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{"created":"2022-01-31T14:11:13.238883+00:00","id":"lit38478","links":{},"metadata":{"alternative":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft","contributors":[{"name":"Stumpf, C.","role":"author"},{"name":"M. Meyer","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Beitr\u00e4ge zur Akustik und Musikwissenschaft 2: 84-167","fulltext":[{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter\nIntervalle.\nVon\nC. Stumpf und M. Meyer.\nEinleitung.\n(C. Stumpf.)\nIn den Schriften der Musiktheoretiker finden sich seit alter Zeit im Zusammenhang mit der Consonanzlehre, sp\u00e4ter auch aus Anlafs der Temperatur-Streitigkeiten, zerstreute Bemerkungen \u00fcber Intonationsfragen und \u00fcber die Empfindlichkeit unseres Geh\u00f6rs f\u00fcr Verstimmungen. In den Kreisen der heutigen praktischen Musiker kann man allenthalben sehr bestimmte Behauptungen \u00fcber die richtige Intonation der grofsen Terz, der Septime u. s. f. h\u00f6ren. Messende Untersuchungsreihen aber, durch die allein hier etwas bewiesen werden kann, sind erst 1827 von Delezenne, dann nach langer Pause von Cornu und Mercadiee, von Preyer und von Schischmanow ver\u00f6ffentlicht worden.\nDelezenne 1 ben\u00fctzte als Apparat das Monochord, als Ver-suchspersonen sowohl musikalisch Ge\u00fcbte als Unge\u00fcbte, betrachtete aber die ersteren nat\u00fcrlich als maafsgebender und f\u00fchrt die Ergebnisse bei Unge\u00fcbten nur zur Vergleichung an. Er pr\u00fcfte die Empfindlichkeit f\u00fcr das Unisono und f\u00fcr die con-sonanten Intervalle in der Gegend der kleinen und der eingestrichenen Octave. Er verschob den Steg der Saite (wodurch\n1 M\u00e9moire sur les valeurs num\u00e9riques des notes de la gamme. Recueil des travaux de la Soci\u00e9t\u00e9 des Sciences de Lille, 1826\u201421, S. If.","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"XVIII. 322] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 85\nalso beide T\u00f6ne zugleich alterirt wurden) solange, bis die Verstimmung bemerkt wurde ; theilweise liefs er seine Personen auch selbst durch Verschiebung den bez\u00fcglichen Punkt finden. Er ben\u00fctzte sowohl gleichzeitige als aufeinanderfolgende T\u00f6ne.\nCornu und Mercadier 1 liefsen grofse Terzen und Quinten durch t\u00fcchtige Musiker auf verschiedenen Instrumenten so genau als m\u00f6glich angeben, sowohl mit gleichzeitigen als mit aufeinanderfolgenden T\u00f6nen, und stellten die Intonation auf mehrfachem Wege physikalisch fest.\nPreyer 2 operirte gleichfalls mit vorz\u00fcglichen Musikern. Als Tonquelle dienten ihm die Metallzungen eines Appunn\u2019sehen \u201eTonmessers\u201c, auf welchem einunddasselbe Intervall in sehr verschiedener Abstimmung vertreten ist. Seine Beobachtungen erstreckten sich auf die meisten Intervalle der kleinen Octave. Der tiefere Ton wurde stets zuerst angegeben. Es sind aber nur wenig Beobachtungen \u00fcber jedes Intervall gemacht worden; und nur solche mit aufeinanderfolgenden T\u00f6nen.\nScmscHMAEOw3 machte in Wundt\u2019s Laboratorium l\u00e4ngere Versuchsreihen \u00fcber die Hauptintervalle mit Stimmgabeln der eingestrichenen Octave, also nahezu einfachen T\u00f6nen. Es wurde theils die tiefere, theils die h\u00f6here zuerst angegeben, aber nur die tiefere war verstimmbar. Gleichzeitige T\u00f6ne wurden nicht angewandt. Als Versuchspersonen ben\u00fctzte Schischmanow nicht blos einen Musikalischen (sich selbst), sondern auch einen musikalisch g\u00e4nzlich Unge\u00fcbten (Krestow). Ein Fachmusiker, der zuerst auch betheiligt war, trat aus.1 2 3 4\n1\tSur les intervalles musicaux. Comptes rendus de VAcademie des Sciences, T. 68 (1869), S. 301 f., 424 f.\n2\tUeber die Grenzen der Ton Wahrnehmung, 1876, S. 38 f.\n3\tUntersuchungen \u00fcber die Empfindlichkeit des Intervallsinnes. Wundt\u2019s Philosoph. Studien V (1889), S. 558 f. In der Abhandlung sind auch die Ergebnisse von Untersuchungen mitver\u00f6ffentlicht, welche K\u00fclpe und Peisicer vorher nach gleicher Methode angestellt hatten, ohne ganz damit fertig zu werden.\n4\tEine \u00e4hnliche Erfahrung haben auch wir an einer Anzahl j\u00fcngerer Eachmusiker machen m\u00fcssen. Einer nach dem anderen blieb weg. Es ging wde im Evangelium mit den zum \u201egrofsen Abendmahl\u201c Geladenen: Der hatte einen Acker gekauft, Jener f\u00fcnf Joch Ochsen und mufste sie besehen, der Dritte hatte ein Weib genommen. Zur Entschuldigung mufs man aber sagen, dafs diese Versuche sehr anstrengend und \u2014 gelinde zu sprechen \u2014 nicht sehr kurzweilig sind, w\u00e4hrend ein grofses Abendmahl","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"C. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 323]\nNicht gerade Messungsreihen, aber einzelne Beobachtungen und Messungen hat auch Helmholtz angestellt ; er erw\u00e4hnt Versuche mit Professor Joachim \u00fcber die Intonation der Terzen und Sexten, sowie Beobachtungen \u00fcber den A-Capella-Gesang der \u201eSolfeggisten\u201c und anderer S\u00e4nger.* 1 2 3 Aufserdem sind Beobachtungen und Versuche ohne eigentliche Maafsbestimmungen in verschiedenen neueren Abhandlungen niedergelegt. So ben\u00fctzte M. Planck 2 als Controllapparat sein eigenes vorz\u00fcglich musikalisches und vorher an einem mathematisch abgestimmten Harmonium speciell darauf einge\u00fcbtes Geh\u00f6r, und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Intonation der grofsen Terzen heim A-Capella-Gesang eines hervorragend geschulten Chores. Ebenso machten Engelbert R\u00f6ntgen 8 und H. v. Herzogenberg 4 auf gleicher Grundlage beachtenswerthe, allerdings nicht immer \u00fcbereinstimmende, Angaben \u00fcber die Mollterz und andere kritische Intervalle. Sehr bestimmte Behauptungen \u00fcber die Intonation der Terzen auf Grund von Versuchen mit einem besonders con-struirten Harmonium findet man bei Joachim Steiner. 5\nWir werden diese Angaben alle, soweit sie zur Vergleichung mit unseren Beobachtungen in Betracht kommen, im 5. Capitel besprechen.\nDie theoretische Bedeutung der Frage, Diskrepanzen der bisherigen Versuche, mancherlei Bedenken \u00fcber ihre Anstellungsweise, endlich das Bed\u00fcrfnifs, wesentlich verschiedene Umst\u00e4nde, unter denen das Intervallurtheil erfolgen kann, einzeln zu untersuchen, veranlafsten mich 1893 in M\u00fcnchen zu neuen Versuchen. Sie wurden in Folge meiner Uebersiedelung nach Berlin jahrelang unterbrochen, dann hier wieder aufgenommen, aber erst durch M. Meyer unter meiner Mitwirkung dem urspr\u00fcnglichen Plane gem\u00e4fs allseitig durchgef\u00fchrt.\ndoch immer einen gewissen Reiz hat. Um so anerkennenswerther ist es, dais eine Anzahl gleichwohl bis zum Ende ausharrte.\n1\tLehre v. d. Tonempfindungen 4, S. 423, 525, 664\u2014667.\n2\tDie nat\u00fcrliche Stimmung in der modernen Vocalmusik. Vierteljahrsschr. f\u00fcr Musikwissenschaft Bd. IX (1893), S. 418 f.\n3\tEiniges \u00fcber Theorie und Praxis in musikalischen Dingen. Daselbst X (1894), S. 365 f.\n4\tEin Wort zur Frage der reinen Stimmung. Daselbst X, S. 133 f.\n5\tGrundz\u00fcge einer neuen Musiktheorie, 1891.","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 324] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 87\nDieser Plan ging dahin : verschiedene Hauptintervalle einmal in auf-, dann in absteigender Folge der T\u00f6ne zu untersuchen, ferner nicht nur bei Aufeinanderfolge sondern auch bei Gleichzeitigkeit der T\u00f6ne, endlich sowohl bei einfachen als bei stark obertonhaltigen Kl\u00e4ngen. Alle diese Verschiedenheiten sind f\u00fcr die Theorie eben so wichtig wie die Unterschiede der ben\u00fctzten Intervalle selbst. Die beiden letzterw\u00e4hnten h\u00e4ngen insbesondere ganz enge zusammen mit den allgemeinsten Fragen der Consonanzlehre.\nIn Hinsicht der Anstellungsweise der bisherigen Versuche ist es bei den \u00e4lteren mehr das Technische im engeren Sinn, bei Peeyee und Schischmanow aber besonders die Art und die Umst\u00e4nde der Fragestellung, die Einw\u00fcrfen ausgesetzt scheint.\nMan kann entweder die Frage nur darauf richten, ob ein Intervall rein oder unrein ist, oder zugleich auch darauf, ob es im Falle der Unreinheit zu grofs oder zu klein ist. Delezenne stellte die Frage in der letzteren Weise.1 Peeyee scheint sie nur in der ersten Form vorgelegt zu haben; aber in seinen Tabellen finden sich aufser den Urtheilen \u201erein, unrein\u201c doch auch solche \u201ezu hoch, \u00fcberm\u00e4fsig\u201c u. dgl. ; welche n\u00e4here Bestimmung die Musiker offenbar unaufgefordert hinzuf\u00fcgten. Schischmaeow endlich hat ausschliefslich die erste Fragestellung.\nMan wird bei dieser Fragestellung im Allgemeinen schon f\u00fcr geringere Verstimmungen Unreinheits-Urtheile bekommen als bei der zweiten. Aber die Ergebnisse haben auch geringeren Werth; man kann nicht so viel, manchmal auch gar nichts daraus schliefsen. Allerdings findet man sehr h\u00e4ufig bei Unmusikalischen, nicht ganz selten auch bei Musikalischen, die Angabe, dafs sie ein Intervall f\u00fcr unrein halten, ohne zu wissen, ob es zu grofs oder zu klein sei. In diesem Fall hat man aber zun\u00e4chst keine Garantie, dafs sie nicht durch irgend einen Nebenumstand, eine kleine Verschiedenheit der Klangfarbe, der Intensit\u00e4t, des Anschlags u. dgl., oder gar durch unwillk\u00fcrliche Schlufs-folgerungen oder Vermuthungen aus ihrer Kenntnifs der Versuchsumst\u00e4nde zu dem Urtheil bestimmt wurden. Wenn in einer gr\u00f6fseren Reihe dasselbe Urtheil mit grofser Regelm\u00e4fsigkeit bei\n1 Dies geht aus einigen Bemerkungen S. 5 und 9 seiner Abhandlung deutlich hervor.","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 325]\ndem gleichen mathematischen Tonverh\u00e4ltnifs wiederkehrt, w\u00e4hrend die Versuchsumst\u00e4nde, Tonquellen u. s. w. variiren, so kann man allerdings annehmen, dafs die Einfl\u00fcsse der Neben-umst\u00e4nde sich compensirt haben und nur der constante Einflufs des bez\u00fcglichen Tonverh\u00e4ltnisses mafsgebend gewesen sei. Aber Preyer hat \u00fcberhaupt keine l\u00e4ngeren Versuchsreihen gemacht, und bei Schischmanow bleiben die Bedenken hinsichtlich der unwillk\u00fcrlichen Schlufsfolgerungen und sonstigen Inconvenienzen der \u201eMethode der Minimal\u00e4nderungen\u201c, worauf bereits M. Meyer f\u00fcr \u00e4hnliche F\u00e4lle hinwies 1 und worauf wir im 5. Capitel n\u00e4her eingehen werden.\nWas die Versuchspersonen betrifft, so ist es wohl selbstverst\u00e4ndlich, dafs in erster Linie Musikalische herangezogen werden. In einer Sache, wo die Uebung einen so entscheidenden Einflufs hat, wie bei feinsten Tonunterschieden, erscheint es doch nicht von vornherein rathsam, \u201eminder Ge\u00fcbte\u201c, die im besten Falle erst im Laufe der Versuche zu Ge\u00fcbten werden, neben diesen unter den gleichen Versuchsbedingungen einzustellen. Allerdings ist bei Musikalischen mit der Uebung zugleich eine gewisse Richtung der Uebung und der sonstigen Gew\u00f6hnung gegeben. Es l\u00e4fst sich z. B. denken, dafs f\u00fcr einige Intervalle, zumal die Quinte, die Uebung noch gr\u00f6fser ist als f\u00fcr andere. Darum m\u00f6chte ich die Verwendung Unmusikalischer nicht durchaus ablehnen. Aber was uns in dieser Sache vorzugsweise in-teressirt, ist doch eben das Verhalten des musikalischen Geh\u00f6rs, einschliefslich seiner besonderen Neigungen und Gew\u00f6hnungen. Hierzu kommt, dafs nur musikalisch Veranlagte und Ge\u00fcbte im Stande sind, sich von dem gef\u00e4hrlichen Einflufs der augenblicklichen Nebenumst\u00e4nde hinreichend zu emanzipiren. Selbst ihnen f\u00e4llt es oft schwer genug. Personen aber, deren Ohr nicht durch lange Jahre mit den Tonerscheinungen aufs Innigste vertraut geworden ist und die ihre Aufmerksamkeit nicht nach jeder beliebigen Seite dieser Erscheinungen zu lenken und da streng festzuhalten verm\u00f6gen, sind bei so delicaten Versuchen den Nebeneinfl\u00fcssen rettungslos preisgegeben. Wenn trotzdem Schischmanow\u2019s g\u00e4nzlich unge\u00fcbter Mitarbeiter zwar im Vergleich mit Schischmanow weniger feine aber sonst\n1 Ueber die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Tonh\u00f6hen. Siehe oben S. 76 f.","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 326] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 89\nziemlich \u00fcbereinstimmende Ergebnisse lieferte, so w\u00fcrde ich (von den obenerw\u00e4hnten und anderen noch zn erw\u00e4hnenden Bedenken abgesehen) daraus eben schliefsen, dafs er doch ein gutes und sehr \u00fcbungsf\u00e4higes Ohr besafs, das nur zuf\u00e4llig nicht gepflegt worden war. Solche Personen sind yon den eigentlich Unmusikalischen, die z. B. oft nicht sagen k\u00f6nnen, ob c oder e der h\u00f6here Ton ist, und ob der simultane Dreiklang c\u2014e\u2014g ein oder mehrere T\u00f6ne sind, immerhin noch wohl zu unterscheiden.\nWir d\u00fcrfen uns \u00fcbrigens nicht der Illusion hingeben, als ob Versuchsreihen, wenn sie noch so einwandfrei angestellt werden, \u00fcber die \u201emusikalisch richtige Intonation\u201c uneingeschr\u00e4nkt Aufschlufs geben k\u00f6nnten. Eine schlechthin richtige musikalische Intonation giebt es nicht. Nur eine schlechthin unrichtige giebt es, die zu weit \u00fcber einen gewissen Spielraum hinausgreift. Aber innerhalb dieses Spielraumes wird das n\u00e4mliche Interyall je nach dem Zusammenhang, worin es yorkommt, von den besten Ohren verschieden beurtheilt und yon den besten K\u00fcnstlern verschieden intonirt. Auch \u00fcber solche Verschiedenheiten je nach den Umst\u00e4nden kann man wohl gewisse allgemeine Gesichtspunkte aufstellen, aber darauf gehen wir hier nicht aus. Wir untersuchen die Intervalle losgel\u00f6st vom actuellen Zusammenhang. Freilich stehen sie auch in diesem isolirten Zustand unter der Nachwirkung der musikalischen Erfahrung, und eben diese Nachwirkungen sind uns von Interesse. Doch beschr\u00e4nken wir die Discussion der that-:s\u00e4chlichen Ergebnisse in dieser Hinsicht auf das N\u00e4chstliegende und zum Verst\u00e4ndnifs der Zahlen Unentbehrliche.\nErstes Capitel.\nVersuche mit der kleinen Terz.\n(C. Stumpf.)\nAls Tonquelle diente zun\u00e4chst wie beiP-REYEE ein Appunm\u2019scher Tonmesser, der aber nicht die kleine, sondern die in der Mitte des musikalischen Tonbereichs liegende eingestrichene Octave (256 bis 512 Schwingungen) umfafste und 64 Zungen mit je 4 Schwingungen Differenz enthielt. Unter den 64 T\u00f6nen befand","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 327\nsich eine grofse Anzahl kleiner Terzen, die in Folge der verschiedenen durch obige Zahlen gegebenen Schwingungsverh\u00e4ltnisse, aber auch in Folge der zuf\u00e4lligen kleinen Verstimmungen in verschiedenem Grad und verschiedener Richtung von dem physikalisch reinen Verh\u00e4ltnifs 5 : 6 ab wichen. Es wurde aber nur die Zone von 372 bis 480 Schwingungen, also 27 Zungen, etwa zwischen ges1 und b1, ben\u00fctzt, damit die einzelnen Intervalle sich durch die absolute Tonh\u00f6he nur m\u00f6glichst wenig unterschieden.\nEs handelte sich nun zun\u00e4chst um die objective Bestimmung der disponiblen Tonverh\u00e4ltnisse. Dabei wurde die Zunge 372 als Ausgangspunkt zu Grunde gelegt und das Verh\u00e4ltnifs der \u00fcbrigen zu ihr durch sorgf\u00e4ltige Z\u00e4hlung der Schwebungen mit H\u00fclfe einer F\u00fcnftelsecundenuhr von Seiten zweier Beobachter (Stumpf und Stud. Deetjen) bestimmt. Diese physikalischen Feststellungen fanden vor Beginn der Versuchsreihen, mehrmals w\u00e4hrend derselben und am Schlufs statt. Die Versuche w\u00e4hrten vom 8. bis 13. Juli 1893, dann nach einer Wochenpause vom 21. bis 22. Die Temperatur schwankte in dieser Zeit nur wenig, so dafs die Stimmung des Instruments sehr constant blieb. Der gr\u00f6fste Unterschied zwischen den Stimmungen einundderselben Zunge betrug 0,08 Schwingungen.\nDie Differenz zweier benachbarten Zungen fand sich nat\u00fcrlich nirgends genau = 4 Schwingungen. Die Differenzen variir-ten zwischen 3,19 und 4,97. Die Summe aller 27 Differenzen betrug anf\u00e4nglich 107,93, zuletzt 108,44, die durchschnittliche Ver\u00e4nderung einer Zunge also 0,019.\nEs ist dies ein bei Zungen immerhin seltener Gl\u00fccksfall; denn bei Versuchsreihen mit solchen Instrumenten sind oft gerade die durch die Temperatur veranlafsten Schwankungen sehr st\u00f6rend.\nNachdem so die thats\u00e4chliche Stimmung der einzelnen Zungen zwischen 372 und 480 feststand, berechnete ich f\u00fcr jede einzelne von 372 bis 400 die kleine Terz 5 : 6 nach oben, und suchte unter den factisch vorhandenen h\u00f6heren Zungen drei bis vier heraus, die von diesem Werth nur wenig nach oben oder unten abwichen. Ebenso berechnete ich die kleine Terz nach unten f\u00fcr die Zungen von 480 bis 444 (immer unter Zugrundelegung ihrer thats\u00e4chlichen Stimmung), und suchte unter den tieferen Zungen wieder drei bis vier, die von den be-","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 328] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 91\nrechneten Werthen nur wenig abwichen. Die Abweichungen wurden bis auf 3 Decimalen bestimmt, sind aber in den folgenden Tabellen auf eine D\u00e9cimale abgerundet.\nSo erhielt ich eine grofse Anzahl kleiner Terzen, deren Abweichung von 5:6 genau bekannt war. Die kleinsten Verstimmungen betrugen -{- 0,470 und \u2014 0,353. Die gr\u00f6fste konnte nat\u00fcrlich beliebig gew\u00e4hlt werden, ich ging darin bis ungef\u00e4hr 6 Schwingungen, n\u00e4mlich + 5,722 und \u2014 6,318. So waren 12 Verstimmungen nach der Plusseite, 13 nach der Minusseite zwischen den genannten Grenzen gegeben; freilich nicht genau gleichm\u00e4fsig unter einander abgestuft, sondern so wie sie sich nach der zuf\u00e4lligen thats\u00e4chlichen Stimmung der Zungen darboten.\nAls Beobachter diente ich selbst und Stud. Run. Biedermann. Der letztere ist musikalisch ausgezeichnet begabt und ge\u00fcbt. - Ich kann mir bei weniger hervorragender Musikbegabung doch wenigstens eine gute akustische Vor\u00fcbung zuschreiben. Bemerkenswerth ist, dafs Biedermann auf dem einen Ohr fast taub ist, und dafs meine beiden Ohren in Hinsicht der Tonh\u00f6he eines gleichen objectiven Tons merkliche Unterschiede darbieten (vgl. m. Tonpsych. II, 320). Nat\u00fcrlich wandte ich immer Ein Ohr vorwiegend der Schallquelle zu. Es ist denkbar, dafs f\u00fcr Biedermann die Nothwendigkeit, best\u00e4ndig nur einunddasselbe Ohr zu ben\u00fctzen, in Hinsicht der Feinheit der Unterscheidungen geradezu einen Vortheil darstellte; freilich ist auch die Gefahr der Erm\u00fcdung gr\u00f6fser. Die Versuche selbst, das Angeben der T\u00f6ne etc. besorgte mit grofser Geduld und Sorgfalt Stud. C. Deetjen.\nDie Urtheilenden hatten nicht zu sagen, ob sie \u00fcberhaupt eine Unreinheit bemerkten, sondern bestimmter, ob ihnen das Intervall rein oder zu grofs oder zu klein erscheine. Wenn wir im Folgenden von der Z\u00e4hl der \u201erichtigen\u201c und der \u201efalschen\u201c Urtheile sprechen, ist es zun\u00e4chst nur eine abgek\u00fcrzte Ausdrucks weise f\u00fcr das Verhalten des Urtheils unter bestimmten physikalischen Umst\u00e4nden: \u201eRichtiges Urtheil\u201c bedeutet nur, dafs ein physikalisch zu kleines Intervall auch als zu klein beurtheilt wurde u. s. f.; also = objectiv richtiges. Es soll nichts dar\u00fcber pr\u00e4judicirt sein, welches physikalische Verh\u00e4ltnifs subjectiv als rein erscheint. Dies l\u00e4fst sich vielmehr erst aus der Curve der Urtheile selbst erschliefsen. Es kamen auch gelegentlich","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 329]\nF\u00e4lle, wo man keine irgend deutliche Abweichung finden konnte oder auch das Intervall bestimmt als rein bezeichnete : diese beiden Urtheile sind unter einander als identisch behandelt (wenn -sie auch psychologisch vielleicht nicht genau zusammenfallen) und hei der Abz\u00e4hlung der richtigen Urtheile als halbe F\u00e4lle gez\u00e4hlt. Es w\u00e4re zwecklos gewesen, sie zu sondern, denn ihre Zahl war \u00e4usserst gering, bei Biedermann in s\u00e4mmtlichen Reihen 6, bei Stumpf 17. Wir gaben die Urtheile, wo nur immer m\u00f6glich, im Sinne des vorherrschenden Eindrucks ab. In dieser Hinsicht kann der Urtheilende verschiedene Maximen befolgen : er kann sich vornehmen, nur bei vollkommen deutlichem Eindruck das entsprechende Urtheil abzugeben (wobei nat\u00fcrlich immer noch In-consequenzen im Ergebnifs m\u00f6glich sind, so dafs z. B. genau das n\u00e4mliche Schwingungsverh\u00e4ltnifs einmal bestimmt als zu klein, einmal als zu grofs oder gar ein noch kleineres als zu grofs bezeichnet wird), oder er kann sich im Zweifelsfall so lange das Intervall wiederholen lassen und sich so intensiv besinnen, bis wenigstens ein \u00fcberwiegender Eindruck erzielt ist. Ich halte das Letztere im Ganzen f\u00fcr praktischer.\nDie verschiedenen Stimmungen des Intervalls wurden ganz durcheinander angegeben, nicht stufenweise vom kleinsten zum gr\u00f6fsten Betrag oder umgekehrt aufeinanderfolgend. Auch dies bedeutet nat\u00fcrlich (wie die ganze Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle) eine Erschwerung gegen\u00fcber den fr\u00fcheren Versuchen ; aber man ist dann auch am besten gegen die erw\u00e4hnten Nebeneinfl\u00fcsse, unwillk\u00fcrlichen Schl\u00fcsse etc. gesichert. Eine weitere, in der besonderen Anlage dieser Versuche begr\u00fcndete, an sich nicht erforderliche Erschwerung lag in der Ver\u00e4nderlichkeit des Ausgangstons. Nicht blos der zweite Ton, dessen Stimmung zum ersten zu sch\u00e4tzen war, sondern auch dieser selbst wechselte im Allgemeinen.\nEs wurden 13 Versuchsreihen gemacht. In den ersten wurde der tiefere Ton zuerst angegeben und zwar zun\u00e4chst so, dafs immer drei F\u00e4lle mit gleichem Grundton auf einander folgten; dann (von der 3. Reihe an) wurde auch mit dem Ausgangston von Fall zu Fall gewechselt, aber er wurde jedes Mal zuerst lange angegeben, damit er sich dem Bewufstsein einpr\u00e4gte. In weiteren Reihen wurde vom h\u00f6heren Ton ausgegangen. Ferner unterschieden sich die Reihen dadurch, dafs in einigen das Intervall hei jedem Versuch nur einmal vorgelegt, in anderen dagegen so oft","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 330] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 93\nunmittelbar wiederholt wurde, als jeder Beobachter es w\u00fcnschte^, um die zuf\u00e4lligen Schwankungen der Aufmerksamkeit besser auszugleichen. Endlich wurde in zwei Reihen das Intervall immer so angegeben:\nund analog vom h\u00f6heren Ton ausgehend. Hierbei ist die Rieh-tung nach oben und die nach unten verkn\u00fcpft und ein Unterschied der F\u00e4lle nur durch den (l\u00e4nger festgehaltenen) Ausgangston und den Schlufston gegeben. Man fafst das Intervall dann doch im Sinne der zwei ersten Noten auf (aufsteigend oder absteigend); aber die Verkn\u00fcpfung mit der entgegengesetzten Bewegung d\u00fcrfte dem Urtheil noch gr\u00f6fsere Sicherheit geben. *\nEine Schwierigkeit liegt f\u00fcr den Beobachter bei Anwendung von Zungen in ihrer verschiedenen Klangfarbe. Einzelne sind heller, sch\u00e4rfer, andere dunkler, milder. Hiervon gilt es sich m\u00f6glichst unabh\u00e4ngig zu machen, was gut Musikalischen leichter gelingt als Unmusikalischen, aber doch nicht so, dafs alle T\u00e4uschungen bei so kleinen H\u00f6hendifferenzen ausgeschlossen bleiben. Doch waren es nur 2\u20143 Zungen, die uns in dieser Hinsicht Schwierigkeiten bereiteten.\nGewifs liegt in den Klangfarbenverschiedenheiten ein erheblicher Nachtheil der Zungeninstrumente gegen\u00fcber Stimmgabeln. Aber andererseits bieten jene den Vortheil bequemster Handhabung, so dafs leichter grofse Versuchszahlen gewonnen werden.. Auch ist es w\u00fcnschenswerth, das Verhalten des Urtheils gerade auch an zusammengesetzten Kl\u00e4ngen zu studiren, da solche in der Musik vorwiegend gebraucht werden; und wenn wir dann das Verhalten an einfachen Kl\u00e4ngen zur Vergleichung heranziehen, k\u00f6nnen sich Folgerungen ergeben, die durch Versuche an einer Classe von Kl\u00e4ngen allein nicht zu gewinnen w\u00e4ren.\nIn den ersten Versuchsreihen zeigte sich noch eine fortschreitende Uebung. Doch ist das Verhalten des Urtheils im Uebrigen (z.B. wenn die Urtheile bei Vergr\u00f6fserung und Verkleinerung des Intervalls verglichen werden) kein wesentlich anderes als sp\u00e4ter, so dafs es nicht noth wendig erscheint, diese Reihen als Vorversuche bei Seite zu lassen. In den sp\u00e4teren Reihen ist nur auf","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nG. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 331]\nder Mirmsseite, die von vornherein schlechter beurtheilt wurde, noch eine Uebung erkennbar. Der Unterschied zwischen der Plus- und Minusseite, den wir sogleich in den Tabellen bemerken werden, verschwindet hei Biedermann gegen den Schlufs hin ganz, indem die zwei letzten Reihen \u00fcberhaupt nur je Einen Fehler unter den 13 vorgelegten Intervallen nach jeder Seite hin liefern.\nDie Curve der richtigen Urtheile (wir reden der K\u00fcrze halber von einer Curve, wenn es sich auch nur um das Auf- und Absteigen weniger discreter Zahlenwerthe handelt) mufs nach der Einrichtung der Versuche im Allgemeinen so verlaufen, dafs sie bei gen\u00fcgendem Spielraum der Abweichungen f\u00fcr die \u00e4ufsersten Abweichungen nach der Plus- und Minusseite nahezu 100 \u00b0/0 richtige Urtheile aufweist, dazwischen aber sich senkt. Angenommen, dafs der subjective und der physikalische Reinheitspunkt zusammenfallen, so sind in dieser Gegend, also bei den kleinsten positiven und negativen Abweichungen, etwa 50 % richtige Urtheile zu erwarten. Liegt aber die subjective Reinheit merklich auf der einen Seite, z. B. auf der Minusseite, dann wird in der Gegend des physikalischen Reinheitspunktes, wenn wir von der Plusseite in der Tabelle ausgehen, ein pl\u00f6tzlicher starker Abfall der Curve zu Werthen unter 50 % eintreten, hierauf wird sie sich erheben, beim sub-jectiven Reinheitspunkte etwa 50\u00b0/o auf weisen, dann weiter bis zu etwa 100 % steigen.