Aufgabe gestellt, sondern praktische Musik aufgenommen hatte.\nPsychologische Forschung. Bd. 4.\t-","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"Otto Abraham:\n1H\nDas Distanzprinzip scheint in unserer Melodie bei der Quintenteilung sein Ende gefunden zu haben. Die gro\u00dfe Terz wird anscheinend nicht nach diesem Prinzip geteilt. Wir haben in unserer Melodie 4 geteilte gro\u00dfe Terzen: eine aufsteigende in 1 + 2 und 3 absteigende in Kl - I I. 37 + 38 und 53 + 54. Bei allen 4 Intervallen zeigt sich dasselbe Gesetz: die tiefere Sekunde, wird verkleinert, die. h\u00f6here vergr\u00f6\u00dfert. Die ungleiche melodische Wichtigkeit der Eckt\u00f6ne scheint diese Teilung zu verursachen. Im Intervall 1 ist das Weggehen von der Tonika ja schon als Klebtonmanier geschildert worden, in 53 -f 54 ist umgekehrt das Streben zum Grundton die st\u00e4rkere Attraktion, in 37 + 38 dr\u00e4ngt die Melodie zur Dominante g. und in 10 + 1L liegt die Knappheit des oberen Intervalls anscheinend an der vorhergehenden zu klein genommenen gro\u00dfen Sexte c\u2014a (siehe oben), die korrigiert wird. In der Teilung der kleinen Terzen zeigt sich keine Gesetzm\u00e4\u00dfigkeit; in 5 + 6 und 45 + 4t> werden die Halbt\u00f6ne auf Kosten der Ganzt\u00f6ne vergr\u00f6\u00dfert, in 23 + 24 und 28 + 29 werden beide Intervalle etwas vergr\u00f6\u00dfert intoniert, und in 42 + 43 endlich wird die kleine Sekunde wesentlich verkleinert, die gro\u00dfe vergr\u00f6\u00dfert.\nWie bei der Zweiteilung zeigt sich auch bei der Mehrteilung der aufsteigenden Quarten 35-38 und 40-43 und der aufsteigenden Quarte 45-47, da\u00df diese Rahmenintervalle verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig rein intoniert werden, nicht ann\u00e4hernd so gro\u00df wie als leere Ansprungintervalle, w\u00e4hrend die Teilungsintervalle sehr willk\u00fcrlich gesungen werden. Fast durchg\u00e4ngig kann man beobachten, da\u00df, wenn eine gro\u00dfe Sekunde zuf\u00e4llig zu gro\u00df (oder zu klein) gemacht worden Ist, die n\u00e4chste gro\u00dfe Sekunde ebenfalls zu gro\u00df (oder zu klein) gemacht, ihr also angeglichen wird (Perseveration) und da\u00df die Kosten der Korrektur der Halbton zu tragen hat; dieser wird also bei zu gro\u00dfen Ganztonschritten viel zu klein, bei zu kleinen vie zu gro\u00df gemacht. Mit der kleinen Sekunde verf\u00e4hrt man also, wie wir ja schon beim Leitton sahen, am willk\u00fcrlichsten, sie ist gummiartig elastisch, w\u00e4hrend die gro\u00dfen Intervalle mehr Knochen oder R\u00fcckgrat naben, wahrscheinlich durch ihre ausgesprochenere historische Intervall-qua 'tat, dlp Wleder auf st\u00e4rkeren Konsonanzgrad beruht.\n- m weitaus schlechtesten, d. h. ungleichm\u00e4\u00dfigsten intoniert wurden die Schn\u00f6rkelintervalle. Dies sind solche Intervalle, die nur kleine Ver zierungen bilden, Schn\u00f6rkel um die Melodiebewegung, ohne diese in i rt r ic d\u00fcng irgendwie zu beeinflussen. Solche Intervalle sind in unserer Melodie Nr. 7 + 8, 15 und 48 + 49.\nAlle bisher untersuchten Intervalle, die Primen, die Ansporns- und Absprungintervalle, die jambischen und troch\u00e4ischen, die Litton .ahmen- und TeilungsmtervaUe usw., hatten das eine gemeinsam da\u00df ihre Bedeutung und ihre Messungsgr\u00f6\u00dfe abhing von ihren R \u00bb, C;leich,\u201eraige","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Tonninetrisclio Untersuchungen an einem deutschen Volksliede.