\nNehmen wir den Fall, dafs der subjective Reinheitspunkt bei einer Abweichung von \u2014 3 Schwingungen l\u00e4ge, und setzen wir eine aufserordentlich grofse subjective Zuverl\u00e4ssigkeit des Beobachters voraus, so w\u00fcrden beim allm\u00e4hlichen Uehergang von + 6 bis zu \u2014 6 selbst bei der kleinsten positiven Verstimmung noch etwa 100% richtige Urtheile stattfinden, bei der ersten negativen Verstimmung aber eine von 0 nur wenig verschiedene Anzahl, da ja das Intervall noch weit vom subjectiven Reinheitspunkte l\u00e4ge. Die Curve w\u00fcrde also hier sehr steil abfallen.\nBei weniger starker Discrepanz des subjectiven vom objectiven Reinheitspunkte wird sich wenigstens eine Asymmetrie der Curve und eine Ann\u00e4herung an diese Form ergeben: sie wird bei sehr kleinen positiven Verstimmungen immer noch stark \u00fcber 50% richtige Urtheile geben, bei eben so kleinen negativen dagegen","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 332] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 95\nunter 50%. Und dies ist, wie wir sehen werden, der wirkliche Fall.\nDie subjective Zuverl\u00e4ssigkeit eines Beobachters, d. h. die Genauigkeit und Constanz, mit der er seinen subjectiven Reinheitspunkt erkennt und festh\u00e4lt, l\u00e4fst sich bei solcher Darstellungsweise und solcher Definition der \u201erichtigen Urtheile\u201c nicht an der Gesammtzahl dieser Urtheile erkennen, sondern 1. an der Continuit\u00e4t der Curve in Hinsicht des Auf- und Absteigens, 2. wenn subjectiver und objectiver Reinheitspunkt zusammenfallen, an der Steilheit der Curve nach beiden Seiten, 3. wenn sie nicht zusammenfallen, an der Tiefe der Senkung beim Uebergang zwischen positiven und negativen Verstimmungen (ideal m\u00fcfste sie hier von 100 zu 0 % sinken) und an der Steilheit, mit der sie dann wieder auf 100 % emporgeht.\nWenn man nun f\u00fcr die s\u00e4mmtlichen Verstimmungen von + 5,7 bis \u2014 6,3 die richtigen Urtheile aus allen Versuchsreihen zusammenstellt, so ergiebt sich eine Tabelle, die zwar im Allgemeinen eine Abnahme und Wiederzunahme der bez\u00fcglichen Urtheilszahlen von der gr\u00f6fsten positiven Verstimmung + 5,7 bis zur gr\u00f6fsten negativen \u2014 6,3 zeigt, aber nicht ohne Schwankungen im Einzelnen. Dies ist nat\u00fcrlich, da die Unterschiede der Verstimmungen von einander oft \u00e4ufserst gering und die Anzahl der Urtheile f\u00fcr jede einzelne (9 bis 13 bei jedem Beobachter) ebenfalls nicht grofs genug ist, um gegen\u00fcber so minimalen Differenzen noch ein ganz regelm\u00e4fsiges Verhalten zu zeigen.\nDagegen ergiebt sich ein sehr \u00fcbersichtliches Verhalten, wenn wir Zonen bilden, indem wir die s\u00e4mmtlichen innerhalb einer gewissen Breite der Verstimmung fallenden richtigen Urtheile zusammennehmen. Es wird dann die Gesammtzahl der abgegebenen Urtheile f\u00fcr die verschiedenen Zonen zwar ungleich, weil unter eine Zone bald mehr bald weniger Verstimmungen subsumirt werden m\u00fcssen, aber die Berechnung in Procentzahlen erm\u00f6glicht die Vergleichung.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 333]\nTabelle der richtigen Urtheile f\u00fcr die kleine Terz der eingestrichenen Octave.\nBetrag der Verstimmung\tZahl\u2019 der Urtheile jedes Beobachters\tZahl der Urtl Bied.\trichtigen \u00eeeile St.\t% rieht the Bied.\t;ige Ur- \u00efile St.\t% richtige Urtheile \u00fcber- haupt\n+ 5,7 bis 4,8\t52\t46\t51\t88\t98\t93\n3,9 \u201e 2,5\t39\t|\t37\t33\t95\t85\t90\n1,5 \u201e 0,5\t62\t50\t47\t81\t76\t78\n\u2014 0,4 bis 1,3\t36\t16\t15 V2\t44\t43\t44\n2,5 \u201e 3,6\t66\t53\t43 %\t80\t66\t73\n4,2 \u201e 6,3\t48\t43\t44\t90 I 1\t93\t91\nDer regelm\u00e4fsige Gang der Urtheilszahlen erleidet nur von der ersten zur zweiten Zone bei Biedermann eine Ausnahme (88 \u2014 95%). Weitere Fortsetzung der Versuche w\u00fcrde diese zuf\u00e4llige Anomalie sicherlich ausgeglichen haben. Auch in der Zusammenrechnung der Ergebnisse beider Beobachter gleicht sie sich bereits aus. Man sieht hieraus zugleich, dafs eine solche Zusammenrechnung bei Beobachtern von ann\u00e4hernd gleicher Urtheilsf\u00e4higkeit in F\u00e4llen, wo Erm\u00fcdung oder sonstige den Versuchszwecken sch\u00e4dliche Folgen sich an weitere Fortsetzung der Versuche kn\u00fcpfen, ein n\u00fctzliches Mittel ist, um gleichwohl nicht blos die kleineren individuellen Unter schiede gegen\u00fcber dem typischen Verhalten, sondern auch blofse Zuf\u00e4lligkeiten zu eliminiren. Uebrigens zeigen die Urtheils-curven beider Beobachter keine individuellen Besonderheiten, wie auch ihre subjective Zuverl\u00e4ssigkeit nahezu die gleiche ist.1\n1 F\u00fcr die subjective Zuverl\u00e4ssigkeit beider Beobachter darf ich wohl auch folgenden Zwischenfall als Beleg anf\u00fchren. Bei einer Versuchsreihe hatte der Experimentator aus Versehen nur vergr\u00f6fserte Intervalle vorgelegt, w\u00e4hrend den Versuchspersonen nat\u00fcrlich bekannt war, dafs in jeder Reihe beiderlei Intervalle Vorkommen mufsten. Beide Beobachter urtheil-ten aber im Widerspruch mit dieser ihrer allgemeinen Erwartung gleich wohl nach dem concreten Eindruck und sprachen nur zum Schlufs ihre","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 334] Maafsbestimmungen, \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 97\nSehr auffallend ist nun aber der Unterschied der Verkleinerungen gegen\u00fcber den Vergr\u00f6fserungen des Intervalls. W\u00e4hrend die Vergr\u00f6fserung von 0,5 bis 1,5 noch 78% r- Urtheile giebt, liefert die Verkleinerung um ungef\u00e4hr denselben Betrag nur 44. Kleine Terzen, die um soviel verkleinert sind, wurden also in den meisten F\u00e4llen noch als zu grofs beurtheilt (Reinheitsurtheile wurden ja \u00fcberhaupt nur sehr selten abgegeben). Auch in der mittleren Zone auf beiden Seiten zeigt sich noch der Unterschied : Vergr\u00f6fserungen wurden hier schon nahezu sicher, in durchschnittlich 90 %, als Vergr\u00f6fserungen beurtheilt, dagegen Verkleinerungen von gleichem Betrag nur in durchschnittlich 73 % als Verkleinerungen auf-gefafst.\nEs bestand also eine entschiedene Neigung, die kleine Terz erst bei einer gewissen Verkleinerung des physikalisch reinen Intervalls als rein anzuerkenneir. Der subjective Reinheitspunkt lag, wenn wir die oben angegebenen Kriterien (50 %) zu Grunde legen, ungef\u00e4hr bei \u2014 1,7. Wir k\u00f6nnen aus den Urtabellen noch hinzuf\u00fcgen, dafs selbst die geringste Vergr\u00f6fserung von 0,5 Schwingungen (genauer 0,47, oder als Verh\u00e4ltnifs 5 : 6,006) aufser in den 4 ersten Versuchsreihen von beiden Beobachtern ausnahmslos als Vergr\u00f6fserung beurtheilt wurde, also in 26 F\u00e4llen 22 mal, dagegen die geringste Verkleinerung 0,4 in ebenso vielen F\u00e4llen nur 8 mal als Verkleinerung, und die zweitkleinste 0,7 auch nur 9 mal. Erst bei einer Verkleinerung von 2,5 erhalten wir unter 26 Urtheilen 19, die auf Verkleinerung lauten. Ein so gut wie sicheres Urtheil (24 % unter 26) ist auf der Plusseite schon bei der Verstimmung von 1,15 erreicht, ein gleich sicheres (22 % unter 24) auf der Minusseite erst bei der Verstimmung von 5 Schwingungen.\nVerwunderung aus, dafs ihnen diesmal fast alle Intervalle zu grofs erschienen w\u00e4ren.\nIch weifs nicht, ob man versucht hat, auch bei der \u201eMethode der Minimal\u00e4nderungen\u201c, wie sie gew\u00f6hnlich gehandhabt wird, einmal die analoge Probe zu machen, ob es f\u00fcr die Urtheilspersonen einen Unterschied macht, wenn der Experimentator ausnahmsweise, statt vorschriftsm\u00e4fsig mit der Ver\u00e4nderung des Intervalles in einer bestimmten Richtung stufenweise fortzuschreiten, einige Zeit zwischen sehr kleinen Verstimmungen in beiden Richtungen ab wechselt. Vermuthlich aber w\u00fcrden Viele hier die Probe\u201c nicht bestehen, sondern ein stufenweises Fortschreiten wTie immer w^\u00e4hrzu-' jiehmen glauben.\nStumpf, Beitr\u00e4ge II.\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 335]\nWie unliebsam Vergr\u00f6fserungen bei der kleinen Terz empfunden wurden, zeigen auch kr\u00e4ftige Bemerkungen, wie sie sich in den Protokollen an einzelnen Stellen beigeschrieben finden : \u201eh\u00f6llisch unangenehm\u201c, \u201etiefer Satan\u201c, \u201etief!!!\u201c. Die beiden letzten Randbemerkungen beziehen sich auf Vertiefung des zweiten Tons des absteigenden Intervalls. Die beiden Beobachter \u00e4ufserten sich auch entschieden dahin, dafs keine Verkleinerung den unangenehmen Eindruck gewisser Vergr\u00f6fserungen erreiche. Eine Verkleinerung, die bereits als solche merklich war, war noch nicht geradewegs unangenehm, und eine bedeutendere Verkleinerung wurde es mehr durch die Ann\u00e4herung an die grofse Secundo und durch die Zweideutigkeit, die man darin erblickte, als durch ein positiv widriges Moment.\nDer Gef\u00fchlseindruck der vergr\u00f6fserten kleinen Terz bei aufeinanderfolgenden T\u00f6nen erschien uns \u00fcbrigens, um dies sogleich zu bemerken, auch als wesentlich verschieden, je nachdem sie eine aufsteigende oder absteigende war. Die absteigende hatte mehr etwas Komisches, Ungeschlachtes \u2014 wir geriethen beide bei starker Vergr\u00f6fserung ins Lachen \u2014, die auf steigende dagegen hatte etwas Peinliches.\nDafs Vergr\u00f6fserungen merklicher waren als Verkleinerungen, zeigt auch das Verh\u00e4ltnifs der Gesammtzahlen der richtigen Urtheile auf beiden Seiten : auf der Plusseite wurden unter 306 F\u00e4llen 264 als Vergr\u00f6fserungen, auf der Minusseite unter 300 nur 215 als Verkleinerungen beurtheilt, also bedeutend weniger.\nNicht ohne Interesse ist auch die Zahl der Wiederholungen, die von den Beobachtern in den Reihen, wo solche gestattet waren, verlangt wurden. Sie betr\u00e4gt bei den vergr\u00f6fserten Intervallen 130, bei den verkleinerten 190. Wenn auch hier ein Intervall mehr als auf der Plusseite zur Anwendung kam (o. S. 328), bleibt doch ein Uebergewicht der Wiederholungen auf der Minusseite, welches auf gr\u00f6fsere Schwierigkeit des Urtheils hindeutet. Man k\u00f6nnte diesen Umstand vielleicht daraus erkl\u00e4ren, dafs f\u00fcr den rein sinnlichen Eindruck der subjective mit dem objectiven Reinheitspunkt zusammenfiele und in Folge dessen bei Verkleinerungen der sinnliche mit dem \u00e4sthetischen oder psychologischen Maafs-stab in Conflict k\u00e4me. Insofern w\u00fcrde hier allerdings die Vergleichung Unmusikalischer, bei denen der letztere Factor weniger mitwirken kann, lehrreich sein, vorausgesetzt dafs es gel\u00e4nge,","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 336] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 99\nhinl\u00e4nglich vergleichbare Versuchsbedingungen herzustellen. (Weiteres im 7. Cap.)\nOh das Intervall aufsteigend oder absteigend genommen wurde, scheint auf das genannte Verhalten zwar nicht einen entscheidenden, aber immerhin einen graduell verschiedenen Einflufs gehabt zu haben. Die folgende Tabelle enth\u00e4lt die Am zahlen der richtigen Urtheile aus 4 Reihen mit aufsteigender und 4 mit absteigender Tonbewegung. Die Reihen unter einander zeigen ebenso wie die beiden Beobachter unter einander das n\u00e4mliche Verhalten wie es hier im Ganzen hervortritt. Die Zonen sind wie oben angeordnet zu denken.\nAuf steigend\nAbsteigend\n(\t29 r.\tTL\tunter 32\t\t29 r.\tTJ. unter 32\nPlusseite \\\t21W \u00bb\t77\t7?\t24\t23\t\u201e\t\u00bb\t\u00bb\t24\n{\t34\t\u201e\t7?\t77\t38\t32 Va \u00bb.\t\u00bb\t\u00bb io\n(\t8 Va \u201e\tn\t77\t24\t12 Va \u00bb\t\u00bb\t\u00bb\t24\nMinusseite <\t29 Va \u00bb.\t7?\t7?\t44\t38\t\u201e\tGO rtf\n(\t2H/a \u201e\t77\t77\t32\t28 \u201e\t\u00bb\t\u00bb\t32\nBeim aufsteigenden Intervall tritt der Tiefstand der Urtheils-curve auf der Minusseite in den beiden inneren Zonen merklich st\u00e4rker hervor als heim absteigenden, ohschon er auch hier deutlich genug bleibt. Man kann also wohl sagen, dafs die Bevorzugung des verkleinerten Intervalls, die Lage des subjektiven Reinheitspunktes auf der Minusseite, sich besonders bei der aufsteigenden kleinen Terz geltend macht. Hiermit stimmt auch \u00fcberein, dafs der vorhin erw\u00e4hnte Unterschied in Hinsicht der verlangten Wiederholungen sich ganz vorzugsweise bei den Reihen mit aufsteigendem Intervall findet; ebenso das was vorhin \u00fcber den Gef\u00fchlseindruck erw\u00e4hnt wurde. Doch m\u00f6chte ich \u00fcber den Unterschied des auf- und absteigenden Intervalls aus diesen Versuchen nichts Entscheidendes schliefsen. Sie waren in erster Linie nicht auf die Ermittelung eines solchen Unterschieds, sondern auf das Verh\u00e4ltnifs der Minus- zur Plusseite \u00fcberhaupt angelegt.\nSchliefslich noch die Bemerkung, dafs die hier gefundenen Abweichungen der subjectiv reinen kleinen Terz mit denjenigen der temperirten und der pythagoreischen kleinen Terz zwar in der Richtung \u00fcbereinstimmen aber ihrer Gr\u00f6fse nach doch weit","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 337]\ngeringer sind. Nehmen wir 380 als den tieferen Ton, so liegt die physikalisch reine kleine Terz bei 456, die snbjectiv reine bei etwa 454,3, die temperirte bei 451,8, die pythagoreische bei 450. Abweichungen wie die beiden letzteren liegen schon in der Zone, wo bei unseren Versuchen so gut wie ausnahmslos ,,zu klein\u201c geurtheilt wurde.\nZweites Capitel.\nVersuche \u00fcber die grofse und die kleine Terz.\n(C. Stumpf.)\nIm Sommer 1895 begann ich in Berlin eine neue Versuchsreihe in etwas ver\u00e4nderter Weise f\u00fcr beide Terzen. Die Versuchspersonen waren die n\u00e4mlichen. Pr\u00fcfung, Stimmung und Handhabung des Apparates \u00fcbernahm Dr. Meyer, der aber auch als Beobachter sich mehrfach betheiligte. Bei einigen Reihen wurde das Herausziehen der Z\u00e4pfchen des Apparats von den Beobachtern selbst vollzogen, ohne dafs dies, wie man sehen wird, dem unwissentlichen Verfahren Eintrag that.\nEs wurden zwei verschiedene Methoden angewandt, die aber beide zu \u201erichtigen und falschen F\u00e4llen\u201c f\u00fchrten.\n1. Die erste Methode war im Wesentlichen gleich der fr\u00fcher ben\u00fctzten. Ich hatte einen Zungenapparat anfertigen lassen, worin aufser einigen anderen Zungen, besonders zu 480, 500 und 600 Schwingungen, 37 Zungen sich befanden, die s\u00e4mmtlich vom Verfertiger mit ziemlicher, aber nicht gerade peinlicher Genauigkeit auf 600 gestimmt waren. Dr. Meyer pr\u00fcfte sie nun genauer und richtete sie durch Abschaben am einen oder anderen Ende so ein, dafs die Verstimmungen sich etwa bis zu 4 Schwingungen nach oben und nach unten von 600 erstreckten, unter einander aber ungef\u00e4hr gleiehm\u00e4fsig \u00fcber diese Strecke vertheilt waren. Die Zungen 480, 500 und 600 wurden durch Vergleichung mit Stimmgabeln und unter einander ganz genau eingestimmt. Zur Pr\u00fcfung der erw\u00e4hnten 37 Zungen befand sich noch eine H\u00fclfs-zunge zu 605 im Apparat, die sich, nachdem 600 gegeben war, ebenfalls genau stimmen liefs. Durch die Schwebungen mit dieser wurden dann die 37 Zungen bestimmt. Die Zungen 480 und","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 338] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. .101\n500, die die Grundt\u00f6ne der grofsen und kleinen Terz mit 600 angaben, wurden vor jeder einzelnen Versuchsreihe gepr\u00fcft und eventuell zu 600 genau reingestimmt.1 Bez\u00fcglich der 37 Zungen war anzunehmen, dafs die Verschiebung ihrer Verh\u00e4ltnisse unter einander von einer Versuchsreihe zur anderen in Anbetracht ihrer gleichen physikalischen Beschaffenheit, Gr\u00f6fse u. s. w. als ganz verschwindend gelten d\u00fcrfe, da der Einflufs der Temperatur auf alle in gleicher Weise wirken mufste. Auch hier aber versicherten wir uns verschiedentlich durch Proben, dafs keine Verschiebung stattgefunden hatte. Ueberdies war die Temperatur w\u00e4hrend der Versuchsperiode sehr gleichm\u00e4fsig.\nDie Reihenfolge der Zungen nach ihren Schwingungszahlen, die wir so erhielten, war aber keineswegs die ihrer Aufeinanderfolge am Apparat, so dafs der Beobachter, auch wenn er die Z\u00e4pfchen selbst herauszog und dadurch eine bestimmte Zunge zum Schwingen brachte, keine Ahnung haben konnte, ob sie zu den erh\u00f6hten oder vertieften geh\u00f6rte. Nachdem dies einige Male geschehen war, wurden aber, um auch die M\u00f6glichkeit der Erinnerung an fr\u00fchere F\u00e4lle auszuschliefsen, von dem Experimentator verschiedene andere Reihenfolgen eingef\u00fchrt. So war ein absolut unwissentliches Verfahren gew\u00e4hrleistet, auch wenn dann wieder einer der Beobachter den Apparat selbst handhabte.\nDer Hauptunterschied gegen\u00fcber meinen fr\u00fcheren Versuchen bestand darin, dafs erstlich genau einundderselbe Grundton f\u00fcr alle F\u00e4lle beibehalten werden konnte, und dafs zweitens das Intervall hier stets nur aufsteigend genommen wurde, um zun\u00e4chst beide Terzen unter gleichen Umst\u00e4nden zu vergleichen. Die weiter beabsichtigten Versuche mit absteigenden Terzen unterblieben, weil aus den im Folgenden zu erw\u00e4hnenden Gr\u00fcnden das Ganze noch einmal auf neuer und erweiterter Grundlage aufgenommen wurde.\n1 Vgl. \u00fcber die Abstimmung Meyer\u2019s Bemerkungen unten S. 115.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 339]\nErgebnisse f\u00fcr die grofse Terz (480:600).\nBetrag der Verstimmung des h\u00f6heren Tones\tVerh\u00e4lt zu s\u00e4mn Biederm.\tnils der r Urtheile itlichen I Stumpe\tichtigen Irtheilen Meyer\tB.\tichtige Urtheile St.\tM.\t\t% richtige Urtheile \u00fcber- haupt\n+ 3,5 bis 2,0\t49 Vs:54\t34 Vs : 45\t38 :45\t92\t77\t84\t85\n1,7 \u201e 1,2\t26 Vs : 36\t20:30\t24 :30\t74\t67\t80\t73\n0,8 \u201e 0,3\t11: 24\t4 Vs : 20\t11 :20\t46\t22 Vs\t55\t41\n\u2014 0,1 bis 0,3\t11 Vs :24\t18 V2:20\t12 Vs : 20\t48\t92\t62 Vs\t63\n0,4 \u201e 0,7\t27 Vs : 36\t28 Vs : 30\t20:30\t76\t95\t67\t79\n1,0 \u201e 1,8\t25:30\t23 Vs : 25\t20:25\t83\t94\t80\t86\n2,3 \u201e 3,6\t17:18\t15:15\t12 Vs : 15\t94\t100\t83\t93\nEs sind hier, wie fr\u00fcher, zur Erzielung gr\u00f6fserer Uebersicht-lichkeit aus den Einzelwerthen der Verstimmungen Zonen gebildet und die darunter fallenden Urtheile zusammengerechnet.\nZun\u00e4chst die Ergebnisse f\u00fcr Stumpf, die am Deutlichsten sprechen, lassen keinen Zweifel, dafs f\u00fcr diesen Beobachter der subjective Reinheitspunkt erst bei einer erheblichen Vergr\u00f6fserung des Intervalls liegt. Verkleinerungen wurden fast ausnahmslos als Verkleinerungen aufgefafst, selbst wenn sie nur 0,1 bis 0,3 Schwingungen betrugen; dagegen wurde eine Vergr\u00f6fserung von 0,3 bis 0,8 immer noch viel h\u00e4ufiger als Verkleinerung denn als Vergr\u00f6fserung aufgefafst. Eine grofse Terz mufste, um diesem Beobachter unter den angegebenen Umst\u00e4nden als rein zu erscheinen, objectiv mindestens um eine Schwingung zu grofs sein.\nBei den anderen Beobachtern l\u00e4fst sich Analoges erkennen, wenn man statt der kleinsten Abweichungen nach der Minusseite die zweite Zone ins Auge fafst, welche ja auch in Hinsicht der Grofse der Verstimmung erst ungef\u00e4hr der ersten auf der Plusseite entspricht. Hier stehen bei Biedermann 76 % richtige Urtheile gegen 46 auf der Plusseite, bei Meyer 67 \u00b0/0 gegen 55.\nDa also auch bei diesen Beobachtern der n\u00e4mliche Zug, wenn auch nicht in solchem Maafse ausgepr\u00e4gt, sich findet, hat die Addition der Ergebnisse auch hier einen Sinn; und so mag","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 340] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 103\nder Gang der Procentzahlen in der letzten Rubrik uns beil\u00e4ufig das durchschnittliche Verhalten von Individuen mit gutem Geh\u00f6r unter den vorliegenden Umst\u00e4nden versinnlichen. Dabei ist immer zu beachten, dafs die drei \u00e4ufseren Zonen auf beiden Seiten sich in Hinsicht der Gr\u00f6fse der Verstimmungen ungef\u00e4hr entsprechen, w\u00e4hrend die innerste Zone der Minusseite kein Pendant auf der Plusseite hat. So erhalten wir wieder eine Ur~ theilscurve, die die ungleiche Empfindlichkeit f\u00fcr Vergr\u00f6fserung gegen\u00fcber Verkleinerung des Intervalls deutlich wiedergiebt. Noch weit sch\u00e4rfer tritt das Verhalten aber in Stumpe\u2019s Urtheils-eurve f\u00fcr sich allein hervor.\nErgebnisse f\u00fcr die kleine Terz (500 : 600).\nBetrag\nder Verstimmung des h\u00f6heren Tons\nVerh\u00e4ltnifs der richtigen Urtheile zu s\u00e4mmtlichen Urtheilen\nBiedermann\nStumpf\nMeyer\n% richtige TJrtheile B. St. M.\n+ 3,5 bis 2,0 1,7 \u201e 1,2 0,8 \u201e 0,3\n-0,1 \u201e 0,3 0,4 \u201e 0,7 1,0 \u201e 1,8 2,3 \u201e 3,6\n25 : 27 15 : 18 9% : 12\n47 V. 54 28: 36 10: 24\n3511: 45 23% : 30 12 : 20\n93\n83\n79\n88\n78\n42\n79\n78\n60\n7 : 12 10% : 18 10: 15 6 : 9\n18 : 24 28:36 27% : 30 16 :18\n11%: 20 19% : 30 15 : 25 9% : 15\n58\n58\n67\n67\n75\n78\n92\n57 % 65 60 63\nMit der Tabelle f\u00fcr die kleine Terz im 1. Capitel (S. 96) l\u00e4fst sich diese nicht durchweg vergleichen, weil die angewandten Verstimmungen diesmal im Ganzen kleiner sind und die Zonen beiderseits nicht zusammenfallen. Doch liefern \u00e4hnliche Zonen hier und dort \u00e4hnliche Zahlen (z. B. die Zone + 3,5 bis + 2,0 hier 86%, bez. ohne Meyer 89%%, dort die Zone +3,9 bis + 2,5 90%. Die Zone \u20142,3 bis \u20143,6 hier 75% bez. 81 % %, dort 73 %).\nDagegen ist es nun sehr auffallend, dafs in der Hauptsache, in dem Verhalten gegen Verkleinerungen und Vergr\u00f6fserungen, bei Stumpe ein dem fr\u00fcheren gerade entgegengesetztes Ergebnifs herauskommt. Eine \u00e4ufserst geringe Verkleinerung","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nG. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII341]\nwird hier schon in 75 % F\u00e4llen als Verkleinerung beurtheilt, eine Zone gleicher und st\u00e4rkerer Vergr\u00f6fserung dagegen als Ver-gr\u00f6fserung nur in 42% F\u00e4llen. Wonach man schliefsen m\u00fcfste, dafs der subjective Reinheitspunkt bei der kleinen Terz ebenso wie bei der grofsen auf der Plusseite liege ; entgegengesetzt dem was wir im 1. Capitel fanden. Bei den zwei anderen Beobachtern zeigt sich das fr\u00fchere Verhalten wenigstens insofern, als auf der Minusseite \u00fcberhaupt, auch in der Zone gr\u00f6fster Verstimmung, lange nicht so viele richtige Urtheile Vorkommen wie auf der Plusseite.\nWegen des stark abweichenden Verhaltens von Stumpf mufs man hier davon absehen, die Ergebnisse der drei Beobachter zusammenzurechnen, da dies nur zu Fehlschl\u00fcssen f\u00fchren k\u00f6nnte. Aber wie erkl\u00e4rt sich dieses Verhalten selbst gegen\u00fcber dem fr\u00fcheren desselben Beobachters?\nWer sich die Sache leicht machen will, braucht nur zu sagen, dafs \u201eangesichts so widersprechender Ergebnisse die Versuche werthlos sind\u201c. Wissenschaftlicher aber scheint es, angesichts der regelm\u00e4fsigen Anordnung der Tabellen hier wie dort eine Interpretation zu versuchen, die uns in der Erkenntnifs der Urtheilsbedingungen weiterf\u00fchrt. Handelte es sich um die Feststellung einer physikalischen Thatsache, so w\u00fcrden freilich widersprechende Beobachtungsreihen einfach auf eine Fehlerquelle hindeuten, die die eine von beiden Reihen oder beide werthlos macht. Hier aber ist ja gerade das Verhalten des Urtheils selbst Gegenstand der Untersuchung und kann man von Fehlerquellen nur dann und insofern reden, als eine Untersuchung evident zweckwidrig angestellt w\u00e4re, als ein Einflufs, den man von vornherein h\u00e4tte Voraussagen k\u00f6nnen, die Ableitung neuer Erkenntnisse \u00fcber die Bestimmungsgr\u00fcnde des Urtheils aus den Tabellen unm\u00f6glich machte. Dies ist aber hier nicht der Fall. Ein Factor, wie er hier gewirkt haben mufs, liefs sich unm\u00f6glich voraussehen. Und so kann vielleicht gerade die Abweichung der Ergebnisse uns etwas \u00fcber wechselnde Bedingungen des Reinheits-urtheils lehren.\nIch halte es f\u00fcr wahrscheinlich, und die Selbstbeobachtung scheint es mir, so weit sie in der Erinnerung m\u00f6glich ist, zu best\u00e4tigen, dafs eine Art von Umstimmung des akustischen Geschmackes die Schuld tr\u00e4gt. Wenn man, wie es bei den neuen Versuchen der Fall war, mit grofsen Terzen begonnen","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 342] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 105\nund l\u00e4ngere Zeit mit ihnen experimentirt hat, so kann sich, da hier die Vergr\u00f6fserung bevorzugt wird, eine Vorliebe f\u00fcr sch\u00e4rfere Intonation \u00fcberhaupt herausbilden, die dann auch auf die kleine Terz wirkt, wenn man unmittelbar zu dieser \u00fcbergeht. Man kann an die Analogien des Geschmackssinnes denken, an die Gew\u00f6hnung an scharfgew\u00fcrzte oder saure oder s\u00fcfse Speisen. Ein an Pfeffer gew\u00f6hnter Gaumen findet die normalgew\u00fcrzten Speisen schal. In unserem Fall w\u00fcrde ich nun zwar nicht eine Umstimmung der Empfindung als solcher annehmen, wie sie beim Geschmackssinn stattfindet, sondern nur eine Umstimmung des \u00e4sthetischen Gef\u00fchls und Urtheils. Aber auch der Geschmack im \u00e4sthetischen Sinne bietet Beispiele genug f\u00fcr solche Umstimmungen.\nEs sind, scheint es, drei F\u00e4lle zu unterscheiden. In der Musik, wenn Dur und Moll in einzelnen Accorden best\u00e4ndig mit einander wechseln, d\u00fcrfte in Folge des Bed\u00fcrfnisses der Con-trastirung die Durterz noch etwas vergr\u00f6fsert, die Mollterz verkleinert werden. Eine gegebene reine Mollterz erscheint dann also noch zu grofs. Wenn aber auf eine ganze Versuchsreihe mit der grofsen Terz ohne hinreichende Zwischenpause eine solche mit der kleinen Terz folgt (diese Versuchsreihen wurden \u00f6fters unmittelbar nach einander oder an demselben Tage ausgef\u00fchrt), dann scheint eine Gew\u00f6hnung an scharfe Intonation zu wirken und das Bed\u00fcrfnifs ausdrucksvoller Con-trastirung dagegen zur\u00fcckzutreten. Eine gegebene reine Mollterz erscheint dann also zu klein. Wenn endlich bei Versuchsreihen gr\u00f6fsere Zwischenpausen eingehalten oder gar (wie bei den Versuchen des 1. Cap.) nur kleine Terzen vorgelegt werden, dann wirken die musikalischen Erfahrungen nach und bedingen wieder eine Neigung zur Verkleinerung des Intervalls, das reine erscheint zu grofs.\nDafs bei den anderen Beobachtern der n\u00e4mliche Factor nicht eine Verlegung des subjectiven Reinheitspunktes auf die Plusseite, sondern nur eine weniger als sonst ausgesprochene Bevorzugung der Minussseite zur Folge hatte, h\u00e4ngt wohl damit zusammen, dafs bei Stumpf \u00fcberhaupt die Einfl\u00fcsse, die den subjectiven Reinheitspunkt vom objectiven nach der einen oder anderen Seite hin verschieben, besonders wirksam scheinen, wie wir dies fr\u00fcher bereits fanden und auch sp\u00e4ter noch finden","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"C. Stumpf und M. Meyer.\n106\n[XVIII. 343]\nwerden. So stofsen wir hier auch auf bemerkenswerthe wenngleich nur graduelle Unterschiede der Individuen.\nUnter den w\u00e4hrend dieser Versuche gemachten Notizen finde ich auch die, dafs mich nach einer l\u00e4ngeren Versuchsreihe mit kleinen Terzen eine einzelne grofse geradezu unangenehm ber\u00fchrte , in welcher Abstimmung sie auch vorgelegt wurde. Aehnliches berichteten auch andere Beobachter. Es findet also der Einflufs auch in umgekehrter Richtung statt. Und es w\u00e4re m\u00f6glich, dafs die Neigung zur Vergr\u00f6fserung der grofsen Terz ohne solchen Einflufs von Seite der kleinen in den Versuchen noch st\u00e4rker hevorgetreten w\u00e4re.\nIst die angegebene Deutung des Befundes richtig, so lehrt dies Beispiel doch zugleich aufs Neue, wie vorsichtig man bei Folgerungen aus Versuchstabellen sein mufs. W\u00e4re zuf\u00e4llig nicht fr\u00fcher die kleine Terz f\u00fcr sich allein untersucht worden, so h\u00e4tte man aus den obigen Tabellen eine Neigung vermuthen k\u00f6nnen, Terzen \u00fcberhaupt oder wenigstens aufsteigende Terzen zu erh\u00f6hen. Oder w\u00e4ren nicht zuf\u00e4llig die n\u00e4mlichen Beobachter fr\u00fcher wie jetzt th\u00e4tig gewesen, so h\u00e4tte man wahrscheinlich sich begn\u00fcgt zu sagen: Mancher w\u00fcnscht die kleine Terz vermindert, Mancher vergr\u00f6fsert.\n2. Eine zweite Methode bestand darin, dafs unter den 37 Zungen nur wenige Paare ausgew\u00e4hlt wurden, eine Zunge in jeder Versuchsreihe unter dem objectiven Reinheitspunkt 600, eine dar\u00fcber; und dafs nun die bez\u00fcglichen beiden Verstimmungen in ganz ungeordneter Folge vorgelegt wurden. Einer der drei Betheiligten legte die Intervalle vor, ein Anderer oder die beiden Anderen hatten immer ihr Urtheil aufzuschreiben. Jeder durfte sich beliebige Wiederholung eines Versuchs ausbitten, bis er sicher zu sein glaubte.\nHier war es besonders wichtig, dafs je zwei zusammengeh\u00f6rige Zungen ai und a2, und &2 u. s. f. sich nicht merklich durch die Klangfarbe unterschieden. Es wurden daher nur solche, die in dieser Hinsicht ununterscheidbar \u00e4hnlich waren, zugelassen. Vorher wurde die Probe gemacht, oh die Beobachter im Stande waren, die Zungen an der Farbe wiederzuerkennen, in welchem Falle die Combination unbrauchbar war. Dafs auch eine Unterscheidung hinsichtlich der absoluten Tonh\u00f6he ausgeschlossen war, wurde ebenfalls festgestellt, indem der Grundton bei Seite gelassen und nur die beiden Zungen a1 und \u00ab2 u. s. w.","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 344] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 107\nin entsprechendem Zeitabstande vorgelegt wurden, mit der Frage, ob es die h\u00f6here oder die tiefere sei.\nZwischen allen Versuchen einer Reihe wurden betr\u00e4chtliche Pausen gemacht und diese Pausen meist auch mit Gespr\u00e4ch ausgef\u00fcllt, um auch so die M\u00f6glichkeit eines Vergleichens der absoluten Tonh\u00f6hen der T\u00f6ne ax und a2 u. s. w. auszuschliefsen.\nBei der Auswahl der beiden in einer Versuchsreihe zu com-binirenden Verstimmungen h\u00e4tte es am n\u00e4chsten gelegen, sie gleich grofs zu nehmen, und zwar nat\u00fcrlich gleichweit entfernt vom subjectiven Reinheitspunkt. Eine Kenntnifs des letzteren w\u00fcrde also hier schon vorausgesetzt sein, und die Versuche k\u00f6nnten in dieser Hinsicht nur als Contr\u00f4le dienen. Aber einmal ist die Lage des Punktes nicht hinreichend genau zu bestimmen und w\u00e4re bei der kleinen Terz die Frage entstanden, inwieweit der zuletzt besprochenen Verschiebung Rechnung zu tragen sei, sodann waren auch nicht immer entsprechende Zungen von gen\u00fcgend gleicher Klangfarbe vorhanden. In Wirklichkeit wurden f\u00fcr beide Terzen die n\u00e4mlichen Zungenpaare ben\u00fctzt, und zwar immer gr\u00f6fsere Verstimmungen nach der Plusseite als nach der Minusseite, ohschon dies nur bei der grofsen Terz mit der Lage des subjectiven Reinheitspunktes unzweifelhaft \u00fcbereinstimmte. Folgende Erw\u00e4gungen werden aber zeigen, dafs es diesmal \u00fcberhaupt nicht wesentlich auf den genannten Punkt ankam.\nMan mufs im Grunde sagen, dafs bei allen solchen Untersuchungen jede neue \u201eMethode\u201c zugleich einen neuen Gegenstand bedeutet. Immer wird durch die ver\u00e4nderten Umst\u00e4nde doch auch die Fragestellung selbst mehr oder minder verschoben. Es wird nicht mehr genau dasselbe Urtheil, dieselbe psychologische Leistung nur auf anderem Wege untersucht, sondern auch dem Urtheil selbst eine andere Richtung, ein anderer Gegenstand gegeben. Mag es sich immerfort um die Reinheit von Terzen handeln : das ist doch nur ein ganz ahstractes St\u00fcck der Fragestellung, die n\u00e4heren Umst\u00e4nde k\u00f6nnen den Sinn der Frage psychologisch wesentlich alteriren, auch selbst wenn sie den Worten nach unver\u00e4ndert geblieben ist. So ist es hier. Der Urtheilende weifs, dafs es sich nur um zwei Intervalle handelt, und dafs das eine ohjectiv und vielleicht auch subjectiv zu grofs, das andere zu klein ist. Dadurch ist seinem Bewufst-sein eine gewisse Determination gegeben: das Urtheil dar\u00fcber,","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII 345]\nwelches Intervall zu grofs und welches zu klein ist, f\u00e4llt nun zusammen mit dem Urtheil, welches das gr\u00f6fsere und welches das kleinere von beiden ist.\nAllerdings entscheidet er sich hier\u00fcber \u2014 das entspricht nicht blos unserer bestimmten Selbstbeobachtung sondern ist auch nach den Versuchsumst\u00e4nden nicht anders m\u00f6glich \u2014 auf Grund des Eindrucks \u201ezu grofs\u201c oder \u201ezu klein\u201c. Aber dieser Eindruck selbst ist mitbestimmt durch die augenblickliche Sachlage, er besteht in einem Gef\u00fchl der gr\u00f6sseren oder geringeren Spannung, der relativen Sch\u00e4rfe oder Mattigkeit des Intervalls, wobei \u201erelativ\u201c zu betonen ist. Es h\u00e4tten vielleicht auch beide Verstimmungen in einer Versuchsreihe auf der Plus- oder beide auf der Minusseite genommen werden und sich doch dieser selbe Unterschied des Gef\u00fchls einstellen k\u00f6nnen, nachdem sie einige Male geh\u00f6rt worden waren. Die Sch\u00e4rfe oder Mattigkeit eines Intervalls ist in solchem Falle nicht blos abh\u00e4ngig von dem Betrag und der Richtung der Verstimmung, sondern auch von dem zweiten Intervall, mit welchem es abwechselt. Man k\u00f6nnte sagen, dafs der subjective Reinheitspunkt in Folge dessen etwas Relatives erh\u00e4lt, dafs er seine Stelle je nach der Beschaffenheit der beiden Intervalle ver\u00e4ndert, aber nat\u00fcrlich nur innerhalb enger Grenzen. Dar\u00fcber hinaus tritt das absolute Reinheitsurtheil in seine Rechte, und der Beobachter wird dann, wenn also die Verstimmungen beide zu weit nach der einen Seite vorgeschoben werden, nicht mehr eines f\u00fcr zu grofs, das andere f\u00fcr zu klein ansehen, sondern dabei bleiben, dafs beide zu klein oder beide zu grofs sind.\nDieser Einflufs der beiden in einer Versuchsreihe ben\u00fctzten Intervalle auf einander erheischt und verdient noch - eine genauere psychologische Formulirung. Er ist nicht als eine Contrastwirkung im gew\u00f6hnlichen Sinn aufzufassen, da die Intervalle zeitlich zu weit getrennt waren. Er beruht auch nicht auf einer Vergleichung des augenblicklichen Intervalles mit dem Ge-d\u00e4chtnifsbild des anderen: denn ebensowenig wie die absolute Tonh\u00f6he des variablen Tones von einem zum anderen Versuch im Ged\u00e4chtnifs behalten und verglichen wurde, ebensowenig und noch weniger geschah dies mit dem Intervall selbst, das aus dem variablen und dem constanten Ton zusammengesetzt war. Sondern der Beobachter orientirte sich \u2014 so mufs man nach den Erinnerungen und der Sachlage annehmen \u2014 zun\u00e4chst an irgend","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 346] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 109\neinem der ersten F\u00e4lle innerhalb dieser Reihe, einem, der ihm ganz deutlich erschien, bei dem er das Gef\u00fchl des Scharfen oder des Stumpfen in ausgesprochener Weise hatte. Dieses Gef\u00fchl nun blieb allerdings im Ged\u00e4chtnifs, mit seiner charakteristischen Qualit\u00e4t und Intensit\u00e4t. Und wenn dann ein Intervall erschien, woran man einen solchen Charakter nicht deutlich wahrnahm, so wurde es als das entgegengesetzte aufgefafst, erlangte aber zugleich in Folge dessen im Bewufstsein des H\u00f6renden auch wirklich in gewissem Grade den umgekehrten Gef\u00fchls-charakter. Dieser Vorgang erscheint sehr bemerkenswerth.\nEin Contrast also lag vor, aber nicht ein Empfindungs-contrast, sondern ein Gef\u00fchlscontrast, und auch dieser nicht in Folge einer unmittelbaren Aufeinanderfolge der Empfindungen (wie beim Farbencontrast) oder einer Vergleichung mit H\u00fclfe des Ged\u00e4chtnisses, sondern in Folge eines unwillk\u00fcrlichen Auffassungsvorganges. Ich betone aber, dafs das Intervall, das unter dem Einflufs des Contrastes stand, nicht etwa blos durch einen logischen Exclusionsschlufs seiner Eigenth\u00fcmlichkeit nach erkannt und benannt wurde. Es trug in der That einen entsprechenden Gef\u00fchlscharakter. Nur hatte es diesen erst durch den Gegensatz zu dem anderen Intervall erworben, w\u00e4hrend es an sich vielleicht noch als rein empfunden worden w\u00e4re ; oder wenigstens war jener Charakter durch den Gegensatz gesteigert worden.\nIch will auch nicht sagen, dafs es durchg\u00e4ngig so gewesen w\u00e4re, sondern nur, dafs ein solcher Einflufs vielfach mitbestimmend war.\nDie Urtheilenden gaben in Folge dessen auch vielfach an, dafs ihnen die beiden Intervalle gleichweit vom subjectiven Reinheitspunkt entfernt, um den gleichen Betrag verstimmt erschienen, wenn dies auch der sonstigen Lage des Reinheitspunktes nicht entsprach. In anderen Reihen allerdings, wurde die Verstimmung als ungleich grofs beurtheilt. Namentlich wurde bei der grofsen Terz das vergr\u00f6fserte Intervall trotz der objectiv st\u00e4rkeren Verstimmung meistens noch als wohl brauchbar und nur das verkleinerte als merklich verstimmt empfunden ; wieder ein Zeichen f\u00fcr die entschiedene Bevorzugung der Plusseite bei der grofsen Terz.\nSoviel, um das Verfahren in Hinsicht der zu den Versuchen benutzten Toncombinationen gegen den Vorwurf der Willk\u00fcrlich-keit zu sch\u00fctzen. Denn es geht aus diesen Erw\u00e4gungen hervor, dafs ein gleicher Abstand der beiden variablen T\u00f6ne vom sub-","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 34 7]\njectiven Reinheitspunkt nicht in erster Linie nothwendig war. Zugleich ist uns aber dabei wieder ein Theil des psychologischen Mechanismus der Reinheitsurtheile klar geworden, auf den wir im Uebrigen zun\u00e4chst nicht mehr als nothwendig eingehen wollen.\nUm \u00fcbrigens die Methode auch f\u00fcr die Ermittelung des subjectiven Reinheitspunktes brauchbar und \u00fcberhaupt allgemeiner anwendbar zu machen, bedarf sie nur einer Erweiterung : man mufs nicht blos zwei sondern eine Mehrzahl von positiven und negativen Verstimmungen in jeder Versuchsreihe vorlegen. In dieser vollkommeneren Form ist sie nachher von M. Meyer angewandt worden (3. Cap.).\nDie Intervalle wurden auch diesmal nur auf steigend genommen. Die Umkehrung h\u00e4tte unter diesen Umst\u00e4nden keine besonderen Belehrungen bringen k\u00f6nnen.\nErgebnisse f\u00fcr die grofse Terz (480:600).\nVerstimmungen des Tones 600\tV richtigen zi Biedermann\trerh\u00e4ltnifs dt i s\u00e4mmtliche Stumpf\tn m Urtheilen Meyer\t\u00b0|0 richtige Urtheile f\u00fcr Bied.-|- St.\na) + 1,5 |\t40 : 40\t31 : 35\t47 : 60\t95\n\u2014 0,3 /\t\t\t\t\nb) + 1,2 1\t29 : 30\t26 : 30\t24 : 40\t92\n\u2014 0,3 J\t\t\t\t\nc) + 0,8 |\t29 : 30\t19 : 30\t\t80\n\u2014 0,2 /\t\t\t\t\nd) + 0,6 )\t15 : 30\t20 : 30\t\t58\n- 0,1 /\t\t\t\t\nDie erste Columne der Tabelle giebt die Stimmung der beiden Zungen an, die abwechselnd mit 480 verbunden dem Ur-theil vorgelegt wurden, a), b), c), d) sind die vier untersuchten Paare von Verstimmungen. Die in den drei folgenden Rubriken angegebenen Verh\u00e4ltnifszahlen sind jedes Mal aus 3\u20146 Versuchsreihen gewonnen, da jede Versuchsreihe wegen der besonderen damit verbundenen Anstrengung gew\u00f6hnlich nur 10 F\u00e4lle um-fafste. Die ersten F\u00e4lle einer Reihe wurden nach Beendigung der Reihe immer noch einmal vorgelegt.\nDer Abstand der beiden variablen T\u00f6ne des Intervalls wird","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 348] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. HI\nvon a) bis d) immer geringer, von 1,8 bis zu 0,7. Man sieht, wie dem entsprechend auch die Sicherheit des Urtheils geringer wird. Bei Meyee ist sie schon bei b) fast ganz verloren, indem die richtigen Urtheile nur wenig die falschen \u00fcberwiegen. Bei Biedebmann bleibt sie bis c) eine fast unfehlbare, sinkt dagegen in d) auf den Nullpunkt; w\u00e4hrend bei Stumpe die richtigen zu den s\u00e4mmtlichen F\u00e4llen in den beiden letzten Gruppen sich wie 2:3 verhalten. Diese individuellen Unterschiede gr\u00fcnden bei Meyee jedenfalls in seiner damaligen relativ noch geringeren Uebung, bei Bied. und St. dagegen wohl in zuf\u00e4lligen Dispositionen, auf die bei derartigen Versuchen unstreitig viel ankommt. Die Zahl der Versuche ist nicht grofs genug, um solche v\u00f6llig auszugleichen. Bei der kleinen Terz werden wir, w\u00e4hrend sonst die Ergebnisse analog sind, f\u00fcr die F\u00e4lle c) und d) nichts derartiges finden. Wir d\u00fcrfen daher diesen Unterschied als zuf\u00e4llig betrachten- und rechnen auch hier am besten die Ergebnisse, wenigstens f\u00fcr diese beiden Beobachter, zusammen, wie in der letzten Rubrik geschehen ist.\nMan darf hiernach sagen, dafs ein gut musikalisches und akustisch ge\u00fcbtes Ohr noch im Stande ist, zwei grofse Terzen mittlerer Tonlage in Hinsicht ihrer Reinheit noch zu unterscheiden, wenn ihr Unterschied auch nur, wie bei c), eine einzige Schwingung betr\u00e4gt. Bei einer Differenz von zwei Schwingungen kann das Urtheil unter solchen Umst\u00e4nden als unfehlbar gelten.\nErgebnisse f\u00fcr die kleine Terz (500 : 600).\nVerstimmungen des Tons 600\na)\t+ 1,5 1\n\u2014\t0,3 /\nb)\t+1,2 |\n\u2014\t0,3 /\nc)\t+0,8 |\n\u2014\t0,2 /\nd)\t+ 0,6 t \u2014 0,1 /\nV richtigen zu Biedermann\tbrh\u00e4ltnifs de . s\u00e4mmtliche: Stumpf\tn a Urtheilen Meyer\t01 Io richtige Urtheile \u00fcberhaupt\n10 : 10\t9 : 10\t28 : 30\t94 (95)\n30 : 30\t27 : 30\t22 : 30\t88 (951\n30:30\t26 : 30\t20 : 30\t84 (93)\n21 : 30\t20 : 30\t17 : 30\t64 (68)","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nG. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 349]\nWiederum ist f\u00fcr Meyer die Grenze der Sicherheit fr\u00fcher eingetreten als f\u00fcr die beiden anderen: sein Verhalten bei c) entspricht dem der anderen bei d). Aber die Verschiedenheit ist hier \u00fcberhaupt nicht so grofs. W\u00e4hrend die grofse Terz f\u00fcr Meyer schon bei b) nahezu ebensoviel falsche als richtige Ur-theile lieferte, ist dies hier erst bei d) der Fall. Seine Zahlen sind darum in der letzten Rubrik mitgerechnet, um ein Bild des durchschnittlichen Verhaltens ge\u00fcbter Ohren zu bekommen; in Klammern sind die Procentzahlen f\u00fcr Biedermann -f Stumpe beigef\u00fcgt.\nDafs im Ganzen diese Tabelle noch etwas g\u00fcnstigere Ergebnisse zeigt als die f\u00fcr die grofse Terz, mag theilweise vielleicht auf dem geringeren Tonabstand der Intervallt\u00f6ne beruhen, haupts\u00e4chlich aber wohl auf noch weiter gesteigerter Uebung, da diese Versuche zeitlich auf die mit der grofsen Terz folgten.\nNicht ohne Interesse ist endlich die Verteilung der falschen F\u00e4lle auf die beiden Verstimmungen in den verschiedenen Versuchsreihen. Alle Beobachter zusammengenommen (ihr Verhalten war darin ein gleichm\u00e4fsiges) vertheilen sich die falschen Urtheile so:\nGrofse Terz\t\tKleine\tTerz\nMinusseite\tPlusseite\tMinusseite\tPlusseite\nl\t10\t7\t2\t1\ni\tU\t10\t9\t2\nl\t6\t6\t8\t6\nI\t10\t15\t18\t14\nBei der grofsen Terz kommen also, wenn wir von der gr\u00f6fsten Differenz (\u00e0) ausgehen, zuerst mehr falsche Urtheile bei den negativen Verstimmungen, zuletzt mehr bei den positiven. Da die Abnahme der Verstimmung wesentlich auf der Plusseite erfolgte (von -j- 1,5 bis zu -f- 0,6), und der subjective Reinheitspunkt der grofsen Terz entschieden auf dieser Seite liegt, so ist die Verschiebung unschwer zu begreifen. Zuerst liegt eben die Verstimmung noch hinreichend jenseits des Reinheitspunktes, zuletzt r\u00fcckt sie ihm sehr nah, ja \u00fcber den normalen Reinheitspunkt hinaus, so dafs hier nur durch den oben geschilderten psychologischen Vorgang noch sozusagen k\u00fcnstlich-richtige Urtheile entstehen.\nBei der kleinen Terz hingegen bleibt das Uebergewicht der","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 350] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. H3\nfalschen F\u00e4lle immer auf der negativen Seite. Dies wird damit Zusammenh\u00e4ngen, dafs der normale subjective Reinheitspunkt hier eben auf dieser Seite liegt, so dafs also die Verstimmungen, die ohnedies auch physikalisch auf dieser Seite \u00e4ufserst gering sind, psychologisch (vom subjectiven Reinheitspunkt gerechnet) zu Null oder gar umgekehrt zu Vergr\u00f6fserungen werden und man geneigter ist, ein solches Intervall als zu grofs zu sch\u00e4tzen. Man h\u00e4tte es wahrscheinlich in noch viel mehr F\u00e4llen gethan, h\u00e4tte nicht wieder jener psychologische Contrastvorgang entgegengewirkt, der die Tendenz hat, den subjectiven Reinheitspunkt gegen die Mitte der beiden ben\u00fctzten Verstimmungen, also mehr gegen die Plusseite hin, zu verschieben.\nFreilich sind die Zahlen dieser letzten Tabelle \u00fcberhaupt nur klein und k\u00f6nnen ein paar falsche Urtheile mehr oder weniger leicht Product des Zufalls sein, deswegen wollen wir auf die Erscheinungen der Vertheilung nicht zuviel Gewicht legen, wenn auch ihre Uebereinstimmung mit den fr\u00fcheren Ergebnissen und Betrachtungen bemerkenswerth erscheint.\nAls wesentliche Ergebnisse der bisher beschriebenen Versuche m\u00f6chte ich die folgenden bezeichnen:\n1.\tBei der kleinen Terz mit zeitlicher Aufeinanderfolge der beiden T\u00f6ne wird von musikalisch Ge\u00fcbten unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden eine Verkleinerung des Intervalls anstatt der sog. nat\u00fcrlichen Stimmung 5 : 6 vorgezogen, und zwar besonders bei auf steigender Tonbewegung. Die Verkleinerung ist jedoch bei weitem nicht so grofs wie die der temperirten oder der pythagoreischen kleinen Terz; sie betr\u00e4gt f\u00fcr die mittlere Tonlage, soweit sich ein bestimmtes Maafs erschliefsen l\u00e4fst, beil\u00e4ufig U/a Schwingungen.\n2.\tBei der grofs en Terz wird unter gleichen Umst\u00e4nden umgekehrt eine Vergr\u00f6fserung des Intervalls an Stelle des Verh\u00e4ltnisses 4 : 5 vorgezogen (der Unterschied der auf- und absteigenden Tonbewegung ist nicht untersucht). Die Vergr\u00f6fserung betr\u00e4gt aber wiederum viel weniger als die der temperirten und der pythagoreischen grofsen Terz und kann f\u00fcr die mittlere Tonlage mit gleicher Reserve auf etwa 1 Schwingung gesch\u00e4tzt werden.\n3.\tIndividuelle Unterschiede sind nicht zu verkennen,,\nStumpf, Beitr\u00e4ge II.\t8","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"C. Stumpf und M. Meyer.\n114\n[XVIII351]\nauch unter den Musikalischen und Ge\u00fcbten, doch scheinen sie nur gradueller Natur zu sein.\n4.\tWar das Geh\u00f6r l\u00e4ngere Zeit durch Reinheitsversuche \u00fcber die grofse Terz in Anspruch genommen, so kann es auch f\u00fcr die kleine zeitweilig in gleichem Sinn umgestimmt werden (umgestimmt in \u00e4sthetischer Bedeutung des Wortes). Dieser Einflufs ist aber wieder individuell sehr ungleich und trat nur bei dem Beobachter, der zugleich die st\u00e4rkste Neigung zur Alte-rirung der Intervalle \u00fcberhaupt zeigte, so kr\u00e4ftig in die Erscheinung, dafs geradezu eine Umkehrung in der Richtung der bevorzugten Intonation entstand.\n5.\tWenn nur zwei wenig verschiedene Abstimmungen ein-unddesselben Intervalls \u00f6fters nach einander (wenn auch mit gr\u00f6fseren Pausen) vorgelegt werden, so kann dasjenige, das dem Beobachter deutlicher nach einer Richtung hin verstimmt erscheint, auf die Sch\u00e4tzung des anderen einen Einflufs in dem Sinn \u00fcben, dafs dieses nun deutlicher, als es aufserdem der Fall w\u00e4re, nach der umgekehrten Richtung verstimmt erscheint (G e -f\u00fchlscontrast).\nMit R\u00fccksicht auf Nr. 4 und 5 mufs man zugeben, dafs der subjective Reinheitspunkt auch bei dem n\u00e4mlichen Individuum durch die augenblicklichen Versuchsumst\u00e4nde, abgesehen noch von allem musikalischen Zusammenhang, verschoben werden kann.\nDrittes Capitel.\nVersuche mit grofser Terz, Quinte und Octave.\n(M. Meyeb.)\n1. Technische Einrichtungen. Es kam bei diesen Versuchen darauf an, die Intervalle einerseits durch m\u00f6glichst einfache, andererseits durch m\u00f6glichst obertonreiche T\u00f6ne darzustellen. Als Tonquellen dienten deshalb Stimmgabeln auf Resonanzkasten, bei denen mit unbewaffnetem Ohre kein Oberton wahrgenommen werden konnte, und kr\u00e4ftig angeblasene Zungen, die \u00fcber 20, zwar nicht s\u00e4mmtlich h\u00f6rbare, aber ob-jectiv nachzuweisende Obert\u00f6ne geben, also wohl eine der sch\u00e4rfsten \u00fcberhaupt herzustellenden Klangfarben liefern. Als H\u00f6henlage wurde das Gebiet der ein- und zweigestrichenen","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 352] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 115\nOctave gew\u00e4hlt, da in diesem die gr\u00f6fste Sicherheit und Leichtigkeit des Urtheils zu erwarten war.\nZu den Versuchen mit Zungent\u00f6nen dienten je eine Zunge von 300, 400 und 480, sowie 37 Zungen von nahezu 600 Schwingungen. Von letzteren Zungen wurde die zu den Versuchen erforderliche Anzahl solcher ausgew\u00e4hlt, die m\u00f6glichst geringe Unterschiede der Klangfarbe und Tonst\u00e4rke zeigten, und durch Schaben auf die gew\u00fcnschte Stimmung gebracht. Da Zungen durch Temperaturschwankungen leicht ver\u00e4ndert werden, so wurde die Stimmung gen\u00fcgend oft controlirt.\nDie Intervalle rein zu stimmen ist bei T\u00f6nen von so scharfer Klangfarbe nicht schwer. Man braucht nur darauf zu achten, dafs Schwebungen der zusammenfallenden Obert\u00f6ne g\u00e4nzlich verschwinden. Die h\u00f6heren Obert\u00f6ne schweben der Natur der Sache nach bei minimalen Verstimmungen der Grundt\u00f6ne noch merklich langsam. Man kann daher, wenn man f\u00fcr den Fortfall aller merklichen Schwebungen sorgt, eine aufserordentliche Genauigkeit der Abstimmung erzielen.\nNach der so abgestimmten Normalzunge 600 wurden dann die anderen, etwas differirenden Zungen gestimmt, jedoch nicht durch Z\u00e4hlen der Schwebungen, die sie mit der Normalzunge machten, sondern auf indirecte Weise. Sehr nahe an einander liegende, von derselben Windlade aus angeblasene Zungen geben nicht so viel Schwebungen, als ihre Schwingungszahlen bei gesondertem Anblasen differiren, weil die Zungen bei kleinen H\u00f6henunterschieden sich an einander anpassen. Man mufs daher zun\u00e4chst eine H\u00fclfszunge bestimmen, die um mehrere Schwingungen von der Normalzunge abweicht, und dann die Schwebungen z\u00e4hlen, welche die abzustimmenden Zungen mit jener hervorbringen. Bei der Bedienung des Blasetisches mufs darauf geachtet werden, dafs der Reservebalg stets bis zu einer gewissen H\u00f6he gef\u00fcllt ist und nur wenige Centimeter grofse Schwankungen macht, da gr\u00f6fsere Schwankungen nicht ohne Einflufs auf den Winddruck und damit auf die Tonh\u00f6he der Zungen bleiben.\nDie bei den Versuchen benutzten Resonanzgabeln wurden zur Erzielung gleichm\u00e4fsiger Tonst\u00e4rke auf mechanischem Wege angeschlagen. Es ist eine bekannte Thatsache, dafs stark t\u00f6nende Gabeln einen tieferen Ton h\u00f6ren lassen als schwach\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 353]\nt\u00f6nende1 ; man mufs daher die Tonst\u00e4rke so gleichm\u00e4fsig machen, als man es erreichen kann. Aufserdem ist es auch leicht m\u00f6glich, dais durch unerwartete St\u00e4rkeschwankungen die Aufmerksamkeit der Versuchspersonen ung\u00fcnstig beeinflufst wird. Aus diesen Gr\u00fcnden wurde mechanischer Anschlag der Gabeln in Anwendung gebracht und zwar vermittelst federnder, mit Kautschukringen \u00fcberzogener H\u00e4mmer, von denen jeder einzeln auf einem besonderen Gestelle befestigt war und zur Kegulirung der Tonst\u00e4rke mit leichter M\u00fche etwas n\u00e4her an die Gabel herangebracht oder von ihr entfernt werden konnte. Die T\u00f6ne wurden zur m\u00f6glichsten Vermeidung aller st\u00f6renden Ger\u00e4usche so leise angegeben, als es, ohne die Beurtheilung zu erschweren, anging.