\n19\nintendierte Intervalle (Noten) zeigten ganz verschiedene Gr\u00f6\u00dfe je nach ihrer Stellung in der Melodie. Die Tabellen erweisen also deutlich, da\u00df wir keine absoluten Tonh\u00f6hen und keine Intervalle, Terzen oder Quarten singen, sondern da\u00df wir Melodien singen, in denen die Intervalle nur k\u00fcnstlich herausgegriffene Melodieteile sind. Die Melodie ist auch nach diesen Versuchen nicht als eine Reihe von T\u00f6nen odi r Intervallen auf zu fassen, sondern als eine einheitliche Gestalt, in der Beziehungen von jedem Ton zu einer ganzen Reihe anderer T\u00f6ne ein Flechtwerl: bilden.\nDie von den Vpn. gesungene Melodie \u201eDeutschland, Deutschland \u00fcber alles\u201c wurde von allen auswendig gesungen ; sie wurde gew\u00e4hlt, weil sie allen S\u00e4ngern von Jugend an gel\u00e4ufig, weil sie beliebt und stark gef\u00fchlsbetont ist. Bei Vomhlattlesen unbekannter und ungewohnter Noten ist die Einheitsauffassung der Melodie noch nicht vorhanden; dort werden sicherlich viele Einzelintervalle intoniert, von S\u00e4ngern, die ein absolutes Geh\u00f6r haben, sogar absolute Tonh\u00f6hen \u2014 doch auch diese Intervalle und Tonh\u00f6hen sind oft nicht ohne psychische Beziehung zueinander; denn der musikalische Blatts\u00e4nger \u00fcberblickt selbst bei tien ungewohntesten Tonfolgen fast immer eine Gruppe von Noten als ein Motiv oder einen Melodieteil: nur gelingt die Gestaltauffassung der ganzen Melodie nicht so wie beim Auswendigsingen.\nEs w\u00e4re interessant, eine Paralleluntersuchung \u00fcber den Vomblatt-gesang zu machen ; wahrscheinlich w\u00fcrden die Messungen dieser Phono-gramme viel mehr sog. reine oder temperierte Intervalle zutage f\u00f6rdern, da beim Singen des Einzelintervalls die durch Instrumentalmusik ge\u00fcbte Gr\u00f6\u00dfe des Intervalls st\u00e4rker ins Ged\u00e4chtnis gerufen und nicht stets durch Melodiebewegung gest\u00f6rt wird.\nF\u00fcr das Auswendigsingen sind also die Intervalle nur Symbole f\u00fcr Melodieteile. Da die Gr\u00f6\u00dfe* der Intervalle abh\u00e4ngt von der melodischen Bedeutung, kann man aus der jeweilig gefundenen Intervallgr\u00f6\u00dfe R\u00fcckschl\u00fcsse machen auf die geweblichen Einfl\u00fcsse der Melodiebewegung und anderer musikalischer Faktoren.\nVon einer gewissen Wichtigkeit, die allerdings nicht an die Bedeutung der Melodiebewegung heranreicht, ist das Festhalten der absoluten Tonlage. des Xiveaus der Melodie. Aus der obigen Tabelle kann nichts \u00fcber die Niveaulage ersehen werden, wohl aber aus den Rohtabellcn, die ja auch die absoluten H\u00f6hen jedes Tons in Schwingungszahlen enthalten. Die Niveauver\u00e4nderung einer Melodie h\u00e4ngt von verschiedenen Faktoren ab. Im A-cappellagcsang finden wir oft ein Herabsinken der Tonh\u00f6hen, das meist von einer Erm\u00fcdung \u00ab1er Kchlkopfmuskulatur herr\u00fchrt. Manchmal helfen sich Dirigenten mit einem hom\u00f6opathischen Mittel dagegen : sie transponieren ein Tonst\u00fcck absichtlich einen Halbton h\u00f6her, damit durch die ungewohnte Anstrengung eine besondere Auf-merksamkeitsspannung entsteht, die der Erm\u00fcdung entgegengerichtet","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\n( >tto Ahraham :\nsein und tats\u00e4chlich ein viel besseres Festhalten an der absoluten Tonlage herbeif\u00fchren soll.