\nDie gew\u00f6hnliche Art der Verstimmung der Gabeln durch Verschiebung eines Laufgewichts erwies sich nur bei den Versuchen mit der grofsen Terz im Zusammenklange als brauchbar, wobei Verstimmungen bis zu 7 Schwingungen angewandt wurden. Wenn es sich jedoch um Bruchtheile einer Schwingung handelt, ist die Verschiebung eines Gewichts nicht zu empfehlen, da der Einstellungsfehler zu grofs ist. Es wurde daher die bereits an anderer Stelle2 beschriebene Verstimmung vermittelst einer in die eine Zinke der Gabel eingesetzten Schraube zur Anwendung gebracht.\nEin rein gestimmtes Intervall ist bei Stimmgabeln nicht so leicht herzustellen, als hei Zungen. Da bei den als Tonquellen benutzten Gabeln keine Obert\u00f6ne geh\u00f6rt werden (obwohl sie objectiv vorhanden sind), so mufs man die Intervallreinheit durch Fortfall der Schwebungen des Differenztons feststellen. ' Ist z. B. bei der grofsen Terz der h\u00f6here Ton um eine Schwingung verstimmt, so h\u00f6rt man in einer Secunde vier Schwebungen des tiefen Differenztons. Doch m\u00fcssen die Gabeln zu diesem Zweck sehr stark zum T\u00f6nen gebracht werden.\nHat man auf diese Weise das reine Intervall hergestellt und\n1 Von Stumpf, Tonpsychologie Bd. I, S. 242, 253 f., II, 104 besprochen. Der von Schischmanow (Wundt\u2019s Philos. Studien V, S. 571) behauptete Gegensatz zwischen Stumpf und Mach besteht gar nicht. Schischmanow hat wohl Recht, wenn er sagt, Stumpf nehme an, dafs von zwei nahezu gleich hohen T\u00f6nen der st\u00e4rkere leicht f\u00fcr den h\u00f6heren gehalten werde. Aber hier handelt es sich nicht darum, wTie bei verschiedener St\u00e4rke ein Ton von beliebiger Klangfarbe beurtheilt, sondern in welcher H\u00f6he ein einfacher (physikalischer) Ton empfunden wird.\na S. oben S. 67.","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 354] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. H7\nzwar f\u00fcr zwei Gabeln des bei den Versuchen zu ver\u00e4ndernden Tones, so bleibt die Aufgabe, an der ver\u00e4nderlichen Gabel die Einstellungen der Schraube zu bestimmen, die den gew\u00fcnschten Abweichungen von der normalen Tonh\u00f6he entsprechen. Da Gabeln selbst bei kleinsten Differenzen sich nicht wie Zungen an einander anpassen, so kann man die Differenzen der Schwingungszahlen in diesem Falle leicht durch Z\u00e4hlen der Schwebungen feststellen, wenn die Gabeln nur gen\u00fcgend lange t\u00f6nen, um das Z\u00e4hlen einer hinreichend grofsen Zahl von Schwebungen zu gestatten. Doch mufs man ja ohnedies zu derartigen Versuchen Gabeln benutzen, deren D\u00e4mpfung so gering wie m\u00f6glich ist.\nMan kann jedoch bei der Benutzung von Schrauben zur Verstimmung auch so geringe H\u00f6henunterschiede recht genau abmessen, bei denen die Schwebungen gar zu langsam sind, als dafs man eine gr\u00f6fsere Zahl davon abz\u00e4hlen k\u00f6nnte, Differenzen von einer halben Schwingung und darunter. Man braucht nur zu untersuchen, nach welchem Gesetze sich die Tonh\u00f6he der Gabel mit der Drehung der Schraube \u00e4ndert. Dann kann man auch f\u00fcr ganz minimale Tonh\u00f6henunterschiede die entsprechende Einstellung der Schraube finden.\n2. Versuchspersonen. Es waren aufser Prof. Stumpe zwei Damen, Frl. Hutzelmann und Frl. Kohlrausch, und vier Herren, Horneeeer, Lange, Laurischkus und Dr. Loeweneeld, die mit gr\u00f6fster Bereitwilligkeit und aufserordentlicher Ausdauer als Beobachter fungirten. Diese Versuchspersonen sind s\u00e4mmt-lich hervorragend musikalisch, f\u00fcr Gesang oder f\u00fcr Instrumente oder f\u00fcr beides k\u00fcnstlerisch ausgebildet, zum Theil Z\u00f6glinge der Hochschule f\u00fcr Musik oder Studirende der Musikwissenschaft. Auch in den Ergebnissen zeigte sich eine gen\u00fcgende Gleichf\u00f6rmigkeit ohne hervorstechende individuelle Besonderheiten, wenn auch kleinere graduelle Unterschiede in der Sicherheit des Ur-theils hie und da zu bemerken waren. Dadurch erscheint es gerechtfertigt, wenn wir nachher die Urtheile aller aufser Stumpe zusammenrechnen, wodurch allein eine hinreichende Anzahl von Urtheilen gewonnen werden kann, ohne an die Zeit und Geduld der Theilnehmer unm\u00f6gliche Anspr\u00fcche zu stellen und die Gefahr der Ueberm\u00fcdung herbeizuf\u00fchren. Bei Stumpf wurde jedoch eine solche Anzahl von Urtheilen gewonnen, die f\u00fcr sich allein schon deutliche Bugelm\u00e4fsigkeiten erkennen l\u00e4fst und so eine Vergleichung mit den Collectivurtheilen erm\u00f6glicht ; \u00e4hn-","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"G. Stumpf und M. Meyer.\n118\n[XVIII. 355]\nlieh wie bei den fr\u00fcheren Versuchen \u00fcber Unterschiedsempfmd-lichkeit.1\n3. Verlauf der Versuche. Der vorher festgestellte Plan der Untersuchung erfuhr w\u00e4hrend der Versuche einige Ab\u00e4nderungen. Z. B. wurden zun\u00e4chst die Verstimmungen der Intervalle nach beiden Seiten hin gleich grofs und gleich zahlreich genommen. Bei der ersten Versuchsreihe stellte sich jedoch bereits heraus, dafs dies nicht durchf\u00fchrbar war. Die Beobachter fanden es auffallend, dafs fast gar keine zu grofsen Intervalle vorgekommen seien. W\u00e4re nun der objectiven Vergr\u00f6fserung der Intervalle nicht das Uebergewicht \u00fcber die Verkleinerung gegeben worden, so w\u00e4ren die Beobachter doch \u00f6fters in Versuchung gef\u00fchrt worden, ein Intervall f\u00fcr zu grofs zu erkl\u00e4ren, das ihnen gar nicht deutlich zu grofs erschien, da sie nun doch einmal die unvermeidliche Voraussetzung mitbringen, dafs ungef\u00e4hr gleich viel Intervalle von der einen und anderen Art Vorkommen werden; und es h\u00e4tte dann die merkw\u00fcrdige That-sache, dafs die subjectiv reinen Intervalle gr\u00f6fser als die in nat\u00fcrlicher Stimmung sind, nicht mit so grofser Bestimmtheit festgestellt werden k\u00f6nnen. Selbst bei der thats\u00e4chlich zur Anwendung gebrachten Vertheilung der verschiedenen Intervall-gr\u00f6fsen wiederholten sich die obigen Bemerkungen der Beobachter noch \u00f6fters. Die Neigung, die Intervalle gr\u00f6fser als in nat\u00fcrlicher Stimmung zu nehmen, k\u00f6nnte also vielleicht noch gr\u00f6fser sein, als aus den Tabellen zu erschliefsen ist.\nDafs nicht bei allen Intervallen ganz genau gleiche Verstimmungen benutzt wurden, erkl\u00e4rt sich daraus, dafs der leichteren Einsteilbarkeit der Stimmschraube wegen stets nur Ver\u00e4nderungen um ein Vielfaches von halbem Schraubenwindungen vorgenommen wurden. Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse bei verschiedenen Intervallen wird wenig durch die kleinen Abweichungen der Schwdngungszahldifferenzen beeintr\u00e4chtigt. In jeder Beziehung gleichartig bei allen Intervallen konnten die Abweichungen von der objectiven Reinheit ohne-\n1 S. oben S. 70f. Der Uebelstand, dafs die beiden T\u00f6ne in Folge der Reflexion an den W\u00e4nden f\u00fcr verschiedene Beobachter nicht genau die gleiche St\u00e4rke haben (das. S. 72), verursachte auch hier manchen Aufenthalt, da der Versuch, wenn einer sich durch ungleiche St\u00e4rke gest\u00f6rt fand, f\u00fcr ihn modifient wiederholt wurde. Ganz ist aber der Uebelstand allerdings nicht zu beseitigen.","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 356] MaafsbeStimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. H9\ndies nicht genommen werden, weil, wie sich alsbald herausstellte, die subjectiven Urtheilsbedingungen bei den verschiedenen Intervallen verschieden sind.\nEs wurde darauf gehalten, dafs die Beobachter nicht ein vorher eingepr\u00e4gtes Intervall als Maafsstab benutzten. Auch wurden zwischen den einzelnen Verstimmungen Pausen gemacht, um die Beeinflussung des Urtheils durch Vergleich des vorliegenden mit dem vorhergegangenen Intervall m\u00f6glichst zu verringern. Die Aufeinanderfolge der einzelnen verstimmten Intervalle wurde m\u00f6glichst so gestaltet, dafs ein Ausgleich dieser Beeinflussung zu erwarten war.\nDie Einzelversuche wurden folgendermaafsen vorgenommen. Nach Erregung der Aufmerksamkeit der Beobachter durch ein Zeichen wurde der eine Hammer ausgel\u00f6st, die Gabel nach etwa drei Secunden langem T\u00f6nen ged\u00e4mpft und dann nach etwa einer Secunde Pause die zweite Gabel zum T\u00f6nen gebracht und schliefslich auch diese ged\u00e4mpft. Die Zwischenpause wurde so grofs gew\u00e4hlt, wie es den Beobachtern am angenehmsten war. Auf diese Weise wurde jeder Einzelversuch dreimal, und wenn einer der Beobachter es w\u00fcnschte, noch \u00f6fter wiederholt, damit von keinem bei zuf\u00e4llig gerade verringerter Aufmerksamkeit ein Urtheil abgegeben w\u00fcrde. Dann folgte eine gr\u00f6fsere Pause, in der die Neueinstellung der ver\u00e4nderlichen Gabel geschah. Nach Ablauf einer Stunde wurden die Versuche abgebrochen, jedoch zum Schl\u00fcsse noch in der Regel die drei bis vier ersten Versuche der Reihe wiederholt, da bei diesen die Urtheilssicherheit gew\u00f6hnlich sehr gering war.\nDie Einrichtung der Versuche bei gleichzeitigem Erklingen der beiden T\u00f6ne war ganz entsprechend der bei Aufeinanderfolge. Es ist selbstverst\u00e4ndlich, dafs ich mich bem\u00fchte, beide Gabeln m\u00f6glichst gleichzeitig durch Ausl\u00f6sung der H\u00e4mmer anzuschlagen und zu d\u00e4mpfen. Dies gelang auch so gut, dafs weder ich selbst noch einer der Beobachter den einen der beiden T\u00f6ne etwas vor oder nach dem Zusammenklange f\u00fcr sich allein wahrnehmen konnte. In der That geh\u00f6rt eine derartige Ungeschicklichkeit bei den erforderlichen Manipulationen dazu, um den einen der beiden T\u00f6ne vor oder nach dem Zusammenklange f\u00fcr sich allein wahrnehmbar werden zu lassen, dafs es jeder Experimentator als Beleidigung empfinden m\u00fcfste, wenn ihn jemand einer solchen beschuldigen wollte. Kam ausnahmsweise","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 357]\ndurch Abgleiten des Fingers vom Ansl\u00f6sungshebel etwas Derartiges vor, so wurde ein anderer Fall an die Stelle gesetzt.\nBei diesen Versuchen mit gleichzeitigen T\u00f6nen mufsten die T\u00f6ne so schwach genommen werden, dafs die Differenzt\u00f6ne nicht die Aufmerksamkeit auf sich lenkten oder, wenn sie bemerkt wurden, wenigstens so undeutlich waren, dafs eine genaue Be-urtheilung ihrer Tonh\u00f6he nicht leicht m\u00f6glich war. (Vgl. auch unten S. 152.)\nBei der Octave entsteht zwar kein Differenzton; doch liegt bei diesem Intervall der Uebelstand vor, dafs man die beiden T\u00f6ne bei Abweichung von der nat\u00fcrlichen Stimmung schweben h\u00f6rt, wodurch das Urtheil beeinflufst werden kann. Ich habe deshalb in diesem Falle den schwebungsfreien Zusammenklang in objectiv reiner Stimmung gar nicht angewandt und aufserdem in Abweichung von den \u00fcbrigen F\u00e4llen die Verstimmungen nach beiden Seiten hin ungef\u00e4hr gleich grofs gemacht, um zu verhindern, dafs ein Beobachter, der bei einer bestimmten Frequenz der Schwebungen einmal deutlich z. B. eine Vergr\u00f6fserung des Intervalls bemerkte, nun ein anderes Mal bei gleicher Frequenz das Urtheil hlos auf Grund dieses \u00e4ufserlichen Kriteriums wiederholte. Indessen waren die Schwebungen nicht so deutlich, dafs sie etwa regelm\u00e4fsig bemerkt wurden. (Vgl. auch hierzu S. 152.)\nMit Zungent\u00f6nen konnten Versuche im Zusammenklang nicht angestellt werden, da die St\u00f6rungen durch Schwebungen und Differenzt\u00f6ne hier doch zu stark werden k\u00f6nnen.\nZu erw\u00e4hnen ist noch, dafs bei den Versuchen mit Zusammenkl\u00e4ngen bei der Terz und Octave beide T\u00f6ne ver\u00e4nderlich waren, um zu verh\u00fcten, dafs die Beobachter in Folge der Gr\u00f6fse der angewandten Verstimmung das absolute H\u00f6henurtheil f\u00fcr die Beurtheilung der Intervallgr\u00f6fse zu H\u00fclfe nahmen. (N\u00e4heres s. 6. Cap.). Im Uebrigen war nur Ein Ton ver\u00e4nderlich und zwar in der Hegel der zweite. Nur bei der absteigenden Quinte und Octave war der erste Ton der ver\u00e4nderliche, worauf die Beobachter vorher aufmerksam gemacht wurden. Diese Ver\u00e4nderlichkeit des ersten Tones h\u00e4tte freilich besser vermieden werden sollen. Doch scheint sie keinen wesentlichen Einflufs auf das Ergebnifs ausge\u00fcbt zu haben, da diejenigen Urtheile von Stumpe bei der absteigenden Quinte, bei denen der zweite Ton ver\u00e4nderlich war, von den fr\u00fcheren, bei denen es der erste war, sich nicht bemerkbar unterschieden.","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 358] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 121\nDie Versuche wurden nicht in der Reihenfolge angestellt, wie sie unten in den Tabellen erscheinen. Nur im Allgemeinen kamen die mit der Terz zuerst, die mit der Octave zuletzt ; aber nicht so, dafs zuerst ein Intervall ganz absolvirt wurde, dann ein anderes, oder dafs zuerst die Intervalle in aufsteigender, dann in absteigender Bewegung u. s. f. vorgenommen wurden. Vielmehr wurden die Versuche der einen Art \u00f6fters durch solche der anderen Art unterbrochen. Dadurch ist einer bestimmten Einwirkung eines Intervalls auf ein anderes oder einer Versuchsanordnung auf die andere m\u00f6glichst vorgebeugt. Auch war die Zusammenstellung der Beobachter nicht immer dieselbe, manchmal war dieser, manchmal jener verhindert. Bei Collectivver-suchen mit ann\u00e4hernd gleichm\u00e4fsiger Beschaffenheit der Beobachter hat dies keinen wesentlichen Nachtheil, kann aber wiederum beitragen, die Einwirkung einer Versuchsreihe auf die folgende (wie sie oben im 2. Cap. vermuthet wurde) zu paralysiren. Dazu kommt noch, dafs die Versuche zeitlich viel weiter \u2014 meist durch halbe oder ganze Wochen \u2014 von einander getrennt waren.\n4. Das Ergebnifs der Versuche. In den folgenden Tabellen ist das Ergebnifs zusammengestellt, k. bedeutet, dafs das Intervall f\u00fcr zu klein, g\\, dafs es f\u00fcr zu grofs, r., dafs es f\u00fcr rein erkl\u00e4rt worden ist. Ganz selten vorkommende Ur-theile, die nicht auf Reinheit, sondern auf eine der Richtung nach unerkannt gebliebene Abweichung von der Reinheit lauteten, sind den Reinheitsurtheilen zugez\u00e4hlt worden.\nAufsteigende Intervalle von Stimmgabelt\u00f6nen.\n\t\tWirkliche Zahlen\t\t\t\t\t\t\u00f6 \u00a9 \u00fc\tProcentzahlen\t\t\t\t\t\n\t\tCollectiv-\t\t\t\t\t\ttes s a \u2018\u25a0+3 \u0153\tCollectiv-\t\t\t\t\t\n\t\tversuche\t\t\tStumpf\t\t\t\tversuche\t\t\tStumpf\t\t\n\t\tk.\tg-\tr.\tk.\tg-\tr.\t\u00a9 >\tk.\tg-\tr.\tk.\tg-\tr.\nN U\t\t58\t3\t9\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014 1,58\t83\t4\t13\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n^ o\t\u00dc 1h\t48\t5\t12\t29\t0\t4\t\u2014 0,78\t74\t8\t18\t88\t0\t12\nl \u00a7 C-H\t\u2022\u2022\t<n rt J :c\u00f6 ']\t21\t16\t28\t22\t0\t11\t0,00\t32\t25\t43\t67\t0\t33\nGro 480\tU >\t13 12\t24 42\t28 31\t3\t17\t13\t+ 0,75 + 1,47\t20 14\t37 49\t43 37\t9\t52\t39\nM\t\t6\t47\t12\t0\t27\t6\t+ 2,18\t9\t72\t19\t0\t82\t18","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nC. Stumpf und M. Meyer.\t[XVIII. 359]\n(Aufsteigende Intervalle von Stimmgabelt\u00f6nen.)\nS3\nO?\n\u00ab3 'S\n\u2022\u2022 fl\nWirkliche Zahlen\t\t\t\t\t\tVer- nmungen\t\tProcen\t\ttzahlen\t\t\nCollectiv- versuche\t\t\tStumpf\t\t\t\tCollectiv- versuche\t\t\tStumpf\t\t\nk.\tg-\tr.\tk.\tg-\tr.\t+3 m\tk.\tg-\tr\tk.\tg-\tr.\nr 37\t8\t13\t25\t1\t7\t\u2014 0,85\t64\t14\t22\t76\t3\t21\n30\t12\t19\t18\t2\t13\t0,00\t49\t20\t31\t55\t6\t39\n1 15\t20\t26\t8\t3\t22\t+ 0,90\t25\t33\t42\t24\t9\t67\n^ 15\t20\t20\t4\t12\t17\t+ 1,34\t27\t36\t37\t12\t36\t52\nr 38\t5\t16\t29\t0\t4\t\u2014 0,46\t64\t9\t27\t88\t0\t12\n27\t11\t11\t26\t0\t7\t0,00\t55\t22\t23\t79\t0\t21\n1 17\t20\t22\t14\t1\t18\t+ 0,77\t29\t34\t37\t42\t3\t55\n^ 18\t22\t16\t9\t0\t24\t+ 1,49\t32\t39\t29\t27\t0\t73\nAbsteigende Intervalle von Stimm gabelt\u00f6nen.\n\tWirkliche Zahlen\t\t\t\t\t\t\u00f6 \u00a9\t\tProcentzahlen\t\t\t\t\n\t\t\t\t\t\t\t\u00d6JD ,\t\u00f6\t\t\t\t\t\t\n\tCollectiv-\t\t\t\t\t\t5-1\trj \u00a9\t2 >\ts a\tCollectiv-\t\t\t\t\t\n\tversuche\t\t\tStumpf\t\t\t\tversuche\t\t\tStumpf\t\t\n\tk.\tg-\tr.\tk.\tg-\tr.\t\u25a0-\u00a3\tk.\tg. !\tr.\tk.\tg-\tr.\n\u00a9 \u2022 \u00ae\t\u00a9 \u00eb -\tf 58\t19\t11\t21\t0\t12\t+ 1,49\t66\t22\t12\t64\t0\t36\no SSI 1h\t:c\u00f6\t33\t18\t35\t5\t5\t23\t0,00\t38\t21\t41\t15\t15\t70\nV. <r>\t\u2022\u2022 u ) \u00b0hs M\t7\t21\t28\t0\t19\t14\t\u2014 1,61\t12\t38\t50\t0\t58\t42\n> L\" g ! M\tUo\t41\t37\t0\t27\t6\t\u2014 2,18\t11\t47\t42\to-\t82\t18\n\u00a9 1\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nr\u00a7r\u00f6r\u00d6 \u00f6 Q \u00ae \u00abm \u00ce5 \u00a9 .2\tf 30 21\t12 10\t14 25\t18 7\t6 6\t9 20\t\u2014 0,85 0,00\t54 38\t21 18\t25 44\t55 21\t18 18\t27 61\n\t1\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\nG?g Iflfl'g\u2019g\t119\t15\t22\t4\t15\t14\t+ 0,90\t34\t29\t37\t12\t46\t42\n> |?!|\t14\t29\t13\t2\t21\t10\t+ 1,34\t25\t52\t23\t6\t64\t30\n\u00c6 KU \u00a9\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\t\n> _\tT, cg S\t\u0153\tI\tf 26\t18\t9\t\t\t\t\u2014 0,46\t49\t34\t17\t\t\t\n'S\u201d I\t1 25\t10\t19\t\t\t\t0,00\t46\t19\t35\t\t\t\n\u00b0gM\t10\t30\t15\t\t\t\t+ 0,77\t18\t55\t27\t\t\t\n1 1\t1 7\t32\t14 :\t\t\t\t+ 1,49\t13\t60\t27\t\t\t\nIn Tab. IV bedeuten die +-Verstimmungen eine Verkleinerung des Intervalls, da der tiefere Ton der ver\u00e4nderliche ist. Die Verstimmungen sind \u00fcberall von Verkleinerungen zu Vergr\u00f6\u00dferungen \u00fcbergehend geordnet.","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 360] Maafsbestimm.ungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 123 Zusammenkl\u00e4nge von Stimmgabelt\u00f6nen.\nWirkliche Zahlen\nCollectiv-\nversuche\nStumpf\n\tk.\tg-\tr.\tk.\tg-\tr.\t+3 QQ\tk.\tg-\tr.\tk.\tg-\tr.\n\t26\t16\t14\t27\t2\t4\t\u2014 4\t46\t29\t25\t82\t6\t12\n\u00bb\t\u00c4 J-I\t22\t11\t17\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t\u2014 3\t44\t22\t34\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n[\u00a7\t30\t28\t63\t\u2014\t\u2014\t\t\t0\t25\t23\t52\t\t\t\t\t\t\nW \u201e 'S 1\u2014i \u00a9\t.. > \u00ae o\t9\t33\t24\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t+ 3\t14\t50\t36\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n\u00a9\t05\t11\t32\t18\t2\t20\t11\t+ 4\t18\t52\t30\t6\t61\t33\n5-1\ts O\tH\t10\t49\t11\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t+ 5\t14\t70\t16\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n\t2\t51\t7\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t+ 7\t3\t85\t12\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n\u00a9 Q \u00ae\t32\t7\t14\t23\t1\t9\t\u2014 0,95\t60\t13\t27\t70\t3\t27\n\u2022 -+J O 'S H\t\u00d6 \u00ab :1\t25\t11\t18\t13\t9\t11\t0,00\t46\t20\t34\t40\t27\t33\nrH \u00bbr-(\t< > S3 g \u00a3\t13\t18\t23\t7\t11\t15\t+ 1,24\t24\t33\t43\t21\t33\t46\n\u00a7\t. 13\t24\t18\t7\t12\t14\t+ 1,92\t23\t44\t33\t21\t36\t43\n\u00a9 g go\t14\t7\t3\t30\t2\t1\t\u2014 3,10\t58\t29\t13\t91\t6\t3\nM 5\u00ae Bl\t8\t5\t8\t19\t8\t6\t\u2014 2,18\t38\t24\t38\t58\t24\t18\nM 'S S 11\t5\t7\t9\t2\t8\t23\t+ 1,93\t24\t33\t43\t6\t24\t70\nO \u00ab HH j>\t6\t14\t4\t0\t13\t20\t+ 2,95\t25\t58\t17\t0\t39\t61\nProcentzahlen\nCollectiv-\nversuche\nStumpf\nAufsteigende Intervalle von Zungent\u00f6nen.\n0>\nxri\nO h\nM\n\n0 \u00a7 o* ^\nX\nWirkliche Zahlen\t\t\t\t\t\tVer- stimmungen\tProcentzahlen\t\t\t\t\t\nCollectiy- versuche\t\t\tStumpf\t\t\t\tCollectiv- versuche\t\t\tStumpf\t\t\nk.\tg-\tr.\tk.\tg-\tr.\t\tk.\tg-\tr.\tk.\tg-\tr.\n' 57\t4\t13\t\t\t\t- 1,2\t77\t5\t18\t\t\t\n16\t20\t42\t\t\t\t0,0\t21\t26\t53\t\t\t\n3\t49\t24\t\t\t\t+ M\t4\t64\t32\t\t\t\n. 13\t37\t10\t\t\t\t+ 2,0\t22\t62\t16\t\t\t\n' 19\t17\t16\t19\t2\t12\t\u2014 0,8\t37\t33\t30\t58\t6\t36\n24\t17\t15\t14\t6\t13\t0,0\t43\t30\t27\t43\t18\t39\n10\t32\t12\t4\t22\t7\t+ 0,8\t19\t59\t22\t12\t67\t21\n, 17\t27\t10\t7\t19\t7\t+ 1,3\t31\t50\t19\t21\t58\t21\n, 23\t8\t10\t31\t0\t2\t-0,5\t56\t20\t24\t94\t0\t6\n14\t8\t9\t\u2014\t\u2014\t\u2014\t0,0\t45\t26\t29\t\u2014\t\u2014\t\u2014\n22\t15\t10\t12\t2\t19\t+ 0,8\t47\t32\t21\t36\t6\t58\n14\t14\t15\t17\t1\t15\t+ 1,6\t33\t33\t34\t52\t3\t45\n- 12\t27\t4\t0\t22\t11\t+ 3,2\t28\t63\t9\t0\t67\t33","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 361]\nViertes Capitel.\nBemerkenswerthe Regelin\u00e4fsigkeiten in den letzten Ergebnissen.\n(C. Stumpf und M. Meyer.)\nHandelt es sich nun darum, aus den vorstehenden Versuchsergebnissen Schl\u00fcsse zu ziehen, so ist zun\u00e4chst zu beachten, dafs nach der Einrichtung der Tabellen die Zahlen in der Rubrik k. absteigen, in der Rubrik g. aufsteigen, in der Rubrik r. zuerst aufsteigen und dann wieder absteigen m\u00fcssen. In Wirklichkeit ist bei derartigen Versuchen nat\u00fcrlich nur eine mehr oder weniger grofse Ann\u00e4herung der Zahlen an ein solches ideales Verhalten zu erwarten. Je regelm\u00e4fsiger das An- und Absteigen der Zahlen ist, um so gr\u00f6fser ist die subjective Zuverl\u00e4ssigkeit des Beobachters. Die Tabellen Stumpf\u2019s stehen in dieser Hinsicht den Collectiv-tabellen voran, obwohl die Gesammtzahl seiner Urtheile nur etwa die H\u00e4lfte betr\u00e4gt. Doch zeigen auch die Collectivtabellen meistens eine sch\u00f6ne Regelm\u00e4fsigkeit, und wir werden sogleich sehen, dafs auch der Gang der Zahlen im Einzelnen und das, wras sich daraus schliefsen l\u00e4fst, in der Hauptsache identisch ist. Es liegt hierin zugleich wieder ein Beweis f\u00fcr die Brauchbarkeit von Collectivversuchen, wenn sie mit der n\u00f6thigen Sorgfalt betreffs der Auswahl der Versuchspersonen und der Einrichtung der Versuchsumst\u00e4nde angestellt werden.\nWir vergleichen zuerst die auf steigenden Intervalle unter einander, dann die aufsteigenden mit den absteigenden sowie diese unter sich, dann die Intervalle aufeinanderfolgender (speciell aufsteigender) T\u00f6ne mit Intervallen gleichzeitiger T\u00f6ne; und zwar halten wir uns in diesen drei Abschnitten an die Versuche mit einfachen T\u00f6nen. In einem vierten Abschnitt vergleichen wir die Ergebnisse bei einfachen Kl\u00e4ngen mit denen bei obertonreichen. Ein letzter Abschnitt endlich behandelt das Gesetz, wonach mit der Consonanz eines Intervalls zugleich die Empfindlichkeit f\u00fcr seine Verstimmung abnehmen soll. Dafs wir mit der Schematisirung im Folgenden so ins Einzelne gehen, ist durch die Nothwendigkeit vielfacher R\u00fcckverweisungen und Vergleichungen der einzelnen Positionen bedingt. Die vorkommenden Zahlen beziehen sich stets auf die Rubriken der Procentzahlen.","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 362] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 125\n\u00a7 1. Vergleichung der auf steigenden Intervalle unter einander.\nHier kommen, da wir zun\u00e4chst nur die Stimmgabelversuche heranziehen, die Tabellen I, II und III in Betracht. Wir dis-cutiren zuerst die Collectivurtheile, dann die Stumpp\u2019s.\nA. Die Collectivversuche zeigen hier durchg\u00e4ngig\n1.\teine Neigung zur Vergr\u00f6fserung des Intervalls. Es wird eher ein etwas zu grofses als ein reines oder gar ein zu kleines Intervall f\u00fcr rein erkl\u00e4rt. Denn:\na)\tDas Maximum der Reinheitsurtheile liegt \u00fcberall auf der Plusseite.\nb)\tWenn wir m\u00f6glichst gleich grofse positive und negative Verstimmungen vergleichen, findet sich \u00fcberall bei den negativen eine erheblich gr\u00f6fsere Anzahl richtiger F\u00e4lle.\nTab. I : Bei \u2014 0,78 : 74 k.-Urtheile, dagegen bei + 0,75 nur 37 g.-Urtheile \u201e II:\t\u201e - 0,85:64\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t+0,90 \u201e\t33\n\u201eIII:\t\u201e -0,46:64\t\u201e\t\u201e\t\u201e\t+0,77 \u201e\t34\nIm letzten Fall ist die positive Abweichung etwas gr\u00f6fser als die negative, aber eben darum der Beweis um so st\u00e4rker.\nc)\tAuch eine starke Vergr\u00f6fserung wird nicht so sicher als solche erkannt wie eine bedeutend geringere Verkleinerung des Intervalls :\na) Bei der grofsen Terz, wo die Zahlen sehr sch\u00f6n und-regelm\u00e4fsig verlaufen, wird z. B. + 2,18 in 72 F\u00e4llen erkannt, \u2014 1,58 in 83 F\u00e4llen. Die Verkleinerung \u2014 1,58 wird nur viermal als Vergr\u00f6fserung gesch\u00e4tzt, die viel betr\u00e4chtlichere Vergr\u00f6fserung + 2,18 dagegen immer noch neunmal als Verkleinerung u. s. w.\n\u00df) Bei der Quinte wird die Verkleinerung \u2014 0,85 in 64 F\u00e4llen erkannt, die bedeutendere Vergr\u00f6fserung + 1,34 nur in 36 F\u00e4llen.\ny) Bei der Octave wird die Verkleinerung \u2014 0,46 in 64 F\u00e4llen, die viel bedeutendere Vergr\u00f6fserung + 1,49 nur in 39 F\u00e4llen erkannt.\n2.\tAus den letzten Beispielen unter a), \u00df), y) geht ferner zugleich hervor, dafs von der Terz zur Quinte und von dieser zur Octave die Neigung zur Vergr\u00f6fserung des Intervalls w\u00e4chst; vorausgesetzt, dafs man den absoluten Betrag","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\n\u00c7. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 363]\nder Vergr\u00f6fserung als Maafsstab nimmt, nicht etwa das Verh\u00e4lt -nifs dieses Betrages zur Differenz der Schwingungszahlen der beiden Intervallt\u00f6ne.\nDas objectiv reine Intervall giebt\nk.-Urtheile r.-Urtheile\nbei der Terz:\t32\t43\n\u201e\t\u201e Quinte :\t49\t31\n\u201e\t\u201e Octave :\t55\t23\nAuf das objectiv reine Intervall fallen also immer mehr Ver-kleinerungs- und immer weniger Beinheitsurtheile.\nB. In den Tabellen Stumpe\u2019s sind die n\u00e4mlichen Z\u00fcge sichtbar, aber noch deutlicher.\n1.\tDie Neigung zur Vergr\u00f6fserung der Intervalle im Allgemeinen.\na)\tAuch hier liegt das Maximum der Reinheitsurtheile \u00fcberall auf der Plusseite; bei der Octave sogar bei der gr\u00f6fsten \u00fcberhaupt hier angewandten Verstimmung.\nb)\tBei der Terz haben wir hier keine gen\u00fcgend gleichen Verstimmungen auf beiden Seiten, um die Vergleichung zu erm\u00f6glichen. Aber hier ist uns dieser Zug aus den fr\u00fcheren Untersuchungen (1. und 2. Capitel) genugsam bekannt. Bei den zwei anderen Intervallen finden sich wiederum bei gleich grofsen Verstimmungen weit mehr richtige Urtheile f\u00fcr die Verkleinerung der Intervalle:\nf\u00fcr die Quinte bei \u2014 0,85 : 76 k.-Urtheile, bei -f- 0,90 nur 9 g.-Urtheile \u201e\t\u201e Octave \u201e \u2014 0,46 : 88\t\u201e\t\u201e -(- 0,77 \u201e3\t- \u201e\t1\nc)\tWiederum wird auch von Stumpe eine starke Vergr\u00f6fserung der Intervalle nicht so oft als solche erkannt als eine weit geringere Verkleinerung.\na) Bei der Terz: \u2014 0,78 in 88 F\u00e4llen; -j- 1,47 nur in 52 F\u00e4llen\n\u00df) \u201e\t\u201e Quinte: \u2014 0,85 \u201e76\t\u201e\t; + 1,34 \u201e\t\u201e 36\t\u201e\n\u201e\t\u201e Octave: \u2014 0,46 \u201e 88\t\u201e\t; -f- 1,49 in keinem Falle.\nDie Neigung zur Vergr\u00f6fserung ist also bei Stumpe noch bedeutend st\u00e4rker ausgepr\u00e4gt als in den Collectivtabellen.\n2.\tAuch hier wiederum zeigen die letzten Beispiele zugleich, dafs diese Neigung von der Terz zur Quinte und von da zur\n1 d. h. in Procenten; in Wirklichkeit \u00fcberhaupt nur ein einziges g.-Urtheil hei s\u00e4mmtlichen Verstimmungen des Intervalls.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 364] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 127\nOctave zunimmt. Dasselbe ergiebt sich f\u00fcr Terz und Octave, wenn wir die Urtheile \u00fcber objectiv reine Intervalle vergleichen. Die Quinte bildet f\u00fcr diesen Fall allerdings eine Ausnahme, indem sie doch etwas h\u00e4ufiger als die Terz f\u00fcr rein erkl\u00e4rt wird, was mit dem Stimmen der Violine, Stumpf\u2019s Hauptinstrument, Zusammenh\u00e4ngen mag.\nDas objectiv reine Intervall giebt\nk.-Urtheile r.-Urtheile bei der\tTerz:\t67\t33\n\u201e\t\u201e\tQuinte :\t55\t39\n\u201e\tOctave :\t79\t21\nDie Differenzen zwischen den drei Intervallen sind hier \u00fcberhaupt nicht so grofs wie bei den Collectivversuchen, aber die Zahlen der k.-Urtheile selbst erheblich gr\u00f6fser, was wiederum auf besonders starke Neigung zur Vergr\u00f6fserung der Intervalle hinweist.\nSehr deutlich geht die Zunahme dieser Neigung mit der Consonanz des Intervalls auch bei Stumpf aus folgender Vergleichung hervor.\n\tVerstimmung\tReinheitsurtheile\nTerz:\t+ 1,47\t39\nQuinte :\t+ 1,34\t52\nOctave :\t+ 1,49\t73\nAlso bei ungef\u00e4hr gleicher Vergr\u00f6fserung wird die Octave doch noch am h\u00e4ufigsten f\u00fcr rein gehalten. Sie vertr\u00e4gt die Vergr\u00f6fserung am besten. Dies entspricht auch dem subjectiven Eindr\u00fccke Stumpf\u2019s schon bei wenigen Versuchen, und ebenso urtheilte dar\u00fcber Dr. Biedermann bei gelegentlichen Beobachtungen. Beide waren geradezu erstaunt, dafs 300 und 600, mit Stimmgabeln nach einander angegeben, eine reine Octave darstellen sollten. Biedermann erkl\u00e4rte nach einer Versuchsreihe, der er beiwohnte, dafs er alle vorgekommenen Octaven (darunter objectiv viel zu grofse) f\u00fcr zu klein halte, theilweise schienen sie ihm fast den Eindruck von Septimen zu machen.\nDa dieses Ergebnifs gerade hinsichtlich der Octave Vielen verwunderlich erscheinen d\u00fcrfte und zugleich von entscheidender Wichtigkeit ist, hat einer von uns (Stumpf) nachtr\u00e4glich noch zwei kleine Versuchsreihen mit 18 Lehrern der K. Hochschule f\u00fcr Musik angestellt, den Herren Barth, Dettmann, Haertel, Halir, Hausmann, Joachim, Kahn, Krebs, Lehmann, Markees,","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 365]\nMoser, Petersen, Rudorff, Adolf Schulze, Johannes Schulze, Stang\u00fc, Wirth, Wolf. Es war also auch das JoACHm\u2019sche Quartett vollz\u00e4hlig dabei. Das Ergebnifs war folgendes:\nAufsteigende Octave aus Stimmgabelt\u00f6nen (300:600).\nWirkliche U r t h e i 1 s z a h 1 e n\t\t\tV erstimmungen des\tProcentzahlen\t\t\nk.\tg-\tr.\th\u00f6heren Tons\tk.\tg-\tr.\n32\t2\t5\t\u2014 2 Schwing.\t82\t5\t13\n40\t4\t15\t0\t68\t7\t25\n32\t3\t26\t-J- 2 Schwing.\t! 52\t5\t43\nDiese Zahlen sprechen wom\u00f6glich noch entschiedener f\u00fcr die Bevorzugung von Vergr\u00f6fserungen. Die reine Octave wurde in 68 \u00b0/o als zu klein, dagegen nur 7 mal als zu grofs, die um 2 Schwingungen erh\u00f6hte Octave 52 mal noch als zu klein, 43 mal als rein betrachtet. Einige der Herren gaben \u00fcberhaupt stets das Urtheil ,,zu klein\u201c ab. Es scheint, dafs bei Violinisten diese Neigung besonders ausgebildet ist.\n\u00a7 2. Vergleichung aufsteigender mit absteigenden Intervallen und letzterer unter einander.\nHier kommen, da wir uns wieder zun\u00e4chst nur an die Gabelt\u00f6ne halten, die Tabellen I, II, III mit IV, V, VI in Vergleichung.\nMan kann nicht sagen, dafs aufs.teigende oder absteigende Intervalle besser beurtheilt w\u00fcrden. DieTabellen sind ungef\u00e4hr von gleicher Regelm\u00e4fsigkeit und die Maxima der Zahlen in den bez\u00fcglichen Rubriken ungef\u00e4hr gleich, so weit gleiche Verstimmungen vorliegen. (Bei der Quinte und der Octave ist dies durchg\u00e4ngig der Fall.) Auch findet sich bei den absteigenden Intervallen im Ganzen derselbe Grundzug, doch ist er hier viel weniger ausgepr\u00e4gt, so dafs er zuweilen g\u00e4nzlich verschwindet. Es zeigt sich n\u00e4mlich die Neigung zur Vergr\u00f6fserung auch des absteigenden Intervalls oder die st\u00e4rkere Empfindlichkeit gegen Verkleinerung a) bei der Terz (Tabelle IV) in den Collectivversuchen : Vergr\u00f6fserung um 1,61 wird 38 mal erkannt, 50 mal f\u00fcr rein erkl\u00e4rt Verkleinerung \u201e 1,49 \u201e 66 \u201e\t\u201e , 12 \u201e \u201e \u201e\t\u201e","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 366] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 129\nEin \u00e4hnliches Verhalten zeigt auch Stumpf hei denselben Verstimmungen, obschon der Unterschied diesmal weniger ausgepr\u00e4gt ist.\nb)\tAuch bei der Quinte (Tabelle V) zeigt sich der erw\u00e4hnte Zug in den Collectivversuchen :\nVergr\u00f6fserung um 0,90 wird 29 mal erkannt, 37 mal f\u00fcr rein erkl\u00e4rt\nVerkleinerung \u201e 0,85 \u201e 54 \u201e\t\u201e\t, 25 \u201e \u201e\t\u201e\t\u201e\nAehnlich bei Stumpf.\nc)\tBei der Octave (Tabelle VI) sind die Verh\u00e4ltnisse nicht deutlich zu erkennen. Das Urtheil stellte sich hier nach eigener Aussage der Beobachter besonders schwer fest, was auch in der Tabelle durch die starke Unregelm\u00e4fsigkeit zum Ausdruck kommt, dafs die g.-Urtheile nicht best\u00e4ndig wachsen, sondern von 34 auf 19 herabsinken und dann wieder auf 55 steigen. Auch bei der absteigenden Quinte war das Urtheil bereits schwerer\u2019als bei der Terz. Da hiernach auch bei Stumpf kaum entscheidende Resultate f\u00fcr die Octave zu erhoffen waren, wenn nicht die Anzahl der Urtheile ganz bedeutend \u00fcber das gew\u00f6hnliche Maafs gesteigert werden sollte, so wurde von der Durchf\u00fchrung der Tabelle bei ihm Abstand genommen.\n\u00a73. Vergleichung von Intervallen aufeinanderfolgender T\u00f6ne mit Intervallen gleichzeitiger T\u00f6ne und solcher unter einander.\nWir benutzen zur Vergleichung die auf steigenden Intervalle, da das Urtheil sich bei ihnen am zuverl\u00e4ssigsten gezeigt hat. Es wird also Tabelle I, II, III mit VII, VIII, IX in Vergleich gebracht.\n1. Es zeigt sich, dafs die Intervalle gleichzeitiger T\u00f6ne viel schlechter beurtheilt werden.\na) Dies lehrt vor allem ein Blick auf Tabelle VII. Um z. B. eine Vergr\u00f6fserung der Terz noch in etwa 70 F\u00e4llen zu erkennen, sind bei Aufeinanderfolge 2,18 Schwingungen Verstimmung n\u00f6thig, bei Gleichzeitigkeit 5 Schwingungen; u. s. w.\nF\u00fcr Stumpf ist beispielsweise eine Verkleinerung der Terz um nur 0,78 erforderlich, um bei Aufeinanderfolge 88 richtige Urtheile zu erzielen, w\u00e4hrend bei Gleichzeitigkeit nicht ganz so viele (82) erst durch eine Verkleinerung um 4 Schwingungen geliefert werden. Der Unterschied ist so grofs und geht mit\nstumpf, Beitr\u00e4ge II.\t\u00ae","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"130\nG. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 367]\nsolcher Sicherheit schon aus den Collectivversuchen hervor, dafs wir uns bei Stumpf mit den beiden Verstimmungen + 4 f\u00fcr die gleichzeitigen Terzen begn\u00fcgten.\nb)\tBei der Quinte allerdings ist dieser Unterschied fast ganz unerkennbar geblieben. Man kann ihn nur dann herauslesen, wenn man auf kleinere Zahlenunterschiede Gewicht legen will.\nc)\tBei der Octave hingegen ist die schlechtere Beurtheilung bei Gleichzeitigkeit wieder deutlich zu erkennen. Stumpf liefert 88 richtige Urtheile bei \u2014 0,46, wenn die T\u00f6ne auf einander folgen; ungef\u00e4hr ebenso viele (91) aber erst bei \u20143,1, wenn sie gleichzeitig sind. Und so \u00fcberall. Die Zahlen stehen etwa in demselben Verh\u00e4ltnifs wie die analogen Zahlen Stumpf\u2019s bei der Terz.\n2. Eine Neigung zur Vergr\u00f6lserung derlntervalle findet sich auch bei Gleichzeitigkeit der T\u00f6ne, und zwar wiederum im Allgemeinen zunehmend mit der Consonanz des Intervalls.\na)\tF\u00fcr die Terz finden wir bei Stumpf 82 richtige Urtheile bei Verkleinerung um 4 Schwingungen und nur 61 richtige Urtheile bei einer gleichen Vergr\u00f6fserung; 12 Reinheitsurtheile im ersteren Fall gegen 33 im letzteren. In den Collectivurtheilen tritt die Neigung zur Vergr\u00f6fserung hier nicht hervor.\nb)\tBei der Quinte ist dieser Zug sehr stark ausgepr\u00e4gt. Man vergleiche z. B. das Verhalten der Reinheitsurtheile. Sie erreichen sowohl in den Collectivurtheilen als bei Stumpf ihre gr\u00f6fsten Zahlen bei -f 1,24. Bei Stumpf haben sie sogar noch bei -f- 1,92 nahezu denselben Stand. Oder man vergleiche bei den .Collectivurtheilen die 60 richtigen F\u00e4lle f\u00fcr \u20140,95 mit den 44 f\u00fcr -f- 1,92. Ebenso bei Stumpf f\u00fcr die gleichen Verstimmungen die 70 richtigen F\u00e4lle mit den 36. Man ist also auch hier gegen Verkleinerung empfindlicher und geneigt, ein etwas zu grofses Intervall f\u00fcr rein zu nehmen.\nc)\tBei der Octave zeigen die Collectivurtheile nichts von solcher Neigung. Sie sind freilich \u00fcberhaupt schlecht. Auch sind die wirklichen Zahlen hier im Ganzen sehr klein, da die Zeit f\u00fcr die Versuche aus zuf\u00e4lligen Gr\u00fcnden beschr\u00e4nkt war. Bei Stumpf dagegen ist der Unterschied zwischen Vergr\u00f6fserung und Verkleinerung wieder sehr deutlich. Man vergleiche die 91 k.-Ur-theile und die 3 r.-Urtheile bei \u2014 3,10 mit den 39 g.-Urtheilen","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 368] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 131\nund den 61 r.-Urtheilen bei -f 2,95. Ebenso das bedeutende Maximum von Reinheitsurtheilen bei 1,93.\n\u00a7 4. Vergleichung von Intervallen aus obertonreichen mit solchen aus einfachen T\u00f6nen.\n1.\tAus der Vergleichung der Tabellen I, II, III mit X, XI, XII ersieht man leicht, dafs Intervalle obertonreicher T\u00f6ne im Allgemeinen weniger gut beurtheilt werden als solche einfacher T\u00f6ne. Die drei letzten Tabellen sind auffallend weniger regelm\u00e4fsig. Ueberall, auch bei Stumpe, finden sich Abweichungen vom normalen Gange der Zahlen. Offenbar wirken die Verschiedenheiten der Klangfarbe, wenn sie auch relativ gering sind, doch schon st\u00f6rend genug, falls man nicht durch besondere Uebung sich davon emancipiren gelernt hat. Dies wurde auch von allen Beobachtern bemerkt.\nDie fr\u00fcheren Tabellen Stumpe\u2019s f\u00fcr die kleine und grofse Terz im 1. und 2. Capitel zeigen allerdings die n\u00e4mliche Regel-m\u00e4fsigkeit, wie wir sie bei der grofsen Terz mit einfachen T\u00f6nen finden; aber es wurde dort eine weit gr\u00f6fsere Zahl von Versuchen gemacht, und aufserdem fallen dort innerhalb einer der unterschiedenen Zonen immer schon mehrere Zungen, deren Unterschiede in der Klangfarbe sich ihrer Wirkung nach aus-gleichen konnten. Hingegen bei den Quinten und Octaven mit Zungent\u00f6nen in den gegenw\u00e4rtigen Versuchsreihen sind die Tabellen Stumpe\u2019s keineswegs frei von Unregelm\u00e4fsigkeiten.\n2.\tWegen der Unregelm\u00e4fsigkeit der Tabellen lassen sich constante Z\u00fcge des Intervallurtheils aus X, XI und XII weniger leicht herauslesen. Zeigt sich etwas Auffallendes in dieser Beziehung, so kann es zun\u00e4chst als eine zuf\u00e4llige Abnormit\u00e4t neben den \u00fcbrigen Unregelm\u00e4fsigkeiten gedeutet werden. Immerhin ist die Neigung zur Vergr\u00f6fserung auch hier nicht zu verkennen, und bei der Octave tritt sie mit vollkommener Deutlichkeit hervor. Die geringe Verkleinerung 0,5 wird in 56 und von Stumpe sogar in 94 F\u00e4llen als solche beurtheilt; die Vergr\u00f6fserung 1,6 dagegen wird nur in 33 und von Stumpe sogar nur in 3 F\u00e4llen (in 3%, d. h. thats\u00e4chlich ein einziges Mal) als Vergr\u00f6fserung beurtheilt. Auch dafs bei Stumpe die Verkleinerung 0,5 nur 6 Reinheits-urtheile liefert, die wenig davon verschiedene Vergr\u00f6fserung 0,8\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"C. Stumpf und M. Meyer.\n132\n[XVIII. 369]\ndagegen 58 und selbst die Vergr\u00f6fserung 3,2 noch 33, ist bezeichnend genug.\nAls nach Beendigung der Collectivversuche mit der aufsteigenden Zungenoctave die Beobachter eine physikalisch reine Octave zu h\u00f6ren w\u00fcnschten, um wenigstens nachtr\u00e4glich orientirt zu werden, waren sie alle dar\u00fcber erstaunt und erkl\u00e4rten sie einstimmig f\u00fcr viel zu klein.\n\u00a7 5. Ueber die angeblich gr\u00f6fsere Empfindlichkeit des Geh\u00f6rs bei vollkommeneren Konsonanzen.\nDafs die Empfindlichkeit gegen Verstimmung um so gr\u00f6fser sei, je vollkommener die Consonanz eines Intervalls ist, ist eine bisher so gut wie allgemein angenommene Regel. Unsere Ergebnisse nun kann man von zwei Gesichtspunkten aus zur Entscheidung \u00fcber die Richtigkeit oder Ung\u00fcltigkeit dieser Regel heranziehen.\nWie sich in den vorangehenden Paragraphen gezeigt hat, w\u00e4chst die Neigung, ein Intervall zu vergr\u00f6fsern, von der Terz zur Quinte und weiter zur Octave ; d. h. wir verlangen geradezu eine um so gr\u00f6fsere Abweichung von dem physikalisch als rein definirten Intervall, und letzteres erscheint uns um so unreiner, je vollkommener die Consonanz ist. Dieses Verhalten steht nat\u00fcrlich dann in schroffem Widerspruch mit obiger Regel, wenn man in den Begriff \u201eEmpfindlichkeit\u201c die F\u00e4higkeit einschliefst, die objectiv reinen Intervalle mehr oder weniger genau nach rein subjectiven Kriterien vorstellen zu k\u00f6nnen.\nWenn man dagegen unter Empfindlichkeit gegen Verstimmung einen Mittelwerth zwischen der Empfindlichkeit f\u00fcr Verkleinerung und der f\u00fcr Vergr\u00f6fserung des Intervalls versteht, so ist als reines Intervall nicht das physikalisch so definirte, sondern das von unserer Empfindung als solches gekennzeichnete Intervall anzusehen. Dies ist nun freilich kein auf einfache Weise genau zu bestimmendes Intervall, da es wahrscheinlich sogar bei einem und demselben Individuum in Folge der Verschiedenheiten des Bewufstseinszustandes zu verschiedenen Zeiten nicht dasselbe ist.1 Aber f\u00fcr die Beantwortung der vorliegenden Frage\n1 Derartige Schwankungen scheinen selbst innerhalb einer einzigen Versuchsreihe vorzukommen. Es zeigte sich n\u00e4mlich bei den Versuchen,","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 370] Maafsbestimmungen \u00fcber die Beinheit consonanter Intervalle. 133\nist es gl\u00fccklicher Weise nicht von sehr grofser Wichtigkeit, ob sich das subjectiv reine Intervall mit etwas gr\u00f6fserer oder geringerer Genauigkeit aus den Versuchsergebnissen berechnen l\u00e4fst. Denn da wir als Maats f\u00fcr die Empfindlichkeit gegen Verstimmung das Mittel zwischen der Empfindlichkeit f\u00fcr Verkleinerung und der f\u00fcr Vergr\u00f6fserung annehmen, so m\u00fcssen sich die durch vielleicht fehlerhafte Bestimmung des reinen Intervalls entstehenden Fehler gegenseitig so ziemlich aufheben, weil jede Beg\u00fcnstigung der einen Richtung eine Benachtheiligung der anderen bedingt.\nWir werden nun die subjectiv reinen Intervalle am besten aus denjenigen Tabellen bestimmen, die am regelm\u00e4fsigsten sind und die gr\u00f6fste Sicherheit des Urtheils aufweisen. Dies sind unzweifelhaft die Tabellen I, II und III.\nEs ist einleuchtend, dafs, wenn wir uns oberhalb des sub-jectiven\u2019 Reinheitspunktes befinden, die g.-Urtheile das Ueber-gewicht haben m\u00fcssen \u00fcber die k.-Urtheile. Umgekehrt, wenn wir uns unterhalb jenes Punktes befinden. Der subjective Reinheitspunkt d\u00fcrfte demnach dort zu suchen sein, wo die k.- und g.-Urtheile sich das Gleichgewicht halten. Wir berechnen nun aus den Collectivurtheilen der Tabellen I, II, III das Verh\u00e4ltnifs der g.-Urtheile zur Gesammtheit der k.- und g.-Urtheile in Procentzahlen. Der Verh\u00e4ltnifszahl 50 entspricht der gesuchte Punkt. Wir berechnen dann aus je zwei Verh\u00e4ltnifszahlen die zur Verh\u00e4ltnifszahl 50 geh\u00f6rige Verstimmung, und zwar so, als wachse zwischen den beiden Verh\u00e4ltnifszahlen die Verstimmung proportional dem Wachsthum der Verh\u00e4ltnifszahl. (F\u00fcr unseren Zweck ist dieses Verfahren genau geuug.) Das arithmetische Mittel der gefundenen Werthe giebt sodann das subjectiv reine Intervall, wie aus den folgenden Zusammenstellungen zu ersehen ist.\ndafs ein nur wenig vergr\u00f6fsertes (bezw. verkleinertes) Intervall mit ungew\u00f6hnlicher Bestimmtheit als zu grofs (bezw. zu klein) bezeichnet wurde, wenn mehrere zu kleine (bezw. zu grofse) Intervalle eben vorher zur Be-urtheilung vorgelegt worden waren.","page":133},{"file":"p0134.txt","language":"de","ocr_de":"134\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII371]\nTerz\nQuinte\nOctave\nVer- stimmungen\tg- in \u00b0lo von g.+ k.\tVerstimmung f\u00fcr 50\u00b0/0 g-\t\t\t\t\n\u20141,58 \u2014 0,78 0,00 + 0,75 + 1,47 + 2,18\t5 9 48 65 75 89\t, \u25a0\" 1 } + 0,24\t1 1 + 0,62\t\t+ 0,43\tMittelwerth + 0,43\n,\t\u20140,85 ! 0,00 1\t+0,90 1\t+1,34\t18 29 57 57\t} + 0,67\tj\t\t| + 0,96\t\tMittelwyerth + 0,81\n(\t\u2014 0,46 j 0,00 |\t+0,77 1\t+1,49\t12 29 54 55\t} + 0,66\t\t1 + 1,26\t\tMittelwerth + 0,95\nDas subjectiv reine Intervall \u00fcbertrifft also das objective um die in der letzten Rubrik angegebenen Schwingungszahldifferenzen. Damit soll nat\u00fcrlich nicht etwa behauptet sein, dafs dies unter allen Umst\u00e4nden die subjectiv reinen Intervalle seien. Vielmehr bedeuten die Zahlen nur diejenigen Intervalle, die sich als subjectiv reine am wahrscheinlichsten aus den vorliegenden Beobachtungen ergeben und die wir darum hier bei der weiteren Interpretation der Beobachtungen zu Grunde legen.\nDie Uebereinstimmung dieser Zahlen mit unseren Ergebnissen k\u00f6nnen wir noch an dem Gange der Reinheitsurtheile pr\u00fcfen. Ein Blick auf die Tabellen lehrt uns, dafs hier keine Widerspr\u00fcche bestehen, wenn auch aus den Reinheitsurtheilen allein die Werthe nicht so genau zu ermitteln w\u00e4ren.\nWir construiren nun f\u00fcr jedes Intervall zwei Curven, eine f\u00fcr Verkleinerung und eine f\u00fcr Vergr\u00f6fserung des Intervalls, indem wir (ohne Ber\u00fccksichtigung der Reinheitsurtheile) jede Differenz von dem subjectiven Reinheitspunkte als Abscisse und die zugeh\u00f6rige Zahl der richtigen Urtheile (im Verh\u00e4ltnis zur Summe der g.- und k.-Urtheile) als Ordinate auftragen. Dann","page":134},{"file":"p0135.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 372] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 135\nconstruiren wir aus den beiden Curven eines jeden Intervalls die mittlere Curve und benutzen diese zur Vergleichung der Intervalle unter einander.\nIn der folgenden Figur sind sogleich diese mittleren Curven dargestellt, und zwar f\u00fcr die Collectivurtheile der Tabellen I,\nII, III. Die Ordinate 50 bedeutet , dafs die Zahl der richtigen Urtheile gleich der Zahl der falschen ist; 100, dafs \u00fcberhaupt keine falschen Urtheile mehr Vorkommen. Je steiler eine Curve verl\u00e4uft, um so gr\u00f6fser ist nach unserer Definition die Empfindlichkeit f\u00fcr das Intervall.\nDie Figur zeigt uns, dafs bei aufeinanderfolgenden T\u00f6nen keines der drei Intervalle vor den anderen einen Vorzug hat, da die Curven im Grofsen und Ganzen alle mit gleicher Steilheit verlaufen. Abweichungen um gleiche Schwingungszahldifferenzen von der subjectiven Feinheit werden also bei allen drei Intervallen mit gleicher Sicherheit beurtheilt.1\nIn Bezug auf die Intervalle mit gleichzeitigen T\u00f6nen erkennt man leicht aus den Tabellen, dafs Octave und Terz keinen Vorzug vor einander haben. Nur f\u00fcr die Quinte mufs man aus den Tabellen eine etwas gr\u00f6fsere Empfindlichkeit gegen Verstimmung ablesen als f\u00fcr die beiden anderen Intervalle.\n1 Zu erinnern ist, dafs die Versuche mit der Terz begonnen wurden, dafs also ein etwa vorhandener Uebungseinflufs die Quinte und die Octave h\u00e4tte mehr beg\u00fcnstigen m\u00fcssen als die Terz.\n70 -\n\u20ac0 -\nOktave.\nQuinte.\nTenn","page":135},{"file":"p0136.txt","language":"de","ocr_de":"136\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 3731\nF\u00fcnftes Capitel.\nVergleichung unserer Ergebnisse mit fr\u00fcheren.\n(C. Stumpf.)\nWir wollen nun Zusehen, inwieweit die in dieser Abhandlung mitgetheilten experimentellen Ergebnisse mit denen fr\u00fcherer Beobachter \u00fcbereinstimmen und worin die Gr\u00fcnde von Differenzen liegen k\u00f6nnen.\n1. Delezenne\u2019s Monochord-Saite gab, als Ganzes erklingend, \u201edie tiefere Octave des Tons II auf der vierten Saite des Cello\u201c ; das ist H = 120 Doppelschwingungen.1 Er setzte nun den Steg zuerst in die Mitte, um die Empfindlichkeit f\u00fcr Unisono zu untersuchen, d. h. er bestimmte die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr h = 240 Schwingungen. Sodann setzte er ihn an diejenigen Stellen, durch welche die Saite in zwei Abschnitte vom Ver-h\u00e4ltnifs 1:2, 2:3, 4 : 5 u. s. f. getheilt wurde. Er giebt dann die gefundenen kleinen Verschiebungen des Steges, bei denen das Intervall unrein wurde, in Millimetern an und berechnet daraus die Abweichung in Theilen eines Komma (80 : 81). Wir rechnen sie in Schwingungszahlen um. Die T\u00f6ne und Intervalle, die so untersucht wurden, waren nach den angegebenen Anhaltspunkten diese:\n\t\tfc-l\t\t-rr\tr\t\u2014-\u2014\t\n' IL\u201411 '\ttf\t\t\t\n\t\tL J \u2022 j\t\t\tU '\n\t\ti\t*4*\u00bb \u25a0\t11\t\t\u2014\nF\u00fcr die Verstimmung des h fand Delezenne als erkennbare Grenze : % Komma = 0,8 Schwingungen.2 3 Bei Gleichzeitigkeit der T\u00f6ne war die Empfindlichkeit viel geringer, die Grenze lag bei 0,84 Komma = 2,5 Schwingungen.\n1 Sowohl Pbeyeb als Schischmanow (und Alle, die in neuerer Zeit auf\nDelezenne Bezug nehmen) gehen von der falschen Voraussetzung aus, dafs Delezenne einfache Schwingungen gemeint habe, verlegen daher alle seine Intervalle eine Octave tiefer als sie waren und kommen dadurch auch zu falschen Angaben \u00fcber die ebenmerklichen Verstimmungen. Nach der obigen in Anf\u00fchrungszeichen stehenden Erkl\u00e4rung Delezenne\u2019s ist kein Zweifel, dafs er Doppelschwingungen gemeint haben mufs.\n3 Die Schwingungswerthe sind immer direct aus der Formel berechnet, in welcher Delezenne die Abweichungen nach Millimetern angegeben hat ; und zwar bei den Intervallen so, als wenn der hohe Ton allein","page":136},{"file":"p0137.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 374] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 137\nF\u00fcr die Octave fis'.fis1 lag die Grenze bei |j Komma = 1,4 Schwingungen. Es ist hier nach der Structur der Formel bei Delezenne Vergr\u00f6fserung des Intervalls vorausgesetzt. Bei Gleichzeitigkeit wiederum geringere Empfindlichkeit.\nF\u00fcr die Quinte gis-.dis1 lag die Grenze bei etwa 0,15 Komma = 0,45 Schwingungen. Die Formel setzt hier Verkleinerung voraus.\nF\u00fcr die grofse Terz aids1 lag die Grenze ungef\u00e4hr (die genauere Feststellung erschien schwierig) bei etwas \u00fcber 1/i Komma. 3/4 Komma w\u00e4re hier = 0,94 Schwingungen. Die Formel setzt Vergr\u00f6fserung voraus.\nF\u00fcr die grofse Sext g : e1 giebt Delezenne zwei verschiedene Formeln, woraus bei der Vergr\u00f6fserung Komma = 1,2 Schwingungen, bei der Verkleinerung 0,44 Komma = 1,8 Schwingungen folgen. F\u00fcr dieses Intervall w\u00e4re man also bei der Vergr\u00f6fserung empfindlicher, der subjective Reinheitspunkt l\u00e4ge auf der Minus-Seite.\nDiese Ergebnisse stimmen insofern mit den unsrigen \u00fcberein, als die Quinte allen anderen Intervallen voransteht. Selbst die Terz kommt vor der Octave. Auch die Zahlenwerthe stimmen gut zu den unsrigen; besonders wenn man die tiefere Octavenlage ber\u00fccksichtigt. Ferner ist es eine werthvolle Best\u00e4tigung, dafs auch bei Delezenne die Intervalle durchg\u00e4ngig bei Gleichzeitigkeit schlechter beurtheilt wurden als bei Aufeinanderfolge der T\u00f6ne. Die Verschiedenheit der Grenzen f\u00fcr Vergr\u00f6fserung und f\u00fcr Verkleinerung hat er leider, abgesehen von der Sexte, nicht genug beachtet; er scheint anf\u00e4nglich angenommen zu haben, dafs die Empfindlichkeit nach beiden Seiten vom physikalischen Reinheitspunkt gleich sein m\u00fcsse. Dadurch wird sowohl die Bestimmung des subjectiven Reinheitspunktes als die genauere Vergleichung der einzelnen Intervalle unm\u00f6glich. Dazu kommt, dafs das Monochord kein gutes Instrument f\u00fcr solche Untersuchungen ist, da die T\u00f6ne rasch verklingen, der Anschlag Ungleichheiten bedingt und die Messung der Stegverschiebungen nicht so genau ist wie die Z\u00e4hlung der Schwebungen bei dauernden T\u00f6nen. Doch bleibt Delezenne\u2019s Untersuchung durch ihre Sorgfalt und Umsicht werthvoll.