\nAu\u00dfer den physiologischen Ursachen gibt es psychischr Gr\u00fcnde, die sog. Detonierungen bewirken k\u00f6nnen. Zu den psychischen Gr\u00fcnden der Niveau\u00e4nderung geh\u00f6rt das besprochene Hineingleiten in die gel\u00e4ufigen Tonh\u00f6hen und Tonarten bei S\u00e4ngern mit absolutem Tonbewu\u00dftsein.\nWir sahen au\u00dferdem, da\u00df unsere Intervalle oder Melodieteile in ihren Gr\u00f6\u00dfen von der Melodiebewegung abh\u00e4ngen; cs ist anzunehmen, da\u00df diese Vergr\u00f6\u00dferungen oder Verkleinerungen nicht immer ausgeglichen werden und dadurch zur Niveau Ver\u00e4nderung von Melodieteilen beitragen k\u00f6nnen. In der folgenden Kurve ist die Niveauver\u00e4nderung graphisch dargestellt, gemessen an den in der Melodie vorkommenden sog. Grundt\u00f6nen c. Die Berechnung wurde wieder in Cents ausgef\u00fchrt, weil bei den verschiedenen Tonarten, in denen ge-\nsungen wurde, sonst kein ein-Interva/Wummer , .... ,\t\u201e\n0/1\ts/9 o//g 6/ga 3*/x 5v/55 Jvjsa fySSn heithches Ma\u00df und keine Ver-\ngleichung m\u00f6glich gewesen w\u00e4re. Vertikal sind die Cents, horizontal die betreffenden Melodiestellen der C\u2019s notiert. Wir sehen, da\u00df die Niveauh\u00f6he sich unstetig erh\u00f6ht, und zwar \u2014 nach dem Durchschnitt der 12 Musikalischen bis \u00fcber 50 ...\t.\tCents, also bis \u00fcber einen\nviert eiton. In den ersten 8 Intervallen tritt eine Erh\u00f6hung um 15 Cents ein, diese bleibt im zweiten Teil des ersten Satzes station\u00e4r, erh\u00f6ht sich be, der W.ederholung ungef\u00e4hr um denselben Wert, um im n\u00e4chsten Teil, in olge der vielen Ansprungintervalle, der Septe (22), Oktave (27) und Qua e (\t) rapide bis auf 50 Cents anzusteigen. Die ganze Melodiebe-\nDr\u00e4n\"g T U,rC^d,CSe Ansprungintervalle etwas Aufgeregtes, nach oben ngendes erhalten, und so geht auch das Niveau mit dieser Bewegung mi . Im letzten Teil der Melodie dagegen haben wir eine durchaus ab\u00b0 dieser Tw '1* Melodl^ewegung ; und wieder schlie\u00dft sich das Niveau svZlttZr/ \\n Und Sich U\u201c 21 ^ bei d- Wiederholung\nAbb. \u00b1","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Tonometrisehe Untersuchungen an einem deutschen Volksliede. 21\nmitogenetisch wie phylogenetisch ein sp\u00e4teres Produkt der musikalischen Kultur.\nDie Melodiebewegung an sich ist eine reine Helligkeitsangelegenheit und ist auch ohne Qualit\u00e4ten, jedenfalls ohne historische Qualit\u00e4ten, denkbar. Einen Beweis daf\u00fcr geben die Phonogramme meines abnorm unmusikalischen S\u00e4ngers. Zu seiner Charakteristik m\u00f6chte ich init-tcilen, da\u00df er ein sehr musikliebender Mann ist; er erfreut sich an einfachen Melodien und erkennt sie sofort wieder. Als icli ihm einmal auf dem Klavier in C-dur die Freisch\u00fctzmelodie \u201eWir winden dir den Jungfernkranz\u201c vorspielte, erkannte er sie sofort; als ich sie aber in der rechten Hand in C-dur, in der linken zuerst in H-dur, nachher in B-dur begleitete, merkte er absolut keinen Unterschied gegen\u00fcber der\nPhonogramm 1\nWiederholung.\n34\t35 38 37 38 39 40\t41 42 43 44 45 40 47 48 49 50 51\t52 53 54\nPhonogramm II\n1\t2\t3\t4\t5\t6\t7\t8\t9\t10\t11 12\t13\t1 1\t15\t16\n34 35 36 37 38 39 40 41__________________________________________42 43 44 45 46 47 48 49 .\u00bb\u25a0*___________________________________________oi 52 .