\nver\u00e4ndert w\u00fcrde. Thats\u00e4chlich vertheilt sich die Abweichung bei Dele-zenne auf beide T\u00f6ne, da durch die Verschiebung des Stegs immer beide ge\u00e4ndert wurden. Aber dies ist nat\u00fcrlich hier irrelevant.","page":137},{"file":"p0138.txt","language":"de","ocr_de":"138\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 375]\n2. Cornu und Mercadier fanden f\u00fcr die grofse Terz mit aufeinanderfolgenden T\u00f6nen an verschiedenen Instrumenten eine mit der pythagoreischen fast ganz zusammenfallende, ja sogar einigemal dar\u00fcber hinausgehende erh\u00f6hte Intonation, n\u00e4mlich 1:1,26 bis 1,271, statt 1:1,25. Die absolute Tonh\u00f6he war (wenigstens bei den Orgelpfeifen, wo sie angegeben ist) c1 : e1. Nehmen wir, um die Ergebnisse mit den unsrigen zu vergleichen, 480 als Grundton (allerdings fast eine Octave h\u00f6her als c1), so w\u00fcrde die Terz davon nach diesem Verh\u00e4ltnifs 605 bis 610 werden. Also eine subjective Vergr\u00f6fserung von 5 bis 10 Schwingungen! Dies ist ein nach unseren Befunden enormer Betrag; alle unsere Versuchspersonen w\u00fcrden hier ,,zu grofs\u201c geurtheilt haben. Man sieht hieran, dafs doch starke individuelle (oder nationale, localtraditionelle?) Unterschiede stattfinden m\u00fcssen.\nNoch auffallender ist aber, dafs Cornu und Mercadier bei Quinten mit aufeinanderfolgenden T\u00f6nen, sowie bei Terzen und Quinten mit gleichzeitigen T\u00f6nen keine Erh\u00f6hung constatiren konnten. Die Intervalle wurden hier den Tabellen zu Folge so gut wie physikalisch rein intonirt.\n\tGrofse Terz\t\tQuinte\t\nTonquelle\t\t\t\t\n\tGleichz.\tSucc.\tGleichz.\tSucc.\nGesang\t\t_\t1,260\t\t\t1,497\nCello\t\t1,251\t1,266\t1,449\t1,508\nVioline\t\t1,249\t1,264\t1,504\t1,504\nOrgelpfeifen\t\t1,252\t1,267\t1,498\t1,497\nTonmesser\t\t\u2014\t1,271\t\u2014\t1,500\nMittelwerth\t1,251\t1,266\t1,499\t1,501\nPhysikalische Stimmung\t1,250\t1,2656\t1,500\t1,500\n\t\t(pythag.)\t\t\nHier k\u00f6nnen wir nichts thun, als eine principielle Abweichung von unseren Ergebnissen constatiren. Ueber die Ursachen l\u00e4fst sich nichts Bestimmtes sagen, da die Umst\u00e4nde jener Versuche nicht hinreichend im Einzelnen beschrieben sind. Es ist auch nicht angegeben, auf wieviel Versuchen jede dieser Zahlen be-","page":138},{"file":"p0139.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 376] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 139\nruht und welche Schwankungen die Einzelversuche, aus denen diese Zahlen doch wohl Mittelwerthe sind, aufweisen.\n3. Preyer schlofs aus seinen Beobachtungen, dafs die Empfindlichkeit f\u00fcr die Octave weitaus am gr\u00f6fsten sei, gr\u00f6fser sogar als die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr einen einzelnen Ton. Selbst Unge\u00fcbte und Unmusikalische erkl\u00e4rten nach ihm die Octave f\u00fcr unrein bei einer Verstimmung von 3 Schwingungen, und zwar in der Gegend der zweigestrichenen Octave. Ge\u00fcbte erkl\u00e4rten die physikalisch reine Octave 500,5 : 1001 f\u00fcr rein, die nur um 0,1 Schwingung gr\u00f6fsere 500,4 : 1001 bereits f\u00fcr unrein. Ebenso sind nach Preyer 250 : 501 und 500 : 1001 gutmerklich unrein.\nAuf die Octave folgen : Quinte, grofse Secunde, Quarte, dann die Terzen und Sexten. Bei diesen und der Secunde ist das Ergebnis, soweit es sich \u00fcberhaupt einigermaafsen fixiren liefs, nicht dasselbe f\u00fcr Vergr\u00f6fserungen und Verkleinerungen, daher die Reihenfolge nicht eindeutig zu bestimmen.1\nObschon dieses Ergebnis, abgesehen von der Secunde, mit der traditionellen Meinung wohl im Einklang steht, ist doch kaum Gewicht darauf zu legen, da es \u00fcberall nur aus wenigen F\u00e4llen abgeleitet ist und die Grenzwerthe aus den kleinen Tabellen mit starken Willk\u00fcrlichkeiten ausgew\u00e4hlt werden. Preyer ist sich dieser Willk\u00fcrlichkeiten auch selbst bewufst. Er gieht hei den meisten Intervallen seine Maafsbestimmungen mit grofser Reserve. Die beiden Beobachter stimmten auch zu wenig mit einander \u00fcberein, um die Grenzwerthe deutlich erkennen zu lassen. Bei der kleinen Terz schwankt z. B. der Grenzwerth f\u00fcr Verkleinerungen zwischen 0,7 und 2,5.\nSpeciell bei der Quinte, auf die es besonders ankommt, wenn die Reihenfolge der Empfindlichkeit mit der der Consonanz verglichen werden soll, hatte Preyer in seinem Apparat keinen Uebergang zwischen den physikalisch reinen und den stark un-\n1 Pkeyek suchte hierbei zun\u00e4chst den Punkt, wo das erste bestimmte Unreinheitsurtheil abgegeben wurde. Er berechnet aber nicht die absolute Empfindlichkeit d. b. den reciproken Werth der entsprechenden Schwingungszahldifferenz, sondern die relative Empfindlichkeit, d. h. das reine Intervall (das physikalische Verh\u00e4ltnifs), dividirt durch die Abweichung des ebenmerklich unreinen vom reinen. Indessen bleibt die resultirende ^Reihenfolge wenigstens f\u00fcr die gr\u00f6fseren Abstufungen nach beiden Bestimmungsweisen die n\u00e4mliche.","page":139},{"file":"p0140.txt","language":"de","ocr_de":"140\nG. Stumpf und M. Meyer.\nLX VIII. 377]\nreinen Intervallen, sodafs er eigentlich kritische F\u00e4lle gar nicht vorlegen konnte. Die Urtheile vollends, die er \u00fcber die Octave anf\u00fchrt, getraue ich mir nach allem Vorangehenden mit Sicherheit als blofsen Zufall zu erkl\u00e4ren ; es sei denn etwa, dafs durch vorherige Vergegenw\u00e4rtigung des physikalischen Reinheitspunktes eine Beeinflussung der Urtheile stattgefunden h\u00e4tte (wie bei Schischmanow). Peeyer giebt uns auch leider gerade hier nicht, wie bei den \u00fcbrigen Intervallen, Rechenschaft von den einzelnen abgegebenen Urtheilen, sondern nur summarische und allgemeine Behauptungen, und die so angef\u00fchrten Urtheile lauten nicht auf \u201ezu grofs\u201c oder \u201ezu klein\u201c, wie sonst h\u00e4ufig, sondern nur auf \u201eunrein\u201c. Dies alles erweckt Mifstrauen.\nWas man aus einzelnen Versuchen, selbst an Musikern ersten Ranges, schliefsen kann, zeigen die entgegengesetzten Angaben, welche Helmholtz und E. R\u00f6ntgen \u00fcber Joachim\u2019s Intonation der grofsen Terz machen: nach Helmholtz intonirt er in der Melodie wie im Zusammenklang eine physikalisch reine Terz, nach R\u00f6ntgen dagegen in der Melodie eine vergr\u00f6fserte.\n4. Schischmanow ist nach der \u201eMethode der Minimal\u00e4nderungen\u201c vorgegangen, welche darin besteht, dafs in sehr kleinen Stufen regelm\u00e4fsig fortgeschritten und sowohl der Punkt der ebenmerklichen Unreinheit als der Punkt, wo beim Zur\u00fcckgehen der Verstimmung eben wieder Reinheit einzutreten scheint, bestimmt wird. Die sog. Schwelle ist dann das Mittel aus beiden. Man erh\u00e4lt so nat\u00fcrlich kleinere Werthe, als wenn nur der Punkt der Unreinheit bestimmt wird.\nSchischmanow fand \u00e4hnlich wie Pkeyer die Empfindlichkeit f\u00fcr die Octave am gr\u00f6fsten, dann im Ganzen mit der Consonanz der Intervalls abnehmend. Nur die grofse Secunde steht wieder zwischen den unvollkommenen Consonanzen; aber hier fanden sich auch besonders grofse Schwankungen je nach der musikalischen Uebung.\nAuch sonst war die Reihenfolge f\u00fcr verschiedene Beobachter nicht genau dieselbe. Doch in Bezug auf die Folge: Octave, Quinte und Quarte stimmen die beiden Hauptbeobachter \u00fcberein, f\u00fcr Octave und Quinte auch die beiden anderen, deren nach gleicher Methode angestellte Beobachtungen Schischmanow mit-anf\u00fchrt. Die Schwellenwerthe jener drei ersten Intervalle waren f\u00fcr Schischmanow selbst: 0,220; 0,332; 0,419. F\u00fcr die \u00fcbrigen","page":140},{"file":"p0141.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 378] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 141\nBeobachter etwas gr\u00f6fser. Aber auch bei dem Beobachter Krestow \u00fcbersteigen sie noch nicht eine halbe Schwingung. Die Schwelle 0,22 f\u00fcr die Octave ist wiederum nicht gr\u00f6fser als die nach gleicher Methode von Luet bestimmte Unterschiedsschwelle f\u00fcr einen einzelnen Ton.\nLeider l\u00e4fst jedoch eine n\u00e4here Betrachtung auch diese Arbeit nicht als zuverl\u00e4ssig genug erscheinen.\nVor Allem hat meiner Meinung nach Schischmanow seinen Versuchspersonen die Aufgabe mehr als gut war erleichtert. Erstens n\u00e4mlich wurde ihnen das objectiv reine Intervall vorher ,,gut eingepr\u00e4gt\u201c. Zweitens wurde ihnen die Richtung vorher angegeben, in welcher jedes Mal die Ver\u00e4nderung erfolgte (Erh\u00f6hung oder Vertiefung der ver\u00e4nderlichen tieferen Gabel). Drittens endlich fungirte von den zwei Versuchspersonen, die die ganze Untersuchung mitmachten, Schischmanow und Krestow, jeder abwechselnd als Experimentator und als Beobachter; und da das Laufgewicht der zu verstimmenden Gabel um je 1 mm weiter verschoben wurde, bis die Unreinheit erkannt wurde, so war der zweite Beobachter \u00fcber die Anzahl der Verschiebungen, durch welche dieser Punkt bei seinem Mitarbeiter erreicht worden war, unterrichtet. Das ist f\u00fcr den Unbefangensten gef\u00e4hrlich. Ein wissentliches Verfahren von solcher Ausdehnung f\u00fchrt unvermeidlich in die Versuchung zu unwillk\u00fcrlichem Rathen nach \u00e4ufseren Indizien.\nUeberdies entfernt es sich von den Bedingungen, unter denen in der Wirklichkeit geurtheilt wird, zu weit, um noch triftige Schl\u00fcsse auf das Verhalten des Intervallurtheils in gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden zu gestatten, vor Allem dadurch, dafs das mathematisch reine Intervall vorher \u201egut eingepr\u00e4gt war\u201c. Dadurch ist ja ein Hauptzweck der ganzen Untersuchung von vornherein vereitelt! Gerade dies ist eine der wichtigsten Fragen, ob das physikalisch Reine mit dem subjectiv Reinen zusammenf\u00e4llt, ob uns nicht z. B. die pythagoreische oder die temperirte Terz als die eigentlich reine erscheint. Durch diese vorherige Einpr\u00e4gung des physikalischen Reinheitspunktes ist das Bewufst-sein f\u00fcr einen der wesentlichsten Zwecke der Untersuchung unbrauchbar gemacht.\nIm Einzelnen ist \u00fcber die Ursachen, die die obigen Ergebnisse Schischmanow\u2019s herbeif\u00fchrten, nichts Sicheres zu sagen. Man m\u00fcfste vor Allem die Rohtabellen kennen. Eine solche giebt uns der Verfasser als-","page":141},{"file":"p0142.txt","language":"de","ocr_de":"142\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 379J\nMusterbeispiel zur Erl\u00e4uterung seines Verfahrens. Wir wollen sie daher etwas n\u00e4her in Augenschein nehmen, obwohl ich wegen des R\u00fcckganges auf Rohtabellen schon einmal grofses Misfallen erregt habe.\nRohtabelle Schischmanow\u2019s f\u00fcr die Octave.\nVJo\t\t\t\tJVo\t\t\t\nt\t9\u00b0\th\tgu\tt\t9\u00b0\th\tgu\n0,655\t0,333\t0,453\t0,200\t0,333\t0,333\t0,200\t0,200\n0,332\t0,332\t0,199\t0,199\t0,334\t\u2014\t0,200\t\u2014\n0,333\t\u2014\t0,200\t\u2014\t0,332\t\t0,199\t\nVJu\t\t\t\tJVu\t\t\t\nh\tgu\tt\t9\u00b0\th\tgu\tt\t9\u00b0\n0,435\t\u2014\t0,335\t0,335\t0,451\t0,198\t0,909\t0,332\n0,200\t\u2014\t0,333\t\u2014\t0,200\t\u2014\t0,333\t\u2014\n0,198\t\u2014\t0,330\t\u2014\t0,198\t\u2014\t0,330\t\u2014\nEs wurde stets nur der tiefere Ton, die \u201eVergleichsgabel\u201c V, verstimmt. Y Jo bedeutet eine Versuchsreihe, worin der Experimentator diesen Ton zuerst angab, dann den h\u00f6heren, die \u201eIntervallgabel\u201c J\\ und zwar so, dafs er mit der Verstimmung der V von dem physikalischen Reinheitspunkt zuerst nach unten bis zur ebenmerklichen Unreinheit ging (auch noch etwas dar\u00fcber), dann zur\u00fcck bis zur ebenmerklichen Reinheit; dann ebenso nach oben und wieder zur\u00fcck. Die vier so erhaltenen Werthe stehen unter VJ0 in den Rubriken t, g0, h, gu. Die drei Werthe in jeder Rubrik entstammen drei Versuchsreihen. Bei VJU wurde mit der Verstimmung zuerst nach oben, dann nach unten gegangen. .JV0 und JVu verhalten sich analog, nur dafs hier die h\u00f6here Gabel (J) zuerst angegeben wurde.\nWas bedeuten nun aber die vielen Striche in der Tabelle? Nach dem Plan und Erfordernifs der Methode m\u00fcssen alle hierher geh\u00f6rigen Werthe bestimmt worden sein. Warum stehen sie nicht da? Gl\u00fccklicherweise kann man aus den nachher folgenden Durchschnittszahlen die Bedeutung der Striche herausrechnen: sie bedeuten den Werth Null, m. a. W. : der subjective Reinheitspunkt f\u00e4llt hier mit dem physikalischen zusammen.* 1 Dies best\u00e4tigt sich auch durch die sp\u00e4tere Aeufserung des Ver-\n1 Uebrigens stimmt die Tabelle der Durchschnittswerthe f\u00fcr Sch. unter\nI auf S. 578 mit derjenigen f\u00fcr denselben Beobachter und dasselbe Intervall auf der folgenden Seite keineswegs \u00fcberein, w\u00e4hrend sie doch identisch sein sollen. Unter den 16 Werthen der ersten Tabelle fallen nur gerade die H\u00e4lfte mit denen der zweiten Tabelle zusammen. Hoffentlich ist der Autor sonst im Schreiben und Corrigiren sauberer zu Werke gegangen.","page":142},{"file":"p0143.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 380] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 143\nfassers, dafs bei der Octave am \u00f6ftesten subjectiver und objectiver Gleich-heits-(Reinheits-)Punkt zusammentr\u00e4fen.\nNun entsteht die weitere Frage : Wie ist es m\u00f6glich, dafs unter 24 F\u00e4llen von Verstimmungen, die bis auf 3 Decimalen angegeben werden (vgl. 0,200 gegen\u00fcber 0,199 u. s. f.), 15 F\u00e4lle sind, die genau dem Nullwerth entsprechen? Nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit sollte man nicht einen einzigen solchen Fall erwarten.\nDa hier\u00fcber verschiedene Hypothesen m\u00f6glich waren, erbat ich mir von Herrn Prof. K\u00fclpe in W\u00fcrzburg, dem Assistenten Wundt\u2019s zu der Zeit, als die Arbeit in dessen Laboratorium gemacht wurde, Aufkl\u00e4rung, und erhielt solche in zuvorkommendster Weise. Er wies darauf hin (was allerdings auch schon in Schischmanow\u2019s Bericht steht), dafs sich an der verstimmbaren Gabel eine Millimetertheilung befand und dafs jede Verschiebung des Laufgewichts 1 mm betrug. Dadurch war nat\u00fcrlich nur eine kleine Auswahl von Verstimmungen gegeben, beispielsweise diejenigen, die in der oberen H\u00e4lfte der Rohtabelle durch die Werthe: \u2014 (d. h. 0); 0,200; 0,333; 0,453 ; 0,655 repr\u00e4sentirt sind. Diese entsprachen nach K\u00fclpe\u2019s Angabe den 5 ersten Theilstrichen nach der betreffenden Seite hin. Die kleinen Differenzen in der dritten D\u00e9cimale kommen daher, dafs nach jeder Etappe des Verfahrens eine Bestimmung der objectiven Schwingungsdifferenz bei dem bez\u00fcglichen Theilstrich stattfand. Diese zuf\u00e4lligen minimalen Schwankungen der bez\u00fcglichen Werthe (0,333 \u2014 0,334 \u2014 0,332) d\u00fcrfen also nicht zu dem Glauben verleiten, als handle es sich um verschiedene Stellungen des Laufgewichts, bei denen das bez\u00fcgliche TJrtheil eintrat: sie k\u00f6nnen ebenso auf Zuf\u00e4lligkeiten in der objectiven Bestimmung beruhen und sind \u00fcberhaupt in ihrer Winzigkeit bedeutungslos. Sie verschwinden schon, wenn man statt dreier zwei Decimalen angiebt. Offenbar h\u00e4tte man \u00fcbrigens consequent auch bei der R\u00fcckkehr zum ersten Theilstrich nicht einfach den Werth Null einsetzen, sondern auch hier die wirkliche Stimmung der Vergleichsgabel, sei es auf 3 oder auf 2 Decimalen, bestimmen m\u00fcssen. Doch darauf wollen wir kein Gewicht legen. Worauf es ankommt, ist, dafs nach diesen Aufkl\u00e4rungen zwischen 0 und 0,2 \u00fcberhaupt keine Verstimmung vorgelegt wurde.\nWenn nun der Urtheilende, nachdem die Verstimmungen vom Reinheitspunkt aus begonnen hatten, etwa beim zweiten Schritt (0,333) eine merkliche Verstimmung constatirte, wie dies meistens der Fall war, und nun auch wohl der Sicherheit halber noch einen oder zwei Schritte weiter gegangen wurde, so waren es doch sehr wenige Stufen, die dann von dem erreichten Punkt aus r\u00fcckw\u00e4rts zur\u00fcckzulegen waren, um wieder zum Reinheitspunkt zu gelangen. Es versteht sich, dafs sein \u00fcrtheil dadurch pr\u00e4occupirt war. Er mufste ja genau wissen, wann der objective Reinheitspunkt, der ihm zu allem Ueberflufs vorher noch besonders eingepr\u00e4gt wurde, wieder erreicht war. Dafs er also hier das Urtheil \u201erein\u201c abgab, beweist gar nichts. Das ist kein Urtheil aus der Empfindung, sondern aus der Berechnung heraus, aus der Kenntnifs der Versuchsumst\u00e4nde. Man kann sich h\u00f6chstens noch wundern, dafs der Striche in der Tabelle","page":143},{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"C. Stumpf und M. Meyer.\n144\n[XVIII 381]\nnicht noch mehr sind. Blofse Berechnung war es also nicht; aber dafs sie mitspielte, war ganz unvermeidlich.\nDaher also die vielen Coincidenzen des subjectiven und objectiven Reinheitspunktes, die der Verfasser bemerkenswerth findet.\nMan mufs aber noch weiter fragen, ob und warum nicht auch der objective Reinheitspunkt nach der R\u00fcckkehr noch der Sicherheit halber um einige Stufen \u00fcberschritten wurde. Es ist ja klar, dafs das Reinheitsurtheil sich auch recht wohl einmal erst dann h\u00e4tte einstellen k\u00f6nnen, wenn dieser Punkt objectiv bereits nach der anderen Seite \u00fcberschritten war. Wir haben dies in unseren Versuchen oft genug gefunden, auch Luft und ebenso M. Meyer haben es bei ihren Studien \u00fcber Unterschiedsempfindlichkeit gefunden.1 In solchen F\u00e4llen m\u00fcfste man dann negative Werthe in die Rohtabelle schreiben, und selbst der definitive Schwellenwerth kann unter Umst\u00e4nden negativ werden: ein Zeichen f\u00fcr die Bedenklichkeit der ganzen Methode.\nMan kann nirgends erkennen, wie es Schischmanow mit dem Ueber-schreiten des Reinheitspunktes und den negativen Werthen gehalten hat. Bei den \u00fcbrigen Intervallen, f\u00fcr welche keine Rohtabellen vorliegen, ist nach K\u00fclpe\u2019s Ansicht in der That der Reinheitspunkt \u00f6fters \u00fcberschritten worden, ehe das Reinheitsurtheil eintrat. Vielleicht hat sich der Experimentator doch bei der Octave, wenn sie zuerst gepr\u00fcft wurde (auch \u00fcber diesen Punkt ist nichts angegeben), mit der Wiedererreichung des objectiven Reinheitspunktes beruhigt und den Versuch f\u00fcr beendigt angesehen, und ist erst sp\u00e4ter zu dem correcteren Verfahren \u00fcbergegangen.\nBei diesem Stande der Sache verlieren die Reinheitsurtheile {go und gu) \u00fcberhaupt ihr Interesse. Nur die Werthe t und h, die die Punkte ebenmerklicher Unreinheit angeben, w\u00fcrden in Betracht kommen. Nun aber giebt Schischmanow ungl\u00fccklicherweise nirgends aufser in der obigen Rohtabelle diese Werthe an. Wir erhalten immer nur die Schwellen werthe, die aus t-\\-g0, h-\\-gu resultiren. Es l\u00e4fst sich daher auch \u00fcber die Ursache f\u00fcr die hervorragende Stellung der Octave, f\u00fcr die behauptete Coincidenz der Rangfolge nach der Empfindlichkeit und nach der Oonsonanz eines Intervalls kein bestimmteres Urtheil gewinnen. Denkbar ist hier Mancherlei. Aber soviel wird man zugeben: wenn schon die Zahlenwerthe f\u00fcr die einzelnen Intervalle auf einem unsicheren Boden stehen und keine eindeutige Interpretation als Ausdruck der wirklichen Empfindlichkeit gestatten, so kann auch aus ihrer Anordnung kein Beweis f\u00fcr die verschiedene Empfindlichkeit f\u00fcr Verstimmungen verschiedener Intervalle hergeleitet werden.\nZuletzt erw\u00e4hnt Schischmanow eine in der That auffallende Erscheinung in seinen Tabellen : dafs die oberen Schwellenwerthe durchg\u00e4ngig gr\u00f6fser sind als die unteren, d. h. dafs man gegen Verkleinerung empfindlicher war als gegen Vergr\u00f6fserung. Dies zeigte sich bei allen Intervallen und\n1 Vgl. M. Meyer, Ueber die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr Tonh\u00f6hen, dieses Heft S. 78, 80 f.","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 382] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 145\nbei beiden Beobachtern; \u00e4hnlich auch bei den miterw\u00e4hnten fr\u00fcheren Beobachtern K\u00fclpe und Peiskek.\nSchischmanow ist geneigt, den Grund weniger in Eigent\u00fcmlichkeiten des Intervallurtheils, als vielmehr in solchen des Tonurtheils zu suchen. Da n\u00e4mlich bei seinen Versuchen immer nur der tiefere Ton variirte, also Verkleinerung des Intervalls Erh\u00f6hung dieses Ton bedeutete, Vergr\u00f6fserung Vertiefung desselben, so meint er, dafs vielleicht die Erh\u00f6hung eines Tons leichter aufgefafst werde, als seine Vertiefung.\nIn diesem Fall w\u00fcrde aber, wenn der h\u00f6here Ton ver\u00e4ndert wird, das Umgekehrte sich ergeben: man m\u00fcfste dann gegen Vergr\u00f6fserung des Intervalls empfindlicher sein als gegen Verkleinerung, was nach unseren Untersuchungen nicht der Fall ist. Das Verhalten betrifft also die Intervalle als solche, und die Uebereinstimmung des Ergebnisses mit den unsrigen in dieser Hinsicht scheint trotz der obigen allgemeinen Bedenken gegen die Versuche bemerkenswert. Auffallend ist, dafs die kleine Terz bei Schischmanow derselben Regel untersteht, w\u00e4hrend wir bei ihr nach dem 1. Capitel gegen Vergr\u00f6fserung viel empfindlicher sind. Es k\u00f6nnte auch hier eine \u00e4hnliche Beeinflussung der kleinen durch die grofse Terz und vielleicht noch durch andere Intervalle stattgefunden haben, wie in unseren Versuchen im 2. Capitel.\n5. Unter den Angaben der \u00fcbrigen in der Einleitung erw\u00e4hnten Autoren kommen besonders die Angaben \u00fcber die grofse und kleine Terz in Betracht. Wir finden Alle einstimmig darin, dafs die kleine Terz physikalisch zu klein, und fast einstimmig darin, dafs die grofse zu grofs intonirt werde \u2014 wobei allerdings immer vorausgesetzt wird, dafs man im ersten Fall die Moll-, im zweiten die Durterz des entsprechenden Dreiklangs im Sinne hat.1\nUeber den Grad der Erh\u00f6hung und Vertiefung gehen die Anschauungen freilich auseinander, derart, dafs f\u00fcr die kleine Terz sogar 6 : 7 vorgeschlagen worden ist. Aber hier ist zu bedenken, dafs man sich beim Urtheil nach dem blofsen Ge-\n1 Bez\u00fcglich der grofsen Terz ist auch von Interesse die Anweisung der \u201eM\u00fcnchener Chorgesangsschule\u201c (hei J. Steinek 1. c. 24): \u201eMan achte besonders darauf, dafs die Stufen 3 und 7 nicht zu tief genommen werden\u201c \u2014 was darauf hinweist, dafs die Dirigenten eine scharfe Intonation der grofsen Terz (und des Leittones) systematisch beg\u00fcnstigen.\nStumpf, Beitr\u00e4ge II.\n10","page":145},{"file":"p0146.txt","language":"de","ocr_de":"146\nG. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 383J\nh\u00f6r grofsen T\u00e4uschungen hingiebt \u00fcber den Betrag solcher Abweichungen. Gerade bei diesen Versuchen ist es uns \u00e4ufserst vielfach aufgefallen, dafs man eine Verstimmung von einem Viertelton zu h\u00f6ren glaubt, wo sie nur wenige Schwingungen betr\u00e4gt (s. u. 150 unter d). Die Verschiebung des subjectiven Reinheitspunktes ist, wie erw\u00e4hnt, in allen F\u00e4llen bei der Terz viel kleiner als die der temperirten und pythagoreischen Terz, \u2014 von einer kleinen Terz 6 : 7 nicht zu reden. Bei J. Steiner ruht die Behauptung, dafs die Dur- und Mollterz in der Melodie (die Mollterz auch im Zusammenklang) pythagoreisch intonirt werde, darauf, dafs er eben nur die nat\u00fcrliche und die pythagoreische Stimmung zur Auswahl vorlegte.1\nDafs Intervalle gleichzeitiger T\u00f6ne unsicherer beurtheilt werden als solche aufeinanderfolgender T\u00f6ne, entspricht nicht der gew\u00f6hnlichen Meinung; man wird bei einer Umfrage meist die umgekehrte Ansicht h\u00f6ren. Immerhin findet man aufser bei Delezenne auch sonst gelegentlich Aeufserungen, die mit unserem Ergebnifs \u00fcbereinstimmen. So sagt Faist in seinen Studien \u00fcber Tonverschmelzung2 : ,,Man meint in der Regel, die Quinten der Violine am reinsten zu erhalten, wenn man zwei Saiten zugleich anstreicht. Allein eine nachtr\u00e4gliche Contr\u00f4le dadurch, dafs man die beiden T\u00f6ne nach einander angiebt, belehrt einen h\u00e4ufig, dafs das Intervall etwas zu grofs oder zu klein ausgefallen ist.\u201c Hier ist nat\u00fcrlich nicht angenommen, dafs die Intonation f\u00fcr gleichzeitige und f\u00fcr aufeinanderfolgende Quintent\u00f6ne an sich eine verschiedene sei (sonst k\u00f6nnte man ja nicht eine\n1\tAufserdem ist die Art der Versuchsanstellung, wie sie Steines in der Vorrede beschreibt, nicht exact genug, um allerlei psychologische Fehlerquellen auszuschliefsen. Er hielt vor einem geladenen Kreise von Fachm\u00e4nnern und Musikfreunden einen Vortrag, w\u00e4hrend dessen die Terzen vorgef\u00fchrt wurden. \u201eEs dr\u00e4ngte sich dabei jedem H\u00f6rer ganz ungezwungen und unausgesprochen die Wahrheit auf\u201c u. s. f. Aber irgendwie mufs sie doch ausgesprochen worden sein. Schriftlich? durch Acclamation am Schlufs ? \u2014 \u201eJeder Musiker entschied sich ohne Bedenken f\u00fcr das pythagoreische Moll\u201c (auch im Zusammenklang). Einer nach dem Anderen? ohne von dessen Urtheil zu wissen? \u2014 Auf alles das kommt es wesentlich an.\nWas Steines S. 24 \u00fcber das Zutief klingen der Flageolett\u00f6ne beibringt, hat andere Gr\u00fcnde. Es ist eine durch die Klangfarbe dieser weichen T\u00f6ne bedingte T\u00e4uschung.\n2\tZeitschr. f. Psych. XV, 129.","page":146},{"file":"p0147.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 384] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 147\ndurch die andere controliren wollen), sondern nur dafs die Sicherheit des Urtheils bei der Succession gr\u00f6fser sei.\nDer Anlafs zur entgegengesetzten Meinung liegt wohl haupts\u00e4chlich in der Thatsache, dafs man meistens mit gleichzeitigen T\u00f6nen stimmt. Ueber den Grund dieses Gebrauches selbst aber s. u. S. 400.\nAuch dafs die Empfindlichkeit mit der Consonanz der Intervalle abnehme, ist eine fast allgemein verbreitete Meinung und wird von den Lehrb\u00fcchern wie eine ausgemachte Sache vorgetragen. Das Zustandekommen dieser Lehrmeinung wollen wir ebenfalls weiter unten untersuchen. Einstweilen nur soviel, dafs doch auch in dieser Beziehung Praktiker, die sich statt durch Autorit\u00e4t und Tradition durch\u2019s Experiment leiten lassen, zuweilen anders lehren. So sagt T\u00fcrk 1 : ,,Die Stimmung blos nach Octavenist, so viel ich gefunden, die schwerste, und weil sie die st\u00e4rkste Ausweichung und Ver\u00e4nderung, ohne dafs es das Geh\u00f6r merklich wahrnimmt, leidet, zugleich die betr\u00fcglichste. Man kann hiervon nicht besser \u00fcberzeugt werden, als wenn man auf zweien neben einander stehenden Clavieren einen Fundamentalton v\u00f6llig rein und gleichlautend, hierauf aber die Octaven eines jeden Claviers nach einander, ohne den Fundamentalton gegen die anderen Octaven zu h\u00f6ren, besonders stimmet, und nach geschehener Arbeit die gestimmten oberen Octaven auf beiden Clavieren zugleich anschl\u00e4gt u. s. w., wo man einen grofsen Unterschied zwischen beiden T\u00f6nen bemerken wird.\u201c Das Experiment ist in dieser Form allerdings nicht ganz einwandfrei; aber T\u00fcrk spricht hier offenbar zugleich von dem Gesammteindruck seiner Beobachtungen.\nSechstes Capitel.\nBemerkungen der Beobachter hei den Versuchen.\n(C. Stumpf.)\nEhe wir zu erkl\u00e4renden Betrachtungen \u00fcbergehen, m\u00f6gen die gelegentlichen Aussagen und Notizen der Beobachter \u00fcber die Methode und Kriterien des Urtheilens einen Platz finden, da\n1 Anleitung zu Temperaturberechnungen, 1808, S. 321. Ich fand die Stelle bei Schis chmanow.\n10*","page":147},{"file":"p0148.txt","language":"de","ocr_de":"148\nG. Stumpf und M. Meyer.\n[X'VIII. 385]\nsie beitragen k\u00f6nnen, Licht auf die Urtheilsvorg\u00e4nge zu werfen. Hierbei sollen auch die Erfahrungen an den im 1. und 2. Capitel beschriebenen Versuchen eingef\u00fcgt werden, soweit sie nicht schon im dortigen Zusammenhang ber\u00fchrt sind.\n1. Manche Bemerkungen betreffen Z\u00fcge, die man auch bei anderen psychophysischen Beobachtungsreihen yorfinden wird ; z. B.\na)\tDafs das subjective Gef\u00fchl der Sicherheit keineswegs immer mit der wirklichen Sicherheit des Urtheils zusammentrifft. In manchen Reihen f\u00fchlte sich ein Beobachter \u00e4ufserst sicher, w\u00e4hrend das Urtheil sehr schwankend war und grofse Verstimmungen hingehen liefs; und umgekehrt. So kann auch dasselbe Intervall in derselben Abstimmung einmal mit dem Gef\u00fchl der Sicherheit, das andere Mal mit dem grofser Unsicherheit beurtheilt werden.\nVon den Versuchen des 2. Capitels wurde ein Theil so angestellt, dafs der Beobachter selbst durch Ziehen eines Z\u00e4pfchens die Zungen ansprechen liefs und zugleich den Balg trat: ich hatte hierbei das Gef\u00fchl, viel sicherer zu sein, und war es auch ; wahrscheinlich in Folge der individuellen Gew\u00f6hnung. Allgemein wird dies nicht zutreffen, meist vielmehr die passive Methode sicherer sein.\nb)\tDafs in einer Versuchsreihe gewisse Urtheils-str\u00f6mungen Vorkommen, derart, dafs eine Zeit lang nur oder fast nur objectiv richtige Urtheile auftreten, also die empirischen Einfl\u00fcsse ebenso wie die zuf\u00e4lligen Schwankungen der Aufmerksamkeit zur\u00fccktreten; aber auch Str\u00f6mungen derart, dafs eine Zeit lang fast nur Reinheits- oder g.- oder k.-Urtheile Vorkommen.\nc)\tDafs es f\u00fcr die Zahl der Wiederholungen eines einzelnen Versuchs zum Behuf der Urtheilsbildung ein Optimum giebt. Wir bemerkten bei den Versuchen im 1. und 2. Capitel alle, dafs bei l\u00e4ngerem Hinhorchen und \u00f6fterer Repetition eines Intervalls das Urtheil oft wieder unsicherer wurde und man zuletzt den zweiten Ton willk\u00fcrlich als zu hoch oder zu tief sch\u00e4tzen konnte.\nd)\tDafs bei aufeinanderfolgenden T\u00f6nen schwerer zu urtheilen war, wenn der erste ver\u00e4nderlich war, als wenn der zweite oder beide. Dies ist aus allgemeineren Gr\u00fcnden ziemlich begreiflich. Doch kann man sich auch an die Ver\u00e4nderung des ersten Tons oder beider T\u00f6ne gew\u00f6hnen.","page":148},{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. B86] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 149\n2. Andere Bemerkungen betreffen speciell die Modalit\u00e4t und den Mechanismus des Reinheitsurtheils.\na)\tBiedermann gab stets mit Bestimmtheit an, dafs er bei aufeinanderfolgenden T\u00f6nen sich nach dem Erklingen des ersten Tons den zweiten in der Phantasie vorstelle und den wirklich auftretenden dann mit dem vorgestellten vergleiche, ihn daran messe. Daher war ihm eine kleine Pause zwischen beiden noth-wendig. Ich selbst verfahre nicht regelm\u00e4fsig so, warte vielmehr meistens den zweiten Ton ohne antecipirende Vorstellung ab und halte ihn im Moment seines Auftretens mit dem Ged\u00e4chtnifs-bilde des ersten zusammen.\nb)\tVon mehreren Beobachtern wurde bestimmt behauptet, dafs sie ein Intervall oft als unrein erkennen, ohne sogleich zu wissen, nach welcher Seite es unrein sei. Ich selbst, anfangs geneigt es zu bestreiten, habe etwas Derartiges doch auch in einigen F\u00e4llen erlebt, so in einem Fall der simultanen Quinte, wo ich sogleich den Eindruck der Unreinheit hatte, aber lange zwischen zu grofs und zu klein schwankte, endlich zu klein hinschrieb. Freilich war sie gerade physikalisch rein!\nc)\tDas Bewufstsein war in erster Linie durchaus auf das Intervall als solches gerichtet. An sich w\u00e4re es ja denkbar, dafs in einer Versuchsreihe mit gleichem Grundton und wechselnden Stimmungen des zweiten Tons der Grundton, und damit das Intervall als solches, aufser Betracht gelassen und nur die Stimmungen des zweiten Tons unter einander verglichen w\u00fcrden. Dafs dies aber in den letzten Versuchen ebenso wenig wie in den fr\u00fcheren der Fall war, steht aufser Zweifel. Bei denen im 1. Cap. wechselten ja von Versuch zu Versuch beide T\u00f6ne und zeigte sich doch die gleiche Urtheilssicherheit. Bei den Versuchen im 2. Cap. mit gleichbleibendem Grundton und zwei sehr wenig verschiedenen Intervallt\u00f6nen wurde ausdr\u00fccklich festgestellt, dafs man die letztere^, wenn sie durch entsprechende Zwischenzeit getrennt waren, ihrer H\u00f6he nach nicht unterscheiden konnte (o. S. 106\u20147). Bei den Versuchen im 3. Capitel waren theilweise wiederum beide T\u00f6ne ver\u00e4nderlich. Im Uebrigen kam es zwar hier zuweilen vor, dafs man den zweiten Ton auch direct mit dem vorherigen zweiten verglich, wenn die Pause nicht grofs genug war, um dies auszuschliefsen. Allein wenn man dann auch wahrnahm, dafs er z. B. h\u00f6her geworden,","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nC.Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 387]\nkonnte das Intervall dabei aus einem zu kleinen in ein weniger zu kleines oder in ein reines oder in ein zu grofses, es konnte aus einem reinen in ein zu grofses, oder aus einem zu grofsen in ein noch gr\u00f6fseres \u00fcbergegangen sein, je nachdem eben das vorherige beschaffen war und je nach der Gr\u00f6fse der Aenderung. Man h\u00e4tte also das vorige Urtheil als zweifellos feste Grundlage nehmen und dann noch nicht blos die Richtung, sondern auch die Gr\u00f6fse der Aenderung des zweiten Tons absch\u00e4tzen m\u00fcssen.1 Eines so umst\u00e4ndlichen und viel weniger sicheren Verfahrens d\u00fcrfte sich kaum je einer, auch wo es m\u00f6glich gewesen w\u00e4re, bedient haben, und die Beobachter \u00e4ufserten denn auch einstimmig, dafs sie auf das Intervall als solches achteten. In manchen F\u00e4llen, wo ich den zweiten Ton als identisch mit dem vorhergehenden zweiten zu erkennen glaubte, gab ich gleichwohl ein anderes Intervalhirtheil ab. In anderen F\u00e4llen urtheilte ich in zwei aufeinanderfolgenden Versuchen ,,reinu, w\u00e4hrend ich genau wahrgenommen hatte, dafs der zweite Ton etwas h\u00f6her geworden war : das Intervall als solches schien mir eben trotzdem innerhalb der Grenzen der Reinheit zu bleiben.\nWenn die H\u00f6henver\u00e4nderungen des zweiten Tons als solche wesentlich mitwirkten, w\u00e4re auch zu erwarten, dafs unter den vorgelegten Abstimmungen eine mittlere als reines Intervall bezeichnet w\u00fcrde, w\u00e4hrend z. B. bei der Octave geradezu die h\u00f6chste Stimmung als rein galt. Es schien mir hier sogar eher umgekehrt, dafs ich die H\u00f6henver\u00e4nderung des zweiten Tons nach dem Eindruck des Intervalls beurtheilte.\nDer Violinspieler, der die Saite hin- und herschraubt, bis sie rein zur anderen stimmt, erkennt nat\u00fcrlich ihre H\u00f6hen\u00e4nderung als solche; aber sein Reinheitsurtheil wird doch nicht dadurch bestimmt, sondern durch die Intervallver\u00e4nderung.\nd) Sehr auff\u00e4llig macht sich bei verstimmten Intervallen, besonders verkleinerten, der Eindruck geltend, dafs sie ihrem Charakter nach den n\u00e4chstfolgenden musikalischen Intervallen \u00e4hnlich werden, auch wenn sie von\n1 Bei manchen Reihen wufste der Beobachter nicht einmal, ob nur der erste oder der zweite oder beide T\u00f6ne ver\u00e4nderlich waren ; hier konnte also um so weniger eine zuf\u00e4llig wahrgenommene H\u00f6henver\u00e4nderung zu Schl\u00fcssen auf die Intervallver\u00e4nderung ben\u00fctzt werden.","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 388] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 151\ndiesen noch ungleich weiter entfernt sind als von den urspr\u00fcnglichen. So machte namentlich die Octaye bei einigermaafsen st\u00e4rkerer Verstimmung h\u00e4ufig fast ganz den Eindruck einer grofsen Septime, obgleich sie der reinen Octaye immer noch acht- bis zehnmal n\u00e4her lag als der Septime. (Vgl. o. S. 127.) Man findet Aehnliches \u00fcbrigens auch hei Versuchen \u00fcber Unterschiedsempfindlichkeit : man hat hier oft den Eindruck einer Halbtonstufe. Nicht als wenn man eine solche wirklich zu h\u00f6ren glaubte; aber der Gef\u00fchlseindruck ist ein \u00e4hnlicher, man fafst darum, wie sich einer \u00e4ufserte, den Uebergang \u201eunter den Begriff des Halbtons\u201c. Ich habe dasselbe auch bei Untersuchungen \u00fcber den Unterschied beider Ohren gefunden : die Personen, welche einen merklichen Unterschied zwischen ihren beiden Ohren beobachten, geben h\u00e4ufig an, denselben Ton rechts um einen Halbton, mindestens einen Viertelton, h\u00f6her zu h\u00f6ren, w\u00e4hrend der Unterschied sich experimentell yielleicht auf 2\u20143 Schwingungen feststellen l\u00e4fst.\nBei der absteigenden Quinte, wo mir das Reinheitsurtheil besonders schwer vorkam, stellte ich mir \u00f6fters geradezu die Frage in dieser Form: gleicht das Intervall mehr der kleinen Sexte oder mehr dem Tritonus ? Obschon es nat\u00fcrlich am allermeisten der Quinte gleichen mufste, schien es mir doch vortheilhaft, auf diese Charakterverschiedenheit zu achten.\ne) Es war bei den Intervallen der letzten Versuche subjectiv schwerer zu urtheilen \u00fcber absteigende als \u00fcber aufsteigende Intervalle, und man fand sich bei absteigenden zuerst in Versuchung, sie in Gedanken umzudrehen. ,,Die absteigende Quinte hat etwas Unnat\u00fcrliches\u201c steht in meinen Aufzeichnungen. Es wurden darum die Pausen zwischen den Einzelversuchen hier gr\u00f6fser genommen, damit nicht der tiefere Ton des vorhergehenden und der h\u00f6here des nachfolgenden Versuchs einander zeitlich zu nahe k\u00e4men und so die Umkehrung beg\u00fcnstigt w\u00fcrde. Man konnte sich indessen gew\u00f6hnen, die absteigende Folge als solche zu beurtheilen. Von mir kann ich bestimmt sagen, dafs dies bald der Fall war, obgleich der Umstand, dafs diesmal der h\u00f6here Ton (bis auf den letzten Theil der Versuche) zugleich der ver\u00e4nderliche Ton war, erschwerend wirkte. Nur ein Beobachter (L\u00f6weneeld) blieb nach seiner Aussage bei der Umkehrung.\nAnders war es bei den Versuchen mit der kleinen Terz (aus","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 389]\ndem 1. Cap.): hier schien es nat\u00fcrlicher, von oben nach unten zu urtheilen. Besonders wurde uns so das Urtheil \u00fcber Verminderungen erleichtert : man kam leichter zu dem Urtheil, dafs der tiefere Ton zu hoch, als dafs der h\u00f6here zn tief war.\nf)\tGleichzeitige T\u00f6ne in Gedanken in aufeinanderfolgende zu \u00fcbersetzen, ist zum Reinheitsurtheil nicht erforderlich, wenn es auch \u00f6fters geschieht. Man mufs wohl die T\u00f6ne w\u00e4hrend des H\u00f6rens in Gedanken isoliren, um die genaue H\u00f6he eines jeden sich deutlicher zum Bewufstsein zu bringen, als es im ersten Momente der Fall ist. Aber das Reinheitsurtheil kann dann aus dem gleichzeitigen Eindruck als solchem abgeleitet werden.\nStellt es sich nicht sogleich fest, so r\u00fccke ich innerlich den h\u00f6heren Ton versuchsweise hin und her und probire so, ob durch Erh\u00f6hung oder durch Vertiefung das Intervall reiner w\u00fcrde.\ng)\tBei gleichzeitigen T\u00f6nen achten einzelne Beobachter auf die Combinationst\u00f6ne, auch wohl auf Schwebungen, Aber die meisten thun dies nicht, und die es thun, fahren nicht besser dabei. Im Gegentheil, ihre Urtheilsreihen fielen oft schlechter aus. Dies ist nat\u00fcrlich so : Schwebungen k\u00f6nnen nur anzeigen, dafs das Intervall von der physikalischen Reinheit abweicht, aber nicht, nach welcher Richtung. Und Combinationst\u00f6ne k\u00f6nnen nur dadurch dienlich sein, dafs sie selbst auf ihre Reinheit zu einem der Prim\u00e4rt\u00f6ne (oder zu beiden) beurtheilt werden. In dieser Hinsicht bieten sie zwar insofern einen Vortheil, als die Verstimmung des Combinationstons nothwendig immer gr\u00f6fser ist als die des Prim\u00e4rtons, aber daf\u00fcr liegt er viel tiefer, und in der Tiefe sind auch wieder gr\u00f6fsere Abweichungen noting, um die Unreinheit zu erkennen. Also ein besonderer Vortheil springt dabei nicht heraus.1 Man konnte sich auch nicht etwa nach der\n1 Dem widerspricht nicht, dafs ich in der Tonpsychologie (II, 244) die Combinationst\u00f6ne f\u00fcr n\u00fctzlich erkl\u00e4re, um Unterschiede wie den der beiden Halbtonstufen 15 :16 und 24 :25 zu erl\u00e4utern und controlirbar zu machen. (Wenn man z. B. von c1 es2 nach c2 e2, dann von c2 e2 nach c2 P geht, reagirt der Differenzton zuerst durch einen grofsen Terzen-, dann durch einen\nQuartenschritt.) Dies sind schon sehr bedeutende Unterschiede gegen\u00fcber den hier ben\u00fctzten. Und unsere Intervalle folgten sich ja auch nicht unmittelbar, sondern jedes wurde m\u00f6glichst isolirt. Endlich h\u00e4tte die Wahrnehmung der Richtung und Gr\u00f6fse der Differenztonbewegung immer noch keinen eindeutigen Anhaltspunkt f\u00fcr unsere Frage gegeben.","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 390] Maafsbestimmungen Uber die Reinheit consonanter Intervalle. 153\nabsoluten H\u00f6henlage des Differenztons richten, weil bald der h\u00f6here, bald der tiefere, bald beide Prim\u00e4rt\u00f6ne ver\u00e4ndert wurden, weshalb Erh\u00f6hung des Differenztons Verkleinerung und Ver-gr\u00f6fserung des Intervalls bedeuten konnte.\nUeberdies bedarf die Wahrnehmung von Schwebungen wie von Combinationst\u00f6nen einiger Zeit, und wenn man gl\u00fccklich dazu gelangt ist, oder schon vorher, \u2014 kann der Versuch zu Ende sein. Ich selbst habe Schwebungen und Differenzt\u00f6ne bei diesen Versuchen fast nie vernommen, da eben die Aufmerksamkeit g\u00e4nzlich auf die Prim\u00e4rt\u00f6ne und ihr Intervall gerichtet war. Bei der Octave mit gleichzeitigen T\u00f6nen hatte der Experimentator das physikalisch reine Intervall ausgeschlossen, weil er f\u00fcrchtete, dafs der Mangel der Schwebungen die Reinheit verrathen k\u00f6nnte. Es zeigte sich aber, dafs ich, obgleich nun also immer Schwebungen da waren, doch viele Reinheitsurtheile aufgeschrieben hatte.\nSiebentes Capitel.\nZur Erkl\u00e4rung der gefundenen Regelm\u00e4fsigkeiten und der Reinheitsurtheile \u00fcberhaupt.\n(C. Stumpf.)\n1. Ein bestimmtes Intervall ist f\u00fcr unser Bewufstsein, wie ich anderw\u00e4rts dargelegt habe \\ durch zwei Eigenschaften charakterisirt : durch die Verschmelzung und (innerhalb Eines Verschmelzungsgrades) durch den relativen Abstand der beiden Intervallt\u00f6ne. Grofse und kleine Terz haben, soweit die Beobachtungen reichen, den gleichen Verschmelzungsgrad, unterscheiden sich aber durch die ungleiche Entfernung der T\u00f6ne, wenn ein gemeinschaftlicher Ausgangston f\u00fcr die Vergleichung zu Grunde gelegt wird (daher \u201erelativer\u201c Abstand); sei es, dafs wir dabei den tieferen oder den h\u00f6heren Ton als gemeinsamen nehmen. Aufser diesen prim\u00e4ren, aus dem Begriff des Intervalls \u00fcberhaupt fliefsenden, Merkmalen giebt es noch mancherlei secund\u00e4re. So ist auch wohl der absolute Abstand der beiden T\u00f6ne, wenn wir uns in einer engbegrenzten Region, z. B. einer\n1 Consonanz und Dissonanz (Beitr. z. Akustik und Musikwissenschaft I, 1898), S. 68 f.","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 391]\nOctave, halten, f\u00fcr ein bestimmtes Intervall constant genug, um als Merkmal f\u00fcr das Ged\u00e4chtnifs zu dienen; ferner kommen bei S\u00e4ngern die Muskelempfindungen des Kehlkopfs hinzu u. s. f.\nMan sollte nun denken, dafs auch die Reinheit eines Intervalls nach denselben Kriterien beurtheilt w\u00fcrde, also nach der Genauigkeit, mit der die bez\u00fcgliche Verschmeizungsstufe, Distanz u. s. f. erreicht ist. Aber nothwendig ist diese Folgerung nicht; und thats\u00e4chlich sind alle diese Eigenschaften f\u00fcr unser Bewufstsein nicht fein genug abgestuft, um uns so minuti\u00f6se Unterschiede erkennen zu lassen, wie wir sie in Wirklichkeit erkennen.\nUm beim letzten anzufangen, so sind Muskelempfindungen ein viel zu grobes Material. Es kann nicht die Rede davon sein, dafs wir die Kehlkopfstellungen, die Intervallunterschieden von 0,1 Schwingungen entsprechen, noch als verschieden erkennen und im gegebenen Fall im Ged\u00e4chtnifs reproduciren k\u00f6nnten, um danach die Abweichung einer Terz von der Reinheit zu be-urtheilen. Man hat Muskelempfindungen lange Zeit auch bei den feinsten Gr\u00f6fsenvergleichungen auf r\u00e4umlichem Gebiet als maafsgebend erachtet, kommt aber auch dort mehr und mehr davon zur\u00fcck.\nAuch das Abstandsurtheil l\u00e4fst uns in Stich. Wie schwierig und unbestimmt Ab stands Vergleichungen im Tongebiete sind, hat sich aus anderen Versuchen ergeben.1 Es w\u00fcrde uns ganz unm\u00f6glich sein, zu sagen, ob der Abstand der T\u00f6ne 400 und 501 oder der von 480 und 596 der gr\u00f6fsere ist ; w\u00e4hrend wir vielleicht ganz bestimmt die erste Terz als subjectiv rein, die zweite als zu klein beurtheilen. Freilich wenn wir zwei eben so verschiedene grofse Terzen von genau gleichem Grundton unmittelbar nacheinander h\u00f6ren, werden wir leicht sagen, tvelche die gr\u00f6fsere ist : aber dann ist es nicht die Ver\u00e4nderung des Tonabstandes, die wir wahrnehmen, sondern die Ver\u00e4nderung des hohen Tones an sich. Wenn wir aber, wie bei unseren Versuchen, einzelne gegebene Terzen in Bezug auf ihre Reinheit beurtheilen sollen und diese Aufgabe mit H\u00fclfe von Abstandsbestimmungen l\u00f6sen sollten, so m\u00fcfsten wir bestimmen k\u00f6nnen, ob der vorliegende Tonabstand sich mit einem anderen uns als innerer Maafsstab vorschwebenden\n1 S. m. Aufsatz ,,Ueber Vergleichungen von Tondistanzen\u201c, Zeitschr. f. Psych. I, 419 f. Auch Tonpsych. I, 247 f., II, 403 ff.","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 392] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 155\ndeckt oder nicht, und in welcher Richtung er davon abweicht. Ein solches Urtheil ist, wie gesagt, selbst dann, wenn die beiden Tonabst\u00e4nde in sinnlicher Wahrnehmung zum Vergleich gegeben werden, nur sehr unbestimmt: wie viel weniger w\u00fcrde es hinreichen, wenn der eine davon nur innerlich reproducirt wird.\nAber auch die Verschmelzung, das prim\u00e4re Merkmal des Intervallbegriffes, gestattet keine so feinen Unterscheidungen. Sonst w\u00fcrde man sich nicht streiten k\u00f6nnen, ob die grofse und die kleine Terz, ob Terzen und Sexten sich in dieser Hinsicht noch unterscheiden. Es sind nur die groben Abstufungen zwischen den Hauptclassen der Intervalle nach Consonanz und Dissonanz, die so fixirt werden k\u00f6nnen.\nIndem ich unsere Frage w\u00e4hrend der Versuche stets im Auge behielt, auch mit anderen Beobachtern dar\u00fcber sprach, bin ich selbst von der fr\u00fcher gehegten Meinung abgekommen, als ob es sich bei den hier wahrgenommenen feinsten Verstimmungen um merkliche Ver\u00e4nderungen der Verschmelzung handelte, und sehe mich vielmehr zu der Anschauung gef\u00fchrt, dafs ein Unlustgef\u00fchl bestimmter Art uns hier\u00fcber Aufschlufs giebt. Wir bezeichnen es bei den vergr\u00f6fserten Intervallen als das der Spannung, Sch\u00e4rfe, Ueberreizung u. dgl., bei den verkleinerten als das der Mattigkeit, Schalheit, Stumpfheit u. dgl.1\nDieses Gef\u00fchl mufs sich auf Grund einer angeborenen Mitgift im Laufe der individuellen Uebung zu einer so aufserordent-lichen Feinheit entwickeln. Es kann aber nicht durch die Wahrnehmung der Verschmelzungsunterschiede bedingt sein, sonst w\u00fcrde eben diese Wahrnehmung so fein sein, wie wir es selbst finden. Es mufs vielmehr direct durch den sinnlichen Eindruck der bez\u00fcglichen T\u00f6ne, wenn sie nacheinander oder zugleich gegeben werden, bedingt sein. Aber es mufs doch auch, wie die Ergebnisse des zweiten Capitels und sonstige Beobachtungen (z. B. S. 369 Anm.) zeigen, durch Nebenumst\u00e4nde, durch zeitweilige Gew\u00f6hnung, durch Contrast u. s. f. modificirbar sein, sodafs der subjective Reinheitspunkt sich dann f\u00fcr uns verschiebt.\n1 Ganz ebenso beschreibt M. Planck den Eindruck in der oben S. 86 erw\u00e4hnten Abhandlung. Auch \u00fcber die zeitweilige Accommodation des Geh\u00f6rs an eine gewisse Stimmung eines Intervalls findet man daselbst lehrreiche Bemerkungen, die durchaus unseren Wahrnehmungen entsprechen.","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 393]\nDiese Unreinheitsgef\u00fchle sind ihrer Qualit\u00e4t nach nicht verschieden bei verschiedenen Intervallen. Sie h\u00e4ngen principiell nicht zusammen mit dem Intervallgef\u00fchl, dem eigent\u00fcmlichen Charakter der einzelnen Intervalle (der S\u00fcfsigkeit der reinen Terz, der Leerheit der Quinte, dem Gl\u00e4nz oder der Erhabenheit der Octave u. dgl.), sondern sie zeigen hei allen Intervallen immer nur die n\u00e4mlichen zwei Qualit\u00e4ten ,,scharf\u201c und ,,matt\u201c.\nDie Befriedigung bei der Erreichung des subjectiv reinen Intervalls ist, scheint mir, gleichfalls bei allen Intervallen qualitativ die n\u00e4mliche. Alles qualitativ Verschiedene im Gef\u00fchlseindruck reiner Intervalle fliefst aus anderen Quellen ; und wenn wir auch bei dem wohlthuenden Eindruck einer reinen Terz nicht zwei verschiedene Gef\u00fchle gesondert nebeneinander haben, ein Intervallgef\u00fchl und ein Reinheitsgef\u00fchl, so mufs doch in der Theorie die Unterscheidung gemacht werden.\nWir gebrauchen im Folgenden den Ausdruck \u201eReinheitsgef\u00fchl\u201c f\u00fcr die negativen und die positiven Gef\u00fchle (Unlust-und Lustgef\u00fchle) dieser Gattung, betrachten aber die negativen, die Unreinheitsgef\u00fchle, als die prim\u00e4ren.\nIn besonderen F\u00e4llen kann das Intervallgef\u00fchl trotz der principiellen Unabh\u00e4ngigkeit auf das Reinheitsgef\u00fchl Einflufs \u00fcben. So ist es bei der kleinen Terz. Wir haben gesehen, dafs hier Verkleinerungen, auch wenn sie deutlich als solche auf-gefafst wurden, nur mit geringem Unlustgef\u00fchl verkn\u00fcpft waren (S. 98). Die Mollterz vertr\u00e4gt eben ihrem Intervallcharakter nach etwas Mattes, Gedr\u00fccktes. Nur wenn es im gegebenen Fall unsrem Geschmack nach des Guten zuviel ist, bezeichnen wie sie als unrein. Dagegen vertr\u00e4gt sie etwas Scharfes \u00fcberhaupt nicht, es sei denn, dafs der akustische Geschmack vor\u00fcbergehend umgestimmt ist. Entsprechendes zeigte sich auch bei der grofsen Terz (S. 109).\nDer Recurs auf ein eigenes Reinheitsgef\u00fchl hat f\u00fcr den erkl\u00e4rungsbed\u00fcrftigen Psychologen etwas Widerstrebendes ; insofern man die verrufene Erkl\u00e4rungsweise darin finden k\u00f6nnte, die f\u00fcr jede Erscheinung eine besondere Kraft statuirt. Doch liegt die Sache hier etwas anders. Gef\u00fchle sind nicht hypothetische Kr\u00e4fte, sondern beobachtbare Wirklichkeiten, und das Vorhandensein eines Reinheitsgef\u00fchls ist ganz zweifellos. Die Frage kann nur sein, ob es die Folge des Reinheits- (bez. Unreinheits-) Urtheils ist oder seine Ursache. Wir entscheiden uns, ge-","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 394] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 157\nzwungen durch die Thatsachen, f\u00fcr die letztere Annahme; und ich gestehe, dafs mir dieses, meinen urspr\u00fcnglichen Anschauungen entgegengesetzte, Ergebnifs als das wichtigste dieser Untersuchung erscheint, da es zu neuen wesentlichen Gesichtspunkten hinf\u00fchrt.