\u00bb3 f> >_________________________","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\nOtto Ahraliam : TonometrisclieTJntersiicliuiiirpn an einem deutschen Volksliede.\nrichtigen Harmonisierung. Er li\u00e2t also Musikfreudigkeit ohne Har-moniegef\u00fchl. Seine Phonogramme in Cents darzustellen, hie\u00dfe mit Spatzen nach Kanonen schie\u00dfen. Das F\u00fcnfliniensystem gen\u00fcgt f\u00fcr den Ausdruck seiner Fehler. Deshalb wurden die Schwingungszahlen seiner zwei Phonogramme in Noten transskribiert.\nAn dieser grauenhaften, aber \u00e4u\u00dferst interessanten Melodie vermissen wir das Fehlen jeder Tonalit\u00e4t. Au\u00dferdem werden die qualit\u00e4tsausgezeichneten Zielt\u00f6ne, die Oktaven, Quinten, Sexten und Quarten, nie erreicht; beispielsweise wurde die originale Quinte Xr. I\u00df einmal als kleine Sexte, das zweite Mal als kleine Terz, das dritte Mal als gro\u00dfe Sexte und zum vierten Male schlie\u00dflich als Tritonus gesungen. Solcher Beispiele kann man Dutzende herausfinden: sie alle zeigen klar, da\u00df von irgendwelcher Qualit\u00e4tseinpr\u00e4gung hei unserem S\u00e4nger nicht die Rede sein kann. Oben wurde gesagt, da\u00df zwar jedes Intervall eine Distanz und eine Momentanqualit\u00e4t habe (jeder Waldweg hat eine L\u00e4nge und einen waldigen Charakter), da\u00df sich aber erst durch \u00dcbung und durch gewisse physiologische oder psychologische Prozesse historische Qualit\u00e4ten entwickeln. Der Defekt' des Unmusikalischen mu\u00df also in dem Zwischenweg zwischen Momentanqualit\u00e4t und historischer Qualit\u00e4t Iiegen und entweder durch \u00dcbungsmangel oder durch Fehlen der Xervenprozes.se, bei denen die einfachen Zahlenverh\u00e4ltnisse eine Rolle spielen, zu erkl\u00e4ren sein. Da unser S\u00e4nger musikliebend ist, haben wir also den bei uns Europ\u00e4ern seltenen Fall von Freude an Musik ohne (historische) Ton- oder Intervallqualit\u00e4tsemidindung.\nDagegen ist in beiden Phonogrammen die Melodiebewegung, soweit es auf ein Hinauf oder Herunter ankommt, fast ausnahmslos richtig. Die mit einem + bezeichnten Abweichungen von der Melodiebe-\u00bbegiing betreffen konstant (8mal) die unwichtigen Schn\u00f6rkelintervalle 7 und 14 ~ 15\u2018 Dor Schn\u00f6rkel, der ja auch von Musikalischen ganz un-i i ni,'nt !!,'t<,niert \"'rd\u2019 scheint ihm nur eine Verzierung zu sein zum folgenden Ton, ohne irgendwelche Beziehung zum vorhergehenden\nDoch nicht nur das Hinauf und Herunter ist, abgesehen von diesen un-\u00ab deutenden Fehlem, richtig getroffen, sondern auch das Gr\u00f6\u00dfer oder\nin i. )u gr\u00f6\u00dfeien Intervalle sind immer gr\u00f6\u00dfer, die kleineren immer\nkleiner genommen, nur die richtige Gr\u00f6\u00dfe wurde fast nie getroffen, o lg ric itig ist der Rhythmus des Liedes gesungen.\nIMivtl mU\u00df al|URle Musikfreude dieses S\u00e4ngers eine reine Freude an Rhythmus und Bewegung nach Richtung und Gr\u00f6\u00dfe sein. Nebenbei\n' P' rtZ \u201d in derJugend erlittene\" Kinderl\u00e4hmung ' 8anz hervorragender und begeisterter Turner ist. Vielleicht ist ihm\n\u00c4ZI\u201d TurnUI,,\"\"< \u00ab\u201c*\twie der Anbliefc eine,\n(Emgegangrn am 14. M\u00e4rz 1923.)","page":22}],"identifier":"lit38298","issued":"1923","language":"de","pages":"1-22","startpages":"1","title":"Tonometrische Untersuchungen an einem deutschen Volkslied","type":"Journal Article","volume":"4"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:13:34.387886+00:00"}