\nDenn nun erw\u00e4chst die Aufgabe, die Entstehung des Reinheitsgef\u00fchls selbst zu erkl\u00e4ren. Hier\u00fcber mufs eingehender im Zusammenhang der musikalischen Gef\u00fchlslehre untersucht werden. Vorl\u00e4ufig nur Folgendes. Das Reinheitsgef\u00fchl kann im Verlauf des individuellen Lebens aufserordentlich gesteigert werden; aber der Anlage nach scheint es angeboren zu sein. Dagegen ist wieder eine Entwickelung dieser angeborenen Mitgift im Laufe der Generationen anzunehmen, und hier allerdings d\u00fcrfte, wenn wir bis auf die erste Entstehung zur\u00fcckgehen, das Causalverh\u00e4lt-nifs zwischen Urtheil und Gef\u00fchl das umgekehrte sein, also das Urtheil das Prim\u00e4re und das Gef\u00fchl die Folge davon. Es l\u00e4fst sich denken, dafs zuerst gr\u00f6bere Abweichungen von dem reinen Intervall in der That als Abweichungen von der bez\u00fcglichen Verschmelzungsstufe Wahrgenommen wurden, und dafs diese rein theoretische Wahrnehmung auf Grund des Verschmelzungsmerkmals das Bed\u00fcrfnifs erzeugte, den einen der beiden T\u00f6ne um soviel zu verschieben, bis die zun\u00e4chstliegende ausgesprochene Verschmelzungsstufe (der n\u00e4chstliegende Gipfel der Verschmelzungscurve, Tonpsych. II, 176) erreicht war; oder* was dasselbe ist : dafs die Abweichung von diesem Punkte eben als Abweichung vom Normalen aufgefafst wurde. Wenn wir dabei von einem \u201eBed\u00fcrfnifs\u201c nach einem \u201eNormalen\u201c reden, ist allerdings vorausgesetzt, dafs in den bez\u00fcglichen Verschmelzungsstufen selbst schon irgend etwas Reizvolles lag ; und dies setzt wieder das Vorhandensein eines gewissen Intervallgef\u00fchles voraus. Aber wenn auch nur beispielsweise die Einheitlichkeit der Octave als etwas Merkw\u00fcrdiges empfunden wurde, so war schon ein solcher Reiz gegeben.\nJenachdem es sich nun um eine Abweichung nach der H\u00f6he oder Tiefe handelte, jenachdem das Intervall vergr\u00f6fsert oder verkleinert werden mufste, um die n\u00e4chstliegende wohlmarkirte Verschmelzungsstufe zu erreichen, erschien die Abweichung als ein Zur\u00fcckbleiben oder ein Hinausgehen \u00fcber das Normale* woran sich dann leicht die Association der Sch\u00e4rfe, der Ueber-treibung oder der Mattigkeit, Unzul\u00e4nglichkeit, Schalheit o. dg].","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nC. Stumpf lind M. Meyer.\n[XVIII. 395]\nkn\u00fcpfen konnten. Das Gef\u00fchl, das so entstand, war ein anf Wahrnehmung und daran associirten Vorstellungen beruhendes. Dieses scheint aber allm\u00e4hlich in ein rein sinnliches \u00fcbergegangen zu sein, das direct von der Empfindung der beiden T\u00f6ne ausgel\u00f6st wird, bevor noch die Wahrnehmung der Abweichung erfolgt. In dieser Form wird es nun angeboren und dient dem Wahrnehmungsurtheil \u00fcber Abweichungen als Wegweiser. Auch zu den Associationen, deren Wirkung es fr\u00fcher gewesen, verh\u00e4lt es sich nunmehr als Ursache.\nEs soll dies aber hier nur als Idee ausgesprochen sein, um einen Weg anzudeuten, auf dem man in der Erforschung der Causal-zusammenh\u00e4nge weiterkommen k\u00f6nnte, und auf welchen man sich meiner Meinung nach auch in anderen Fragen der musikalischen Gef\u00fchlslehre gewiesen findet.\n2. Wir begreifen nun zun\u00e4chst, wie es Vorkommen kann, dafs man ein Intervall als unrein beurtheilt, ohne doch sogleich die Richtung der Verstimmung angeben zu k\u00f6nnen. Manche Personen finden sich \u00f6fter, andere seltener in dieser Lage. Bei der Frage nach Gleichheit oder Verschiedenheit zweier T\u00f6ne (Unterschiedsempfindlichkeit) kann es im Grunde nicht Vorkommen, dafs man klar die Verschiedenheit erkennt, ohne zugleich zu erkennen, ob der zweite Ton tiefer oder h\u00f6her ist als der erste1, weil hier doch wohl nur die Empfindung als solche maafsgebend sein kann und die beiden Richtungen der Tonbewegung nichts Gemeinschaftliches haben. Dagegen kann das Erw\u00e4hnte hier Vorkommen, weil die beiden Abweichungen die Unannehmlichkeit des Eindrucks gemeinsam haben und sich dadurch von dem subjectiv reinen Intervall gemeinschaftlich unterscheiden. Es kann geschehen, dafs einer zun\u00e4chst nur im Allgemeinen eine undefinirbare Unbehaglichkeit versp\u00fcrt, wie sie f\u00fcr unreine Intervalle charakteristisch ist, und dafs dieser generelle Eindruck st\u00e4rker und deutlicher ist als (die specifische Verschiedenheit innerhalb des Unreinheitsgef\u00fchls. Hierin;k\u00f6nnen auch pers\u00f6nliche Unterschiede bestehen. Selbstverst\u00e4ndlich kann jene allgemeine Unbehaglichkeit durch Nebenumst\u00e4nde auch beim reinen Intervall hervorgerufen werden, ebenso wie die specifischen Gef\u00fchlsunterschiede nicht untr\u00fcglich sind.\n1 Vgl. M. Meyer, Unterschiedsempfindlichkeit etc. Oben S. 73 f.","page":158},{"file":"p0159.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 396] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 159\n3.\tDafs die grofse Terz gr\u00f6fser, die kleine kleiner gew\u00fcnscht wird, als es den physikalischen Verh\u00e4ltnissen 4:5 und 5 : 6 entspricht, daran scheint mir nicht die Gew\u00f6hnung an die temperirte Stimmung oder gar ein Einflufs der pythagoreischen Quintenconstruction Schuld zu sein. In beiden F\u00e4llen w\u00fcrde man erheblich gr\u00f6fsere Abweichungen erwarten m\u00fcssen. Aufser-dem ist die Erkenntnifs einer Verwandtschaft vierten Grades, wie sie bei der pythagoreischen Terz stattfinden w\u00fcrde, eine psychologisch unm\u00f6gliche Leistung. Man kann nicht annehmen, dafs der H\u00f6rer, dem eine grofse Terz zur Beurtheilung ihrer Reinheit vorgelegt ist, in aller Schnelligkeit vier Quinteng\u00e4nge und zwei Octavenschritte mache, und dafs dabei auch noch eine ebenso-grofse oder gr\u00f6fsere Genauigkeit herausk\u00e4me als bei jedem Quinten- und Octavenschritt f\u00fcr sich (denn Terzen wurden ja ebensogut oder besser beurtheilt als diese Intervalle). Und was die temperirte Terz betrifft, so hat man mit Recht bemerkt, dafs auch im Volksgesang und in anderen F\u00e4llen, wo keine Nachwirkung des Claviers angenommen werden kann, dennoch eine Ueberh\u00f6hung der grofsen Terz h\u00e4ufig beobachtet wird, sowie umgekehrt, dafs die physikalisch reine Stimmung von Accorden meistens auch von Solchen vorgezogen wird, die sich lebenslang mit Clavierspiel besch\u00e4ftigt haben.\nDer Grund f\u00fcr die Abweichungen bei den Terzen liegt meines Erachtens einfach in den \u00e4sthetischen Bed\u00fcrfnissen des Ausdrucks, auf die bereits Moritz Hauptmann gelegentlich hinwies. Man steigert in aller Kunst gern das Charakteristische, um es besser hervorzuheben, also die Grofse der grofsen, die Kleinheit der kleinen Terz. Aber die Steigerung darf f\u00fcr ein feines Ohr und einen feinen Geschmack eben auch nur ein sehr Geringes betragen.\nEben darum ist dieser Zug auch nur im Allgemeinen zu con-statiren, nicht ausnahmslos, und kann durch Nebeneinfl\u00fcsse auch gelegentlich in sein Gegentheil verkehrt werden.\n4.\tDafs nun aber nicht blos bei grofsen Terzen, sondern auch bei Quinten und Octaven eine Neigung zur Ver-gr\u00f6fserung, und zwar mit der Grofse des Intervalls zunehmend, sich findet, und dafs dies besonders hei a u f -steigender Bewegung hervortritt, l\u00e4fst sich vielleicht auf folgende Umst\u00e4nde zur\u00fcckf\u00fchren :\na) Bei den consonanten Intervallen aufeinanderfolgender T\u00f6ne der Dur-Leiter l\u00e4fst sich eine Neigung verstehen, in der","page":159},{"file":"p0160.txt","language":"de","ocr_de":"160\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 397]\nRichtung der Tonbewegung ein wenig zu \u00fcbertreiben, also das Intervall etwas zu erweitern. Das Bed\u00fcrfnis des musikalischen Ausdrucks scheint dahin zu dr\u00e4ngen. Jeder Intervallschritt, sei es nach der H\u00f6he, sei es nach der Tiefe, hat eine gewisse melodische Bedeutung, wenn sie sich auch nicht zureichend in Worte fassen l\u00e4fst, und diese Bedeutung h\u00e4ngt mit an der relativen Distanz der T\u00f6ne. Die grofse Terz hat schon etwas relativ Energisches (um dies einmal so auszudr\u00fccken) gegen\u00fcber der kleinen, durch das Ergreifen der zweiten Ganztonstufe statt der im Tonsystem ebenso m\u00f6glichen Halbtonstufe. Der Quintenschritt ist aber wieder energischer als der Terzenschritt, und der Octavenschritt energischer als der Quintenschritt. Damit ist nicht Alles ausgedr\u00fcckt, was der musikalische Mensch bei diesen Tonschritten f\u00fchlt, aber immerhin etwas davon. Wegen dieser ihrer dynamischen Bedeutung nun m\u00f6gen wir jene Schritte lieber etwas zu grofs als zu klein h\u00f6ren, um des eigenth\u00fcmlichen Reizes, der schon in dem blofsen Fortschreiten in einer gewissen Richtung (mit Ueberspringung zwischenliegender Stufen) liegt, nur ja nicht verlustig zu gehen. Es ist dieser Zug wieder nur ein Ausflufs des Princips kleiner Uebertreibungen zu Gunsten des Charakteristischen. Zugleich ist daraus ersichtlich, warum die Neigung zur Vergr\u00f6fserung mit der Gr\u00f6fse der Schritte selbst w\u00e4chst.\nb) Sie wird sich aber besonders geltend machen bei aufsteigender Tonbewegung, weil dieser von vornherein der Charakter des energisch Fortschreitenden vorzugsweise eignet. Man f\u00e4ngt die Tonleiter unten an, auch Melodien beginnen gew\u00f6hnlich mit aufsteigender Bewegung, und wenn unleugbar den absteigenden Melodieanf\u00e4ngen ein besonderer Reiz innewohnt, h\u00e4ngt dies wahrscheinlich gerade auch mit dem Ungew\u00f6hnlicheren zusammen. Warum es nat\u00fcrlicher ist, aufsteigend zu beginnen, haben wir hier nicht zu untersuchen (es m\u00f6gen u. a. r\u00e4umliche Analogien, wie Ersteigen eines Gipfels u. dergl. mitwirken), die Thatsache wird man zugeben. Daher erschien uns auch das aufsteigende Intervall in den Versuchen nat\u00fcrlicher und bestand mehr oder minder die Neigung, das absteigende in Gedanken umzukehren und dann erst auf seine Reinheit zu pr\u00fcfen (o. S. 151).\nIndessen werden alle Umst\u00e4nde, die das Ausdrucksbed\u00fcrfnifs in dieser Hinsicht modificiren, auch die Intonation modificiren.","page":160},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 398] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. I\u00dfl\nSo wird es namentlich auch auf die Accentvertheilung ankommen. Ich zweifle kaum, dafs gute Spieler z. B. die aufsteigende Octave beim Beginn des Moz\u00c6T\u2019schen Us-Dur-Quartetts durchschnittlich physikalisch rein int\u00f6niren, ohne Neigung zur Vergr\u00f6fserung. Wir m\u00fcssen immer im Auge behalten, dafs die isolirten Octaven, die wir hier mit Beseitigung aller Intensit\u00e4ts- und sonstigen Unterschiede vorlegten, gewissermaafsen Abstractionen sind, an denen sich ein Niederschlag musikalischer Erlebnisse geltend machen kann, dafs aber in der Wirklichkeit die Umst\u00e4nde des einzelnen Falles viel ausschlaggebender sein k\u00f6nnen. Wir haben einen Leichenbefund aufgenommen und etwa eine Herzvergr\u00f6fse-rung gefunden, aber wie das Herz dann und dann geschlagen hat, k\u00f6nnen wir daraus nicht entnehmen.\nBei der kleinen Terz ist ihres Charakters wegen die absteigende Bewegung nat\u00fcrlicher. Doch wird das \u00e4sthetische Motiv, durch welches sie noch mehr verkleinert wird, gleichwohl auch bei ihr am st\u00e4rksten dann wirken, wenn die Tonbewegung in der Richtung stattfindet, in der wir die Durterz zu beurtheilen pflegen: denn nur dann kommt uns der Gegensatz der zur\u00fcckgehaltenen Bewegung zur Halbtonstufe und der frei zum Ganzton fortschreitenden zum Bewufstsein, wenn die Bewegung in gleicher Richtung stattfindet. Das Moll wird am Dur gemessen. Daraus liefse sich verstehen, warum die Neigung zur Verkleinerung der kleinen Terz sich gleichfalls am meisten bei aufsteigender Bewegung zeigt (o. S. 99).\nZu dem genannten Motiv der Vergr\u00f6fserung auf steigender grofser Terzen, Quinten und Octaven kommt ein weiteres Motiv noch bei S\u00e4ngern und solchen, die viel singen h\u00f6ren. Der S\u00e4nger und mit ihm der H\u00f6rer f\u00fcrchtet eine zu tiefe Intonation bei aufsteigenden Intervallen mehr als eine zu hohe, einfach weil die Gefahr des Detonirens in Folge der nat\u00fcrlichen Tr\u00e4gheit des Organs und bei h\u00f6heren Lagen in Folge der erforderlichen Anstrengung gr\u00f6fser ist als die Gefahr zu hoher Intonirung. Es giebt zwar auch S\u00e4nger und zumal S\u00e4ngerinnen, die consequent zu hoch singen, aber der Fall ist weit seltener. Dafs man aber auch beim blofsen Singenh\u00f6ren von diesen Gef\u00fchlen mitafficirt ist, werden Viele best\u00e4tigen. Ich habe nicht selten beim Anh\u00f6ren nicht ganz sicherer Solisten oder Ch\u00f6re ein Gef\u00fchl reeller Anstrengung im Kehlkopf, und Andere geben sogar an, dafs sie sich an Stelle des S\u00e4ngers heiser f\u00fchlen.\nStumpf, Beitr\u00e4ge II.\n11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 399]\nVon solchen Erfahrungen k\u00f6nnte also auch etwas auf das Urtheil \u00fcbergegangen sein und zur Bevorzugung vergr\u00f6fserter Intervalle mitwirken, wobei wiederum die Neigung mit der Gr\u00f6fse des Intervalles wachsen mufs.\nc) Von den Intervallen mit aufeinanderfolgenden T\u00f6nen kann nun eine solche Neigung auf die mit gleichzeitigen \u00fcbergegangen sein. Wenn sie hier bei der Quinte besonders hervortritt (in den Collectivversuchen \u00fcberhaupt nur bei der Quinte), so liegt dies wohl an der praktischen Verwendung der Quinte zum Stimmen, wobei die Saiteninstrumente wieder lieber etwas scharf stimmen, weil sich die Saiten doch wieder etwas herunterziehen, und die h\u00f6heren mehr als die tieferen.1 \u2014\nIch gebe indessen alle diese Erkl\u00e4rungen mit geb\u00fchrender Reserve. Man erkl\u00e4rt auch manchmal auf solchem Wege Dinge, die sich bei weiterer Erfahrung gar nicht als richtig heraussteilen. Dafs jedenfalls psychologische Motive, die mit der Sensibilit\u00e4t f\u00fcr Gef\u00fchlswirkungen der Intervalle Zusammenh\u00e4ngen, hier wirksam sind, geht wohl schon aus den nicht unerheblichen graduellen Differenzen hervor, die sich zwischen den Individuen finden (vgl. namentlich die Angaben bei Coenu und Mercadier f\u00fcr Quinte und Octave) ; ebenso aus der zeitweiligen Paralysirung dieser Einfl\u00fcsse bei einunddemselben Individuum (2. Cap.). Es m\u00f6gen aber auch noch hier und da Z\u00fcge mitwirken, die in allgemeineren Gewohnheiten des Sinnesurtheils gr\u00fcnden, namentlich solche, die an die zeitliche Anordnung der Eindr\u00fccke gekn\u00fcpft sind; doch haben unsere Versuche bestimmte Anhaltspunkte daf\u00fcr nicht gegeben.\n5. Dafs das Urtheil bei gleichzeitiger Angabe der T\u00f6ne schlechter ausfiel, d. h. gr\u00f6fsere Verstimmungen n\u00f6thig waren, um als solche erkannt zu werden, m\u00fcfste paradox erscheinen, wenn das Kriterium des Reinheitsurtheils in der Verschmelzung der T\u00f6ne l\u00e4ge, da die Verschmelzung bei gleichzeitigen T\u00f6nen doch an den actuellen Empfindungen wahrgenommen wird, bei aufeinanderfolgenden aber an einem empfundenen und einem blos vorgestellten Ton. Aber es ist uns nicht mehr paradox, nachdem wir erkannt haben, dafs das Urtheil auf einem besonderen Gef\u00fchl beruht, welches sich bei\n1 Vgl. meine Beobachtungen \u00fcber Stimmen im Unisono, Tonpsych I S. 303.","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 400] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 163\naufeinanderfolgenden T\u00f6nen ebenso gut entwickeln kann. Ja es ist nun die Gleichzeitigkeit ein Hindernifs des Urtheils, weil dadurch der einzelne Ton weniger leicht in seiner Eigent\u00fcmlichkeit erkannt wird. Und je st\u00e4rker die Verschmelzung, um so gr\u00f6fser das Hindernifs, weil st\u00e4rker verschmelzende T\u00f6ne eben weniger vollkommen auseinandertreten. Daher die Schwierigkeit des Urtheils gerade bei der Octave. Bei der Terz mag die relativ geringe Distanz der T\u00f6ne einen \u00e4hnlichen Effect haben. Dagegen stehen Quinten in beiden Beziehungen in der Mitte, und sind \u00fcberdies als haupts\u00e4chliches Stimmintervall im Vorteil.\nEs entsteht nur die Frage, warum man gerade Quinten, und zwar gleichzeitige, zum Stimmen (beim Clavier und bei den Streichinstrumenten aufser dem Contrabafs) ben\u00fctzt. Delezenne war der Meinung, dafs die besonders feine Empfindlichkeit f\u00fcr dieses Intervall den Anlafs bilde. Es wird aber vielmehr umgekehrt sein. Und die Ursache, warum man Quinten zum Stimmen der Streichinstrumente ben\u00fctzt, liegt wohl einfach darin, dafs bei unseren gegenw\u00e4rtigen Streichinstrumenten aufser dem Contrabafs die Saiten aus praktischen Gr\u00fcnden der Handhabung nun einmal dieses Intervall darbieten ; man hat gefunden, dafs sich so am besten darauf spielen l\u00e4fst. Gleichzeitig aber streicht man sie an, weil man dabei schneller zum Ziele kommt und weil so minimale Differenzen, wie sie beim successiven Streichen noch etwa zu ermitteln w\u00e4ren, praktisch ganz gleichg\u00fcltig sind. Cellisten pflegen indessen schon h\u00e4ufig das Nacheinander der T\u00f6ne zu benutzen, um sich der Reinheit zu vergewissern (oder sie nehmen das Flageolet zu H\u00fclfe).\nBeim Clavier empfiehlt sich die Ben\u00fctzung von Quinten (aufser Octaven) zum Abstimmen wegen der gleichschwebenden Temperatur, weil die erforderlichen Schwebungen bei Quinten besonders gut zu beobachten sind. Durch die gleichschwebenden Quinten wird nun freilich das Geh\u00f6r f\u00fcr reine Quinten nicht gesch\u00e4rft, aber auch nicht verdorben; es wird \u00fcberhaupt nicht dadurch beeinflufst, sonst m\u00fcfste eine Verkleinerung vorgezogen werden. Die Uebung im Stimmen kommt hier aber \u00fcberhaupt als Erkl\u00e4rungsprincip nicht in Betracht, da Clavierspieler ihr Instrument nicht selbst zu stimmen pflegen.\n6. Dafs obertonreiche Kl\u00e4nge weniger sichere Reinheitsurtheile liefern, kann nur f\u00fcr diejenigen wunderbar sein, die mit Helmholtz in zusammenfallenden Ober-\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nG. Stumpf und M. Meyer.\n[X VIII. 401]\nt\u00f6nen das Wesen der Consonanz und der Intervalle erblicken Ja sie m\u00fcssen consequent das Reinheitsurtheil bei einfachen T\u00f6nen f\u00fcr \u00fcberhaupt unm\u00f6glich erkl\u00e4ren. Hat aber Consonanz mit Obert\u00f6nen nichts zu thun, wie dies aus zwingenden Gr\u00fcnden hervorgeht, so wird der Reichthum an Obert\u00f6nen keinen Vortheil f\u00fcr das Intervallurtheil bilden. Umgekehrt m\u00fcssen die unvermeidlichen dadurch bedingten Nuancen der Klangfarbe der beiden Kl\u00e4nge st\u00f6rend wirken: und so war es auch.\nSeltsamerweise findet Schischmanow in seinen Ergebnissen statt einer Widerlegung eine Best\u00e4tigung der HELMHOLTz\u2019schen Lehre: ,,Im Allgemeinen d\u00fcrfte der Satz, dafs wir die Reinheit der harmonischen Intervalle nach der Coincidenz der Partialt\u00f6ne beurtheilen, seine G\u00fcltigkeit behaupten.\u201c Er schliefst dies daraus, dafs die Reihenfolge der Intervalle nach ihrer Empfindlichkeit f\u00fcr Verstimmungen sich als \u00fcbereinstimmend mit der Reihenfolge nach der Consonanz erwiesen habe. Da er aber mit Stimmgabeln operirte, die \u00fcberhaupt keine Obert\u00f6ne, oder nur die zwei ersten schwach enthalten, w\u00e4hrend doch bei der grofsen Terz der 4. und der 5., bei der kleinen Sexte der 5. und der 8. Theilton zusammenfallen m\u00fcfsten, so war die Consequenz, die er ziehen mufste, genau die umgekehrte. So stark sind Vor-urtheile.\n7. Was endlich die Ordnung der Intervalle nach ihrer Empfindlichkeit betrifft, so scheint aus unseren Ermittelungen hervorzugehen, dafs nur die Quinte sich vor den \u00fcbrigen untersuchten Intervallen auszeichnet, dafs unter diesen selbst aber merkliche Unterschiede nicht bestehen. Bei der Quinte ist der Vorzug aus den vorher erw\u00e4hnten Umst\u00e4nden zu begreifen.\nDie Erkl\u00e4rung hat sich also in dieser Sache vielmehr darauf zu richten: Woher stammt das so gut wie allgemein angenommene Dogma, dafs die Empfindlichkeit f\u00fcr Verstimmungen mit dem Consonanzgrade des Intervalls abnehme?\nIch m\u00f6chte glauben, dafs es mehr theoretische als empirische Wurzeln hat; wie es denn auch sogleich das erste Mal, wo wir es vorfinden, n\u00e4mlich bei Ptolemaeus, mit speculativ-philosophi-schen Erw\u00e4gungen in Zusammenhang steht, die auf den alten Satz hinauszulaufen scheinen, dafs die Verderbnifs des Besten","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 402] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 165\nam schlimmsten ist.1 Das heilst aber, auf unseren Fall \u00fcbertragen, doch eigentlich nur: wenn wir eine Verstimmung merken, ist sie unangenehmer hei der Octave als bei der Quinte, Terz u. s. f. Aber es w\u00fcrde nicht schon beweisen, dafs wir sie bei der Octave eher bemerken. Die Octave hat sozusagen die st\u00e4rkste Verpflichtung rein zu sein, man kann ihr eine Abweichung schwerer verzeihen. Das ist nicht zu verwechseln mit der Gr\u00f6fse der ebenmerklichen Abweichung selbst. Im Gegen-theil k\u00f6nnte man, wenn man hier analogisiren will, sagen : beim Vornehmen mufs mehr gestohlen werden, wenn es bemerkt werden soll, als beim kleinen Mann. Wenn man Intervalle als Tonabst\u00e4nde definirt (wie dies fr\u00fcher geschah), m\u00fcfste man ohnedies den Schlufs in solcher Weise umkehren: denn von Terz zu Quinte und Octave nimmt der Tonabstand zu und bei gr\u00f6fse-ren Abst\u00e4nden mufs man gr\u00f6fsere Fehler erwarten.\nIch habe fr\u00fcher das allgemein angenommene Gesetz selbst f\u00fcr richtig gehalten und es, da ich zugleich der Meinung war, dafs die Verstimmung auf Grund wahrgenommener Verschmelzungsunterschiede beurtheilt werde, dahin ausgesprochen: dafs bei den st\u00e4rkeren Verschmelzungen geringere Abweichungen noch erkannt w\u00fcrden. In dieser Form ist das Gesetz auch von allen, die seitdem \u00fcber Tonverschmelzung geschrieben haben, angenommen worden. Aber es l\u00e4fst sich nicht halten. Die reine Stimmung wird eben nicht an der genauesten Erreichung der bez\u00fcglichen Verschmelzungsstufe erkannt, sondern an dem Eintritt des eigenth\u00fcmlichen Lustgef\u00fchls, das wir als Reinheitsgef\u00fchl bezeichneten und das innerhalb der consonanten Intervalle keine wesentlichen Abstufungen aufweist. Und die eben unreine Stimmung ist nicht eine ebenmerkliche Abnahme der bez\u00fcglichen Verschmelzung, sondern eine solche Abstimmung, bei der zuerst eine Spur der Mattigkeit oder der Sch\u00e4rfe auftritt, die sich nur als Unlustgef\u00fchle charakterisiren lassen und die wiederum f\u00fcr alle consonanten Hauptintervalle nicht blos den gleichen Gef\u00fchlston, sondern auch im Wesentlichen die gleiche Feinheit besitzen. Mit den Verschmelzungsstufen haben diese Gef\u00fchlsunterschiede nichts zu thun.\nMan k\u00f6nnte die Annahme versuchen, dafs das alte Dogma\n1 Vgl. m. \u201eGeschichte des Cons\u00f6nanzbegriffes\u201c, I. Theil, Abhandl. der M\u00fcnchener Akad. d. Wiss. 21. Bd., 1897, S. 59.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nC. Stumpf und M. Meyer.\n[XVIII. 403]\ndoch wenigstens bei Kl\u00e4ngen von sch\u00e4rferer Klangfarbe, wie sie ja in der praktischen Musik vorwiegend gebraucht werden, gewisse sachliche Anhaltspunkte habe. Stellen wir uns zuerst vor (was freilich nur eine Fiction ist), man beurtheile die Reinheit einer Octave so, dafs der h\u00f6here Ton mit dem zweiten Theilton des tieferen in Bezug auf Unisono verglichen werde, ebenso die Reinheit der Quinte durch Vergleichung des 3. Theiltons des tieferen mit dem 2. des h\u00f6heren \u2014 wobei also die Reinheitsempfindlichkeit sich auf Unterschiedsempfindlichkeit reduciren w\u00fcrde. Dann m\u00fcfste das Urtheil bei der Octave allerdings durchschnittlich am feinsten sein, da der zweite Theilton am st\u00e4rksten unter den Obert\u00f6nen vertreten zu sein pflegt, also die fragliche Vergleichung am leichtesten stattf\u00e4nde; und es m\u00fcfste \u00fcberhaupt mit abnehmender Consonanz die Sch\u00e4rfe des Reinheitsurtheils abnehmen, weil die Intensit\u00e4t der auf ihr Unisono zu pr\u00fcfenden Theilt\u00f6ne im Ganzen mit ihrer Ordnungszahl abnimmt. Nun findet zwar ein solcher Procefs beim gew\u00f6hnlichen musikalischen Urtheil nicht Statt: die Reinheitsempfindlichkeit ist nicht Unterschiedsempfindlichkeit, da man eben die Obert\u00f6ne nicht gesondert heraush\u00f6rt. Aber es liefse sich annehmen, dafs die Obert\u00f6ne, auch ohne gesondert vernommen zu werden, doch einen Einflufs auf das Reinheitsurtheil \u00fcben, indem kleine Abweichungen zwischen ihnen den bez\u00fcglichen beiden Kl\u00e4ngen (auch wenn sie nur aufeinanderfolgen) etwas Fremdartiges gegeneinander g\u00e4ben. Die Aehnlichkeit zweier Kl\u00e4nge, die durch gemeinsame unanalysirte Teilt\u00f6ne entsteht, wird eben geringer, wenn sie nicht genau coincidiren.\nEine k\u00fchne Hypothese w\u00e4re es freilich, dafs Verstimmungen unbemerkter Theilt\u00f6ne als Verstimmungen der ganzen Kl\u00e4nge gegen einander bemerkt w\u00fcrden, und es hat keiner von unseren Beobachtern auf Befragen zugegeben, dafs die Verstimmung der Quinte f\u00fcr ihn eine Verminderung der Aehnlichkeit ihrer beiden T\u00f6ne miteinander bedeute; ja man verstand kaum, was damit gemeint war. Aber es w\u00e4re so wenigstens eine gewisse, wenn auch mehr papierne, St\u00fctze f\u00fcr die Ueberlieferung zu finden.\nWir wollen nicht weitl\u00e4ufiger zeigen, warum eine wirkliche und sachliche Begr\u00fcndung doch nicht darin l\u00e4ge. Denn wenn auch die psychologische Construction einwandfrei und unsere Beobachtungen an obertonreichen Kl\u00e4ngen damit vereinbar w\u00e4ren, so w\u00fcrde man immer noch kein Recht haben, den","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"[XVIII. 404] Maafsbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle. 167\nSatz auch f\u00fcr obertonarme oder ganz einfache T\u00f6ne auszusprechen.\nDer Ursprung der \u00fcberkommenen Lehrmeinung d\u00fcrfte also doch wesentlich in rein speculativen Vorstellungen und in Mifs-verst\u00e4ndnissen liegen. Nachdem sie so auf gekommen war, hat Einer sie dem Anderen nachgesprochen.","page":167}],"identifier":"lit38478","issued":"1898","language":"de","pages":"84-167","startpages":"84","title":"Maa\u00dfbestimmungen \u00fcber die Reinheit consonanter Intervalle","type":"Journal Article","volume":"2"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:11:13.238889+00:00"}